Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 13 / 29.03.2005
Christiane Dätsch

Von der Schillerverehrung bis zum "Mirakel Marbach"

Das Schiller-Nationalmuseum und das Deutsche Literaturarchiv in Marbach am Neckar

Ohne den 1759 in Marbach am Neckar geborenen Friedrich Schiller wäre vermutlich nie ein Literaturmuseum für schwäbische Dichter und auch kein Deutsches Literaturarchiv entstanden. Ihrem berühmtesten Sohn fühlte sich die schwäbische Kleinstadt 25 Kilometer nördlich von Stuttgart schon bald nach seinem Tod in tiefer Verehrung verbunden. 1835 hatte sich deshalb der Marbacher Schillerverein gegründet, 1859 richtete er Schillers Geburtshaus als literarische Gedenkstätte ein. Seitdem wurden in Marbach auch Schillers Hinterlassenschaften gesammelt.

Um das Zentrum der Gedenkstätte und der Dichterverehrung herum entstand 1903 schließlich das Marbacher Schillermuseum, dessen Träger der 1895 gegründete Schwäbische Schillerverein war - die spätere Deutsche Schillergesellschaft. Das Museum hoch über dem Neckar, dessen Architekten die Gestalt des Schlosses Solitude bei Ludwigsburg zitierten, war zwar der gesamten württembergischen Literatur- und Geistesgeschichte gewidmet, doch besaß Schiller hier zweifelsohne eine Ausnahmestellung.

Von Anfang an nahm das Schillermuseum - der Zusatz "National" stammt aus dem Jahr 1922 - nicht nur die Aufgaben einer Ausstellungshalle, sondern auch eines Dichterarchivs wahr. Die Archivalien, Handschriften, Erinnerungsstücke und Bildnisse aus den Nachlässen Schillers und anderer schwäbischer Dichter lagerten in Vitrinen, oder wenn sie nicht ausgestellt waren in Museumsschränken. Sie waren durch Schenkungen und Stiftungen, aber auch durch gezielte Erwerbung ins Schillermuseum gekommen. Den Anfang machte dabei Schillers gegenständlicher Nachlass, der im wesentlichen durch das Engagement der Verwandten des Dichters nach Marbach kam:

Nach Schillers Tod 1805 blieb der Nachlass bis 1889 im Besitz der Familie. Zuletzt befand er sich in den Händen der jüngsten Tochter Schillers, Emilie von Gleichen-Rußwurm, auf Schloss Greifenstein. Nach ihrem Tod stiftete die Familie den handschriftlichen Teil dem Weimarer Goethe-Archiv, das seither den Namen Goethe- und Schiller-Archiv trägt.

Keimzelle der Marbacher Schiller-Sammlung bildeten hingegen einige Autographen, die 1859 zur Ausstattung des als Gedenkstätte eingerichteten Geburtshauses von Schiller gestiftet worden waren. Im Laufe der Jahre kamen aus dem Familienumfeld weitere Sammlungsstücke hinzu, so dass bei der Gründung des Schiller-Museums im Jahre 1903 eine umfangreiche Sammlung bestand. In den 30er-Jahren gelangten aus dem Nachlass außerdem zahlreiche Bilder, Möbel, Kleidungs- und Erinnerungsstücke in das Marbacher Museum: Sie waren zunächst im Besitz der Familie von Gleichen-Rußwurm verblieben und wurden später vom Museum erworben.

Durch eine geschickte Sammlungspolitik, durch Erwerbungen, Schenkungen und Abgaben aus württembergischen Archiven wuchs der Bestand des Schiller-Nationalmuseums beständig, und so entwickelte sich der "Schiller-Standort" Marbach binnen kurzer Zeit neben Weimar zur zentralen Dokumentations- und Forschungsstelle für Schillers Leben und Werk.

Den wohl bedeutendsten Zuwachs der Sammlung erbrachte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Stiftung des Verlagsarchivs Cotta durch die "Stuttgarter Zeitung" im Jahr 1952: Mit ihr gelangten bis auf wenige Ausnahmen Schillers Briefe an seinen wichtigsten Verleger und wesentliche Zeugnisse zur Druck- und Verlagsgeschichte seiner Werke ins Schiller-Nationlamuseum und Deutsche Literaturarchiv.

Heute sind im Handschriftenbestand der Marbacher Schillersammlung vor allem einige Gedicht- und Werkmanuskripte, darunter ein Fragment aus der Theaterbearbeitung des "Fiesko", die Reinschrift des "Grafen von Habsburg" sowie verschiedene Arbeiten Schillers aus der Karlsschulzeit wie die "Rede über die Tugend" hervorzuheben. Unter den Korrespondenzen bilden die Briefe an Körner und an seinen Verleger Cotta die umfangreichsten Gruppen. Aus der gegenständlichen Hinterlassenschaft erweisen sich die in der Kunstsammlung des Deutschen Literaturarchivs aufbewahrten Porträts des Dichters und seiner Angehörigen als einzigartig in Umfang und Qualität.

