Pressemitteilung
Datum: 10.12.2003
Pressemeldung des Deutschen Bundestages -
10.12.2003
Rede von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse bei der Schlüsselübernahme für das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus
Es gilt das gesprochene Wort
"Dieser symbolische Schlüssel hat mindestens zweierlei Bedeutung - im Sinne von Aufschließen und Abschließen: Erstens: der Deutsche Bundestag bekommt heute für seinen dritten großen Neubau das Hausrecht übertragen und damit die Schlüsselgewalt. Und zweitens: Das Großprojekt Parlamentsumzug findet endlich seinen Abschluss.
Der am 20. Juni 1991 von den Abgeordneten des 12. Deutschen Bundestages nach leidenschaftlicher Debatte gefasste Beschluss, den Sitz der Volksvertretung nach Berlin zu verlegen, ist mit Fertigstellung des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses umgesetzt. Jetzt können die wenigen noch in Bonn verbliebenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundestagsverwaltung, insbesondere der Bibliothek, nach Berlin kommen - vom Rhein direkt an die Spree.
Mit dem Marie-Elisabeth-Lüders-Haus findet das "Band des Bundes" - mit dem Kanzleramt und dem Paul-Löbe-Haus auf der anderen Spree-Seite - seinen (vorläufigen?) östlichen Abschluss. Dieser von Axel Schultes und Charlotte Frank vorgedachte städtebauliche Brückenschlag von West nach Ost, von Ost nach West zählt für mich inzwischen zu den schönen und aussagestarken Symbolen der deutschen Einheit. Dort, wo früher die Mauer stand, haben heute demokratisch gewählte Politiker ihren Arbeitsplatz und ihre Bibliothek - eine bessere Wendung kann Geschichte gar nicht nehmen!
Die Neubauten des Deutschen Bundestages stehen auf einem Areal, in das sich die Geschichte des 20. Jahrhunderts auf vielfältige Weise eingeschrieben hat. Und weil das so ist, war die vor zwölf Jahren begonnene Debatte über die künftige Nutzung und Bebauung dieses Areals immer auch eine historisch geprägte Debatte. Ich erinnere daran, weil vor kurzem für das Gelände dieser Liegenschaft Ansprüche auf Wiedergutmachung öffentlich bekannt gemacht geworden sind.
Während des gesamten, über zehnjährigen Prozesses der Ausschreibung und Realisierung der Parlamentsneubauten sind an den Deutschen Bundestag zu keinem Zeitpunkt Zweifel an der Nutzbarkeit der betroffenen Grundstücke heran getragen worden. Das ist insofern verständlich, als gemäß der Rechtslage bei Restitutionsansprüchen der Bundestag nicht Verhandlungspartner für eventuelle Ansprüche ist. Die Grundstücke, die jetzt in Frage stehen, befinden sich im Allgemeinen Grundvermögen des Bundes und damit im Verantwortungsbereich des Bundesministeriums für Finanzen.
Die Erben und Antragsteller habe ich natürlich zu unserer heutigen Eröffnungsveranstaltung eingeladen, und ich möchte sie begrüßen: Herzlich Willkommen! Aus Sicht des Deutschen Bundestages bestehen keine Zweifel: Die anhängigen Verfahren werden nach rechtsstaatlichen Grundsätzen durchgeführt. Wenn Wiedergutmachungsansprüche berechtigt sind, müssen sie in angemessener Form gewürdigt und durchgesetzt werden.
Dieser wunderbare Neubau trägt den Namen einer Berliner Politikerin und Parlamentarierin, die zweifellos zu den bedeutendsten Sozialpolitikerinnen und wichtigsten Vertreterinnen der Frauenbewegung in Deutschland zählt - Marie-Elisabeth Lüders. Ich freue mich, die Schwiegertochter, Frau Waltraud Lüders, und Enkel von Marie-Elisabeth Lüders begrüßen zu dürfen. Auch Ihnen ein herzliches Willkommen!
Marie-Elisabeth Lüders war eine beeindruckende Persönlichkeit und Vorkämpferin auf vielen Gebieten. Sie war beispielsweise die erste Frau in Deutschland, die 1912 an der Humboldt-Universität zum Dr. rer. pol. promoviert wurde. Als Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei rückte sie im August 1919 für den verstorbenen Friedrich Naumann in die Verfassungsgebende Nationalversammlung nach. In den Jahren 1920/21 und von 1924 bis 1930 war sie Mitglied des Reichstags. Sie engagierte sich für die Gleichberechtigung der Frauen, für die Verbesserung des Kinder- und Jugendschutzes. Sie bekämpfte die soziale Not der Arbeitslosen. Ihr politisches Engagement wurde von den Feinden der Demokratie mit Misstrauen beobachtet. Als 1933 die Nationalsozialisten an die Macht kamen, belegten sie Marie-Elisabeth Lüders mit Berufs- und Publikationsverbot, 1937 kam sie für einige Monate ins Zuchthaus.
