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Februar 01/1999
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Interview mit dem Vorsitzenden des Innenauschusses im Deutschen Bundestag,
Dr. Willfried Penner, SPD

Blickpunkt Bundestag: Der Innenausschuß wird sich zum wiederholten Male mit dem Thema "Doppelte Staatsbürgerschaft" befassen. Was ist dabei das Ziel der Ausschußarbeit?

Dr. Penner: In diesem Fall wird der Fachausschuß als vorbereitender Gesetzgeber tätig. Hier geht es also nicht so sehr um die Kontrolle der Exekutive. Es soll aber auch nicht einfach nur eine Initiative der Bundesregierung mit Hilfe des Ausschusses durchs Parlament gepaukt werden. Vielmehr wird eine in Gesetzesform gegossene Vorlage der Regierung auf ihre Tauglichkeit und Deckungsgleichheit mit gemeinsamen politischen Überzeugungen hin abgeklopft. Ziel ist es, sinnvolle und durchführbare Regelungen zu finden, die dem Plenum des Bundestages dann zur Abstimmung em pfohlen werden.

Dr. W. Penner
"Wenn es unvermeidbar ist, muß die Koalition auch alleine ihrer Pflicht nachkommen und ein Gesetz durchsetzen, welches ihr richtig erscheint."

Wie schätzen Sie die Chancen ein, eine Lösung zu finden, die von einer möglichst breiten Mehrheit getragen wird?

Die Gesetzentwürfe werden alle sorgfältig beraten werden. Dabei hat natürlich der die größte Aussicht auf Erfolg, der von der Mehrheit im Parlament getragen wird. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wird allerdings überprüft werden müssen, ob eine Lösung mit noch breiterer Mehrheit, als nur der Koalitionsmehrheit möglich ist. Ich werde empfehlen, sehr offen an diese Frage heranzugehen. Gerade bei diesem Thema ist eine möglichst breite Mehrheit wünschenswert. Keiner Fraktion bricht ein Zacken aus der Krone, wenn vernünftig Erscheinendes auch übernommen wird. Die F.D.P. hat ja zu erkennen gegeben, daß sie am Thema "Doppelte Staatsbürgerschaft" auch besonders interessiert ist. Allerdings sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Positionen in den vergangenen Jahren mehr als einmal deutlich geworden.

Werden sich die Fraktionen bei diesem in der Öffentlichkeit doch sehr emotional diskutierten Thema vielleicht sogar auf einen Kompromiß einigen können?

Nach meinen Erfahrungen werden sich die Grenzen des Aufeinanderzugehens sehr schnell herausstellen. Auf der einen Seite wird es einen Veränderungswunsch der Koalitionsfraktionen geben. Demgegenüber wird die CDU/CSU Fraktion einen Beharrungswunsch äußern, der besonders durch die CSU repräsentiert wird. Das Klima im Innenausschuß ist auch bei emotional besetzten Themen immer eher ruhig und sachlich. Allerdings sind die Bemühungen um einen Konsens schnell am Ende, wenn die eine Seite ihre politischen Grundüberzeugungen wie im Falle der Doppelten Staatsbürgerschaft durchsetzen will, die andere sich aber nicht in der Lage sieht, sich diesen Überzeugungen anzunähern.

Hat es in der Vergangenheit Themen gegeben, bei denen sich die Mitglieder im Ausschuß auf eine Position geeinigt haben?

Es hat immer wieder Fälle erfolgreicher Bemühungen gegeben, aufeinander zuzugehen, zum Beispiel bei Fragen der Staatsorganisation des öffentlichen Dienstrechts oder der inneren Sicherheit. Aber dabei ging es nie um Grundfragen des politischen Selbstverständnisses der Fraktionen.

Wird es eine öffentliche Anhörung zur "Doppelten Staatsbürgerschaft" geben?

Ich gehe davon aus, daß es im Falle der Doppelten Staatsbürgerschaft eine sehr sorgfältig vorbereitete Anhörung und eine Auswertung des Anhörungsverfahrens geben wird - sage aber gleich, nach meiner Erfahrung wird es auf diesem Gebiet nichts überraschend Neues geben, weil in den letzten Jahren bereits so viel Vorarbeit geleistet worden ist. Eine öffentliche Anhörung findet immer dann statt, wenn mindestens ein Viertel der Ausschußmitglieder dieses beantragen. Es handelt sich also um ein Minderheitenrecht, welches überwiegend von der Opposition genutzt wird. Ziel der Anhörung ist es, die unterschiedlichen Positionen für die Öffentlichkeit noch transparenter zu machen.

Dr. W. Penner
Dr. Willfried Penner, SPD, Vorsitzender des Innenausschusses im Deutschen Bundestag

Wie lange wird sich der Ausschuß Ihrer Ansicht nach diesmal mit dem Thema befassen?

Ich glaube, der Ausschuß ist nach den Erfahrungen der Vergangenheit gut beraten, beim Staatsangehörigkeitsrecht nach den vorangegangenen, langjährigen Debatten nun endlich zu einer Entscheidung zu kommen. Die Beratungen haben lange genug gedauert. Dieses für unseren Staat, für Gesellschaft und Volk sehr wichtige Thema darf nicht zerredet werden. Deshalb steht es obenan, eine vernünftige Neuordnung des Staatsangehörigkeitswesens anzustreben, wenn möglich mit breiter Mehrheit. Aber wenn es unvermeidbar ist, muß die Koalition auch alleine ihrer Pflicht nachkommen und ein Gesetz durchsetzen, welches ihr richtig erscheint.

