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Mai 05/1999
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Im "Blickpunkt Bundestag" äußern sich Mitglieder und Experten der Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat über die Arbeit der Verfassungskommission.

Rupert Scholz (CDU/CSU) Vorsitzender der Gemeinsamen Verfassungskommission

Rupert Scholz (CDU/CSU)

Die Erfolge der Verfassungskommission liegen vor allem in der Erfüllung des Staatszieles Umweltschutz (Art. 20a GG), in den Ergänzungen des Gleichheitssatzes (Gleichberechtigung der Geschlechter und Behinderter), im Bereich des Föderalismus (Stärkung der Länder im Bereich der Gesetzgebungskompetenzen): Das gleiche gilt für die Erarbeitung des neuen Art. 23 GG ("Artikel der Europäischen Einheit"). Kein Konsens konnte vor allem bei der Frage weiterer Staatsziele (Recht auf Arbeit etc.) sowie bei der Frage der Einführung plebiszitärer Verfahren erzielt werden. Nach m. A. ist hier zu Recht die zurückhaltende Position des GG in seiner bisherigen Fassung bewahrt worden. Die Reformnotwendigkeiten im Bereich der Finanzverfassung sowie m.E. auch im Bereich der Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern haben sich seinerzeit als leider noch nicht hinlänglich aufgearbeitet und geklärt erwiesen, um bereits grundlegende Verfassungsreformen vorbereiten zu können. Dies bleibt der weiteren Entwicklung vorbehalten.

Hans­Jochen Vogel (SPD)

Hans­Jochen Vogel (SPD)

Als Erfolg bewerte ich v. a. die Einführung des Europaartikels und die neuen Regelungen zum Umweltschutz, zur Frauenförderung und gegen die Diskriminierung von Behinderten. Als positiv betrachte ich es zudem, daß ungeachtet aller Divergenzen bei der Einschätzung des konkreten Reformbedarfs der Grundkonsens über die wesentlichen Elemente und Prinzipien des Grundgesetzes bestätigt worden ist. So über die Organisation und die Befugnisse der Verfassungsorgane, über das Rechts­ und Sozialstaatsprinzip und das Demokratie­ und Bundesstaatsprinzip sowie über das System der Grundrechte.

Aber all das ändert nichts daran, daß eine große Chance ungenutzt blieb – die Chance nämlich, die Einigung der Deutschen auch im Bewußtsein zu verankern und das Zueinanderfinden in der neuen Bundesrepublik durch die gemeinsame Arbeit an der Erneuerung des Grundgesetzes zu fördern.

Wolfgang Ullmann (Bündnis 90/Die Grünen)

Wolfgang Ullmann (Bündnis 90/Die Grünen)

Die gemeinsame Kommission war besonders erfolgreich bei der Bekräftigung und Verstärkung des Föderalismus. Die Mitwirkung der Länder und der Länderparlamente bei der Übertragung von Souveränitätsrechten auf die Europäische Union wurde ebenso geregelt wie eine Erweiterung der Länderkompetenzen in der konkurrierenden Gesetzgebung. Ebenso gab es eine Einigung über das Staatsziel Umweltschutz sowie über die Präzisierung der Gleichstellung der Frau und – erst nachträglich – der Behinderten. Alle anderen Initiativen für Grundrechte, Parlamentsreform und mehr Bürger­ und Bürgerinnenbeteiligung scheiterten.

Torsten Wolfgramm (F.D.P.)

Torsten Wolfgramm (F.D.P.)

Gefördert hat die Gemeinsame Verfassungskommission die Entwicklung des Grundgesetzes insbesondere auf wichtigen Gebieten wie der europäischen Integration, der Verteilung der Gesetzgebungs­ und Verwaltungskompetenzen zwischen Bund und Ländern, der Stärkung der Gleichberechtigung und der Einführung des Staatszieles Umweltschutz. Keine Einigung erzielte die Gemeinsame Verfassungskommission hingegen bei der Einführung plebiszitärer, über die Länderneugliederung hinausreichender Elemente auf Bundesebene, im Bereich der Finanzverfassung und der sozialen Grundrechte, beim staatlichen Minderheitenschutz sowie beim Selbstbefassungsrecht des Bundestages. Des weiteren wurde auch bei der Festlegung der Diäten der Bundestagsmitglieder durch eine unabhängige Kommission, im Bereich der Rechtsstellung von Fraktionen und Opposition sowie in der Frage eines Einsatzes der Bundeswehr "out of area" kein Konsens erzielt.

Uwe­Jens Heuer (PDS)

Uwe­Jens Heuer (PDS)

Positiv seien genannt die Forderung nach tatsächlicher (nicht nur rechtlicher) Durchsetzung der Gleichberechtigung sowie der endlich geregelte Umweltschutz. Die einfache (nicht hinreichende) Mehrheit erhielt die Einführung der Volksgesetzgebung sowie sozialer Staatsziele (Wohnung, Arbeitsplätze). Beunruhigend ist, daß, während damals die Gegner solcher Änderungen sich darauf beriefen, daß das Grundgesetz nicht änderungsbedürftig sei und sich rundweg bewährt habe, seit 1993 wichtige Grundsätze wie das Asylrecht (Art. 16), das Rückwirkungsverbot (Art. 103), die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13) und soeben das Verbot des Angriffkrieges (Art. 27) durch den Gesetzgeber bzw. das Bundesverfassungsgericht ausgehöhlt oder verletzt worden sind.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9905/9905063
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