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Februar 01/1999
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Trittin: Schutz von Leben und Gesundheit "oberste Priorität"

(um) Der Schutz von Leben und Gesundheit der Menschheit hat oberste Priorität. Dies ist nach Ansicht von Bundesumweltminister Jürgen Trittin der Grund, warum die Bundesregierung eine Energieversorgung geordnet beenden will, die "mit einem bisher nicht beherrschbaren Restrisiko belegt ist und bei der es erheblicher Anstrengung bedarf, um das Problem der Lagerung hochgiftiger Abfälle zu lösen".

Insbesondere die Wiederaufarbeitung von abgebrannten Brennelementen stelle eine erhebliche Belastung für Mensch und Umwelt dar, so Trittin im Rahmen einer von der CDU/CSU beantragten Aktuellen Stunde am 21. Januar. Darauf weise unter anderem die Liste der Störfälle der Wiederaufarbeitungsanlage im englischen Sellafield hin. Mehrmals sei aus der Anlage Plutonium entwichen, und zwar so viel, "daß selbst die dort Beschäftigten zu Streiks gegriffen" hätten. Krebs gelte dort heute als anerkannte Berufskrankheit.

Die Wiederaufarbeitung stelle keine Entsorgung dar, weil sie den atomaren Müllberg nicht verringere, sondern vielmehr erhöhe. Deshalb sei man in der Koalition übereingekommen, ein gesetzliches Verbot für die Wiederaufarbeitung zum 1. Januar 2000 in den Entwurf der Atomgesetznovelle aufzunehmen. Die direkte Endlagerung sei zudem nicht etwa teurer, sondern deutlich billiger.

Trittin machte außerdem deutlich, Schadensersatzforderungen zu erheben, heiße noch lange nicht, auch einen Rechtsanspruch darauf zu haben. Für Schadensersatzleistungen gebe es im Falle eines gesetzlichen Verbots keine rechtliche Grundlage. Die Betreiber selbst hätten dies gegenüber ihren Vertragspartnern in den Verträgen zur Wiederaufarbeitung für den Fall eines Verbotes in Übereinstimmung mit der deutschen Gesetzeslage ausgeschlossen.

Auch Michael Müller, SPD, erklärte, er könne sich nicht vorstellen, daß durch internationale Verwaltungsvereinbarungen der Bundestag daran gehindert werden könne, ein Gesetz zum Ausstieg aus der Atomkraft zu beschließen. Sollte dies jedoch der Fall sein, so habe die vorherige Regierung grob verfassungswidrig gehandelt. Durch solche Verträge dürfe die Handlungsfähigkeit des Parlaments nicht eingeschränkt werden.

Demgegenüber erwiderte Kurt-Dieter Grill von der CDU/CSU, die Behauptung, es gebe keine Entschädigungspflicht gegen über England und Frankreich, sei "schlicht und einfach falsch". In einem Papier des Bundesjustizministeriums vom Januar dieses Jahres heiße es, die vereinbarten Lieferungen abgebrannter Brennstäbe seien durch einen sogenannten Notenwechsel gegen staatliche Verbote gesichert. Aus der Auslegung der Notenwechsel mit Frankreich und England ergebe sich deshalb eine Verpflichtung für Deutschland, die Lieferungen zuzulassen. Zuwiderlaufende Initiativen, auch wenn sie vom Bundestag kämen, stellten einen Verstoß gegen völkerrechtliche Verpflichtungen dar, für den die Bundesrepublik haften müsse. Ein anderer Punkt sei, daß Trittin durch Europa reise und erkläre, er sei in Deutschland die höhere Gewalt. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch sei höhere Gewalt eine Katastrophe. Es sei zwar nicht falsch, wenn man das hier zitiere, weder juristisch noch im übertragenen Sinne. Aber die höhere Gewalt habe noch eine andere Eigenschaft: Sie stehe außerhalb der Rechtsordnung.

Günter Rexrodt, F.D.P., schloß sich den Ausführungen des Vorredners an. Es gebe völkerrechtlich bindende Verträge aus den Jahren 1978 und 1991. In diesen Verträgen habe die Bundesregierung erklärt, der Lieferung von bestrahlten Brennelementen deutscher Stromerzeuger an die Wiederaufarbeitungsanlagen kein rechtliches oder verwaltungsmäßiges Hindernis entgegenzusetzen. Daneben gebe es noch privatrechtliche Verträge, die in der Tat bei höherer Gewalt keine Entschädigung vorsehen. Diese liege aber hier nicht vor. Es würden vielmehr völkerrechtliche Vereinbarungen nicht eingehalten. Das sei nicht etwa höhere Gewalt, wie Umweltminister Trittin behaupte, sondern "plumpe Gewalt, die von ihm angewendet" werde. Diese werde die Engländer und Franzosen jedoch nicht veranlassen, auf Entschädigungen zu verzichten.

Das Ziel, aus der Atomkraft auszusteigen, lohne, so Angela Marquardt (PDS), auch eine Auseinandersetzung mit den Regierungen Frankreichs und Großbritanniens. Union und Liberale bauschten die Auseinandersetzung mit den beiden Staaten nur deshalb zu einer Katastrophe für die beiderseitigen Beziehungen auf, weil sie den Ausstieg aus der Atomenergie generell verhindern wollten.

Grafik Ausbau d. Atomkraft
Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9901/9901017
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