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15. Wahlperiode
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   11. Sitzung

   Berlin, Donnerstag, den 19. Januar 2006

   Beginn: 9.00 Uhr

   * * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *

   * * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *

   * * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Die Sitzung ist eröffnet.

   Ich begrüße Sie alle herzlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, und wünsche uns einen guten Tag und gute Beratungen.

   Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich einige Mitteilungen zu machen: Der Kollege Kai Wegner hat sein Amt als Schriftführer niedergelegt. Als Nachfolger schlägt die Fraktion der CDU/CSU den Kollegen Carsten Müller vor. Ich gehe davon aus, dass Sie damit einverstanden sind. - Das ist offenkundig der Fall. Damit ist der Kollege Müller zum Schriftführer gewählt.

   Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene Tagesordnung um die in der Zusatzpunktliste aufgeführten Punkte zu erweitern:

ZP 1 Aktuelle Stunde: Aktuelle Entwicklung im Hinblick auf die Vogelgrippe und Schutzmaßnahmen der Bundesregierung

(siehe 10. Sitzung)

ZP 2 Erste Beratung des von den Abgeordneten Matthias Berninger, Dr. Thea Dückert, Margareta Wolf (Frankfurt), weiteren Abgeordneten und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen

- Drucksache 16/365 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Ausschuss für Kultur und Medien

ZP 3 Beratung des Antrags der Abgeordneten Kerstin Andreae, Christine Scheel, Dr. Gerhard Schick, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Für starke und handlungsfähige Kommunen

- Drucksache 16/371 -

Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)
Innenausschuss
Rechtsausschuss

ZP 4 Erste Beratung des von den Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dagdelen, Petra Pau und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes und anderer Gesetze

- Drucksache 16/369 -

Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe

ZP 5 Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Abkommens vom 31. März 1992 zur Erhaltung der Kleinwale in der Nord- und Ostsee (Gesetz zur Ausweitung des ASCOBANS-Abkommensgebiets)

- Drucksache 16/38 -

(Erste Beratung 8. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss)

(Drucksache 16/389)

Berichterstattung:
Abgeordnete Josef Göppel
Christoph Pries
Angelika Brunkhorst
Lutz Heilmann
Cornelia Behm

ZP 6 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Karin Binder, Sevim Dagdelen, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE: EU-Antidiskriminierungsrichtlinien durch einheitliches Antidiskriminierungsgesetz wirksam und umfassend umsetzen

- Drucksache 16/370 -

Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)
Petitionsausschuss
Innenausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

ZP 7 Vereinbarte Debatte: Berichte über die Rolle von BND-Mitarbeitern vor und während des Irakkrieges

ZP 8 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren

(Ergänzung zu TOP 16)

a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 21. Mai 2003 über die strategische Umweltprüfung zum Übereinkommen über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen (Vertragsgesetz zum SEA-Protokoll)

- Drucksache 16/341 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f)
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ute Koczy, Thilo Hoppe, Undine Kurth (Quedlinburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Für starke soziale und ökologische Standards in der Internationalen Finanz-Corporation (IFC) der Weltbank

- Drucksache 16/374 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (f)
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

ZP 9 Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache

(Ergänzung zu TOP 17)

a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zwölften Gesetzes zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes und der Außenwirtschaftsverordnung

- Drucksache 16/33 -

(Erste Beratung 8. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie

- Drucksache 16/385 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Erich G. Fritz
Dr. Ditmar Staffelt
Martin Zeil
Ulla Lötzer
Margareta Wolf (Frankfurt)

b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 8. April 2005 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Rumänien über Soziale Sicherheit

- Drucksache 16/37 -

(Erste Beratung 8. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales

- Drucksache 16/381 -

Berichterstattung:
Abgeordneter Max Straubinger

c) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Zweiten Änderung des Übereinkommens vom 25. Februar 1991 über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen (Zweites Espoo-Vertragsgesetz)

- Drucksache 16/43 -

(Erste Beratung 8. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

- Drucksache 16/388 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Andreas Jung (Konstanz)
Dr. Matthias Miersch
Abg. Horst Meierhofer
Abg. Lutz Heilmann
Abg. Sylvia Kotting-Uhl

   Der TOP 10 - Änderung des Gentechnikgesetzes - soll abgesetzt werden. An seiner Stelle soll der TOP 15 - Abriss des Palastes der Republik - aufgerufen werden. Außerdem ist die Beratung des TOP 14 - Berichterstattung des Bundes zur Forschungs- und Technologiepolitik - bereits heute, im Anschluss an den TOP 11, vorgesehen. Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, soweit erforderlich, abgewichen werden. Sind Sie mit diesen Vereinbarungen einverstanden? - Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist auch das so beschlossen.

   Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 3 auf:

Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch

- Drucksache 16/99 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)
Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für diese Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. - Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist auch das so beschlossen.

   Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst der Kollege Franz Thönnes für die SPD-Fraktion.

(Dr. Guido Westerwelle (FDP): Für die Regierung!)

- Entschuldigung. Das hat eine gewisse Logik. Die Angabe war insofern nur unvollständig. Das führt aber zu einer zusätzlichen Aufmerksamkeit für die Bundesregierung,

(Dr. Guido Westerwelle (FDP): Es ändert aber nichts an dem, was er sagt!)

die man nicht in jedem Zusammenhang als gesichert unterstellen kann. - Bitte schön.

Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Soziales:

Schönen Dank, Herr Präsident. - Guten Morgen, werte Kolleginnen und Kollegen! Die Praxis der Umsetzung des Sozialgesetzbuches II, also die Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe mit dem Ziel der schnellen und zügigen Rückkehr in Arbeit durch Fördern und Fordern mit Leistungen aus einer Hand, geht jetzt in das zweite Jahr. Schritt für Schritt ist das Sozialgesetzbuch II nach der Reform umgesetzt worden. Aber auch notwendige Klarstellungen und Veränderungen aufgrund von Erfahrungen aus der Praxis und auch aufgrund von Entscheidungen der neuen Regierungskoalition werden jetzt in Angriff genommen bzw. sind entschieden worden.

   Dazu gehört die mit der Übernahme der Kosten für die Unterkunft der Arbeitslosengeld-II-Empfänger geschaffene Verlässlichkeit für die Kommunen. Mit dem so genannten Revisionsgesetz wird geregelt, dass der Bund den Kommunen in 2005 und 2006 im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitslose jeweils 29,1 Prozent der Kosten für Unterkunft und Heizung zahlt.

   Heute geht es um eine weitere wichtige Veränderung: Die Grundsicherung für Arbeitsuchende hat zum Ziel, Menschen, die erwerbsfähig sind und Hilfe bei der Aufnahme oder bei der Beibehaltung einer Arbeit benötigen, zu unterstützen und ihren Lebensunterhalt zu sichern, wenn sie ihn nicht auf andere Weise bestreiten können. Jetzt wird ein weiterer wichtiger Reformpunkt umgesetzt, den die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag verabschiedet haben. Damit wird auch deutlich, dass wir sehr zügig und sehr schnell die notwendigen Änderungen bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende in Angriff nehmen.

Bislang ist im Sozialgesetzbuch II unter Bezugnahme auf das Referenzsystem der Sozialhilfe die Regelleistung zur Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums für West- und Ostdeutschland unterschiedlich hoch festgelegt; sie beträgt für den Westen 345 Euro und für den Osten 331 Euro. Wesentliches Ziel des vorliegenden Gesetzentwurfs ist es, die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts in Ost und West zu vereinheitlichen und das Ostniveau an das Westniveau anzugleichen.

   Die Bundesregierung hat - das wissen Sie; ich will das in Erinnerung rufen - im Rahmen der Änderung des Sozialgesetzbuches II einen Ombudsrat ins Leben gerufen, der sich mit der Grundsicherung für Arbeitsuchende beschäftigt. Ihm gehören Dr. Christine Bergmann, die ehemalige Bundesfamilienministerin, Professor Dr. Kurt Biedenkopf, der ehemalige Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, und Dr. Hermann Rappe, der ehemalige Vorsitzende der IG Bergbau, Chemie, Energie an. Aufgabe dieses Ombudsrates ist es, die Einführung der neuen organisatorischen und gesetzlichen Regelungen im Rahmen des SGB II kritisch zu begleiten, Schwachstellen aufzuzeigen und Empfehlungen zur Weiterentwicklung auszusprechen.

   Mit der Angleichung der Regelleistung greifen wir eine wesentliche Empfehlung des Ombudsrates auf. Der Ombudsrat hat in seinem Zwischenbericht nämlich gefordert, die um 14 Euro niedrigere Regelleistung in den neuen Bundesländern auf das höhere Leistungsniveau im Westen anzuheben. Dafür gibt es, wie ich denke, gute Gründe. Drei zentrale Gründe möchte ich nennen:

   Sicherlich gibt es Unterschiede hinsichtlich Kostenniveau und Konsumverhalten zwischen Ost und West. Wir müssen aber auch feststellen, dass solche Unterschiede in der ganzen Republik in den einzelnen Regionen bestehen; regionale Besonderheiten sind existent. Da es sich bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Gegensatz zur Sozialhilfe um eine Leistung des Bundes handelt, ist es vertretbar, einen einheitlichen Wert auf Westniveau zugrunde zu legen, um so das soziokulturelle Existenzminimum zu sichern.

   Zweitens. Wichtigstes Ziel des Sozialgesetzbuches II ist die Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Von daher werden hohe Anforderungen an die überregionale Mobilität der Menschen gestellt. Eine bundeseinheitliche Regelleistung wird eher dazu beitragen, dass die Menschen eine Tätigkeit im gesamten Bundesgebiet aufnehmen.

   Drittens. Diese neue Gleichbehandlung in West und Ost kann - das muss ich schlicht und einfach so sagen - mit dazu beitragen, dass das SGB II eine größere Akzeptanz findet.

   Eine solche Leistungsverbesserung führt natürlich zu zusätzlichen Ausgaben. Diese werden gut 220 Millionen Euro pro Jahr betragen und zulasten des Bundes gehen. Deswegen haben die Koalitionsparteien im Koalitionsvertrag Verabredungen getroffen, dass an anderer Stelle Einsparungen vorgenommen werden sollen, die vor dem Hintergrund dieser Regelung aber vertretbar sind.

   Ich glaube, dass wir uns bei den weiteren Beratungen mit den Fraktionen hier im Hause darüber unterhalten müssen, welche Änderungen am Zuschnitt der Bedarfsgemeinschaften bei Jugendlichen unter 25 Jahren notwendig sind. Die Koalitionsparteien haben geregelt, dass Jugendliche, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nun generell in die Bedarfsgemeinschaft der Eltern einbezogen werden sollen. Sie sollen mit Erreichen der Volljährigkeit also nicht mehr automatisch eine eigene Bedarfsgemeinschaft bilden. Dies führt wiederum dazu, dass die Jugendlichen nicht 100 Prozent der Regelleistung erhalten, sondern, da sie keinen eigenen Haushalt führen, nur 80 Prozent.

   Bezüglich des Erstbezuges einer Wohnung soll eine Zustimmung des Leistungsträgers erforderlich sein. So sollen Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, die Zustimmung des Leistungsträgers einholen müssen, wenn sie erstmals eine eigene Wohnung beziehen wollen.

   Absicht des Gesetzes ist - das will ich deutlich sagen -, dass jemand, wenn er 18 Jahre alt wird, nicht automatisch zu Hause ausziehen und eine eigene Bedarfsgemeinschaft begründen kann. Wir führen Solidarität auf die Kernzelle der Solidarität, nämlich die Familie, zurück. Hier besteht eine gegenseitige Verantwortung. Schließlich ist all das, was vom Bund geleistet wird, keine anonyme sozialstaatliche Leistung, sondern hierfür werden Steuergelder von den Menschen verwendet, die Arbeit haben. Sie tragen mit ihren Steuergeldern dazu bei, dass wir gesellschaftliche Solidarität für die Menschen, die Arbeit suchen und vermittelt werden wollen, finanzieren können. Damit sollte aber nicht die Finanzierung einer eigenen Wohnung ab dem 18. Lebensjahr gewährt werden.

   Natürlich wird es, um das deutlich zu sagen, in dem einen oder anderen Fall Ausnahmen geben, zum Beispiel dann, wenn jemand weit entfernt vom Wohnort seiner Familie arbeitet oder ausgebildet wird. Dann wird im Einzelfall darüber zu entscheiden sein.

Es kann durchaus auch Fälle geben, bei denen eine eigene Wohnung notwendig ist. Das sollten dann aber die Ausnahmen sein.

   Kurzum: Wir wollen vermeiden, dass die Zahl der Bedarfsgemeinschaften weiter ansteigt und dass sich Jugendliche ohne eigenes oder mit einem nicht ausreichenden eigenen Einkommen die erste Wohnung über die Grundsicherung für Arbeitsuchende finanzieren lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Gleichfalls geht es darum, die im Koalitionsvertrag enthaltene Regelung umzusetzen, dass der Bund nicht mehr 78 Euro für die Bezieher von Arbeitslosengeld II in die Rentenversicherung einzahlt, sondern dass die Zahlungen auf 40 Euro gesenkt werden. Die daraus ergebenden Einsparungen werden sich ab 2007 auf ungefähr 2 Milliarden Euro belaufen.

   Es geht aber auch darum, dass wir an anderer Stelle eine Klarstellung bezüglich des Leistungsausschlusses für EU-Bürger, die sich erstmals zur Arbeitsuche in Deutschland aufhalten, vornehmen wollen. Mietkautionen sollen künftig nicht mehr als Zuschuss, sondern als Darlehen gewährt werden. Damit wird vermieden, dass eine vom SGB-II-Träger gezahlte Mietkaution bei einem Umzug beim Leistungsbezieher verbleibt. Daneben wird es weitere Regelungen geben, bis hin dazu, dass vom SGB-II-Träger gewährte Darlehen dinglich, zum Beispiel im Grundbuch, abgesichert werden sollen.

   Ich glaube, wenn die genannten Änderungen in die Beratung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch einbezogen würden, dann hätten wir ein erstes Gesamtpaket, in dem die finanzwirksamen Maßnahmen in Bezug auf die Grundsicherung für Arbeitsuchende enthalten wären, und dann könnten wir im Zusammenhang mit dem IT-Verfahren zur Berechnung des Arbeitslosengeldes II sehr zügig und schnell die entsprechenden Programmierungen vornehmen, sodass die neuen Leistungen gezahlt und die Einsparmaßnahmen umgesetzt werden könnten.

   Zusammenfassend bleibt festzuhalten:

   Erstens. Wir übernehmen eine wichtige Empfehlung des Ombudsrates, indem wir bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Ostleistungen an die Westleistungen angleichen.

   Zweitens. Unerwünschte Auswirkungen werden verändert.

   Drittens. Es werden vertretbare Einsparungen vorgenommen, um die zusätzlichen Ausgaben an anderer Stelle zu finanzieren.

   Ich glaube, das alles geschieht, ohne die Zielsetzung, die mit dem SGB II an dieser Stelle verfolgt wird, zu gefährden. Ganz im Gegenteil: Die Zielgenauigkeit wird erhöht, wodurch eine größere Akzeptanz erreicht wird.

   Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Ich erteile dem Kollegen Dirk Niebel für die FDP-Fraktion das Wort.

Dirk Niebel (FDP):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FDP-Fraktion erkennt ausdrücklich an, dass die Bundesregierung mit dem vorgelegten Gesetzentwurf eine immer noch bestehende Mauer in den Köpfen der Menschen einreißen und den Unterschied zwischen Ost und West im 16. Jahr der deutschen Einheit ausgleichen möchte.

   Trotz der Erfahrungen aus dem letzten Herbst, als ein weithin bekannter politischer Schwermatrose aus den bayerischen Bergen versucht hat, diese Mauer in den Köpfen der Menschen noch einmal künstlich aufzubauen,

(Beifall bei der FDP - Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Das ist rhetorischer Schwachsinn!)

müssen wir anerkennen, dass Deutschland seit 16 Jahren verheiratet,

(Lachen bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Entschuldigung, vereint ist. - Der Kollege Ramsauer hat mich so nervös gemacht,

(Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Du hast ein schlechtes Gewissen!)

weil er natürlich nicht akzeptieren kann, dass es falsch ist, dass sein Landesvater im letzten Wahlkampf meinte, der Intellekt und die Dummheit seien in Deutschland regional unterschiedlich verteilt.

(Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Das ist eine Hetze gegen alle Süddeutschen!)

Wir wissen, dass die Menschen in Nord und Süd, in Ost und West genetisch bedingt gleichermaßen schlau und gleichermaßen dumm sein können. Deswegen glaube ich schon, dass es vernünftig ist, auch hierüber mal zu reden.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Nichtsdestotrotz wäre es natürlich gut gewesen, wenn sich die Bundesregierung ihre eigene Antragsbegründung genauer durchgelesen hätte; denn im Gesetzentwurf schreibt sie - ich zitiere: -

Zwar weist das Verbrauchsniveau und das private Konsumverhalten in Ost und West weiterhin deutliche Unterschiede auf. Solche Unterschiede bestehen jedoch nicht nur zwischen den alten und neuen Bundesländern; vielmehr ergeben sich innerhalb des gesamten Bundesgebietes regionale Besonderheiten.

   Damit kommen wir zu dem Schluss, dass es eigentlich vernünftiger gewesen wäre, die Regelleistungen auch im Arbeitslosengeld II entsprechend den regionalen Einkommens- und Verbrauchskosten festzulegen. Dies wäre insbesondere deshalb gut gewesen, weil natürlich jeder weiß, dass das Leben in Emden günstiger als in München und in Stuttgart vielleicht etwas teurer als in Pasewalk ist. Darüber hinaus vergisst die Bundesregierung leider, die Regelleistungen für die nicht erwerbsfähigen Hilfeempfänger entsprechend anzugleichen; denn die nicht erwerbsfähigen Hilfeempfänger im Bereich der Sozialhilfe sind in ihren Vorschlägen überhaupt nicht berücksichtigt. Aber auch deren Lebenshaltungskosten sind unterschiedlich.

(Beifall bei der FDP)

   Insbesondere die Berücksichtigung der unterschiedlichen Lebensverhältnisse hätte in der Konsequenz zur Folge, dass die Anreizwirkungen, die mit den Hartz-Reformen für die Aufnahme eines Arbeitsplatzes erhöht werden sollten, nicht konterkariert werden; denn eines müssen Sie sich alle vor Augen führen: Das Arbeitslosengeld II wirkt faktisch wie ein Mindestlohn. Jeder, der wirtschaftlich denken kann, hat überhaupt keinen nachvollziehbaren Grund, unterhalb des Mindestlohns eine Tätigkeit anzunehmen. Deswegen ist die Unterscheidung nach den regionalen Besonderheiten wichtig, ohne einen Popanz zwischen Ost und West aufzubauen. Im 16. Jahr der Einheit müssen wir endlich von diesem alten Klassendenken zwischen Ost und West wegkommen und akzeptieren, dass wir in unterschiedlichen Regionen der Republik die gleichen Probleme haben. Es ist ein Verdienst von Rot-Grün: Nach ihrer Regierungszeit sind die Probleme bundesweit einheitlich groß geworden.

(Beifall bei der FDP)

   Wir wollen eine neue Förderpolitik gestalten, die es ermöglicht, im Osten wie im Westen notwendige strukturelle Veränderungen durchzuführen. Deswegen haben wir immer Modellregionen verlangt. Die Frau Bundeskanzlerin hat in ihrer Regierungserklärung mehr Mut zur Freiheit gefordert und dazu aufgerufen, mehr Freiheit zu wagen. Geben Sie den unterschiedlichen Regionen die Freiheit, zu versuchen, ihre Probleme auf neuen Wegen zu lösen, unabhängig von den gesamtgesetzlichen Rahmenbedingungen, auch einmal vom Bundesrecht abweichen zu können und auszuprobieren, ob in einer Region vielleicht andere Wege besser zum Ziel führen.

(Beifall bei der FDP)

   Wir wollen darauf hinweisen - auch das muss ein Jahr nach dem Beginn von Hartz IV möglich sein -, dass die Hartz-Reformen I bis IV nicht den gewünschten Erfolg gebracht haben. Dem Bundesminister für Arbeit und Soziales liegt ein ungefähr 2 500 Seiten dicker Bericht von Wirtschaftsinstituten vor, der der Öffentlichkeit bisher nur teilweise bekannt geworden ist, mit einem offenkundig verheerenden Urteil über Hartz I bis III. Das Einzige, was wirklich funktioniert, sind die Minijobs. Diese wollen sie jetzt auch noch teurer machen.

   Wir wollten mit den Hartz-Reformen - übrigens wir alle - Kosten sparen und die Vermittlung in Arbeit verbessern. Beide Ziele sind nicht erreicht worden. Im Jahr 2005 kostet Hartz IV den Bund 25,6 Milliarden Euro statt 14,6 Milliarden Euro. Die Gesamtkosten aller öffentlichen Kassen betrugen im letzten Jahr 44,6 Milliarden Euro. Das ist alles andere als eine Erfolgsstory, insbesondere weil die Vermittlung in Arbeit nicht verbessert worden ist. Bei 18 Prozent Marktanteil der Bundesagentur für Arbeit kann man nun wirklich nicht von einem echten Erfolg sprechen.

   Das Einzige, was boomt, sind die 1-Euro-Jobs. Diese sind aber nicht mehr in der Statistik enthalten. Damit konterkarieren Sie das, was Sie im Wahlkampf gesagt haben.

(Beifall bei der FDP)

Ich zitiere den geschätzten Kollegen Pofalla aus der „Frankfurter Rundschau“ vom 16. August 2005:

„Wir werden eine ehrliche Statistik machen“ ... Nach Ansicht der Union täusche die Regierung über das wahre Ausmaß der Arbeitslosigkeit hinweg, weil Erwerbslose in öffentlich geförderten Maßnahmen wie Ein-Euro-Jobs nicht in der Statistik registriert werden.

   Sie wollen all das fortschreiben. Sie machen die gleichen Fehler wie die rot-grüne Bundesregierung. Schwarz-Rot ist nicht besser als die rot-grüne Bundesregierung, was das Täuschen und das Manipulieren von Statistiken anbetrifft. Deswegen sind es jetzt mittlerweile nicht mehr die Arbeitslosen von Rot-Grün, sondern wir reden über die Arbeitslosen der neuen Bundesregierung von Schwarz-Rot. Hier mahnen wir Lösungen an.

(Beifall bei der FDP)

   Sie müssen zumindest im Handeln, wenn Sie es schon im Denken aufgegeben haben, zu einem wachstumsorientierten Pfad zurückkehren, einer Politik, die Wirtschaftswachstum ermöglicht. Sie müssen sich von einer sozialdemokratischen Politik abwenden, die schon zu Zeiten der sozialliberalen Koalition gezeigt hat, dass Investitionsprogramme, die fremdfinanziert sind, weil man das Geld nicht hat, nicht die gewünschten Wirkungen erzielen. Stattdessen werden Sie am 27. Januar etwas Neues in Deutschland erleben, nämlich eine enorme Liquiditätslücke bei den Betrieben. Am 27. Januar müssen die Betriebe im Vorhinein die Sozialversicherungsbeiträge abführen, um die Rentenkasse zu stabilisieren.

Das kostet die Betriebe rund 9,8 Milliarden Euro im Jahr.

   Auf der anderen Seite wollen Sie nach einer Änderung dieses Gesetzentwurfs, über die im Ausschuss beraten werden soll, den Zuschuss zur Rentenversicherung bei Arbeitslosengeld-II-Empfängern um 2 Milliarden Euro kürzen. Das heißt, Sie werden zur Finanzierung der Rentenkassen eine Umschichtung zulasten der Betriebe vornehmen und wollen das mit einem Investitionsprogramm mit einem Volumen von 25 Milliarden Euro kompensieren. Sie machen damit wieder genau dasselbe, was die Sozialdemokraten immer wieder getan haben: Sie nehmen den Bürgern Geld weg, verwalten es in einem teuren Verwaltungsapparat, ziehen die Verwaltungskosten ab und weisen es dann vorzugsweise zweckgebunden den Bürgern wieder zu. Das ist Unsinn. Die Menschen wissen selber am besten, was sie mit ihrem Geld machen sollen.

(Beifall bei der FDP)

   Sie wollen, unter anderem um die Kaufkraft zu stärken, das Arbeitslosengeld II in der ganzen Republik an das Westniveau angleichen. Wie ich vorhin bereits festgestellt habe, wäre dies grundsätzlich anerkennenswert, wenn Sie es richtig machen würden. Sie aber begleiten das Vorhaben mit einer Mehrwertsteuererhöhung. Eine Mehrwertsteuererhöhung führt aber nicht zur Stärkung der Kaufkraft. Im Gegenteil: Da das soziokulturelle Existenzminimum durch Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe gewährleistet werden soll, werden Sie an dieser Stelle nachbessern müssen.

