WAS STEHT ZUR WAHL?
Wie die Bundestagsparteien Politik gestalten wollen
Bundestagswahl bedeutet nicht nur Wahl des Bundestages. Der Wähler entscheidet nicht nur darüber, wer ihn direkt vertreten soll, er bestimmt auch das Kräfteverhältnis, mit dem die Parteien als Fraktionen im Parlament die Politik gestalten können. Und somit hat der Bürger auch die Wahl zwischen verschiedenen politischen Konzepten. Die fünf Wahlprogramme der im Bundestag vertretenen Parteien ergeben zusammen ein dickes Buch von über 350 Seiten. Blickpunkt Bundestag greift vier wichtige Politikfelder heraus und umreißt die Positionen der Parteien.
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Arbeitsmarkt und Beschäftigung:
SPD: Das seit Jahresbeginn gültige "Job-Aqtiv-Gesetz" (Aktivieren, Qualifizieren, Trainieren, Investieren, Vermitteln) soll nun konsequent angewendet werden. Es setzt auf Vorbeugung und zielgerichtete Vermittlung. Nötig ist eine nachhaltige Vermittlungsoffensive und angesichts des Fachkräftemangels eine breit angelegte Offensive "Arbeit und Qualifizierung". Die Verzahnung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe ermöglicht konzentrierte Bemühungen für die Langzeitarbeitslosen für eine bessere und schnellere Vermittlung. Die Bundesanstalt für Arbeit soll grundlegend reformiert und modernisiert werden. Einer modernen und flexiblen Arbeitszeitpolitik kommt eine entscheidende Rolle bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu.
CDU/CSU: Motor für Wachstum und Arbeitsplätze soll das Programm "3 mal 40" sein: Staatsquote, Sozialbeiträge, Spitzensteuersatz sinken schrittweise auf unter 40 Prozent. Die neue Grenze für 325-Euro-Jobs liegt bei 400 Euro, die Belastungen mit Sozialbeiträgen entfallen, und für geringfügige Beschäftigung wird eine pauschale Steuerpflicht der Arbeitgeber von 20 Prozent eingeführt. Das "Drei-Säulen-Modell" schafft mit niedrigeren Sozialbeiträgen und Kombilöhnen Anreize für Arbeiten im Niedrig-lohnbereich. Im Arbeitsrecht sollen Einstellungshindernisse fallen und betriebliche Bündnisse für Arbeit ermöglichen.
Bündnis 90/Die Grünen: Ein handlungsfähiger Staat bleibt notwendig, um die Rahmendaten zu verbessern: Konsolidierung der Haushalte, Steuerentlastung der kleinen und mittleren Unternehmen, Senkung der Lohnnebenkosten, Ausbau von Bildung und Forschung. Ökologie schafft wirtschaftliche Dynamik und Arbeitsplätze. Als Brücke in den Arbeitsmarkt dienen Lohnkostenzuschüsse und befristete Einstiegsgelder. Auch nötig: Jobrotation, Jobsharing, Lebensarbeitszeitkonten.
FDP: Arbeitsmarktpolitik muss auf Effizienz durchforstet werden. In der Arbeitslosenversicherung bekommt das Versicherungsprinzip mehr Geltung, durch die Steuerfinanzierung versicherungsfremder Leistungen können die Beiträge von 6,5 auf 4,5 % sinken. Mehr Wettbewerb zwischen privaten und staatlichen Arbeitsvermittlern. Im Arbeitsrecht fallen Einstellungshemmnisse. Es wird pauschal besteuerte, sozialversicherungsfreie 630-Euro-Jobs geben und ein Bürgergeld-System eingeführt.
PDS: Eine gestärkte Binnennachfrage durch öffentliche Investitionen und eine höhere Massenkaufkraft durch aktive Lohn- und gerechte Steuerpolitik schaffen neue Arbeitsplätze. Der Überstundenabbau wird mit einer gesetzlichen Begrenzung auf 40 Stunden vorangebracht. Es wird ein öffentlich geförderter Beschäftigungssektor für gesellschaftlich sinnvolle Arbeiten aufgebaut.
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Plakate zur Bundestagswahl 1998.
Steuern und Finanzen:
SPD: Ziel bleibt ein ausgeglichener Bundeshaushalt im Jahr 2006. Das Zukunftsinvestitionsprogramm wird bis 2007 fortgeführt. 2003 und 2005 kommen weitere Entlastungsstufen der Steuerreform: Der Grundfreibetrag steigt von 7.158 auf 7.664 Euro, der Eingangssteuersatz wird von 25,9 (1998) auf 15 Prozent gesenkt. Alle anderen Einkommensstufen werden in gleicher Weise entlastet – bis hin zum Spitzensteuersatz (von 53 auf 42 Prozent). Die letzte Stufe der ökologischen Steuerreform tritt zum 1. Januar 2003 in Kraft, danach folgen keine Anhebungen mehr.
