65. Sitzung
Berlin, Dienstag, den 21. November 2006
Beginn: 10.00 Uhr
* * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *
* * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *
* * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich begrüße Sie alle herzlich. Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen und uns eine gute parlamentarische Woche.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte I. a und b auf:
a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2007
(Haushaltsgesetz 2007)
- Drucksachen 16/2300, 16/2302 -
b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Finanzplan des Bundes 2006 bis 2010
- Drucksachen 16/2301, 16/2302, 16/3126 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Carsten Schneider (Erfurt)
Dr. Gesine Lötzsch
Anja Hajduk
Wir kommen zur Beratung der Einzelpläne, und zwar zunächst der drei Einzelpläne, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.1 auf:
hier: Einzelplan 01
Bundespräsident und Bundespräsidialamt
- Drucksachen 16/3101, 16/3123 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Herbert Frankenhauser
Klaas Hübner
Jürgen Koppelin
Dr. Dietmar Bartsch
Anja Hajduk
Wer stimmt für den Einzelplan 01 in der Ausschussfassung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Das fängt gut an: Der Einzelplan 01 ist einstimmig angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.2 auf:
hier: Einzelplan 02
Deutscher Bundestag
- Drucksachen 16/3102, 16/3123 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Jürgen Koppelin
Norbert Königshofen
Gunter Weißgerber
Dr. Gesine Lötzsch
Anja Hajduk
Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 16/3458? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Dann ist der Einzelplan 02 mit breiter Mehrheit angenommen.
- Meine Vermutung, dass nach der Entscheidung über den Änderungsantrag, der keine Mehrheit gefunden hat, der Einzelplan 02 eine auskömmliche Mehrheit erhält, wird sich bestätigen. Um das über jeden Zweifel hinaus sicherzustellen, darf ich fragen, wer dem Einzelplan 02 in der Ausschussfassung seine Zustimmung geben möchte. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Dann ist der Einzelplan 02 ebenfalls einstimmig angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.3 auf:
hier: Einzelplan 03
Bundesrat
- Drucksache 16/3123 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Jens Spahn
Johannes Kahrs
Otto Fricke
Dr. Dietmar Bartsch
Alexander Bonde
Wer stimmt dem Einzelplan 03 in der Ausschussfassung zu? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Dann ist der Einzelplan 03 mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Bündnisses 90/Die Grünen und bei Enthaltung der FDP und der Fraktion Die Linke angenommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt I.4 auf:
a) hier: Einzelplan 08
Bundesministerium der Finanzen
- Drucksachen 16/3108, 16/3123 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Jochen-Konrad Fromme
Bernhard Brinkmann (Hildesheim)
Ulrike Flach
Dr. Gesine Lötzsch
Anja Hajduk
b) hier: Einzelplan 20
Bundesrechnungshof
- Drucksache 16/3123 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Barthle
Petra Merkel (Berlin)
Dr. Claudia Winterstein
Michael Leutert
Anja Hajduk
Zum Einzelplan 08 liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP vor, über den wir am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen werden.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache drei Stunden vorgesehen. - Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so vereinbart.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst der Kollege Jürgen Koppelin für die FDP-Fraktion.
Jürgen Koppelin (FDP):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als erstem Redner in der Debatte erlauben Sie mir, dass ich die Möglichkeit nutze, dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages, meinem Fraktionskollegen Otto Fricke, zu seinem heutigen Geburtstag zu gratulieren.
Ich nehme gern die Gelegenheit wahr, mich bei allen Mitgliedern des Haushaltsausschusses herzlich dafür zu bedanken - das sage ich ohne Ausnahme -, dass wir unsere Diskussionen im Haushaltsausschuss trotz aller Differenzen, die wir haben - sie werden vielleicht gleich in der Debatte zutage treten -, fair und sehr sachlich
haben führen können. Herzlichen Dank für diese sachlichen Diskussionen!
Seit einiger Zeit erleben wir, dass der Bundesfinanzminister einen sehr zufriedenen Eindruck macht.
Aus seiner Sicht ist er auf Erfolgskurs; denn die Einnahmen des Haushaltes steigen. Wie gesagt: aus seiner Sicht. Wenn die Koalition davon spricht, dass sie mit diesem Haushalt einen beispiellosen Konsolidierungsbeitrag leistet, dann ist aus unserer Sicht festzustellen: Nicht der Bundesfinanzminister, nicht die Koalition sanieren den Bundeshaushalt - zum Beispiel durch beherzte Ausgabenreduzierung -, sondern der Steuerzahler wird zur Kasse gebeten. Es gibt Steuererhöhungen und den Abbau einer Vielzahl von Steuervergünstigungen. Der Steuerzahler wird zur Sanierung des Bundeshaushaltes gezwungen. Von der Koalition kommen keine Beiträge dazu.
Die Einnahmeseite des Bundes wird dadurch verbessert, dass die Bundesregierung Verbraucher und besonders - das muss man leider sagen - Familien erheblich belasten wird. Durch die Belastung der Verbraucher und der Familien verbessert sich die Einnahmeseite um 15 Milliarden Euro. Allein die Erhöhung der Mehrwertsteuer am 1. Januar nächsten Jahres bringt dem Bund über 9 Milliarden Euro. Das bedeutet eine erhebliche Belastung für die Verbraucher und die Familien mit geringen Einkommen. Hinzu kommen die Erhöhung der Versicherungsteuer, die Abschaffung der Eigenheimzulage und die Gewährung von Kindergeld und Kinderfreibetrag nur noch bis zum 25. Lebensjahr. Selbst die Abschaffung des Sonderausgabenabzugs bei Steuerberatungskosten entlastet den Bundesfinanzminister und belastet den Steuerzahler.
Damit nicht genug. Zusätzlich geht der Bundesfinanzminister besonders den Arbeitnehmern ans Portemonnaie und kassiert ab: fast Halbierung des Sparerfreibetrages, Abschaffung des Freibetrages für Abfindungen, Abschaffung des Freibetrages für Heirats- und Geburtsbeihilfen, Abschaffung der Aufwendungen für die häuslichen Arbeitszimmer usw. Es wird abkassiert, wo es nur geht.
Zusätzlich kann der Bund laut der Steuerschätzung für November mit einer Einnahmeerhöhung von voraussichtlich über 9 Milliarden Euro rechnen. Noch im September erklärte die Bundeskanzlerin bei der ersten Lesung des Bundeshaushaltes:
Kaum dass eine Steuermehreinnahme verkündet wird ..., gibt es eine breite Debatte darüber, was man damit machen könnte. Lassen Sie uns erst einmal Geld haben!
So die Bundeskanzlerin.
Bei der ersten Lesung des Haushalts im September dieses Jahres sprach sich die Bundeskanzlerin eindeutig dafür aus, Mehreinnahmen für den Schuldenabbau zu verwenden. Das war richtig. Hierfür hätte sie auch unsere Unterstützung bekommen. Doch die Ankündigung von Steuermehreinnahmen aufgrund der Novembersteuerschätzung scheint für die Kanzlerin und die Koalition völlig unverhofft gekommen zu sein; denn sonst hätte die Kanzlerin wohl kaum zu einer Sondersitzung ins Kanzleramt eingeladen, um darüber zu diskutieren, was man mit den Mehreinnahmen, die man nun plötzlich und unverhofft erzielt, machen wolle.
Bei dieser Sitzung im Kanzleramt hatte man den Eindruck, die Kanzlerin habe gedacht, dass Geld allein nicht glücklich mache, und sich daher überlegt, welche Wohltaten sie verteilen könne. Nun verspricht sie, den gesetzlichen Krankenkassen aus dem Bundeshaushalt 1 Milliarde Euro zukommen zu lassen. Frau Bundeskanzlerin, nach unserer Auffassung war die Sitzung im Bundeskanzleramt überhaupt nicht notwendig. Denn wir haben kein Geld zu verteilen. Sie hätten nur eines tun müssen, sich nämlich an das halten, was Sie im September dieses Jahres selbst gesagt haben: dass die Schulden des Bundes gesenkt und sämtliche zusätzlichen Einnahmen zum Abbau der Schulden verwendet werden müssen. Nichts anderes hätten Sie sagen müssen. Denn es geht nicht darum, Geld zu verteilen.
Die Sanierung des Bundeshaushalts muss Vorrang haben. Schauen Sie sich einmal die Veröffentlichung der Bundesbank vom gestrigen Tage an. Auch sie hat darauf hingewiesen, dass die Sanierung des Bundeshaushalts unser wichtigstes politisches Ziel sein muss. Deshalb ist es für die FDP eine Selbstverständlichkeit, dass Steuermehreinnahmen nur zum Schuldenabbau genutzt werden dürfen. Das sind wir den kommenden Generationen schuldig. Denn sonst müssten sie unsere Schulden bezahlen. Das wollen wir nicht und das können wir nicht verantworten.
Die FDP hat mit Interesse zur Kenntnis genommen - das muss ich fairerweise eingestehen -, dass der SPD-Vorsitzende Beck und der Bundesfinanzminister nach der Bekanntgabe der Ergebnisse der Novembersteuerschätzung darauf gedrungen haben, die Steuermehreinnahmen allein zum Schuldenabbau zu nutzen. Diese Haltung hätten wir eher bei Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, erwartet.
Mit Interesse und Erstaunen hat die FDP aber auch zur Kenntnis genommen, dass nach Bekanntgabe der Ergebnisse der Steuerschätzung plötzlich Kanzlerin Merkel und die Union diejenigen waren, die gleich ans Geldverteilen gedacht haben. Ein solches Verhalten hätten wir aufgrund früherer Erfahrungen eher den Sozialdemokraten zugetraut. An diese neue Rollenverteilung werden wir uns erst gewöhnen müssen.
Dass die Union in der Haushaltspolitik vom Pfad der Tugend abgekommen ist - das muss ich leider so sagen -, mag vielleicht auch daran liegen, dass es in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion keine einflussreichen Finanz- und Wirtschaftspolitiker mehr gibt.
Ich nutze das Raunen in den Reihen der CDU/CSU-Fraktion gerne, um, was ich sonst selten tue, den Kollegen Poß von der SPD zu zitieren.
In diesem Falle tue ich das aber, wie ich glaube, zu Recht. Kollege Poß sagte, nach der Bekanntgabe der Ergebnisse der Steuerschätzung sei es in der Union zu einem regelrechten ?Wünsch-dir-was-Wettbewerb“ gekommen, und er ermahnte die CDU/CSU zu einer nachhaltigen Haushaltskonsolidierung. So weit ist es mit der Union schon gekommen, dass sie sich vom Sozialdemokraten Poß zu einer soliden Haushaltspolitik ermahnen lassen muss!
Lassen Sie mich auf Folgendes aufmerksam machen: Der Bundesfinanzminister hat - ich finde: zu Recht - darauf hingewiesen, dass die Novembersteuerschätzung eben nur eine Schätzung und das Geld noch gar nicht in der Kasse ist. Frau Merkel, wie können Sie eigentlich Geld ausgeben, das Sie noch gar nicht haben? Ich bedaure, dass der Bundesfinanzminister eingeknickt ist. Denn das führt dazu, dass die Politik zur Konsolidierung des Bundeshaushalts halbherzig bleibt.
Es bleibt festzustellen, dass die Schulden des Bundes auch im Jahre 2007 nicht abgebaut werden, sondern dass der Schuldenberg nur langsamer steigt; aber er steigt. Im Koalitionsvertrag wurde versprochen, alle Ausgaben des Bundes auf den Prüfstand zu stellen. Im Koalitionsvertrag befindet sich sogar der schöne Satz:
Daher werden wir nicht alles im gewohnten Umfang fortsetzen können.
Trotz erheblicher Mehreinnahmen des Bundes werden Sie die geplante Neuverschuldung um gerade einmal 2,5 Milliarden Euro senken. Doch die Ausgaben des Bundes steigen um 9 Milliarden Euro. Einsparungen auf der Ausgabenseite, wie von der Koalition versprochen, finden nicht statt. Der Bundesetat hat ein Volumen von 270 Milliarden Euro. Die Investitionen des Bundes betragen allerdings nur 24 Milliarden Euro. Das ist ein Armutszeugnis.
Herr Bundesfinanzminister, die FDP hat immer darauf hingewiesen, dass man nur dann erhebliche Mehreinnahmen erzielen kann, wenn die Konjunktur anspringt und richtig läuft. Nun beginnt unsere Konjunktur anzuspringen. Aber die Koalition zieht daraus keine Lehren. Denn sonst müssten Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, aktiv tätig werden und zum Beispiel den Arbeitsmarkt modernisieren, statt ihn in einem so betonierten Zustand zu belassen, wie er gegenwärtig ist.
Kein Zeichen dazu von der Koalition, erst recht nicht - das muss man leider feststellen - von der Union.
