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Bild: Sibylle Laurischk
Sibylle Laurischk (FDP).

Sibylle Laurischk: „Ich lese ‚Der fremde Vater’ von Pierre Boom und Gerhard Haase-Hindenberg.“

Der Fall Guillaume – vor 30 Jahren ein deutsch-deutscher Agententhriller, mit der Auswirkung, dass ein Bundeskanzler zurücktrat und der Sinn der Ostpolitik in Frage gestellt wurde. Ich erinnere mich gut, wie bei einem Verwandtenbesuch in der DDR meine Cousins und Cousinen – wir waren damals 20 – stolz darauf waren, dass die DDR „so etwas“ geschafft hat.

Für mich ist es spannend zu lesen, wie der damals 17-jährige Pierre Boom die Festnahme seiner Eltern erlebte und unfreiwillig zum Wanderer zwischen zwei Welten wurde. Gerade die persönliche Schilderung von Pierre Boom beeindruckt, weil er den Mut hat, einen Einblick in sein inneres Erleben zuzulassen. Seine Schilderung tiefer Verlassenheit und seiner Verwirrung über die doppelte Existenz seiner Eltern zeigt, in welche Lebenskrise er mit 17 Jahren geriet. Die vermeintlichen „Hilfsangebote“ der DDR führten nach seiner Übersiedlung nach Ost-Berlin offensichtlich nicht weiter. Pierre Boom erkennt, dass die vom Arbeitgeber der Eltern gebotenen „Sicherheiten“ wie Ausbildungs- und Arbeitsplätze, Wohnung und monatliche Zahlung ihm keine Basis bieten. Nach der Erfahrung großer Einsamkeit in der ihm fremden Gesellschaft der DDR gewinnt er Boden unter den Füßen, als er sich von der Versorgung des Ministeriums für Staatssicherheit löst, eine Hilfsarbeitertätigkeit an­nimmt und auch den Preis akzeptiert, seine Eltern nicht mehr im westdeutschen Gefängnis besuchen zu können.

Dieses Buch eröffnet am Beispiel der Selbstbefreiung eines jungen Menschen einen Einblick in ehemals deutsch-deutsche Realitäten und empfiehlt sich gerade deshalb zum besseren Verständnis des Ost-West-Problems.

Pierre Boom, Gerhard Haase-Hindenberg, Der fremde Vater. Der Sohn des Kanzlerspions Guillaume erinnert sich, Aufbau-Verlag, Berlin 2004, Preis: 22,50 Euro.

Foto: Deutscher Bundestag
Erschienen am 18. Oktober 2004

SIBYLLE LAURISCHK (FDP), Rechtsanwältin, Jahrgang 1954, ist seit 2002 im Bundestag. Sie ist ordentliches Mitglied des Rechtsausschusses und Expertin der Fraktion im Europa- und Familienrecht.

sibylle.laurischk@bundestag.de
www.laurischk.de


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