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November 10/1999
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GESUNDHEITSREFORM IM BUNDESTAG

Fischer: Weitere Eskalation der Debatte um die Gesundheitsreform verhindern

(ge) Mit einem Appell an das Parlament, eine weitere Eskalation der Debatte um die Gesundheitsreform zu verhindern, da man es mit einem "sehr sensiblen Feld" zu tun habe, auf dem die Menschen "schnell zu verunsichern sind", hat die Bundesministerin für Gesundheit, Andrea Fischer (Bündnis 90/Die Grünen), am 4. November die zweite und dritte Lesung zur GKV­Gesundheitsreform 2000 eingeleitet. Selbst wenn man der Auffassung sei, dass das, was die Koalitionsfraktionen vorschlagen, nicht richtig ist, könne man darüber auch kritisch debattieren, "ohne die Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen", so die Ministerin. Dies sollte für alle das Gebot der Stunde sein.

Es sei unbestritten, dass es in der Bundesrepublik ein gutes Gesundheitssystem und eine gute Gesundheitsversorgung gebe. Aufgabe der Politik sei es, sie immer wieder für die Zukunft zu stabilisieren und fit zu machen. Man stehe vor großen Herausforderungen des demographischen Wandels, des medizinischen Fortschritts, aber auch einer anderen Haltung der Menschen zum Gesundheitssystem. Deshalb brauche man Reformen, die SPD und Bündnisgrüne nun durchführen wollten.

Ziel sei es, die Effizienz des Systems zu steigern und neue Versorgungsformen zu ermöglichen. Die von der Koalition angestrebte Reform müsse zwei Anforderungen miteinander verbinden: Die Beitragsstabilität einerseits und eine Modernisierung der inneren Verhältnisse des Gesundheitswesens andererseits. Der Opposition hielt die Ministerin entgegen, wer der Meinung sei, dass die Koalitionsinitiative so nicht richtig sei, müsse "wirklich Alternativen auf den Tisch legen".

"Gegen Kranke gerichtet"

Für die CDU/CSU­Fraktion kritisierte Wolfgang Lohmann das Verfahren, in dem diese Reform durchgeführt werde. Der Gesetzentwurf sei durch ein "chaotisches und durch nichts mehr zu übertreffendes so genanntes Beratungsverfahren bis zur Unkenntlichkeit verschlimmbessert oder sogar zerstört worden" und könne nur mit klarer Haltung abgelehnt werden.

Im Bundesrat werde dieser Gesetzentwurf "nicht das Licht der Welt erblicken", denn die Mehrheit im Bundesrat werde wissen, was man dem deutschen Gesundheitswesen noch zumuten könne, was man den Patienten noch zumuten dürfe und was man an "Arbeitsplatzzerstörung damit bewirken wird".

Lohmann betonte, die Gesundheitsreform richte sich in ihrer Wirkung gegen die Kranken, die Versicherten und die Arbeitnehmer. Letztlich richte er sich auch gegen die Gesundheitsberufe und gegen die Länder. Im Einzelnen kritisierte der Unionsabgeordnete vor allem das Globalbudget und die Positivliste. Mit dem Globalbudget werde der Weg zur Rationierung der Gesundheitsleistungen bereitet und die Positivliste werde dazu führen, den Menschen Arzneimittel vorzuenthalten.

Leistungsdichte beibehalten

Rudolf Dreßler (SPD) hielt dem entgegen, die Sicherung einer leistungsfähigen und bezahlbaren Gesundheitsversorgung in hoher Qualität gehöre zu den politischen Aufgaben ersten Ranges. Diese drei Attribute – "Leistungsfähigkeit, Bezahlbarkeit und Qualität" – muteten manchmal wie die Quadratur des Kreises an. Dass es gleichwohl möglich sei, dies alles zu gewährleisten, solle der zur Verabschiedung anstehende Reformentwurf für die nächsten Jahre beinhalten. Es gehe nicht zuallererst darum, mehr Geld ins System zu pumpen, sondern es gehe darum, mit dem vorhandenen Geld wirtschaftlicher und effektiver umzugehen. Man wolle keine Leistungen des Systems streichen oder ausdünnen und in die private Zusatzfinanzierung verlagern, sondern die Leistungsdichte beibehalten. Der Gesetzentwurf stelle genau dies unter Beweis. Mit der Koalition werde es eine Privatisierung gesundheitlicher Risiken nicht geben. Man rationiere nicht, sondern rationalisiere.

Dieter Thomae (F.D.P.) erklärte im Namen seiner Fraktion, die Philosophie von SPD und Bündnisgrünen sei es, das Gesundheitswesen über Globalbudgets zu organisieren. Auch die Liberalen und die Union hätten 1992 geglaubt, man könne dies tun. Leider habe sich in den Folgejahren gezeigt, dass das ein "absoluter Fehlschlag" gewesen sei. Bereits 1994 seien Rationierungstendenzen im Lande zu erkennen gewesen. Im Vorschaltgesetz habe die Koalition die Zuzahlungen zwar abgesenkt, dabei aber verschwiegen, dass sie gleichzeitig das Budget reduziert habe.

Der Patient müsse in der Tat weniger zuzahlen, aber der Arzt könne ihm wegen des Budgets die Arzneimittel und Heilmittel nicht mehr verschreiben. Das habe zur Folge, dass der Patient diese Mittel hundertprozentig selbst bezahlen müsse.

Der liberale Politiker verwies auf die Physiotherapie, wo der Arzt den Patienten heute nur noch zwei Behandlungen verschreibe, auch wenn der Patient dringend mehr Behandlungen brauche. Es gebe zwar keine Zuzahlungserhöhung, aber eine "nennenswerte Leistungsreduzierung". Dies sei "Betrug am Patienten", der von der Koalition "ganz bewusst" betrieben werde.

Ruth Fuchs (PDS) begann ihren Beitrag mit einer Verfahrenskritik. Es sei zwar richtig, dass die Polemik zu dieser Gesundheitsreform in der letzten Zeit "wirklich unerträglich war", die Ministerin vergesse aber, dass durch die Art und Weise ihres Vorgehens, nämlich, dass diese Gesundheitsreform nicht von einem ordentlichen Verfahren begleitet worden sei, ihr Eigenanteil an dieser Entwicklung "nicht ganz unwesentlich" gewesen sei.

Zum Reformvorhaben selber erklärte Fuchs, die PDS unterstütze ausdrücklich, dass dabei an einer solidarischen Absicherung der Krankheitsrisiken festgehalten werden solle. Dabei bestehe die Aussicht, dass die entscheidenden Grundlagen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und ihre Fähigkeiten zum Soldiarausgleich erhalten blieben.

Zunehmendes Einnahmenproblem

Auch das Ziel, Unwirtschaftlichkeiten durch Strukturreformen zu beseitigen, werde "grundsätzlich befürwortet". Es müsse aber gesehen werden, dass das Gesundheitswesen nicht nur Ausgabenprobleme, sondern auch ein zunehmendes Einnahmeproblem infolge der einschneidenden Veränderungen im Erwerbsleben haben ( 14/1245, 14/1721, 14/1977; siehe auch S. 19 und 20).

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9910/9910018
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