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Oktober 10/2000
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tagesläufe

Weil der Tag nur 24 Stunden hat

Ein langer Sitzungstag und trotzdem noch zu kurz für die CDU-Abgeordnete Martina Krogmann. Die Gleichzeitigkeit von Ereignissen zwingt dazu, manche Rechnung neu zu schreiben.

Um 7.40 Uhr betritt die CDU-Abgeordnete Martina Krogmann die Bremer Landesvertretung in der Hiroshimastraße. Sie trägt einen dunklen Hosenanzug mit feinen Nadelstreifen, eine weiche hellbraune Bluse, einen cremefarbenen Trenchcoat, silbernen Schmuck und eine große dunkle Handtasche, die sie im Laufe des Tages ein wenig Zeit kosten wird. Ihre langen blonden Haare liegen vorn über der linken Schulter, so, dass sie manchmal den Kopf ein wenig neigt, als solle er das Gewicht ausgleichen.

07.40 Uhr: Bremer Landesvertretung.
07.40 Uhr: Bremer Landesvertretung.
Martina Krogmann in der Bremer Landesvertretung.
Martina Krogmann in der Bremer Landesvertretung.
Martina Krogmann in der Bremer Landesvertretung.
Martina Krogmann in der Bremer Landesvertretung.
Martina Krogmann in der Bremer Landesvertretung.

Martina Krogmann ist wach, gespannt und strahlt eine fröhliche Offenheit aus, die wie ein Gesprächsangebot wirkt. Der Tag hat begonnen, und sie hat es pünktlich von Charlottenburg zu ihrem ersten Termin geschafft, der zu dieser Jahreszeit noch in die blaue Morgenstunde fällt. Im Saal der Bremer Landesvertretung werden mithilfe eines Kaffeewagen, der die Geräusche einer Schlagbohrmaschine macht, noch Tische für die eingedeckt, die hier einige Minuten später miteinander reden werden. "Arbeitskreis Küste" nennt sich die Runde und tagt in jeder Sitzungswoche zur gleichen Zeit. Vielleicht ist Martina Krogmann, 36 Jahre alt, aus Stade in Niedersachsen, Doktorin der Philosophie, Journalistin und Politikwissenschaftlerin, sprachbegabt und weltkundig noch dazu, ja eine heimliche Anhängerin der Seefahrt.

So schön diese Erklärung klingt, sie trifft nicht ganz ins Schwarze. Dem "Arbeitskreis Küste" gehören alle CDU-Abgeordneten des Bundestages an, die aus Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern kommen. Sie dis-kutieren über die Entwicklung ihrer Heimatregionen, analysieren Probleme, erarbeiten parlamentarische Initiativen und Gesetzentwürfe, hören denen zu, die dort arbeiten, leben oder forschen. An diesem Donnerstag ist der Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder zu Gast. Es geht um Tonnagesteuer, die Entwicklung der deutschen Handelsflotte, den Nord-Ostsee-Kanal, Lotsen, die Betriebskosten von Handelsschiffen, die Löhne der Seeleute, ausländische und inländische Schiffsregister. Es geht also richtig zur Sache.

Martina Krogmann in der Plenarsitzung.
Martina Krogmann in der Plenarsitzung.
Martina Krogmann in der Plenarsitzung.
Martina Krogmann in der Plenarsitzung.
Martina Krogmann in der Plenarsitzung.
09.35 Uhr: Plenarsitzung.
09.35 Uhr: Plenarsitzung.

Die Abgeordnete Krogmann sitzt an der Stirnseite des Tisches, so dass man sie an diesem Morgen meist im Profil sieht, denn immer ist ihr Blick dem Vortragenden, der neben ihr sitzt, zugewandt. Im Laufe dieses langen Tages wird sich herausstellen, dass dies ganz charakteristisch für sie ist: So zuzuhören – mit Blickkontakt, den Oberkörper leicht nach vorn geneigt, so dass Distanzen nur schwer entstehen können, hochkonzentriert und immer neugierig. Die Neugier, wird man nach diesem langen Tag sagen können, ist ein Wesenszug von Martina Krogmann.

Nach einer guten Stunde ist man im "Arbeitskreis Küste" fertig und um einiges klüger.

Martina Krogmann will ins Plenum. Es muss schnell gehen, denn debattiert wird ihr Thema: Europa. Das fand sie schon immer spannend, das wollte sie schon lange machen. Sie ist Mitglied im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union und Europabeauftragte im Wirtschaftsausschuss.