Wir als FDP sind der Auffassung: Nur mit beherzten Reformschritten können wir weitere Einnahmen für den Bundeshaushalt bekommen. Denn eines ist klar - darüber sollten wir alle uns im Klaren sein -: Durch Abkassieren beim Bürger allein werden Sie die Schulden des Bundes nicht abbauen können. Wir brauchen Reformen in Deutschland. Das ist dringend notwendig, damit wir weitere Einnahmen haben.
Wir müssen die Schere zwischen Ausgaben und Einnahmen weiter schließen. Die erhöhten Einnahmen aufgrund der verbesserten Konjunktur müssen zusammen mit Ergebnissen weiterer Reformen genutzt werden, um die Ausgaben zu reduzieren. Arbeitsmarkt, Pflege, Unternehmensteuer - überall besteht dringender Handlungsbedarf.
Aber die Koalition ist nicht zu Entscheidungen fähig.
Was ist denn zum Beispiel mit dem Versprechen der Koalition, die Sozialabgaben dauerhaft unter 40 Prozent zu senken? Während der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung auf 4,2 Prozent sinken soll, steigen gleichzeitig die Beiträge für Renten- und Krankenversicherung. Das ist ein Zickzackkurs, der nicht zu vermitteln ist.
Sie hatten im Koalitionsvertrag versprochen, zur Haushaltskonsolidierung zunächst alle Einsparpotenziale auf der Ausgabenseite zu prüfen. Davon kann keine Rede sein. Bei dieser Koalition steht an erster Stelle das Abkassieren beim Bürger. Wenn Sie wirklich, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, alle Einsparpotenziale auf der Ausgabenseite geprüft hätten, würde dieser Bundeshaushalt keine Ausgabensteigerung um 9 Milliarden Euro aufweisen; vielmehr hätten wir eine Senkung der Ausgaben.
Die FDP hat Ihnen in den Haushaltsberatungen Vorschläge zur Kürzung auf der Ausgabenseite im Umfang von 8,6 Milliarden Euro gemacht; über 500 Anträge mit Kürzungsvorschlägen. Allein mit diesen Einsparungen hätten Sie auf die Erhöhung der Mehrwertsteuer verzichten können.
Aber die Koalition war dazu nicht fähig. Weil ich genau weiß, wie der Bundesfinanzminister nachher argumentieren wird - ?Diese Anträge der FDP, das ist alles lächerlich“ -, darf ich Sie hier und jetzt fragen: Warum war die Koalition denn nicht bereit, bei Subventionen und Zuwendungen auch nur eine einzige Milliarde einzusparen? Warum waren Sie dazu nicht fähig? Warum waren Sie nicht in der Lage, bei den Verwaltungsausgaben des Bundes über 800 Millionen Euro zu streichen? Das wäre durchaus möglich gewesen. Sie hätten außerdem im Verteidigungsetat - diese Debatte werden wir morgen führen - auf unsinnige Beschaffungsmaßnahmen verzichten können.
Da Sie nicht glauben, dass man sparen kann, bringe ich Ihnen ein ganz aktuelles Beispiel. Gestern war eine große, zweiseitige Anzeige zu lesen, auch im ?Spiegel“. Das meiste, was behauptet wird, stimmt überhaupt nicht.
Ich möchte wissen, was das schon wieder gekostet hat! Das muss der Steuerzahler bezahlen. Und dann gehen Sie auch noch leichtfertig mit der Wahrheit um. Sie werfen das Geld zum Fenster raus. Darauf hätte man zum Beispiel verzichten können, wenn man den Bundeshaushalt sanieren will.
Der Bundeshaushalt 2007 ist ein Bundeshaushalt der vertanen Chancen. Die Bundesregierung hat die Chance vertan, durch Einsparungen und mit den zu erwartenden Steuermehreinnahmen auf die unsoziale und konjunkturschädliche Mehrwertsteuererhöhung zu verzichten, was möglich gewesen wäre. Die Bundesregierung hat die Chance vertan, die Neuverschuldung von fast 20 Milliarden Euro weiter abzusenken. Die Bundesregierung hat die Chance vertan, auf den Steuerzuschuss an die Krankenkassen zu verzichten, mit dem die notwendige Systemveränderung wieder hinausgeschoben wird. Im Übrigen - das ist unsere Auffassung - ist dieser Zuschuss verfassungswidrig.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, was Sie sich damit eingebrockt haben, können Sie in diesen Tagen sehen: Ulla Schmidt darf nun verkünden, die Gesundheitsreform sei ein Zwischenschritt auf dem Wege zur Bürgerversicherung. Ich hoffe, die Union wird Stellung nehmen zu dem, was Frau Schmidt da gesagt hat.
Das Ergebnis der Haushaltsberatungen lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die Konsolidierungspolitik ist nur halbherzig und der Schuldenberg steigt weiter. Beim Kürzen von Ausgaben ist die Koalition ohne Tatendrang, beim Abkassieren der Bürger hingegen ist sie voller Tatendrang. Die Schulden steigen langsamer; aber sie steigen weiter.
Da der Bundesfinanzminister gern mit Zitaten arbeitet, möchte ich ihm zum Schluss meiner Ausführungen ein Zitat ins Stammbuch schreiben - es stammt von Berthold Auerbach -:
Geld erwerben erfordert Klugheit;
Geld bewahren erfordert eine gewisse Weisheit,
und Geld schön auszugeben ist eine Kunst.
Herr Bundesfinanzminister, ich würde Ihnen diese Eigenschaften wünschen.
Von diesem Bundeshaushalt gehen keine Signale aus, es ist ein Bundeshaushalt der vertanen Chancen. Sie werden nicht erwarten können, dass Sie zu diesem Bundeshaushalt 2007 die Zustimmung der Fraktion der Freien Demokratischen Partei bekommen.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort hat nun der Kollege Joachim Poß für die SPD-Fraktion.
Joachim Poß (SPD):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Koppelin, zunächst möchte ich Ihnen wie allen Kolleginnen und Kollegen, die in den letzten Wochen unter hohem Druck, mit hoher Konzentration und mit großer Intensität gearbeitet haben, für Ihre Mitarbeit im Haushaltsausschuss herzlich danken.
Ich verstehe es: Diese Haushaltsdebatte ist für Sie als Abgeordneten der Opposition nicht ganz einfach. Das hat man Ihnen heute Morgen auch angemerkt. Das sei Ihnen verziehen.
Wir von der Koalition können diese Haushaltsdebatte nämlich mit großem Optimismus bestreiten; denn eines hat sich herausgestellt: Wir sind auf dem richtigen Weg. Das Ergebnis zählt! Letzen Endes wissen Sie das ja auch.
- Herr Westerwelle, Sie können noch so viele Zeilen in der ?Bild“-Zeitung schreiben, die Realität, die sich in der Bundesrepublik Deutschland positiv entwickelt hat, werden Sie dadurch nicht verbiegen.
Ich möchte natürlich auch allen Mitarbeitern des Ausschusssekretariats und des Bundesfinanzministeriums herzlich danken. Es war ja schon der zweite Haushalt in diesem Jahr. Mein besonderer Dank gilt den Kollegen Carsten Schneider und Steffen Kampeter, die das Schiff der Koalition, wie ich glaube, gut durch diese Beratungen gelenkt und ein gutes Beratungsergebnis herbeigeführt haben; denn es spricht für sich, dass es gelungen ist, die Nettokreditaufnahme zum ersten Mal seit Anfang der 90er-Jahre auf unter 20 Milliarden Euro zu drücken. Mit 19,6 Milliarden Euro erreichen wir den niedrigsten Wert seit der Wiedervereinigung. Daran zeigt sich, dass wir konsequent konsolidieren.
Herr Koppelin, eigentlich kann in dieser Woche auch jeder Oppositionspolitiker dieses Ergebnis als ganz wichtigen und bemerkenswerten Schritt hin zur notwendigen Konsolidierung des Bundeshaushaltes begrüßen. Das habe ich in Ihrer Rede vermisst; das fehlte nun wirklich.
Aus heutiger Sicht sieht es auch so aus, als würde diese Nettokreditaufnahme auch während des Vollzugs des Haushalts im nächsten Jahr nicht in Gefahr geraten; denn der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung geht zum Beispiel von einem höheren Wachstum im nächsten Jahr aus als dem, welches wir unseren Haushaltsplanungen zugrunde gelegt haben. Wir sind auf der sicheren Seite und zeigen die notwendige Vorsicht, die sich dann auch auszahlen wird, selbst wenn man Haushaltsrisiken nie ganz ausschließen kann.
Zur Mehrwertsteuererhöhung. Das ist auch für die Koalition keine einfache Sache. Ich glaube, in diesem Bewusstsein diskutieren wir das auch. Herr Koppelin, inzwischen gehen aber fast alle Wirtschaftsforscher davon aus - das ist ein Unterschied zu früher -, dass es durch sie nicht zu einem konjunkturellen Rückschlag kommen wird. Man wird wohl eher eine kleine Delle in der wirtschaftlichen Entwicklung hinnehmen müssen; aber es ist doch positiv und Sie sollten sich eigentlich darüber freuen, dass die Wirtschaft in diesem Land endlich wächst und damit auch die Arbeitslosigkeit - auch die Langzeitarbeitslosigkeit - abgebaut wird. Das sind doch die entscheidenden Signale.
Wir sorgen für den Aufbau sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung. Das macht sich im Übrigen auch in den Sozialkassen bemerkbar.
Mit einer gewissen Sorge sehe ich die Zinserhöhungspolitik der EZB. Ich habe auch in Richtung der EZB die Bitte, sich das genau zu überlegen und nicht zu überziehen.
Der Bundesfinanzminister hat in den letzten Tagen auf die Erkenntnis hingewiesen, dass eine Konsolidierungsschwalbe noch keinen Sommer macht. Deshalb darf die Nettokreditaufnahme des Bundes nach dem niedrigen Stand im Jahre 2007 mittelfristig auch nicht wieder ansteigen, sondern sie muss möglichst weiter sinken. Das sind das Ziel und die Leitlinie dieser Koalition.
Wir haben also einen klaren Konsolidierungserfolg.
Wenn Bundestag und Bundesrat im Sinne eines Wirtschafts- und Finanzpaktes für Deutschland in eine Richtung marschieren, dann sind die nötigen Politikergebnisse auch erzielbar. Dass ein solches Zusammenwirken jetzt endlich möglich ist, ist - das muss man offen sagen - auch die Rechtfertigung für die große Koalition.
In diesem Jahr hat sich bestätigt - wir wussten es auch schon -, dass Haushaltssanierung ohne wirtschaftliches Wachstum und Beschäftigungszuwachs nicht möglich ist.
Deshalb müssen wir - das müssen auch Sie bei Ihren Vorschlägen beachten, Herr Koppelin - bei der Haushaltskonsolidierungspolitik auch immer die konjunkturelle Entwicklung in den Blick nehmen. Deshalb muss Haushaltskonsolidierungspolitik auch immer mit Maßnahmen zur Stärkung insbesondere der Binnenkonjunktur verbunden sein. Das zeigt der Erfolg des 25-Milliarden-Euro-Impulsprogramms, das mit dem Anteil der Länder sogar 37 Milliarden Euro umfasst. Das Impulsprogramm der Regierungskoalition hat beim Wirtschaftswachstum in diesem Jahr eine positive Rolle gespielt und wird dies auch im nächsten Jahr tun.
Wir haben also mit den erwähnten Maßnahmen zum Abbau der Arbeitslosigkeit und zum verbesserten Stellenangebot unseren Beitrag geleistet.
Ich möchte noch auf einen anderen, umstritten diskutierten Punkt eingehen, der auch in Ihren Vorschlägen angesprochen wird. Ich möchte die Aussage wagen, dass auch die Umgestaltung von Arbeitsverwaltung und Arbeitsvermittlung, aktiver Arbeitsmarktpolitik und Leistungsrecht im Rahmen der Agenda 2010 offensichtlich besser ist als ihr Ruf.
Man muss immer abwarten, welche Politikergebnisse sich im Laufe der Zeit tatsächlich einstellen. Das sage ich an diejenigen gewandt, die die Hartz-IV-Gesetze am liebsten wieder abschaffen wollen,
und denjenigen, die immer noch meinen, es bedürfe einer Verschärfung von Hartz IV auf dem Wege einer Generalrevision. Für die SPD-Fraktion stelle ich fest: Das ist nicht unser Weg; wir gehen vielmehr den bisher beschrittenen Weg weiter, der sich als erfolgreich herausgestellt hat.
Diese positiven wirtschaftlichen Entwicklungen haben sich auch in der Steuerschätzung von Anfang des Monats niedergeschlagen.
In diesem Jahr fließen fast 20 Milliarden Euro Steuereinnahmen mehr in die öffentlichen Kassen als bisher geschätzt. Im nächsten Jahr werden trotz Mehrwertsteuererhöhung nicht viel weniger Zusatzeinnahmen erzielt.
