Pressemitteilung
Datum: 20.12.2002
Pressemeldung des Deutschen Bundestages -
20.12.2002
Bundestagspräsident Thierse über türkisches Gerichtsverfahren gegen politische Stiftungen besorgt
Bundestagspräsident Wolfgang Thierse hat sich in einem
Brief an den Präsidenten der Großen Nationalversammlung
der Türkei, Bülent Arinc, besorgt gezeigt über ein
am 26. Dezember in Ankara beginnendes Gerichtsverfahren gegen
fünf politische Stiftungen aus Deutschland wegen
"Geheimbündelei" und Unterwanderung des türkischen
Staates. Zugleich hat er seinen türkischen Kollegen gebeten,
alles in seinen Möglichkeiten Stehende dafür zu tun,
"dass von diesem Prozess und seinem Verlauf keine schädlichen
Wirkungen auf das gute deutsch-türkische Verhältnis
ausgehen". Der Brief von Bundestagspräsident Thierse hat
folgenden Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Präsident,
ich danke Ihnen für Ihr Schreiben vom 2. Dezember 2002. Mich bewegen ebenfalls die Beziehungen zwischen unseren beiden Staaten, und ich bin persönlich davon überzeugt, dass eine zukünftige Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union für alle Beteiligten vorteilhaft sein würde. Vor diesem Hintergrund bereitet mir das am 26. Dezember in Ihrem Land beginnende Gerichtsverfahren gegen fünf politische Stiftungen aus Deutschland Sorge.
Aus der Sicht des Deutschen Bundestages und auch nach meiner persönlichen Auffassung leisten die Friedrich-Ebert-Stiftung, die Konrad-Adenauer-Stiftung, die Heinrich-Böll-Stiftung, die Friedrich-Naumann-Stiftung und das Deutsche Orient-Institut jeweils für die Beziehungen zwischen unseren Staaten und zwischen deutschen und türkischen Staatsbürgern unverzichtbare Arbeit. So bin ich beispielsweise sicher, dass die realistische und respektvolle Aufnahme des Ergebnisses Ihrer Nationalratswahlen hier in Deutschland nicht zuletzt der Arbeit dieser Stiftungen in Ihrem Land zu verdanken ist. Auch die zunehmende Kenntnis der innenpolitischen Reformen in der Türkei und das wachsende Verständnis für den türkischen Wunsch nach einer Mitgliedschaft in der EU hier in Deutschland gehen nicht allein auf Medienberichte und auf die deutsche Botschaft in Ankara zurück, sondern sind auch geprägt von den Schilderungen, die wir von den Stiftungen erhalten. Deshalb lese ich mit großer Beunruhigung und Sorge, dass Ende dieses Monats in Ankara vor dem Staatssicherheitsgericht ein Prozess beginnen wird, in dem diesen fünf Stiftungen "Geheimbündelei" und Unterwanderung des türkischen Staates vorgeworfen wird.
Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mich dazu Ihre Auffassung wissen ließen. Ich wäre Ihnen ferner ausgesprochen dankbar, wenn Sie alles in Ihren Möglichkeiten Stehende dafür tun könnten, dass von diesem Prozess und seinem Verlauf keine schädlichen Wirkungen auf das gute deutsch-türkische Verhältnis ausgehen.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Thierse
Sehr geehrter Herr Präsident,
ich danke Ihnen für Ihr Schreiben vom 2. Dezember 2002. Mich bewegen ebenfalls die Beziehungen zwischen unseren beiden Staaten, und ich bin persönlich davon überzeugt, dass eine zukünftige Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union für alle Beteiligten vorteilhaft sein würde. Vor diesem Hintergrund bereitet mir das am 26. Dezember in Ihrem Land beginnende Gerichtsverfahren gegen fünf politische Stiftungen aus Deutschland Sorge.
Aus der Sicht des Deutschen Bundestages und auch nach meiner persönlichen Auffassung leisten die Friedrich-Ebert-Stiftung, die Konrad-Adenauer-Stiftung, die Heinrich-Böll-Stiftung, die Friedrich-Naumann-Stiftung und das Deutsche Orient-Institut jeweils für die Beziehungen zwischen unseren Staaten und zwischen deutschen und türkischen Staatsbürgern unverzichtbare Arbeit. So bin ich beispielsweise sicher, dass die realistische und respektvolle Aufnahme des Ergebnisses Ihrer Nationalratswahlen hier in Deutschland nicht zuletzt der Arbeit dieser Stiftungen in Ihrem Land zu verdanken ist. Auch die zunehmende Kenntnis der innenpolitischen Reformen in der Türkei und das wachsende Verständnis für den türkischen Wunsch nach einer Mitgliedschaft in der EU hier in Deutschland gehen nicht allein auf Medienberichte und auf die deutsche Botschaft in Ankara zurück, sondern sind auch geprägt von den Schilderungen, die wir von den Stiftungen erhalten. Deshalb lese ich mit großer Beunruhigung und Sorge, dass Ende dieses Monats in Ankara vor dem Staatssicherheitsgericht ein Prozess beginnen wird, in dem diesen fünf Stiftungen "Geheimbündelei" und Unterwanderung des türkischen Staates vorgeworfen wird.
Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mich dazu Ihre Auffassung wissen ließen. Ich wäre Ihnen ferner ausgesprochen dankbar, wenn Sie alles in Ihren Möglichkeiten Stehende dafür tun könnten, dass von diesem Prozess und seinem Verlauf keine schädlichen Wirkungen auf das gute deutsch-türkische Verhältnis ausgehen.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Thierse
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Quelle:
http://www.bundestag.de/aktuell/presse/2002/pz_021220