Dies gilt auch für die aus Schillers Besitz stammenden Gebrauchsgegenstände, etwa seine Schreibkommode, verschiedene Kleidungsstücke, seine letzte Schreibfeder sowie zahlreiche Stücke aus Schillers Kunstbesitz. In Marbach ist zudem eine umfangreiche Dokumentation der Wirkungsgeschichte von Schillers Person und seiner Werke vorhanden, wozu Rezeptionszeugnisse von Autoren, Malern und auch Musikern gleichermaßen zählen. So besitzt Marbach auch eine Musikaliensammlung, in der zahlreiche Vertonungen Schillerscher Arbeiten - Notendrucke und -handschriften - aufbewahrt werden.

Heute sind das Schiller-Nationalmuseum und das Deutsche Literaturarchiv innerhalb der deutschen Museums- und Kulturlandschaft als einzigartige Einrichtungen bekannt. Die Institution wird von Bund und Land gefördert und nach wie vor vom Bürgerverein der Deutschen Schillergesellschaft getragen. Das 1955 gegründete Deutsche Literaturarchiv verfolgt das Ziel, der exilierten deutschen Literatur zwischen 1933 und 1945 einen zentralen Ort der Erhaltung und Bewahrung zu geben.

Seit seiner Gründung im Schiller-Nationalmuseum, der 1973 ein eigenes Gebäude neben dem Museum folgte, erstreckt sich das Sammelgebiet auf die gesamte deutsche Literatur von der Aufklärung bis zur unmittelbaren Gegenwart. Im Mittelpunkt stehen die Nachlässe bedeutender Schriftsteller und Gelehrter sowie Archive von Institutionen und Verlagen, die erschlossen und zugänglich gemacht werden.

Das Schiller-Nationalmuseum bietet seinen Besuchern literarische Ausstellungen zu verschiedenen Aspekten der Literatur von 1750 an bis in die unmittelbare Gegenwart; diese werden von den "Marbacher Katalogen" und "Marbacher Magazinen" begleitet. Die Arbeitsstelle für literarische Museen, Archive und Gedenkstätten in Baden-Württemberg, die ebenfalls im Schiller-Nationalmuseum angesiedelt ist, macht mit ihrer Publikationsreihe "Spuren" auf bekannte, aber auch gefährdete oder fast vergessene literarische Stätten aufmerksam.

Als viertes und jüngstes Gebäude neben dem Schiller-Nationalmuseum, dem Deutschen Literaturarchiv und einem Collegienhaus für Studiengäste entsteht derzeit auf der Schillerhöhe das Literaturmuseum der Moderne: Vom 9. Mai 2006 an können die Besucher in der Dauerausstellung des Literaturmuseums das "Mirakel Marbach" erleben. Auf rund 600 Quadratmetern führt die Dauerausstellung in die Literatur des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart ein und zeigt zentrale Stücke aus den über 1.100 Schriftsteller- und Gelehrtennachlässen des Archivs. Im Sommer 2006 sind im Literaturmuseum der Moderne unter anderem kleinere Ausstellungen zu Johann Heinrich Tischbein und "GPS. Karten aus erster Hand" zu sehen. Im Frühwinter folgt eine große Ausstellung zu "Gelehrten- und Schriftstellerfotos aus über 150 Jahren Fotografie".


Öffnungszeiten und Führungen:

Schiller Nationalmuseum: Dienstag bis Sonntag, 10 - 18 Uhr, Mittwoch bis 20 Uhr. Es werden Führungen durch alle Ausstellungen angeboten, wenn die Führung mindestens drei Werktage vor dem Besuchstermin

angemeldet wird (Tel. 0 71 44/8 48-6 01). -

Deutsches Literaturarchiv: Handschriftenlesesaal:

Montag bis Freitag, 8.30 - 17.30 Uhr,

Bibliothek: Montag bis Freitag von 8.30 - 19 Uhr, Samstag 10 - 17 Uhr (Anmeldungen unter Tel. 0 71 44/8 48-0).

Anschrift:

Schiller-Nationalmuseum und Deutsches Literaturarchiv Marbach, Schillerhöhe 8 - 10, 71672 Marbach am Neckar. Tel. 0 71 44/8 48-0, Fax: 0 71 77/8 48-2 99.


Die Autorin arbeitet als Pressereferentin am Schiller-Nationalmuseum in Marbach.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.