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14. Wahlperiode
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Petitionsausschuss, Kurzfassung des Jahresberichtes 1996 / I

I. Anmerkungen zur Ausschussarbeit

1. Anzahl der Eingaben

Im Jahr 1996 gingen beim Petitionsausschuss 17.914 Eingaben ein. Gegenüber dem Vorjahr mit 21.291 Eingaben bedeutet dies einen Rückgang um 3.377 Petitionen bzw. um 15,86 v. H. In den davor liegenden Jahren pendelte die Anzahl der Eingaben um 20.000 oder sie lag deutlich darüber (1994: 19.526, 1993: 20.098, 1992: 23.960). Vergleicht man diese Zahlen mit den Eingängen aus den Jahren vor der deutschen Vereinigung, so ist deutlich zu erkennen, daß die Anzahl der Eingaben seit dieser Zeit weit höher liegt. Während sich die Anzahl der Eingaben in den 80er Jahren zwischen 12.000 und 13.000 bewegte, haben sich die Petitionen seit dem Jahre 1990 bei etwa 20.000 Petitionen "eingependelt".

2. Schwerpunkte der Eingaben

Der Rückgang der Neueingänge ist insbesondere beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung im Bereich der "Sozialversicherung, Kinderbeihilfen" zu verzeichnen. Gleichwohl ist dieses Ressort mit 4.786 Eingaben nach wie vor "Spitzenreiter" unter den Ministerien. Mit deutlichem Abstand ist hiernach das Bundesministerium der Finanzen mit 1.866 Eingaben zu nennen, "dicht gefolgt" vom Bundesministerium des Innern mit 1.785 und dem Bundesministerium der Justiz mit 1.554 Petitionen. Nachdem der Bereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung im Jahre 1995 einen überproportional hohen Anstieg mit 5.734 Eingaben erlebt hatte, bleibt die Anzahl der Petitionen auch nach dem deutlichen Rückgang im Berichtszeitraum auf sehr hohem Niveau (1994: 4.052 Eingaben, 1993: 3.974 Eingaben). Der überproportional hohe Vorjahresanstieg war insbesondere auf die Eingaben im Bereich des Rentenüberleitungsrechts zurückzuführen. Hier ist nunmehr eine Entspannung zu verzeichnen. Konnte man noch im Vorjahr diese Eingaben als "Dauerbrenner" bezeichnen, so hat sich zwischenzeitlich die Lage "normalisiert". Im Bereich der Arbeitsverwaltung wurde demgegenüber im Sachgebiet "Arbeitsrecht, Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung" mit 75 Mehrzugängen im Berichtszeitraum ein geringer Zuwachs auf nunmehr 1.150 Eingaben registriert.
Einige Rückgänge sind auch beim Bundesministerium des Innern zu verzeichnen, wenngleich die Eingaben im Bereich des Ausländer- und Asylrechts nach wie vor einen Schwerpunkt dar. Insoweit wird die Tendenz der Vorjahre fortgeschrieben.

3. Unterschriftenlisten als Sammelpetitionen beim Petitionsausschuss

Die Zahl der Sammelpetitionen, also der Petitionen, die mittels Unterschriftenliste eingereicht werden, ist von 1.450 im Jahr 1995 auf 1.301 Eingaben im Jahre 1996 zurückgegangen. Allerdings ist hier anzumerken, daß sich im Vorjahr hinter den Sammelpetitionen 244.192 Unterschriften verbargen, während es im Berichtsjahr 897.475 Unterschriften sind. Vorwiegend handelt es sich dabei um Bitten zur Gesetzgebung, insbesondere zu den Themen "Schutz von persönlichen Daten im Gesundheitswesen", "Verschärfung des Sommersmoggesetzes", "Beibehaltung des Gesetzes zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle" sowie "Protest gegen den Abriß des Palastes der Republik".