CDU/CSU: Ab 1. Januar 2004 senkt eine große Steuerreform schrittweise den Spitzensteuersatz auf unter 40 Prozent und den Eingangssteuersatz auf unter 15 Prozent. Durch einen flacheren linearprogressiven Tarif profitieren alle Steuerzahler. Durchschnittsverdiener kommen nicht mehr in die Nähe des Höchststeuersatzes. Die für 2003 vorgesehene Erhöhung der Ökosteuer wird rückgängig gemacht. Mittelfristig wird die Ökosteuer ersetzt durch eine aufkommens- und wettbewerbsneutrale, europaweit abgestimmte schadstoffbezogene Abgabe.
Bündnis 90/Die Grünen: Die Aufgaben- und Finanzverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden wird überprüft, um Spielraum für Reformprojekte zu schaffen. Bis 2005 wird der Eingangssteuersatz auf 15 Prozent gesenkt, das steuerfreie Existenzminimum auf 7.664 Euro erhöht. Es gibt ein einheitliches Kindergeld. Die Ökosteuer wird zu einer ökologischen Finanzreform weiterentwickelt.
FDP: Steuersenkungen sind das beste Beschäftigungsprogramm. Der neue Stufentarif: Einkommensteile von 0-7.500 Euro: 0 Prozent Steuern, Einkommensteile von 7.501-15.000 Euro: 15 Prozent, Einkommensteile von 15.001-40.000 Euro: 25 Prozent, Einkommensteile ab 40.001 Euro: 35 Prozent. Für jeden Bürger und jedes Kind gibt es einen Grundfreibetrag von 7.500 Euro, das Kindergeld wird entsprechend angepasst. Die Ökosteuer wird abgeschafft.
PDS: Die Steuerreform sichert eine höhere Beteiligung von großen Vermögen und Erbschaften an der Finanzierung öffentlicher Aufgaben. Ein leistungsgerechter Einkommenssteuertarif befreit das reale Existenzminimum, erfasst konsequent das tatsächlich erzielte Einkommen und beseitigt die Schieflage zu Lasten allein Erziehender. Körperschaftssteuersätze steigen gewinnabhängig. Eine Primärenergiesteuer ersetzt die Ökosteuer. Die Tobinsteuer kommt.
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18.00 Uhr: Die Auszählung kann beginnen.
Familie:
SPD: Es wird ein anspruchsvolles, bedarfsorientiertes und verlässliches Betreuungsangebot für Kinder geben. Der Bund wird im Programm "Bildung und Betreuung" Angebote in Ländern und Kommunen mit 4 Milliarden Euro fördern. Das Bündnis für Arbeit muss sich der familienfreundlichen Arbeitswelt nachdrücklich annehmen. Das Kindergeld wird mittelfristig auf 200 Euro monatlich angehoben. Betreuungskosten werden steuerlich besser absetzbar. Das Ehegattensplitting bleibt, wird aber zugunsten der Förderung von Kindern umgestaltet.
CDU/CSU: Familien gehören nicht in die Sozialhilfe. Kindergeld und Erziehungsgeld werden deshalb stufenweise durch ein "Familiengeld" ersetzt: 600 Euro für jedes Kind unter drei Jahren, 300 Euro für jedes Kind zwischen drei bis unter 18 Jahren, 150 Euro für Kinder ab 18 Jahren (17 Euro ab dem vierten Kind), die sich noch in der Ausbildung befinden. Das Familiengeld ist steuer- und abgabenfrei, wird unabhängig von Umfang und Höhe des Einkommens gezahlt und mit der Freistellung des Existenzminimums verbunden.
Bündnis 90/Die Grünen: Das Modell der Kindergrundsicherung bewirkt einen Zuschlag zum Kindergeld für einkommensschwache Familien um bis zu 100 Euro – profitieren werden über vier Millionen Kinder. Die Förderung des Lebens mit Kindern durch eine Vielzahl staatlicher Stellen wird in einer Kinderkasse zusammengefasst. Für Eltern entfällt damit der zeitraubende Hürdenlauf. Auf einem Kindergipfel sollen Bund, Länder, Kommunen, Arbeitgeber, Gewerkschaften und gesellschaftliche Gruppen einen Aktionsplan entwickeln.
FDP: Es wird ein Kita-Gutschein eingeführt, der den Anspruch der Eltern auf Kinderbetreuung bestätigt und mit dem die Eltern auf dem Markt der Kinderbetreuung als Nachfrager auftreten. Sie können ihn auch bei Arbeitgebern einlösen, die in ihrem Unternehmen Kinderbetreuung ermöglichen. Zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf müssen Betreuungskosten, Kosten für Tagesmütter etc. als Werbungskosten (Selbstständige: Betriebsausgaben) absetzbar sein.