Zur Frage, ob die Mehrwertsteuererhöhung mit Blick auf Bund und Länder verzichtbar oder unverzichtbar ist: Ein ersatzloser Verzicht auf die Mehrwertsteuererhöhung würde sich für die Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen nur dann rechnen, Herr Koppelin, wenn der Verzicht das deutliche Wirtschaftswachstum noch einmal so stark steigern würde, dass weitere, zusätzliche Steuereinnahmen für den Bund, die Länder und die Gemeinden mindestens in der Höhe der Mehrwertsteuererhöhung erzielt würden, und zwar auf Dauer.
Das wäre ein Vabanque-Spiel, meine Damen und Herren von der Opposition.
Wir haben uns in der Koalition darauf verständigt, einen solchen riskanten Weg nicht zu gehen. Auch nach der positiven Steuerschätzung bleiben wir bei unserer Linie, und zwar mit gutem Grund.
Im Übrigen ist zwar immer vom Bund die Rede; aber die Länder, in deren Haushalte ein Drittel des Aufkommens aus der Mehrwertsteuererhöhung fließt, werden schon gar nicht auf diese Zusatzeinnahmen verzichten.
Es bedarf keiner besonderen prophetischen Fähigkeiten, um vorherzusagen, dass die Oppositionsparteien in dieser Woche der Regierungskoalition mangelnden Sparwillen vorwerfen werden.
Sie haben das auch schon getan, Herr Koppelin.
Man kann wirklich nicht sagen, dass wir den Menschen zugunsten der Haushaltskonsolidierung nichts zumuten. Sie haben zu Recht erwähnt, dass wir eine Reihe von Steuervergünstigungen - zum Beispiel die Pendlerpauschale - abbauen. Wir haben das Haushaltsbegleitgesetz 2006 beschlossen, das auch in den Folgejahren wirkt. Wir haben allerdings auch beschlossen, dass Spitzenverdiener einen Zuschlag auf ihre Einkommensteuer zahlen.
Ihre Vorschläge zu zusätzlichen Einsparungen halten wir auch diesmal nicht für brauchbar. Sie sind ein Sammelsurium, weder ökonomisch noch sozial verträglich und in vielen Punkten rechtlich nicht realisierbar.
Die Mehrwertsteuererhöhung lässt sich nicht durch Einsparungen bei den Staatsausgaben ersetzen. Das sollte niemand behaupten. Damit meine ich nicht nur die Opposition, sondern - das sage ich ausdrücklich - auch Institutionen wie die Deutsche Bundesbank oder die meisten Wirtschaftsforschungsinstitute, die ständig öffentlich den Eindruck erwecken, man könne das Konsolidierungsaufkommen aus der Mehrwertsteuererhöhung durchaus durch Einsparungen bei den Sozialtransfers und den Subventionen erzielen. Leider werden diejenigen, die so etwas predigen, selten konkret und nennen nicht die Betroffenen. Dann müssten sie nämlich eingestehen: Um das Aufkommen aus der Mehrwertsteuererhöhung zu ersetzen, müssten die Renten sofort und massiv gekürzt werden, müsste das Arbeitslosengeld II sofort und massiv gesenkt werden und müssten wohl auch öffentliche Investitionen gekürzt werden. Das alles ist mit uns nicht zu machen.
Zudem sind massive Einschnitte bei den Transferleistungen nicht gut für die Binnennachfrage.
Unsere Doppelstrategie, Haushaltskonsolidierung mit Konjunkturstabilisierung und Wachstumsförderung zu verbinden, wird auch 2007 fortgeführt, und zwar nicht nur mit dem 25-Milliarden-Euro-Impulsprogramm. Vielmehr senken wir den Arbeitslosenversicherungsbeitrag um 2,3 Prozentpunkte. Trotz des Anstieges des Rentenversicherungsbeitrags und der erwarteten Erhöhung des Krankenversicherungsbeitrags wird der Gesamtsozialversicherungsbeitrag damit im nächsten Jahr netto um etwa anderthalb Prozentpunkte sinken. Ich gehe fest davon aus, dass die von den Krankenkassen und manchen Gesundheitspolitikern an die Wand gemalten Horrorzahlen über die zu erwartenden Erhöhungen der GKV-Beiträge übertrieben sind. Der zusätzliche Zuschuss in Höhe von 1 Milliarde Euro aus dem Bundeshaushalt 2007 an die gesetzliche Krankenversicherung und eine Entschuldungsfrist für die gesetzlichen Krankenkassen bis Ende 2008 werden hier stark dämpfend wirken. Im Übrigen sind die Krankenkassen im Moment im Protest sehr stark. Sie sollten aber endlich zeigen, wie gut sie bezüglich effizienter Aufgabenerfüllung und Verwaltung tatsächlich sind. Hier sollten sich die Krankenkassen einmal beweisen.
In diesem Zusammenhang ist außerdem klar: Wir werden in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode die Frage klären müssen - der Bundesfinanzminister hat es am letzten Wochenende in einem Zeitungsinterview angesprochen -, wie es um die Finanzierung der vereinbarten steigenden Bundeszuschüsse an die GKV in den nächsten Jahren bestellt ist. Vor dieser Entscheidung steht die Koalition. Hier ist eine milliardenschwere Zusage erteilt worden. Damit gibt es dauerhaft eine zunehmende Finanzierungslücke. Das müssen wir gemeinsam noch vor der nächsten Bundestagswahl regeln.
Ich glaube, dass die Nettosenkung der Sozialversicherungsbeiträge stimmungsaufhellend wirken wird und dass die Unternehmensteuerreform, die wir bis zum Sommer nächsten Jahres in das Bundesgesetzblatt bringen werden, einen Beitrag dazu leisten wird.
Wir haben auf die Entwicklung in Europa bei den Unternehmensteuersätzen zu reagieren, aber nicht im Sinne eines Steuersenkungswettlaufs. Vielmehr hat sich die politische Arbeitsgruppe zur Unternehmensteuerreform, die von Peer Steinbrück und Roland Koch geleitet wurde, mit der zentralen Frage beschäftigt, wie wir Steuergestaltungen verhindern können, die die Steuerbasis in Deutschland unzulässig verringern. Wir können es uns nicht leisten und unser Gemeinwesen kann es sich nicht leisten, dass viele Unternehmen das grenzüberschreitende nominale Steuersatzgefälle nutzen, um in Deutschland mit der hiesigen Infrastruktur erwirtschaftete Gewinne über bestimmte Finanzierungskonstruktionen dem Zugriff des deutschen Fiskus zu entziehen. Das ist zwar legal, aber politisch nicht akzeptabel, auch nicht im Hinblick auf die vielen zahlenden Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.
Hier entgehen dem Staat viele Milliarden, die dringend zur Finanzierung von Zukunftsaufgaben benötigt werden. Nichtstun würde die Lage nicht verbessern, sondern auf Sicht sogar verschlechtern. Trotz der aktuell guten Prognosen des Steueraufkommens brauchen wir deswegen eine Unternehmensteuerreform.
Dabei geht es darum: ?Ja“ zu einer Stärkung der Attraktivität des Produktions-, Investitions- und Beschäftigungsstandortes Deutschland; ?Nein“, es geht nicht um Steuergeschenke für reiche Konzerne
und nicht um Steuerausfälle auf Dauer. ?Ja“, es geht um verstärkte Steuerzahlung derjenigen Unternehmen an den deutschen Fiskus, die sich bislang der deutschen Besteuerung durch gezielte Gestaltung intensiv entzogen haben.
Insgesamt bietet der Kompromiss, den wir in der Arbeitsgruppe von SPD und CDU/CSU gefunden haben, sehr viele Verbesserungen. Insbesondere für den Mittelstand gibt es erhebliche Verbesserungen. Die Lage des Mittelstandes wurde steuerlich schon in den letzten Jahren erheblich verbessert. Verbesserungen gibt es auch für die Kommunen, die sich auf eine stabile Finanzierung durch eine erweiterte Gewerbesteuer verlassen können. Damit können sie hoffentlich endlich Aufträge vergeben, die auch für den Mittelstand in den Kommunen wichtig sind. Letztlich wird es auch Verbesserungen für die öffentlichen Haushalte insgesamt geben.
Ich wünsche mir, dass alle hier im Deutschen Bundestag den weiteren Gesetzgebungsprozess zur Unternehmensteuerreform konstruktiv begleiten und mitgestalten. Es lohnt sich.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich erteile der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch für die Fraktion Die Linke das Wort.
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE):
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein BBC-Reporter fragte mich letzte Woche, warum die Bundesregierung denn in einem Umfragetief sei, wo doch die Konjunktur anspringe und die Arbeitslosigkeit sinke.
Die Antwort findet sich unter anderem in einer repräsentativen Umfrage unter 600 Führungskräften aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung. Mehr als die Hälfte der Befragten gab zu Protokoll, dass der wirtschaftliche Aufschwung nichts mit der Arbeit der Regierung zu tun habe. In dieser Frage scheint sich also die so genannte Elite ausnahmsweise mit der Mehrheit der Bevölkerung einig zu sein.
Ich möchte zu Ihrer Überraschung die allgemeine Kritik etwas relativieren; denn immer dann, wenn die Regierung den Vorschlägen der Linken folgt, ist sie in Maßen erfolgreich.
Die Linke fordert seit Jahren mehr öffentliche Investitionen. Die Bundesregierung hat dieser Forderung teilweise nachgegeben und es zeigt sich, dass bei deren Umsetzung zur kurzfristigen Belebung der Binnennachfrage beigetragen wurde. Ich will Sie daran erinnern, damit Sie Ihre eigene Geschichte nicht vergessen, dass Herr Merz und die neoliberale Lobby
noch vor ein paar Jahren heftig gegen öffentliche Investitionsprogramme wetterten und ausschließlich auf Steuersenkung für Kapitalgesellschaften und Besser- und Bestverdienende setzten.
Aber alle Erfahrung hat gezeigt: Die Steuersenkungen brachten Steuerausfälle und keine neuen Arbeitsplätze. Darum ist die fortdauernde Steuersenkungspolitik für Besserverdienende falsch und wird von uns abgelehnt.
Ich will auf eine weitere beachtliche Wirkung der Linken hinweisen. Inzwischen spricht man sogar von einem Linksruck in der CDU. Das ist natürlich etwas übertrieben, aber Herr Rüttgers ist nicht dafür zu kritisieren, dass er - wie wir als Linke - die Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I fordert; zu kritisieren ist nur, dass er dafür das Geld den jungen Arbeitslosen wegnehmen will. Das ist absurd und gesellschaftspolitisch kontraproduktiv.
Wir als Linke haben einen Antrag zur Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I eingebracht. Am Donnerstag wird dazu eine namentliche Abstimmung stattfinden. Dann werden die Bürgerinnen und Bürger wissen, wer wirklich wofür steht. Wir beantragen zusätzlich die Anhebung des Arbeitslosgeldes II auf 420 Euro im Monat und übernehmen damit die begründete Forderung der Wohlfahrtsverbände. Auch hier, so denke ich, müssen Sie den Bürgerinnen und Bürgern zeigen, wofür sie stehen.
Obwohl ich einiges Positive benannt habe, will ich vor Euphorie warnen, nicht nur was den Linksruck in der CDU betrifft, sondern auch was den wirtschaftlichen Aufschwung betrifft. Es gibt eine verbreitete Wahrnehmungsstörung bei CDU, CSU und SPD. Es gibt nämlich nicht den Aufschwung. Der wirtschaftliche Aufschwung ist klar dreigeteilt. Für einen sehr kleinen Teil der Gesellschaft geht es immer aufwärts, egal wie die allgemeine wirtschaftliche Lage ist. Ich denke zum Beispiel an die 300 reichsten Deutschen, die jedes Jahr im ?Manager-Magazin“ genannt werden.
Egal ob Krise oder Konjunktur, es herrscht immer Champagnerstimmung und es gibt immer einen Grund für die Vorstände von Siemens, der Deutschen Bank oder der Deutschen Bahn, sich die Gehälter dramatisch zu erhöhen. Dieser Teil der Bevölkerung lebt in Sicherheit, weil es wirtschaftlich und politisch für ihn keine Überraschung gibt. Der Bundesrechnungshof hat in der letzten Woche kritisiert, dass es vor allem im Süden Deutschlands schon Steueroasen für Millionäre gibt. Besserverdienende haben dort bei einer normalen Lebenserwartung Prüfungen des Finanzamtes nicht zu erwarten. Diese Situation ist wirklich obszön, meine Damen und Herren.
Für die Mittelschicht wird das Leben immer mehr zu einer Fahrt in der Achterbahn. Angst macht sich breit. Immer mehr Menschen stehen vor existenziellen Fragen: Werden sie ihre Arbeit behalten? Verzichten sie auf ihr Gehalt, um ihre Arbeitsplätze scheinbar zu sichern und um dann doch, wie die Mitarbeiter von BenQ, entlassen zu werden?