   Zeitgleich mit der Mehrwertsteuererhöhung werden Sie auch die Leistungen erhöhen müssen. Sie werden allerdings auf der anderen Seite Arbeitsplätze in der legalen Wirtschaft vernichten. Denn gerade in personalintensiven Bereichen - im Handwerk, in der Gastronomie und im Einzelhandel - können die höheren Kosten nicht auf die Preise abgewälzt werden. Das wird zwangsläufig zur Zunahme der Schwarzarbeit führen. In diesem Bereich wurde im letzten Jahr ein Umsatz von schätzungsweise 346 Milliarden Euro erzielt. Durch Durchschnittslöhne dividiert entspricht das fast 5 Millionen Vollzeitarbeitsplätzen. Die sozialpolitische Komponente ist dabei noch nicht berücksichtigt.

   Sie weisen immer wieder darauf hin, dass das Vorhaben sozialpolitisch vertretbar sei, weil der ermäßigte Mehrwertsteuersatz unverändert bleibe. Das ist aber völliger Unsinn. Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz gilt für Tiernahrung, Schnittblumen, Lebensmittel und Druckerzeugnisse. Ich habe selber drei Kinder. Sie wollen mehr als den Hund füttern, selber etwas essen und die Zeitung lesen. Gerade die großen Familien werden überproportional belastet.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Insbesondere diejenigen, die von einer mehrwertsteuerfinanzierten Beitragssenkung nichts haben, nämlich die Arbeitslosen, Selbstständigen, Schüler, Studenten und Rentner, werden überproportional belastet. Das ist die Politik, die Sie im Wahlkampf als sozial gerecht bezeichnet haben.

   Die gegenwärtige Situation ist dadurch geprägt, dass die Bundesrepublik, von Schwarzarbeit gezeichnet, einen Verlust von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen zu verzeichnen hat.

(Klaus Brandner (SPD): Sie haben noch gar nicht zur Kenntnis genommen, dass die Schwarzarbeit gesenkt worden ist!)

- Sie werden bestimmt gleich selber reden, Herr Brandner. Ich vermute, dass Ihnen in der Fraktion noch Redezeit zugestanden wird.

(Klaus Brandner (SPD): Sie sollen ja nur zugeben, dass die Schwarzarbeit bei Rot-Grün gesenkt worden und bei Schwarz-Gelb gestiegen ist!)

- Wenn Sie von einer Politik reden, Herr Brandner, die dazu führt, dass der Anreiz zur Aufnahme einer legalen Beschäftigung in Deutschland nicht mehr gegeben ist, dann verstärken Sie diesen Effekt.

   Darüber hinaus haben die gesamten Hartz-Reformen von Hartz I bis IV gezeigt, dass die handwerklichen Grundlagen falsch waren. Das wurde beim virtuellen Arbeitsmarkt, bei der EDV A2LL sowie bei den unterschiedlichsten Problemen deutlich. Der ddp hat heute um 3.15 Uhr gemeldet - ich zitiere -:

Die schnelle Angleichung des Arbeitslosengeldes II im Osten an das Westniveau droht am Fehlen der entsprechenden Software zu scheitern.

   Sie setzen genau das fort, was Rot-Grün gemacht hat. Sie machen genau denselben handwerklichen Murks, der dazu führt, dass die Menschen das Vertrauen in die politischen Entscheidungsträger verlieren. Das ist falsch. Deswegen werden wir das Gesetzgebungsverfahren mit einem weiteren Antrag begleiten, der auf eine Angleichung der Leistungen entsprechend den unterschiedlichen Lebenshaltungskosten in Deutschland abzielen wird. Ich hoffe, dass wir Sie im Gesetzgebungsverfahren davon überzeugen werden, dass nur dieser Weg gerecht ist. Denn nur dann, wenn die Menschen entsprechend den Lebenshaltungskosten in ihrer Region ein existenzsicherndes Einkommen erzielen, haben sie die Möglichkeit der menschenwürdigen Teilhabe an der Gesellschaft.

(Klaus Brandner (SPD): Sie wollen die Leistungen senken, Herr Niebel! Reden Sie doch mal darüber!)

Das ist der richtige Weg. Dazu wollen wir gerne unsere Hand reichen.

   Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Das Wort hat nun der Kollege Dr. Ralf Brauksiepe, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute erneut eine Änderung der so genannten Hartz-IV-Gesetzgebung, auf die wir uns in den Koalitionsverhandlungen verständigt haben. Mir ist es wichtig, dies auch in den Zusammenhang all der Maßnahmen zu stellen, die wir uns im Kontext der Hartz-IV-Reform vorgenommen haben. Denn das soll und wird ein Konzept aus einem Guss sein. Wir wollen kein hektisches Hin und Her; es soll vielmehr wohl erwogen aufeinander aufbauen und von dem Grundsatz ausgehen, dass der Kern der Hartz-IV-Reform - die Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe in einer Grundsicherung für Arbeitslose - mit den entsprechenden Fördermaßnahmen im Grundsatz richtig war. Im Kern geht es nun darum, all das, was in der Vergangenheit politisch entschieden worden ist und nicht richtig gelaufen ist, neu zu justieren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Damit haben wir im letzten Jahr mit der Erarbeitung des Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch begonnen. 2005 haben wir uns an der Finanzierung der Unterkunfts- und Heizungskosten beteiligt, die den Kommunen im Rahmen von Hartz IV entstanden sind. Das war uns wichtig. Das werden wir auch 2006 tun. Das haben wir, die Union, vor der Wahl den Kommunen versprochen und nach der Wahl mit den Sozialdemokraten vereinbart. Das haben wir im Interesse der Kommunen und der betroffenen Menschen gemeinsam umgesetzt.

   Wir haben uns nun die Angleichung des Regelsatzes beim Arbeitslosengeld II in Ostdeutschland an das westdeutsche Niveau in Höhe von 345 Euro vorgenommen. Herr Kollege Niebel, Sie haben dieses Thema zum Anlass für einen Rundumschlag gegen die Arbeitsmarktpolitik im Allgemeinen und die Arbeitsmarktpolitik der schwarz-roten Bundesregierung im Besonderen genommen. Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass Sie mit dem Thema, um das es heute konkret geht, Schwierigkeiten haben.

(Dirk Niebel (FDP): Überhaupt nicht!)

Wie Sie wissen, legen wir kein Investitionsprogramm der klassischen Art auf. Vielmehr haben wir uns entschieden, draufzulegen. Das war immer Ihre Forderung. Wir tun mehr für Bildung und Forschung, für die Verkehrsinfrastruktur und für Familien. Das wird die Investitionstätigkeit in Deutschland fördern. Was ist uns dabei vorzuwerfen? Wir tun doch das Richtige. Das ist für die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Tat noch wichtiger als die arbeitsmarktpolitischen Reformmaßnahmen, die wir zusätzlich auf den Weg bringen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD - Dirk Niebel (FDP): Aber das Geld müssen Sie erst abkassieren, weil Sie es nicht haben!)

   Herr Niebel, Sie haben auf die Zahl der Arbeitslosen unter Schwarz-Rot hingewiesen. Nachdem Angela Merkel gerade sechs Wochen Bundeskanzlerin ist, behaupten wir sicherlich nicht, dass auf dem Arbeitsmarkt alles prima ist. Wenn wir aber schon über die Zahl der Arbeitslosen unter Schwarz-Rot reden, dann sollten wir nicht vergessen, zu erwähnen, dass es im Dezember letzten Jahres - saisonbereinigt - 110 000 Arbeitslose weniger gab. Das ist der stärkste Rückgang seit sechs Jahren. Das ist sicherlich nicht nur das Verdienst unserer Gesetzgebungsarbeit. Aber es ist ein guter Start, nach dem Sie sich die Finger geleckt hätten. Wir jedenfalls sind damit ganz zufrieden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Wir treffen nun mit der Verabschiedung des vorliegenden Gesetzentwurfs eine politische Entscheidung. Es geht dabei nicht um die Korrektur handwerklicher Fehler. Vielmehr ist in der Vergangenheit die Entscheidung getroffen worden, unterschiedliche Regelsätze einzuführen. Dies war durchaus politisch begründbar. Es gibt aufgrund von 40 Jahren real existierendem Sozialismus leider auch 15 Jahre nach der deutschen Einheit viele Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland. Aber weil wir offen für notwendige Veränderungen sein wollen, ist ein Ombudsrat eingesetzt worden. Er war kein Verkehrsunfall, sondern politisch gewollt. Dieser Rat ist zu einer Empfehlung gekommen. Es gibt sicherlich viele andere Fragen, die in diesem Zusammenhang zu diskutieren sind. Auch der Bundesrat hat aus seiner Sicht durchaus bedenkenswerte Argumente angeführt. Aber wir sind zu der politischen Entscheidung gekommen, dass es richtig ist, den Regelsatz in Ostdeutschland an den in Westdeutschland anzugleichen.

   Herr Kollege Niebel, Sie haben den Teil der Begründung des Gesetzentwurfs zitiert, den Sie im Rahmen Ihrer Argumentation für sinnvoll hielten. Aber Sie haben an der Stelle aufgehört, an der darauf hingewiesen wird - das hat der Herr Staatssekretär eben zu Recht ausgeführt -, dass es sich bei der hier zur Diskussion stehenden Leistung - anders als bei der Sozialhilfe - um eine Leistung des Bundes handelt und dass es daher vertretbar ist, einen einheitlichen Satz - in diesem Fall einen einheitlichen Wert auf Westniveau - festzulegen. Ich denke, dass dieses Vorhaben, auf das wir uns verständigt haben, vernünftig ist.

   Bei dem, was wir im letzten Jahr beschlossen haben und nun einbringen, handelt es sich um Maßnahmen, die - so richtig sie sind - den Bund Geld kosten. Deswegen ist es richtig, dass wir alle Maßnahmen, die wir uns im Rahmen von Hartz IV vorgenommen haben, im Zusammenhang sehen, und zwar auch diejenigen, bei denen es um vom Bund dringend benötigte Einsparungen geht.

   Der Staatssekretär hat bereits angedeutet, dass wir uns noch einiges vorgenommen haben. Wir werden in den Fraktionen zu beraten haben, ob wir in das laufende Gesetzgebungsverfahren gegebenenfalls andere Vorschläge einbringen werden, in denen es zum Beispiel um die Erweiterung des Begriffs der Bedarfsgemeinschaft und um den Umgang mit Personen geht, die erstmals eine eigene Wohnung beziehen wollen und einen entsprechenden Antrag stellen. Der Minister hat das schon in der gestrigen Ausschusssitzung angesprochen. Ich habe die Reaktionen gesehen, die von Oppositionsparteien kamen, wenn auch nicht von Ihnen, aber von anderen. Es gibt nämlich heute noch Menschen, die es als große emanzipatorische Errungenschaft betrachten, wenn der Staat jungen arbeitslosen Menschen ihre erste eigene Wohnung finanziert. Ich will deutlich sagen: Ich bin selbst lange genug in einem politischen Jugendverband tätig gewesen. Ich sehe auch auf Seite der Sozialdemokraten die eine oder andere, die ähnliche Erfahrungen gemacht hat. Mir sind solche Forderungen nicht fremd und ich habe auch großes Verständnis dafür. Aber wir müssen immer sehen, dass sich der Staat nicht übernehmen kann, dass er sich bei den Leistungen, um die es geht, nicht verheben kann und dass er Prioritäten setzen muss.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Wir haben uns vorgenommen, uns um dieses Thema im Laufe dieses Jahres zu kümmern. Wenn es um die Frage geht, ob wir es uns leisten wollen, dass der Staat jedem arbeitslosen jungen Menschen seine eigene Bude finanziert, oder ob wir die Priorität an der Stelle setzen, dass wir uns bei der Anrechnung von zur Altersvorsorge dienendem Vermögen von Menschen, die nach jahrzehntelanger Beitragszahlung unverschuldet in Arbeitslosigkeit gekommen sind, großzügiger zeigen, dann neige ich dazu, eher das Vermögen der Älteren zu schonen, anstatt jungen Menschen entgegenzukommen, die sehr wohl auf die Solidarität der Familie bauen können und deren Familien leistungsfähig sind.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das sind die Dinge, die wir uns vorgenommen haben. Wir werden darüber hinaus weitere Maßnahmen zu ergreifen haben. Wir haben uns vorgenommen, Einsparungen zu erreichen, indem wir die Organisation von Hartz IV reformieren. In diesem Bereich wollen wir 1,2 Milliarden Euro einsparen. Wir werden im Laufe der nächsten Monate entsprechende gesetzliche Maßnahmen dazu ergreifen. Es geht also einerseits darum, handwerkliche Fehler, die gemacht worden sind, einvernehmlich zu korrigieren, und es geht andererseits darum, gegebenenfalls andere politische Prioritäten zu setzen. Das machen wir jetzt in diesem Bereich.

   Wir haben im Übrigen auch feststellen können, dass die Möglichkeiten, etwas zum ALG II hinzuzuverdienen, was zum Teil sehr unbürokratisch möglich ist, in beachtenswertem Maße in Anspruch genommen worden sind. Ich sage aber auch ganz deutlich: Wir werden in Zukunft alle Möglichkeiten nutzen müssen, Menschen Angebote zu machen, aus der Arbeitslosigkeit herauszukommen und Arbeit aufzunehmen. Da, wo es nötig ist, müssen wir Druck machen, damit wirklich nur diejenigen staatliche Leistungen in Anspruch nehmen, die wirklich auf diese Leistungen angewiesen sind. Das ist die andere Seite der Medaille.

   Das wird auch bei der Diskussion über das Kombilohnmodell eine Rolle spielen, bei dem es nicht darum geht, das soundsovielte arbeitsmarktpolitische Instrument neben andere zu setzen, sondern darum, erfolgreiche Ansätze, die es bisher gibt, mit diesem zu verbinden. Wir müssen Fördern und Fordern miteinander verbinden. Wir müssen den Leistungsmissbrauch stärker bekämpfen, auch wenn uns das sicher keinen großen Beifall einbringen wird. Wir müssen das tun, weil wir als Fachpolitiker der unterschiedlichen Bereiche gemeinsam immer im Blick haben müssen, wie sich die Kosten entwickeln, wie sich der Bundeshaushalt entwickelt und wie wir das am Ende finanziell vernünftig darstellen können.

   Dazu erfolgt heute dieser Schritt. Wir werden in den Ausschussberatungen über all die Fragen zu sprechen haben, die Herr Niebel angesprochen hat, zum Beispiel was die Reduzierung des Zahlbetrags für die gesetzliche Rentenversicherung angeht. Natürlich gibt es in dem Bereich Interessenkonflikte. Wir müssen zu einem fairen Ausgleich kommen. Mein Eindruck ist, dass wir da auf einem guten Weg sind. Wir möchten alle diejenigen, die uns auf diesem Weg konstruktiv begleiten wollen, mitnehmen. Ich möchte Sie aufrufen, diesen Weg zu beschreiten. Es geht nicht darum, alte ideologische Debatten fortzuführen, sondern es geht darum, anzuerkennen, dass sich diese Regierung entschieden hat, das arbeitsmarktpolitische Instrumentarium effizienter zu machen. Darauf haben wir uns gemeinsam verständigt.

   Wichtiger für die Schaffung neuer Arbeitsplätze ist in der Tat, wie wir die Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Wachstum insgesamt setzen, und zwar in der Steuerpolitik und in der Bildungs- und Forschungspolitik. Da sind wir auf gutem Wege. Wir haben uns nicht nur etwas vorgenommen, sondern in diesen Tagen auch etwas in den Bundestag eingebracht. Wir werden das arbeitsmarktpolitisch flankieren so gut es geht. Dafür haben wir einen guten Gesetzentwurf vorgelegt. Ich lade Sie alle ein, dabei konstruktiv mitzumachen.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Ich erteile das Wort der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch, Fraktion Die Linke.

Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE):

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Am 17. Oktober 2003, als Hartz IV beschlossen wurde, standen meine Kollegin Petra Pau und ich mit einem Transparent vor dem Bundestag, um gegen das Hartz-IV-Gesetz zu protestieren.

(Dirk Niebel (FDP): Aber Sie hätten doch reinkommen können!)

- Wir kamen auch noch hinein, keine Angst! - Auf diesem Transparent stand: „Gegen Armutsgesetze - PDS im Bundestag“. Wir griffen zu diesem außerparlamentarischen Mittel, weil hier im Haus die Abgeordneten von SPD, CDU/CSU und den Grünen taub für unsere Argumente waren.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie hatten den Bezug zum alltäglichen Leben der Menschen verloren und folgten blind Herrn Hartz und ihren Fraktionsführungen. Ich erinnere daran, dass der Abgeordnete Hilsberg von der SPD in aller Öffentlichkeit erklärte, von 331 Euro könne man im Osten gut leben. Andere MdBs dachten gar, bei den 331 Euro handele es sich um den Wochenbetrag. Das war auch der Anfang vom Ende der rot-grünen Bundesregierung.

(Beifall bei der LINKEN)

   Es zeigte sich schnell, dass wir mit unserem Protest und unserer Kritik am Hartz-IV-Gesetz Recht haben. Die öffentlichen Proteste, die schlechten Wahlergebnisse von CDU/CSU und SPD und unsere guten Ergebnisse haben Sie zu einer sehr späten Einsicht gezwungen.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun müssen Sie die größten Ungerechtigkeiten im Gesetz beseitigen.

   Einer unserer zentralen Kritikpunkte in Bezug auf das Hartz-IV-Gesetz war und ist die unterschiedliche Höhe des Arbeitslosengeldes II in Ost und West: In Westdeutschland bekommen die Betroffenen 345 Euro und in Ostdeutschland nur 331 Euro Arbeitslosengeld im Monat. Die Bundesregierung begründete den Unterschied von 14 Euro mit den niedrigen Lebenshaltungskosten in den neuen Ländern. Ich habe bereits im September 2004 die Bundesregierung gefragt, warum sie das Ost-West-Gefälle bei der Festlegung des Arbeitslosengeldes II berücksichtigt, das Nord-Süd-Gefälle oder das Stadt-Land-Gefälle aber nicht. Die Vertreter der Bundesregierung konnten mir diese Frage nicht beantworten.

(Dirk Niebel (FDP): Das wundert mich nicht!)

   Offensichtlich hatten die zuständigen Beamten und Politiker da immer noch eine Mauer im Kopf. Die Mauer im Kopf ist aber nicht ein Privileg von Westbeamten. Auch Frau Merkel, damals Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, hat dieser Ungleichbehandlung zugestimmt.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

   An dieser Stelle möchte ich allen Demonstranten danken, die sich nicht beirren ließen und trotz Spott und Häme in den Medien immer weiter demonstrierten.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist ein Erfolg der vielen Anti-Hartz-IV-Demonstranten, dass die SPD und nun auch die CDU/CSU die Forderung der Linkspartei nach einem einheitlichen Arbeitslosengeld von 345 Euro endlich umsetzen werden.

(Dirk Niebel (FDP): Herr Ramsauer, das muss doch in Ihren Ohren klingen!)

   Ich habe auf Anti-Hartz-IV-Demonstrationen immer wieder gehört, dass die da oben sich doch nicht alles erlauben können. Ich sage Ihnen: Diese Empörung war gerechtfertigt. Ich halte es für ein wichtiges Zeichen, dass sich Widerstand gegen unsoziale Politik auch lohnen kann.

(Beifall bei der LINKEN)

   Diejenigen, die demonstriert haben, aber auch diejenigen, die gezweifelt haben, erleben jetzt, dass Gesetze nicht in Beton gegossen sind, sondern von Menschen gemacht werden und von Menschen auch wieder geändert werden können. Jetzt müssen wir neuen Mut fassen und noch diejenigen Dinge ändern, die unbedingt geändert werden müssen. Die großen Sozialverbände stimmen überein: Mindestens 420 Euro im Monat sind für ein menschenwürdiges Leben erforderlich. Dementsprechend ist die Minimalforderung der Linkspartei.

(Beifall bei der LINKEN)

   Natürlich kommen einige Kritiker mit dem Argument, dass es nicht sein könne, dass ein Arbeitsloser mehr Geld bekomme als ein Wachmann oder eine Verkäuferin bei Schlecker. Dieser Kritik stimme ich mit Nachdruck zu. Diese Zustände sind wirklich unhaltbar. Aber die Lösung kann doch nur heißen, dass wir gesetzliche Mindestlöhne festschreiben müssen, damit Arbeitgeber nicht weiterhin solche Hungerlöhne zahlen dürfen.

(Beifall bei der LINKEN)

   Ich habe meinen Wahlkreis Berlin-Lichtenberg mit dem Motto „Von Arbeit muss man leben können“ direkt gewonnen. Ich kann allen Abgeordneten nur empfehlen, dieses Motto zu beherzigen; denn alles andere wird sehr teuer. Ich sage Ihnen mit aller Deutlichkeit, dass der Kombilohn der teuerste Weg ist. Es ist doch jetzt schon oft so, dass die Hungerlöhne, die bei Schlecker und anderen Discountern gezahlt werden, vom Arbeitsamt aufgebessert werden, damit die Menschen überhaupt genug zum Leben haben. Ich sage Ihnen: Es kann doch nicht sein, dass wir mit Steuergeldern das Lohndumping reicher Ladenketten finanzieren.

(Beifall bei der LINKEN)

   Frau Merkel hat im Wahlkampf immer wieder erklärt, dass eine Angleichung des Arbeitslosengeldes nicht möglich sei, da dafür das Geld im Haushalt fehle. Nun hat sie offensichtlich doch die 220 Millionen Euro gefunden, die für die Angleichung nötig sind. Als haushaltspolitische Sprecherin meiner Fraktion kann ich Ihnen versichern, dass auch für eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes II auf 420 Euro pro Monat Geld im Haushalt zu finden ist.

(Beifall bei der LINKEN)

   Ich möchte an dieser Stelle auf den konkreten Text des Gesetzentwurfs der Bundesregierung eingehen. Ich finde es fast amüsant, dass in der Begründung für die Angleichung des Arbeitslosengeldes II Argumente vorgebracht werden, die wir gegenüber der Bundesregierung schon bei der Beschlussfassung im Jahr 2003 vorgetragen haben. Sie schreiben in Ihrer Begründung, dass die bundeseinheitliche Zahlung des Arbeitslosengeldes II in Höhe von 345 Euro im Monat zur „Wahrung der Rechtseinheit“ erforderlich sei. Weiterhin schreiben Sie - ich zitiere -:

Hinsichtlich des Verbraucherverhaltens, der Leistungskosten und des Nettoeinkommens bestehen noch gravierende regionale Unterschiede, die sich nicht nur im Vergleich der neuen Bundesländer zu den alten Bundesländern ergeben, sondern auch innerhalb der Länder ... und auch zwischen den Ländern im Norden und im Süden des Landes.

   Genau das war damals meine Argumentation gegen eine unterschiedliche Behandlung in Ost und West. Ich erwähne das jedoch nicht, um den Lernprozess der Bundesregierung zu würdigen, sondern um eine ganz einfache Forderung aufzumachen: Die Wahrung der Rechtseinheit wird als Begründung für die Angleichung des Arbeitslosengeldes II in Ost und West genannt. Diese Begründung ist richtig. Sie ist heute richtig und sie war auch 2005 richtig. Aus der Begründung der Bundesregierung ergibt sich, dass es ein Fehler war, das Arbeitslosengeld II in Ost und West in unterschiedlicher Höhe festzulegen. Demzufolge ist es logisch, dass das Arbeitslosengeld II rückwirkend zum 1. Januar 2005 angeglichen werden muss.

(Beifall bei der LINKEN)

   Meine Fraktion hat einen entsprechenden Antrag in den Deutschen Bundestag eingebracht. Ich gehe davon aus, dass alle, die hier immer ihr hohes Rechtsbewusstsein preisen, gar nicht anders können, als diesem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der LINKEN)

   Gestern ist in verschiedenen Ausschüssen über die Frage der Angleichung diskutiert worden. In der gestrigen Sitzung des Haushaltsausschusses musste ich erfahren, dass die Bundesregierung ihren eigenen Gesetzentwurf, bezogen auf den Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens, augenscheinlich überhaupt nicht gelesen oder dies bereits wieder vergessen hat. Im Gesetzentwurf ist klar und deutlich zu lesen, dass das Gesetz zum 1. Januar 2006 in Kraft treten soll. Nun gibt es angeblich technische Probleme. Mein Kollege Niebel von der FDP ist ja schon darauf eingegangen. Ich finde aber, dass die technischen Probleme die Bundesregierung nicht daran hindern dürfen, das Arbeitslosengeld II rückwirkend zum 1. Januar 2006, besser natürlich - wie es unserem Antrag entspricht - zum 1. Januar 2005 anzugleichen.

