Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 01-02 / 03.01.2005
Oliver W. Schwarzmann

Am Gelde hängt doch alles

Konten, Skonten und Zahlungen

Es geht eigentlich immer um das liebe Geld, und dennoch: Wir wissen relativ wenig über das, was den Staat, die Unternehmen und unsere Köpfe regiert. Über Geld spricht man nicht, heißt es, man hat es und überlässt es lieber der schweigsamen Intimität von Bankkonten. Doch Aufklärung tut not, dazu bekennt sich Helmut Creutz geradezu leidenschaftlich und macht in plausiblen Argumenten erstaunliche Fehleinschätzungen zu diesem Thema aus. Einige Kostproben:

Irrtum 1: "Alles, was man als Geld bezeichnet, ist auch Geld" - nach Creutz ist es vielmehr ein politisches Instrument, denn das Tauschmedium ist auch Wertaufbewahrungsmittel, was es als Investition zum Schlüssel und bei Entzug zum Riegel für Märkte macht. Wer heute Geld aufbewahrt, verwandelt physikalisches Kapital in einen Anspruch auf Rückzahlung: Geld bekommt eine virtuelle Dimension und erweitert damit seinen Einsatz- und Wirkungskreis.

Irrtum 2: "Bargeld spielt doch kaum eine Rolle" - für Creutz ist der reale Geldschein in der Hand des Zahlenden weiterhin bedeutend, denn trotz aller "großen Umsätze auf den Girokonten ist für die Konjunktur letztlich entscheidend, dass jemand am Ende der Kette Nachfrage hält". Dies geschehe, so Creutz, meistens immer noch mit Bargeld.

Oder Irrtum 4: "Geld ist nur ein neutraler Vermittler, ein Zahlungs- und Schmiermittel der Wirtschaft" - Creutz beweist, dass Geld alles andere als neutral ist, sondern ein "höchst fragwürdiger Wertmaßstab", denn es ist ein Joker für den, der es hat: "Diese Jokereigenschaft des Geldes macht die Reichen automatisch reicher und zwingt alle anderen, wenn sie nicht im gleichen Umfang ärmer werden wollen, zu einer dauernden Steigerung ihrer Leistungen." Denn die Geldvermögen wachsen im gleichen Ausmaß wie die Schulden; die daraus steigenden Belastungen müssen über höhere Schulden oder permanentes Wachstum kompensiert werden. Letzteres führt in einer ressourcen-begrenzten Welt konsequent in die Krise.

Oder Irrtum 7: "Zinsen muss nur derjenige zahlen, der Schulden macht" - Creutz verdeutlicht, dass jeder ein Zinszahler ist, denn egal, wer Schuldner ist, ob Unternehmen oder Staat, er wird die Zinsen inklusive Kapitalkosten in seine Preise, Gebühren und Steuern einbeziehen. Letztlich sind es die privaten Haushalte, die auf diesen umgelegten Zinskosten sitzen bleiben, denn sie haben keine Möglichkeiten sie an Dritte weiterzugeben. Da die Entwicklung der Geldvermögen und Schulden die des Sozialproduktes bei weitem übersteigen, steckt in allen Preisen, Gebühren und Steuern ein wachsender Zinsanteil.

Psychologische Effekte

Oder Irrtum 9: "Bei Börsencrashs wird Geld vernichtet" - Creutz beweist anderes und zeigt, welche psychologischen Effekte virtuelles Geld auslöst: in Boomphasen fühlen sich Unternehmen und Aktionäre reicher und geben mehr Geld aus, bei Börsencrashs passiert genau das Gegenteil: Geld wird durch Konsum- und Investitionsstopp entzogen, das Wachstum geht zurück, vernichtet werden letztlich Arbeitsplätze.

Der Irrtumsband von Creutz geht in dieser Dramatik weiter. Sein immer wieder auftauchendes Credo ist das des überlegenen Geldwertes gegenüber allen anderen Wirtschafts- und Tauschgütern, und seine dabei immer wieder durchscheinende Erkenntnis ist: "In unserem vom Kapital dominierten Wirtschaftssystem können wir nur mit einem ständigen Wachstum jene Einkommensverluste ausgleichen, die durch das Überwachstum der Geldvermögensansprüche sonst bei den Arbeitseinkommen entstehen."

Nur wenn die Wirtschaft im gleichen Ausmaß wächst wie Schulden und Geldvermögen inklusive ihrer Verzinsung, kann der soziale Status eines Landes gewährleistet sein. Die wachsenden Geldvermögen und Verschuldungen erhöhen jedoch nicht nur die zinsbedingten Einkommensumschichtungen, sondern sie erhöhen den zitierten Wachstumszwang, - ein Effekt, der weltweit zu beobachten ist.

Creutz nimmt auch die Globalisierung ins Visier, die selbstredend vom Kapital gesteuert ist. Reiche suchen sich neue Renditemärkte, kapitalstarke Unternehmen schließen sich zu internationalen Megakonzernen zusammen, die zunehmend autonome Volkswirtschaften bilden werden. Was der Geldkosmos also braucht, sind willige Schuldner, denn sie ernähren das Kapital, selbst wenn sie selbst dabei verhungern.

Was wir aber wirklich benötigen, so Creutz, ist eine Reform des Geldsystems, die über eine "Liquiditätsabgabe auf Geld" dessen verstetigten Umlauf ermöglicht, der den Geldkreislauf stabil macht und damit die Negativwirkungen des heutigen, instabilen und spekulativen Kapitals nach und nach auflöst.

Es wird uns allen täglich bewusster, wie sehr die Finanzmärkte unser Leben beherrschen. Trotzdem und bei aller Sympathie für die Argumentation des Autors ist die Annahme, es käme zu einer Geldreform, vermutlich ein Irrtum.

Helmut Creutz

Die 29 Irrtümer rund ums Geld.

Signum Wirtschaftsverlag, Stuttgart 2004; 303 S., 22,90 Euro


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
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