Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 45 / 07.11.2005
Steffen Kailitz

Stolze Verfassungsfeinde

Die NPD: Parlamentsarbeit mit nationalsozialistischer Programmatik

Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) trat 1964 an, um das zersplitterte rechtsextreme Lager zu einen. Zunächst führte Friedrich Thielen die Partei. Damals war ihr Programm deutsch-national und noch nicht nationalsozialistisch. Zu den höchsten Werten der Partei zählten Nation, Staat und Volk. Mitte der 60er-Jahre besetzte die NPD in sieben Landtagen 61 Abgeordnetenstühle. Bei den Bundestagswahlen 1969 scheiterte die Partei mit 4,3 Prozent und stürzte in eine tiefe Krise. Im gleichen Maße, wie die Zahl der Mitglieder und Anhänger schmolz, radikalisierte sich der Kurs. So machte die von der NPD getragene "Aktion Widerstand" aggressiv Front gegen die Ostpolitik der SPD/FDP-Koalition. Aus dem Umfeld gab es unter anderem Anschläge auf die sowjetische Botschaft.

In den 70er-, 80er- und 90er-Jahren gelangen der Partei lediglich lokale Achtungserfolge. Auf Länder- und Bundesebene stand sie zunehmend im Schatten der Erfolge der REP und der DVU. Anfang der 90er-Jahre brodelte es wegen der unbefriedigenden Wahlergebnisse in der Partei und die NPD spaltete sich. Günter Deckert brachte die Reste der NPD auf "national-revolutionären" Kurs und schlug zunehmend Brücken ins neonationalsozialistische Spektrum. Seit 1992 beteiligten sich etwa Mitglieder der Jungen Nationaldemokraten (JN) im August an der "Rudolf Heß-Aktionswoche". Deckerts Nachfolger als Parteivorsitzender, Udo Voigt, baute die Verbindungen zum neonationalsozialistischen Spektrum aus.

Inzwischen gehören Neonationalsozialisten wie Jens Pühse, Frank Schwerdt und Thorsten Heise - alle ehemalige Führungskader inzwischen verbotener neonationalsozialistischer Vereinigungen - zum Bundesvorstand der NPD. Seit dem Parteiprogramm vom Dezember 1996 bekennt sich die NPD zum nationalsozialistischen Prinzip der "Volksgemeinschaft". Im Unterschied zu Funktionären der REP und DVU, die sich dagegen wehren, als "verfassungsfeindlich" zu gelten, erklärte Holger Apfel bereits 1998: "Wir sind stolz darauf, dass wir alljährlich in den bundesdeutschen Verfassungsberichten stehen."

Gesellschaftlich schien die NPD mit ihrer nationalsozialistischen Programmatik bis zum Herbst 2004 isoliert. So erreichte sie in den westlichen Bundesländern bei den Landtagswahlen zwischen 1996 und 2004 zwischen 0,1 und 1,0 Prozent und bei den Bundestags- und Europawahlen zwischen 1998 und 2002 zwischen 0,3 und 0,4 Prozent der Stimmen. In den östlichen Bundesländern, besonders in Sachsen, waren die Ergebnisse der NPD etwas höher als im Westen. Nie kam die Partei aber nur in die Nähe der Überwindung der Fünf-Prozent-Klausel. Immerhin verzeichnete die NPD zwischen 1996 und 1998 einen beachtlichen Zuwachs von 3.500 auf 6.000 Mitglieder. Neue, vor allem junge männliche Mitglieder liefen der NPD nur in den östlichen, nicht in den westlichen Bundesländern zu. Mit seit 1998 etwa 6.000 Mitgliedern scheint die Partei ihre Möglichkeiten inzwischen weitgehend ausgeschöpft zu haben.

Die NPD vertritt strategisch ein "Drei-Säulen-Konzept", das den "Kampf um die Straße", den "Kampf um die Köpfe" und den "Kampf um Parlamente" umfasst. Aufmerksamkeit erregte die NPD bis zum Herbst 2004 nicht durch Wahlerfolge oder anspruchsvolle Schriften, sondern durch martialisches Auftreten bei Demonstrationen als Speerspitze einer "Nationalen Außerparlamentarischen Opposition".

2001 reichten Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag Verbotsanträge gegen die NPD beim Bundesverfassungsgericht ein. Zu ihrem Anwalt machte die Partei den inzwischen zum Rechtsextremisten gewendeten ehemaligen RAF-Terroristen Horst Mahler. Bald konzentrierte sich die Diskussion über das Verfahren auf einen Punkt: die Vertrauensmänner des Verfassungsschutzes. Die Enthüllungen waren für die NPD im Verfahren zwar nützlich, zugleich wirkte die Partei erschüttert angesichts der Erkenntnis, dass einige ihrer Spitzenfunktionäre wie der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Udo Holtmann zumindest zeitweilig ihre Parteigenossen bespitzelt hatten. Im März 2003 stellte das Bundesverfassungsgericht das Verbotsverfahren gegen die NPD ein, weil die zur Fortführung notwendige Zweidrittelmehrheit der Richter nicht zustande kam.

Mit einem Paukenschlag machte die NPD schließlich bei den Landtagswahlen in Sachsen (9,2 Prozent) im September 2004 auf sich aufmerksam. Zum ersten Mal seit den 50er-Jahren zog eine Partei mit nationalsozialistischer Programmatik in ein Parlament der deutschen Demokratie ein. Die sächsische Landtagsfraktion und der Bundesvorstand der NPD sind eng miteinander verflochten. Fünf der zwölf Abgeordneten sitzen zugleich im Bundesvorstand: Holger Apfel, Alexander Delle, Jürgen Gansel, Jürgen Schön und Uwe Leichsenring. Der Fraktionsvorsitzende Holger Apfel ist seit 2001 gleichzeitig Chefredakteur der NPD-Monatszeitschrift "Deutsche Stimme".


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.