Nach 1945 setzte sich Marie-Elisabeth Lüders in Berlin für den Aufbau demokratischer Strukturen ein. 1953 wurde sie in den 2. Deutschen Bundestag gewählt, dem sie bis 1961 angehörte. Als Alterspräsidentin leitete sie die konstituierenden Sitzungen des 2. und des 3. Deutschen Bundestages. Ihren Themen blieb die FDP-Politikerin auch im Alter treu: Frauenpolitik und Jugendrecht.
Ich finde, es ist eine glückliche Entscheidung, dieses Gebäude nach der Vollblutparlamentarierin und Alterspräsidentin Marie-Elisabeth Lüders zu benennen. Damit bekennt sich der Deutsche Bundestag zu jener Tradition des deutschen Parlamentarismus, die Rita Süssmuth bei der Grundsteinlegung für dieses Gebäude im Mai 1998 so treffend als "wertgebundenes und vor allem sozial verpflichtendes freiheitliches Denken und Streiten" bezeichnet hat.
Nutzer des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses werden die professionellen Dienstleister des Parlamentes sein - die Wissenschaftlichen Dienste, die Bibliothek, die Pressedokumentation, das Sach- und Sprechregister, das Parlamentsarchiv. Im Gebäude gibt es zudem einen großen Sitzungsaal, der für öffentliche Anhörungen genutzt werden wird.
Dass die Wissenschaftlichen Dienste und die drittgrößte Parlamentsbibliothek der Welt künftig unter einem Dach arbeiten, ist nicht nur gut für die interne Zusammenarbeit, sondern auch wichtig für die Abgeordneten. Schließlich benötigen wir Parlamentarier bei unserer Arbeit immer stärker fachwissenschaftliche Unterstützung. Wenn in Zeiten der Globalisierung die Komplexität unserer Arbeit zunimmt, ist es gut zu wissen, dass wenigstens die Wege kürzer werden.
Um dreißig Prozent, heißt es, wächst weltweit die verfügbare Datenmenge pro Jahr - nach meinem Eindruck übrigens auch durch die Multiplikation von überflüssigem Wissen. Fachleute warnen schon jetzt vor einem Übermaß an Informationen bei gleichzeitigem Mangel an brauchbarem und tatsächlich zugänglichem Wissen. Das kann die parlamentarische Arbeit erschweren, verzögern, sogar blockieren. Damit die Abgeordneten in dem um sich greifenden Informationsmüll dennoch schnell und zuverlässig an das tatsächlich Erforderliche kommen, wird Informationsverarbeitung, Wissensmanagement immer wichtiger. Die Flut an verfügbaren Daten zu kanalisieren, wichtige von unwichtigen Informationen zu trennen und die kostbare Perle Wissen herauszufischen - das ist die Aufgabe der Wissenschaftlichen Dienste heute und morgen.
Was wäre ein Parlamentsneubau ohne künstlerische Anmerkungen, ohne ästhetische Kommentare und Eingriffe? Es wäre ein Ort mangelnder Heiterkeit und verknappter Inspiration. Was schon im Jakob-Kaiser- und im Paul-Löbe-Haus funktioniert, scheint auch hier aufzugehen: Die Architektur des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses findet durch künstlerische Installationen eine anregende oder manchmal dialogische Entgegensetzung, die zuweilen auch den Charakter von Interventionen annimmt. So ist das Rund der Bibliothek erfüllt vom blau strahlenden Schriftzug des italienischen Künstlers Maurizio Nannucci. Angeregt durch einen Text von Hannah Arendt meditiert er über das Verhältnis von Gleichheit und Freiheit. Francois Morellet wiederum setzt in diesem Gebäude seine Installation aus Neon-Girlanden, die im Paul-Löbe-Haus zu sehen ist, mit einer eleganten Über-Kreuz-Konstruktion fort. Und Julia Mangold spielt mit einer Positiv- und Negativ-Form, die die Innen- und Außenbereiche des Baues miteinander verbinden.
