Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 42 / 17.10.2005
Christoph Spöckner

Aufgekehrt...

"Meine Herren, es ist zum Plärren." Das reimt sich und ist deshalb gut. "Plärren", das ist auch Aufgabe der Medien. Sie sollen informieren, kritisieren und kontrollieren. Diese Aufgaben sind so bedeutend, dass sie im Artikel 5 des Grundgesetzes stehen. Pressefreiheit wird in unserer Republik großgeschrieben.

Deshalb war Bundesinnenminister Otto Schily nun vor dem Innenausschuss des Bundestages. Dort muss-te er rechtfertigen, wieso seine BKA-Beamten die Re-daktionsräume des Magazins Cicero und die Privatwohnung eines seiner Journalisten durchsucht haben und dabei 15 Kisten Recherchematerial und ein paar Computerfestplatten mitgehen ließen. Für manchen klingt das wie eine Neuauflage der Spiegel-Affäre von 1962. Und wer weiß: Vielleicht hat der Innenminister ja recht und wir wären ohne Schreiberlinge und "Hanseln" besser dran. Dann wüssten wir heute noch nichts von der CDU-Spendenaffäre, Helmut Kohl wäre immer noch Kanzler und Gerhard Schröder müsste nicht abtreten müssen.

Auch anderswo hat es Grundgesetzartikel Nummer 5 manchmal schwer. Beim Berliner Konzert des Sängers Robbie Williams fehlten namhafte Presseagenturen wie AP und dpa. Sie verzichteten auf eine Bericht-erstattung, denn nach den Veranstalterregeln durfte nur während der ersten drei Titel fotografiert werden. Die meisten Medien berichteten deshalb lediglich von der Live-Übertragung im Zoopalast - RTL filmte einfach von der Leinwand ab, was aussah wie echt. Nach dem Konzert ging es nicht weniger rigide zu: Die Journalisten mussten sich per Unterschrift verpflichten, im Bild das Logo und im Text den Namen des Sponsors zu nennen. Erst nach heftigen Protesten wurde auf diese Klausel verzichtet. Besser war das: Sonst wäre die Aktion vielleicht als neue Form des Product-Placements in die Marketing-Lehrbücher eingegangen. Beim Marienhof-Skandal der ARD hat man sich ja auch aufgeregt. Schleichwerbung ist gesetzwidrig, und Pressefreiheit rechtfertigt keinen Gesetzesbruch. Darüber hat Otto Schily gerade erst belehrt.

Dabei wäre für ihn die Methode der Konzertveranstalter viel einfacher gewesen: Hätten die Cicero-Journalisten den Namen ihres Unterlagensponsors mitveröffentlicht, hätte man sich die ganze Durchsuchung sparen können. Dumm, dass die Gesetze immer für alle gelten.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.