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Februar 01/1999
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Cem Özdemir, Bündnis 90/Die Grünen

"No Taxation without Representation"

C. Özdemir

Für Bündnis 90/Die Grünen ist die Reform des Staatsbürgerrechtes eines der zentralen Themen. Schon in den vergangenen Wahlperioden haben wir auf Handlungsbedarf in dieser Frage hingewiesen und unsere eigenen Vorstellungen in einem eigenen Gesetzentwurf zur Diskussion und Abstimmung gestellt. Daneben haben wir nach Lösungen gesucht, die auf die breite Zustimmung des Bundestages abzielten. Leider ist ein Kompromiß an der damaligen Mehrheit gescheitert.

Das Ausländerrecht schafft in unserem Land Bürgerinnen und Bürger zweiter Klasse! Derzeit leben in Deutschland 7,3 Millionen Ausländerinnen und Ausländer, die Hälfte davon bereits seit zehn und mehr Jahren. Viele von ihnen sind in diesem Land geboren. Viele von ihnen leben und arbeiten seit Jahren hier. Sie halten sich an die Gesetze, sie zahlen Steuern und Sozialabgaben, sie kaufen im Supermarkt um die Ecke ein. Sie sind Steuerzahlerinnen und Steuerzahler - ohne die Rechte von Bürgerinnen und Bürgern. Dies wollen wir ändern. Mit der geplanten Reform sollen diese Menschen die Möglichkeit erhalten, die deutsche Staatsangehörigkeit mit allen Pflichten und Rechten auf einfachem Weg zu erwerben. Der amerikanische Verfassungsgrundsatz "No Taxation without Representation" muß endlich auch bei uns Gültigkeit erlangen.

Die Hinnahme der doppelten Staatsbürgerschaft nehmen wir u. a. in Kauf, weil einige Länder rechtliche Hürden bei der Entlassung aus der Staatsbürgerschaft aufstellen: So lehnt es der Iran ab, seine Bürgerinnen und Bürger aus der Staatsangehörigkeit zu entlassen. In anderen Ländern ist die Entlassung mit unzumutbaren Kosten oder der Aufgabe von Erbschaftsrechten verbunden. Die Tatsache, daß Migrantinnen und Migranten der ersten und zweiten Generation eine emotionale Verbundenheit zu ihrer Kultur haben und quasi zwischen den Welten leben, ist ein Grund, warum bisher nur wenige von der Möglichkeit der Einbürgerung Gebrauch gemacht haben.

Um Mißverständnisse zu vermeiden: Der Kern der Reform ist nicht die doppelte Staatsbürgerschaft, sondern die Ergänzung unseres Staatsangehörigkeits rechts durch die Einführung des Geburtsrechtes und die Erleichterung der Einbürgerung. Und: Wer eingebürgert werden möchte, der sollte unsere Sprache ausreichend beherrschen und darf strafrechtlich nicht relevant in Erscheinung getreten sein. Zudem sollte er zu unserer demokratischen Grundordnung stehen.

Übrigens: In den Genuß des neuen Gesetzes sollen auch im Ausland lebende Deutsche kommen. Die Erleichterung der Einbürgerung ist kein Wundermittel, sondern nur ein Schritt, die Integration der hier lebenden Migrantinnen und Migranten zu fördern. Denn eines ist klar: Der deutsche Paß allein hilft nicht gegen rassistische Übergriffe von rechtsradikalen Skins, und er schützt auch nicht vor Diskriminierung im Alltag. Vielmehr müssen wir neben der geplanten Reform weitere Maßnahmen ergreifen, die Integration zu fördern. Ich denke hier u.a. an eine verstärkte Sprachförderung für Kinder, Jugendliche und nachgezogene Ehefrauen und eine breit angelegte Ausbildungsoffensive.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9901/9901010a
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