Das Parlament
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Das Parlament
Nr. 28 - 29 / 11.07.2005
Kai Nitschke

Scheidungen bald vor dem Notar ?

Justiziminister-Konferenz befürwortet große Justizreform

Durch den Abbau von Rechtsmitteln und den verstärkten Einsatz von privaten Institutionen wollen die Bundesländer die Ausgaben für die Justiz senken. Die Landesjustizminister der Bundesländer verständigten sich auf ihrer Jahreskonferenz am 29. und 30. Juni in Dortmund darauf, das Gerichtsvollzieherwesen zu privatisieren und bei Geldbußen bis zu 500 Euro oder einem Monat Fahrverbot künftig kein Rechtsmittel mehr zuzulassen.

Zudem sollen sämtliche Testamentssachen, wie zum Beispiel die Ausstellung von Erbscheinen, künftig von Notaren statt von Nachlassgerichten erledigt werden. Im Strafrechtsbereich verständigten sich die Ressortchefs darauf, Verurteilungen von bis zu zwei Jahren künftig in einem beschleunigten Verfahren zuzulassen. Bislang ist als Höchst- strafe ein Jahr zulässig.

Durch eine Öffnungsklausel soll es den Bundesländern außerdem ermöglicht werden, Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichte zusammenzulegen. Dadurch lassen sich Verwaltungsstellen einsparen und Richter flexibler einsetzen. Zudem wollen die Landesjustizminister in mehreren Arbeitsgruppen einen noch größeren Umbau der Gerichtslandschaft prüfen. So ist daran gedacht, einvernehmliche Scheidungen künftig komplett auf Notare zu übertragen. Zudem sollen die Prozessordnungen sämtlicher Gerichte vereinheitlicht werden. Ein Ergebnis könnte sein, dass es künftig in allen Bereichen der Justiz nur noch eine Rechtsmittelinstanz gibt.

Während die Landesjustizminister parteiübergreifend die gefassten Beschlüsse verteidigten, äußerte sich Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) ablehnend: "Das Recht muss insbesondere die Schwachen schützen. Deshalb halte ich es für keine gute Idee, Scheidungen auf Notare zu übertragen." Bei einem privaten Gerichtsvollzieherwesen befürchtet Zypries zudem bis zu ein Drittel höhere Kosten und sieht das Gewaltmonopol des Staates bedroht.

Auch für die Forderungen einiger Bundesländer, bei Prozesskostenhilfe künftig eine zwingende Eigenbeteiligung von mindestens 10 Euro einzuführen, zeigt die Bundesjustizministerin keinerlei Verständnis: "Das halte ich nicht nur für höchst unsozial, sondern auch für verfassungsrechtlich bedenklich, weil Prozesskostenhilfe gerade diejenigen in die Lage versetzen soll ihre Rechte durchzusetzen, die die notwendigen Mittel für eine gerichtliche Auseinandersetzung nicht aus eigener Kraft aufbringen können."

Auch die drohenden regionalen Unterschiede beim Gerichtsaufbau sieht das Bundesjustizministerium als Problem: So habe zum Beispiel Niedersachsen bereits angekündigt, Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichte zusammenzulegen. Die Länder Nordrhein-Westfalen und Hamburg wollen hingegen dauerhaft an diesen drei Gerichtsformen festhalten. Auch Hessen, das als Koordinator der unionsgeführten Länder auftritt, sieht im momentanen Gerichtsaufbau kein vordringliches Problem, will eine Zusammenlegung aber letzten Endes auch nicht ausschließen.

Trotz der ablehnenden Haltung der Bundesregierung sehen die Länder langfristig gute Umsetzungschancen für die gefassten Beschlüsse. "Keine Bundesregierung kann einen parteiübergreifenden Beschluss aller Landesjustizminister dauerhaft ignorieren", sagte der Sprecher des hessischen Justizministeriums, Stefan Fuhrmann. Die beschlossenen Maßnahmen seien notwendig, um bei steigenden Verfahrenszahlen und mit immer weniger Personal eine qualitativ hochwertige und zügige Rechtsprechung zu gewährleisten.

Jetzt gehe es darum, die Beschlüsse in Gesetze umzuarbeiten. Das weitere Vorgehen sei dann auch vom Ausgang der voraussichtlichen Bundestagswahl im September abhängig. "Natürlich wäre bei einer CDU-FDP geführten Bundesregierung vieles einfacher", meint Fuhrmann. Dieser Meinung scheint auch die FDP zu sein: Deren Bundestagsrechtsexperte Rainer Funke begrüßte bereits die beschlossene Privatisierung des Gerichtsvollzieherwesen sowie die Übertragung der Nachlasssachen auf Notare.


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© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.