Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 28 / 05.07.2004
Ines Gollnick

Der Pionier: Hans-Josef Fell

Parlamentarisches Profil

Hans-Josef Fell, der forschungs- und technologiepolitische Sprecher der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen, spricht nicht nur von Ökologie, sondern lebt sie auch. Und das nicht erst, seit er 1998 in den Deutschen Bundestag einzog. Sein Holzhaus mit Grasdach, nach ökologischen und baubiologischen Kriterien errichtet, wurde mehrfach ausgezeichnet. "In meinem Haus wird mein gesamter Energieverbrauch, Strom, Wärme und auch das mobile Leben aus den Erneuerbaren Energien (EE) bereitgestellt: mit Solarwärme und Solarstrom und einem Pflanzenölblockkraftheizwerk." Fell hat einen Wintergarten, einen Holzofen und fährt ein Pflanzenöl- und ein Solarauto. "Ich habe in all diese Techniken investiert, als ich noch keine Bundestagsdiäten bekam und als die heutigen guten Förderprogramme noch nicht in Kraft getreten waren", so der 52-jährige Hammelburger. Die Basis für Fells ökologischen Tatendrang ist die Überzeugung, dass Erneuerbare Energien die treibende Kraft gesellschaftlicher Erneuerung sind. Er sei mit Blick auf seinen Lebensstil heute kein Exot mehr, wohl eher ein Pionier, so Fell im Gespräch mit "Das Parlament". Sehr viele Menschen lebten inzwischen mit einer vollständigen regenerativen Energieversorgung.

Dass seine Geburtsstadt Hammelburg mal Vorreiter in Sachen Solarenergie war, geht ganz wesentlich auch auf Fells Inititiativen zurück, als er Anfang der 90er-Jahre im Stadtrat saß. "Es wurden viele Pioniermaßnahmen ergriffen, wie die erstmalige kommunale Umsetzung der kostendeckenden Vergütung für Solarstrom, übrigens mit den Grundgedanken, wie sie heute im Gesetz zu den Erneuerbaren Energien (EEG) verwirklicht sind. Daneben die sonnenorientierte Firstausrichtung in neuen Bebauungsplänen oder die solare Schwimmbaderwärmung im Städtischen Freibad und viele dezentrale Blockheizkraftwerke bei den Stadtwerken." Fell erinnert sich, dass sich viele Bürger und Bürgerinnen davon anstecken ließen. Sie installierten Solaranlagen, fuhren Solarmobile oder Pflanzenölautos und nutzten die Windkraft. "Leider hat dieser Schwung nach meinem Wechsel in den Bundestag in Hammelburg nicht lange angehalten. Erst in jüngster Zeit gibt es wieder verstärkte Aktionen." Diese Entwicklung belegt: Fell ist ein Mensch, der nicht nur politische Programme und Papiere zur Notwendigkeit Erneuerbarer Energien entwickeln will, sondern handelt: "Das gelebte Beispiel überzeugt viel mehr Menschen als jedes noch so gute Papier." Dass ihm die Vermittlung komplexer Zusammenhänge liegt, könnte seine Antwort auf die Frage belegen: Wie nehmen Sie jemanden mit, der dem Thema Erneuerbare Energien skeptisch gegenübersteht? Dazu Fell: "Zu den weltweit größten gesellschaftlichen Prblemen gehören heute: Ökologische Krise, Kriege und Armut. EE können in diesen und anderen Bereichen an der Problemwurzel angreifen und so entscheidend zur Lösung beitragen: EE stoßen keine Klimagase aus, sind bei der Biomasse klimaneutral. Daher lösen sie bei massenhafter Nutzung per se das größte Umweltproblem, die Klimaerwärmung. Einen kriegerischen Kampf um knappe Rohstoffe wie beim Erdöl kann es beim Wind, bei Sonnenstrahlen, Wasser oder Erdwärme nicht geben. Der dezentrale Charakter der EE führt dazu, das unheimlich viele Menschen für ihre Erzeugung benötigt werden, vor allem in der Landwirtschaft, aber auch im Handwerk und der Industrie. Das schafft Verdienstmöglichkeiten für die breite Masse statt Gewinnmaximierung in wenigen Energiekonzernen."

Der Gymnasiallehrer für Sport und Physik kümmert sich um einen Wahlkreis, der etwa so groß ist wie das Saarland. Daneben ist er auf nationalem wie internationalem Parkett unterwegs. Fell sieht gute Perspektiven dafür, dass es auch auf europäischer Ebene weitergeht mit den parlamentarischen Initiativen für die EE. Das habe das Internationale Parlamentarierform im Juni in Bonn gezeigt. "Da weltweit sehr viele Regierungen zu eng mit den Interessen der konventionellen Energiewirtschaft verbunden sind, kommt den Parlamenten eine besondere Bedeutung zu. Ich erhoffe mir auch durch die Parlamentarierkonferenz mehr selbsbewusste Parlamente, so dass es weltweit mehr Beschlüsse für fortschrittliche Gesetze gibt. Erste Erfolge gibt es beispielsweise in Spanien, Österreich und Portugal."

Im Bundestagsausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung will er unter anderem erreichen, dass Forscher und Forscherinnen bessere strukturelle Bedingungen haben. Fell wünscht sich, dass mehr Geld in die Forschung fließt. Er will die noch schwach unterstützten Forschungszweige gestärkt sehen, die eine hohe Bedeutung für die nachhaltige Entwicklung haben.

Über einen Mangel an Aufgaben kann sich Fell nicht beklagen, da er sich auch mit der Gesundheitsforschung befassen muss. Seine Themen sind da die Bewahrung ethischer Grundsätze, beispielsweise beim Klonen oder in der Stammzellforschung oder die Stärkung der Medikamentenentwicklung für Entwicklungsländer, damit AIDS oder die Schlafkrankheit besser bekämpft werden können.

Der Unterfranke ist einer, der viel zu wenig von der Politik abschaltet, wie er über sich selber sagt. Dazu ist wahrscheinlich seine Freude daran viel zu groß. Vieles sei notwendig, um als Bundestagsabgeordneter erfolgreich zu sein, meint Fell: "Visionen, Zähigkeit, Durchhaltevermögen, Engagement, die Fähigkeit zur Analyse und zur Vermittlung komplexer Zusammenhänge, viel Zeit und ein dickes Fell gegen unberechtigte Kritik und eine verständnisvolle Partnerin." Er glaubt schon, dass er die meisten dieser Charakerzüge in sich vereine. Gelingt es ihm doch einmal, Politik Politik sein zu lassen, hat er Spaß am Beachvolleyball. Ganz selten gibt sich Fell auch außerhalb der Politik stimmgewaltig, wenn er mit seiner gesangsbegeisterten Frau mal wieder im gemeinsamen Chor auftritt. Der Pionier auf dem Gebiet der Energiepolitik geht zu Hause auch viel schwimmen, erwartungsgemäß nicht im Pool, sondern im neu gebauten Naturteich. Und da hoffen die Kollegen und Kolleginnen im Parlament sicher mit ihm auf einen schönen Sommer.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.