   Um gleich den Vorwurf abzuwehren, wir würden Geld verteilen, das nicht vorhanden ist, möchte ich Sie abschließend darauf verweisen, dass der Zuschuss für die Bundesagentur für Arbeit im Jahre 2005 um 400 Millionen Euro gesunken ist. Für die Nachzahlung 2005 brauchen wir 220 Millionen Euro, also gut die Hälfte.

   Die Angleichung ist ein überfälliger Akt der Gerechtigkeit. Halten Sie die Betroffenen nicht länger hin. Verzögerungen sind mit uns nicht zu machen.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Das Wort hat nun die Kollegin Brigitte Pothmer, Bündnis 90/Die Grünen.

Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um es gleich vorweg zu sagen: Meine Fraktion unterstützt die Angleichung der Regelsätze in West und Ost. Wir fordern das seit langem. Wir haben immer deutlich gesagt, dass es sich hierbei um eine schematische Trennung handelt, die seit langem inhaltlich nicht mehr zu begründen ist. In der Begründung des Gesetzentwurfs steht deutlich - Frau Lötzsch hat darauf hingewiesen -, dass es natürlich auch in den alten Bundesländern regional sehr differenzierte Einkommensverhältnisse gibt, es dort aber trotzdem einen einheitlichen Regelsatz gibt. Das muss für Gesamtdeutschland gelten. Das ist seit langem unsere Auffassung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Klaus Brandner (SPD): Ein gemeinsamer Gesetzentwurf von Rot-Grün!)

Im Übrigen hätten wir das - das sage ich den Kollegen von der CDU/CSU - seit mindestens einem halben Jahr haben können. Das war von der rot-grünen Regierung geplant; einen entsprechenden Gesetzentwurf haben wir Ihnen vorgelegt. Aber Sie waren es, die das noch vor einem halben Jahr abgelehnt haben und nichts davon wissen wollten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Ute Kumpf (SPD): Man muss das ein bisschen differenzieren!)

   Wir sind also für die Angleichung. Wir kritisieren aber das von der großen Koalition gewählte Verfahren.

(Klaus Brandner (SPD): Da ist sie aber spät aufgestanden!)

Wenn es den politischen Willen zu einer bundeseinheitlichen Regelung bei den Regelsätzen gibt, dann darf dieser nicht nach politischem Gusto in die Tat umgesetzt werden, sondern dann muss es ein transparentes und nachvollziehbares Verfahren dafür geben. Dieses Verfahren muss auf einer aktuellen Datenbasis beruhen. Herr Niebel hat schon darauf hingewiesen. Diese Datenbasis ist die Einkommens- und Verbraucherstichprobe, und zwar nicht die von 1998, sondern die von 2003. Die Auswertung dieser Stichprobe liegt uns vor. Es gibt nichts, was dagegen spräche, sie zugrunde zu legen.

   Seit 1998 ist nun wirklich einiges geschehen. Ich erinnere nur daran, dass die Strompreise um knapp 30 Prozent gestiegen und Zuzahlungen im Gesundheitsbereich eingeführt worden sind. Das sind Faktoren, die eingerechnet werden müssen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich weise darauf hin, dass die Festsetzung der Regelsätze von herausragender Bedeutung ist, und zwar nicht nur für die Betroffenen - für die allemal; das, glaube ich, braucht man nicht weiter zu betonen -, sondern auch für die sozialen Sicherungssysteme ganz allgemein, zum Beispiel in Bezug auf die Festsetzung des Existenzminimums im Einkommensteuerrecht. Das ist einer der Gründe, warum es so wichtig ist, dass diese Regelsätze inhaltlich genau begründbar sind und dass das Bemessungsverfahren dafür nachvollziehbar ist. Das war sehr lange politischer Konsens in diesem Hause.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Lesen bildet ja bekanntermaßen. Deswegen möchte ich Ihnen heute Morgen einmal etwas vorlesen, und zwar den Anfang eines Artikels in der „Welt“ vom 16. August 2005. Ich zitiere:

Die von CSU-Chef Edmund Stoiber ausgelöste Debatte über die Politik für Ostdeutschland ist durch Streit über die Angleichung des Arbeitslosengelds II verschärft worden. Während Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) am Montag eine baldige Anhebung des Ost-ALG an das Westniveau ankündigte, lehnte Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel dies als zu teuer ab.

   Was ist eigentlich passiert? Seit einigen Tagen schaut sich die Öffentlichkeit erstaunt den tosenden Kampf um den Titel der sozial gerechtesten Regierungspartei an. So hat sich die Debatte seit damals verändert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit das klar ist - das will ich Ihnen hier noch einmal ausdrücklich sagen -: Weder die CDU/CSU noch die SPD hat sich in dieser Frage mit Ruhm bekleckert. Gerade Sie von der CDU/CSU waren in der Vergangenheit als Wackeldackel unterwegs.

(Lachen bei der CDU/CSU)

Das werden wir nicht vergessen machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Frau Merkel hat die Angleichung damals nicht nur abgelehnt, sondern sie hat sogar noch einen draufgesetzt: Sie wollte nicht nur regional unterschiedliche Sätze beim Arbeitslosengeld II, sondern sie wollte sie auch noch nach Alter differenzieren. So viel zum Thema Bürokratieabbau, meine Damen und Herren.

(Dirk Niebel (FDP): Aber die Grünen haben das Gesetz als Regierungspartei schon mitgemacht, oder?)

Was das für ein Aufwand gewesen wäre, können Sie sich sicher gut vorstellen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Herr Brauksiepe, Sie waren es doch damals, der gegen die Regelung, die Sie heute hier positiv bewerten, CDU-regierte Bundesländer mobilisiert hat, um genau das zu verhindern, was Sie heute loben. Wenn es nach Ihnen gegangen wäre, dann wäre das Arbeitslosengeld II angeglichen worden, aber nach unten. Dann gäbe es in Westdeutschland jetzt monatlich 14 Euro weniger.

Wir sind für die Angleichung. Aber das, was jetzt passiert, riecht nach einer neuen Form von Begrüßungsgeld. Sie möchten gerne, dass die Wählerinnen und Wähler im Osten vor den anstehenden Landtagswahlen begrüßen, dass es eine große Koalition gibt. Aber ich sage Ihnen: Das wird Ihnen vor allem vor dem Hintergrund dessen, was Sie in Bezug auf die jungen Erwachsenen unter 25 Jahren jetzt noch vorhaben, nicht gelingen. Diese wollen Sie in die elterliche Bedarfsgemeinschaft zurückführen, was Sie, Herr Brauksiepe, wortreich begründet haben.

   Ich will überhaupt nicht bestreiten - das sage ich, damit das ganz klar ist -, dass es in diesem Bereich Entwicklungen gegeben hat, die wir alle so nicht gewollt haben. Aber Sie schütten das Kind mit dem Bade aus. Ich frage Sie: Ist das, was die große Koalition vertritt, wirklich das Ideal der Moderne, nämlich dass junge Menschen, die zum Teil über Jahre schon eigenständig gelebt haben, in das „Hotel Mama“ zurückkehren sollen,

dass sie ihre Eigenständigkeit, die wir gewollt und lange gefördert haben, jetzt wieder verlieren?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Wir brauchen an dieser Stelle differenziertere Lösungen. Lassen Sie uns darüber noch einmal in Ruhe beraten. Wir erkennen an, dass es ein Problem gibt. Aber wir erkennen nicht Ihr Lösungsangebot an. Dieser Plan ist falsch und muss verändert werden.

   Falsch finde ich im Übrigen auch die Absenkung der Rentenversicherungsbeiträge für ALG-II-Empfänger. Es ist nicht nur so, dass damit für die Betroffenen der bescheidene Rentenanspruch in Höhe von 4,10 Euro auf 2,90 Euro im Monat weiter abgesenkt wird. Sie entziehen damit auch den Rentenkassen Geld. Die Zeche müssen die Beitragszahler zahlen. Es ist ein erneuter Verschiebebahnhof und kein Beitrag zur Absenkung der Lohnnebenkosten, die sie immer versprochen haben.

(Klaus Brandner (SPD): Das ist ein Zeichen von Unkenntnis, Frau Pothmer! Das zahlen die Steuerzahler!)

   Lassen Sie mich nun etwas ganz Grundsätzliches sagen. Die Höhe der Transferleistungen ist deshalb wichtig, weil es entscheidend von ihr abhängt, ob diejenigen, die keinen Arbeitsplatz haben, menschenwürdig leben und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Aber Transferleistungen allein - unabhängig von ihrer Höhe - reichen nicht aus. Viel wichtiger ist es, Zugänge zu eröffnen: Zugänge zu Bildung, Zugänge zu Arbeit. Was Sie da zu bieten haben, ist wirklich erschreckend mager, meine Damen und Herren von der großen Koalition.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Wenn es nicht gelingt, die Gruppe derjenigen, die Transferleistungen beanspruchen, zu verkleinern und sie stattdessen immer weiter anwächst, dann werden die Transferleistungen auf Dauer immer geringer werden. Deswegen brauchen wir eine riesige Kraftanstrengung im Bereich der Bildung, insbesondere im Bereich der frühkindlichen Bildung.

   Ich sage Ihnen: Was die große Koalition in der Föderalismuskommission verabredet hat, ist ein gigantischer Fehler. Es ist falsch, dass sich der Bund in diesem zentralen Bereich von seiner Verantwortung zurückzieht. So werden Sie das Problem nicht lösen.

   Die Familienministerin lässt sich jetzt dafür feiern, dass sie von den Ländern und von den Kommunen verlangt, die elterlichen Kindergartenbeiträge auf null zu setzen. Ich muss daher fragen: Warum hat diese Familienministerin ihre eigenen Forderungen nicht erfüllt, als sie Familienministerin in Niedersachsen war?

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie stellt Forderungen, die sie in der Vergangenheit schon längst hätte erfüllen können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU): Das ist euch wohl noch nie passiert!)

Diese Leichtigkeit des Seins, die Frau von der Leyen jetzt als Bundesfamilienministerin an den Tag legt, mag für sie selbst angenehm sein. In der Sache führt das jedenfalls überhaupt nicht weiter.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Frau Kollegin, denken Sie an Ihre Redezeit.

Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident.

   Noch eine Bemerkung zum Kombilohn. Herr Müntefering hat nicht nur gestern Abend, sondern auch im Ausschuss immer wieder betont, dass es sich manchmal lohnt, auf die Argumente der Opposition zu hören. Ich bitte Sie eindringlich: Wenn Sie jetzt Kombilohnmodelle prüfen, dann beziehen Sie bitte das von den Grünen entwickelte Progressiv-Modell in Ihre Überlegungen mit ein. Dieses Modell ist ein wirklicher Beitrag zur Sicherung von existenzsichernden Löhnen auch im Niedriglohnbereich.

Meine Damen und Herren, auch wenn die Angleichung der Regelsätze richtig ist, die wirkliche Gerechtigkeitslücke schließen Sie damit noch lange nicht. Auch nicht die zwischen Ost und West. Sie mögen zwar die meisten Abgeordneten hier im Hause haben. Aber die meisten Ideen zur Lösung der Probleme haben Sie wahrlich nicht.

   Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf von der CDU/CSU: Böse Behauptung!)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Frau Kollegin, es wird Ihnen aufgefallen sein, dass der gelegentlich eingeforderte Oppositionsbonus in der Abwicklung von Parlamentsdebatten vom amtierenden Präsidenten - jedenfalls gelegentlich - freiwillig gewährt wird. Es wäre dennoch ganz schön, wenn bei der Vorbereitung von Reden als Höhepunkt vorgesehene Bitten an die Bundesregierung noch in der vorgesehenen Redezeit untergebracht werden könnten.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

   Nun hat das Wort die Kollegin Angelika Krüger-Leißner für die SPD-Fraktion.

Angelika Krüger-Leißner (SPD):

Sehr geehrter Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie können sich vorstellen, dass ich mich als Ostdeutsche über den vorliegenden Gesetzentwurf besonders freue. Wir diskutieren heute über einen ganz positiven Gesetzentwurf. Nach den bisherigen Redebeiträgen habe ich den Eindruck, dass das noch nicht allen bewusst geworden ist.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Es handelt sich um einen Gesetzentwurf, den noch die alte Bundesregierung eingebracht hatte. Ein besonders wichtiges Ergebnis der Koalitionsvereinbarung war für mich, dass die Regelleistungen beim Arbeitslosengeld II in Ost und West auf einen einheitlichen Satz angeglichen werden sollen. Dies ist nicht nur deswegen richtig, weil es notwendig wurde. Dies hat auch viel mit Glaubwürdigkeit und Übereinstimmung von Wort und Tat zu tun.

   Von vornherein habe ich die Trennung der Regelleistungen in ein West- und ein Ostniveau für nicht gerechtfertigt gehalten. Wir alle wissen: Es gibt Unterschiede zwischen den Regionen in unserem Land. Hier bestehen zum Teil große Unterschiede beim Nettoeinkommen, bei den Lebenshaltungskosten und beim Verbraucherverhalten. Aber eine solche Trennungslinie existiert nicht nur zwischen Ost und West. Sie verläuft auch zwischen München und dem Bayerischen Wald, zwischen Hannover und dem Emsland. Eine Ungleichgewichtung lässt sich also auch zwischen Regionen in den neuen und den alten Bundesländern feststellen.

   Da es hier aber um Regelsätze des Grundbedarfs geht, ist eine Differenzierung nicht hinnehmbar. Die ursprüngliche Regelung zieht nur den Indikator Ost-West zur Berechnung unterschiedlicher Sätze heran. Zwischen Bundesländern, Regionen und Städten wird nicht unterschieden.

   Ich weiß, dass die Forderung im Raume stand, die Länder sollten über die unterschiedlichen Sätze entscheiden. Das ist nicht nur sehr bürokratisch und bei einer Leistung des Bundes auch äußerst problematisch. Nein, es schafft letztendlich auch nicht mehr Gerechtigkeit.

   Wir alle erinnern uns: Die Diskussion im vergangenen Jahr war zunächst sehr kontrovers. Das Clement-Ministerium stand der Angleichung lange skeptisch gegenüber. Angesichts der Mehrkosten in Höhe von 260 Millionen Euro jährlich für den Bund ist das zunächst auch verständlich. Erst durch den Zwischenbericht mit den Empfehlungen des Ombudsrates wurde ein Wandel eingeleitet. Dort heißt es wörtlich:

Die dazu bisher vorgelegten Daten überzeugen den Ombudsrat nicht, denn signifikante Kaufkraftdisparitäten sind auch in den alten Ländern festzustellen, sodass ein alleiniger Ost-West-Vergleich zu einer Ungleichgewichtung führt.

   An dieser Stelle möchte ich den Mitgliedern des Ombudsrates herzlich für ihre Arbeit danken. Wir brauchen sie auch weiter. Dieses Gremium wird uns auch in Zukunft bei der Evaluierung und gerade im Hinblick auf das Optimierungsgesetz, das wir im Juli 2006 auf den Weg bringen werden, helfen.

   Ostdeutsche Politiker wie Matthias Platzeck und Wolfgang Thierse hatten von Anfang an eine Angleichung gefordert. In meiner Partei hat sich diese Haltung immer mehr durchgesetzt. Auch der damalige Bundeskanzler Schröder hat die Richtigkeit dieser Entscheidung erkannt.

   Bei der Union hat in den vergangenen Monaten ein Umdenken eingesetzt. Ich bin froh darüber. Die Bundeskanzlerin hatte sich noch im vergangenen Jahr gegen eine Angleichung und später für eine Regionalisierung durch die Länder ausgesprochen. Aber sie hat ihre Position in dieser Sache geändert. Denn auch wenn das von ihr vorgebrachte Kostenargument nicht aus der Welt zu schaffen ist: Die Beibehaltung der bisherigen Regel wäre ungerecht und die Regionalisierung ein bürokratisches Monster.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang an einen weiteren Lösungsvorschlag. Der sachsen-anhaltinische Ministerpräsident Böhmer schlug vor, gegenteilig zu verfahren und die Westregelsätze auf Ostniveau zu senken. Ich gebe zu: Die Gerechtigkeitslücke zwischen Ost und West wäre damit genauso geschlossen worden wie mit diesem hier zu beschließenden Verfahren und statt zu Mehrkosten wäre es zu Kostensenkungen gekommen. Aber gerecht? Ich bitte Sie: Gerecht wäre das nicht gewesen.

   Wenn man die vorgeschlagene Regelung politisch betrachtet, dann bringt die Erhöhung der Ostsätze eine Annäherung zwischen den alten und den neuen Ländern; das Absinken des Westniveaus hingegen würde die Spaltung nur vertiefen. Der Aufschrei von Empfängern von Arbeitslosengeld II in den alten Ländern wäre ebenso laut wie auch verständlich. Ich denke, der Nutzen, der sich aufgrund dieses Gesetzes für die Empfänger der Leistung in den neuen Bundesländern ergibt, ist weit höher, als es die 14 Euro im Monat erscheinen lassen. Das Gefühl der Gleichberechtigung gerade dieser Menschen ist für den Erfolg von politischen Reformen von unschätzbarem Wert. Denn auch und besonders diejenigen, die nur wenig Geld zur Verfügung haben, müssen sich von einer Reformpolitik mitgenommen fühlen, die die sozialen Sicherungssysteme erhalten und erneuern will. Diese Grunderkenntnis liegt diesem Gesetz zugrunde. Nur wenn sich bei den Bürgerinnen und Bürgern mit geringem Einkommen das Gefühl der Gleichberechtigung in Ost und West durchsetzt, kommen wir der Überwindung der Teilung ein Stück näher. Das gilt insbesondere für Hartz IV. Denn Ostdeutsche sind von dieser Leistung anteilig weit mehr betroffen als Westdeutsche.

   Ich bin mir bewusst, dass man das Kostenargument nicht einfach beiseite schieben kann. Diese Regierung muss sparen und diese Regierung will sparen; das haben wir deutlich wahrgenommen. Vor allem: Diese Regierung kann aufgrund des Kräfteverhältnisses auch sparen. Aber ich sage ebenso: Beim Sparen muss es so weit wie möglich auch gerecht zugehen. Die Angleichung der Regelsätze ist für unsere Fraktion ein besonders wichtiges Signal. Es ist bedauerlich, dass die Angleichung nicht zum 1. Januar 2006 erfolgen konnte. In der Gesetzesvorlage können wir diesen Termin noch lesen. Aber es gibt eine Reihe von Problemen insbesondere mit der Software. Diese muss man ernst nehmen; man kann sie nicht lapidar zur Seite schieben, wie das eine Vorrednerin hier getan hat. Hier hat der Minister eine Veränderung angekündigt.

(Zurufe von der LINKEN)

Das entspricht auch dem, was auf der kommunalen Ebene machbar ist. Damit muss man sich auseinander setzen. Es sind eben alle Bescheide neu zu erstellen. Wir müssen uns, wenn wir Gesetze formulieren, auch mit der Umsetzungsphase beschäftigen und uns den Realitäten stellen.

   Weitere Änderungen sind geplant. Gestern hat der Minister in der Ausschusssitzung davon berichtet und auch Staatssekretär Thönnes hat angedeutet, dass es angesichts der Fehlentwicklungen bei Bedarfsgemeinschaften mit Jugendlichen bis 25 Jahren und bei den Rentenversicherungsbeiträgen Änderungen geben wird. Das haben wir in den nächsten Wochen zu beraten; dazu wird es sicherlich auch eine Anhörung geben.

   Ich will abschließend eines noch einmal feststellen: Die Gerechtigkeitslücke, die die unterschiedlichen Regelsätze bedeutet haben, wird mit dem vorliegenden Gesetzentwurf geschlossen. Das ist für mich ein ganz wichtiger Schritt für den Erfolg, aber auch die Glaubwürdigkeit dieser Bundesregierung. Es ist für mich auch ein ganz klares Zeichen dafür, dass wir in Ost und West mit gleichen Maßstäben messen. Und das ist gut so, liebe Kolleginnen und Kollegen.

   Danke.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Das Wort hat nun der Kollege Karl Richard Schiewerling für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Karl Richard Schiewerling (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hartz IV ist gerade einmal ein Jahr in Kraft. Mit der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe - beitragsfinanziert und steuerfinanziert - und der Sozialhilfe - nur steuerfinanziert - sind eben auch zwei unterschiedliche Sicherungssysteme zusammengeführt worden. Hinter den Sicherungssystemen stehen zwei unterschiedlich arbeitende Behörden mit unterschiedlichen Strukturen und Herangehensweisen.

   Es war ein richtiger Weg, es war ein neuer Weg und vor allen Dingen war es ein mutiger Weg, der in den letzten zwölf Monaten alle Beteiligten viel Kraft gekostet hat und zwangsläufig zu neuen Erkenntnissen geführt hat.

   Mit dem Prinzip des Forderns und Förderns sind wir auf dem richtigen Weg. Dieses Grundprinzip des SGB II trägt dazu bei, dass Menschen ohne Arbeit gefordert werden, ihren Lebensunterhalt möglichst rasch wieder aus eigener Kraft bestreiten zu können. Schließlich wollen wir Menschen in Arbeit bringen und sie somit aus dem Bezug staatlicher Leistungen herausholen.

   Unser oberstes Ziel ist die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen alle - Staat, Wirtschaft und alle am wirtschaftlichen Geschehen Beteiligten sowie die Betroffenen selbst - mitarbeiten. Wir wissen, dass das SGB II nicht einen einzigen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz schafft.

(Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Genau! Bravo!)

Aber das will das SGB II auch gar nicht. Das SGB II dient der Grundsicherung und darauf ist unsere Arbeit abgestellt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

   Das SGB II will fordern und fördern. Unter dem Gesichtspunkt des Förderns ist es aus meiner Sicht sehr ärgerlich, dass aufgrund der Anfangsschwierigkeiten die Mittel für Maßnahmen zur Integration in den Arbeitsmarkt im vergangenen Jahr nur schleppend abgerufen wurden. Ich halte es für notwendig, dass wir entsprechende Mittel auch in den neuen Haushalt einstellen, und zwar so, dass sie vor Ort möglichst flexibel und passgenau eingesetzt werden können. Das ist ein wichtiger Teil des Gesamtkonzepts von Hartz IV.

   Die Lebensverhältnisse in Deutschland sind unterschiedlich. Bisher erhalten die einzelnen Personen im Westen Regelleistungen in Höhe von 345 Euro, diejenigen im Osten nur in Höhe von 331 Euro. Mit diesen unterschiedlichen Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sollten die Unterschiede in der Verbrauchsstruktur und im privaten Konsumverhalten angemessen berücksichtigt werden. Richtig ist, dass es deutliche Unterschiede hinsichtlich der Lebenshaltungskosten und im privaten Konsumverhalten gibt. Diese Unterschiede gelten aber nicht nur zwischen Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und den anderen Bundesländern, sondern auch innerhalb der neuen und innerhalb der alten Bundesländer in Nord und Süd, in West und Ost. Fakt ist, dass es im gesamten Bundesgebiet regionale Besonderheiten gibt. Daher halten wir es für notwendig, dem Rat des Ombudsrates zu folgen und die Regelsätze anzupassen. Wir beraten gerade den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des SGB II. Wir halten das für notwendig. Deswegen ist es gut, wenn diesem Gesetz - wie ich jetzt herausgehört habe - offensichtlich alle einvernehmlich zustimmen.

   Auf die Frage, ob die Anpassung der Regelsätze ausreichend ist, sage ich Ihnen: Wir müssen zunächst die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe abwarten, die vor uns liegt. Danach schauen wir weiter. Eines aber halte ich für zwingend geboten und notwendig: Das Lohnabstandsgebot muss eingehalten werden. Es muss sich lohnen, Arbeit aufzunehmen. Ich kann Beispiele nennen, in denen dies nicht eingehalten worden ist. Ich halte dies für einen wichtigen Ansatzpunkt.

(Beifall bei der CDU/CSU - Bodo Ramelow (DIE LINKE): Weil die Löhne zu niedrig sind!)

