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042/2002
Stand: 20.02.2002
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Kritisches Echo auf geplante Verschärfung des Strafrechts

/Rechtsausschuss (Anhörung)

Berlin: (hib/SAS) Überwiegend kritisch äußern sich die Experten in einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses zur geplanten Verschärfung des Strafrechts für Sexualtäter. Hierzu liegen dem Ausschuss ein Gesetzentwurf des Bundesrates (14/1125) und eine Gesetzesinitiative der CDU/CSU-Fraktion (14/6709) vor. Besonders umstritten ist die Initiative der Union, eine "nachträgliche" Sicherheitsverwahrung anzuordnen, wenn sich ein Sexualtäter bei Verbüßen seiner Haftstrafe als "hochgefährlich" erweist. Uneins waren die Sachverständigen auch bei der von der Länderkammer erhobenen Forderung, die "Grundfälle" des sexuellen Mißbrauchs von Kindern wieder als Verbrechen zu kennzeichnen. So gibt Armin Nack, Richter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe, in seiner schriftlichen Stellungnahme zu bedenken, die generelle Einstufung als Verbrechen könne in Einzelfällen "unangemessen" sein. Auch empfiehlt er, den bisherigen Strafrahmen, der zwischen den sexuellen Handlungen differenziert, beizubehalten und nicht wie in den Gesetzentwürfen gefordert, die Mindeststrafe von bisher einem halben auf ein Jahr anzuheben und die entsprechenden Handlungen als Verbrechen mit einem "weiten" Strafrahmen zu ahnden.

Gegen eine "Hochstufung" der genannten Delikte als Verbrechen spricht sich auch Professor Volker Krey von der Universität Trier aus. Er beruft sich dabei auf das Schuldprinzip und kriminalpolitische Erwägungen. Als "grundsätzlich plausibel" bewertet Krey hingegen, eine Unterbringung in der Sicherheitsverwahrung nachträglich und "bei entsprechenden rechtsstaatlichen Absicherungen" anzuordnen. Er begründet dies mit dem Umstand, dass bei Sexualtätern erst bei Verbüßen der Haftstrafe die hohe Gefährlichkeit eines Täters deutlich werde, Gefahrenabwehrmaßnahmen aber nach geltender Rechtslage nicht in Frage kämen. Hier sieht er eine erhebliche Lücke im Bereich des vorsorgenden Schutzes der Bevölkerung vor schwerwiegenden Straftaten. Darüber hinaus müsse "um jeden Preis" verhindert werden, dass sich die Bundesländer des Problems gemäß Landespolizeirecht annähmen und es zu keiner bundeseinheitlichen Regelung komme.

"Gravierende verfassungsrechtliche Bedenken" gegen die nachträgliche Anordnung einer Sicherheitsverwahrung äußert Jörg Kinzig vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg. So könne das Gesetzesvorhaben gegen das Rückwirkungsverbot sowie das Verbot der Doppelbestrafung verstoßen. Des Weiteren verweist er darauf, dass auch die Ausweitung der Möglichkeiten für eine DNA-Analyse praktische und verfassungsrechtliche Fragen aufwerfe. "Auf sehr dünnem Eis" bewegt sich aus Sicht von Professor Rudolf Egg von der Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden eine Gefährlichkeitsprognose, die eine frühere gerichtliche Feststellung zwar nicht als solche korrigiert, aber dennoch zu einer deutlich ungünstigeren Bewertung gegenüber dem Straftäter kommt, die für eine nachträgliche Sicherheitsverfahrung ausreichend wäre. Deshalb regt er einen Kompromiss an, bei dem das erkennende Gericht in "begründeten" Zweifelsfällen die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung "vorbehaltlich" anordnen und die endgültige Entscheidung darüber der Strafvollstreckungskammer überlassen könnte.

Keine verfassungs- oder europarechtlichen Probleme sieht der Präsident des Landgerichts Traunstein, Klaus Weber. In seiner schriftlichen Begründung heißt es, die vorgeschlagenen Maßnahmen seien "erfolgversprechend" und "verhältnismäßig", um Lücken im Strafrecht zu schließen. Als eine "Sicherheitslücke" bezeichnet der Sachverständige eine Situation, in der erst während des Strafvollzugs bei einem Täter ein "Hang zu erheblichen Straftaten" erkannt werde. Hätte man die Gefährlichkeit noch im Erkenntnisverfahren entdeckt, so hätte man eine Sicherheitsverwahrung im Anschluss an die Haftstrafe anordnen können, die zeitlich unbeschränkt sei. So aber müsse der Verurteilte in die Freiheit entlassen werden, obwohl sich seine Gefährlichkeit inzwischen erwiesen habe, argumentiert Weber. Auch Heinz-Bernd Wabnitz begrüßt die beiden Gesetzesvorhaben. Die vorgesehenen Maßnahmen trügen dazu bei, den Schutz der Allgemeinheit vor "hochgefährlichen" Straftätern zu erhöhen.

Den Gesetzesvorhaben zufolge soll der Strafrahmen für die Verbreitung pornographischer Schriften erhöht sowie das Herstellen von Kontakten, die zum sexuellen Mißbrauch von Kindern führen können, bestraft werden. Darüber hinaus soll für "hochgefährliche" Straftäter auch nach der rechtskräftigen Verurteilung eine Sicherungsverwahrung angeordnet werden können. Ferner sollen die Voraussetzungen dafür erleichtert werden, dass auf Grundlage von DNA-Tests die Identität eines Täters festgestellt werden kann. Auch sei die Überwachung der Telekommunikation zu ermöglichen, um so dem sexuellen Mißbrauch von Kindern zum Zwecke der Verbreitung pornographischen Materials auf die Spur zu kommen.

Quelle: http://www.bundestag.de/bic/hib/2002/2002_042/02
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