Experten prognostizieren schlechtere gesamtwirtschaftliche Entwicklung
Berlin: (hib/MIK) Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung wird nach Meinung von Experten in diesem Jahr schlechter ausfallen als erwartet. Dies wurde deutlich am Mittwochnachmittag bei der von der CDU/CSU-Fraktion beantragten öffentlichen Anhörung des Haushaltsausschusses über "die Notwendigkeit eines Nachtragshaushalts 2001 unter besonderer Berücksichtigung der finanziellen Situation der Bundeswehr und der sich daraus ergebenden Perspektiven der wehrtechnischen Industrie".
Für Ulrich Schröder von der Deutsche Bank Research, Frankfurt am Main, ist jedoch ein Nachtragshaushalt für 2001 trotz der schlechteren Budgetperspektiven "aus heutiger Sicht" nicht erforderlich. Die unter Umständen notwendigen zusätzlichen Ausgaben würden automatisch anfallen: Der Bund sei dazu gesetzlich verpflichtet. Als Beispiel führt er die Bundesanstalt für Arbeit auf. Entsprechendes gelte für das rückläufige Steueraufkommen. Der Bundesfinanzminister sollte hier, so Schröder, nicht gegensteuern. Für zusätzliche Bundesausgaben sei im Hinblick auf die Verpflichtungen des Stabilitätspaktes kein Platz. Auch Alfred Boss vom Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel prognostizierte, dass durch die Zuwendungen für die Arbeitslosenhilfe und durch den Zuschuss des Bundes an die Bundesanstalt für Arbeit in diesem Jahr Mehrausgaben in Höhe von 3 Milliarden DM anfallen werden. Wenn der Ansatz im Verteidigungsbereich eingehalten werden könnte, werde die Nettokreditaufnahme des Bundes 2001 rund 45 Milliarden DM betragen.
Zu den Perspektiven der wehrtechnischen Wirtschaft schreibt Ernst-Otto Krämer, Vorsitzender des BDI-Ausschusses Verteidigungswirtschaft, dass die Unterfinanzierung des Verteidigungshaushaltes "hinreichend" bekannt seien. Die Folgen für weite Bereiche der deutschen wehrtechnischen Industrie seien "verheerend". Der im Vergleich zur derzeit geltenden Planung festgestellte Fehlbetrag liege bei etwa 2,5 Milliarden DM jährlich. Der seit 1990 von der Industrie finanzierte Personalabbau mit einem Volumen von 20 Milliarden DM an Abfindungszahlungen sowie die erfolgten Firmenzusammenschlüsse hätten die Ressourcen der Rüstungsindustrie erschöpft. Über die generelle Auftragsmisere hinaus werde die technologische Leistungsfähigkeit der deutschen wehrtechnischen Industrie zusätzlich durch die drastische Senkung der öffentlichen Mittel für Forschung und Technologie geschwächt. Für Thomas Diehl, Vorsitzender des Vorstandes Diehl-Stiftung & Co, Nürnberg, verliert die deutsche Wehrtechnikindustrie zunehmend an internationaler Kooperationsfähigkeit. Als Folge der Unterfinanzierung könne das spezifisch wehrtechnische Know-how nicht erhalten werden, heißt es in seiner Stellungnahme. Es werde zunehmend unattraktiver für Investoren, deutsche Wehrtechnikbetriebe zu finanzieren. Als Konsequenz würden deutsche Wehrtechnikfirmen abhängig von ausländischen Interesse. Als Lösung biete sich ein Programmgesetz an, um zumindest eine mittelfristige Planungssicherheit zu erreichen. Die Geschäftsführerin der Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb mbh (g.e.b.b.), Annette Fugmann-Heesing, erklärte, dass sich Effizienzgewinne aus Aktivitäten der g.e.b.b., die den Servicebereich der Bundeswehr privatisieren soll, für dieses Jahr nicht beziffern lassen. Die Höhe der Veräußerungsgewinne hänge im wesentlichen von der Schaffung der notwendigen Rahmenbedingungen ab. Bevor zum Beispiel ein Grundstück der Bundeswehr erfolgreich verkauft werden könne, müsse das Planungsrecht für dieses Grundstück abgeschlossen sein.
Der Sprecher der CDU/CSU-Fraktion konnte die Hoffnung der Gutachter auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen Bedingungen in der zweiten Jahreshälfte nicht teilen und sprach sich deshalb erneut für einen Nachtragsetat aus. Für die Koalitionsfraktionen waren die Daten in diesem Jahr so "hervorragend", dass es keinen Grund für einen Nachtragsetat gebe.