   Neben den Regelleistungen hat der Gesetzgeber noch den Kinderzuschlag in § 6 a Bundeskindergeldgesetz eingeführt. Dieser soll dazu führen, dass Familien möglichst nicht auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen sind. In der Praxis hat sich jedoch herausgestellt, dass über 90 Prozent der Anträge auf Kinderzuschlag abgelehnt werden. Das hängt vor allen Dingen damit zusammen, dass sich Leistungsgrenzen und Berechnungsmethoden innerhalb dieses Gesetzes widersprechen. Hinsichtlich der Berechnungsgrundlagen und der Verwaltungszuständigkeiten besteht dringender Klärungsbedarf. Es ist wenig sinnvoll, dass die für Hartz IV zuständige Stelle zunächst eine überschlägige Rechnung macht, den Leistungsbezieher anschließend zur Bundeskindergeldkasse oder zur Kindergeldkasse der regionalen Agentur für Arbeit schickt, sich diese Behörde noch einmal damit beschäftigt, bis dann festgestellt wird, dass der Antragsteller doch kein Geld bekommt. Diese Zuordnungsschwierigkeiten zwischen den Ämtern müssen aufgehoben werden. Leidtragende sind die Familien. Es nützt ihnen nichts, wenn sie dadurch auf ihr Kindergeld warten müssen. Das zermürbt Bürger sowie Bearbeiterinnen und Bearbeiter. Hier muss Bürokratie abgebaut werden.

Wir müssen auch der Frage nachgehen, was wir mit den Menschen machen, die aufgrund ihrer persönlichen Voraussetzungen nicht weiter qualifizierbar sind. Es ist eine Frage der Menschenwürde, dass jeder die Möglichkeit und die Aufgabe hat, mit seines eigenen Kopfes und seiner eigenen Hände Arbeit den Lebensunterhalt für sich und seine Familie zu verdienen.

   Das ist eine der größten Herausforderungen, vor der die Politik und wir alle in der nahen Zukunft stehen, nämlich den Menschen, die nicht beliebig qualifizierbar sind oder leichte Behinderungen haben, diese Möglichkeiten zu schaffen. Das ist nicht nur eine staatliche Aufgabe, hierbei sind auch die Wirtschaft und die Tarifpartner gefordert. An dieser Stelle wird auch unsere Diskussion um den wie auch immer zu gestaltenden Kombilohn einsetzen.

   Das SGB II will Eigenverantwortung stärken. Es kann nicht Aufgabe des Staates sein, jungen Menschen den Auszug aus ihrem elterlichen Heim zu finanzieren. Frau Pothmer, bei aller Sympathie dafür, dass die Emanzipation junger Menschen unterstützt werden soll, dass junge Menschen nicht im „Hotel Mama“ bleiben - auch ich bin sehr dafür -, ist es nicht Aufgabe des Staates, das zu finanzieren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Das letzte Jahr hat uns die Erfahrung geliefert, dass wir die Frage klären müssen, welche Stellen für die Grundsicherung zuständig sind. Es kommt darauf an, dass die Hilfe möglichst bürgernah erbracht wird. In meinem Wahlkreis, in unserer Region, dem Münsterland, haben wir festgestellt, dass die optierenden Kommunen erfolgreich arbeiten, und zwar auch deswegen, weil die Zuständigkeiten eindeutig geregelt sind.

(Dirk Niebel (FDP): Dann geben Sie denen die Freiheit, das zu machen!)

Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir die Zuständigkeiten im Laufe der Legislaturperiode überprüfen wollen. Ich halte das für notwendig.

   Die anstehenden gesetzlichen Regelungen und Novellierungen im SGB II müssen gut bedacht werden. Es ist zum Beispiel aufgrund der bisherigen Erfahrungen zu klären, an welchen Stellen sich das SGB II mit anderen Teilen des Sozialgesetzbuches, zum Beispiel dem SGB III, dem SGB VIII, das alte Kinder- und Jugendhilfegesetz, oder dem SGB XII, die alten Sozialhilfevorschriften, beißt. Diese Dinge müssen im neuen Gesetzgebungsverfahren geregelt werden. Die Novellierung und Optimierung des SGB II soll natürlich zügig geschehen. Aber es muss auch der Grundsatz gelten: Gründlichkeit vor Geschwindigkeit.

   Ich danke Ihnen herzlich.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege Schiewerling, das war Ihre erste Rede im Deutschen Bundestag, zu der ich Ihnen herzlich gratulieren möchte, verbunden mit allen guten Wünschen für die weitere parlamentarische Arbeit.

(Beifall)

   Nun hat Andrea Nahles das Wort für die SPD-Fraktion.

Andrea Nahles (SPD):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor der Wahl versprochen und jetzt eingelöst - das gilt für uns Sozialdemokraten, was die Angleichung der Regelleistungen Arbeitslosengeld II an das Westniveau betrifft.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Frau Pothmer, bei allem Frust über Ihre neue Oppositionsrolle

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)

sollten Sie sich doch wenigstens ein bisschen darüber freuen, dass wir das gemeinsame Anliegen jetzt in der neuen Koalition umsetzen können. Das wäre jedenfalls in der Sache angemessen.

(Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das tue ich, Frau Nahles!)

Aber ich verstehe, dass Sie es jetzt vielleicht nicht übers Herz bringen, uns hier Beifall zu zollen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Schön ist auch, dass Herr Niebel lernfähig ist. Das erlebt man ja selten. Im Oktober 2005 kann man noch in einem „Stern“-Artikel nachlesen, dass Sie sich, für die FDP als Generalsekretär sprechend, ausdrücklich gegen eine Angleichung ausgesprochen haben.

(Dirk Niebel (FDP): Gegen dieses Pauschale!)

Ich beobachte hier nun eine Bewegung in die richtige Richtung. Ich zitiere: „Es gibt auch in Westdeutschland genügend Regionen, die strukturell sehr teuer sind, und welche, die strukturell sehr günstig sind ...“ So kommen Sie zu dem Schluss: Deswegen gehen wir am besten gar keinen Schritt nach vorne.

(Dirk Niebel (FDP): Nein! Die differenzierte Lösung!)

   Wir sagen: Weil das so ist, weil es unterschiedliche Regionen gibt, müssen wir eine bundeseinheitliche Regelung schaffen, müssen wir dafür sorgen, dass es gleichwertige Lebensbedingungen in Deutschland gibt. Das haben wir mit dieser Gesetzesvorlage umgesetzt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Frau Kollegin Nahles, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Niebel?

Andrea Nahles (SPD):

Selbstverständlich.

Dirk Niebel (FDP):

Vielen herzlichen Dank, Frau Kollegin. - Stimmen Sie mir zu, dass das von Ihnen angeführte Zitat in keinerlei Widerspruch zu meiner eben gehaltenen Rede steht, da ich, wenn ich darauf hinweisen darf, gesagt habe, dass es in Ost und West und in Nord und Süd unterschiedlich strukturierte Regionen gibt? Deswegen wollen wir eine entsprechend den Lebenshaltungskosten differenzierte Angleichung der Leistungen; dann würde man in teuren Regionen mehr, in günstigen Regionen weniger bekommen und alle hätten ein existenzsicherndes Auskommen.

Andrea Nahles (SPD):

Herr Niebel, ich habe das, was Sie gesagt haben, nicht kritisiert und auch auf keinen Widerspruch hingewiesen.

(Dirk Niebel (FDP): Doch! Das haben Sie!)

Allerdings waren Ihre Schlussfolgerungen zwei völlig unterschiedliche: Im Oktober letzten Jahres haben Sie aus dem Tatbestand, den Sie auch heute wieder vorgetragen haben, die Schlussfolgerung gezogen, dass es keine Angleichung geben soll, und heute - jedenfalls habe ich das so verstanden - haben Sie die Schlussfolgerung gezogen, dass es doch eine Angleichung geben soll.

(Dr. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU): Vielleicht ist er überstimmt worden!)

   Im Übrigen stimme ich Ihnen ausdrücklich zu: In Andernach, der größten Stadt meines Wahlkreises in Rheinland-Pfalz, kostet ein Latte Macchiato in einem Café in bester Lage am Marktplatz 1,90 Euro. Wie wir Politiker wissen, kostet er im „Einstein“ 4 Euro, und zwar auch in dem „Einstein“, das im Westteil Berlins liegt. Natürlich gibt es solche Unterschiede. Deswegen wollen wir eine bundeseinheitliche Regelung.

(Dirk Niebel (FDP): Ja! Aber das ist dann doch falsch!)

In diesem Sinne kritisiere ich nur die Unterschiedlichkeit Ihrer Schlussfolgerungen, aber keinesfalls Ihre Analyse; diese teile ich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Dirk Niebel (FDP): Eine bundeseinheitliche Regelung ist dann aber doch falsch!)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Frau Kollegin Nahles, wir sollten es mit der Offenlegung betriebswirtschaftlicher Kalkulationen deutscher Cafés nicht zu weit treiben.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Andrea Nahles (SPD):

Wissen Sie, Herr Präsident: Ich glaube, der Preis dort beinhaltet 1 Euro Aufschlag für Promi-Gucken; aber darüber müssen wir ein anderes Mal sprechen.

   Kommen wir zurück zum Thema: Auch das, was die Redner der Linken heute vorgetragen haben, war sehr interessant; denn das grenzte schon an Geschichtsklitterung. Hier wurde der Eindruck erweckt, dass es just Ihrer Aktivitäten und Minidemonstrationen vor dem Reichstag bedurft hätte,

(Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Oh, oh! Jetzt reicht es aber!)

um uns auf den rechten Pfad zu führen.

   Ich kann Ihnen nur sagen: Niemand anderes als die alte Bundesregierung, als Rot-Grün, hat den Ombudsrat eingesetzt, mit dem ausdrücklichen Ziel - diesem Ziel ist der Ombudsrat auch nachgekommen -, die Hartz-IV-Gesetzgebung zu begleiten und sie daraufhin zu überprüfen, ob Nachbesserungsbedarf besteht. In genau dem Moment, in dem der Ombudsrat zu dem Ergebnis gekommen ist, dass es sinnvoll wäre, eine Angleichung der Leistungen durchzuführen, haben wir dieses Vorhaben zu unserer eigenen Angelegenheit gemacht. Dafür hat es Ihrer freundlichen Aufforderungen nicht bedurft; denn genau das war unser Ziel: ein komplexes Gesetzgebungsverfahren vom Ombudsrat begleiten zu lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Frau Kollegin, möchten Sie Ihre Redezeit noch einmal durch eine Zwischenfrage verlängern lassen?

(Rainer Brüderle (FDP): Das verlängert Ihre Redezeit! Freuen Sie sich! Sie standen ja schließlich vier Jahre vor der Tür!)

Andrea Nahles (SPD):

Ich bin ja heute zum ersten Mal seit Jahren der Abstinenz wieder dran, deshalb würde ich eigentlich gerne fortfahren. Aber nun gut, bitte, Uli.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege Maurer.

Ulrich Maurer (DIE LINKE):

Liebe Frau Kollegin Nahles, liebe Andrea, - -

(Dirk Niebel (FDP): Na, na, Herr Maurer! - Rainer Brüderle (FDP): Ach ja! Das war ja mal ein Genosse von Ihnen! - Weitere Zurufe von der SPD: Oh, oh! - Na, na!)

- Moment mal, das ist doch nett, oder? Herr Niebel, warum empört Sie das?

(Dirk Niebel (FDP): Ich bin mit ihr auch per du und sieze sie trotzdem ordentlich!)

- Na, dann tun Sie das.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Es wäre schon gut, wenn neben dem Austausch von Freundlichkeiten auch die angemeldeten Fragen gestellt würden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ulrich Maurer (DIE LINKE):

Jawohl, lieber Herr Präsident. - Frau Kollegin Nahles, ich wollte eigentlich nur fragen,

(Rainer Brüderle (FDP): Oh! Jetzt ist er ganz verlegen!)

ob es für die Feststellung, dass die Einheit der Rechtsverhältnisse diese Angleichung gebietet, der Einsetzung eines Ombudsrats bedurfte.

(Beifall bei der LINKEN)

Andrea Nahles (SPD):

Nein. In Art. 72 Abs. 2 des Grundgesetzes heißt es, dass der Bund für die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse verantwortlich ist.

(Dirk Niebel (FDP): „Gleichwertig“ bedeutet aber nicht unbedingt „gleich“!)

Zu dieser Verantwortung bekennen wir uns ausdrücklich. Das basiert allerdings - auch das ist festgehalten - auf regionalen Besonderheiten, die zum Beispiel auch bei der Berechnung der Verbrauchs- und Einkommensstatistik und der Rentenwerte zugrunde gelegt werden.

   Wir haben an dieser Stelle zunächst einmal formal richtig agiert und uns dann im Interesse des übergeordneten Art. 72 Abs. 2 des Grundgesetzes entsprechend verhalten. Ich persönlich glaube, dass wir dieses Anliegen auch in Zukunft nicht aus den Augen verlieren dürfen. Im Rahmen der Beratungen der Föderalismuskommission hat es mehrfach Angriffe darauf gegeben: Der Bund sollte seine Verantwortung für die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse immer mehr auf die Länder verlagern. - Hier gebe ich Ihnen Recht: Das dürfen wir nicht tun.

Deswegen ist das ein Auftrag, den wir hier im Parlament auf Bundesebene auch in Zukunft zur Wiedervorlage bekommen werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Zu einem Punkt, der mir wichtig ist, nämlich der hier mehrfach aufgeworfenen Frage, ob es tatsächlich einen Unterschied zwischen Sozialhilfe und Arbeitslosengeld II gibt. Den gibt es allerdings: Was wir hier festlegen - das schließt auch an die Frage von Herrn Maurer an -, ist schlicht eine Bundesleistung; ob sie einheitlich festgelegt wird, ist dabei eine politische Entscheidung.

(Zuruf von der SPD: Herr Niebel! Zuhören!)

Die Sozialhilfe wird von den Sozialhilfeträgern festgelegt. Das ist eine andere Ebene. Das machen auch die Länder. Insoweit ist hier aus meiner Sicht noch einmal klarzustellen, dass es nicht automatisch zu einer Veränderung bei der Sozialhilfe kommen muss.

   Wir haben heute 14 Euro mehr für ALG-II-Bezieher in Ostdeutschland beschlossen; das ist viel Geld für diese Leute. Natürlich weiß ich, dass es trotz allem, was wir an Transfer leisten, am Ende keine Alternative dazu gibt, dass jeder und jede eine existenzsichernde Arbeit hat. Da kann ich mich mit einem Mindestlohnniveau, wie von der FDP heute vorgeschlagen - nämlich auf der Ebene von ALG II -, nicht anfreunden.

(Dirk Niebel (FDP): Ich habe kein Mindestniveau vorgeschlagen! Wir sind gegen Mindestlöhne!)

Wir brauchen Mindestlöhne, die existenzsichernd sind. Aber auf dem Niveau von ALG II sind sie es nicht. In diesem Sinne werden wir uns auch in den Beratungen um Kombilohn/Mindestlohn so verhalten, dass Arbeit wieder Wert hat, dass die Leute von der Arbeit leben können.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Abg. Dirk Niebel (FDP) meldet sich zu einer Kurzintervention)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Mir ist die Freude an diesen Interventionen sehr gut nachvollziehbar, aber es gehört zu den plausiblen Regeln, dass nach Abschluss einer Rede zu derselben keine Zwischenfragen mehr gestellt werden können; was sich mit einem gewissen Maß an Logik auch sofort erschließt.

(Dirk Niebel (FDP): Aber eine Kurzintervention ist möglich, Herr Präsident!)

- Eine solche war aber bisher nicht angemeldet.

(Dirk Niebel (FDP): Das wollte ich gerade tun mit meiner Meldung!)

- Gut, dann bekommt für eine Kurzintervention das Wort der Kollege Niebel.

Dirk Niebel (FDP):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich werde mich dem Wort „Kurzintervention“ entsprechend kurz fassen.

   Ich wollte nur deutlich klarstellen: Die FDP hat zu keinem Zeitpunkt Mindestlöhne gefordert. Wir halten Mindestlöhne für falsch, für schädlich. Denn wenn der Mindestlohn nicht die Kosten eines Arbeitsplatzes erreicht, geht das Ganze in die Schwarzarbeit. Ich habe nur festgestellt - und das ist wissenschaftlich auch belegbar -: Arbeitslosengeld II wirkt wie ein Mindestlohn: weil es eine untere Einkommensgrenze definiert und deswegen, wirtschaftlich nachvollziehbar, kaum einer einen Grund hat, eine Tätigkeit aufzunehmen für ein Entgelt, das unter diesem Mindestlohn liegt. Ich bitte Sie, dies zur Kenntnis zu nehmen.

(Andrea Nahles (SPD): Schön, dass Sie das jetzt noch einmal gesagt haben, Herr Niebel! - Gegenruf des Abg. Rainer Brüderle (FDP): Sie haben Herrn Niebel mit Frau Merkel verwechselt!)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Als letzter Redner in dieser Debatte erhält nun das Wort der Kollege Stefan Müller für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir erleben heute Vormittag eine bemerkenswerte Debatte: Neben dem Austausch von verschiedenen Höflichkeiten wissen wir jetzt auch, wo Frau Nahles am liebsten ihren Latte macchiato trinkt.

(Heiterkeit)

Heute früh war immer wieder die Rede von Gerechtigkeit. Ich darf zum Jahresanfang unabhängig vom Beratungsgegenstand zunächst einen Wunsch äußern: dass wir mit dem Begriff „Gerechtigkeit“ ein bisschen sorgsamer umgehen, als wir das in der Vergangenheit getan haben. Es gab fast keinen Reformvorschlag - von wem auch immer in diesem Hause -, bei dem nicht sofort versucht worden ist, ihn mit der Keule der sozialen Ungerechtigkeit zu diskreditieren. Ich glaube, wir täten gut daran, den Begriff „Gerechtigkeit“ als solchen nicht überzustrapazieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   In diesem Zusammenhang möchte ich gerne auf eine bemerkenswerte Rede hinweisen, die der Bundesfinanzminister vor kurzem vor der IHK in Frankfurt gehalten hat - ich darf zitieren -:

Damit wird Chancengerechtigkeit - und nicht Ergebnisgleichheit - zum Grundprinzip eines modernen Sozialstaates. Von ihr hängen die Lebensperspektiven gerade derjenigen Menschen ab, deren Startbedingungen - aus welchen Gründen auch immer - nicht so gut sind wie die anderer.

Ich glaube, dem ist nichts hinzuzufügen.

   Bei dem heute vorliegenden Gesetzentwurf geht es auch ein Stück weit um Gerechtigkeit. Natürlich spielt auch das Gerechtigkeitsempfinden der Betroffenen eine Rolle. Aber noch sehr viel mehr spielt eine Rolle, dass wir heute auch ein Stück innerdeutsche Einheit herstellen.

   Bisher haben wir die Differenz von 14 Euro beim Arbeitslosengeld mit geringeren Lebenshaltungskosten und einem unterschiedlichen Verbraucherverhalten in Ostdeutschland gerechtfertigt. Aber nicht nur zwischen Ost und West, sondern auch zwischen einzelnen Bundesländern, zwischen einzelnen Regionen, ja selbst zwischen Städten und Gemeinden bestehen Unterschiede. Deswegen hat der Ombudsrat der Politik empfohlen - das ist heute schon mehrfach ausgeführt worden -, den Regelsatz Ost um 14 Euro zu erhöhen, um den bestehenden Unterschied zu beseitigen. Diesem Vorschlag des Ombudsrates kommen wir mit der heutigen Initiative nach.

   Wir sollten uns aber nichts vormachen: Durch diese Anhebung werden wir die sozialen Unterschiede in unserem Land nicht ausgleichen können. Durch die Anhebung alleine schaffen wir keinen Ausgleich zwischen dem Wunsch nach einer erfüllenden Tätigkeit auf der einen und der Absicherung der täglichen Grundbedürfnisse auf der anderen Seite. Bei der ganzen Debatte um die Höhe der staatlichen Leistungen dürfen wir eines nicht aus dem Blick verlieren - das ist mir sehr wichtig -: Der Wunsch, am Arbeitsleben und am Erwerbsprozess teilzunehmen, ist nicht erfüllbar durch eine noch so hohe Unterstützung durch staatliche Leistungen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Ich bleibe dabei: Die größte soziale Ungerechtigkeit in unserem Lande ist, wenn jemand, der arbeiten will, nicht die Möglichkeit dazu hat.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen müssen wir mehr dafür tun, um den Menschen, die keine Arbeit haben, aber arbeiten wollen, eine Perspektive zu geben. Natürlich ist es richtig, das Arbeitslosengeld im Osten anzuheben - das betone ich -, aber es muss uns vor allem darum gehen, den Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, die Möglichkeit zu geben, eine Beschäftigung zu finden.

   Unser aller Ziel ist es, zu mehr Beschäftigung in Deutschland zu kommen. Mehr Beschäftigung wird es aber nur dann geben, wenn wir die wirtschaftliche Situation in diesem Land insgesamt verbessern, vor allem aber die wirtschaftliche Situation des Mittelstands, der kleinen und mittleren Betriebe. Auf den Mittelstand setzen wir bei der Beseitigung von Arbeitslosigkeit im Übrigen besonders große Hoffnungen.

   Uns allen ist aber doch klar, dass wir nur mithilfe von Instrumenten der Arbeitsmarktpolitik nicht mehr Arbeitsplätze schaffen können. Wir brauchen mehr wirtschaftliche Dynamik in diesem Lande.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die große Koalition hat im Koalitionsvertrag vieles vereinbart, was zu mehr Wachstum und Beschäftigung führen wird. Bei der Klausurtagung des Bundeskabinetts in Genshagen ist das konkretisiert worden; ich möchte das nicht weiter ausführen. Es wird darüber hinaus aber weitere Anstrengungen geben müssen, um die Rahmenbedingungen für unternehmerisches Handeln in unserem Land weiter zu verbessern. Ich nenne als Beispiele die geplante Unternehmenssteuerreform oder den Abbau von Bürokratie und von Regulierungen.

   Die gesetzgeberischen Maßnahmen alleine werden aber nicht dazu führen, dass in Deutschland mehr Arbeitsplätze geschaffen werden; das ist richtig. Wir können die Schaffung von Arbeitsplätzen sozusagen nicht per Gesetz verordnen, hier ist die Wirtschaft gefordert. Dazu bedarf es aber einer positiven Grundstimmung und mehr Vertrauen. Vertrauen ist nun einmal die Grundlage für jedes wirtschaftliche Wachstum. Was wir in der Politik machen, ist das eine, was in der Wirtschaft passiert, das andere. Ständige Nachrichten über Arbeitsplatzabbau in unserem Land jedenfalls verbessern nicht die Stimmung und führen nicht zu einer Verbesserung der positiven Grundstimmung. Deswegen sage ich von dieser Stelle: Die Wirtschaft ist hier in der Pflicht.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

   Meine Damen und Herren, zu sozialer Gerechtigkeit gehört aber auch, dass wir die Solidargemeinschaft vor ungerechtfertigter Inanspruchnahme in Schutz nehmen. Die Erwartungshaltung an staatliche Leistungen ist in den letzten Jahren immer weiter gestiegen, sie ist so groß wie nie zuvor. Es kann nicht sein, dass wir nach der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe mehr Geld ausgeben als vorher für beide Instrumente zusammen. Ziel der Reform war es immer, erwerbsfähige Hilfebedürftige bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu unterstützen und sie nicht einfach nur zu alimentieren. Wie die ersten Erfahrungen nach der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe gezeigt haben, werden weitere Korrekturen in diesem Bereich nötig sein.

   Ich darf kurz aus dem „Spiegel“ zitieren, der im letzten Jahr schrieb:

Es ist, als hätte die Hartz-Reform das Elend ganzer Bevölkerungsgruppen offen gelegt, die bislang als ausreichend versorgt galten. In ihren Akten finden die Vermittler plötzlich erwerbs- und angeblich mittellose Abiturienten, die bislang bei ihren gutverdienenden Eltern gewohnt haben. Sie finden Rechtsanwälte und Ärzte, die offenbar zu Tausenden merken, dass sie eigentlich seit Jahren am Existenzminimum knabbern.

   Nun mag es ja sein, dass hier sehr viel übertrieben wird. Tatsache ist aber, dass es zu einer unerwarteten Anzahl von Bedarfsgemeinschaften gekommen ist. Ich glaube, deswegen ist es zumutbar, dass wir die Bildung von Bedarfsgemeinschaften noch weiter überprüfen und in bestimmten Bereichen einschränken.

   Wir jedenfalls freuen uns auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit den Oppositionsfraktionen. Ich bin auch davon überzeugt, dass wir ihre Vorschläge sehr gerne prüfen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Ich schließe die Aussprache.

   Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf der Drucksache 16/99 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist offensichtlich der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.

   Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 sowie den Zusatzpunkt 2 auf:

4. Erste Beratung des von der Fraktion der LINKEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen

- Drucksache 16/236 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Ausschuss für Kultur und Medien

ZP 2 Erste Beratung des von den Abgeordneten Matthias Berninger, Dr. Thea Dückert, Margareta Wolf (Frankfurt), weiteren Abgeordneten und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen

- Drucksache 16/365 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Ausschuss für Kultur und Medien

   Auch hier sind nach einer interfraktionellen Vereinbarung eineinviertel Stunden für die Aussprache vorgesehen. - Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann können wir auch dies als vereinbart betrachten.

   Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst der Kollege Oskar Lafontaine für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)

Oskar Lafontaine (DIE LINKE):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Kartellrecht oder das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen ist so etwas wie das Grundgesetz der Marktwirtschaft. Dabei hat dieses Gesetz zwei Komponenten, eine soziale und eine demokratische. Die soziale Komponente dieses Gesetzes ist die Preissteuerung. Durch das Gesetz soll verhindert werden, dass es zu Monopolpreisbildungen kommt, und soll sichergestellt werden, dass die Preise im Wettbewerb fallen, sodass die Preise aus der Sicht der Verbraucher nicht zu hoch sind. Von dieser Steuerungsfunktion des Wettbewerbsrechts ist heute nicht die Rede.

   Eine viel wichtigere Funktion des Wettbewerbsrechts aus der Sicht der Linken ist das Element der Machtkontrolle. Durch das Kartellrecht soll sichergestellt werden, dass eine Marktwirtschaft auch eine demokratische Marktwirtschaft ist. Deswegen wird stets darauf geachtet, dass wirtschaftliche Machtzusammenballungen die Demokratie nicht gefährden. Davon ist heute die Rede.

   In den letzten Jahrzehnten gab es eine ganze Welle von Fusionen. Insbesondere das letzte Jahrzehnt hat wiederum global eine Welle von Fusionen gebracht, die dazu geführt haben, dass viele Unternehmen mittlerweile eine weitaus größere Macht als demokratische Staaten haben. Das ist bekannt und unstreitig. Dennoch sollte man, wenn in unserem Parlament darüber gesprochen wird, vielleicht noch einmal daran erinnern.

   Machtkontrolle war beispielsweise die Position der SPD im Godesberger Programm. Es ging um die Kontrolle wirtschaftlicher Macht. Früher hat ein radikalerer Denker Deutschlands das Ganze noch schärfer formuliert, nämlich Walter Eucken. Es bereitet mir natürlich Vergnügen, hier für die Fraktion der Linken an diesen Denker des Ordoliberalismus zu erinnern. Er wollte nicht die Kontrolle wirtschaftlicher Macht, sondern er wollte die Verhinderung wirtschaftlicher Macht.

(Beifall bei der LINKEN)

Mit dieser Position - ich sage das ohne polemischen Unterton - erhielte Walter Eucken heute wohl kaum eine mehrheitliche Zustimmung im Deutschen Bundestag, geschweige denn in unserer Gesellschaft. Es ist aber manchmal notwendig, an solche Denker, die zu Beginn der Staatsgründung der Bundesrepublik Deutschland die politischen Entscheidungen mitbestimmt haben, zu erinnern.

   Wenn es um die Verhinderung wirtschaftlicher Macht geht, dann führt die Überlegung, was denn im Kartellrecht dazu geschrieben ist, natürlich sehr schnell zu der so genannten Ministererlaubnis. Einige Fälle der letzten Zeit haben deutlich gemacht, dass die Ministererlaubnis unter diesen beiden Gesichtspunkten reformbedürftig ist. Ich erinnere an den Fall Eon Ruhrgas, der ein Musterbeispiel dafür ist, dass die Ministererlaubnis mittlerweile eher ein Einfallstor für Missbrauch, ja, für Korruption ist. Ich benutze diesen Begriff nüchtern und sachlich, aber ich benutze ihn gleichwohl.

(Beifall bei der LINKEN)

   Die Ministererlaubnis sollte nicht dazu einladen, dass Minister im Hinblick auf ihre spätere wirtschaftliche Tätigkeit von ihr Gebrauch machen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich erinnere an den Fall Eon Ruhrgas, bei dem wir zum letzten Mal in größerem Umfang über diese Erlaubnis auf dem Feld der Energiewirtschaft diskutiert haben und bei dem zunächst ein Staatssekretär mit der Erledigung des Falls beauftragt worden ist. Das Unangenehme an diesem Sachverhalt ist nur, dass dieser Staatssekretär dann in ebendiesem Konzern Beschäftigung fand, der von dieser Erlaubnis betroffen war. Noch unangenehmer ist, dass der zuständige Minister in diesem Konzern als Vorstandsmitglied beschäftigt wurde. Dies ist genau das, was ich ein Einfallstor für politische Korruption nenne.

(Beifall bei der LINKEN)

   Wir können an solchen Fehlentwicklungen nicht vorbeigehen. Wenn Sie heute die Presse studieren und lesen „Staatsanwaltschaft durchsucht E.on-Ruhrgas-Zentrale - Gaskonzern soll mehr als 100 Kommunalpolitikern Vergnügungsreisen spendiert haben“, dann sehen Sie, dass eine Demokratie stets gehalten ist, sorgfältig darauf zu achten, dass wirtschaftliche Macht nicht dazu missbraucht wird, demokratische Entscheidungsgremien und Körperschaften unzulässig zu beeinflussen.

(Beifall bei der LINKEN)

   Gerade im Bereich der Energiewirtschaft hat die Kartellbehörde in der letzten Zeit nicht nur bei der Fusion, sondern auch bei der Preisgestaltung mehrfach interveniert. Ich möchte für die Fraktion der Linken der Kartellbehörde ein Kompliment dafür machen, dass sie beispielsweise in der Frage der langfristigen Lieferverträge mit kommunalen Energieversorgern stets auf niedrige Preise für die Verbraucher achtet. Wir brauchen eine solche Kartellbehörde. Sie darf durch die Ministererlaubnis nicht unterlaufen werden. Das ist der politische Sachverhalt, von dem wir heute reden.

(Beifall bei der LINKEN)

   Es geht schlicht und einfach um Fehlentwicklungen in der Volkswirtschaft und in unserer demokratischen Gesellschaft. Ich will hier nur einen Begriff ansprechen, um noch weiter zu verdeutlichen, wie sich das alles in die falsche Richtung entwickelt hat, nämlich den Begriff der Umsatzrendite. Wenn Sie sich heute mit Vertretern der Energiewirtschaft unterhalten und Sie hören, dass diese, ohne rot zu werden, sagen: „Wir zielen auf Umsatzrenditen von 15 bis 20 Prozent“, dann ist das eine völlige Fehlentwicklung unserer Volkswirtschaft.

(Beifall bei der LINKEN)

   Dass man von Kapitalrenditen dieser Art reden kann, könnte man vielleicht noch verstehen. Aber dass in Quasimonopolmärkten in der Energiewirtschaft von Umsatzrenditen von 15 bis 20 Prozent geredet wird, ist ein unglaublicher Skandal, um das hier einmal in aller Deutlichkeit zu sagen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Wir sprachen vorhin von Hartz IV und den Grundbeträgen, von denen diese Menschen leben müssen. Dass die Verbraucher, die zur Miete wohnen, immer größere Schwierigkeiten haben, ihre tägliche Existenz zu gestalten, hat etwas mit dem Thema zu tun, das heute hier zur Rede steht; denn diese Umsatzrenditen bezahlen die Verbraucherinnen und Verbraucher.

   Der zweite Fall, den ich ansprechen möchte, ist die Konzentration im Pressewesen. Sie ist für unsere Demokratie vielleicht noch viel wichtiger als die reine wirtschaftliche Macht in anderen Wirtschaftsbereichen. Eine freie Presse ist konstituierend für jede demokratische Ordnung. Zu Beginn dieser Republik hat Paul Sethe - das ist der nächste Gründervater unserer Republik, den ich erwähnen möchte -einmal gesagt: Die Pressefreiheit ist immer in Gefahr bei uns, die Freiheit einiger weniger reicher Leute zu sein, ihre Meinung zu verbreiten. - Daher muss dieses Parlament sicherstellen, dass die Pressekonzentration in diesem Lande nicht weiter fortschreitet. Auch darum geht es bei der Ministererlaubnis.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Wie steht es denn mit der Pressefreiheit im Saarland?)

   Wenn jetzt ein großes Verlagshaus, das auf dem Pressemarkt ohnehin eine beherrschende Stellung hat, dabei ist, einen größeren Anteil beim Privatfernsehen zu erwerben, dann muss dieses Parlament aufmerksam werden und sich die Frage stellen: Was kann getan werden, damit solche Fehlentwicklungen nicht weiter Platz greifen?

   Es gab bereits einen Fall, in dem falsch entschieden worden ist. Ich meine die Novelle, die die rot-grüne Koalition im Hinblick auf Fusionsbestrebungen des Holtzbrinck-Konzerns in Berlin eingebracht hat. Ich konnte es kaum glauben, als ich gelesen hatte, dass der zuständige Minister die Hürde dreimal niedriger ansetzen wollte als sonst, um eine Pressekonzentration zu ermöglichen. Ich möchte von hier aus der Bundesratsmehrheit ein Kompliment machen, dass sie diese Fehlentwicklung verhindert und diesen Gesetzentwurf der damaligen Regierung gestoppt hat. Es war völlig unvertretbar, bei der Frage der Pressefusion die Hürde noch niedriger anzusetzen, als sie bereits jetzt ist.

(Beifall bei der LINKEN)

   Ich sage aber auch, dass es nicht vertretbar wäre, die Ministererlaubnis in der bisherigen Form bestehen zu lassen, wenn jetzt schon wieder sowohl von Vertretern der CDU und der CSU - ich erwähne in diesem Zusammenhang Herrn Stoiber - als auch von Vertretern der SPD - hier ist Herr Beck zu nennen - darüber geredet wird, dass man mit dem Haus Springer im Gespräch darüber sei, ob nicht vielleicht doch eine Möglichkeit bestehe, den Konzentrationsprozess weiter zu unterstützen. Sie alle wissen, dass Politikerinnen und Politiker die Nähe zu Verlagshäusern suchen, weil sie meinen, dann in der Presse besser wegzukommen.

(Jörg Tauss (SPD): Springer! Da haben Sie doch Erfahrung! Wer wird denn jeden Monat mit 5 000 Euro bezahlt?)

- Ach Gott, wie billig, verehrter Herr Kollege.

(Beifall bei der LINKEN - Christian Lange (Backnang) (SPD): Die Wahrheit ist unangehm! - Zuruf des Abg. Jörg Tauss (SPD))

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege Tauss, es wäre schon gut, wenn Sie sich jetzt wenigstens entschließen könnten, ob Sie telefonieren oder Zwischenrufe machen wollen.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)

Oskar Lafontaine (DIE LINKE):

Die Versuchung politisch Verantwortlicher, im Gespräch mit Verlagshäusern eher die Verlagskonzentration zu befürworten, ist sehr ausgeprägt. Ich war jahrzehntelang immer wieder an politischen Entscheidungsprozessen beteiligt und kenne schließlich die Zusammenhänge. Insofern meine ich, dass das Parlament alarmiert sein sollte, wenn bereits in den politischen Parteien über die Ministererlaubnis gesprochen wird.

   Lassen Sie mich zusammenfassend festhalten: Die Ministererlaubnis hatte vielleicht einmal ihre Begründung. Es gibt auch heute viele Gründe, die dafür sprechen. Ich nehme an, dass einige Verteidiger der Ministererlaubnis diese Gründe noch anführen werden. Aus unserer Sicht hat sie aber in den letzten Jahren nicht mehr ihre eigentliche Funktion erfüllt. Sie war vielmehr ein Einfallstor für die weitere Konzentration im Wirtschaftsbereich und sie könnte ein Einfallstor für eine weitere Konzentration im Medienbereich sein. Deshalb plädieren wir dafür, die Ministererlaubnis abzuschaffen, damit der Wirtschaftsminister seine Ordnungsfunktion wieder wahrnehmen kann, indem er nach unserem Gesetzentwurf das Recht erhält, auch dann Nein zu sagen, wenn die Kartellbehörde eine Fusion genehmigt hat.

   Es geht in diesem Zusammenhang um die soziale Marktwirtschaft. Vor allem aber geht es um die demokratische Marktwirtschaft. Die Ministererlaubnis hat sich zu einem Instrument entwickelt, das der demokratischen Marktwirtschaft entgegensteht. Deshalb sollte sie fallen.

(Beifall bei der LINKEN)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Für die Bundesregierung hat das Wort nun der Parlamentarische Staatssekretär Hartmut Schauerte.

Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie:

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das deutsche Wettbewerbsrecht ist gut aufgestellt. Es ist beispielhaft in Europa und wohl auch in der Welt, und zwar einschließlich der darin festgelegten Ministererlaubnis. Sie ist erst 1973 in dieses System eingefügt worden. Damals regierten die FPD und die SPD, Herr Lafontaine. Man empfand die Ministererlaubnis als notwendig.

   Sie ist ein kluges Instrument, wenn man sie richtig nutzt. Sie soll ermöglichen, dass in Fällen eines gesamtwirtschaftlichen Vorteils und eines übergeordneten Gemeinwohlinteresses eine unter sehr strenger Handhabung des Wettbewerbsrechts gefundene Entscheidung geändert werden kann. Das Problem besteht nicht darin, dies zu ermöglichen; es geht vielmehr um die Frage, ob damit verantwortungsvoll und vernünftig umgegangen wird.

   Wir sind der Meinung, dass das deutsche Wettbewerbsrecht bisher trotz aller auch bedauernswerten Fehlentwicklungen im Einzelnen durchaus die Aufgabe geleistet hat, Marktwirtschaft zu sichern und Machtwirtschaft zu vermeiden. Das ist der eigentliche Sinn dieses Wettbewerbsrechts. Deswegen halten wir die beiden vorliegenden Gesetzentwürfe für nicht zielführend. Sie würden unsere Möglichkeiten, auf unerwartete, schwierige, wirtschaftspolitische Situationen intelligent und vernünftig zu antworten, einengen und erschweren und deswegen die Standortqualität verschlechtern.

   Wir wissen, dass die Ministererlaubnis auch Probleme mit sich bringt und Versuchungen bietet. Ich mache aus meinem Herzen keine Mördergrube, indem ich feststelle, dass mir die Eon-Entscheidung ausgesprochen problematisch erschienen ist. Dabei will ich gar nicht zentral darauf abstellen, dass die Entscheidung schließlich so gefallen ist. Man kann aber anhand der Eon-Entscheidung eine Menge darüber lernen, was alles nicht sein darf. Dazu gehört erstens, dass eine Minstererlaubnis nicht so früh in Aussicht gestellt werden darf

(Dr. Rainer Wend (SPD): Sehr richtig!)

und dass das Kartellamt seine eigentliche Aufgabe, zunächst einmal alles bis zum Letzten unter wettbewerblichen Gesichtspunkten auszuhandeln, nicht erfüllen kann.

(Beifall des Abg. Dr. Rainer Wend (SPD) - Ludwig Stiegler (SPD): Haben Sie das dem Herrn Glos auch gesagt?)

Man hat doch keine Gestaltungskraft mehr gegenüber dem Partner auf der anderen Seite, wenn dieser auf Chefebene bereits weiß, dass er möglicherweise alles umgehen kann, weil er auf die Genehmigung zählen kann. Das war der erste katastrophale Fehler im Eon-Verfahren.

   Der zweite war, dass alle Handelnden mehr oder weniger davon ausgehen konnten, dass sie am Ende ihrer politischen Arbeit wieder beim Antragsteller landen würden.

   Das sind zwei Fehler, die das Instrument der Ministererlaubnis auf das Äußerste beschädigt haben.

(Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie kann man das verhindern?)

Deswegen kann ich verstehen, dass nun entsprechende Gesetzentwürfe vorliegen. Das ist insoweit verdienstvoll, als dass wir dadurch noch einmal Gelegenheit haben, uns zu vergewissern, welchem Zweck das Instrument dienen soll. So wie die Ministererlaubnis im Eon-Fall angewandt wurde, war sie schädlich und Ihre Glaubwürdigkeit wurde beschädigt. Das darf sich nicht wiederholen.

   Es ist klug, ein solches zusätzliches Instrument zu haben, vorausgesetzt, dass es richtig eingesetzt wird. In diesem Zusammenhang lohnt es sich, auf die Nachbarstaaten zu schauen. In Frankreich ist im Prinzip jede Freigabe eine Ministererlaubnis. In Großbritannien gibt es die Fälle des Public Interest. Nationale Sicherheit, Wasserversorgung und Zeitungen - ausgerechnet Zeitungen! - werden dort unter das Regiment der Ministererlaubnis gestellt. In den Niederlanden gibt es trotz aller Entscheidungsmacht der Kartellbehörden die Möglichkeit, aus Gründen des Allgemeinwohls eine Sondergenehmigung zu erteilen. Wir befinden uns mit unserem Instrument also in guter Nachbarschaft. Deshalb wollen wir daran festhalten.

   Ich möchte auf das zurückkommen, was es hier zusätzlich zu beachten gilt. Es ist ausgesprochen empfehlenswert, dass kartellrechtlich relevante Fragen vom Bundeskartellamt in Unabhängigkeit behandelt werden und dass sich die Politik, insbesondere die politisch Zuständigen, bis zur Entscheidung heraushält.

(Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Oh!)

- Herr Berninger, wir werden in einer offenen Gesellschaft nicht verhindern können, dass sich Politiker, die mit der Sache wenig zu tun haben, vorlaut äußern. Ich halte zwar von vorlauten Äußerungen nichts, kann sie aber weder auf Bundesebene noch auf Landesebene unterbinden.

   Die zuständige Behörde, das mit dem Vorgang befasste Ministerium und der Wirtschaftsminister sowie alle anderen, die mitwirken, haben sich Zurückhaltung aufzuerlegen. Sonst kann das Bundeskartellamt sein Potenzial bei den Verhandlungen gar nicht generieren; sein Potenzial würde geschädigt. Das Bundeskartellamt muss seine Entscheidungen mit Sachkompetenz und in großer politischer Unabhängigkeit treffen können. Sonst gewinnen wir nicht die gewünschten Erkenntnisse darüber, was richtig und was falsch ist.

   Wir, die wir in der Politik damit zu tun haben, haben uns also zurückzuhalten. Das Bundeskartellamt soll in großer politischer Unabhängigkeit und Freiheit verhandeln und entscheiden können, um das Beste im Sinne des Wettbewerbs herauszuholen.

   Die Linke fordert sogar zusätzlich die Möglichkeit, selbst unbedenkliche Zusammenschlüsse zu verbieten, und zwar aus anderen Gründen. Das hieße, die Sache auf den Kopf zu stellen. Das wäre eine Kehrtwendung um exakt 180 Grad. Das bedeutete eine erhebliche Belastung des Standortes Deutschland. Wenn wir in einer globalisierten Welt bestimmten Ministerien erlaubten, Unternehmensfusionen mithilfe einer Ministererlaubnis zu verbieten bzw. Unternehmen zu zerschlagen - darüber darf man gar nicht nachdenken -, dann wäre das eine gravierende Schwächung des Standortes Deutschland im internationalen Wettbewerb und in der Sache. Davor kann ich nur warnen.

   Herr Kollege Lafontaine, Sie haben gesagt, dass schon die Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung für eine Erlaubnis eine politische Versuchung darstelle. Was meinen Sie aber, wie groß die politische Versuchung wäre, wenn man etwas verbieten könnte? Ich warne alle Neugierigen vor der Einführung eines solchen Instruments; denn es wäre ein Einfallstor für neue korruptive Verhältnisse. Hier haben Sie wieder einmal nicht bis zum Ende gedacht. Ich bedauere das nicht ausdrücklich; aber das ist nun einmal so.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Ich möchte noch etwas zur Praxis sagen. In über 30 Jahren gab es 18 Anträge, die dieses Thema betreffen. 18 Anträge! Davon sind sieben mit Ministererlaubnis entschieden worden, teilweise noch mit Auflagen. Eine Konsequenz aus der angesprochenen Problematik ist: Das Instrument der Ministererlaubnis soll es weiterhin geben. Aber davon sollte so selten wie möglich Gebrauch gemacht werden.

   Das ist die nächste Empfehlung. Im Prinzip muss die Entscheidung des Kartellamts reichen. Da ist der Sachverstand versammelt. Nur in seltenen Ausnahmefällen soll es die Ministererlaubnis geben.

   Wir werden deswegen an der Ministererlaubnis festhalten. Wir werden sie nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen und sehr zurückhaltend anwenden. Die Bundesregierung kann darum eine Annahme beider Gesetzentwürfe nicht empfehlen.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Für die FDP-Fraktion spricht nun der Kollege Rainer Brüderle.

Rainer Brüderle (FDP):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon eine erstaunliche Metamorphose, wenn die Linken jetzt zu Vorkämpfern für Walter Eucken werden. Das hat man bei anderen politischen Diskussionen nicht erlebt. Zum Schluss hat Oskar Lafontaine mit der demokratischen Marktwirtschaft wieder eine Hintertür geöffnet. Der Vorschlag, eine Ministergenehmigung durch ein Ministerverbot zu ersetzen, lässt den Verdacht einer gewissen dialektischen Kosmetik bei diesem Gesetzentwurf aufkommen.

(Beifall bei der FDP - Zuruf von der SPD: Zurück zur DDR-Wirtschaft!)

   Zur Sache selbst. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen ist die Magna Charta der sozialen Marktwirtschaft. Es ist die grundlegende Regelung bzw. das Grundgesetz. Wir befinden uns leider in einem Prozess, in dem grün-rote ordnungs- und wettbewerbspolitische Sünden - das ist eine ganze Liste - begangen wurden. Das bezieht sich nicht nur darauf, dass die grün-rote Bundesregierung kurz vor der Bundestagswahl die Entscheidung bezüglich Eon und Ruhrgas - da kann man den Ausführungen von Lafontaine weitgehend zustimmen - getroffen hat. Anschließend wurden Minister und Staatssekretär Tacke gut untergebracht.

(Jörg Tauss (SPD): Oh!)

- Lieber Herr Tauss, das sind alles Unternehmen, in denen die paritätische Mitbestimmung gilt.

(Beifall bei der FDP - Jörg Tauss (SPD): Ach was!)

Es wird nicht nur der Betriebsrat von VW nach besonderen Regeln gepflegt, sondern offenbar auch die Kunden. Das wirft ein bezeichnendes Licht auf die Bedeutung gewerkschaftlicher Mitbestimmung in großen Konzernen, Herr Tauss. Dass Sie bei den Reden telefonieren müssen, weist darauf hin, dass Sie bei Peters neue Weisungen einholen müssen.

(Heiterkeit bei der FDP)

   Zurück zu den ordnungspolitischen Sünden. Ein extremer Fall - auch bei Grün-Rot - war das Einzelweisungsrecht in der Telekommunikation. Es hat noch keine Bundesregierung gewagt, ein Einzelweisungsrecht eines Bundesministers zu etablieren. Der Versuch von Clement, das Pressefusionsrecht und damit den Wettbewerb auszuhöhlen, ist gescheitert. Die Wettbewerbsaufsicht wurde absichtlich von Grün-Rot zersplittert. Die Energiewirtschaft, die Bahn und die Netzagentur wurden nicht dem Kartellamt unterstellt, sondern es wurden Sonderstrukturen geschaffen. Damit wurden die Kompetenzen des Kartellamts systematisch geschwächt.

(Beifall bei der FDP)

   Die Ministererlaubnis war von Anfang an umstritten. Die Fusionskontrolle durch das Kartellamt sollte mit der Ministererlaubnis kombiniert werden. Viele der Entscheidungen waren umstritten. Der Gedanke ist, sich neben einer Prüfung von Zusammenschlüssen von Unternehmen nach Recht und Gesetz, nach ökonomischen und wettbewerblichen Kriterien durch ein unabhängiges Kartellamt, die Möglichkeit offen zu halten, Gemeinwohlaspekten, die nicht rein wettbewerblichen Überlegungen unterworfen sind, Rechnung zu tragen. Italien ist das einzige Land, das ich kenne, das eine kartellrechtliche Regelung ohne eine solche Kombination hat. Fast alle anderen Länder haben ein solches Instrument. In Italien gibt es möglicherweise andere Mechanismen, die man in eine Bewertung einbeziehen müsste. Das will ich jetzt aber nicht vertiefen.

   Recht hat Herr Staatssekretär Schauerte mit seiner Bemerkung - ich zitiere ihn wörtlich -, dass die Entscheidung im Zusammenhang mit Eon und Ruhrgas die Ministererlaubnis äußerst beschädigt hat. Da hat der Herr Staatssekretär Recht. Wenn das die Erkenntnis der Bundesregierung ist, dann kann diese Erkenntnis schon ein Fortschritt gegenüber Grün-Rot sein. Sie hatten offenbar diese Erkenntnisse damals noch nicht. Die Grünen haben ihre Position geändert. Als Oppositionspartei haben sie den Wettbewerb entdeckt. Vorher haben sie alle die von mir zitierten Erosionsprozesse mitgemacht.

(Beifall bei der FDP - Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie sitzen im Glashaus! Passen Sie auf!)

