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April 03/2000
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"GREEN CARD"-DISKUSSION IM INNENAUSSCHUSS

Innenminister: "Dramatischen Mangel einer Schlüsselbranche beseitigen"

(in) "Wir sind in einem globalen Wettbewerb" hat der Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) erklärt, als er am 22. März zu Fragen der so genannten "Green Card" für Spitzenkräfte in der Informationstechnologie (IT) im Innenausschuss Stellung nahm. Schily warnte davor, durch Grundsatzdiskussionen mit unterschiedlicher Zielsetzung ein Verfahren abzubremsen, mit dessen Hilfe man besonders dramatische Mängel einer Schlüsselbranche rasch und effizient beseitigen könne. Die Kritik gehe vielfach an der Realität vorbei, unterstrich der Bundesinnenminister.

Als nicht zu Ende gedachte Sponti-Aktion hatte die F.D.P. das Regierungsvorhaben bezeichnet, 10.000 bis 20.000 Spitzenfachkräfte aus dem IT-Bereich für begrenzte Zeit nach Deutschland zu holen. Es sei fragwürdig, die Arbeitserlaubnis für ausländische Spitzenfachkräfte auf bestimmte Branchen zu begrenzen, familiäre Strukturen dabei nicht zu berücksichtigen und die Aufenthaltserlaubnis auf fünf Jahre zu limitieren. Befristung sei keine Perspektive für Spitzenkräfte, denen z.B. in den USA mit der "Green Card" eben gerade eine unbefristete Arbeitserlaubnis angeboten werde. Mit der jetzigen Regelung begehe man eine Lebenslüge hinsichtlich der Chancen und der Notwendigkeiten einer neu strukturierten Zuwanderungspolitik.

Einwanderung neu regeln

Die SPD erklärte, die Initiative des Kanzlers sei sehr bedeutsam, da mit dem Mangel an Spitzenkräften und dem Bleiberecht umworbener Ausländer ein Paradigmenwechsel begonnen habe, der die Interessen Deutschlands besonders mit Fragen künftiger wirtschaftlicher Führung einerseits und einer generellen Haltung zur Einwanderungspolitik andererseits berühre. "Wenn sie gut sind, müssen sie auch eine Chance haben, in Deutschland bleiben zu können", und verwies dabei auf die Konditionen, die die USA und Australien Spitzenkräften aus dem IT-Bereich böten.

Die Union erklärte, die Initiative sei auch mit vorhandenen Gesetzen zu machen, es wäre aber durchaus verständlich, das Vorhaben ins Plenum zu bringen, weil damit wichtige Impulse angestoßen werden sollten. Zweifel gäbe es angesichts der Ausgrenzung anderer Branchen und wegen der Integration umworbener ausländischen, Fachkräfte.

Unter Hinweis auf Fehler bei Ursachenerkennung und Verantwortlichkeit des damaligen Forschungsministers Riesenhuber gaben die Bündnisgrünen die Kritik zu den fehlenden 75.000 hochqualifizierten IT-Arbeitskräften an Opposition und Wirtschaft zurück. Deutschland müsse die ausländische Entlastung nutzen, um den Bedarf an eigenen hochqualifizierten Fachkräften im IT-Bereich durch ein gezieltes Ausbildungsangebot selber zu lösen. Es müsse nachgedacht werden, wie Studenten nach ihrem Abschluss in einem gesuchten IT-Beruf in Deutschland zu halten seien. Es sei unsinnig, aufwendige Studiengänge für viel versprechende Fachkräfte anzubieten, die nach Abschluss ihres Studienganges anderswo bessere Angebote erhielten.

Hinsichtlich der Interessen ausländischer Spitzenkräfte müsse ein Arbeitgeberwechsel unabhängig von der Arbeitserlaubnis ebenso erreichbar sein wie das Angebot selbstständiger Existenzgründung in Deutschland. Schließlich sei – im Gegensatz zu den fünfziger und sechziger Jahren – ein deutlich höheres Engagement der Unternehmen bei Integration, Orientierung und Sprachvermittlung erforderlich.

Mehr Polen als Inder

Im Übrigen sei nicht zu erwarten, dass die meisten ausländischen Fachkräfte aus Indien kämen, vielmehr würden wohl die meisten IT-Experten aus Polen, der Tschechei und anderen osteuropäischen Ländern kommen.

Die PDS sprach den Diskussionsbedarf von "Green Card" und Asylrecht an und zitierte den Vorwurf der UNESCO, wonach ein Braindrain aus den Entwicklungsländern in die Industrieländer auf Kosten der Ärmsten der Armen stattfinde, und fragte schließlich nach dem tatsächlichen Bedarf von IT-Kräften nach Deutschland.

Der Innenminister wiederholte die Bedenken, durch Grundsatzdiskussionen zum Abbremsen der jetzigen Initiative beizutragen, der IT-Bereich sei eine Schlüsselbranche, weiteres Nichtreagieren auf bereits jetzt deutlich erkennbare Mängel werde unheilvolle Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben. Man müsse deutlich sehen, dass jeder IT-Arbeitsplatz drei bis vier neue Arbeitsplätze schaffe. Im Hinblick auf ein längeres Aufenthaltsrecht, einen Arbeitsplatzwechsel in Deutschland oder Bestrebungen zur Selbstständigkeit von IT-Kräften erklärte Schily die Bereitschaft zu mehr Flexibilität. An die PDS gewandt, stellte der Minister die maximal 20.000 IT-Arbeitsplätze in Relation zu der nicht zu steuernden Bewegung von 260.000 ausländischen Mitbürgern, Asylsuchenden und Familienmitgliedern, deren Aufenthaltsrecht in Deutschland die PDS befürworte. Die Migrationsbewegung belaste den Staat gleich mehrfach, ohne zum Wohl der Bevölkerung beizutragen. Zweierlei Maßstäbe stelle er auch bei der Union fest, die neben einer höheren Zahl von IT-Fachkräften auch den Zuzug anderer Berufsgruppen fordere, nach besserer Integration rufe und wohl wisse, dass die notwendige Integration von den Bundesländern geleistet werden müsse.

Diskussion fortsetzen

Der Innenausschuss verständigte sich darauf, den jetzt angestoßenen möglichen Wechsel in der Einwanderungspolitik unter Beteiligung des Ministers weiterzudiskutieren. So wollte die Union geklärt haben, "wie viele Ausländer das Land brauche und welche" und von der Regierung wissen, wie diese zur Brüsseler Einwanderungspolitik stehe, deren Befürworter "das Recht auf Asyl wie eine Monstranz vor sich her getragen" und "den Zuzug ausländischer Familien massiv ausweiten wollen".

Auch der Bildungs- und Forschungsausschuss hatte sich am 22. März mit dem Thema befasst und ebenfalls bestätigt, der Begriff "Green Card" sei irreführend und unzutreffend", da er für eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis stehe, wohingegen angestrebt sei, den akuten Mangel durch vorübergehende Zulassung ausländischer Spitzenkräfte zu decken. Wie die Regierung erklärte, bleibe aber wichtigstes Ziel, den Bedarf auf Dauer im Inland zu befriedigen.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2000/bp0003/0003029
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