Koalition setzt Antidiskriminierungsgesetz durch
Berlin: (hib/SAS) Ohne eine erkennbare Annährung zwischen den konträren Positionen beschloss der Familienausschuss am Mittwochvormittag das Antidiskriminierungsgesetz der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen (ADG - 15/4538) in veränderter Form. Dabei wurde der dem ADG zugrunde liegende Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen. Ein Unionsantrag (15/5019), der auf ein Rückziehen des ADG dringt, blieb ohne Zustimmung. Das Antidiskriminierungsgesetz steht nun am Freitag in zweiter und dritter Lesung zur Abstimmung im Bundestag. Nach dem Gesetz, mit dem drei EU-Richtlinien in deutsches Recht überführt werden sollen, sind im Arbeits- wie auch im Zivilrecht Diskriminierungen wegen Rasse, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexueller Orientierung verboten. Während die EU-Vorgaben im Zivilrecht auf die Merkmale Rasse, ethnische Herkunft und Geschlechtszugehörigkeit begrenzt bleiben, geht die Koalitionsvorlage darüber hinaus und bezieht sämtliche acht für die Berufswelt geltenden Kategorien ein. Dies ist der Kern der Auseinandersetzung zwischen Koalition und Opposition.
Einen überfälligen Schritt nannte die SPD das Antidiskriminierungsgesetz in der abschließenden Ausschussberatung. Gut an dem Gesetz sei, dass künftig auch solche Bevölkerungsgruppen vor Diskriminierung geschützt würden, die nach den EU-Regelungen nicht berücksichtigt worden wären. Dazu zählt sie etwa Menschen, denen wegen einer Behinderung oder ihrer sexuellen Orientierung keine Hotelübernachtung gewährt werde. Ohne die Aufnahme der Kategorie Behinderung ins Zivilrecht könnten Betroffene nach wie vor unter dem Hinweis auf das Hausrecht abgewiesen werden. Von der Union wird die Ausdehnung der Gruppen im Zivilrecht abgelehnt. Sie argumentiert, dass gerade Familien mit Kindern oder ärmere Bürger nicht zum Kreis der im Gesetz Genannten gehören. Ginge es etwa um die Vermietung einer Wohnung, so hätten sie es ohnehin schon schwer, von Vermietern berücksichtigt zu werden. Das Fazit der Union: "Sie werden die tatsächliche Diskriminierung nicht abschaffen, die vielleicht vereinzelt auftritt." Mit dem Gesetz komme kein neuer Schwung auf den Arbeitsmarkt, da es Neueinstellungen behindere.
"Sie versuchen immer noch, Schauermärchen zu verbreiten", hielten die Bündnisgrünen der CDU/CSU-Fraktion vor und konterten: "Wir haben das Gesetz mit Augenmaß gemacht." Bei Vermietungen etwa solle das Benachteiligungsverbot nur "Massengeschäfte" betreffen. Zudem habe die Koalition in ihrem Änderungsantrag konkretisiert, dass in den Betrieben künftig keine Beschwerdestelle eingerichtet werden muss. Auch habe man im Zivilrecht Konzessionen etwa zugunsten der Bundesländer gemacht: So sollen außergerichtliche Streitbeilegungen ermöglicht werden. Darüber hinaus habe man dem Anliegen der Wohnungswirtschaft nach einer sozialen Stadt- und Wohnungspolitik Rechnung getragen.
Als ein "Bumerang-Gesetz" bezeichnete die FDP das ADG. Es sei "gut gemeint", bewirke aber nicht das Erhoffte. Für sie steht fest: "Mit über 90 Rechtsvorschriften für Menschen mit Behinderungen ist der Schutz schon ausreichend." Auch sind die Liberalen überzeugt davon, dass die im Grundgesetz garantierte Vertragsfreiheit, etwa für Gastwirte oder Hoteliers, durch das Gesetz "eklatant eingeschränkt" wird. Sie kündigten einen Entschließungsantrag zum ADG an, in dem die FDP eine neue Gesetzesvorlage von der Bundesregierung fordert im Sinne einer "1 zu 1"-Umsetzung der EU-Richtlinien und einer Rücknahme der "zusätzlichen Belastungen", die sich wettbewerbsschädigend für Unternehmen auswirken.