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307/2000
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Rechtsausschuss/Anhörung

ANWALTSKAMMER UND RICHTERBUND LEHNEN ZIVILPROZESS-REFORM WEITER AB

Berlin: (hib/BOB) Die Bundesrechtsanwaltskammer und der Deutsche Richterbund halten an ihrer Kritik an der von SPD und Bündnis 90/Die Grünen geplanten Reform des Zivilprozesses ( 14/3750) fest.

Anlässlich einer Anhörung des Rechtsausschusses zu der Thematik am Mittwochmorgen erklärt die Anwaltskammer in ihrer Stellungnahme, insbesondere die Vorschläge für das Rechtsmittelverfahren verkürzten unvertretbar die Rechte der Prozessparteien.

Eine umfassende Berufung gegen zivilgerichtliche Urteile seien "Bestandteil unserer Rechtskultur". Zu plädieren sei deshalb dafür, die Tatsachenfeststellung des Berufungsgerichts im Interesse der materiellen Gerechtigkeit nicht einzuschränken.

Der Deutsche Richterbund argumentiert unter anderem, die personellen Auswirkungen der Reform könnten in keiner Weise verlässlich kalkuliert werden.

Befürchtet werden müsse deshalb, dass das Vorhaben zu einer personell nicht abgedeckten Mehrbelastung der Justiz führe.

Professor Reinhard Böttcher, Vorsitzender der ständigen Deputation des Deutschen Juristentages, teilt diese Ansicht.

Die Auffassung der Koalitionsfraktionen, die von ihnen beabsichtigte Stärkung der ersten Gerichtsinstanz könne durch den verstärkten Einsatz von Richtern höherer Instanzen gewährleistet werden, überzeuge nicht.

Praktiker rechneten statt dessen mit einer deutlichen Mehrbelastung durch das Vorhaben. Böttcher widerspricht in seiner Stellungnahme der Ansicht, eine Reform des Zivilprozesses in Deutschland sei erforderlich, um berechtigten Ansprüchen Recht suchender Bürger sowie der Wirtschaft zu entsprechen.

Es gebe, so Böttcher, diesbezüglich in der Praxis keinerlei "Leidensdruck". Der deutsche Zivilprozess stehe, was Erledigungszeiten und Berechenbarkeiten der Ergebnisse betreffe, nach dem Urteil vieler Sachkenner auch international gut da.

Grundsätzliche Zustimmung zu ihrem Reformhaben erntet die Koalition hingegen unter anderem von der Neuen Richtervereinigung, der Deutschen Justiz-Gewerkschaft sowie dem Sachverständigen Horst Eylmann.

Die Neue Richtervereinigung bescheinigt dem Entwurf, er beruhe auf einem "umfassenden und ausgewogenen rechtspolitischen Konzept".

Durch die beabsichtigte nachhaltige Stärkung der Eingangsinstanz werde die Justiz "vom Kopf auf die Füße gestellt".

Eylmann, ehemaliger Vorsitzender des Rechtsausschusses des Bundestages, kommt in seiner Stellungnahme zu dem Schluss, der gegenwärtig praktizierte Zivilprozess vor dem Amtsgericht sei nicht bürgerfreundlich.

Eine Reform sei deshalb notwendig. Dies sei allerdings schwierig, da sie angesichts der angespannten Haushaltslage der Länder kostenneutral durchgeführt werden müsse.

Auch Professor Peter Gottwald von der Universität Regensburg ist der Ansicht, der Koalitionsentwurf verwirkliche eine ganze Reihe rechtspolitischer Reformvorhaben.

Es würde deshalb zu weit gehen, die Initiative in der vorliegenden Form pauschal abzulehnen.

Überwiegend kritisch fallen die Stellungnahmen der Sachverständigen zu der Absicht aus, die Berufungen künftig bei den Oberlandesgerichten (OLG) zu konzentrieren.

Unter anderem Professor Reinhard Greger von der Universität Erlangen und die Präsidentin des Oberlandesgerichtes München, Hildegund Holzheid, sprechen sich dagegen aus.

Dies sei "nicht hinnehmbar", so Holzheid. Wege zum Berufungsgericht würden sich für Parteien und Rechtsanwälte verlängern und verteuern.

Richter und Unterstützungspersonal müssten von den Landgerichten zu den OLG versetzt werden, was einen hohen Raummehrbedarf verursache.

Der vom Bundesjustizministerium aufgezeigt Ausweg, dann eben auswärtige Senate einzurichten, erscheine wie ein "Schildbürgerstreich".

Hingegen hat die Neue Richtervereinigung keine Bedenken gegen die vorgeschlagene Regelung. Sie plädiert allerdings dafür, dass die Länder sämtliche reformbedingten Entlastungspotenziale auch tatsächlich zur Stärkung der ersten Instanz verwenden und insbesondere die Amtsgerichte entlasten.

Keinesfalls dürfe die Reform deshalb den Sparplänen der Finanzminister zum Opfer fallen. Auch Karlmann Geis, ehemaliger Präsident des Bundesgerichtshofes, spricht sich in seiner Stellungnahme dafür aus, das Rechtsmittel der Berufung bei den Oberlandesgerichten zu konzentrieren.

Die OLG seien die "geborenen Berufungsgerichte". Geis bezweifelt aber, dass mit der Reform in dieser Hinsicht verbundene Mehrbelastungen aufwandsneutral ausgeglichen werden können.

Eylmann ist der Ansicht, die Behauptung, die Verlagerung der Berufungszuständigkeit würde einen erheblichen personellen Mehrbedarf in OLG auslösen, sei "zumindest übertrieben".

Schwerer wiege allerdings der Einwand, dass die in Flächenländern zum Teil sehr großen Entfernungen zum OLG einen erheblichen Verlust an Bürgernähe bedeuteten. Die Einrichtung auswärtiger Senate sei deshalb unverzichtbar.



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Quelle: http://www.bundestag.de/bic/hib/2000/0030703
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