Kann die Mehrheit im Gremium dafür sorgen, daß ein Thema im Ausschuß nicht diskutiert wird?

Die Mehrheit im Ausschuß kann sicherlich dafür sorgen, daß ein Thema erst gar nicht behandelt wird. Ich erinnere mich da an die vergangene Wahlperiode, wo die Koalition aus CDU/CSU und F.D.P. sich beim Thema "Doppelte Staatsbürgerschaft" intern nicht einigen konnte. Um unerwünschte Abstimmungsergebnisse zu vermeiden, wurden die jeweiligen Tagesordnungspunkte mit den Stimmen von Union und Liberalen immer wieder abgesetzt und verschoben. Der Ausschußvorsitzende hat dabei keine Möglichkeit, dieses zu verhindern. Die Abgeordneten können mit einfacher Mehrheit einen Tagesordnungspunkt immer wieder vertagen, auch wenn sie zuvor damit einverstanden waren, das Thema in der nächsten Sitzung zu beraten.

Damit kann die Mehrheit die Diskussion für sie unangenehmer Themen immer wieder verhindern. Ist das nicht ein Mißbrauch ihrer Macht?

Der Mißbrauch wird zum Teil dadurch aufgefangen, daß der Ausschuß dazu gezwungen werden kann, dem Plenum Bericht zu erstatten, wenn überwiesene Vorlagen nicht innerhalb einer bestimmten Frist behandelt worden sind. Dann wird in einer öffentlichen Sitzung diskutiert, warum und wieso es zu keiner Beratung im Ausschuß gekommen ist. Es wird also gewissermaßen ein leichter Druck auf die Geschäftsordnungsmehrheit ausgeübt, wenn sie es im Fachausschuß mit dem Schieben der Vorlagen übertreibt.

Was sind die wichtigsten Themen, mit denen sich der Innenausschuß in diesem Jahr befassen wird?

In diesem Jahr werden schwerpunktmäßig vor allem Fragen des Staatsangehörigkeitsrechts behandelt, aber auch Fragen der inneren Sicherheit werden wir nicht aus den Augen verlieren. Dies sieht man ganz deutlich auch am Fall Öcalan, der neben der ju stiziellen Aufarbeitung auch ein Fall der inneren Sicherheit der Bundesrepublik ist. Ferner gehe ich davon aus, daß wir uns weiterhin mit Fragen des öffentlichen Dienstrechts, insbesondere aber auch mit dem Datenschutz befassen müssen.

Wie legt der Ausschuß die Schwerpunkte seiner Arbeit fest?

Das hängt davon ab, wie die Fraktionen die Schwerpunkte setzen. Es gibt da keine objektiven Maßstäbe, die besagen würden, dies ist das zentrale Thema des Innenausschusses. In Zeiten, wo Kriminalität besonders virulent ist, und zwar Schwerstkriminalität, ist der Innenausschuß immer das Gremium gewesen, welches sich damit auseinanderzusetzen hatte. Das ist dann auch von den politischen Kräften im Ausschuß voll in Anspruch genommen worden. In den achtziger Jahren, im Anschluß an das Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts, haben wird uns sehr lange und sorgfältig mit dem Thema Datenschutz befassen müssen. Das war gewiß ein Schwerpunkt. Und gegen Ende der vergangenen Legislaturperiode, als es um die Sanierung der Versorgungsfinanzen im öffentlichen Dienst ging, haben wir uns auch mit diesem Thema sehr eingehend auseinandergesetzt. Außerdem stehen immer wieder Fragen der Ausländer- und Asylpolitik auf der Tagesordnung. Die Schwerpunkte in der Ausschußarbeit wechseln also. Generell berät der Ausschuß alle Themen federführend, für die das Bundesinnenministerium zuständig ist. Darüber hinaus gibt es noch mitberatende Pflichten und den Weg der Selbstbefassung. Für mich persönlich ist der Innenausschuß ein zentrales Organ der Parlamentsarbeit, weil er zentrale Themen des Staates und der Regierung auf Bundesebene behandelt.

Die Ausschußberatungen sind zur Zeit für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Was halten Sie von öffentlichen Sitzungen?

Ich glaube, die Öffentlichkeit hat kein besonderes Interesse an dem einen oder anderen Grellruf eines Kollegen im Fachausschuß. Es spricht sehr viel dafür, daß die Diskretion eines Fachausschusses dazu beiträgt, zielorientierte Arbeitsergebnisse zustande zu bringen. Bei öffentlichen Sitzungen könnte die Neigung zu Gezetere und Feldgeschrei wichtiger werden als ergebnisorientierte Diskussion. Aber gut, das kann man auch anders sehen. Ich bin nicht leidenschaftlich für oder gegen Öffentlichkeit. Allerdings bin ich mir in einer Sache sicher: Ein Fachausschuß muß dazu dienen, das gesamte Parlament in die Lage zu versetzen, Beschlüsse zu fassen. Dies hat nach meiner Überzeugung auch zur Voraussetzung, daß es im Fachausschuß selbst bei allen politischen Unterschieden zu einer sachorientierten Arbeit kommen kann. Ob dabei Öffentlichkeit ein wirksamer Begleiter ist, würde ich jedenfalls nicht rück haltlos bejahen.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9901/9901013
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