Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 42 / 17.10.2005
Sabine Quenot

Römische Wucht in Altrosa

Botschaften in Berlin (I): Die Ambasciata Italia - ein Palazzo mit Geschichte
Sie sind wie kleine Inseln ihrer Heimatländer, bringen - mal mehr, mal weniger - einen Hauch von Exotik mit: Botschaftsgebäude repräsentieren ihre Staaten in der Fremde. "Das Parlament" stellt in loser Folge die interessantesten Botschaften in Berlin vor. Heute: die Ambasciata Italia.

Sie sollte die größte, die aufwändigste und vor allem schönste Botschaft Berlins werden. Doch es kam anders für die Ambasciata Italia. Am südlichen Rand des Tiergartens fristete sie 56 Jahre ein trauriges Schicksal. Mit dem Bau der Botschaft wurde 1938 begonnen, Hitlers Generalarchitekt Albert Speer wollte hier sein größenwahnsinniges Stadtprojekt "Germania" umsetzen. Aber nicht einmal richtig fertiggestellt, musste der Palazzo 1943 wegen der Bombardierung wieder verlassen werden. Nach dem Krieg bezog das Generalkonsulat den kaum beschädigten Kanzleiflügel. Der Rest wurde zugemauert und war dem Verfall und Plünderern preisgegeben.

Erst Anfang der 90er-Jahre endete der Dornröschenschlaf. Mit dem Hauptstadtstatus zog es auch die italienischen Diplomaten von Bonn nach Berlin. 1999 begann die umfangreiche Restaurierung. Im Juni 2003 zog endlich ein Botschafter ein, der Festsaal wurde 65 Jahre nach Baubeginn erstmals genutzt.

Von außen betrachtet ist die Botschaft die monumentalste der Stadt: 55 Meter breit die Front zum Tiergarten, die Seiten der beiden Flügel jeweils 69 Meter hoch. Ein Koloss, der dennoch die Palastarchitektur der italienischen Renaissance zum Vorbild hat. Der Putz in Altrosa verleiht dem Gebäude edle Leichtigkeit. Die alte Farbe sollte rekonstruiert werden. Das Ergebnis könnte doch freundlicher ausgefallen sein, als sich das der deutsche Architekt Friedrich Hetzelt und die Bauherren von "Duce" Mussolini erdacht hatten. Der Architekt des Umbaus von 1999 bis 2003, Vittorio De Feo, bezeichnete das Gebäude als einen Hybriden, als eine Fälschung. Es sei weder Palazzo noch ein rein nationalsozialistisch geprägtes Bauwerk.

Die Wucht der Gebäudemasse aus Stein und Marmor jedenfalls durchbrechen auf das Schönste Licht, runde Formen und Einbauten wie die Portale aus dem 16. Jahrhundert, die venezianische Holzdecke und die französische Wandvertäfelung aus dem 17. Jahrhundert, dazu Kamine, Fußböden und Wandbrunnen.

Eigentümliche Objekte im Interieur sprechen dafür, dass bei der Botschaft mit ihrem deutschen Architekten, allem Imperialgehabe zum Trotz, im Detail nicht allzu streng faschistische Ästhetik umgesetzt wurde. Verspielte Kronleuchter schweben über dem kalten Terrazzo-Boden des Festsaales. Kleinteilige, verschnörkelte Glasteile in rosé und hellblau, dekoriert mit bunten Glasblumen, nehmen dem Raum die Schwere und Kühle. "Vielleicht hätte es das in einem reinen nationalsozialistischen Bau nicht gegeben", mutmaßt Georg Gehlhoff vom Italienischen Kulturinstitut, der durch die Räume führt. "Die Botschaft verbindet italienische Weichheit mit Faschismus", sagt Gehlhoff. Vielleicht gehen die Italiener deshalb leichter mit ihrem architektonischen Erbe der Diktatur um, als die Deutschen es mit lupenreinen Nazi-Gebäuden können. Nicht zuletzt mag auch eine Rolle spielen, dass das Gebäude von diesem Kapitel der Geschichte zwar hervorgebracht, aber als Schauplatz der totalitären Ära gar nicht erst geschändet werden konnte.

Vom Krieg hat es erstaunlich wenig abbekommen. Ein paar Granateinschüsse im Gesims wurden belassen, auch ein malerischer Haufen mit kaputten Säulen im hellen Hof symbolisiert die destruktive Vergangenheit. Sonst hat sich De Feo eher daran gehalten, zu rekonstruieren, soweit Spuren und Pläne vorhanden waren. Der neue Botschafter Antonio Puri Purini, der seit Ende September residiert, kann sich in diesen Räumen wirklich herrschaftlich - im ästhetischen Sinne - fühlen.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.