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Dezember 11/1999
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DEBATTE ZUR BEHINDERTENPOLITIK

Behinderte wollen als mündige Menschen mitbestimmen

(as) "Es ist unser aller Anliegen, die berufliche und gesellschaftliche Eingliederung behinderter Menschen voranzubringen." Das betonte der Minister für Arbeit und Sozialordnung, Walter Riester (SPD), am 2. Dezember in der Debatte des Bundestages zur Behindertenpolitik. Im Umgang mit behinderten Menschen, so Riester weiter, spiegele sich der Zustand einer Gesellschaft wider.

In den letzten Jahren habe sich das Bild des behinderten Menschen gewandelt. Behinderte Menschen wollten nicht länger Adressat oder gar Objekt von Hilfe sein. Sie gingen davon aus und stritten dafür, als eigenverantwortliche, mündige Menschen ihre Fähigkeiten so weitgehend wie möglich zu nutzen und ihre Teilnahme an Gesellschaft so vollwertig wie möglich gestalten zu können. Aufgabe der Politik sei es, Bedingungen herzustellen, die die Initiative und Selbstbestimmung und damit die Fähigkeit zur Selbsthilfe von Behinderten Menschen stärken. Ein Anspruch auf Würde habe jeder Mensch - unabhängig von seinen geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeiten. Der Minister hob darüber hinaus hervor, Rehabilitation sei als eine Chance für einen Neuanfang zu begreifen. Es sei nicht das Ziel, Menschen, die in ihrer Leistungsfähigkeit vorübergehend oder dauerhaft eingeschränkt sind, zur "passiven Klientel unseres Sozialstaats" werden zu lassen. Die GrundsätzePrävention vor Rehabilitation sowie Rehabilitation vor Rente und Pflegehätten auch weiterhin Gültigkeit.

Dringender Handlungsbedarf

Für die CDU/CSU­Fraktion legte ClaudiaNolte dar, Behindertenpolitik sei kein Thema für parteipolitische Profilierung. Man wolle gemeinsam etwas bewegen. Zu begrüßen sei, dass sich am nächsten Tag (3. Dezember) der Deutsche Behindertenrat konstituieren werde. Dieser werde ein gutes, schlagkräftiges Sprachrohr für die Belange der Behinderten - auch gegenüber der Politik - sein. Nolte verwies auf den dringenden Handlungsbedarf in der Behindertenpolitik. Sie wolle die Bundesregierung nicht pauschal kritisieren, sie wolle sie aber an den eigenen Ansprüchen und Versprechungen messen. In der Koalitionsvereinbarung habe es ein ehrgeiziges Programm gegeben, vor dem noch nichts verwirklicht worden sei. Es sei notwendig, das Rehabilitation­ und Schwerbehindertenrecht neu zu kodifizieren, um die Leistungen und auch das Verfahren der Leistungserbringung anzugleichen und besser zu verzahnen.

Katrin Göring­Eckhardt (Bündnis 90/Die Grünen) entgegnete der Unionsrednerin, man habe innerhalb eines Jahres nicht alles umsetzen können, was man sich vorgenommen habe, sondern gehe "Schritt für Schritt, aber sehr stringent" vor. Ebenso wie Nolte begrüßte auch Göring­Eckhardt die Betroffenen, die ihren Weg nach Berlin in den Bundestag gefunden haben. Die Koalitionsarbeitsgruppe Behindertenpolitik habe im vergangenen Jahr eine "recht stille, aber dennoch erfolgreiche Arbeit" geleistet, die von gegenseitigem Respekt und einer Befruchtung der Ideen getragen gewesen sei. In dem Eckpunktepapier der Koalition zum Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) habe man einen Perspektivenwechsel in der Behindertenpolitik eingeleitet. Dazu gehöre auch, dass man die Kompetenz und Ideen der Betroffenen künftig im Vorfeld, aber auch bei der Umsetzung einbeziehen wolle. Ferner solle auch die Kompetenz der Behinderten im Verlauf der Rehabilitation stärker einbezogen werden. Der Koalition, so Göring­Eckhardt, sei vor allem die Anerkennung der deutschen Gebärdensprache wichtig. Für gehörlose Menschen seien Gebärdendolmetscher eine notwendige Assistenz, um am Leben der hörenden Gesellschaft tatsächlich teilzunehmen.

Irmgard Schwaetzer (F.D.P.) erklärte, es gebe niemanden, der das Ziel der Integration nicht ganz oben in der Prioritätenskala der Behindertenpolitik festmache. Es sei wichtig, sich immer wieder klarzumachen, was es bedeute, behindert in dieser Gesellschaft zu sein. Sie würde es begrüßen, so Schwaetzer weiter, wenn die Behindertenverbände regelmäßig, mindestens einmal im Jahr, gemeinsam mit den Politikern solche Tage durchführen würden, bei denen man einschlägige Erfahrungen sammeln könneund sich zum Beispiel am Arbeitsplatz in einem Rollstuhl fortbewegen müsse. Wichtig sei es nun, konkret dieSituation der Behinderten zu verbessern. Die jetzige Regierung habe ja bereits in der Opposition "immer ganz tolle, weitreichende Anträge gestellt". Sie habe bereits ein Jahr lang die Chance gehabt, exakt diese Anträge in Gesetze umzusetzen. Auch Schwaetzer sah in der Formulierung des Sozialgesetzbuches IX die zentrale Aufgabe dieser Legislaturperiode.

Nicht nur Symbole

Für die PDS führte Ilja Seifert aus, die neue Regierung versuche die Behindertenpolitik wesentlich ernster zu nehmenals ihre Vorgängerin. Dies sei mehr als nichts, und das solle man "gebührend schätzen". Dennoch dürfe es nicht bei Symbolen bleiben. Er selbst sei in einer zwiespältigen Rolle, da er einerseits ein Mandat der PDS habe und andererseits sich genauso stark als Behindertenbewegter verstehe. Wenn man über Behindertenpolitik debattiere, verhandele man über Menschenrechtspolitik. Mit Blick auf den Koalitionsantrag sei bedauerlich, dass er ausschließlich von Rehabilitationspolitik spreche. Rehabilitation mache nur einen kleinen Teil der Lebensbedingungen von behinderten Menschen aus.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9911/9911049a
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