Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 10 / 06.03.2006
Zur Druckversion .
Barbara Minderjahn

Editorial


Gentechnologie fasziniert. Zum Beispiel, wenn sie versucht zu erklären, was der Mensch schon immer wissen wollte: Wo er herkommt und warum er so lebt, wie er lebt. Die die Vorstellung, dass wir in uns hineinschauen und diese Fragen plötzlich beantworten könnten, reizt uns. Warum kann ich bestimmte Dinge tun und andere nicht? Das Wissen steckt irgendwo in unseren Genen, und noch hat es die Wissenschaft nicht endgültig gefunden, auch wenn sie das menschliche Erbgut zum Teil schon entschlüsselt hat.

Faszinierend können aber auch die Möglichkeiten sein, die uns diese Technologie bietet, um unser Leben zu verändern. Allerdings begeistert nicht jeden die Idee, mit Hilfe der in der Medizin eingesetzten Gentechnik Krankheiten zu heilen oder den Alterungsprozess aufzuhalten. Bei der so genannten Grünen Gentechnologie reagieren die meisten Verbraucher sogar ablehnend, obwohl die Industrie verspricht, dass sie damit den Hunger und die Mangelernährung bekämpfen könne. Aber wie sieht es mit den drängenden Zivilisationsproblemen wie Energiemangel und Umweltverschmutzung aus? Wollen wir gentechnisch veränderte Mikroorganismen einsetzen, um Energie zu gewinnen und die Umwelt von Erdöl- und Schwermetallresten oder radioaktivem Abfall zu befreien?

Gentechnik berührt: Etwa, wenn der Mensch nach einer Analyse seines Erbgutes erfährt, dass er vielleicht irgendwann an einer Erbkrankheit leiden wird. Wenn die Polizei den Nachbarn nach einem Gentest einer schweren Straftat überführt. Wenn Wissenschaftler neue Zusammenhänge über die Wurzeln unseres Lebens und über unsere Vorfahren entdecken.

Viele Menschen schreckt sie aber vor allem ab, weil sie noch unkontrollierbare Risiken mit sich bringt. Bei der Grünen Gentechnologie wird dies besonders deutlich. Natürlich ist es schön, wenn wir besonders nährstoffreiche Pflanzen züchten können, um so dazu beizutragen, dass weniger Menschen unterernährt sind. Aber all das nützt nichts, wenn der Mensch davon Lungenentzündungen, Krebs oder andere Krankheiten bekommen kann. Bei Mäusen, die gentechnisch veränderte Erbsen gefressen haben, war dies der Fall.

Noch stärker ist wohl die Furcht, dass sich die Pflanzen, Tiere, Menschen oder Bakterien, die die Wissenschaftler mit ihrem unvollständigen Wissen über die Zusammenhänge des Lebens kreieren könnten, verselbstständigen und die Folgen für die Natur nicht mehr kontrollierbar sind. Reproduktives Klonen beim Menschen ist in Deutschland nicht nur verboten, sondern unter seriösen Wissenschaftlern verpönt. Aber im Tier- und Pflanzenreich sieht es anders aus. So hoffen Wissenschaftler, mit Hilfe der Gentechnik seltene Tierarten vor dem Aussterben bewahren zu können.

Doch überschreiten sie dabei manchmal die Grenzen des guten Geschmacks. Daran, dass Züchter verschiedene Pflanzen oder unterschiedliche Hunderassen miteinander kreuzen, haben wir uns gewöhnt. Aber wenn Tiere mit menschlichen Genen bestückt oder Pflanzen mit Tieren vereint werden, wirkt das auf viele pervers. Auch dies gehört in den Laboren jedoch längst zum Alltag, zum Beispiel um Medikamente oder Ersatzorgane zu gewinnen, die vom Menschen nicht abgestoßen werden, weil sie ihm genetisch ähnlich sind.

Kaum eine Wissenschaft polarisiert so stark wie die Gentechnologie. Dabei sollte man sich bei der Diskussion über die Vor- und Nachteile dieser Wissenschaft gar nicht so stark von Emotionen, sondern eher vom Wissen leiten lassen. Denn die Forschung kann uns sowohl dabei helfen, das Leben besser zu verstehen, als auch es zu manipulieren. Letztlich entscheiden die Bürger und die Verbraucher, welche Art oder Abart der Technologie sich durchsetzen wird.

Barbara Minderjahn arbeitet als freie Journalistin in Köln.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.