Eine einzigartige ästhetische Bereicherung in Gestalt der beeindruckenden Bronze-Skulptur von Marino Marini verdanken wir den hochherzigen Mäzenen Irene und Rolf Becker. Ihnen gilt unser besonderer Dank. Marino Marinis Skulptur - auf der Freitreppe über der Spree - setzt ein weithin sichtbares Zeichen der Selbstbehauptung des Menschen, ein Zeichen gegen Gewalt und Inhumanität.
Es ist mir ein tiefes Bedürfnis, allen, die an der Umsetzung dieses anspruchsvollen Bauvorhabens beteiligt waren, herzlich zu danken. Wahrlich Großes geleistet haben neben dem Architekten Braunfels und seinen Mitarbeitern die Arbeitsgemeinschaft Ingenieurgesellschaft Gronauer und HPP International sowie die gmp Generalplanungsgesellschaft. Mein Dank gilt der Bundesbaugesellschaft Berlin mbH mit ihren Geschäftsführern Rettig und Volke sowie dem ehemaligen Kollegen und langjährigen Vorsitzenden der Baukommission, Dr. Kansy, und der Vorsitzenden der Bau- und Raumkommission, Kollegin Schewe-Gerigk. Frau Prof. Süssmuth schließe ich in den Kreis der zu Bedankenden natürlich gerne mit ein, sie hat an der Ermöglichung dieses Bauvorhabens kräftig mitgewirkt.
Alle Planung konnte jedoch nur Wirklichkeit werden durch die Arbeit vieler qualifizierter Ingenieure und Handwerker, die ich in dieser feierlichen Stunde zwar nicht alle namentlich nennen kann, aber doch besonders gewürdigt wissen möchte. Vielen Dank, Sie haben beeindruckende Arbeit geleistet!
Ich denke, die Bürger der Bundesrepublik Deutschland werden auf das neue Parlamentsgebäude stolz sein und dieses Stadt-Kunstwerk ebenso begeistert annehmen, wie das Paul-Löbe-Haus auf der anderen Spreeseite. Die attraktive Gestaltung der Außenanlagen und die transparente Fassadengestaltung der beiden Gebäude locken viele Besucher an. Und ich finde es wunderbar, wenn sie sehen: In den Büros des Deutschen Bundestages wird ordentlich gearbeitet."
"Dieser symbolische Schlüssel hat mindestens zweierlei Bedeutung - im Sinne von Aufschließen und Abschließen: Erstens: der Deutsche Bundestag bekommt heute für seinen dritten großen Neubau das Hausrecht übertragen und damit die Schlüsselgewalt. Und zweitens: Das Großprojekt Parlamentsumzug findet endlich seinen Abschluss.
Der am 20. Juni 1991 von den Abgeordneten des 12. Deutschen Bundestages nach leidenschaftlicher Debatte gefasste Beschluss, den Sitz der Volksvertretung nach Berlin zu verlegen, ist mit Fertigstellung des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses umgesetzt. Jetzt können die wenigen noch in Bonn verbliebenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundestagsverwaltung, insbesondere der Bibliothek, nach Berlin kommen - vom Rhein direkt an die Spree.
Mit dem Marie-Elisabeth-Lüders-Haus findet das "Band des Bundes" - mit dem Kanzleramt und dem Paul-Löbe-Haus auf der anderen Spree-Seite - seinen (vorläufigen?) östlichen Abschluss. Dieser von Axel Schultes und Charlotte Frank vorgedachte städtebauliche Brückenschlag von West nach Ost, von Ost nach West zählt für mich inzwischen zu den schönen und aussagestarken Symbolen der deutschen Einheit. Dort, wo früher die Mauer stand, haben heute demokratisch gewählte Politiker ihren Arbeitsplatz und ihre Bibliothek - eine bessere Wendung kann Geschichte gar nicht nehmen!
Die Neubauten des Deutschen Bundestages stehen auf einem Areal, in das sich die Geschichte des 20. Jahrhunderts auf vielfältige Weise eingeschrieben hat. Und weil das so ist, war die vor zwölf Jahren begonnene Debatte über die künftige Nutzung und Bebauung dieses Areals immer auch eine historisch geprägte Debatte. Ich erinnere daran, weil vor kurzem für das Gelände dieser Liegenschaft Ansprüche auf Wiedergutmachung öffentlich bekannt gemacht geworden sind.