Jetzt soll es schnell gehen von der Hiro-shimastraße zum Reichstag, aber das ist eine Rechnung, die in Berlin ohne den Wirt gemacht ist. Der Fahrer muss sich dem Parlamentsgebäude in konzentrischen Kreisen nähern – Staus, Straßensperren, Baustellen, Umleitungen.

10.40 Uhr: Büro in der Friedrichstraße 83.
10.40 Uhr: Büro in der Friedrichstraße 83.
Martina Krogmann im Büro in der Friedrichstraße 83.
Martina Krogmann im Büro in der Friedrichstraße 83.
Martina Krogmann im Büro in der Friedrichstraße 83.
Martina Krogmann im Büro in der Friedrichstraße 83.
Martina Krogmann im Büro in der Friedrichstraße 83.

Martina Krogmann rutscht unruhig hin und her und kramt in der Handtasche. "Mein Telefon", sagt sie, "hab ich mein Telefon vergessen?" Die Tasche ist so groß, dass die Frage nicht ohne Weiteres beantwortet werden kann. Da ist das Telefon und die Möglichkeit, schnell zwei Anrufe mit dem Büro zu erledigen. 9.35 Uhr sitzt die Abgeordnete im Plenum und hört zu.

Um 10.40 Uhr muss sie kurz ins Büro. Dort kann sie bis kurz vor zwölf bleiben, denn um zwölf hat sie ein Gespräch mit einem Vertreter von der Französischen Botschaft. Man wird unter anderem über die Regierungskonferenz in Nizza reden. Aber erst einmal ins Büro in die Friedrichstraße 83, wo zwei Mitarbeiterinnen und ein Praktikant auf sie warten.

Die erste Nachricht ist eine schlechte: Die für 13 Uhr geplante "Gruppe der Frauen der CDU" zum Thema Teilzeitarbeit fällt aus. "Schade", entfährt es Martina Krogmann, "das hätte ich früher wissen müssen, dann wäre das Treffen mit Jungjournalisten doch noch möglich gewesen. Das ärgert mich", sagt sie und eine kleine steile Falte zwischen den Augenbrauen zeichnet den Ärger nach.

Eine halbe Stunde klärt sie Termine. Eine Tagung in Brüssel wird durchgesprochen, an der sie teilnehmen will, eine Tagung zum Thema Mittelstand folgt. Was braucht sie noch an Zuarbeiten? "Ich bin fit", sagt Martina Krogmann. "Ich bin im Thema." Ein Termin beim Landvolk, eine Anfrage, ob sie einen Vortrag auf einem Internetforum halten kann, ein Interviewwunsch der "Harburger Rundschau" – Halbzeitbilanz der Abgeordneten Krogmann. "Ach ja", sagt sie, "das ist doch spannend, das mach ich gern."

Martina Krogmann beim Abschiedsfest in der Mauerstraße.
Martina Krogmann beim Abschiedsfest in der Mauerstraße.
Martina Krogmann beim Abschiedsfest in der Mauerstraße.
Martina Krogmann beim Abschiedsfest in der Mauerstraße.
Martina Krogmann beim Abschiedsfest in der Mauerstraße.
18.30 Uhr: Abschiedsfest in der Mauerstraße.
18.30 Uhr: Abschiedsfest in der Mauerstraße.

Die evangelische Kirche in Stade möchte, dass Frau Krogmann ein Eröffnungsreferat zum Thema "Bilanz Rot-Grün" hält. Die Frauenunion will die Abgeordnete am 22. November in Osnabrück-Land begrüßen können. Dort geht es um "Zukunft der Arbeit". Und vielleicht könnte die Abgeordnete auch etwas früher kommen, um zwei Betriebe zu besichtigen. "Mach ich", sagt Martina Krogmann, "aber bitte Betriebe, wo es wirklich um konkrete Probleme geht, wo ich was tun kann. Keine Repräsentationstermine, ja." Zwei dringende Rückrufe sind noch notwendig, jetzt sofort. Die wird sie gleich erledigen. Viele Terminanfragen kommen im Schnitt an einem Tag ins Büro Krogmann. Sie entscheidet über jede einzelne, wägt ab, ist manchmal verärgert, weil der Tag nur 24 Stunden hat und die beste Terminplanung daran nichts ändert.

