Das Parlament
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Das Parlament
Nr. 05 - 06 / 30.01.2006
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Volker Koop

Taschenspielertrick oder Zukunftsmodell?

Erst verkaufen, dann wieder anmieten: Bundesbauten als neue Geldquelle

Die öffentlichen Kassen sind bekanntlich leer. So wird nach jeder Möglichkeit gesucht, ein paar Euro einzusparen oder mehr einzunehmen. Ins Gespräch gekommen ist nun die Vorstellung, die Ministeriengebäude des Bundes zu verkaufen, um sie dann wieder zurückzumieten. Das würde zunächst einiges Geld in die Kassen bringen. Doch ob dieses Verfahren auf Dauer sinnvoll ist, bleibt unter den im Bundestag vertretenen Fraktionen umstritten.

Für den FDP-Abgeordneten Volker Wissing spricht zunächst manches für die Idee, öffentliche Gebäude zu veräußern und anschließend von Privaten zu mieten. In der Regel seien private Eigentümer in der Lage, Gebäude ökonomischer zu verwalten als die öffentliche Hand. Der Bund würde also nicht nur von dem Verkaufserlös profitieren, er könnte auch auf deutlich besser ausgestattete Liegenschaften zurückgreifen. Dagegen lasse sich vom Grundsatz kaum etwas einwenden. Eine solche Maßnahme müsse in ein sinnvolles ökonomisches Gesamtkonzept eingebettet sein. Die dem Bund zufließenden Mittel müssten verwendet werden, um echte Strukturreformen zu finanzieren, die eine Entlastung brächten. Strikt abzulehnen sei dagegen ein kurzfristiges Verscherbeln von Grund- und Immobilienvermögen, um Haushaltslöcher zu stopfen. Wissing beklagt jedoch, dass die derzeitige Finanz- und Haushaltspolitik "Inbegriff einer doppelten Generationenungerechtigkeit" sei. Das früher erworbene Vermögen solle nur zur Finanzierung heutiger Haushaltsprobleme verwendet werden und stehe damit künftigen Generationen nicht mehr zur Verfügung. "Letzteren hinterlassen wir auf diese Weise nicht nur Schulden, sondern engen durch den Vermögensverkauf auch noch ihre finanziellen Spielräume ein." Eine solche Politik sei weder zeitgemäß noch zukunftsgerichtet.

Skeptisch ist auch Anja Hajduk, haushaltspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Die Große Koalition habe ein Investitionsprogramm angekündigt. Während die geplanten Mehrausgaben und steuerlichen Erleichterungen einen großen Raum einnähmen, bliebe die Gegenfinanzierung im Dunkeln. Was gedacht sei, um Wachstumsimpulse für die Zukunft zu initiieren, dürfe durch eine "windige" Gegenfinanzierung nicht zu einer Belastung für die Zukunft werden. Ministerien zur Mobilisierung von neuen Geldquellen zu verkaufen, um sich anschließend mit langfristigen Mietverträgen wieder zu binden, könnte wohl ein schlechter Wechsel auf die Zukunft sein. Sie verweist auf Pläne für einen Neubau des Bundesinnenministeriums, um dort aus einer langfristigen Mietbelastung herauszukommen. Gegen ein sinnvolles Management auch bei Bundesimmobilien sei grundsätzlich nichts einzuwenden. Vergleichbare "Sale-and-rent-back"-Verkäufe in Hessen und die Erfahrungen mit dem Bundesinnenministerium zeigten aber, dass statt mehr Flexibilität zu gewinnen, neue und teilweise belastende Verpflichtungen über Jahrzehnte hinaus zementiert würden. Der Bund plane überdies 2006 eine Rekordneuverschuldung von rund 41 Milliarden Euro. Auch bei einer Minimalverzinsung fielen zusätzliche jährliche Zahlungen von annähernd einer Milliarde Euro an: "Zu erwartende Zinssteigerungen und die geplanten Immobiliengeschäfte erhöhen offensichtlich die finanziellen Belastungen in der Zukunft und damit das strukturelle Defizit der öffentlichen Hand. Der haushaltspolitische Handlungsdruck für die notwendigen Strukturreformen in den sozialen Sicherungssystem wird durch Finanztricks wie zum Beispiel Immobilienverkäufe nicht gelöst."

Eine entgegengesetzte Ansicht vertritt Otto Bernhardt, finanzpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion. In der Diskussion über die "desolate Haushaltslage" fänden sich Lösungsansätze zur Verkleinerung des Haushaltsloches, etwa durch die Veräußerung und Rückmietung von Liegenschaften des Bundes. Dass dies in der Praxis funktioniere, zeige das schleswig-holsteinische Liegenschaftsmodell. Man habe Teile der Liegenschaften an die landeseigene Investitionsbank verkauft und sie gleichzeitig über einen längeren Zeitraum zum Marktpreis zurückgemietet. Inzwischen seien die Liegenschaften in eine steuerbefreite und ihre Verwaltung in eine steuerpflichtige Anstalt des Landes überführt worden. Das Land habe weiterhin die Verfügungsgewalt, das Facility-Management inklusive der Instandhaltung vollzögen die Anstalten - mit erheblichen Einsparungen für Land und Steuerzahler. "Sicher ist das Liegenschaftsmodell kein Allheilmittel, um die Haushaltssorgen einer Lösung zuzuführen und war von Anfang an politisch umstritten", betont Berhnhardt. Die Verwaltung eines Gebäudes durch Dritte sei effektiver und flexibler als durch den Staat selbst. Natürlich fielen in Zukunft nicht unbeträchtliche Mietzahlungen an, der Staat habe hierfür entsprechende Rücklagen zu bilden. "Durch das ihm nach dem Verkauf zur Verfügung stehende Vermögen besteht ein größerer Spielraum bei Investitionen für die Zukunft und zum Abbau heutiger Schulden." Vieles spreche aus seiner Sicht dafür, auch im Bund mit der Diskussion eines solchen Modells zu beginnen.

Auf dem Prüfstand

Das aber lehnt die haushaltspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, Gesine Lötzsch, strikt ab. Die vielen ungenutzten Liegenschaften des Bundes verursachten hohe Kosten. Vor dem Anmieten von Gebäuden sollte stets geprüft werden, ob nicht die Nutzung von bundeseigenen Liegenschaften möglich sei. Falls Liegenschaften bereits angemietet seien, könne es sinnvoll sein, den Mietvertrag auslaufen und die Bundesbehörde oder das Ministerium in ein Bundesgebäude umziehen zu lassen. Sie unterstreicht: "Alle Ausgaben des Bundes, einschließlich der Kosten, die Bundesministerien verursachen, stehen für uns auf dem Prüfstand, um ihre Verwendung für die Verwirklichung unserer sozialen und ökologischen Ziele vorzuschlagen. Der Verkauf von Liegenschaften mit anschließender Rückmietung bringt nur auf kurze Zeit eine Entlastung des Bundeshaushalts. Die auf die Gegenwart abgezinsten Kosten der künftigen Mietzahlung übersteigen regelmäßig die kurzfristige Entlastung. Verkauf mit anschließender Zurückmietung ist unter dem Strich eine teure Lösung."


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.