Während des gesamten, über zehnjährigen Prozesses der Ausschreibung und Realisierung der Parlamentsneubauten sind an den Deutschen Bundestag zu keinem Zeitpunkt Zweifel an der Nutzbarkeit der betroffenen Grundstücke heran getragen worden. Das ist insofern verständlich, als gemäß der Rechtslage bei Restitutionsansprüchen der Bundestag nicht Verhandlungspartner für eventuelle Ansprüche ist. Die Grundstücke, die jetzt in Frage stehen, befinden sich im Allgemeinen Grundvermögen des Bundes und damit im Verantwortungsbereich des Bundesministeriums für Finanzen.
Die Erben und Antragsteller habe ich natürlich zu unserer heutigen Eröffnungsveranstaltung eingeladen, und ich möchte sie begrüßen: Herzlich Willkommen! Aus Sicht des Deutschen Bundestages bestehen keine Zweifel: Die anhängigen Verfahren werden nach rechtsstaatlichen Grundsätzen durchgeführt. Wenn Wiedergutmachungsansprüche berechtigt sind, müssen sie in angemessener Form gewürdigt und durchgesetzt werden.
Dieser wunderbare Neubau trägt den Namen einer Berliner Politikerin und Parlamentarierin, die zweifellos zu den bedeutendsten Sozialpolitikerinnen und wichtigsten Vertreterinnen der Frauenbewegung in Deutschland zählt - Marie-Elisabeth Lüders. Ich freue mich, die Schwiegertochter, Frau Waltraud Lüders, und Enkel von Marie-Elisabeth Lüders begrüßen zu dürfen. Auch Ihnen ein herzliches Willkommen!
Marie-Elisabeth Lüders war eine beeindruckende Persönlichkeit und Vorkämpferin auf vielen Gebieten. Sie war beispielsweise die erste Frau in Deutschland, die 1912 an der Humboldt-Universität zum Dr. rer. pol. promoviert wurde. Als Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei rückte sie im August 1919 für den verstorbenen Friedrich Naumann in die Verfassungsgebende Nationalversammlung nach. In den Jahren 1920/21 und von 1924 bis 1930 war sie Mitglied des Reichstags. Sie engagierte sich für die Gleichberechtigung der Frauen, für die Verbesserung des Kinder- und Jugendschutzes. Sie bekämpfte die soziale Not der Arbeitslosen. Ihr politisches Engagement wurde von den Feinden der Demokratie mit Misstrauen beobachtet. Als 1933 die Nationalsozialisten an die Macht kamen, belegten sie Marie-Elisabeth Lüders mit Berufs- und Publikationsverbot, 1937 kam sie für einige Monate ins Zuchthaus.
Nach 1945 setzte sich Marie-Elisabeth Lüders in Berlin für den Aufbau demokratischer Strukturen ein. 1953 wurde sie in den 2. Deutschen Bundestag gewählt, dem sie bis 1961 angehörte. Als Alterspräsidentin leitete sie die konstituierenden Sitzungen des 2. und des 3. Deutschen Bundestages. Ihren Themen blieb die FDP-Politikerin auch im Alter treu: Frauenpolitik und Jugendrecht.
Ich finde, es ist eine glückliche Entscheidung, dieses Gebäude nach der Vollblutparlamentarierin und Alterspräsidentin Marie-Elisabeth Lüders zu benennen. Damit bekennt sich der Deutsche Bundestag zu jener Tradition des deutschen Parlamentarismus, die Rita Süssmuth bei der Grundsteinlegung für dieses Gebäude im Mai 1998 so treffend als "wertgebundenes und vor allem sozial verpflichtendes freiheitliches Denken und Streiten" bezeichnet hat.
Nutzer des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses werden die professionellen Dienstleister des Parlamentes sein - die Wissenschaftlichen Dienste, die Bibliothek, die Pressedokumentation, das Sach- und Sprechregister, das Parlamentsarchiv. Im Gebäude gibt es zudem einen großen Sitzungsaal, der für öffentliche Anhörungen genutzt werden wird.
Dass die Wissenschaftlichen Dienste und die drittgrößte Parlamentsbibliothek der Welt künftig unter einem Dach arbeiten, ist nicht nur gut für die interne Zusammenarbeit, sondern auch wichtig für die Abgeordneten. Schließlich benötigen wir Parlamentarier bei unserer Arbeit immer stärker fachwissenschaftliche Unterstützung. Wenn in Zeiten der Globalisierung die Komplexität unserer Arbeit zunimmt, ist es gut zu wissen, dass wenigstens die Wege kürzer werden.