4. Bevölkerung in den neuen Bundesländern petitionsfreudiger

Hinsichtlich der Statistik der Herkunftsländer ist zu erwähnen, daß sich der leichte Rückgang der Eingaben auf alle Bundesländer verteilt und die jeweiligen Schwankungen nicht erheblich ins Gewicht fallen.
Bei einem Vergleich der Eingaben der neuen Bundesländer mit denen der alten Bundesländer hat sich die Tendenz der Vorjahre bestätigt, wonach in den östlichen Bundesländern weit mehr Bürgerinnen und Bürger von ihrem Petitionsgrundrecht Gebrauch machen. Entfallen dort durchschnittlich 331 Eingaben auf eine Million Bürgerinnen und Bürger, so ist die Zahl in den alten Bundesländern mit 189 Eingaben erheblich niedriger. Thematische Schwerpunkte bei den Petitionen aus den neuen Ländern sind insbesondere Eingaben zum Rentenrecht. In einer Vielzahl von Petitionen wird unter anderem beanstandet, daß die in den Vertragsstaaten der ehemaligen DDR zurückgelegten Versicherungszeiten, insbesondere in der ehemaligen Sowjetunion, in Ungarn und in der ehemaligen Tschechoslowakei, in der Rentenversicherung wegen des Auslaufens der Sozialversicherungsabkommen nicht berücksichtigt werden.
Grundsätzlich bemerkenswert sind die Zahlen der Eingaben aus dem Land Berlin. In Relation zur Bevölkerungszahl ist hier die Anzahl der Eingaben am höchsten. So entfallen im Jahre 1996 auf eine Million Personen 483 Eingaben. Auch im Vorjahr war Berlin mit 577 Eingaben deutlicher "Tabellenführer". Die Berlinerinnen und Berliner haben sich damit zur "petitionsfreudigsten" Bevölkerung in Deutschland "gemausert".

5. Frauenspezifische Petitionen

Wie bereits in den vorangegangenen Jahren war das Thema "Gleichstellung von Frau und Mann" ein ressortübergreifendes und vielbeachtetes Thema. So wurde im Bereich des Bundesministeriums des Innern das Anhörungsverfahren für die Anerkennung als politischer Flüchtling beanstandet. Für Frauen - so wurde in mehreren Eingaben geltend gemacht - fehle es an weiblichem Anhörungspersonal; im übrigen würden frauenspezifische Verfolgungsgründe falsch bewertet.
Im Ausländerrecht gab es zum Thema "eigenständiges Aufenthaltsrecht für Frauen" Massenpetitionen mit ca. 21.000 Zuschriften, mit denen eine Änderung des § 19 Ausländergesetz gefordert wurde. Der Bedarf für eine Gesetzesänderung wird hier von allen im Bundestag vertretenen Fraktionen eingeräumt. Es liegen mehrere Gesetzesinitiativen und Anträge vor. Da das vom Bundestag beschlossene Änderungsgesetz keine Zustimmung im Bundesrat gefunden hat, wird es derzeit im VermittlungsAusschuss beraten. Der Petitionsausschuss wartet die gesetzgeberischen Ergebnisse hierzu zunächst ab.
Die Verbesserung der Stellung der Frau im Rentenrecht war Gegenstand zahlreicher Eingaben. Hierbei ging es vor allem um die verbesserte Anrechnung von Kindererziehungszeiten und um die Anhebung der Altersgrenze bei der Altersrente für Frauen. Hierzu wurden Sammelpetitionen mit ca. 204.400 Unterschriften eingereicht. Mehrere Petentinnen und Petenten forderten gesetzgeberische Maßnahmen zur Förderung des sozialen Ehrenamtes unter anderem durch berufliche Freistellung und eine rentenrechtliche Anerkennung. Auch das Fehlen der Sozialversicherungspflicht bei geringfügig Beschäftigten wurde beanstandet. Da diese Eingaben auch Gegenstand der Beratungen von parlamentarischen Initiativen in den FachAusschüssen sind, wurde hier jeweils um eine Stellungnahme zu der Petition gebeten.
Im Bereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat sich der Ausschuss erneut mit einer Petition befaßt, die eine Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes forderte.
Ein Problem, mit dem der Ausschuss außerdem häufig befaßt wird, ist der Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung für geschiedene Ehefrauen. Der Ausschuss sieht hier nach wie vor Veränderungsbedarf (siehe Petition Nr. 8).

