Deutscher Bundestag
English    | Français   
 |  Home  |  Sitemap  |  Kontakt  |  Fragen/FAQ
Druckversion  |       
Startseite > Blickpunkt Bundestag > Blickpunkt Bundestag - Jahresübersicht 1999 > Deutscher Bundestag - Blickpunkt Bundestag 4/99 Inhaltsverzeichnis >
Mai 04/1999
[ zurück ]   [ Übersicht ]   [ weiter ]

DEBATTEN ZUR KRISE IM KOSOVO UND ZUM NATO­JUBILÄUM

"Verbrecherischer Wille Milosevics verhinderte diplomatische Lösung"

(aw) "Wir wollen eine friedliche politische Lösung für den Kosovo erreichen." Dies bekräftigte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sowohl anläßlich einer Sondersitzung des Parlaments zur aktuellen Lage im Krisengebiet am 15. April als auch im Rahmen einer Debatte zum 50. Jahrestag der NATO­Gründung eine Woche darauf. Schröder erklärte zudem, man habe nichts unversucht gelassen, die Krise mit diplomatischen Mitteln beizulegen. Alle Bemühungen um eine friedliche Lösung seien jedoch an der unnachgiebigen Härte und dem "verbrecherischen Willen" der Belgrader Führung gescheitert.

Wer nunmehr meine, so der Kanzler weiter, er müsse der NATO vorwerfen, sie habe zu diesem Elend beigetragen, der begehe einen "schrecklichen Irrtum oder eine bewußte Verleumdung". Die Atlantische Allianz habe ihre Militäraktion zu einem Zeitpunkt begonnen, als Vertreibung und Mord im Kosovo längst im Gange gewesen seien.

Diesem Verbrechen zuzusehen, wäre zynisch und verantwortungslos gewesen. Die militärischen Aktivitäten seien insofern Mittel zum Zweck, nicht Selbstzweck.

Der Kanzler erklärte weiter, er respektiere die Argumente derjenigen, die eine eindeutige völkerrechtliche Grundlage im Fall des NATO­Einsatzes im Kosovo für nicht gegeben hielten. Nach sorgfältiger Abwägung halte er sie jedoch für falsch. Diese rechtliche Grundlage zur Eindämmung einer humanitären Katastrophe sei seines Erachtens durchaus vorhanden.

Vertriebene zurückbringen

Ziel bleibt es Schröder zufolge nunmehr, so schnell wie möglich die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die aus dem Kosovo vertriebenen Menschen sicher in ihre Heimat zurückkehren können. Er unterstrich zudem, die jetzige Krisenbewältigung im Kosovo könne eine langfristige Stabilisierungspolitik für Südosteuropa nicht ersetzen. Bei der Suche nach einer politischen Lösung komme auch Rußland eine wichtige Rolle zu.

Wolfgang Schäuble (CDU/CSU) sicherte der Bundesregierung die Unterstützung seiner Fraktion zu. Es wäre fatal, so Schäuble, wenn die zynische Rechnung von Milosevic aufginge. Nicht die NATO führe Krieg auf dem Balkan, sondern Milosevic gegen seine eigene Bevölkerung. Die Staatengemeinschaft habe sich schwer genug getan und sich eher zu spät als zu früh entschließen müssen, militärische Mittel einzusetzen, um dem Grauen und dem Verbrechen Einhalt zu gebieten.

Schäuble betonte ferner, er erwarte von der Bundesregierung gerade im Zusammenhang mit der Entsendung weiterer Soldaten nach Albanien, daß weiterhin jederzeit sorgfältig geprüft werde, ob eine Erweiterung des Einsatzmandates durch den Bundestag erforderlich ist. Grauzonen dürften nicht entstehen.

Frieden wieder herstellen

Ziel aller Operationen müsse es sein, den Frieden in der Region wieder herzustellen und die Rückkehr aller Vertriebenen in ihre Heimat und in gesicherte Verhältnisse zu gewährleisten. Für die Deutschen ist Schäuble zufolge die Beteiligung an den NATO­Aktionen "einer der schwersten Schritte, die wir seit dem Zweiten Weltkrieg gegangen sind. Aber wir schulden ihn nicht zuletzt unserer Verantwortung vor der Geschichte", so der Unionspolitiker.

Der Sprecher der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Rezzo Schlauch, erklärte am 15. April im Parlament, er respektiere die Motive derjenigen, die nach ernsthafter Abwägung vorschlügen, die NATO­Angriffe teilweise oder zeitweise auszusetzen. Er teile sie aber nicht.

Die Forderung nach einem einseitigen Waffenstillstand, so Schlauch weiter, verkehre sich durch die zynische Logik Milosevics in ihr Gegenteil. Dies führe nur dazu, daß die Belgrader Führung das Brandschatzen, das Morden und den von langer Hand vorbereiteten Plan der Vertreibung der Kosovo­Albaner ungestört und vor allem unsanktioniert fortsetzen könne. Die Mehrheit seiner Fraktion sieht deshalb zum jetzigen Zeitpunkt keine Alternative, erklärte der Fraktionspartner.

Gleiches bekräftigte auch Wolfgang Gerhardt für die F.D.P.­Fraktion. Die Liberalen unterstützten deshalb den unumgänglichen Einsatz militärischer Mittel. Gerhardt unterstrich zugleich die Bedeutung des Primats der Politik; einen militärischen Automatismus dürfe es keinesfalls geben. Deutschland müsse als gleichberechtigter Partner im NATO­Bündnis den Vereinigten Staaten verdeutlichen, bei allen strategischen Überlegungen sei es aus Verantwortung gegenüber den deutschen Soldaten ausschließlich Sache des Parlaments, bestimmte militärische Optionen politisch zu legitimieren.

Heftige Kritik mußte sich in der Debatte am 15. April der Vorsitzende der PDS­Fraktion, Gregor Gysi, gefallen lassen. Peter Struck, Vorsitzender der SPD­Fraktion, nannte eine Reise Gysis nach Belgrad und eine Begegnung dort mit Milosevic wenige Tage zuvor "peinlich" und verwahrte sich zudem entschieden gegen die Bezeichnung von Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) als "Kriegsminister" in einer Publikation der PDS­Fraktion.

Bundesaußenminister Joschka Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) warf der PDS vor, sie mache sich mit ihrer Haltung zum "Weißwäscher der Politik eines neuen Faschismus, der auf Vertreibung und ethnische Reinheit für eine großserbische Politik" setze. Mit linker Politik und Friedenslogik habe dies nichts zu tun.

PDS­Antrag abgelehnt

Gregor Gysi wies diese Vorwürfe für die PDS­Fraktion zurück und erklärte, sein Besuch in Belgrad habe dem Zweck gedient, einen Weg für einen Friedensprozeß zu eröffnen. Er finde es deshalb völlig falsch, diesen Versuch zu diskreditieren oder zu diskriminieren.

Einen Entschließungsantrag (14/755) der PDS, in dem die "andauernde Bombardierung der Bundesrepublik Jugoslawien durch die NATO" als schwerer Bruch des Völkerrechts kritisiert wurde, verwies das Bundestagsplenum am 15. April an den Auswärtigen Ausschuß. Dieser lehnte sechs Tage darauf die Initiative mit den Stimmen der Sozialdemokraten, von Bündnis 90/ Die Grünen, der CDU/CSU und der F.D.P. ab.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9904/9904019
Seitenanfang [TOP]
Druckversion Druckversion