Um dreißig Prozent, heißt es, wächst weltweit die verfügbare Datenmenge pro Jahr - nach meinem Eindruck übrigens auch durch die Multiplikation von überflüssigem Wissen. Fachleute warnen schon jetzt vor einem Übermaß an Informationen bei gleichzeitigem Mangel an brauchbarem und tatsächlich zugänglichem Wissen. Das kann die parlamentarische Arbeit erschweren, verzögern, sogar blockieren. Damit die Abgeordneten in dem um sich greifenden Informationsmüll dennoch schnell und zuverlässig an das tatsächlich Erforderliche kommen, wird Informationsverarbeitung, Wissensmanagement immer wichtiger. Die Flut an verfügbaren Daten zu kanalisieren, wichtige von unwichtigen Informationen zu trennen und die kostbare Perle Wissen herauszufischen - das ist die Aufgabe der Wissenschaftlichen Dienste heute und morgen.
Was wäre ein Parlamentsneubau ohne künstlerische Anmerkungen, ohne ästhetische Kommentare und Eingriffe? Es wäre ein Ort mangelnder Heiterkeit und verknappter Inspiration. Was schon im Jakob-Kaiser- und im Paul-Löbe-Haus funktioniert, scheint auch hier aufzugehen: Die Architektur des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses findet durch künstlerische Installationen eine anregende oder manchmal dialogische Entgegensetzung, die zuweilen auch den Charakter von Interventionen annimmt. So ist das Rund der Bibliothek erfüllt vom blau strahlenden Schriftzug des italienischen Künstlers Maurizio Nannucci. Angeregt durch einen Text von Hannah Arendt meditiert er über das Verhältnis von Gleichheit und Freiheit. Francois Morellet wiederum setzt in diesem Gebäude seine Installation aus Neon-Girlanden, die im Paul-Löbe-Haus zu sehen ist, mit einer eleganten Über-Kreuz-Konstruktion fort. Und Julia Mangold spielt mit einer Positiv- und Negativ-Form, die die Innen- und Außenbereiche des Baues miteinander verbinden.
Eine einzigartige ästhetische Bereicherung in Gestalt der beeindruckenden Bronze-Skulptur von Marino Marini verdanken wir den hochherzigen Mäzenen Irene und Rolf Becker. Ihnen gilt unser besonderer Dank. Marino Marinis Skulptur - auf der Freitreppe über der Spree - setzt ein weithin sichtbares Zeichen der Selbstbehauptung des Menschen, ein Zeichen gegen Gewalt und Inhumanität.
Es ist mir ein tiefes Bedürfnis, allen, die an der Umsetzung dieses anspruchsvollen Bauvorhabens beteiligt waren, herzlich zu danken. Wahrlich Großes geleistet haben neben dem Architekten Braunfels und seinen Mitarbeitern die Arbeitsgemeinschaft Ingenieurgesellschaft Gronauer und HPP International sowie die gmp Generalplanungsgesellschaft. Mein Dank gilt der Bundesbaugesellschaft Berlin mbH mit ihren Geschäftsführern Rettig und Volke sowie dem ehemaligen Kollegen und langjährigen Vorsitzenden der Baukommission, Dr. Kansy, und der Vorsitzenden der Bau- und Raumkommission, Kollegin Schewe-Gerigk. Frau Prof. Süssmuth schließe ich in den Kreis der zu Bedankenden natürlich gerne mit ein, sie hat an der Ermöglichung dieses Bauvorhabens kräftig mitgewirkt.
Alle Planung konnte jedoch nur Wirklichkeit werden durch die Arbeit vieler qualifizierter Ingenieure und Handwerker, die ich in dieser feierlichen Stunde zwar nicht alle namentlich nennen kann, aber doch besonders gewürdigt wissen möchte. Vielen Dank, Sie haben beeindruckende Arbeit geleistet!
Ich denke, die Bürger der Bundesrepublik Deutschland werden auf das neue Parlamentsgebäude stolz sein und dieses Stadt-Kunstwerk ebenso begeistert annehmen, wie das Paul-Löbe-Haus auf der anderen Spreeseite. Die attraktive Gestaltung der Außenanlagen und die transparente Fassadengestaltung der beiden Gebäude locken viele Besucher an. Und ich finde es wunderbar, wenn sie sehen: In den Büros des Deutschen Bundestages wird ordentlich gearbeitet."
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Quelle:
http://www.bundestag.de/aktuell/presse/2003/pz_0312101