Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 31-32 / 26.07.2004
Karl-Otto Sattler

Auf dem Weg nach Luxemburg kommt man am Geld nicht vorbei

Grenzbesuch

Grenzbesuch

Auf dem Weg nach Luxemburg kommt man am Geld nicht vorbei

Politisch stehen die Ampeln zwischen Luxemburgern und Deutschen meist auf Grün. Dass die Finanzminister einst in Bonn und jetzt in Berlin traditionell einen gewissen Groll gegen das Großherzogtum hegen wegen des dortigen Bankgeheimnisses und der niedrigen Steuern, steht auf einem anderen Blatt. Die Zusammenarbeit zwischen den Regierungen in Saarbrücken, Mainz und Luxemburg verläuft jedenfalls seit Jahren recht reibungslos. Mit Erfolg machten etwa deren Umweltminister jüngst gemeinsam Front gegen Pläne des Atomkraftwerks Cattenom in Lothringen, die radioaktiven Ableitungen in die Mosel zu erhöhen - selbstverständlich sorgte diplomatisches Geschick dafür, dass die Franzosen nicht nachhaltig verärgert wurden.

Luxemburger sind, in der Regel jedenfalls, offene und umgängliche Zeitgenossen. Kommunikationsfähigkeit liegt ihnen sozusagen im Blut: Sie wachsen dreisprachig auf, beherrschen Französisch, Deutsch und ihren Dialekt, das Letzeborgerische. Das ist für Deutsche (wie für Franzosen) sehr angenehm: Der Smalltalk beim Kaffee, beim Bier, bei einer Zigarette läuft bar der Gefahr sprachlicher Missverständnisse. Weltläufigkeit und Jovialität verbinden sich, und diese Eigenschaft hat Regierungschef Jean-Claude Juncker in hiesigen Gefilden zum personifizierten Luxemburger werden lassen. Der Hansdampf in ziemlich vielen europäischen Gassen ist ein beliebter Gast in deutschen TV-Talkshows, wo er schlagfertig die Klingen kreuzt. Auch Ehrenbürger von Trier ist er inzwischen. Diese Huldigung der Dom-Stadt konterte der Auserkorene mit einem Kompliment: Für ihn als junger Bub sei Trier "das Tor zur Welt" gewesen. Ausgerechnet Trier? Aber wenn das der Repräsentant eines internationalen Banken- und Finanzstandorts so sagt ...

Die westlichen Nachbarn sind beliebt. Wahre Pilgerströme aus saarländischen und trierischen Landstrichen belagern die luxemburgischen Tankstellen und Tabakläden. Auf die satten Einnahmen angesprochen, meint ein Händler entwaffnend: Tja, was könne man denn dafür, wenn in Deutschland die Steuern auf Benzin und Zigaretten so hoch seien ... An die 15.000 Rheinland-Pfälzer und Saarländer pendeln täglich zur Arbeit in das Fürstentum, etwa 1.000 deutsche Handwerksbetriebe tätigen ihre Umsätze jenseits der Grenze in Junckers Reich. Die Luxemburger ihrerseits exportieren Kosten: Jahrzehntelang unterhielten sie keine Universität, der akademische Nachwuchs studierte im Ausland. Erst im vergangenen Wintersemester begann man mit dem Aufbau eines eigenen Campus'.

Zuweilen sind kritische Zungen zu vernehmen, die guten Beziehungen zwischen Deutschen und Luxemburgern hätten weniger mit zwischenmenschlicher Verständigung und europäisch-kulturell-politischer Ambition, sondern mehr mit dem Geld zu tun. Gern wird dabei auch auf die vielen deutschen Euro verwiesen, die fernab hiesiger Finanzämter in großherzoglichen Banken gebunkert sind. Aber muss man diese Sichtweise unbedingt vertiefen? Die offene Freundlichkeit der Luxemburger und der Reiz dieses kleinen Sprengels bieten sich doch als schönere Begründung für die recht problemlose Nachbarschaft an. Von solchen Motiven ließ man sich bestimmt auch bei der Deutschen Bank leiten, als man für den Fall einer Fusion mit einer europäischen Bank die Verlagerung der Konzernspitze in ein Land nach dem Muster Luxemburgs ins Spiel brachte. Karl-Otto Sattler


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
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