6. Petitionsausschuss als Seismograph für gesellschaftliche und politische Tendenzen

Die Tendenz der Bürgerinnen und Bürger, Themen aktueller Diskussionen zum Gegenstand von Bitten zur Gesetzgebung an den Petitionsausschuss zu machen, hat sich verstärkt. Nicht von ungefähr wird das Petitionsrecht zuweilen als "Quasiplebiszit" oder "Zentralgrundrecht der Bürgerinitiative" bezeichnet. Der Petitionsausschuss kann insoweit auch als Seismograph für gesellschaftliche oder politische Tendenzen bezeichnet werden. So gingen beim Petitionsausschuss im Jahre 1996 Listen mit weit über eine Million Unterschriften ein, mit denen sich die Petentinnen und Petenten für eine Verschärfung der Straftatbestände gegen die sexuelle Selbstbestimmung aussprachen. Hintergrund dieser Sammelpetition waren die furchtbaren Verbrechen des Kindesmißbrauchs, von denen im Jahre 1996 wegen der grausamen Kindermorde in Deutschland und Belgien verstärkt berichtet wurde. Die Petentinnen und Petenten fordern eine Verschärfung der Strafmaßnahmen, eine Verbesserung bei der Sicherungsverwahrung, Therapien neben dem Strafvollzug, Maßnahmen zur chemischen Behandlung sowie rechtliche und psychologische Betreuung für das Opfer. Von seiten aller im Bundestag vertretenen Fraktionen gibt es nunmehr Gesetzentwürfe für eine Reform des Sexualstrafrechtes. Die parlamentarischen Initiativen werden noch in den FachAusschüssen beraten.
Kinder machten im Jahre 1996 verstärkt von ihrem Petitionsgrundrecht nach Artikel 17 Gebrauch. Dabei machen sich Mädchen und Jungen häufig für den Umweltschutz und den Tierschutz stark. Manchmal sind es Eingaben zu ganz konkreten Verkehrsproblemen "vor der Haustür", manchmal reichen auch Kinder in Sammelpetitionen ihre Forderungen an die Abgeordneten ein. Im Jahre 1996 überreichte eine Gruppe von 30 Kindern und Jugendlichen der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Frau Dr. Antje Vollmer, einen Schlüssel für einen riesigen Briefkasten, in dem sich ca. 90.000 Unterschriften für ein neues Sommersmoggesetz befanden. Die Kinder und Jugendlichen bis 17 Jahre erklärten der Vizepräsidentin, daß sie am stärksten durch das Atemgift Ozon geschädigt würden, weil sie bei schönem Wetter gerne draußen toben und ihre Lungen viel empfindlicher seien als die der Erwachsenen. Sie führten ein Theaterspiel auf und machten aus ihrer Meinung, das bestehende Ozongesetz schütze nur die Autos, keinen Hehl: "Die dürfen bei schönem Wetter fahren, während wir drinnen hocken sollen," lautete die unverhohlene Meinungsäußerung der Kinder. Die Beratungen der Eingaben dauern noch an.

7. Petitionsausschuss informierte sich "vor Ort"

Im Berichtszeitraum machte der Ausschuss insgesamt sieben mal von den ihm nach dem Gesetz nach Art. 45c des Grundgesetzes eingeräumten Befugnissen Gebrauch. Er führte vier Anhörungen von Regierungsvertretern durch. Außerdem fanden zwei Ortsbesichtigungen statt.
In einer noch aus der 12. Wahlperiode stammenden Petition hatte der Ausschuss einen Ortstermin auf dem Bonner Hauptbahnhof anberaumt, um sich dort die Einstiegsmöglichkeit für Rollstuhlfahrer in ICE-Zügen der Deutschen Bahn AG vorführen zu lassen. Derzeit werden Rollstuhlfahrer mittels eines mobilen Hubliftes in den ICE-Zug gehoben. Der Ausschuss hatte sich in einem Erwägungsbeschluß für eine zuggebundene Einstiegshilfe ausgesprochen. Besonders augenfällig bei der Demonstration war die große Diskrepanz, die zwischen dem modernen und aufwendig gestalteten ICE-Zug einerseits und dem äußerst behelfsmäßig wirkenden Hublift andererseits bestand, auf dem ein Rollstuhlfahrer über den Bahnhof geschoben und mittels Handkurbeln in den ICE-Waggon geliftet wurde. Trotz des bereits vorliegenden Erwägungsbeschlusses des Bundestages und dem insoweit "verbrauchten" Petitum beobachtet der Petitionsausschuss beharrlich die Haltung der Bundesregierung zu Benachteiligungen von Behinderten auch in diesem Bereich. Es bleibt abzuwarten, was der Ausschuss in dieser Angelegenheit noch unternimmt.
In dem zweiten Ortstermin informierte sich der Ausschuss über die geplante Trassenführung einer Bundesstraße, zu deren Bau sich Bürgerinnen und Bürger dafür und dagegen ausgesprochen hatten. Gleichzeitig waren Vertreter des Bundesministeriums für Verkehr sowie des Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand, Technologie und Verkehr des betreffenden Bundeslandes anwesend. Überdeutlich wurden hier die Belastungen der Bevölkerung durch den weiterhin zunehmenden Straßenverkehr, insoweit waren sich die Petentinnen und Petenten einig. Während sich aber die vermeintlich zukünftigen Anlieger gegen den Bau der Bundesstraße aussprachen, erhofften sich die Befürworter des Projektes eine Verkehrsentlastung ihrer derzeitigen Wohnsituation. Der Ausschuss wird sich im Jahre 1997 abschließend mit diesen Petitionen befassen.

Quelle: http://www.bundestag.de/parlament/gremien15/a02/jahresberichte/jahresbericht_1996/jahresbericht_1996_1
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