Aktuelles
20 Jahre Mitarbeiteraustausch zwischen Bundestag und US-Kongress
Reisen bildet
Die Unterhaltung im Literatursalon des Restaurants Tucher nahe des Brandenburger Tors ist intensiv. Dort, wo auch Bundeskanzler Gerhard Schröder mit Präsident George W. Bush während des Deutschlandbesuchs des US-Präsidenten zusammentraf, sitzt auch diese deutsch-amerikanische Runde beisammen: zehn Mitarbeiter des US-Kongresses und der Vorsitzende der deutsch-amerikanischen Parlamentariergruppe, Volkmar Schultz.
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Natürlich geht es bei dem angeregten Gedankenaustausch auch um die Rede, die Bush im Bundestag gehalten hat. Einig ist man sich bei der Analyse, dass einige Europäer ihre vorgefassten Meinungen über Bushs Kurs anschließend etwas revidieren mussten. Auch andere Themen wie die transatlantischen Handelsstreitigkeiten kommen zur Sprache. Die Gäste aus Washington zeigen sich über aktuelle Vorgänge in Deutschland bestens informiert. Interessiert fragen sie nach dem neuen Staatsbürgerschaftsrecht, der Zuwanderungsregelung oder nach der Antisemitismus-Debatte.
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Auf dem Programm stand eine Besichtigung des Schlosses Cecilienhof in Potsdam.
Die Männer und Frauen aus den Büros von Washingtoner Abgeordneten sowie aus der Kongressverwaltung sind ein "Jubiläumsjahrgang". Seit 20 Jahren gibt es diesen Austausch zwischen Bundestag und Kongress. Seit 1983 nehmen jeweils zehn deutsche und amerikanische Mitarbeiter daran teil. Die deutsche Delegation fliegt Mitte Juli für zwei Wochen zum Gegenbesuch über den Atlantik. Die Idee für den Austausch stammt von den beiden Koordinatoren für die deutsch-amerikanischen Beziehungen. Seit 1984 ist der Bundesrat daran beteiligt. Das Programm wird gemeinschaftlich mit den Fraktionen durchgeführt. Zum jeweiligen Aufenthalt gehören auch Besuche in den Wahlkreisen, damit die Beteiligten die Arbeit der Abgeordneten beider Länder vor Ort kennen lernen.
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Erinnerungsfotos beim Besuch des ARD-Hauptstadtstudios.
Erklärtes Ziel ist es, durch Erweiterung fachlicher Kenntnisse auf beiden Seiten dauerhafte Arbeitsbeziehungen zwischen Mitarbeitern beider Parlamente zu schaffen. Ehemalige Teilnehmer, die aus Anlass des 20. Austauschs nach Berlin kamen, berichteten über viele dauerhafte persönliche Kontakte. Ein Schwerpunkt der jeweiligen Programme ist der Vergleich zwischen dem präsidialen Regierungssystem der Vereinigten Staaten und dem anders aufgebauten parlamentarischen System in Deutschland.
Für Joyce Brayboy, Teilnehmerin der diesjährigen Gruppe aus den USA, ist besonders wichtig, einmal mit eigenen Augen zu sehen und zu verstehen, "wie die deutsche Einheit wirklich funktioniert". Die Büroleiterin eines Kongressabgeordneten der Demokraten aus North Carolina ist zum ersten Mal in Deutschland. Nach den ersten Erkundungstagen in Berlin zeigt sie sich tief davon beeindruckt, "was hier seit 1990 geleistet worden ist". Richtig fasziniert sei sie vom Reichstagsgebäude. Auch Jason Grove, der für einen republikanischen Abgeordneten aus Ohio tätig ist, zeigt sich besonders angetan von der "Offenheit und der geglückten Architektur" des Berliner Parlaments- und Regierungsviertels.
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Gastgeschenk für den Bundestagspräsidenten.
Die Sonderführungen für die Gäste in den neuen städtebaulichen Highlights der Hauptstadt und nach Potsdam machten aber nur einen kleinen Teil des Programms aus. Ein Gesprächstermin reihte sich an den anderen. Auch Fraktionschefs und Parlamentarische Geschäftsführer nahmen sich viel Zeit. Ein Gespräch im ARD-Hauptstadtstudio gehört ebenso zum Programm wie Besuche in Wahlkampfzentralen der Parteien, im Kanzleramt oder in Firmenrepräsentanzen.
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Besichtigung des Andachtsraumes im Reichstagsgebäude.
"Wir leben in einer internationalen Lerngemeinschaft, die man in allen Bereichen pflegen muss", sagt Volkmar Schultz nach dem Gespräch mit den amerikanischen Gästen. "Solche Treffen ersparen nicht selten eine eigene Reise in die USA." Und eines dürfe man nicht unterschätzen: Das dichte transatlantische Netz, das auch der Bundestag etwa mit dem Jugend-, Schüler- und Mitarbeiteraustausch geknüpft habe, das habe einen nachhaltigen Einfluss auf die Meinungsbildung in den Vereinigten Staaten.