   Ich gebe zu, dass man auch zu der Schlussfolgerung von Lafontaine kommen kann, nämlich so weit zu gehen, die Ministererlaubnis abzuschaffen, da sie äußerst beschädigt ist. Das Ministerverbot einzuführen halte ich jedoch für einen dialektischen Kunstgriff. Da scheint die alte Schule noch durch.

   Auch ich kann aber nicht bestreiten, dass im Zusammenhang mit der Abschaffung der Ministererlaubnis der Aspekt der Versorgungssicherheit eine Rolle spielt. Ich halte einen Mechanismus für notwendig, der es ermöglicht, einwirken zu können, ohne dass dies allein ökonomisch begründet ist. Ich gebe auch zu: Mir ist noch nichts Besseres als die Ministererlaubnis eingefallen. Meines Erachtens bleibt nichts anderes übrig, als verschärft politisch zu diskutieren, damit Erscheinungen wie die Eon-Ruhrgas-Fusion, die einen schalen Geschmack hinterlassen - am Ende finden sich alle in gut bezahlten Positionen wieder -, öffentlich entsprechend gebrandmarkt werden.

   Der ehemalige Kanzler hat den Anstieg der Gaspreise beklagt, obwohl man vorher eine Fusion genehmigt hat, die einen Marktanteil von 87 Prozent ermöglicht hat.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Bei einer Einführung in die Grundzüge der Volkswirtschaftslehre an der Volkshochschule Dessau-Süd lernt man, dass Monopolpreise höher als Wettbewerbspreise sind. Erst ein Monopol schaffen und dann über die Preise jammern ist zutiefst unredlich.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

   Ich warne davor, solche Schritte vorschnell zu vollziehen. Man sollte die Ministererlaubnis also nicht abschaffen, ohne dass wir die Dinge wirklich durchdacht haben. Ich glaube, dass es klug ist, ein Instrument zu haben, das eine Korrektur aus übergeordneten Gesichtspunkten möglich macht. Das darf nur ein seltener, gut begründeter Ausnahmefall sein. Herr Staatssekretär Schauerte, nicht nur was die Landesebene, sondern auch was die Bundesebene angeht, halte ich es für bedauerlich, dass auch Ihr Minister leichtfertig öffentliche Äußerungen über das Thema Ministererlaubnis gemacht hat, bevor das Kartellamt abschließend geprüft hat.

(Beifall des Abg. Oskar Lafontaine (DIE LINKE))

Auch das ist keine Stärkung des Bewusstseins für den Wettbewerbsgedanken.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Lothar Bisky (DIE LINKE))

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Nächster Redner ist der Kollege Christian Lange, SPD-Fraktion.

Christian Lange (Backnang) (SPD):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde es in der Tat schon sehr bemerkenswert, dass den Gesetzentwurf der Linken/PDS ausgerechnet ein Sprecher begründet, der noch auf der Gehaltsliste von Springer stand oder immer noch steht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dass er dann auch noch die Dreistigkeit hat, hier über die Kontrolle von Medienmacht zu philosophieren, das schlägt dem Fass in der Tat den Boden aus.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

   Diese Dreistigkeit setzt sich im Gesetzentwurf der PDS fort: Ausgerechnet sie versucht hier, sich zum Schützer des Wettbewerbs aufzuspielen. Sie kommt in der Tat zu dem Ergebnis, § 42 GWB müsse gestrichen werden. Die Konsequenz daraus wäre, dass dem Bundeskartellamt die alleinige Entscheidungsbefugnis über Unternehmensfusionen zugesprochen würde. Liest man weiter, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus: Stattdessen soll dem Wirtschaftsminister das Recht eingeräumt werden, Genehmigungen des Bundeskartellamtes zu untersagen, wenn die „marktwirtschaftliche Ordnung gefährdet“ sei oder ein „überragendes Interesse der Allgemeinheit“ dies rechtfertige.

   Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Die bisherige Möglichkeit, eine Unternehmensfusion durch die Ministererlaubnis zu genehmigen, beispielsweise aufgrund volkswirtschaftlicher Notwendigkeiten, soll ersetzt werden durch die Möglichkeit des Bundeswirtschaftsministers, die Genehmigung des Bundeskartellamts zu untersagen. So viel zum Thema Kontrolle. Das ist doch nichts anderes als die alte Gängelwirtschaft à la DDR: Am Ende wird schon „Honni“ oder der Minister entscheiden. Dahinter steckt nichts anderes. Das hier als Wettbewerbsschutz darzustellen, ist in der Tat eine besondere Dreistigkeit.

   Lassen Sie mich an dieser Stelle etwas Grundsätzliches zum Thema Ordnungspolitik sagen. Der Ordnungspolitik gegenüber stehen alle interventionistischen Eingriffe in das Wirtschaftsgeschehen, welche den Marktprozess behindern. Die Marktwirtschaft - das hat sich auch und gerade nach dem Fall der Mauer im Jahre 1989 gezeigt - ist das überlegene Wirtschaftssystem; denn es ist am besten in der Lage, Wirtschaftswachstum, Wohlstand und Beschäftigung zu generieren. Die inhaltlich-programmatische Aussage des Gesetzentwurfs der PDS ist deshalb falsch.

   Konstituierendes Element der sozialen Marktwirtschaft ist und bleibt nämlich der Wettbewerb. Wettbewerb in unserer Gesellschaftsordnung ist also ein unbedingt schützenswertes Gut. Der Schutz des Wettbewerbs ist die zentrale ordnungspolitische Aufgabe in einer Marktwirtschaft. In Deutschland ist das Bundeskartellamt zusammen mit den Landeskartellbehörden für ebendiesen Schutz des Wettbewerbs zuständig. Natürlich - da will ich Ihnen ausdrücklich Recht geben - gibt es Situationen, in denen Unternehmen versuchen, den Leistungswettbewerb durch Preisabsprachen, Kartelle, monopolistische Tendenzen und Ähnliches auszuschalten oder einzuschränken.

Deshalb ist es eine hoheitliche Aufgabe, diesen Wettbewerb zu schützen.

   Wie machen wir das? Aufgrund von drei Säulen, die im GWB normiert sind: zum Ersten die Kartellbekämpfung, zum Zweiten die Missbrauchsaufsicht und zum Dritten die Fusionskontrolle. Dabei steht uns die Monopolkommission zur Seite. Sie hat den gesetzlichen Auftrag, das Funktionieren des Wettbewerbs in Deutschland im Allgemeinen und auch in einzelnen Wirtschaftssektoren zu beobachten. Sie beurteilt Konzentrationstendenzen, würdigt die Anwendung von Vorschriften der Fusionskontrolle und erstattet entsprechend Bericht. So steht in § 36 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen unmissverständlich - ich will das zitieren, weil uns viele zuschauen und nicht genau wissen, wie unsere Gesetzeslage ist; ich will allerdings nur den ersten Absatz zitieren -:

Ein Zusammenschluss, von dem zu erwarten ist, dass er eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt, ist vom Bundeskartellamt zu untersagen, es sei denn, die beteiligten Unternehmen weisen nach, dass durch den Zusammenschluss auch Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen eintreten und dass diese Verbesserungen die Nachteile der Marktbeherrschung überwiegen.

   Genau dies will die PDS jetzt verhindern, indem sie durch Ministerentscheid die Untersagung ermöglichen will. Damit wäre die Sache in der Tat auf den Kopf gestellt. Die kartellrechtliche Entscheidung des Bundeskartellamts ist übrigens ein justizähnliches Verfahren und deshalb auch überprüfbar.

   Nun zur Ministererlaubnis. Auch die Ministererlaubnis ist kein höchst persönlicher Willkürakt, in dem der Minister beim Kaffee oder beim Weißbier mal kurz entscheidet, ob er jetzt für die Fusion oder dagegen ist. Ganz im Gegenteil, es gibt strenge Verfahrensregeln. Es ist wichtig, dass wir uns dies in Erinnerung rufen.

   Zum Ersten gibt es eine ganze Reihe formeller Voraussetzungen. So sind die Untersagung des Bundeskartellamts sowie ein Antrag der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen Voraussetzung. Eine Ministererlaubnis kann weder vor Abschluss der kartellbehördlichen Verfahren noch dann erteilt werden, wenn das Bundeskartellamt die Fusion unter Auflagen oder Bedingungen freigegeben hat.

   Zum Zweiten sind die inhaltlichen, die materiellen Voraussetzungen zu nennen: ein öffentliches Interesse an dem untersagten Zusammenschluss. Dafür nennt das Gesetz zwei alternative Voraussetzungen, nämlich gesamtwirtschaftliche Vorteile oder überragendes Interesse der Allgemeinheit.

   Erforderlich ist außerdem, dass die mit dem untersagten Zusammenschlussvorhaben verbundenen wettbewerblichen Nachteile durch die Aspekte des öffentlichen Interesses aufgewogen werden. Hieraus wird gefolgert, dass die Feststellungen des Bundeskartellamts hinsichtlich der wettbewerblichen Nachteile der Erlaubnisentscheidung als gegeben anzunehmen sind und im Verhältnis zum öffentlichen Interesse gewichtet werden müssen. Dabei ist auch die Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Unternehmen auf Märkten außerhalb Deutschlands zu berücksichtigen.

   Damit nicht genug: Weitere Punkte stehen nicht nur im Gesetz, sondern werden bei einer Ministererlaubnis auch im Einzelnen geprüft. Das ist die Stellungnahme der Monopolkommission. Das ist die öffentliche Stellungnahme der beteiligten Unternehmen. Das sind am Ende natürlich Bedingungen und Auflagen. Zu guter Letzt gilt in Deutschland: Auch die Ministerentscheidung ist gerichtlich anfechtbar.

   Auch der eben erwähnte Fall Eon Ruhrgas wurde gerichtlich beurteilt. In Deutschland stehen am Ende also immer noch rechtsstaatliche Entscheidungen. Am Ende schauen die Gerichte auch über eine solche Ministererlaubnis. Deshalb kann man in diesem Zusammenhang nicht von Korruption oder dergleichen sprechen.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms)

Deutsche Gerichte haben gesagt, dass es auch bei Eon/Ruhrgas nach Recht und Gesetz gegangen ist. Unterlassen Sie daher bitte diesen unzulässigen Populismus!

(Beifall bei der SPD)

   Die PDS würde mit ihrem Gesetzentwurf - Gegenstand sind die Abschaffung der Ministererlaubnis bei gleichzeitiger Ermächtigung des Bundeswirtschaftsministers, Genehmigungen des Bundeskartellamts zu untersagen - dem Machtmissbrauch erst Tür und Tor öffnen.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Herr Kollege Lange, Entschuldigung. Erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Maurer?

Christian Lange (Backnang) (SPD):

Gerne.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Herr Maurer, bitte schön.

Ulrich Maurer (DIE LINKE):

Herr Kollege Lange, nachdem Sie sich gerade über Korruption ausgelassen haben, darf ich Sie einmal fragen: Wie würden Sie es denn nennen, wenn jemand Verhandlungen in dem Bewusstsein führt, dass er bei dem Unternehmen, das von seiner Entscheidung begünstigt wird, anschließend einen so hoch dotierten Posten bekommt, dass es, auf die Vertragsdauer berechnet, um einen mehrfachen Millionenbetrag geht? Wir bewerten das als politische Korruption. Wie ist bitte Ihre Bewertung?

(Beifall bei der LINKEN)

Christian Lange (Backnang) (SPD):

Mich würde interessieren, Herr Abgeordneter Maurer, wie Sie eigentlich den Machtmissbrauch bewerten, dem Ihr eigener Gesetzentwurf Tür und Tor öffnen würde. Dort fordern Sie nämlich, dass ein Minister in Zukunft die Entscheidungen des Bundeskartellamts verhindern kann. Wie würden Sie so etwas bezeichnen? Ist das Kontrolle politischer Macht oder ist es das Gegenteil?

(Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Das ist aber keine Antwort!)

Es ist offensichtlich das Gegenteil. Deshalb tun Sie bitte schön nicht so, als würden Sie hier über politische Korruption wachen oder als wären Sie gar der Hüter des Wettbewerbs; denn Sie sorgen dafür, dass das Gegenteil von Kontrolle üblich wird, indem Sie fordern, dass der Gusto, das Befinden des jeweiligen Ministers entscheidet und sonst nichts.

   Meine Damen und Herren, das, was wir hier von der PDS zu erwarten haben, ist also interventionistische Politik, die nichts mit der marktwirtschaftlichen Ordnung zu tun hat und deshalb aus unserer Sicht abzulehnen ist.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Herr Kollege Lange, Herr Kollege Maurer würde gerne eine weitere Zwischenfrage stellen.

Christian Lange (Backnang) (SPD):

Nein, auch der Kollege Maurer muss sich daran gewöhnen, dass er seine Frage stellen und ich meine Antwort geben kann und damit die Sache erledigt ist.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU - Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Das war aber keine Antwort!)

   Meine Damen und Herren, die Ministererlaubnis behält also ihre Berechtigung, vor allen Dingen wenn man zugrunde legt, dass die Bundeskartellbehörde im Sinne der Wettbewerbssicherung entscheidet, während der Bundeswirtschaftsminister die darüber hinausgehende Verpflichtung hat, im Rahmen der Ministererlaubnis auch das überragende Interesse der Allgemeinheit im Auge zu haben. Die Abschaffung der Ministererlaubnis im Sinne des Gesetzentwurfs der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist deshalb nicht zielführend, auch wenn sie mit ihrem Antrag zumindest dafür gesorgt hat, dass die Marktwirtschaft und der Wettbewerb nicht von der Laune eines Ministers abhängig gemacht werden. Es ist aber - man kann sich seine Freunde in der Opposition nicht suchen - zumindest ein in sich logischer und nachvollziehbarer Antrag, der stringenter ist als der der PDS.

   Aber auch in Richtung Grüne muss ich sagen: Die Übertreibung geht zu weit, wenn durch die Möglichkeit der Ministererlaubnis eine Zunahme der Unternehmenskonzentrationen befürchtet wird. Seit Einführung der Fusionskontrolle im Jahr 1973 wurden 18 Anträge gestellt: In sieben Fällen - diese Zahl hat Herr Staatssekretär Schauerte genannt - wurde die Erlaubnis erteilt, davon in fünf Fällen mit Auflagen, in fünf Fällen wurde die Erlaubnis abgelehnt und in sechs Fällen wurde der Antrag zurückgenommen, insbesondere mangels hinreichender Erfolgsaussichten. In dieser Auflistung sind die viel diskutierten Übernahmeabsichten von Pro Sieben und Sat.1 durch den Axel-Springer-Verlag nicht enthalten. Das heißt, wir müssen die Kirche auch an dieser Stelle im Dorf lassen. Vor allen Dingen angesichts der Masse der Kartellanträge ist diese Zahl doch sehr gering.

   Auch im aktuellen Fall sollten wir das Kind nicht gleich mit dem Bade ausschütten. Ich zumindest entnehme den Meldungen vom 17. Januar dieses Jahres, dass noch nicht entschieden ist, ob der Verlag im Fall der Ablehnung der Fusion mit der TV-Sendergruppe durch das Bundeskartellamt eine Sondergenehmigung der Bundesregierung anstrebt. Deshalb stimme ich Ihnen ausdrücklich zu, Herr Staatssekretär: Es ist in der Tat schädlich, jetzt über eine Ministererlaubnis zu sprechen. Aber wir haben die Erwartung, dass nicht nur Sie, sondern auch Ihr Minister sich an dieser Stelle entsprechend zurückhalten. Wenn das der Fall ist, hat die gesetzliche Lage durchaus ihren Sinn.

   Wenn man sich vor Augen hält, welche Positionen in den beiden Anträgen vertreten werden, dann zeigt sich, dass sie entweder übers Ziel hinausschießen oder die Dinge gar auf den Kopf stellen. Dem Antrag der PDS oder der Grünen zu folgen, würde keine Stärkung des Wettbewerbs in Deutschland bedeuten; im Gegenteil würden die Verhältnisse eher auf den Kopf gestellt werden. Zurück in die DDR wollen wir nicht; Verhältnisse, die wir kritisch betrachten müssen, ins Gegenteil verkehren wollen wir auch nicht. Deshalb lehnen wir beide Anträge ab.

   Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt der Kollege Matthias Berninger von Bündnis 90/Die Grünen.

Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Brüderle hat auf eine Ministererlaubnis in der vorvergangenen Legislaturperiode hingewiesen, nämlich bei der Fusion von Eon und Ruhrgas. Es ist richtig, dass die Fusion damals unter grüner Regierungsbeteiligung zustande kam. Ich denke, dass die Debatte aber redlicher verlaufen würde, wenn wir uns einmal alle 18 Fälle, in denen es um eine Ministererlaubnis ging, anschauen und prüfen würden, welche Parteien für die jeweilige Ministererlaubnis die Verantwortung hatten.

   Wie gesagt, unter der Regierungsverantwortung von Bündnis 90/Die Grünen war es eine. Unter der Regierungsverantwortung der Union war es eine.

Unter der Regierungsverantwortung der SPD waren es sechs und unter der Regierungsverantwortung der FDP waren es ebenfalls sechs Ministererlaubnisse. Ich finde es daher etwas pharisäerhaft, wenn Sie sich jetzt auf eine Ministererlaubnis konzentrieren und damit nicht nur uns im Parlament, sondern auch die Zuhörerinnen und Zuhörer auf einen falschen Weg schicken wollen.

   Ich glaube, dass die Ministererlaubnis nicht in dieses Gesetz gehört. Ich bin nicht der Einzige, der dieser Meinung ist. Jemand hat einmal gesagt, Kartelle seien Feinde der Verbraucher. Er hat jahrelang für ein Wettbewerbsrecht gekämpft und hat in diesem Parlament - damals noch in Bonn - das Grundgesetz der Marktwirtschaft gegen den Widerstand aus allen Fraktionen auf den Weg gebracht. Es handelt sich um Ludwig Erhard. Er hat vieles gewollt, aber mit Sicherheit nicht das Konstrukt einer Ministererlaubnis; denn er wusste, unter welchem Druck dann der Wirtschaftsminister steht.

   Die Macht eines Wirtschaftsministers lässt sich nicht davon ableiten, dass dieses Unikum der Ministererlaubnis in seinem Verantwortungsbereich liegt. Die Macht eines Wirtschaftsministers leitet sich nach Meinung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen davon ab, ob er in der Lage ist, für einen fairen Wettbewerb zu sorgen. Insofern halten wir es für geboten, dass die Ministererlaubnis aus dem Kartellrecht herausgenommen wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Es wäre absurd, in umgekehrter Weise zu verfahren, also dem Minister die Macht zu geben, dem Kartellamt bei der Zulassung von Fusionen die nötigen Spielräume zu nehmen. Dazu ist schon einiges gesagt worden. Die PDS sollte im Rahmen der Ausschussberatung darüber nachdenken, ob es nicht besser wäre, sich auf die Streichung der Ministererlaubnis zu konzentrieren. Das wäre ordnungspolitisch der richtige Schritt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Der Parlamentarische Staatssekretär Schauerte hat heute Morgen hier gesagt, dass sich Politikerinnen und Politiker zu laufenden Verfahren wie etwa der Fusion von Springer mit Pro Sieben/Sat 1 nicht vorlaut äußern sollen. Herr Kollege Schauerte, ich glaube, da haben Sie sich auf Glatteis begeben. Im Dezember fanden in München die Medientage statt. Auch Michel Glos war anwesend. Die Agenturen haben geschrieben, dass Michel Glos nicht gesagt habe, er sei gegen die Fusion, sondern dass er hoffe, dass diese Sache irgendwie an ihm vorbeigehe. Er hat aber auch durchblicken lassen, dass er durchaus bereit sei, darüber nachzudenken. Jedenfalls waren alle Experten der Meinung, dass der Wirtschaftsminister dem Springerkonzern einen Wink mit dem Zaunpfahl gegeben habe.

   Apropos „vorlaut äußern“: Es gibt eine Meldung, die besagt, dass Herr Söder, der CSU-Generalsekretär, das Kartellamt in dieser Angelegenheit ausdrücklich kritisiert habe. Herr Sinner, der Chef der Bayerischen Staatskanzlei, hat gesagt, wegen der Erhaltung der Arbeitsplätze in München-Unterföhring solle man dem Springerkonzern diese Fusion erlauben. Es gibt auch eine entsprechende vorlaute Äußerung des bayerischen Ministerpräsidenten. Sie alle sind Parteifreunde von Michel Glos. Das ist auch der Grund, warum ich so alarmiert bin. Diese Parteifreunde äußern sich nicht einfach so über die Fusion, sondern sie bauen einen subtilen Druck auf die Bundesregierung auf, mit dem dafür gesorgt werden soll, dass auch im Falle der Ablehnung durch das Kartellamt die Fusion von Springer mit Pro Sieben/Sat 1 durchgeführt werden kann.

   Ich bin noch wegen eines anderen Punkts alarmiert. Wenn der für Medienpolitik zuständige Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Kurt Beck, zu erkennen gibt, er könne sich eine solche Fusion vorstellen, dann wird die Sache noch dramatischer. Denn das zeigt, dass es in der großen Koalition maßgebliche politische Akteure gibt, die eine solche Fusion wollen. Ich halte sie für falsch und auch für gefährlich und keineswegs für förderlich für den Medienstandort Deutschland.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Die Sache wird noch dramatischer, da die Intendanten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks - Herr Schächter für das ZDF - erkennen lassen, eine solche Fusion mache Sinn; denn dies sei besser, als wenn ein ausländischer Investor in Deutschland an diesen Standort käme. Ich will Ihnen dazu sagen: Dieses Bild von Marktwirtschaft leuchtet mir überhaupt nicht ein. Wir haben große Sorgen um die Binnenkonjunktur. Wir sind ein Land, das wie kein anderes auf dieser Welt vom Export und von offenen Märkten in anderen Ländern profitiert. Trotzdem wollen wir ausländischen Investoren den Zugang zum deutschen Markt verwehren. Das passt nicht zusammen und das funktioniert auch nicht am Ende des Tages. Mir macht es Sorgen, wenn man versucht, mit der Suche nach nationalen Champions hier voranzukommen, womit ich wieder bei Eon und Ruhrgas bin.

   Gestern hat der Deutsche Mieterbund die Verbraucherinnen und Verbraucher darauf hingewiesen, dass die Mietnebenkosten gerade im Bereich Energie bzw. Gas enorm zugenommen haben. Ein Grund für diese Zunahme ist die allgemeine Steigerung der Energiepreise. Aber ein wesentlicher Grund ist die Marktmacht im deutschen Energiesektor. Die vier größten Unternehmen haben 90 Prozent der Produktion und 70 Prozent des Absatzes im Energiesektor unter ihren Fittichen. Herr Kollege Lafontaine hat darauf hingewiesen, dass sie mit dieser Marktmacht unheimlich hohe Umsatzrenditen erwirtschaften wollen. Die Verbraucherinnen und Verbraucher erleben die Folgen dann in ihrer Mietnebenkostenabrechnung.

   Nun stellt sich Herr Böge gleichsam wie David gegen Goliath hin und sagt für das Kartellamt: Okay, wir haben die Schlacht um die Fusion verloren; aber wir erschweren es Eon und Ruhrgas, die Preise zu erhöhen. - Dies geschieht zum Beispiel dadurch, dass man über langfristige Lieferverträge den Wettbewerb noch weiter außer Kraft setzt.

   Ich hätte mir nun gewünscht, dass Bundeswirtschaftsminister Glos - er hatte dazu im Rahmen des Branchentreffens der Energiewirtschaft, einmal im Jahr vom „Handelsblatt“ veranstaltet, Gelegenheit - dem Chef des Kartellamts, nachdem er Eon und Ruhrgas mit seiner Untersagung das Leben schwer gemacht hat, den Rücken stärkt. Das hat der Mann nicht gemacht. Das alarmiert mich sehr.

   Ich glaube nämlich, Herr Kollege Schauerte, dass es einen Unterschied zwischen Ihren Oppositionsreden für mehr Wettbewerb und dem Masterplan gibt, der im Bundeswirtschaftsministerium zunächst angedacht wird. Das trifft für den Energiesektor zu. Wir werden gerade in diesem Frühjahr über die Liberalisierung der Gasmärkte zu diskutieren haben. Das trifft für den Telekommunikationssektor zu. Da hat die große Koalition - Stichworte: Breitband und weniger Wettbewerb im Bereich der Telekom - sogar schon schriftlich entsprechende Weichen gestellt. Das trifft für meine Begriffe für die Frage zu, wie der Börsengang der Bahn ablaufen soll. Das trifft für die Frage zu, ob man die völlige Liberalisierung im Postbereich etwa verschiebt, wie das die Post zumindest subtil erkennen lässt. Das trifft für die Frage zu, ob wir - mit der deutschen Präsidentschaft wird das ein Thema werden - eine stärkere Wettbewerbskontrolle auf dem EU-Binnenmarkt wollen oder die Möglichkeiten der EU-Kommission, den Wettbewerb auf dem Binnenmarkt zu kontrollieren, weiter einschränken wollen.

