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Dezember 12/1999
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Spionage Skandale Affären

Die Arbeit der Untersuchungsausschüsse des Bundestages

Kurz vor Weihnachten hat der Bundestag einen Untersuchungsausschuss eingesetzt, der ­ so sein offizieller Auftrag ­ den Themenkreis "Parteispenden und Waffenhandel" behandeln soll (siehe Seite 44). Es ist der 32. Untersuchungsausschuss des Bundestages seit 1949. Genau genommen waren es noch ein Dutzend mehr, denn zwölfmal tagte der Verteidigungsausschuss als Untersuchungsgremium, was möglich ist, wenn es um Vorgänge in der Bundeswehr geht.

Ein Spion an der Seite des Bundeskanzlers: Ein Untersuchungsausschuss bemühte sich um die Aufdeckung des Spionagefalls Günter Guillaume.
Ein Spion an der Seite des Bundeskanzlers: Ein Untersuchungsausschuss bemühte sich um die Aufdeckung des Spionagefalls Günter Guillaume.

Wer in der Geschichte der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse blättert, stößt nicht nur auf berühmte Spionagefälle, Abhöraffären und Beschaffungsskandale. Die beiden Ersten mussten sich 1950 mit "Einfuhren in das vereinigte Wirtschaftsgebiet" und mit "im Raume Bonn vergebenen Aufträgen" beschäftigen. Außerdem hatten Abgeordnete zu prüfen, welche alten Nazis im bundesdeutschen diplomatischen Dienst beschäftigt sind.

Später folgten Untersuchungsausschüsse, die unter den Namen Fibag, Lockheed und U­Boote, Flick und Neue Heimat, Guillaume, Tiedge und Schalck Aufsehen erregten. Auch damals ging es schon mehrmals um Rüstungsgeschäfte und um Parteispenden. Rückblickend war der Flick­Ausschuss derjenige, der am meisten Aufsehen erregte: Er tagte von 1983 bis 1986 und legte ein illegales Spendensystem der Parteien offen.

Der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Strauß besteigt die Kanzel eines Starfighters. Um die Beschaffung dieses von der US­Firma Lockheed entwickelten Kampfflugzeuges ging es im Lockheed­Untersuchungsausschuss.
Der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Strauß besteigt die Kanzel eines Starfighters. Um die Beschaffung dieses von der US­Firma Lockheed entwickelten Kampfflugzeuges ging es im Lockheed­Untersuchungsausschuss.

Mit den Namen Günter Guillaume und Hansjoachim Tiedge verbinden sich ein DDR­Spion im Bundeskanzleramt, der 1974 den Rücktritt von Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) auslöste, und ein in die DDR übergelaufener Beamter des Bundesamts für Verfassungsschutz, der heute in Moskau lebt. Der bislang letzte in der Reihe der Untersuchungsgremien des Bundestags war der Plutonium­Ausschuss, der den Hintergründen eines Nuklearschmuggels aus Russland nach Bayern nachging.

Oft wird bemängelt, dass diese Untersuchungsausschüsse vom Parteienstreit überlagert gewesen seien und viel zu wenig herausbekommen hätten. Tatsächlich sind einige Fälle wie der verbotene Verkauf von U­Boot­Konstruktionsplänen nach Südafrika oder der 1983 mit Wissen des Bundesnachrichtendienstes abgelaufene Plutoniumhandel nie restlos gelöst worden. Aber es kamen doch immer wieder Fehlleistungen von Politikern und Behörden ans Tageslicht, die Folgen hatten. Es gab nicht nur Rücktritte wie den des Bundestagspräsidenten Rainer Barzel (CDU) im Verlauf der Flick­Aufklärung und den des BND­Präsidenten Konrad Porzner (SPD) als Folge der Plutonium­Affäre oder die Verurteilung des früheren Bundeswirtschaftsministers Otto Graf Lambsdorff (FDP) wegen Steuerhinterziehung. Häufig gab es neue Gesetze oder Umstrukturierungen in Behörden, die erkannte Schwächen abstellen und offenkundige Mängel beheben sollten.