Und was noch schlimmer ist: Für eine immer größer werdende Gruppe von Menschen in unserem Land wird der soziale Abstieg durch den allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwung nicht einmal aufgehalten. Diese Menschen haben trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs keinen Cent mehr in der Tasche. Im Gegenteil, gerade arme Menschen werden durch die Politik dieser Regierung noch ärmer und ihre Chancen, aus der Armut zu entfliehen, noch geringer. Wir teilen diese Einschätzung übrigens mit Bischof Huber. Er erklärte in der vergangenen Woche, es sei skandalös, dass in unserem reichen Land Armut wieder erblich ist. Ich glaube, das ist ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft.
Besonders bedrückend ist die Konzentration der Armut in den neuen Ländern. Aber das spiegelt sich im Haushalt 2007 nirgends wider. Die meisten vermeiden auch, über Armut zu sprechen, sondern sprechen zum Beispiel von der Überschuldung einiger Bundesländer und von der angeblichen Verschwendung von Solidarpaktmitteln in Ostdeutschland. Der Zusammenhang von Armut und Überschuldung ist offensichtlich noch nicht allen deutlich geworden. Nicht nur die Herren Stoiber, Koch und Wulff, sondern auch Herr Steinbrück forderte nach dem Urteil gegen Berlin Verschuldungsobergrenzen für die Länder. Das klingt gut, das klingt entschlossen, das ist aber grober Unfug. Damit würde man nämlich gegen die Erscheinung eines Problems vorgehen, nicht aber die Ursachen bei den Wurzeln packen.
Sechs Bundesländer haben verfassungswidrige Haushalte. In diesen Ländern ist die Nettokreditaufnahme höher als die Investitionen. Wenn aber sechs von 16 Bundesländern, Herr Kollege, ihren Haushalt nicht in den Griff bekommen, kann man ja wohl nicht mehr von Einzelfällen sprechen. Dafür muss es doch wohl gemeinsame Ursachen geben.
Die Finanzkrise des Bundes, der Länder und Gemeinden ist vor allem ein Ergebnis der falschen Steuerpolitik der alten und der neuen Bundesregierung.
Allein die Steuersenkungen der rot-grünen Bundesregierung haben jährliche Ausfälle von 60 Milliarden Euro für Bund, Länder und Gemeinden verursacht.
Ein letztes Wort noch zur Finanzsituation Berlins. Kulturstaatsminister Neumann wirft Berlin vor, dass es aus der Finanzierung des Stadtschlosses aussteigt. Diese Kritik ist mir völlig unverständlich. Die Bundesregierung kann doch nicht einerseits behaupten, Berlin spare nicht ausreichend, und gleichzeitig erwarten, dass Berlin ein völlig nutzloses Stadtschloss mit dreistelligen Millionenbeträgen finanziert. Das wäre wirklich Verschwendung. Herr Kollege Niebel, an der Stelle hätten Sie ?Verschwendung“ dazwischen rufen können.
Meine Damen und Herren, wir müssen uns fragen, ob der Haushalt 2007 einen Beitrag dazu leistet, die Probleme der Gegenwart und der Zukunft in unserem Land zu meistern. Der Haushalt 2007 belastet vor allem arme Menschen, Rentner, Familien und Kinder mit rund 30 Milliarden Euro. Gleichzeitig aber plant die Bundesregierung eine Unternehmensteuerreform, die die Unternehmen um 29 Milliarden Euro entlasten soll. Das ist nicht nur sozial ungerecht, das ist obszön.
Dabei liegt der effektive Steuersatz für Unternehmen in Deutschland schon jetzt bei nur 16 bis 18 Prozent und damit sind deutsche Unternehmen weltweit mehr als wettbewerbsfähig. Es bedarf also keiner weiteren Steuerentlastung von Unternehmen. Wer das fordert, vertritt Lobbyinteressen und nicht die Interessen des gesamten Volkes, wie es unser grundgesetzlicher Auftrag ist, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.
Wer behauptet, dass die Unternehmensteuerreform den Steuerzahler gar nichts kosten wird, der erinnere sich bitte an die letzte Steuerreform: Im Jahre 2001 wurden in Deutschland zum Beispiel noch 25,5 Milliarden Euro Körperschaftsteuer gezahlt. Ein Jahr später fielen die Einnahmen unter null und die Finanzämter mussten sogar 426 Millionen Euro an Unternehmen zurückzahlen. Wenn das nicht eine Umverteilung von unten nach oben ist!
Wir als Linke wollen einen politischen Richtungswechsel. Weitere Steuersenkungen für Unternehmen schaffen keine neuen Arbeitsplätze. Das hat die alte, rot-grüne Regierung eindrucksvoll bewiesen. Dafür wurde sie abgewählt. Die Lasten in unserem Land müssen neu verteilt werden. Starke Schultern müssen wieder mehr tragen und schwache Schultern müssen entlastet werden. Wer diesen Richtungswechsel nicht will, der setzt auf Konfrontation und nimmt das Auseinanderdriften in unserer Gesellschaft billigend in Kauf. Sagen Sie nicht hinterher, Sie hätten es nicht gewusst!
Während der Haushaltsberatungen ging es auch um die Verwendung der zu erwartenden Mehreinnahmen. Der SPD-Vorsitzende Beck schlug als Erstes vor, dieses Geld in die Auslandseinsätze der Bundeswehr zu stecken. Einen absurderen Vorschlag eines SPD-Vorsitzenden habe ich lange nicht gehört. Aber er wurde ihm augenscheinlich relativ schnell ausgeredet.
Wir als Linke wollen die Mehreinnahmen nutzen, um grobe Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft zu bekämpfen. Wie bereits erwähnt, wollen wir das Arbeitslosengeld II - bekannt als Hartz IV - auf 420 Euro im Monat anheben. Weiterhin wollen wir die Zuschüsse für die Krankenkassen erhöhen, um ein Ansteigen der Kassenbeiträge im nächsten Jahr zu verhindern. Wir haben dazu einen Antrag in die Beratungen eingebracht, der von der Koalition abgelehnt wurde. Allerdings hat die Bundeskanzlerin persönlich unseren Antrag in einer Miniversion übernommen. Ihr ging es dabei allerdings weniger um höhere Beiträge als vielmehr um die Umsetzung ihres alten Konzeptes von der Kopfpauschale. Das lehnen wir als unsolidarisch ab.
Ich will betonen, dass wir in unserem Entschließungsantrag und auch in den Haushaltsberatungen sowohl Vorschläge für Mehreinnahmen als auch Einsparvorschläge gemacht haben. Auf einige dieser Einsparvorschläge möchte ich hier eingehen. Ich kann dabei an den Kollegen Koppelin von der FDP anknüpfen. Die Bundesregierung will im nächsten Jahr noch einmal mehr Geld für Verteidigung ausgeben. Ich sage Ihnen: 28 Milliarden Euro sind eine Stange Geld. Zum Vergleich: Für zivile Investitionen gibt die Bundesrepublik in der gleichen Zeit nur 24 Milliarden Euro aus, also 4 Milliarden Euro weniger als für den Militärhaushalt. Ich finde, da stimmt es vorne und hinten nicht.
Ist es nicht völlig verrückt, dass wir in Friedenszeiten mehr Geld für Rüstung und Militär ausgeben als für zivile Investitionen? Offensichtlich hat fast niemand in diesem Lande damit ein Problem. Selbst der Bund der Steuerzahler, der sich sonst immer meldet, schweigt stoisch, wenn es um die Verschwendung von Steuermitteln bei der Bundeswehr geht.
Die Bundesregierung versucht nun, die hohen Ausgaben mit der steigenden Terrorgefahr zu begründen. Doch schaut man sich die großen Beschaffungsprojekte der Bundeswehr an - wir werden darüber morgen ausführlich diskutieren -, erkennt man, dass die meisten dieser Projekte noch aus der Zeit des Kalten Krieges stammen. Kann mir jemand aus der Koalition erklären, wie man mit Panzerhaubitzen Terroristen jagen will?
- Nein, auch der Minister nicht.
Der Innenminister hat mit der gleichen Begründung in letzter Sekunde ein 132-Millionen-Euro-Programm in den Haushaltsausschuss eingebracht. Dabei setzt man auf flächendeckende Überwachung und auf den Abbau von Bürgerrechten. Die SPD hätte ein solches Paket vor zwei Jahren nur mit spitzen Fingern angefasst und sich angewidert abgewandt. Nun hat sie zugestimmt.
Abschließend will ich auf eine weitere Einsparmöglichkeit hinweisen. Wir sind der Auffassung, dass die kostenintensive Teilung der Bundesregierung mit den Standorten Bonn und Berlin ein Ende finden muss. Der Wanderzirkus sollte spätestens bis zum Jahr 2012 beendet sein. Es kann doch nicht sein, dass wir uns in einem Land, in dem wir von jedem Mobilität und Flexibilität verlangen, diesen Luxus an ministeriellem Beharrungsvermögen leisten.
Meine Damen und Herren, mein letzter Satz: Selbstverständlich fordern wir auch an dieser Stelle die Rücknahme der Mehrtwertsteuererhöhung. Diese Steuererhöhung ist unsozial und Gift für die Konjunktur. Sie ist genauso unsozial wie dieser gesamte Haushalt. Darum lehnen wir ihn ab.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Dr. Michael Meister ist der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion.
Dr. Michael Meister (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In dieser Woche werden wir den Bundeshaushalt 2007 verabschieden.
Die Kollegen im Haushaltsausschuss haben eine gute Grundlage dafür geschaffen, dass die Koalition im Jahre 2007 einen entscheidenden Schritt auf dem Konsolidierungspfad vorankommen wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere von der FDP, selbst die kritische Öffentlichkeit erkennt mittlerweile an, dass die Koalition beim Projekt Etatsanierung auf dem richtigen Wege ist.
Auch Herr Kollege Koppelin - man hat es an seinem Redebeitrag gemerkt - hat ja keinen richtigen Ansatzpunkt gefunden, um Kritik zu üben. Populismus, Herr Koppelin, ersetzt keine solide und seriöse Finanzpolitik für die Bundesrepublik Deutschland.
Binnen zwölf Monaten hat diese Koalition die Nettokreditaufnahme im Bundeshaushalt etwa halbiert. Wir haben sie von einem Niveau von 40 Milliarden Euro auf unter 20 Milliarden Euro Nettoneuverschuldung gesenkt. Zwar ist auch in Zukunft eine weitere Absenkung der Nettokreditaufnahme ein Gebot der Stunde,
aber man sollte den gewaltigen Schritt, den wir nach vorne gemacht haben, anerkennen.
Weiterhin reden wir im Zusammenhang mit dem Haushaltsentwurf 2007 - das ist hier schon vorgetragen worden - über die niedrigste Nettokreditaufnahme seit der Wiedervereinigung. Auch an diesem gewaltigen Schritt zeigt sich, wie ich glaube, dass diese Koalition das Thema ?Konsolidierung des Bundeshaushaltes“ ernst nimmt.
Auch auf Folgendes möchte ich hinweisen: Nachdem Deutschland fünf Jahre hintereinander, nämlich in den Jahren 2001 bis 2005, Kriterien des Maastrichtvertrages verletzt hat, unterschreiten wir nun sowohl 2006 als auch 2007 das Kriterium der Nettoneuverschuldung und kommen in 2007 in die Nähe von 2 Prozent Nettoneuverschuldung. Das ist doch etwas: Wir halten europäisches Recht ein, eigentlich eine Normalität, aber um dies zu realisieren, waren gewaltige Anstrengungen nötig. Ich würde mich freuen, wenn das in dieser Debatte zur Kenntnis genommen würde.
Der Hinweis, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass dies alles über Maßnahmen auf der Einnahmeseite realisiert wird, ist falsch. Die Konsolidierung erfolgt überwiegend auf der Ausgabenseite.
Dies haben wir vereinbart und nun umgesetzt. Selbst wenn Sie hundertmal etwas anderes behaupten, wird das damit nicht richtiger. Fakt bleibt: Wir konsolidieren vornehmlich über Maßnahmen auf der Ausgabenseite.
In der Situation, die wir vorgefunden haben, wäre es uns nicht möglich gewesen - das hat uns der Vorsitzende des Sachverständigenrates in der Anhörung zum Haushaltsbegleitgesetz bestätigt -, sowohl das Neuverschuldungskriterium aus dem Maastrichtvertrag als auch die Vorgaben von Art. 115 des Grundgesetzes einzuhalten, wenn wir nicht gleichzeitig neben den Sparbemühungen auf der Ausgabenseite auch auf der Einnahmeseite etwas getan hätten.
Deshalb haben wir uns nicht mit Freude, sondern aus Verantwortung vor der Aufgabe dazu entschlossen, auch etwas auf der Einnahmeseite zu tun.
