Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 15-16 / 05.04.2004
Hartmut Hausmann

EU-Studie stellt Zunahme fest

Antisemitismus in Europa

Das von der EU 1997 in Wien eingerichtete Institut zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (EUMC) hat in einem Zweijahresbericht einen beträchtlichen Anstieg des Antisemitismus in der EU registriert. Das betrifft vor allem Belgien, Deutschland, Frankreich, die Niederlande und Großbritannien. Die Vorfälle reichen von Hassbriefen, Rassismuspropaganda im Internet bis zu Brandstiftungen, wie die Direktorin der EUMC, Beate Winkler, bei der Vorstellung des Berichts am 31. März in Straßburg erklärte. Zugleich machten die Berichte deutlich, mit welcher Entschlossenheit die Union das Thema Antisemitismus angehe.

Zur Einschätzung des umfassendsten Berichtes, der je in Europa über Antisemitismus verfasst wurde, weist das Institut auf große Unterschiede bei der Erfassung antisemitischer Vorfälle innerhalb der Mitgliedstaaten hin. In einigen Ländern gibt es gut organisierte Strukturen, die relativ zuverlässige Statistiken über antisemitische Vorfälle ermöglichen, in manchen Staaten existieren derartige Strukturen dagegen gar nicht.

Unter diesem Aspekt nahmen in Deutschland antisemitisch motivierte Handlungen zwischen 1999 und 2000 um fast 70 Prozent zu. 2002 ging zwar die Gesamtzahl der gemeldeten Fälle etwas zurück, dafür wurden aber mit 28 gegenüber 18 mehr Gewalttaten registriert. Bei den meisten Delikten habe es sich um Aufstachelung zu Hass sowie um propagandistische Straftaten gehandelt. In Frankreich wurde 2002 mit mehr als 300 rassistischen, fremdenfeindlichen oder antisemitischen Vorfällen ein erheblicher Anstieg registriert. Jeder zweite war gegen die jüdische Gemeinde gerichtet. Das reichte von tätlichen Angriffen auf Juden bis zu Anschlägen auf Synagogen und jüdische Friedhöfe. Außerdem wurde ein Brandanschlag auf eine jüdische Schule verübt. Ähnlich wurde in Belgien, den Niederlanden und Großbritannien ein spürbarer Anstieg antisemitisch motivierter Delikte verzeichnet. Unter dem Vorbehalt, dass zu dem Täterkreis kaum allgemein gültige Aussagen zu machen sind, kommt die Studie zu dem Schluss, dass die größte Gruppe von Urhebern antisemitischer Handlungen aus jungen weißen Europäern zu bestehen scheint, die gesellschaftlich ausgegrenzt sind. In Ländern wie Frankreich wurden antisemitische Handlungen auch häufig von jungen Muslimen verübt. Rechtsextremistische Gruppierungen spielten auch weiterhin eine große Rolle bei der Meinungsbildung. H. H.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
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