Konzernchef Friedrich Karl Flick vor dem nach ihm benannten Untersuchungsausschuss, der Spenden des Flick­Konzerns an politische Parteien behandelte.
Konzernchef Friedrich Karl Flick vor dem nach ihm benannten Untersuchungsausschuss, der Spenden des Flick­Konzerns an politische Parteien behandelte.

Untersuchungsausschüsse nach Artikel 44 des Grundgesetzes sind Kontrollorgane des Parlaments. Sie sollen Missstände aufdecken und dazu beitragen, dass diese sich nicht wiederholen. Dies ist aber nur eine Seite der Praxis im Parlament. Denn Untersuchungsausschüsse sind immer auch politische Kampfinstrumente. Viel öfter, als in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, sind sich Regierung und Opposition einig. Meistens aber wird nur beachtet, wenn sich die Parteien streiten. Das gehört zum Ablauf parlamentarischer Untersuchungen. Denn die Ausschüsse sind keine Gerichte, sondern in ihnen sitzen Politiker, die neben dem Interesse an Aufklärung auch parteiliche Interessen haben. Und daran orientieren sich die Bewertungen im Abschlussbericht sowie mitunter auch Aktenstudium und Zeugenbefragungen.

So kommt es, dass Untersuchungsausschüsse häufig von Auseinandersetzungen über das Verfahren bestimmt sind, die manchmal sogar vor Gericht ausgetragen werden. Es ist kurios: Parlamentarische Untersuchungsausschüsse tagen ohne gesetzliche Grundlage. Seit den 60er Jahren werden im Bundestag und in einigen Landtagen Regeln angewandt, die von einer interparlamentarischen Arbeitsgruppe aus Bund und Ländern aufgestellt wurden. Diese so genannten IPA­Regeln werden von allen Beteiligten immer wieder als unzureichend bezeichnet. Trotzdem sind im Lauf der Jahre schon sieben Versuche, ein Gesetz zustande zu bringen, gescheitert.

Der Koffer mit Plutonium, der mit Wissen deutscher Sicherheitsbehörden aus Russland eingeschmuggelt werden sollte. Er lieferte den Anlass für den Plutonium­Untersuchungsausschuss.
Der Koffer mit Plutonium, der mit Wissen deutscher Sicherheitsbehörden aus Russland eingeschmuggelt werden sollte. Er lieferte den Anlass für den Plutonium­Untersuchungsausschuss.

Nun hat der Justiziar der SPD­Bundestagsfraktion, Hermann Bachmaier, den achten Anlauf genommen. Zusammen mit dem Vizepräsidenten des Bundesrechnungshofs, Dieter Engels, einem Kenner des Parlamentsrechts, hat er den Entwurf eines Untersuchungsausschussgesetzes ausgearbeitet. Er stärkt die Rechte der Minderheit im Verfahren und enthält Regelungen für Akteneinsicht, Geheimnisschutz und Zeugenrechte sowie für den Umgang mit Beweismitteln und zur Klärung von Streitfragen. Auch die F.D.P.­Bundestagsfraktion kündigte die Vorlage eines Gesetzentwurfes an.

Für manche Abgeordnete sind Untersuchungsausschüsse übrigens ein Karriere­Sprungbrett gewesen. So wirkten im Flick­Ausschuss drei Parlamentarier namens Gerhard Schröder, Otto Schily und Peter Struck mit ­ heute sind sie Bundeskanzler, Bundesinnenminister und Vorsitzender der SPD­Bundestagsfraktion.

Helmut Lölhöffel

Der Autor, Berliner Korrespondent der "Frankfurter Rundschau", wurde wegen seiner Berichterstattung über die Untersuchungsausschüsse mit dem Medienpreis des Bundestages ausgezeichnet.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9912/9912050
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