Jetzt dürfen Sie sich gerne mit uns darüber freuen, dass wir die Vorgaben des Art. 115 des Grundgesetzes im kommenden Haushalt wieder einhalten werden; denn die Nettokreditaufnahme ist niedriger als die Investitionssumme, und zwar nicht nur deshalb, weil die Nettokreditaufnahme sinkt, sondern auch, Herr Koppelin - das nehmen Sie ja nicht zur Kenntnis -, weil die Investitionssumme wieder steigt. Das bedeutet, wir tun auch qualitativ etwas für den Bundeshaushalt,
indem wir zum Beispiel die Bereiche Forschung und Technologie stärken. Ich erinnere an das Programm zur Hightech-Strategie von Kollegin Schavan. Wir haben uns als Koalition ?committed“, dass dies auch in den nächsten vier Jahren mit dem entsprechenden Geld unterlegt wird und dass wir dafür sorgen, dass wir bei Forschung, Technologie und Entwicklung an der Spitze marschieren und damit trotz angespannter Haushaltslage einen wesentlichen Beitrag zu Wachstum und Beschäftigung leisten.
- Es kommt sehr wohl beim Kunden an. Es liegt ein Stück weit an Ihrer Realitätsverweigerung, dass Sie einfach nicht erkennen, dass wir eine halbe Million Arbeitslose weniger,
300 000 Sozialversicherungspflichtige mehr und einen massiven Aufwuchs bei den Steuereinnahmen haben und dass das Wachstum höher ist, als in den vergangenen fünf, sechs Jahren überhaupt zu träumen war. Kommen Sie doch mal in die Realität, bevor Sie hier Zwischenrufe machen!
Wir haben auch etwas getan, um die Investitionsbedingungen zu stärken. Denn wir haben doch gelernt, dass wir, wenn wir nur sanieren, die Konjunktur abwürgen würden. Wir müssen neben der Haushaltssanierung und dem Sparen, was richtig und wichtig ist, auch für mehr Wachstum sorgen. Dazu haben wir zunächst einmal Investitionsanreize gesetzt. Ich nenne nur die günstigen Investitionsbedingungen für die Unternehmen über die degressive AfA und die Möglichkeiten im Privathaushalt. Das dient der Ankurbelung der Konjunktur. Wir sind jetzt in der Pflicht - das wird der dritte Schritt sein -, dies auch mit strukturellem Wachstum zu unterfüttern. Meine Bitte ist, dass Sie nicht nur Zwischenrufe machen, sondern gelegentlich auch mit einem konstruktiven Vorschlag kommen, wie man das eine oder andere Projekt struktureller Reformen nach vorne bringen kann.
Ich greife den Einwurf von Herrn Koppelin zum Thema Lohnnebenkosten, Arbeitskosten auf. Es ist doch ein gewaltiger Schritt, wenn wir zum 1. Januar 2007 den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung um 2,3 Prozentpunkte senken können.
Das dient der Förderung der legalen Arbeit in Deutschland. Deshalb können Sie nicht sagen, es geschehe nichts an dieser Stelle.
Dann sagen Sie, der Rentenbeitrag steige leider. Ich glaube, genauso wichtig wie die Zahlen, die wir nennen, ist die Tatsache, dass Politik in Deutschland verlässlich, berechenbar und stetig ist.
Mit dem Rentenbeitrag, den wir jetzt festlegen, können wir über die komplette Wahlperiode hinweg ein stabiles Niveau halten. Damit sorgen wir für verlässliche Rahmenbedingungen an dieser Stelle.
Ich hätte mich gefreut, wenn Sie, Herr Koppelin, in der Öffentlichkeit gesagt hätten: Zur Sanierung der Rentenversicherung startet die Koalition das Projekt ?Rente mit 67“ und die FDP geht, weil sie das für richtig hält, kräftig mit voran. -
Ich habe von Ihnen keinen Ton dazu gehört. Sie verweigern sich den strukturellen Reformen, sind aber nicht bereit, andere Vorschläge zu machen. Das muss man einfach einmal deutlich festhalten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sanieren, investieren, reformieren - das ist, glaube ich, der richtige Dreiklang. Ich sage allerdings deutlich: Wir dürfen nach diesem ersten gewaltigen Sanierungsschritt nicht übermütig werden. Wir müssen der Konsolidierung des Haushalts auch für die folgenden Jahre erste Priorität einräumen, damit die Handlungsspielräume künftiger Generationen nicht noch weiter beschnitten werden. Ein Blick auf die Zinslasten im Bundeshaushalt - wir geben rund 15 Prozent unseres Geldes für Zinsen aus; das heißt, wir kommen für Ausgaben auf, die in der Vergangenheit zu viel getätigt worden sind, und zwar zulasten der Zukunft - zeigt, dass es dringend notwendig ist, dass wir an dieser Stelle umsteuern und zu einer Finanzierung der Zukunft übergehen, meine Damen und Herren.
Ich will an dieser Stelle folgenden Einwurf machen. Wir haben ja ein außerordentlich niedriges Zinsniveau. Dennoch bin ich der Meinung, dass es für die Menschen in unserem Land neben der Haushaltskonsolidierung ungeheuer wichtig ist, dass wir auch eine unabhängige Geldpolitik haben,
die für stabiles Geld und eine niedrige Inflation sorgt, was die Basis einer vernünftigen Sozialpolitik ist; denn es gibt nichts Unsozialeres als steigende Inflationsraten.
Wir stellen uns den weiteren Herausforderungen. Bei einem gesamtstaatlichen Defizit von 2 Prozent ist die Konsolidierung nicht beendet. Vielmehr muss sie weitergeführt werden. Deshalb werden wir in den kommenden Jahren in einer Größenordnung von gesamtstaatlich rund 10 Milliarden Euro weiter konsolidieren müssen. Dabei sind unsere Annahmen für Wachstum und Beschäftigung zurückhaltend; das ist vorhin schon angesprochen worden. Ich warne hier auch vor jeglicher Euphorie. Diese hat in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass wir immer wieder am Jahresende mit Negativbotschaften überrascht wurden. Dieses Jahr haben wir zum ersten Mal die Erfahrung gemacht, dass die Botschaften positiv waren. Deshalb ist das der richtige Ansatz.
Auch Herr Engels vom Bundesrechnungshof sagt - ich darf zitieren -:
Rechnet euch nicht die Steuern schön, weil sonst der Haushalt sofort wieder in eine Schieflage kommt, dieweil alle Welt der Notwendigkeit enthoben ist, an der Ausgabenseite zu sparen und Prioritäten zu setzen.
Recht hat er.
Die Koalition handelt gemäß dieser These. Deshalb sind wir auf dem richtigen Weg.
Ich will darauf hinweisen, dass vor 40 Jahren etwa 27 Prozent der Wirtschaftsleistungen für Investitionen in die Zukunft und 22 Prozent für Sozialausgaben eingesetzt wurden. Heute, also 40 Jahre später, geben wir etwa 10 Prozent weniger für Investitionen und 10 Prozent mehr für Sozialausgaben aus. An dieser Stelle besteht für uns also die große Herausforderung, im Haushalt umzusteuern, die Investitionen wieder zu stärken und durch vernünftige Reformen die Aufwendungen für Sozialleistungen zurückzuführen. Das hat nichts mit Sozialabbau zu tun. Die entscheidende Frage ist, wie wieder mehr Menschen in den ersten Arbeitsmarkt kommen. Wenn das der Fall ist, müssen wir weniger für Sozialleistungen ausgeben und haben gleichzeitig mehr Möglichkeiten für die Finanzierung unserer gesamtstaatlichen Aufgaben. Unser Ansatz ist also, durch Verbesserung der Chancen am ersten Arbeitsmarkt das von mir soeben beschriebene Problem zu lösen.
Ich will noch auf einen Punkt eingehen, den meine Vorrednerin von der PDS angesprochen hat. Es geht um das Thema Sicherheit. Ich glaube, es ist die Grundforderung an jedes Staatswesen, seinen Bürgern Sicherheit zu gewähren.
Ein Staat, der seinen Bürgern keine Sicherheit gewährt, wird von ihnen nicht mehr akzeptiert. Es ist daher richtig, dass sich diese Koalition dazu entschieden hat, im Bereich des Bundesministers der Verteidigung und des Bundesinnenministers die notwendigen zusätzlichen Aufwendungen für mehr Sicherheit zu tätigen, um den vor uns liegenden Herausforderungen durch den internationalen Terrorismus gerecht zu werden. Ich sage eindeutig: Auch hier ist die große Koalition auf dem richtigen Wege und handelt im Interesse der Bürger der Bundesrepublik Deutschland.
Wir haben die Föderalismusreform I abgeschlossen. Auch dies war ein gewaltiger Schritt in den ersten zwölf Monaten.
Wir stehen nun vor einem weiteren großen Projekt. Wir haben uns nämlich darauf verständigt, eine Föderalismusreform II auf den Weg zu bringen, bei der es um die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden geht. An dieser Stelle ist es wichtig - wir reden ja auch über Defizite -, einmal zu überprüfen, ob die heutigen Verschuldungsregeln, die im Grundgesetz und im Maastricht-Vertrag enthalten sind, überhaupt noch konsistent zueinander sind oder ob es nicht notwendig ist, sie besser aufeinander abzustimmen und sie in der Weise zu gestalten, dass tatsächlich eine Politik für zukünftige Generationen gemacht wird. Deshalb ist es richtig, dass dieser Punkt an dieser Stelle auf der Tagesordnung steht. Die Koalition wird sich auch dieser Herausforderung stellen.
Ich will abschließend noch auf das Thema Strukturreformen eingehen. Herr Koppelin sagte, die Koalition käme beim Thema Unternehmensteuerreform nicht voran. Wie auch der Kollege Poß habe ich der Arbeitsgruppe angehört, die sich mit dieser Reform befasst hat. Die Koalition hat sich trotz dieses hochkomplexen Themas auf schlüssige und tragfähige Eckpunkte geeinigt. Man kann also nicht den Eindruck gewinnen, dass es bei diesem Thema nicht vorangegangen ist. Jetzt stehen wir vor der Aufgabe, die Eckpunkte mithilfe eines Gesetzes umzusetzen. Nach den ersten Einschätzungen des ZEW aus Mannheim werden wir dann, was die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland betrifft, vom letzten Platz auf einen Platz im Mittelfeld vorrücken.
Ich hätte mir gut vorstellen können, dass kritisiert werden würde, warum wir nur solche Punkte beschlossen haben, die uns vom Tabellenende ins Mittelfeld führen, und nicht solche Punkte, die uns weiter an die Spitze führen. Eine solche Debatte hatte ich eigentlich erwartet. Aber die Debatte in Deutschland verläuft in die andere Richtung. Es wird die Frage gestellt, ob wir überhaupt vom Tabellenende weg müssen. Ich sage dazu eindeutig Ja. Wenn wir langfristig Wachstum und Beschäftigung wollen, dann müssen wir etwas für bessere Standortbedingungen in Deutschland tun, was uns vom Tabellenende ins Mittelfeld führt.
Ich würde mich freuen, wenn diese Unternehmensteuerreform als eine Zukunftsinvestition verstanden würde.
Ich persönlich glaube, Herr Koppelin, dass über mehr Wachstum und Beschäftigung der Bundeshaushalt und auch die Haushalte von Ländern und Kommunen dauerhaft stabilisiert werden. Sie werden nicht durch Einzelmaßnahmen stabilisiert, sondern durch die Schaffung von besseren Rahmenbedingungen für Wachstum und Beschäftigung. In diesem Zusammenhang ist die Unternehmensteuerreform ein herausragender Pfeiler.
Ich will auf einen weiteren Punkt hinweisen. Wir diskutieren hier über Geld, also über die Frage: Was kostet uns diese Reform? Das ist eine sehr statische Betrachtung. Denn wir unterstellen bei dieser Betrachtung, dass wir das Steuerrecht ändern und sich alle Mitspieler genauso verhalten wie vorher, dass kein Einziger sein Verhalten nach der Reform des Steuerrechts ändert. Das ist doch eine Annahme, die nicht von dieser Welt ist. Es ist doch folgendermaßen: Wenn ich die Regeln ändere, verhalten sich die Spieler auf dem Spielfeld anders. Wenn ich den Fußballern heute erlaube, auch die Hände zu benutzen, dann werden sie ab morgen auch mit den Händen spielen. Solange dies verboten ist, tun sie es nicht.
Das heißt, Regeländerungen führen zu Verhaltensänderungen. Das muss zur Kenntnis genommen werden. Deshalb müssen wir aufhören, von statischen Betrachtungen auszugehen, und müssen zu dynamischen Betrachtungen übergehen. Denn unser Land braucht Dynamik und nicht Statik.
Wer eine dynamische Betrachtung durchführt, wird sehen, dass es zu Verhaltensänderungen der Steuerpflichtigen kommt. Kollege Poß hat zu Recht angesprochen, dass wir dafür sorgen wollen, dass Gewinne, die in Deutschland erwirtschaftet werden, auch hier der Besteuerung unterzogen werden. Wir erwarten Verhaltensänderungen. Wir stoßen sie durch die von uns getroffenen Maßnahmen an.
