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Bloggen aus dem Bundestag

Bild: Frau surft in einem Internetcafe im Web
Was gibt es neues im Abgeordneten-Blog?

Abgeordnete schreiben Internettagebücher

In Amerika haben sie bereits im letzten Wahlkampf für Furore gesorgt, die „Blogger“. Mit Internettagebüchern, so genannten Weblogs, lässt sich Politik und Politikeralltag schnell, interaktiv und mit persönlicher Note vermitteln. Auch Bundestagsabgeordnete haben das Bloggen für sich und ihre Wähler entdeckt. Hier können sie auch mal über ihren Lieblingsfilm reden.

„In letzter Zeit habe ich mich des Öfteren mit der Entstehung und Etablierung von Weblogs befasst. Da ich diese Entwicklung äußerst spannend finde und als Internet-Koordinator meiner Partei für alle möglichen Trends im Netz immer zu haben bin, habe ich mich entschieden, selbst einen Blog zu starten.“ So beginnt der Frankfurter Bundestagsabgeordnete Hans-Joachim Otto (FDP) am 4. Februar 2005 sein Internettagebuch. Er nennt es „Ottos Weblog“, was übersetzt heißt: Ottos Logbuch im World Wide Web. Inzwischen hat sich für diese Tagebücher die Abkürzung Blog durchgesetzt. „Blog“ wurde 2004 in Amerika sogar zum Wort des Jahres erklärt.

Internettagebücher von Privatpersonen sind ein Renner: Allein in den USA sollen sieben Millionen Menschen ihre eigenen Blogs haben – und auch Deutschland hat die Bewegung bereits erreicht. Die Einrichtung dieser Tagebücher ist auch für Internetsurfer ohne Programmierkenntnis in drei Schritten möglich und in der Regel sogar kostenlos. www.blogger.com oder www.blogg.de etwa bieten solche Seiten für den Normalnutzer an. Nach der Einrichtung kann der Blog-Besitzer sofort losschreiben, Bilder und sogar Töne einbauen – und jeder Leser kann seine Kommentare umgehend dazufügen. Eine neue Kommunikationsform erobert die Gesellschaft – und langsam auch den politischen Raum.

Informationen jenseits von Pressemitteilungen

Fast alle Bundestagsabgeordneten besitzen heute ihre eigenen Internetseiten, doch die meisten verzichten bisher auf die Einrichtung eines Internettagebuchs. „Erstaunlich“, notierte kürzlich die evangelische Presseagentur epd, „dass in Deutschland erst so wenige Politiker das Blog als Mittel der Sympathiewerbung entdeckt haben.“ Otto vermutet, dass vor allem die zeitliche Enge der Abgeordneten die Ursache ist.

Zur Skepsis bei den Politikern könnte auch beitragen, dass die Leser das Geschriebene jederzeit kommentieren können und dass im Blog oft Privates öffentlich wird. „Mittwochabend“, schreibt Hans-Joachim Otto, „hatte ich die Gelegenheit, eine der Premierenveranstaltungen von ‚Sophie Scholl – Die letzten Tage’ zu sehen. Ich muss sagen, der Film – vor allem sein Inhalt – hat mich sehr betroffen und nachdenklich gemacht“.

Wer der erste unter den drei derzeit bloggenden Bundestagsabgeordneten war, steht nicht zweifelsfrei fest. Gut stehen die Chancen für den Bonner SPD-Bundestagsabgeordneten Ulrich Kelber. Sein erster Eintrag datiert vom 24. September 2004: „Der Weblog soll Sie“, schreibt er zur Eröffnung, „über meine Positionen zu politischen Themen informieren, zu denen ich keine Pressemitteilungen mache oder Reden halte.“ Davor hatte er bereits zwei Jahre lang ein Internetforum betrieben. Tagesaktuell ist sein Blog nicht, aber Kelber äußert sich fleißig und regelmäßig: von der Ministerpräsidentenwahl in Kiel über die Mitgliederentwicklung in der SPD bis zu Kindergeld, Energiepolitik und Generationengerechtigkeit. Und natürlich werden seine Einträge kommentiert, bis zu 20 Kommentare gab es schon mal. Heute hat Kelber wohl den meistfrequentierten Abgeordneten-Blog.

„Ich schreibe selbst“

Es sind vor allem jüngere Abgeordnete, die mit Blogs experimentieren. Seit geraumer Zeit hat auch die Wiesbadener CDU-Abgeordnete Kristina Köhler ihren eigenen Blog. Sie stellte bereits 2002 während des Wahlkampfes Alltagserlebnisse ins Netz – und da sie damit gute Erfahrungen machte, blieb sie auch als Abgeordnete dabei – soweit es die Zeit erlaubt: „Endlich, eine sitzungsfreie Woche“, schrieb sie im November 2002. Wöchentlich registriert sie etwa 4.500 Seitenaufrufe, nach einem Artikel in „Spiegel Online“ waren es sogar 27.500 an einem Tag.

Die Leser interessiert an den Abgeordneten-Blogs zunächst, wer sie eigentlich schreibt. Sie sollen authentisch sein. „Ich schreibe selbst“, sagt Kristina Köhler. Auch Hans-Joachim Otto sieht sich mit dem Problem der Autorschaft konfrontiert. Mancher könne sich gar nicht vorstellen, „dass ein Abgeordneter des Bundestages tatsächlich ein Weblog betreibt“, sagt er, und deshalb stellt er das auch in seinem Blog heraus: „Es ist tatsächlich so, dass das, was Sie hier lesen können, von mir stammt.“ Und so zwackt er sich immer wieder mal „eine Stunde zwischen zwei Terminen“ ab, um das Blog zu aktualisieren. Zwischenzeitlich klagte sogar mal ein Leser: „tja. nun ist das hier wohl eingepennt. schade!“ Aber es geht weiter.

Der Blogging-Trend, sagen Fachleute, werde die öffentliche Kommunikation 2005 nachhaltig verändern. Und er wird wohl auch die Parlamente erobern. Doch jedes Weblog muss sich in der riesigen Blogosphäre gegen eine Vielzahl anderer behaupten, muss überhaupt erst einmal bekannt werden. Dennoch ist Kristina Köhler optimistisch. Blogs seien „ein riesiges Zukunftsthema. Es werde, wie schon in den USA, vor allem in den Wahlkämpfen gewaltig an Bedeutung gewinnen. Denn diese Tagebücher seien „ungemein schnell und aktiv“. Erleben, aufschreiben, verlinken, absenden: Und schon ist das Geschriebene in der ganzen Welt lesbar.

Text: Hans-Jürgen Krug
Fotos: Picture-Alliance
Erschienen am 12. Mai 2005

Die Links zu den Weblogs der Abgeordneten:


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