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Mai 05/1999
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KONTROVERSE DISKUSSION IM PLENUM ÜBER NEUES RECHT

Reform mit "historischer Dimension" zugunsten ausländischer Mitbürger

(in) Als einen wichtigen Reformschritt, der durchaus historische Dimensionen habe, hat Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) am 7. Mai in einer zum Teil kontroversen Debatte die vom Bundestag beschlossene neue Regelung des Staatsbürgerschaftsrechts bezeichnet. Schily betonte, das neue Recht sei ein Kompromiß, der natürlich Wünsche offen lasse. Die CDU/CSU hingegen kritisierte die Absicht der Parlamentsmehrheit mit scharfen Worten.

Der Minister wies darauf hin, die Vorlage sei nach Ansicht der Berliner Ausländerbeauftragten Barbara John, die der CDU angehöre, eine "große Reform". Andere führende Mitglieder der CDU hätten wörtlich erklärt, daß die soziale und rechtliche Integration der in Deutschland lebenden ausländischen Mitbürger eine moralische Verpflichtung und unverzichtbar für die dauerhafte Bewahrung des gesellschaftlichen Friedens sei.

Er habe keine Illusion darüber, so der Innenminister weiter, mit der Reform in eine völlig konfliktfreie Gesellschaft zu kommen. "Was uns aber auf diese Weise gelingen wird, ist ein gewaltfreier rechtsstaatlicher Interessenausgleich, weil wir den Menschen gleiche Rechte geben und weil alle, einschließlich der Zuwanderer, in die Rechtsgemeinschaft einbezogen werden." Wenn man es beim "Status quo" beließe, so wären eine zunehmende Entfremdung der Zuwanderer und eine zunehmende Ghettoisierung die Folge. Eine homogene Gesellschaft sei entgegen aller Vorurteile nicht tragfähig, weil sie ein Konstrukt sei, das sich nicht mit der Wirklichkeit in Einklang bringen ließe.

"Stückwerk" kritisiert

Auch Jürgen Rüttgers (CDU/CSU) bezeichnete das Staatsbürgerschaftsrecht als wichtiges und existentielles Thema. Er warf dem Innenminister aber vor, sich in seinen Ausführungen zum Teil auf dem Niveau eines "Winkeladvokaten" bewegt zu haben. Was der Minister jetzt vorlege, sei nicht nur Stückwerk, sondern von ihm selbst im Januar als verfassungswidrig bezeichnet worden. Die CDU/CSU­Fraktion lehne den Gesetzentwurf als verfassungsrechtlich bedenklich ab.

Er sei weiter integrationspolitisch unausgegoren, mit einem unvertretbaren Verwaltungsaufwand verbunden und werfe mehr Fragen auf, als er beantwortet. Auch fehle die Abstimmung mit anderen Gesetzen. Die Regierungskoalition habe nicht den Mut gehabt, ein Gesamtkonzept für ein neues Staatsangehörigkeitsrecht vorzulegen. Daher habe sie sich für ein Verfahren nach dem Motto entschieden "Augen zu und durch". Notwendig und richtig wäre es gewesen, zu einem breiten Konsens zu gelangen.

SPD: Tag der Freude

"Für uns ist der heutige Tag ein Tag der Freude", erklärte demgegenüber der SPD­Abgeordnete Hans­Peter Kemper zu der geplanten Neuregelung. Die CDU/CSU sei 16 Jahre an der Regierung gewesen, und in dieser Frage habe sich gar nichts bewegt. Die Bilanz nach diesen 16 Jahren laute "Stagnation, nicht Integration".

Daher sei der Antrag der Union "Toleranz und Integration" völlig unglaubwürdig. Mit ihrer Unterschriftenaktion habe die Union der Integration einen Bärendienst erwiesen, da die Kampagne als Kern Ausländerfeindlichkeit in sich geborgen habe. Es sei völlig gleich, ob die deutsche Staatsbürgerschaft am Beginn, in der Mitte oder am Abschluß der Integration stehe. Wichtig sei, daß nunmehr die Weichen für eine bessere Zukunft der sieben Millionen ausländischen Mitbürger gestellt worden seien.

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wies Cem Özdemir darauf hin, nach dem alten Staatsangehörigkeitsrecht von 1913 seien bis zum heutigen Tag die Hürden für die Einbürgerung hoch geblieben. Jetzt werde sich dieses Land ein neues, modernes, republikanisches, europäisches Staatsangehörigkeitsrecht zulegen. Er wies darauf hin, viele Menschen seien seit den 50er Jahren wegen des großen Arbeitskräftemangels nach Deutschland gekommen und hätten zum Wohlstand dieser Republik beigetragen. Daher bedauere er, daß es nicht gelungen sei, diesen Menschen die doppelte Staatsbürgerschaft zu geben.

Seine Fraktion, so Özdemir, wolle für Nichtdeutsche nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Sie sollten hier ihren Wehrdienst ableisten und auch vom Wahlrecht Gebrauch machen können. Er appellierte an alle, die Möglichkeiten des neuen Staatsangehörigkeitsrechts gemeinsam zu nutzen, um mehr Rechtsfrieden in der Republik zu schaffen. Es solle dazu beitragen, daß die Schere zwischen Wohnbevölkerung und Staatsvolk nicht größer, sondern kleiner werde.

Als Signal an alle integrationswilligen Menschen ausländischer Herkunft, die hierzulande dauerhaft und rechtmäßig leben, bezeichnete Guido Westerwelle (F.D.P.) die Vorlage, welche die Handschrift der Freien Demokraten trage. Das Signal werde von zwei Dritteln der Bevölkerung unterstützt, "weil wir eben nicht den Doppelpaß zum Nulltarif an alle geben". Demgegenüber werde festgelegt, daß die ausländischen Kinder, die in Deutschland geboren werden, mit einem inländischen Bewußtsein und nicht mit einer ausländischen Identität aufwachsen. Wer die in Deutschland geborenen Kinder ausländischer Eltern nicht vernünftig integriere, riskiere große soziale Verwerfungen. Weil Minderjährige noch nicht selbst entscheiden könnten, würde eine zeitlich begrenzte doppelte Staatsangehörigkeit in Kauf genommen. "Was wir heute beschließen, liegt im nationalen Interesse der deutschen Gesellschaft".

"Halbherziges Reförmchen"

Kritisch äußerte sich dagegen die PDS­Abgeordnete Ulla Jelpke. Der Gesetzentwurf sei trotz einzelner löblicher Ansätze nicht geeignet für ein modernes Staatsbürgerrecht. "Es ist allenfalls ein halbherziges Reförmchen." Die Beschlußempfehlung des Innenausschusses ist laut PDS trotz einiger Verbesserungen nicht nur aus politischen, sondern auch aus rechtlichen und insbesondere auch verfassungsrechtlichen Gründen "unbefriedigend und zum Teil bedenklich".

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9905/9905018
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