Wenn man vom Tabellenende ins Tabellenmittelfeld kommen will, dann geht es auch darum, am Standort Deutschland für mehr Investitionen, mehr Beschäftigung und damit natürlich für mehr Einnahmen zu sorgen, die wir bei geringeren Tarifen erzielen wollen. Man sollte also keine statische Betrachtung anstellen, sondern die Dynamik, die erzeugt wird, zur Kenntnis nehmen.
Das, was wir zur Sanierung des Bundeshaushaltes aufgelegt haben, ist ein sehr ehrgeiziges Programm. Ich glaube, dass es uns gelungen ist, die verschiedenen Bausteine, nämlich Sanieren, Investieren und Reformieren, in richtiger Weise zusammenzuführen und zu mischen. Diese Koalition unter Führung der Union ist auf dem richtigen Wege.
Ich freue mich auf diese Haushaltswoche und glaube, dass sowohl das Parlament als auch die Öffentlichkeit unseren Weg bestätigen werden.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen hat die Kollegin Anja Hajduk das Wort.
Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die große Koalition hat - das kann man feststellen - Fortune. Im Interesse unseres Landes kann man das als Opposition auch ertragen. Aber nicht zu akzeptieren ist, dass die Kollegen der großen Koalition - das ist bei Herrn Meister gerade wieder deutlich geworden - nicht zwischen der Fortune, die sie haben, und dem, was sie ?eigene gewaltige Anstrengungen“ nennen, unterscheiden können.
Das ist schlicht und ergreifend lächerlich. Das sagt niemand anderes; nur Sie betonen das in Ihren Reden.
Ich will das belegen. Schauen wir uns das Haushaltsjahr 2006 an. Sie haben sich in den Koalitionsverhandlungen für eine Nettokreditaufnahme von 38 Milliarden Euro entschieden. Sie haben gesagt, diese brauche man 2006, damit die Wirtschaft anspringe. Wir werden in diesem Jahr bei einem Wirtschaftswachstum von 2,5 Prozent - Deutschland liegt damit deutlich über seinem Potenzialwachstum -
bei einer gleichzeitigen Nettokreditaufnahme von 30 Milliarden Euro liegen. Das ist ein klarer Verstoß gegen die Verfassung. Das hat Ihnen der Sachverständigenrat vor einigen Tagen gesagt.
Zumindest im Haushaltsvollzug hätten Sie stärker gegensteuern können. Ihre haushaltspolitische Zielsetzung in Ihrem ersten Haushaltsjahr war, sich Schulden in Höhe von 38 Milliarden Euro zu gestatten. Dass Sie jetzt nur Schulden in Höhe von 30 Milliarden Euro machen, feiern Sie schon als Erfolg. Das bezahlen die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes aber mit steigenden Zinsen. Das ist ein Armutszeugnis für Ihre Politik.
Das setzt sich fort. Wie ist es denn im Haushalt 2007? Im Haushalt 2007 ist eine Nettokreditaufnahme von unter 20 Milliarden Euro geplant. Das ist besser als in den letzten Jahren unter Rot-Grün. Das weiß ich; das leugne ich auch nicht. Aber Sie sollten diese Zielsetzung an den Spielräumen messen, die Sie haben. Im Bund wird es Steuermehreinnahmen in Höhe von knapp 18 Milliarden Euro geben; die Steuereinnahmen steigen laut Steuerschätzung im Vergleich zu 2006 um diesen Betrag. Sie wollen zusätzlich die Privatisierungen um 2,5 Milliarden Euro erhöhen. Das sind knapp 20 Milliarden Euro, je nachdem wie hoch die Privatisierungserlöse ausfallen. Sie planen also Mehreinnahmen in Höhe von etwa 20 Milliarden Euro und eine Senkung der Nettokreditaufnahme um circa 11 Milliarden Euro.
Was heißt das? Das heißt, Sie steigern die Ausgaben bei guter wirtschaftlicher Entwicklung. - Wer angesichts von Mehreinnahmen in Höhe von 20 Milliarden Euro die Nettokreditaufnahme nur um die Hälfte senkt, Herr Röttgen, der kann nicht von einem Methodenwechsel in der Haushaltspolitik der großen Koalition reden. Sie lehnen sich zurück und sonnen sich in der rosaroten Konjunkturentwicklung. Das kann dieses Land eigentlich nicht gebrauchen.
Sie als große Koalition müssten mehr leisten und ehrlich Zeugnis über Ihre Möglichkeiten ablegen. Das wissen Sie auch. Sie lehnen sich stattdessen bei konjunkturellem Rückenwind zurück. Sie sind aufgrund Ihrer grundsätzlichen Differenzen erschöpft; das verstehe ich natürlich.
Ich komme nun auf einen zweiten Bereich zu sprechen. Wie erbringen Sie Ihre Einsparungen? Herr Meister hat wiederholt, was uns Herr Steinbrück im Sommer gesagt hat: Auf der Ausgabeseite würden 60 Prozent konsolidiert und es sei eine Legende der Opposition, dass die Steuereinnahmen der Hauptkonsolidierungsbeitrag wären.
Ich will deutlich machen, woraus Ihre Haupteinsparungen bestehen: Die erste Verschiebung findet zugunsten des Haushalts und zulasten der Rentenkasse in Höhe von 2 Milliarden Euro statt, weil Sie die Rentenzuschüsse für die Bezieher von Arbeitslosengeld II von 78 auf 45 Euro senken. Der zweite Verschiebebahnhof heißt Gesundheitsversicherung. Sie wollten 2,8 Milliarden Euro in diesem Jahr zulasten der Gesundheitsversicherung zugunsten des Haushalts verschieben. In der Gesundheitsreform ist das Verschieben aber uneindeutig, weil ständig einer die Weichen umstellt: Mal sollen keine Steuereinnahmen in die Gesundheitsversicherung fließen, ein andermal sollen mehr Steuereinnahmen in die Gesundheitsversicherung fließen. Die Kanzlerin fügt hinzu: Das findet nur statt, wenn die Steuereinnahmen das Konjunkturell zulassen. Auf diesen Aspekt komme ich gleich noch einmal zurück.
Im Bereich der Gesundheit gibt es einen Zickzackkurs und im Bereich der Rente einen Verschiebebahnhof. Das sind dann die berühmten strukturellen Einsparungen von Herrn Steinbrück, die in diesem Haushalt 3,8 Milliarden Euro ausmachen. Meines Erachtens ist das aber nichts anderes als eine unehrliche Masche, die nicht nur die Bürgerinnen und Bürger belastet, sondern auch den Faktor Arbeit. Darauf komme ich jetzt zu sprechen.
Das selbst gesetzte Ziel, die Lohnnebenkosten auf unter 40 Prozent zu drücken, wird glatt verfehlt, Frau Merkel. Ich will Ihnen eine Rechnung vorlegen, die eine ehrliche Bilanz der Lohnnebenkosten aufweist: Bei der Pflegeversicherung bleibt es bei einem Beitrag von 1,7 Prozent. Das ist von mir freundlich gerechnet; denn die Reform ist hier überfällig. Bei der Krankenversicherung liegt der Durchschnittsbeitrag momentan bei 14,3 Prozent.
Dieser Beitrag wird, wiederum sehr koalitionsfreundlich gerechnet, im nächsten Jahr auf 15 Prozent steigen. Der Rentenversicherungsbeitrag liegt zurzeit bei 19,5 Prozent. Durch die Politik der großen Koalition wird er im nächsten Jahr bei 19,9 Prozent liegen. Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung liegt bei 6,5 Prozent. Die Senkung des Beitrags um 1,3 Prozentpunkte, die aus den Anstrengungen der BA resultiert, kann sich die große Koalition aber nicht auf die eigene Fahne schreiben.
5,2 Prozentpunkte in der Arbeitslosenversicherung sind Produkt der Reformen von Hartz I bis Hartz IV, die Sie teilweise bekämpft haben und bei denen Herr Rüttgers jetzt schon wieder wackelt, Frau Merkel. Das wird noch zu einem Problem für Sie.
Überlegen Sie doch: Die Bundesagentur hat durch ihre Reformanstrengungen einen Eigenbeitrag in Höhe von 1,3 Prozentpunkten erbracht. Insofern landeten die Lohnnebenkosten in diesem Jahr bei 40,7 Prozent. Im nächsten Jahr werden sie aufgrund der Maßnahmen der großen Koalition bei 40,8 Prozent liegen. Nun könnte man sagen, es handele sich ja nur um 0,1 Prozent. Hinzu kommt jedoch noch ein weiteres Problem: die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte. Bei einer ehrlichen Gesamtbetrachtung erkennt man, dass die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte zur Senkung der Lohnnebenkosten faktisch nichts beiträgt. Sie wird vielmehr die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen besonders belasten.
Wie sieht die Bilanz aus? Kleinere Einkommen werden belastet und die Unternehmensteuerreform wird nicht aufkommensneutral sein, weil Sie dazu nicht die Kraft haben. Daran erkennt man die soziale Schieflage, die letztlich Ihre Politik kennzeichnet. Das hat Frau Lötzsch richtig erkannt.
Ich möchte auf die Gesundheitsreform zurückkommen. Einige Entscheidungen, die die Leistungssätze betreffen, finden wir gar nicht so falsch. Das Hauptproblem ist die Finanzierung. Die Gesundheitsreform ist, was die Finanzierung betrifft, gänzlich missraten. Das sagen alle, die davon Ahnung haben und sich als Experten melden. Das wissen Sie auch. Deshalb haben Sie, wenn Sie sich dazu äußern müssen, auch einen sehr schweren Stand. Ich habe das jüngst selbst erlebt.
Wenn an dem Fonds, den Sie einrichten werden, auch die PKV beteiligt wäre, wenn auch andere Finanzierungsmittel einfließen würden, hätte man einen Fonds vielleicht noch rechtfertigen können. Jetzt ist dieser Fonds nichts anderes als eine Form, in die Sie Ihren faulen Kompromiss gegossen haben. Er ist schädlich für das Gesundheitssystem. Deswegen ist die große Koalition an dieser Stelle gescheitert.
Ich stelle die These auf, dass Sie die Gründung dieses Fonds und die Durchführung dieser Gesundheitsreform deswegen nicht lassen können, weil Sie sie zum Maßstab für die Handlungsfähigkeit der großen Koalition gemacht haben. Wenn Sie auch nur ein bisschen ernst nähmen, was Ihnen Sachverständige zu dieser Reform sagen, dann müssten Sie sagen: Wir machen diese Reform nur hinsichtlich der Ausgaben, nicht jedoch hinsichtlich der Finanzierung. Diese wird verschoben, weil es 2009 sowieso eine Wahlauseinandersetzung über die Gesundheitsreform gibt. Wir verzichten auf diesen Unfug. - Das wäre souverän. Ansonsten tun Sie dem System keinen Gefallen.
Warum spreche ich das in dieser Haushaltsdebatte an? Frau Bundeskanzlerin, Ihre Reformkompetenz gerät in ein seltsames Licht. Im Zuge der Koalitionsvereinbarungen haben Sie gesagt, es gebe keine Steuermittel mehr für die Gesundheitsversicherung. Im Sommer dann haben Sie einen Kompromiss geschlossen und entschieden, dass demnächst wieder Steuermittel hineinfließen sollen, aber ehrlich gesagt, dass Sie dafür noch eine Gegenfinanzierung brauchen, die Sie derzeit noch nicht hätten. In diesem Herbst jedoch beschließen Sie - weil die Steuerquellen so schön sprudeln -, die Steuerfinanzierung vorzuziehen. - Das ist ein Zickzackkurs ohne solide Gegenfinanzierung. Das spricht auch nicht für das Vorhandensein von Reformkompetenz.
Ich will Ihnen das an einer Stelle verdeutlichen: Im Haushaltsausschuss gab es einen heftigen Streit zwischen CDU/CSU und SPD, als ich gefragt habe, was jetzt eigentlich vorgezogen wird.
Sie haben erklärt, die steuerfinanzierte Mitversicherung der Kinder würde vorgezogen. Das jedoch sieht die SPD ganz anders. Solange die GKV und die PKV getrennt sind, wird es mit der SPD - und zwar zu Recht - keine Steuerfinanzierung der Mitversicherung der Kinder geben. Das war ein Kommunikationsgag, den Sie sich da geleistet haben. Es gibt im Moment keine Grundlage für die steuerfinanzierte Mitfinanzierung von Kindern in der Krankenversicherung.
Im übernächsten Jahr gibt es einen nicht gegenfinanzierten Steuerbeitrag für die Krankenversicherung in Höhe von 4 Milliarden Euro. Dadurch ist ein riesiges Loch im Haushalt entstanden. Im Jahr 2007 beläuft sich der Steuerzuschuss auf 2,5 Milliarden Euro und da hilft die Konjunktur. Herr Steinbrück weiß noch nicht, wie er diese 4 Milliarden Euro im Jahr 2008 finanzieren soll.