   In all diesen Fragen hat die große Koalition bisher die Weichen in Richtung weniger Wettbewerb gestellt. Auch deshalb soll unser Gesetzentwurf als eine Art Weckruf dazu dienen, uns darauf zu besinnen, dass ein funktionierender Wettbewerb im Sinne der Verbraucher ist. Ludwig Erhard - noch einmal - hat dazu gesagt, dass Kartelle immer mit geringerem Wohlstand zu bezahlen sind. Das konnten wir in der ehemaligen DDR beobachten. Das spüren zurzeit die Verbraucher, wenn sie ihre Mietnebenkosten betrachten. Das wird man im Telekommunikationssektor spüren, wenn der geringe Wettbewerb, der uns dort gelungen ist, gleichsam wieder zerstört wird, weil man im Breitbandbereich vielen Wettbewerbern die Möglichkeit, sicher zu investieren, nimmt, um der Magentatruppe eine entsprechende Marktmacht einzuräumen. Ich glaube, dass wir alle miteinander darüber nachdenken sollten, ob das die Binnenkonjunktur wirklich fördern wird. Denn das alles bedeutet Kaufkraftentzug und gleichzeitig höhere Gewinne der Kartelle.

   Nun möchte ich, Herr Brüderle, zum Abschluss einen Dissens, den ich mit Ihnen habe, kurz ansprechen. Es geht um die Frage der Regulierung, um die Netzagentur. Ich persönlich finde, dass es mit der Novelle zum Energiewirtschaftsgesetz und mit der Einrichtung und Stärkung der Bundesnetzagentur in einer relativ großen Koalition gelungen ist, neben dem Kartellamt eine zweite, starke Institution zu etablieren, die für mehr Wettbewerb sorgen wird.

(Abg. Rainer Brüderle (FDP) meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Ich bin der Meinung, dass Matthias Kurth eine sehr gute Arbeit leistet.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Herr Kollege Berninger - -

Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Man sollte sie nicht so pauschal diskreditieren, wie Sie das gemacht haben.

   Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Rainer Brüderle (FDP): Kurzintervention!)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Ist das ein Antrag auf eine Kurzintervention?

(Rainer Brüderle (FDP): Ja!)

   Herr Kollege Brüderle, bitte schön.

Rainer Brüderle (FDP):

Herr Kollege Berninger, ich habe mich rechtzeitig während Ihrer Rede zu einer Zwischenfrage gemeldet. Da diese nicht möglich war, nutze ich den Weg der Kurzintervention.

   Ich halte es für einen elementaren Widerspruch, wenn Sie einerseits sagen: „Wir wollen durch die Abschaffung der Ministererlaubnis das Kartellamt stärken“, Sie aber andererseits verteidigen, dass es in Wettbewerbsfragen unterschiedliche Instanzen nebeneinander gibt. Das hat gar nichts mit der Arbeit des Herrn Kurth zu tun. Ich respektiere diesen Mann. Aber es ist vom Prinzip her falsch, in Wettbewerbsfragen für Teilmärkte Sonderbehörden einzurichten.

(Beifall bei der FDP - Widerspruch bei der SPD)

Die Logik verlangt - dann wäre Ihr Gesetzentwurf viel glaubwürdiger - ein starkes und unabhängiges Kartellamt. Sie wollen ja sogar so weit gehen, dass Sie keine Gemeinwohlaspekte vorsehen. Aber Sie verteidigen, dass bei der Eisenbahn, der Energie, der Telekommunikation Sonderregelungen geschaffen wurden. Sie haben dort sogar das Einzelweisungsrecht zugunsten eines Unternehmens mitgetragen. Das ist ja der eklatanteste Verstoß gegen Wettbewerbsregeln, den es je nach dem Krieg in Deutschland gab. Das macht die Sache nicht glaubwürdig.

   Ich will Ihnen noch eines sagen: Sie vertreten ja die These, dass die Abschaffung der Ministererlaubnis das Kartellamt und den Gedanken des Wettbewerbs stärkt. Sie werden erleben, dass genau das, was Sie mitgetragen haben, nämlich Sonderbehörden für einzelne Märkte zu schaffen, dann noch zunehmen wird und dass die Gefahr der Politisierung und der Besetzung von Führungspositionen des Kartellamts aufgrund von politischen Gesichtspunkten ungleich höher im Vergleich dazu werden wird, als wenn Sie als einen letzten „escape“ ein Instrument haben, mit dem Gemeinwohlaspekte und andere übergeordnete Aspekte mit einbezogen werden können. Das ist der bessere Weg, als eine weitere Zersplitterung und Aushöhlung des Kartellamts durch Sonderbehörden und durch eine weitergehende Politisierung bei der Auswahl von Entscheidungsträgern zu betreiben. Es gibt viele, die parteipolitisch verdienstvoll sind und die als Kandidaten für entsprechende Posten in Frage kommen.

(Beifall bei der FDP - Ludwig Stiegler (SPD): Viele Liberale sind da! - Klaus Barthel (SPD): Das ist aber eine 180-Grad-Kehre!)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Herr Kollege Berninger, zur Erwiderung, bitte schön.

Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Kollege Brüderle, zunächst einmal möchte ich darauf hinweisen, dass die Grundstruktur der Netzagentur im Zuge der Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes von der FDP federführend vorangetrieben worden ist. Das war in der fern zurückliegenden Zeit, als Sie noch die Wirtschaftsminister in diesem Land gestellt haben. Ich glaube, dass es eine Reihe von netzgebundenen Industrien gibt, die als Monopole oder Oligopole organisiert sind. Diese netzgebundenen Industrien lassen sich nach meinem Dafürhalten nur in eine Marktwirtschaft überführen, wenn man für die Details solche Schiedsrichter hat, wie Matthias Kurth einer ist. Ich glaube, dass das Kartellamt damit überfordert wäre, die Zugangsregelungen bei Gas im Detail auszuhandeln, im Detail auszuhandeln, wie der Strommarkt funktionieren soll, oder im Detail die Wettbewerbsregeln bei der Bahn auszuhandeln. Die Netzagentur - sie hat im Telekommunikationsbereich eine Reihe von für unterschiedliche Unternehmen unangenehmen Entscheidungen gefällt - wird dagegen eine wichtige Rolle zu spielen haben.

   Insofern glaube ich, dass es in Bezug auf den Wettbewerb eine vernünftige Position ist, das Kartellamt dadurch zu stärken, dass die Ministererlaubnis, die ja ein Druckmittel ist, wegfällt. Es gibt als Kontrollinstanz die Gerichte; man kann beispielsweise eine Entscheidung vor Gericht anfechten. Darüber hinaus ist es nötig, dass wir mit der Netzagentur eine Instanz haben, die die netzgebundenen Industrien auf dem Weg zu mehr Wettbewerb, auf dem Weg in die Marktwirtschaft hilfreich unterstützt, sprich: denen auf die Füße tritt, wenn sie bei Details nicht vorankommen.

   Dass die Gaswirtschaft es innerhalb von fünf Monaten nicht geschafft hat, das, was das Parlament mit großer Mehrheit beschlossen hat, mehr Wettbewerb auf dem Gassektor, in eine vernünftige, praktikable Form zu überführen, dass sie nach fünf Monaten sagt: „Tut uns Leid; haben wir nicht geschafft“, ist ein weiterer Beleg dafür, wie nötig diese Netzagentur ist.

   In der Tat würde ich Ihnen darin zustimmen, dass die neue Bundesregierung bei der Suche nach einem Nachfolger für Herrn Kurth - sollte er denn wechseln - natürlich eine hohe Verantwortung hat. Wir brauchen Personen wie Herrn Kurth und Herrn Böge, die das Kreuz haben, gegen breiten Widerstand und teilweise gegen den Widerstand der veröffentlichten Meinung für Wettbewerb einzustehen. Diese Verantwortung kann man aber keiner Regierung abnehmen. Vielmehr müssen sich der jeweilige Minister und das Kabinett dieser Aufgabe mit Vernunft stellen. Ohne diese Personen - das stimmt mich optimistisch - würde es aber jede Regierung sehr schwer haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt der Kollege Albert Rupprecht von der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU):

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Lafontaine, Sie haben ja auf dem Parteitag der Linken mit großer Leidenschaft die Initiative zur Abschaffung der Ministererlaubnis angekündigt. Sie haben weiter gesagt: Die Ministererlaubnis zu verbieten, das wird ein wirkliches Vergnügen. Gemessen daran war Ihre Rede heute erstaunlich sachlich. Unsere Aufgabe ist es, gute und sachliche Politik zu machen und nicht Bewährtes abzuschaffen, weil das für einen ein Vergnügen oder ein Jux wäre. Der vorliegende Antrag der Fraktion der Linken ist erstens in der Argumentation unlogisch; er ist zweitens zutiefst undemokratisch und drittens dreschen Sie nach außen auf die Ministererlaubnis ein, meinen in Wirklichkeit aber Springer.

   Der Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen, der gestern noch kurzfristig - und, wie ich glaube, halbherzig - mit ähnlicher Zielrichtung nachgeschoben wurde, ist in der Sache ebenso unvernünftig. Sie haben letztendlich einen Trittbrettfahrerantrag eingereicht, weil Sie als Opposition wahrgenommen werden wollen und wissen, dass das Thema in den nächsten Wochen sehr intensiv behandelt werden wird. Sie wollten zudem Lafontaine nicht allein die Show abziehen lassen. Der Gesetzentwurf ist unglaubwürdig: Dieselben Personen, die noch vor wenigen Wochen als Kabinettsmitglieder die Ministererlaubnis verteidigt haben, wollen sie nach wenigen Wochen in der Opposition streichen und abschaffen.

   Es gibt eine klare und bewährte Aufgabenteilung: Das Bundeskartellamt auf der einen Seite prüft streng und mit hoher fachlicher Kompetenz ausschließlich die wettbewerbsrechtlichen Auswirkungen einer Fusion. Der Wirtschaftsminister auf der anderen Seite prüft hingegen, wenn ein Antrag eingereicht wird, das übergeordnete, allgemeine Interesse an einer Fusion. Wir, die demokratisch gewählten Vertreter des Volkes, haben die Aufgabe, diese Entscheidung hier im Parlament zu debattieren und die Regierung zu kontrollieren. Ich verstehe beim besten Willen nicht, wieso Sie dieses demokratische Verfahren abschaffen wollen. Wer soll denn dann prüfen, ob das Interesse der Allgemeinheit, das Gemeinwohl gewahrt wird?

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD - Jörg Tauss (SPD): Das ist die zentrale Frage!)

   Soll dies in Zukunft eine außen stehende Kommission machen? Nicht eine Kommission hat letzten Endes über Verlust und Sicherheit von Arbeitsplätzen, über die wirtschaftliche Gefährdung einer ganzen Region zu entscheiden, sondern wir, die gewählten Vertreter des Volkes, und die von uns getragene, aber auch kontrollierte Regierung.

   Die Ministererlaubnis hat sich bewährt. Das Verfahren wurde 1973 eingeführt und seither nur in absoluten Ausnahmefällen angewandt. In diesen 33 Jahren gab es Tausende Fusionen, aber nur 18 Anträge auf eine Ministererlaubnis, von denen lediglich sieben genehmigt wurden. Das heißt, dass im Schnitt alle fünf Jahre eine Genehmigung erteilt wurde und diese oft nur mit erheblichen Auflagen. Das Prüfverfahren ist zudem transparent und ordentlich. Eine Erlaubnis muss ausführlich begründet werden. Nicht zuletzt - wie es sich in einem Rechtsstaat gehört - kann gegen das Ergebnis auch geklagt werden.

   Jetzt kommen wir zum eigentlichen Kern der Angelegenheit. Ich glaube, der Linken geht es in Wirklichkeit gar nicht um die Ministererlaubnis, sondern um Springer. Die wettbewerbsrechtliche Diskussion über das Für und Wider der Fusion von Springer und Sat 1 ist die eine Frage. Das Bundeskartellamt prüft hier mit hoher fachlicher Kompetenz. Das Ergebnis werden wir voraussichtlich nächste Woche erfahren. Wer die Diskussion verfolgt hat, hat gesehen, welch starke Stellung das Kartellamt hierbei einnimmt. Ich glaube, mehr müssen wir heute an dieser Stelle zu diesem Sachverhalt nicht sagen.

   Eine völlig andere Frage ist aber, ob das demokratische Verfahren der Ministererlaubnis beibehalten werden soll oder nicht. Frau Jochimsen von der Linken schrieb am 2. Januar in der Zeitung „Neues Deutschland“ sinngemäß, das Instrument der Ministererlaubnis müsse jetzt abgeschafft werden, weil es sein könne, dass die Fusion von Springer und Sat 1 durch eine Ministererlaubnis genehmigt werde. Sehr geehrte Damen und Herren, was ist das für eine Logik? Das ist, als wollten Sie alle Autos verbieten, weil Ihnen das Reiseziel nicht gefällt. Die Argumentation ist in sich unlogisch, schlichtweg irrational und vor allem zutiefst ideologisch. Der wahre Kern ist, dass Sie über die Phase „Enteignet Springer“ immer noch nicht hinausgekommen sind.

(Beifall bei der CDU/CSU - Lachen des Abg. Bodo Ramelow (DIE LINKE))

Aufwachen! Wir leben nicht mehr im Jahr 1968. Wir leben im Jahr 2006.

   Wir von der CSU und der CDU verstehen uns ganz eindeutig in der Tradition von Ludwig Erhard. Die soziale Marktwirtschaft lebt von einem funktionierenden Wettbewerb, der die Bürger schützt und den Wohlstand mehrt. Deswegen haben wir, die Unionsfraktion, uns insbesondere in der letzten Wahlperiode bei der Novelle des GWB intensiv engagiert und darauf gedrängt, dass die Lücken geschlossen werden.

   Deswegen haben wir die Liberalisierung im Bereich Strom und Energie während der Ära Kohl ins Leben gerufen und in den vergangenen Jahren nachhaltig forciert. Es ist keine Frage, dass beispielsweise auf dem Energiemarkt noch erheblich nachgebessert werden muss. Sie werden sehen, dass Wirtschaftsminister Glos das tun wird. Er wird sich als wahrer Enkel von Ludwig Erhard in den Geschichtsbüchern verewigen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Lachen bei der LINKEN)

Sie wissen ja, Ludwig Erhard war Franke. Michel Glos ist auch Franke. Die Franken saugen die soziale Marktwirtschaft sozusagen schon mit der Muttermilch oder mit Frankenwein in sich auf.

(Ludwig Stiegler (SPD): Das ist kein Beweis für die geografische Herkunft!)

   Lassen Sie mich zusammenfassen: Das Instrument der Ministererlaubnis hat sich bewährt. Es ist zudem ein zutiefst politisch-demokratisches Instrument. Ihr Antrag zielt in eine andere, in eine falsche Richtung. Sie wollen demokratische Instrumente durch Kommissionen ersetzen. Ihr Antrag ist letztlich zutiefst ideologisch motiviert. Sie träumen noch heute von der Zeit der außerparlamentarischen Opposition. Sehr geehrte Damen und Herren der Linken, Sie sind in diesem Parlament geistig noch nicht angekommen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD - Lachen bei der LINKEN - Oskar Lafontaine (DIE LINKE): Das stimmt sogar auf eine andere Art und Weise!)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt der Kollege Jörg Tauss von der SPD-Fraktion.

(Dr. Rainer Wend (SPD): Wehe, einer macht einen Zwischenruf!)

Jörg Tauss (SPD):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wusste gar nicht, dass Ludwig Erhard in Prichsenstadt bei Schweinfurt Verwandte hatte. Aber man lernt ja nicht aus.

   Wir unterhalten uns natürlich in der Tat heute ein Stück weit über die Fusion von Springer mit Pro Sieben und Sat.1. Völlig ungeachtet des populistischen und inhaltsleeren Charakters des Antrags der PDS ist es natürlich schon ein medienpolitisches und wettbewerbsrechtliches Thema, das jenseits von Ideologie angesiedelt werden kann.

   Lieber Kollege Brüderle, bei Ihnen wundere ich mich immer. Ich meine, das ist bei euch Liberalen so: Jeder kann jeden Tag etwas Neues erzählen; das kennzeichnet die Liberalität, aber nicht unbedingt die politische Seriosität. Sie waren übrigens derjenige, der zu Ihrer Regierungszeit die Regulierungsbehörde eingeführt hat. Zu der Zeit gab es, wenn ich mich recht erinnere, einen FDP-Wirtschaftsminister. Sie haben sie über Jahre hinweg vehement verteidigt.

(Rainer Brüderle (FDP): Ich? Nie! Sie müssen überlegen, nicht schwadronieren!)

Ich finde, es war eine gute Entscheidung. Die Regulierungsbehörde leistet gute Arbeit. Also tun Sie heute nicht ganz so ablehnend.

   Herr Kollege Berninger - ich will noch einmal auf Sie zurückkommen - hat Recht: In Wahrheit geht es heute um die Fusion von Springer mit Pro Sieben und Sat.1. Hierzu wurden von Ihnen, lieber Kollege Berninger, einige Unterstellungen gemacht. Von dem, was von links gekommen ist, möchte ich gar nicht sprechen.

   Zu dem, was Kurt Beck gesagt hat, möchte ich erwidern: Es ist nicht wahr, dass hier irgendetwas vorbereitet wäre. Ich habe übrigens nicht mit Jürgen Peters telefoniert. Ich habe, um mich hier zu vergewissern, mit der Staatskanzlei in Mainz telefoniert - lieber Kollege Brüderle, das müsste Ihnen doch nahe liegen -, von der auch noch einmal bekräftigt worden ist, dass das Verfahren abgewartet werden muss. Wir sind in einem laufenden Verfahren. Wir haben dieses Verfahren noch nicht abgeschlossen. Das ist die Logik des Vorgangs.

   In der Sache ist sich die SPD völlig einig. Wir müssen mit dem Koalitionspartner darüber sprechen. Wir halten eine Ministererlaubnis, so wie sie angekündigt worden ist, für nicht ganz unproblematisch. Das werden wir in aller Freundschaft in der Koalition austragen. Aber in der Tat, im Moment sind wir gar nicht die Handelnden. Handelnder ist das Kartellamt, das jetzt zu prüfen hat, ob eine Meinungsmacht im Medienbereich entsteht und ob Meinungsvielfalt beeinträchtigt wird. Wir Medienpolitiker in der SPD haben klar gesagt: Wir sehen diese Gefahr.

   Aus diesem Grunde sehen wir es auch als relativ problematisch an, dass ein Teil der Länder nun eine Diskussion darüber beginnt, die Entscheidung der KEK aufzuheben. Ich glaube, die KEK - die Kommission zur Wahrung der Medienvielfalt und zur Verhinderung von Konzentrationsprozessen im Medienbereich - hat hier eine sehr gute, interessante und abgewogene Stellungnahme abgegeben. Ich würde es bedauern, wenn dies jetzt in einem landespolitischen Hickhack möglicherweise unterginge.

   Das Problem der Medien, das Sie berechtigterweise angesprochen haben, lieber Kollege Berninger, wird mit Ihrem Antrag nicht gelöst. Wir werden uns wahrscheinlich im Bundestag im Laufe der nächsten Jahre darüber unterhalten müssen, ob wir insgesamt ein völlig neues Medienkonzentrationsrecht brauchen. Das geht bis hin zu den Fragen der Pressefusion, für die es in der letzten Legislaturperiode keine Zeit mehr gab. Darüber müssen wir übrigens auch im europäischen Bereich reden. Wir haben eine europäische Regelung. Aber ob die im Zusammenhang mit der Übernahme von Fernsehen durch Pressehäuser, wie es hier beabsichtigt ist, noch reicht, ist zweifelhaft. Das ist medienpolitisch höchst problematisch.

   Die Vorschläge der Linkspartei und der Grünen stellen allerdings keine Lösung dieses Problems dar. Das, was Sie vorschlagen, würde dazu führen, dass wir das Interesse der Allgemeinheit - Kollege Rupprecht hat darauf hingewiesen - nicht mehr vertreten könnten. Das ist der Kern dessen, was Sie angreifen.

   Kollege Brüderle, da Sie mich auf meine Vergangenheit bei der IG Metall angesprochen haben, sage ich Ihnen: Ich brauche mich für keine Stunde zu schämen, in der ich - zum Teil gegen Ihre Klientel - die Arbeitnehmerinteressen in diesem Lande vertreten habe. Ich bedaure keine Stunde, in der ich mich dafür eingesetzt habe.

(Beifall bei der SPD)

   Als es in Baden-Württemberg beispielsweise zu einer Krise der Maschinenbauindustrie gekommen war und das Kartellamt Fusionen untersagte, standen übrigens auch liberale Abgeordnete bei uns auf der Matte. Es wurde demonstriert, die Beschäftigten und der gesamte Mittelstand sind aufgestanden und haben gesagt: Wenn diese Fusion verhindert wird, gehen in einem bedeutenden Konzern der Maschinenbauindustrie Tausende von Arbeitsplätzen verloren.

   Damals haben wir gemeinsam eine Ministererlaubnis gefordert. Aber Herr Kollege Maurer - jetzt ist er nicht mehr da - erinnert sich wenig an das, was in der Vergangenheit in Baden-Württemberg geschehen ist, und an seine eigene politische Vergangenheit schon gar nicht. Das ist die Heuchelei, die ich Ihnen vorwerfe: Damals haben Sie eine Ministererlaubnis gefordert und heute tun Sie so, als sei die Ministererlaubnis von Übel. Das disqualifiziert Ihren Gesetzentwurf in einer Form, dass man ihn nicht näher betrachten muss.

(Beifall bei der SPD)

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen uns mit der Frage der Medienvielfalt beschäftigen. Wir werden das Verfahren abwarten und im Falle eines ablehnenden Bescheids des Kartellamtes, den wir erwarten - als Sozialdemokrat sage ich: wir erhoffen ihn uns auch - sehr sorgfältig überlegen, wie in Zukunft zu verfahren ist. Darüber werden wir dann diskutieren müssen. Diese Frage ist in der gesamten Koalition zu klären und nicht nur in einem Ministerbüro. Das ist selbstverständlich; denn wir sind eine Koalition. Wir werden die Medienvielfalt, die Pressefreiheit und die Meinungsvielfalt hochhalten. Von diesem Vorhaben und von nichts anderem lassen wir uns leiten, schon gar nicht von irgendwelchen ablenkenden Scheingesetzentwürfen.

   Ich bedanke mich.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Oskar Lafontaine das Wort.

(Zurufe von der CDU/CSU: Oh nein! - Auch das noch!)

Oskar Lafontaine (DIE LINKE):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin mehrfach angesprochen worden. Zunächst möchte ich dem Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion entgegnen, der das Wort „Vergnügen“ zitiert hat. Das Wort „Vergnügen“ war nicht auf den Sachverhalt selbst gemünzt, sondern auf meine Aussage, dass ich mit Spannung erwarte, wie sich die Parteien der Marktwirtschaft zu diesem Sachverhalt äußern werden. Denn das bereitet Vergnügen. Das wollte ich nur erläutern.

   Zum Zweiten. Wenn ein Minister in der jetzigen marktwirtschaftlichen Situation, in der sich die Bundesrepublik Deutschland befindet, das Recht erhalten soll, Fusionen zu untersagen, ist das kein Rückfall in die DDR-Wirtschaft. Er kann ja nur den Zusammenschluss untersagen, den das Kartellamt zuvor genehmigt hat; so steht es im Gesetzentwurf. Die Schlussfolgerung einiger Redner, dass dies ein Rückfall in die Staatswirtschaft sei, kann ich logisch nicht nachvollziehen. Aber vielleicht argumentieren wir ja mit einer unterschiedlichen Logik.

(Jörg Tauss (SPD): Oh ja, das ist wahr!)

   Nun zum persönlichen Teil. Mehrfach wurde darauf hingewiesen, dass ich in der Zeit, in der ich nicht dem Parlament angehörte und kein Regierungsamt hatte, einen Kolumnistenvertrag im Hause Springer hatte. Daran könne man, so ein Vertreter der SPD, meine Unglaubwürdigkeit erkennen

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

- ein besonders qualifizierter Abgeordneter der SPD klatscht gerade sehr laut -;

(Jörg Tauss (SPD): Ja, wo war das denn? - Heiterkeit des Abg. Rainer Brüderle (FDP))

denn jemand, der von einem Verlag ein Honorar empfangen hat,

(Jörg Tauss (SPD): Für eine gute Gegenleistung! 5 000 Euro im Monat!)

dürfe sich nicht mehr zum Thema Medienkonzentration äußern.