Martina Krogmann muss weg, ins Reichstagsgebäude. Wie läuft der Tag weiter? Ein Treffen der jungen CDU-Abgeordneten steht auf dem Plan. "Wir nennen uns die Einsternträger", sagt sie augenzwinkernd, "weil wir alle hier die erste Wahlperiode im Bundestag absolvieren." Rand-Europe eröffnet ein Berliner Büro und möchte Frau Krogmann gern zu Gast haben. Eine junge Mitarbeiterin, Referentin der Jungen Gruppe, gibt um 18 Uhr ihren Abschied. Sie hört auf und geht nach Bonn. Da will Martina Krogmann unbedingt hin – und wenn es nur ein paar Minuten sind, denn sie haben gut zusammengearbeitet in den vergangenen zwei Jahren. Die Tschechische Botschaft lädt ab 18 Uhr zum Empfang anlässlich des Nationalfeiertages der Republik. Da darf sie auf keinen Fall fehlen. Sie befasst sich im Ausschuss mit Osterweiterung, und vor allem Tschechien liegt ihr am Herzen. Die Bundestagsdebatte wird an diesem Tag lange dauern, wahrscheinlich bis Mitternacht. Abends steht noch ein Arbeitsessen mit der Fraktionsführung auf dem Programm. Was will sie tun? Was wird sie tun?

Es kommt alles ein bisschen anders und die besten Pläne werden von der Realität ad absurdum geführt.

19.35 Uhr: Empfang in der Tschechischen Botschaft.
19.35 Uhr: Empfang in der Tschechischen Botschaft.
Martina Krogmann beim Empfang in der Tschechischen Botschaft.
Martina Krogmann beim Empfang in der Tschechischen Botschaft.
Martina Krogmann beim Empfang in der Tschechischen Botschaft.
Martina Krogmann beim Empfang in der Tschechischen Botschaft.
Martina Krogmann beim Empfang in der Tschechischen Botschaft.

Der Termin mit dem Vertreter der französischen Botschaft klappt. Sie kann danach noch einige Dinge im Büro erledigen, Post durchgehen, Briefe aus dem Wahlkreis beantworten und die monatlich erscheinende Kolumne in der Bremervörder Zeitung schreiben. Sie sitzt im Plenum, als die Dis-kussion zum Thema "Pofalla" beginnt. Ihre Fraktion hat einen Antrag zur Abstimmung eingebracht, mit dem sie fordert, der Bundestag möge das Bundesverfassungsgericht anrufen, um prüfen zu lassen, ob das Land Nordrhein-Westfalen seine Sorgfaltspflicht bei der Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Pofalla verletzt hat. Die Diskussion ist emotional und streitbar. Die Abstimmung endet mit einer Niederlage für die CDU/CSU.

Der Zeitplan der Abgeordneten Krogmann ist ein wenig ins Rutschen gekommen. Um 17.15 Uhr wartet das Auto vor dem Reichstag, um sie zu Rand-Europe zu bringen. Kurz vorher bekam sie einen Anruf aus dem Wahlkreis: Weitere Gelder für den ersten Teilabschnitt der für den Landkreis Stade wichtigen Autobahn A 26 werden bereitgestellt. Seit zwei Jahren kämpft Martina Krogmann dafür, dass die A 26 weitergebaut werden kann. "Endlich ein positives Signal für unsere Region. Nach der Entscheidung, das Kernkraftwerk Stade frühzeitig stillzulegen, ist das dringend notwendig." Um 17.30 – eine viertel Stunde zu spät – steigt sie ins Auto.

Rand-Europe ist nicht mehr zu schaffen. Also hin zum Abschiedsfest der Referentin. Zwanzig Minuten bleiben dort. Viel zu wenig, viel zu kurz. Draußen steht schon das Auto, um die Abgeordnete in die Tschechische Botschaft zu fahren. Der Empfang ist ein richtiger Empfang. Mit Essen und Trinken und Reden und Musik und Schalen für Visitenkarten und langen Kleidern und schwarzen Anzügen und Licht und Spiegeln. Viel Zeit für das schöne Ambiente bleibt der Abgeordneten Krogmann nicht. Sie muss bald zurück in den Reichstag, zum Arbeitsessen, und danach ins Plenum. Sie lächelt. Alles im normalen Bereich, signalisiert sie. Man muss eben flexibel sein.

Kathrin Gerlof

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2000/bp0010/0010058
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