Mit diesem Zickzackkurs bestätigen Sie leider ein altes Vorurteil in Deutschland, dass nämlich die Steuerfinanzierung sozialer Sicherungssysteme nur nach Kassenlage ginge und nicht solide zu finanzieren sei. Mit Ihrem Zickzackkurs im Gesundheitsbereich haben Sie dieses Vorurteil leider aufs Extremste bestätigt.
Ich komme zum Haushalt zurück und möchte über die Finanzplanung sprechen. Herr Meister, Sie haben gesagt, Sie hätten sich sehr angestrengt und das, was hier vorgelegt würde, sei zukunftsweisend für die Haushaltspolitik.
Die Finanzplanung - das habe ich schon vor einigen Monaten kritisiert und der Finanzminister hat mir da Recht gegeben - ist überhaupt nicht ambitioniert. Sie sieht heute noch eine Neuverschuldung auf dem Niveau von knapp unter 20 Milliarden Euro bis 2009/2010 vor.
Diese fehlende Konsolidierungsperspektive muss man aus heutiger Sicht kritisieren. Vielleicht ist das auch ein Hinweis darauf, dass wir uns im Parlament mehr um die Finanzplanung kümmern sollten. Dass die Neuverschuldung innerhalb der nächsten Jahre nicht abgebaut wird, ist nicht zu rechtfertigen.
Sie, Herr Steinbrück, haben gesagt, Sie wollten sich nicht festlegen, wann in den nächsten Jahren Sie die Nettokreditaufnahme auf Null reduzieren können.
Sie wollen sich nicht festnageln lassen. Herr Steinbrück, ich rate Ihnen, sich in diesem Fall an dem Kollegen Kampeter zu orientieren.
Wie sehr ist die Reform des Maastrichtvertrages von Herrn Kampeter gescholten worden? Jetzt will er aber, dass der Vertrag eingehalten wird. In diesem Jahr beträgt die Defizitquote 2,2 Prozent. Laut Maastrichtvertrag sind wir verpflichtet, die Defizitquote jährlich um 0,5 Prozent abzubauen.
Es kann mal einige Abweichungen geben, je nachdem wie man das strukturelle Defizit definiert. Bis 2010 sollten wir aber ?close to balance“ sein. Sie müssen ja keine Null versprechen, Herr Steinbrück, wir werden Sie auch nicht auf 1 Milliarde oder 2 Milliarden Euro festnageln.
Aber die bisherige Unverbindlichkeit der großen Koalition bei der Finanzplanung für die nächsten Jahre ist im Sinne einer generationengerechten Politik nicht zu akzeptieren.
Ich komme noch einmal auf Herrn Röttgen zurück. Wenn die große Koalition einen Methodenwechsel in der Haushaltspolitik will, dann muss sie für die Finanzplanung andere Eckwerte festlegen. Sie dürfen sich nicht nur auf dem Rücken einer schönen Konjunktur ausruhen und den Kollegen Kampeter kritisieren, wenn er sagt, dass wir bis 2010 einen ausgeglichenen Haushalt haben müssen. Daran werden wir die große Koalition messen müssen; denn das ist im Interesse unserer Gesellschaft.
Ich kann mich sehr wohl daran erinnern, dass Rot-Grün das Ziel hatte, in den Jahren 2004 bis 2006 eine Nettokreditaufnahme von Null zu erreichen. Auch wenn wir das nicht geschafft haben,
war die Zielsetzung doch nicht falsch.
- Hören Sie doch einmal zu! - Weil wir wissen, dass es in der deutschen Gesellschaft aufgrund der demografischen Entwicklung ab 2015 finanziell schwer wird, weil die Entwicklung durch die alternde Gesellschaft erst dann richtig stark auf die sozialen Sicherungssysteme durchschlagen wird, müssen wir im Jahr 2010 einen ausgeglichenen Haushalt haben, um einige Jahre ein bisschen Geld für die richtig schweren Zeiten zurücklegen zu können. Diesen Maßstab darf man an eine große Koalition anlegen. Diesen Maßstab legen wir auch an.
Ich finde, Sie sollten mit der Kritik des Sachverständigenrates etwas wohlwollender umgehen. Herr Poß hat gesagt, ihm sei die Kritik zu akademisch und zu abgehoben. Meines Erachtens hat der Sachverständigenrat das sehr höflich formuliert. Er hat gesagt, die große Koalition sei mit Elan gestartet, habe sich dann aber in widerstreitenden parteipolitischen Interessen verheddert. Das ist eine ziemlich freundliche Beschreibung Ihrer Gesundheits- und Arbeitsmarktpolitik. - Ich fordere Sie auf: Nutzen Sie die Konjunktur nicht als Alibi für Ihr Zaudern und Zögern! Nutzen Sie die gute Konjunktur nicht als Wärmeofen! Lehnen Sie sich nicht mit einer rosaroten Brille zurück! Ich habe gerade deutlich gemacht, dass große Herausforderungen vor uns liegen. Wir erwarten, dass Sie konsequent handeln.
Ich möchte Sie auf einen sehr ausführlichen Antrag von uns Grünen zu dem gerade beschriebenen Thema hinweisen. Wir brauchen neue Methoden und Regeln im Haushalt. Ich habe gerade gesagt, dass wir eine verbindlichere Finanzplanung brauchen. Ich bin auch davon überzeugt, dass wir eine neue Verfassungsregel brauchen. Art. 115 des Grundgesetzes ist nicht nur wirkungslos, sondern in seiner jetzigen Form schädlich. Das will ich an einem Artikel deutlich machen, den ich heute im ?Handelsblatt“ gelesen habe. Darin fordert Finanzstaatssekretär Mirow, dass die Verfassungsregel künftig eine Verpflichtung enthalten soll, den Schuldenabbau in konjunkturell guten Zeiten zu beschleunigen. Ich bin eingangs auf die Nettokreditaufnahme für die Jahre 2006 und 2007 eingegangen. Hier kann man nur sagen: Die Handhabung des Art. 115 des Grundgesetzes durch die große Koalition ist schädlich, weil sie in konjunkturell guten Zeiten viel zu viele Schulden macht. Deswegen muss in der Tat etwas Neues her.
Wir haben Ihnen in dieser Woche eine Alternative vorgelegt, die noch gesetzlich ausgearbeitet werden muss. Ich weiß, dass in Ihren Reihen darüber diskutiert wird.
Ich finde, wir brauchen eine Ausgabenregel, die sich an den Einnahmen und der konjunkturellen Entwicklung orientiert. Man kann die Einnahmen mit einem Konjunkturfaktor kombinieren und einen Ausgabenkorridor festlegen. Nach einem solchen System funktioniert die Schuldenbremse in der Schweiz. Wir haben uns in einer Anhörung damit befasst.
Ich fordere die große Koalition auf: Verschieben Sie dieses Problem nicht in die Föderalismusreform II! Hier muss der Bund vorangehen. Die Ministerpräsidenten, die widerstreitenden Interessen zwischen Bund und Ländern lösen sonst eine Blockade aus. Wenn die große Koalition einen Methodenwechsel erreichen will, dann muss sie bis 2009 ein neues Haushaltsrecht schaffen. Sie haben breite Mehrheiten dafür. Sie bekommen auch unsere Unterstützung. Verschieben Sie dieses Thema nicht auf die Ebene eines Gesprächsmarathons. Geben Sie sich einen Ruck und stimmen Sie unserem Antrag am Freitag zu! Wir würden uns freuen, an dieser Stelle mit Ihnen gemeinsam weiterzukommen.
Sie können dann auch zeigen, wie ernst Sie es meinen oder ob es sich wieder nur um eine Ankündigung handelt.
Ich komme zum Schluss. Wir Grünen haben einen eigenen Zukunftshaushalt entworfen. Darin haben wir Einsparungen in Höhe von 3,7 Milliarden Euro vorgeschlagen und einen weiteren Subventionsabbau - da legen Sie in diesem Jahr eine ziemlich große Pause ein -, durch den 2,4 Milliarden Euro eingespart werden. Wir kommen damit insgesamt auf ein Einsparvolumen in Höhe von mehr als 6 Milliarden Euro in diesem Haushalt; dies wäre auch beim letzten Haushalt möglich gewesen. Wir machen unsere Vorschläge auch zugunsten von Zukunftsinvestitionen, insbesondere im Klimaschutz, in den erneuerbaren Energien sowie in Bildung und Forschung. Wir wollen, dass die kommenden Generationen eine Zukunftsdividende aus der Haushaltspolitik von heute bekommen.
Sie müssen beim Thema Subventionsabbau neu lernen. Herr Steinbrück, Sie haben uns Grüne für unsere Anträge im Zusammenhang mit den Kohlesubventionen sehr angegriffen.
Ich möchte Sie auf den Haushalt Ihres Kollegen Glos hinweisen. Herr Glos schlägt vor, die Kohlesubventionen im nächsten Jahr aufgrund der Anrechnung der Weltmarktpreise um 114 Millionen Euro zu senken.
Herr Glos hat dem Haushaltsausschuss ein Papier vorgelegt, in dem steht, dass aufgrund der Zuwendungsvereinbarung, die wir noch unter Rot-Grün ausverhandelt haben, die steigenden Weltmarktpreise stärker dazu genutzt werden sollen, dass der Steuerzahler weniger Kohlesubventionen zahlt.
Sie haben uns hier bisher immer gesagt, das sei gesetzlich alles festgezurrt, das müssten wir wissen, wir sollten nicht immer solche Anträge vorlegen.
Herr Glos hat in diesem Herbst jetzt selbst dargelegt, im nächsten Jahr 300 Millionen Euro von der RAG zurückzufordern, mit einem Bundesanteil von 230 Millionen Euro.
Sie ziehen jetzt aufgrund einer Sprechklausel voreilig gehorsam zugunsten der RAG Beträge ab und kommen auf einen Betrag in Höhe von 114 Millionen Euro. Wir, die Opposition, nehmen Sie in die Pflicht: Das können 230 Millionen Euro für den Bund sein. Wenn man so handelte, bräuchte man neue Investitionen nicht mehr auf Pump zu finanzieren, sondern könnte sie durch Subventionsabbau gegenfinanzieren.
Ich hoffe, dass Sie an dieser Stelle ein bisschen Ehrlichkeit walten lassen und zugeben, dass so manches heftige Wort der Kritik von Ihnen nicht immer berechtigt war.
Ich fordere Sie auf: Setzen Sie sich mit unseren haushaltsrechtlichen Vorschlägen bitte konstruktiv auseinander! Setzen Sie sich mit unserer Arbeitsmarktpolitik - wir wollen die Lohnnebenkosten im Niedriglohnbereich deutlich senken - auseinander! Wir haben am Donnerstag Zeit, darüber zu diskutieren. Ich kann Sie nur aufrufen, ein bisschen mehr oder am besten richtig grün zu handeln statt rosarot zu sehen.
Ich danke Ihnen.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen, Peer Steinbrück.
Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich möchte zu Beginn meiner Rede Herrn Fricke sehr herzlich zu seinem Geburtstag gratulieren. Ich wünsche Ihnen, dass alle Ihre privaten Pläne gelingen und Ihre beruflichen, politischen Pläne nur so weit, dass sie meine nicht beeinträchtigen.
Es ist fast genau ein Jahr her, dass zum zweiten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland eine große Koalition das Mandat für die Regierungsbildung und die Wahrnehmung der politischen Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland bekommen hat, unter anderem eben auch eine sehr schwergewichtige wirtschafts- und finanzpolitische Verantwortung. Die Bedingungen für die Politik ganz allgemein, aber insbesondere für die Wirtschafts- und Finanzpolitik, unterscheiden sich allerdings sehr stark von den Bedingungen in den Zeiten, in denen Herr Kiesinger und Herr Brandt, Herr Strauß und Herr Schiller die Verantwortung hatten. Es haben sich Veränderungen eingestellt, die sich diese wie viele andere Politiker der ersten großen Koalition wahrscheinlich nie haben vorstellen können. Heute handelt es sich eher um strukturelle Herausforderungen, zum Beispiel in Form eines sehr ausgeprägten demografischen Wandels, von dem ich glaube, dass er noch sehr viel weiter reichende gesellschaftliche Auswirkungen haben wird, als wir es in unseren Debatten gelegentlich eingestehen. Es ist ein weltweit völlig verändertes Muster von Wettbewerbsbeziehungen festzustellen. Darüber hinaus haben wir notorische Probleme mit den öffentlichen Haushalten. - An dieser Stelle könnte man selbstkritisch die Frage aufwerfen, ob die Grundlagen für die heutigen Probleme nicht vielleicht genau zur damaligen Zeit gelegt worden sind.