   Um die Kollegen von der SPD-Fraktion aufzuklären - aus Zeitgründen kann ich nicht die ganze Latte der SPD-Mitglieder aufzählen, die früher Honorare vom Springer-Verlag bekommen haben -, erwähne ich nur meinen Ziehvater, Willy Brandt, der dort Teile seiner Biografie veröffentlicht hat.

(Jörg Tauss (SPD): Aber ohne Gegenleistung!)

Vielleicht kapiert sogar Herr Tauss, dass man Herrn Brandt deshalb nicht hätte verbieten können, sich zum Thema Medienkonzentration zu äußern. Sie sollten sich lieber etwas mäßigen bzw. sich etwas mehr in Scham zurückhalten, Herr Tauss.

(Beifall bei der LINKEN)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Ich glaube, niemand ist so direkt angesprochen worden, dass ich das Wort zur Erwiderung erteilen muss. Aber wenn sich Herr Tauss aufgefordert fühlt, bitte schön.

(Jörg Tauss (SPD): Nein!)

- Gut.

(Rainer Brüderle (FDP): Jetzt schämt er sich! Tauss schämt sich!)

   Dann kommen wir zum nächsten Redner, dem Kollegen Martin Zeil von der FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)

Martin Zeil (FDP):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ministererlaubnis ist in der Tat ein starker Eingriff in die Entscheidung der unabhängigen Hüter des Wettbewerbs. Deshalb hat sie nach dem Gesetzeszweck aus gutem Grunde auch absoluten Ausnahmecharakter.

    Seit der Entscheidung über die Fusion von Eon und Ruhrgas unter Rot-Grün, aber auch angesichts der aktuellen Debatte über Pro Sieben/Sat.1 stellt sich verstärkt die Frage nach dem richtigen Gebrauch der Ministererlaubnis.

Eines ist ja festzustellen: In beiden Bereichen - Energiewirtschaft und Medien - haben wir in Deutschland eindeutig zu wenig Wettbewerb und nicht zu viel.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

   Gerade das Beispiel Eon Ruhrgas zeigt zudem: Die damalige und auch die jüngste Haltung des Kartellamts bezüglich der marktbeherrschenden Stellung bei Gas und Strom ist richtig und die damalige Ministererlaubnis war ein Fehler. Wettbewerb war in der damaligen Regierung offenbar nur eine Frage, wann wer auf welchen Posten bei den verfahrensbeteiligten Unternehmen wechselt.

(Ludwig Stiegler (SPD): Mensch, hör auf mit diesen saublöden Verleumdungen! Es gab eine gerichtliche Überprüfung!)

- Herr Kollege Stiegler, auch Sie sollten erst denken und dann reden. Sonst gibt es wieder eine Fehlleitung bei Ihren Gedankenblitzen.

(Beifall bei der FDP)

   Es wäre gut gewesen, wenn die Grünen schon damals in der Regierung so kritisch gewesen wären, wie sie es jetzt bei ihrem Gesetzentwurf sind. Herr Kollege Berninger, es kommt nicht auf die Anzahl der Ministererlaubnisse an, sondern darauf, ob eine solche falsch war oder richtig.

(Heiterkeit des Abg. Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

   Wir brauchen dringend eine Stärkung des Bundeskartellamts als unabhängiger Instanz und keine Schwächung, wie sie es wäre, wenn wir dem Vorschlag der Fraktion der Linken folgen würden.

(Beifall bei der FDP)

Auf die inneren Widersprüche dieses Vorschlags ist ja schon eingegangen worden. Eine Parallelprüfung im Ministerium würde zusätzliche Kosten bedeuten. Die Folge wäre noch mehr Bürokratie, also genau das Gegenteil von dem, was wir zur wirtschaftlichen Belebung brauchen.

   Wettbewerbspolitik ist das ordnungspolitische Herzstück einer Politik der sozialen Marktwirtschaft. Davon ist bei der neuen Koalition aus unserer Sicht noch viel zu wenig zu spüren. Sie will vielmehr das Sündenregister der Vorgängerregierung auf diesem Gebiet - von Eon Ruhrgas über die Verlängerung des Briefmonopols bis zum Verzicht auf die Trennung von Netz und Betrieb bei der Bahn - offenbar noch verlängern, indem sie die Telekom beim Breitbandnetz vor Wettbewerb schützen will. Wir halten dies für das Gegenteil von Wettbewerbspolitik. Es ist auch das Gegenteil von Marktwirtschaft.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

   Nun haben einige Kollegen viel über Ludwig Erhard gesprochen. Ein Kollege von der CSU hat auch schon die Enkel von Ludwig Erhard genannt. Herr Stoiber wollte auch auf diesem Stuhl Platz nehmen. Zum Glück ist ihm rechtzeitig eingefallen, dass er einem Vergleich nicht standgehalten hätte.

(Beifall bei der FDP - Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Wer ausgerechnet vor einer Entscheidung des Kartellamts mit der Ministererlaubnis winkt, wie dies Herr Glos und Herr Stoiber in diesen Tagen getan haben, begeht nicht nur eine ordnungspolitische Sünde ersten Ranges, sondern er schwächt die unabhängigen Hüter des Wettbewerbs.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Lothar Bisky (DIE LINKE))

   Nun ist Herrn Glos das Ministeramt ja im Zuge der Selbstfindung seines Parteivorsitzenden auch zu seiner eigenen Überraschung zugefallen. Aber er ist nun das ordnungspolitische Gewissen dieser Regierung und ich erwarte von ihm, dass er auch entsprechend agiert und nicht so defensiv wie bei den aktuellen Auseinandersetzungen um die richtige Energiepolitik und die drohende Zweckentfremdung der ERP-Mittel.

   Wir Liberale glauben an das Gute im Menschen.

(Lachen des Abg. Jörg Tauss (SPD))

Wir glauben deshalb auch, dass sich die ordnungspolitischen Kräfte des Ministers Glos noch entfesseln lassen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP)

Hier hätte er die Chance, dem Erbe eines Ludwig Erhard, aber auch eines Graf Lambsdorff wirklich gerecht zu werden.

(Beifall bei der FDP)

   Lassen Sie mich zum Abschluss sagen: Wir müssen in Deutschland, aber auch in Europa wieder stärker der Kraft des Wettbewerbs vertrauen. So können wir mehr für Arbeitsplätze und Versorgungssicherheit tun, als dies ein kurzatmiges Konjunkturprogramm jemals vermag.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Kollege Martin Zeil, ich gratuliere Ihnen zu Ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag im Namen des Hauses sehr herzlich.

(Beifall)

   Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Michael Fuchs von der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich eben Oskar Lafontaine zugehört habe, bin ich fast vom Glauben abgefallen. Ausgerechnet er spricht von Pressefreiheit! Er hat in meinen Augen nun wirklich nicht das Recht, sich zu diesem Thema so zu äußern. Ich zitiere aus einem Artikel der „Neuen Osnabrücker Zeitung“, der zum Tag der Pressefreiheit am 3. Mai 2005 erschienen ist:

Als Reaktion auf die Berichterstattung einiger Journalisten über sein privates Verhalten (Bezug einer Pension und Kontakte zum Rotlichtmilieu) setzte der Ministerpräsident des Saarlandes, Oskar Lafontaine, 1994 eine Änderung des Pressegesetzes für das Saarland durch, das restriktivste Landespressegesetz der Republik, um Kritik an seiner Regierung zu unterbinden.

   Ich denke, Sie haben nicht das Recht, in diesem Hohen Hause über Pressefreiheit zu sprechen, wenn Sie so mit der Presse umgehen, wie Sie es getan haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Ich kann natürlich verstehen, dass Sie verärgert sind und Wut haben. Als Sie im Jahr 2000 versucht haben, Mitglied im Aufsichtsrat der „Saarbrücker Zeitung“ zu werden, hat Dieter von Holtzbrinck geantwortet, einen Lafontaine, der mit der Pressefreiheit so umgehe, könne man in einem solchen Gremium nicht gebrauchen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Herr Kollege Fuchs, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lafontaine?

Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU):

Die kann er gerne stellen.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Bitte schön.

Oskar Lafontaine (DIE LINKE):

Herr Kollege Fuchs, wissen Sie, dass der einzige Regelungsgehalt des Gesetzes, das Sie erwähnt haben, das Gegendarstellungsrecht war mit der Maßgabe, dass die Gegendarstellung an der Stelle erscheinen muss, an der der Artikel, auf den sie sich bezieht, erschienen ist? Wenn Sie das als Eingriff in die Pressefreiheit werten, haben Sie übersehen, dass das mittlerweile in der Bundesrepublik allgemein geltendes Recht ist. Darüber will ich Sie nur aufklären.

(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU):

Das ist nicht der Fall. Der Ministerpräsident des Saarlandes Müller hat 1999 kurz nach seiner Regierungsübernahme diesen Passus aus dem Landespressegesetz gestrichen; das sollten Sie wissen. Ein CDU-Ministerpräsident hält etwas von Pressefreiheit, die bei Ihnen nicht großgeschrieben wird.

(Lachen bei der LINKEN)

   Lassen Sie mich zum Thema Ministererlaubnis zurückkommen. Ich halte den Umgang der verschiedenen Regierungen mit der Ministererlaubnis für sehr vernünftig und sehr restriktiv. Das Bundeskartellamt hat in 159 Fällen Zusammenschlüsse untersagt. In nur sieben Fällen wurde die Entscheidung mit einer Ministererlaubnis aufgehoben. Das entspricht noch nicht einmal einem Fall pro Legislaturperiode. Eine Ministererlaubnis wurde durchschnittlich also bei jedem 23. Fall ausgesprochen. Das zeigt, dass alle Wirtschaftsminister seit 1973 mit diesem Instrument sehr vorsichtig umgegangen sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Der Kollege Schauerte hat eben erwähnt, dass es nur in einem Fall ein gewisses Geschmäckle, wie man in Baden sagt, gegeben hat, nämlich als die handelnden Personen anschließend in das betreffende Unternehmen gewechselt sind. Das sollte man nicht machen. Wir haben auch in anderen Zusammenhängen erlebt - das hängt alles mit Gas zusammen -, dass in dem einen oder anderen Fall Personen in solche Unternehmen gewechselt sind bzw. wechseln.

(Oskar Lafontaine (DIE LINKE): Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen!)

   Grundsätzlich ist die Ministererlaubnis ein wichtiges Instrument; denn es kann natürlich Situationen geben - darüber sind wir uns im Klaren; Kollege Lange hatte das eben erwähnt -, in denen es aus übergeordneten Gründen erforderlich sein mag, dass man von der Beurteilung des Kartellamtes abweicht.

   Das Bundeskartellamt prüft in seiner Arbeit ausschließlich nach wettbewerbsrechtlichen Gedanken und hat nicht die Gesamtlage in seine Überlegungen einzubeziehen. Das halte ich auch für richtig. Das Kartellamt ist ja nur deswegen unabhängig, weil die übergeordneten Gedanken durch das Kartellamt nicht geprüft werden. Würden sie mit geprüft, dann würde der politische Druck durch uns alle auf das Kartellamt wahrscheinlich viel zu hoch werden. Deswegen halte ich die jetzige Regelung für sinnvoll. Es ist nötig, dass das Kartellamt alle Verfahren so unabhängig wie irgend möglich prüft.

   Die Erteilung einer Ministererlaubnis wird von der Öffentlichkeit sehr genau beobachtet und durch die Presse begleitet. Herr Lafontaine hat hier Gott sei Dank nichts zu sagen, sodass er das nicht verhindern kann.

   Meine Damen und Herren, ich finde, die Legitimation der Ministererlaubnis ist auch deswegen richtig, weil sie einer gerichtlichen Überprüfung standhalten muss. Der Minister wird sich schon hüten, vor Gericht eine Niederlage zu erleiden. Ich halte das für richtig.

   Verehrter Herr Berninger, die Fraktion der Grünen verlangt nun die Abschaffung der Ministererlaubnis. Da frage ich mich nur: Wie weltfremd sind Sie eigentlich? Im Zuge der 7. GWB-Novelle im letzten Jahr wollte Ihre Regierung den Rechtsschutz gegen die Ministererlaubnis eingrenzen. Nun sitzen Sie frisch in der Opposition und reden eine völlig andere Sprache. Hätten Sie Ihrem Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement damals gesagt, dass er bei dem Verfahren Eon und Ruhrgas etwas anders hätte vorgehen können, und hätten Sie die Inhalte etwas mehr kritisiert, dann wäre das sicherlich richtig gewesen.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Herr Kollege Fuchs, der Kollege Berninger hat sich zu einer Zwischenfrage gemeldet.

Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU):

Lassen Sie mich diesen Gedanken zu Ende führen. Er kann sie gleich stellen.

   Es war immerhin Ihr damaliger Außenminister Fischer, der die finnische Regierung in Helsinki unter Druck setzte, damit der letzte übrig gebliebene Kläger gegen den Eon-Ruhrgas-Deal - das war die finnische Firma Fortune - seine Beschwerde zurückzieht.

(Rainer Brüderle (FDP): Hört! Hört!)

Den haben Sie heute aber auch nicht mehr so lieb. Insofern ist das ja nun auch nicht mehr so schlimm.

   Herr Berninger.

Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Kollege Fuchs, ich möchte darauf hinweisen, dass wir zwei Legislaturperioden davor, als wir noch in der Opposition waren, bereits die Abschaffung der Ministererlaubnis gefordert hatten. Mit unserer Wettbewerbsposition konnten wir uns in der Koalition mit der SPD aber nicht durchsetzen. Deswegen würde mich interessieren, wie es dazu gekommen ist, dass Sie als Teil der Koalition nun die Reichensteuer für die Union vertreten. Auch das scheint mir ja ein Teil der Kompromissfindung gewesen zu sein. Insofern wissen Sie, wie wir uns damals bei der Fusion von Eon und Ruhrgas gefühlt haben.

(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU):

Verehrter Herr Berninger, ich darf Ihnen nur sagen, dass Sie im Rahmen der 7. GWB-Novelle in der letzten Legislaturperiode genau das Gegenteil von dem gefordert haben, was Sie heute fordern. Das ist ja noch eine Qualität höher und das sollten wir nicht wegreden.

   Die Fraktion der Linken verlangt nun sogar die Abschaffung der Ministererlaubnis und will dann die Bundesregierung ermächtigen, Fusionen zu verbieten. Das nenne ich einen Abschied von der EU-Harmonisierung. Wir kommen dann wieder zu nationalen Alleingängen. Sie glauben, man könne die Globalisierung zurückdrehen. Für mich ist Ihre Methode sozusagen ein Morgenthau-Plan 50 Jahre später.

(Ludwig Stiegler (SPD): Jetzt übertreiben Sie aber!)

Sie beweisen damit nur, dass Sie von weltwirtschaftlichen Zusammenhängen überhaupt nichts verstehen. Ich halte es für unverantwortlich, durch solche Anträge die Ängste der Bevölkerung zu schüren, dass die Zusammenschlüsse dazu führen, dass Arbeitsplätze wegbrechen etc. Genau das versuchen Sie damit. Ich bin dagegen, dass wir den alles kontrollierenden Staat mit Ihren Methoden schaffen.

   Meiner Meinung nach sind die Ministererlaubnisse notwendig. Aus übergeordneten Gründen müssen wir gesamtwirtschaftlich entscheiden können. Deswegen sollte das Instrument auch so erhalten bleiben und weiterhin so restriktiv angewendet werden, wie das alle Minister bisher getan haben. Ich bin überzeugt davon, dass der Bundesminister für Wirtschaft dies genauso handhaben wird. Da brauchen Sie keine Sorge zu haben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt erteile ich dem Kollegen Rainer Wend von der SPD-Fraktion das Wort.

Dr. Rainer Wend (SPD):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muss meine Rede in zwei Teile unterteilen. Zunächst werde ich mich mit einigen wenigen polemischen Auseinandersetzungen beschäftigen. In einem zweiten Teil würde ich gerne noch etwas zur sachlichen Substanz der Debatte sagen.

   Herr Staatssekretär Schauerte, ich nehme an, Sie haben für die Regierung gesprochen. Sie haben erklärt, dass die Fusion von Eon und Ruhrgas nicht richtig gewesen sei. Es überrascht mich als wirtschaftspolitischem Sprecher der SPD-Fraktion, dass sich die Bundesregierung zu diesem Sachverhalt eine solche Meinung gebildet haben soll.

   Des Weiteren haben Sie erklärt, dass es nicht in Ordnung ist, dass ein Ehemaliger, der mit dem Sachverhalt beschäftigt gewesen ist, eine führende Funktion bei diesem Unternehmen eingenommen hat. Dabei handelt es sich um den ehemaligen Wirtschaftsminister Müller. Ich will mit aller Deutlichkeit sagen: Es gibt nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass es zu dem Zeitpunkt der Erteilung der Ministererlaubnis irgendeine Ahnung gegeben hat, dass der Bundeswirtschaftsminister später, nach Ende seiner Amtszeit, bei diesem Unternehmen arbeiten würde.

Es war vielmehr so, dass er und übrigens auch wir davon ausgingen und hofften, dass er auch in der neuen Legislaturperiode Bundeswirtschaftsminister bleiben würde. Es gibt also nicht den geringsten Anlass, in Zweifel zu ziehen, dass die Ministererlaubnis nach Recht und Gesetz erfolgt ist und dass Herr Müller als Wirtschaftsminister dabei ordnungsgemäß gehandelt hat. Alles andere weise ich hiermit ganz deutlich zurück.

(Beifall bei der SPD)

   Das bezieht sich auch auf das, was der Kollege Maurer vorgetragen hat. Er hat von politischer Korruption gesprochen und behauptet, dass der Bundeswirtschaftsminister zum Zeitpunkt der Ministererlaubnis gewusst habe, dass er später bei dem Unternehmen arbeiten würde. Ich sage an dieser Stelle noch einmal: Dies ist in der Sache schlichtweg unhaltbar. Sie sollten sich einmal Folgendes klar machen: Das ist in etwa so, Herr Kollege Maurer, als würde man Ihnen unterstellen, Sie hätten zu dem Zeitpunkt Ihrer Mitgliedschaft in der SPD bereits gewusst, dass Sie irgendwann einmal bei der PDS landen würden, und man würde danach Ihr politisches Wirken in der SPD beurteilen.  Das tun noch nicht einmal wir, Herr Kollege Maurer.

    Ich möchte deswegen hier im Parlament deutlich machen: Ehrenrührige Dinge über Abgeordnete oder Minister in dieser Weise zu äußern, ohne dafür den geringsten Anhaltspunkt zu haben, ist unanständig.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Ich will mich noch kurz zur Sache einlassen. Ich glaube, dass der Kollege Brüderle Recht hat,

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

wenn er betont, wie wichtig das Kartellrecht ist. Dies ist ein Rückgrat unserer Marktwirtschaft, das wir stärken müssen. Ich glaube auch, dass die Entscheidungen des Kartellamtes im Wesentlichen richtig waren. Ich glaube ebenso, dass die Entscheidung des Kartellamtes zu Eon Ruhrgas richtig war; denn es beurteilt eine mögliche Fusion unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten. Gleichwohl muss es eine Ministererlaubnis geben, die aus politischen Gesichtspunkten zu einem anderen Ergebnis kommen kann.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Das war in diesem Fall gegeben.

   Deswegen sage ich mit aller Klarheit: Wir brauchen ein starkes Kartellamt für den Wettbewerb. Wir brauchen eine Ministererlaubnis, die verantwortlich genutzt wird, um auch anderen Interessen zur Geltung zu verhelfen. Diese geltende Rechtslage ist in Ordnung. Daran müssen wir nichts ändern.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Ich schließe die Aussprache.

   Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 16/365 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Der Gesetzentwurf auf Drucksache 16/236 - Tagesordnungspunkt 4 - soll abweichend von der Tagesordnung an dieselben Ausschüsse überwiesen werden. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

   Ich rufe die Tagesordnungspunkte 16 a und 16 b sowie Zusatzpunkte 8 a und 8 b auf:

16 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 22. Oktober 1996 zum Übereinkommen Nr. 147 der Internationalen Arbeitsorganisation über Mindestnormen auf Handelsschiffen

- Drucksache 16/151 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)
Innenausschuss
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 180 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 22. Oktober 1996 über die Arbeitszeit der Seeleute und die Besatzungsstärke der Schiffe

- Drucksache 16/152 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

ZP 8 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 21. Mai 2003 über die strategische Umweltprüfung zum Übereinkommen über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen (Vertragsgesetz zum SEA-Protokoll)

- Drucksache 16/341 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f)
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ute Koczy, Thilo Hoppe, Undine Kurth (Quedlinburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Für starke soziale und ökologische Standards in der Internationalen Finanz-Corporation (IFC) der Weltbank

- Drucksache 16/374 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (f)
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

   Es handelt sich um Überweisungen im vereinfachten Verfahren ohne Debatte.

   Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

   Ich rufe die Tagesordnungspunkte 17 a bis 17 d sowie Zusatzpunkte 9 a bis 9 c auf. Es handelt sich um die Beschlussfassung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist.

   Tagesordnungspunkt 17 a:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 27. November 2003 zur Änderung des Europol-Übereinkommens und zur Änderung des Europol-Gesetzes

- Drucksache 16/30 -

(Erste Beratung 4. Sitzung)

Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses (4. Ausschuss)

- Drucksache 16/251 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Ralf Göbel
Frank Hofmann (Volkach)
Dr. Max Stadler
Ulla Jelpke
Wolfgang Wieland

   Der Innenausschuss empfiehlt auf Drucksache 16/251, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion bei Gegenstimmen der Fraktion der Linken und des Bündnisses 90/Die Grünen angenommen.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den gleichen Mehrheitsverhältnissen angenommen.

   Tagesordnungspunkt 17 b:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Seeaufgabengesetzes

- Drucksache 16/35 -

(Erste Beratung 8. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Ausschuss)

- Drucksache 16/376 -

Berichterstattung:
Abgeordneter Rainder Steenblock

   Der Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/376, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung einstimmig angenommen.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.

   Tagesordnungspunkt 17 c:

Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 14. April 2005 über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zu dem Übereinkommen von 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht sowie zu dem Ersten und dem Zweiten Protokoll über die Auslegung des Übereinkommens durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (Viertes Beitrittsübereinkommen zum Schuldvertragsübereinkommen)

- Drucksache 16/41 -

(Erste Beratung 8. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

- Drucksache 16/391 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Michael Grosse-Brömer
Dirk Manzewski
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Wolfgang Neskovic
Jerzy Montag

   Der Rechtsausschuss empfiehlt auf Drucksache 16/391, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.

   Tagesordnungspunkt 17 d:

Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. März 2005 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit und die Zusammenarbeit in strafrechtlichen Angelegenheiten

- Drucksache 16/57 -

(Erste Beratung 4. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss)

- Drucksache 16/284

Berichterstattung:
Abgeordnete Ralf Göbel
Wolfgang Gunkel
Dr. Max Stadler
Petra Pau
Wolfgang Wieland

   Der Innenausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/284, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist angenommen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der Fraktionen der FDP und des Bündnisses 90/Die Grünen bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke.

   Zusatzpunkt 9 a:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zwölften Gesetzes zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes und der Außenwirtschaftsverordnung

- Drucksache 16/33 -

(Erste Beratung 8. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie (9. Ausschuss)

- Drucksache 16/385 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Erich G. Fritz
Dr. Ditmar Staffelt
Martin Zeil
Ulla Lötzer
Margareta Wolf (Frankfurt)

   Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/385, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung einstimmig angenommen.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.

   Zusatzpunkt 9 b:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 8. April 2005 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Rumänien über Soziale Sicherheit

- Drucksache 16/37 -

(Erste Beratung 8. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

- Drucksache 16/381 -

Berichterstattung:
Abgeordneter Max Straubinger

   Der Ausschuss für Arbeit und Soziales empfiehlt auf Drucksache 16/381, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung einstimmig angenommen.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.

   Zusatzpunkt 9 c:

Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Zweiten Änderung des Übereinkommens vom 25. Februar 1991 über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen (Zweites Espoo-Vertragsgesetz)

- Drucksache 16/43 -

(Erste Beratung 8. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss)

- Drucksache 16/388 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Andreas Jung (Konstanz)
Dr. Matthias Miersch
Lutz Heilmann
Sylvia Kotting-Uhl

   Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/388, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.

[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 19. Sitzung - wird morgen,
Freitag, den 20. Januar 2006,
an dieser Stelle veröffentlicht.]
Quelle: http://www.bundestag.de/bic/plenarprotokolle/plenarprotokolle/16011
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