PDS: Die Ehe- und Familienförderung wird umgewandelt in eine Förderung, die an das Zusammenleben mit Kindern gebunden ist. Es wird stufenweise eine existenzsichernde Grundsicherung für Kinder eingeführt. Kinder, deren Eltern über ein sehr niedriges Einkommen verfügen, erhalten dieses Grundsicherung sofort, für alle anderen Kinder wird das Kindergeld kurzfristig auf 210 Euro (und damit die Hälfte des durchschnittlichen Existenzminimums) erhöht.
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Stimmzettel für die Bundestagswahl 1998.
Gesundheit:
SPD: Es bleibt bei der Solidarität zwischen Gesunden und Kranken und der paritätischen Finanzierung der Krankenversicherung durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Der Kreis der gesetzlich Versicherten wird über die Versicherungspflichtgrenze ausgeweitet. Leitlinien – auch für die ärztliche Aus- und Weiterbildung – stärken die Qualität der Behandlung. Die Vertragsfreiheit für Ärzte, Krankenhäuser, Krankenkassen wird erweitert. Wer den Hausarzt als Lotsen im System nutzt, kann besondere Versicherungstarife erhalten. Die gesetzliche Krankenversicherung erstattet höhere Kosten für neue Arzneimittel nur dann, wenn unabhängige Sachverständige einen Zusatznutzen bestätigen. Auf freiwilliger Basis kommt der Gesundheitspass, der mehr Transparenz, mehr Leistungssicherheit und einen besseren Einblick in die Behandlungen ermöglicht.
CDU/CSU: Mehr Wettbewerb und Flexibilität verbessern die Qualität der medizinischen Versorgung und die Wirtschaftlichkeit der ärztlichen Dienste. Deshalb bekommen die gesetzlichen Krankenkassen mehr Verantwortung für die Ausgestaltung ihres Angebotes – etwa für unterschiedliche Selbstbehalte und Mehrleistungen. Die Versicherten sollen künftig selbst entscheiden können, ob sie den bisherigen Versorgungsumfang beibehalten, zusätzliche Leistungen erhalten oder bei gleichzeitiger Beitragsermäßigung Leistungen abwählen oder einen Selbstbehalt übernehmen wollen. Alle Budgetierungen werden abgeschafft.
Bündnis 90/Die Grünen: Es gibt keine Aufteilung in Grund- und Zusatzleistungen. Finanziell Leistungsstarke müssen sich an der solidarischen Krankenversicherung beteiligen. Sukzessiv werden Möglichkeiten entwickelt, Zinsen, Mieten, Spekulationsgewinne und andere Einkaufsarten in die Berechnung der Versicherungsbeiträge einzubeziehen. Selbsthilfe und Selbst organisation von Patienten werden gestärkt, nicht ärztliche Gesundheitsberufe aufgewertet. Der Arzneimittelmarkt muss energischer von Mitteln mit fragwürdiger Wirkung gereinigt werden.
FDP: Möglichst viele Menschen sollen sich frei entscheiden können, ob sie in der gesetzlichen oder der privaten Krankenversicherung versichert sein wollen. Zwangsbeiträge werden auf Kernleistungen beschränkt, daneben eröffnen Wahlmöglichkeiten Gestaltungsspielräume für individuelles Handeln. Es gibt Tarife mit unterschiedlichen Optionen. Selbstbehalte und Selbstbeteiligungen setzen Anreize für kostenbewusstes Verhalten. Der Arbeitgeberanteil wird als echter Lohnbestandteil ausgezahlt, um deutlich zu machen, was der Krankenversicherungsschutz tatsächlich kostet.
PDS: Leistungskürzungen, Zwei-Klassen-Medizin oder mehr Wettbewerb der Kassen um die gesündesten Mitglieder und niedrigsten Beitragssätze werden abgelehnt. Die Krankenversicherungen erhalten durch eine Reform der Beitragsbemessungsgrundlagen und durch eine Berechnung des Arbeitgeberanteils anhand der Bruttowertschöpfung des Unternehmens eine bessere Finanzierung. Medizinisches Wirken muss mehr integriert werden durch Ärztenetze, Gesundheitszentren und Polikliniken. Preiserhöhungen der pharmazeutisch-medizintechnischen Industrie werden gesetzlich begrenzt.
Die Programme können im Internet heruntergeladen werden unter:
www.spd.de
www.cdu.de
www.csu.de
www.gruene.de
www.fdp.de
www.pds-online.de