Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 37 / 06.09.2004
Karl Peetz

Die Ablehnung eines Kredites wäre oft besser gewesen

Aus der Sicht eines Bankers

Seit einigen Jahren mehren sich die Stimmen aus Politik, Handwerk und Mittelstand darüber, dass die Banken die Kreditbremse angezogen haben. Schaut man sich die Kreditentwicklung der letzten zehn Jahre an, dann könnte dieser Eindruck bestätigt werden. Allerdings wäre dies aus meiner Sicht ein voreiliger Schluss. Deshalb ist es notwendig, dieser Frage ein wenig intensiver nachzugehen. Während von 1992 bis Ende 1997 laut Bundesbankbericht die Kredite an das Handwerk und den Handel von 192,5 Milliarden Euro um 26 Prozent auf 242,7 Milliarden Euro anstiegen, reduzierten sie sich bis Ende 2003 um elf Prozent auf 220 Milliarden Euro.

Der vordergründige Eindruck, dies liege vor allem an einer restriktiven Kreditpolitik der Banken, trifft aber nicht zu. Denn wenn man sich die konjunkturelle Situation der Wirtschaft in diesem Zeitraum anschaut, wird einem der Hauptgrund für diese Entwicklung schnell bewusst: In Zeiten boomender Konjunktur war die Kreditnachfrage durch erfolgversprechende Investitionen und durch einen betriebswirtschaftlich gerechtfertigten Betriebsmittelkreditbedarf entsprechend höher als in den vergangenen vier bis fünf Jahren, in denen die Konjunktur lahmte. Erfolgversprechende Investitionen sind auf ein Minimum zurückgegangen. Auch der betriebswirtschaftlich gerechtfertigte Betriebsmittelkreditbedarf ist naturgemäß eher rückläufig.

Nicht zu verhehlen ist selbstverständlich, dass die gravierenden Kreditausfälle der letzten Jahre nicht ohne Auswirkungen bei den Banken bleiben konnten. Wenn es um die Klärung der Frage der Zuverlässigkeit der Banken geht, kann sich diese nur auf die Kreditentscheidungen für erfolgversprechende Investitionen beziehungsweise betriebswirtschaftlich gerechtfertigten Betriebmittelkreditbedarf beziehen. Finanzierungen von zweifelhaften Investitionen beziehungs- weise gar Verlustfinanzierungen würden für alle Beteiligten einem Bärendienst gleichkommen.

Kernaufgabe der Banken muss es sein, die Erfolgsaussicht der Kreditierung kompetent zu beurteilen. Mit einer leichtfertigen Finanzierung, die später notleidend wird, schadet die Bank sich selbst. Aber erst recht dem Kreditkunden. Bei vielen Kreditierungen in der Vergangenheit wäre eine Ablehnung für den Kunden im Nachhinein besser gewesen.

Damit die Bank eine richtige Entscheidung treffen kann, ist eine sorgfältige und systematische Auswertung aussagefähiger Unterlagen unumgänglich. Die Vorwürfe der Zuverlässigkeit kommen verstärkt von den Kunden, die - obwohl sie sich in Liquiditätsnöten befinden - ihr Rechnungswesen nicht auf dem Laufenden halten. Obwohl gerade hier eine sorgfältige und systematische Prüfung der Bank erforderlich ist, liegen oft keine aktuellen Unterlagen vor, die eine exakte Beurteilung der Sinnhaftigkeit der Kreditierung rechtfertigen.

Nachdem sich in der Vergangenheit manche Jahresschluss-Testate der Wirtschaftsprüfer bei den Banken als fehlerhaft erwiesen haben, sind die Anforderungen der Wirtschaftsprüfer hinsichtlich des Umfangs der Beurteilungsunterlagen zu den Krediten ausgeweitet worden. Auch die Wertansätze der Sicherheiten wurden weiter verschärft.

Auch der administrative Regelungsdruck durch Basel II und die Einführung der Mindestanforderungen zum Kreditgeschäft (neue Vorschrift der Bundesanstalt für Finanzaufsicht für die Kreditinstitute) eignen sich wenig dazu, den persönlichen Erfahrungs- und Ermessenspielraum bei den Banken zu fördern.

In Basel II sind die Eigenkapitalvorschriften der Kreditinstitute neu geregelt. Ziel von Basel II ist es, die Stabilität des internationalen Finanzsystems zu erhöhen. Hierzu sollen die Risiken im Kreditgeschäft besser erfasst und die Eigenkapitalvorsorge der Kreditinstitute risikogerechter ausgestattet werden. Das hat die Auswirkung, dass die Kreditinstitute um so mehr Eigenkapital vorhalten müssen, je höher das Risiko des Kreditnehmers ist.

Sowohl Basel II als auch die Einführung der Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft ändern nichts daran, dass bei Kreditentscheidungen von den Verantwortlichen ein hohes Maß an Fachkompetenz gefordert wird. Je mehr administrativ geregelt wird, um so größer wird die Gefahr, dass die individuelle Beurteilung leidet oder keine ausreichende Beachtung findet - was die Persönlichkeit des Kreditnehmers beziehungsweise seiner Geschäftsführung betrifft.

Da das Kreditgeschäft für die meisten Banken eine existentielle Auswirkung auf die Ertragslage hat, sind und bleiben die Banken auf ein aktives Kreditgeschäft angewiesen. Sie werden auch in Zukunft zuverlässige Partner für Handwerk und Mittelstand sein. Wer kann schon den Ast absägen, auf dem er sitzt? Karl Peetz

Der Autor war bis Juli Vorstandsvorsitzender der VR-Bank Bonn eG.


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