Die Anforderungen der Bürgerinnen und Bürger an die staatliche Leistungsfähigkeit sind unverändert hoch; daran hat sich nichts geändert. Dass wir uns einem scharfen Wettbewerb und einer fortgesetzten Globalisierung stellen müssen, dass wir also, wie ich es gelegentlich ausdrücke, die Rollos an unseren Grenzen nicht in einem protektionistischen Reflex herunterlassen dürfen, ist, wie ich glaube, inzwischen ein Grundkonsens; exotische Bewertungen lasse ich an dieser Stelle außen vor.
Wir werden uns allerdings fragen müssen, wie die finanz- und wirtschaftspolitischen Antworten auf die Globalisierung zu unserem Gesellschaftsmodell, unserer sozialen Marktwirtschaft und unserem Sozialmodell passen und wie wir unzweifelhaft vorhandene Verliererpositionen und Verlustängste sowie unübersehbare Fliehkräfte, die unsere Gesellschaft auseinander zu dividieren drohen, so eingrenzen zu können, dass weder die Stabilität unseres Gemeinwesens noch - als Folge einer Destabilisierung unseres Gemeinwesens - der ökonomische Standort Bundesrepublik Deutschland beschädigt werden.
Unbenommen dieser großen Herausforderungen, die sich, wie ich glaube, von den Problemen, die die erste große Koalition zu meistern hatte, qualitativ unterscheiden, wären wir allerdings schlecht beraten, der sehr verbreiteten Neigung zum Lamento und zur Unterschätzung der Potenziale unseres Landes weiterhin nachzugeben. Was in diesem Zusammenhang geschieht, hat gelegentlich, auch in der öffentlichen Kommentierung, sadomasochistische Qualitäten.
Zum wiederholten Male ist der deutschen Volkswirtschaft der Titel des Exportweltmeisters verliehen worden. Dies allein reicht nicht; das ist richtig. Aber es ist auch kein Zeichen von Schwäche, sondern ein Zeichen von Stärke, und zwar gerade in Zeiten, in denen große asiatische Volkswirtschaften zunehmend als unsere Konkurrenten im Welthandel auftreten und unsere Exportaktivitäten eher erschweren als erleichtern. Zum ersten Mal seit langer Zeit ist bei den Ausrüstungsinvestitionen eine erfreuliche Entwicklung zu verzeichnen. Die Baukonjunktur kommt zum ersten Mal seit Jahren aus ihrem Tal. Langsam springen auch die anderen vier Zylinder des Sechszylinders unserer Volkswirtschaft an: die Binnennachfrage. All das sind erfreuliche Entwicklungen.
Während Karl Schiller und Franz Josef Strauß mitten in einer sehr handfesten Rezession, die sie zu bewältigen hatten, in der Bundesrepublik Deutschland Regierungsverantwortung übernahmen, freut sich die zweite große Koalition - und mit einem angemessenen Gesichtsausdruck auch der Bundesfinanzminister - über eine sehr robuste Aufschwungbewegung; das ist richtig. Aber diese Zahlen dürfen nicht missverstanden werden. Ich bin für den Hinweis von Frau Hajduk sehr dankbar: Das ist kein Wärmeofen, der es ermöglicht, auf weitere Strukturreformen, die wir dringend brauchen, zu verzichten. Darauf werde ich noch zurückkommen.
Den Prognosen zufolge wird unsere Wirtschaft in diesem Jahr aller Wahrscheinlichkeit nach in einer Größenordnung von 2,3 Prozent bis 2,5 Prozent wachsen, so stark wie selten in den letzten Jahren. Dass wir das Maastrichtkriterium bereits in diesem Jahr deutlich erfüllen werden - die Defizitquote Deutschlands wird circa 2,2 Prozent betragen, vielleicht sogar nur 2,1 Prozent - und dass wir im nächsten Jahr die Verschuldungsgrenze des Art. 115 des Grundgesetzes nach langer Zeit erstmals wieder einhalten werden, sind gute Nachrichten. Sie entsprechen den erklärten Zielsetzungen und Ankündigungen der großen Koalition.
Ich erinnere mich, was für eine tobende Debatte wir bei der Einbringung dieses Haushaltes darüber geführt haben - das gilt übrigens auch für die Einbringung des Haushalts für das Jahr 2006 -, dass wir in diesem Jahr die Ausnahmeregelungen des Art. 115 des Grundgesetzes in Anspruch nehmen müssen.
Ich denke, dass die Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen im Hinblick auf Art. 115 des Grundgesetzes seinerzeit sehr richtig entschieden haben,
um den Konjunkturaufschwung zu unterstützen.
Als ein Finanzminister, der sich nicht ausschließlich auf eine fiskalische Sichtweise reduzieren lassen möchte, sondern der auch die Notwendigkeit sieht, dass Haushalts- und Finanzpolitik eine gestaltende Funktion haben sollten, ist für mich von größter Bedeutung, dass der stattfindende Aufschwung auch auf dem Arbeitsmarkt ankommt. Und das tut er. Fast eine halbe Million weniger Arbeitslose, ein Anstieg der Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse um 250 000, 825 000 als offen gemeldete Stellen und die erfreuliche Tendenz, dass wir von September auf Oktober 88 000 weniger ALG-II-Empfänger haben, das sind keine schlechten Zahlen, man darf sich darüber freuen.
All dies bedeutet nicht nur eine Entlastung für die Sozialversicherung und die öffentlichen Haushalte, sondern es bedeutet vor allem soziale und gesellschaftliche Teilhabe, weniger Verlierer, weniger Verlustängste bei denjenigen, die wieder einen Job haben. Das ist gut für diese Menschen und deren Familien in der Bundesrepublik Deutschland.
Mehrfach - um einem Popanz gleich entgegenzuwirken -, auch von dieser Stelle, habe ich darauf hingewiesen, dass ich es für genauso vermessen wie falsch hielte, wenn dieser Konjunkturaufschwung von der Bundesregierung für sich allein reklamiert würde. Dies tut keiner von uns, auch keiner aus den Koalitionsfraktionen.
Doch unbeteiligt daran, Herr Koppelin, sind diese Bundesregierung, die große Koalition, und ihre Vorgängerregierung, die Regierung von Gerhard Schröder, auch nicht.
Die Erfahrung lehrt übrigens: Immer dann, wenn die Konjunktur gut läuft, gilt dies als Verdienst der Wirtschaft und immer dann, wenn die Konjunktur schlecht läuft, soll es die Schuld der Bundesregierung sein.
Das ist eine Theorie, die sehr häufig der Opposition zuzuordnen ist.
Ich nehme für diese Bundesregierung in der Tat in Anspruch, dass wir gemeinsam einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Konjunktur geleistet haben. Dieser robuste Konjunkturaufschwung ist auch ein Beleg dafür, dass die von uns entwickelte ?Strategie der doppelten Tonlage“ - Konsolidierung und Impulse für Wachstum und Beschäftigung - richtig gewesen ist, von Anfang an. Die Widerrede, die es gegeben hat, und die Kritik daran haben sich nicht bestätigt.
- Zum Beispiel das Investitionsprogramm mit einem Volumen von 25 Milliarden Euro, das eine Vielzahl von privaten Investitionen ausgelöst hat.
Erkundigen Sie sich einmal nach dem CO2-Gebäudesanierungsprogramm! Erkundigen Sie sich einmal nach den zusätzlichen 6 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung! Alles nicht verkehrt, sondern alles richtig.
Deshalb sage ich mit einer Portion Selbstbewusstsein, aber fern jeder Überheblichkeit: Diese Bundesregierung hat in ihrem ersten Jahr Managementqualitäten bewiesen.
- Frau Hajduk, Sie lachen. Wenn ich mir anschaue, mit welchen Managementfehlern und welchen Fehlentwicklungen wir es auf den Führungsetagen mancher deutscher Unternehmen zu tun haben, wenn ich mir anschaue, mit was für vielen sich widersprechenden Wirtschaftsexpertisen wir pro Woche zu tun haben, wenn ich mir anschaue, wie undifferenziert und wie platt fordernd manche Verbände auftreten, und wenn ich mir anschaue, was an vielen Medienberichten alles richtig zu stellen oder mit größerem Augenmaß zu versehen wäre, dann glaube ich sagen zu dürfen: Diese Bundesregierung - die Politik generell - hat viel Anlass, Vorurteilen betreffend Substanz und Qualität ihrer Entscheidungen mit größerem Selbstbewusstsein entgegenzutreten und die Dinge richtig zu stellen.
Das wäre für das Vertrauen in die politischen Entscheidungsprozesse und das Vertrauen in staatliche Institutionen nicht unwichtig, auch für die weitere Perspektive, wie sich unser demokratisches Gemeinwesen entwickelt.
Ja, etwas mehr Selbstbewusstsein im Angesicht der Häme gegenüber denjenigen, die politische Verantwortung tragen, wäre nicht schlecht.
Ich bleibe dabei: Der Verzicht auf zusätzliche Konsolidierungsmaßnahmen - über das hinaus, was wir angekündigt haben - im laufenden Jahr war konjunkturpolitisch gesehen richtig, genauso wie das von mir schon apostrophierte Impulsprogramm. Einen konjunkturellen, also einen temporären wirtschaftlichen Aufschwung politisch zu unterstützen, das ist das eine - eine Volkswirtschaft wieder auf einen dauerhaft höheren Wachstumspfad zu führen, ist allerdings etwas anderes und sehr viel schwieriger.
Genau dieses dauerhaft höhere Wachstum brauchen wir. Denn ohne ein Erschließen des Wachstumspotenzials wird es uns weder gelingen, die öffentlichen Haushalte zu sanieren, noch, die sozialen Sicherungssysteme robuster zu finanzieren, noch, die Arbeitslosigkeit wirksam weiter zu bekämpfen.
Die wahrscheinlich wichtigste Erkenntnis, die wir aus dem gegenwärtig erfreulichen Konjunkturaufschwung ziehen sollten, lautet deshalb, dass die Strukturreformen der letzten Jahre fortgesetzt werden müssen, damit wir endlich wieder ein höheres Potenzialwachstum erreichen. Die Rendite solcher Maßnahmen erzielt man immer mit einem gewissen Zeitverzug. Ich sage deshalb voraus - dessen bin ich mir ziemlich sicher -, dass nach einem solchen Zeitverzug auch die Rendite der heute umstrittenen Reformmaßnahmen - ob es die Gesundheitsreform oder die Unternehmensteuerreform ist - erzielt wird.
Wir fragen uns sehr selbstkritisch, warum das durchschnittliche Potenzialwachstum der Bundesrepublik Deutschland in den letzten Jahren geringer als in anderen europäischen Ländern - auf außereuropäische Entwicklungen komme ich auch noch zu sprechen - gewesen ist. Die Antwort darauf ist relativ simpel: weil andere europäische Länder nach Lage der Dinge sieben bis acht Jahre vor uns mit wichtigen Strukturreformen begonnen haben und jetzt eine Rendite erzielen, sodass die freigesetzten öffentlichen Mittel insbesondere in Bildung, Forschung, Entwicklung und Infrastruktur investiert werden können.
Für diejenigen, die hier sehr unbeweglich sind, kann man in diesem Zusammenhang vielleicht den Fürsten Salina aus dem Roman ?Der Leopard“ von di Lampedusa zitieren, der sinngemäß gesagt hat: Wenn du vieles von dem erhalten willst, was sich bewährt hat und was du schätzt, dann musst du einiges verändern. - Ich glaube, in dieser Situation ist unsere Republik.
Bei dieser Gelegenheit will ich allerdings nicht nur auf die Länder innerhalb der Europäischen Union schauen - auf die Niederlande, auf die skandinavischen Länder und übrigens auch auf Irland, wo sich erstaunliche Entwicklungen vollzogen haben -, sondern ich möchte das Augenmerk des Hohen Hauses und der gesamten deutschen Öffentlichkeit sehr viel stärker auch auf die ungeheuer dynamische Entwicklung in anderen Weltregionen lenken.
Im September bin ich auf dem Treffen des Internationalen Währungsfonds gewesen - einige von Ihnen waren dabei: Herr Meister, Herr Michelbach und viele andere; aus meiner Fraktion zum Beispiel Herr Spiller und Herr Krüger - und gerade bin ich von dem G-20-Treffen aus Australien gekommen, sodass ich nach meinem Empfinden im Augenblick eine Rede ungefähr zu Mitternacht halte.
- Ja, da kommt man schon einmal auf gute Ideen. - In den letzten Tagen bin ich auch in Dubai gewesen. Ich kann Ihnen sagen: Bei diesen Besuchen habe ich eine ungeheure Dynamik wahrgenommen. Diese und andere Staaten bauen große Finanzzentren auf. Sie entwickeln neue Finanzmarktprodukte, um insbesondere auch Kapitalströme zu aktivieren.
In Dubai habe ich gelernt, was ?Islamic Banking“ heißt. Man generiert dort völlig neue Finanzprodukte für ungefähr 1,3 bis 1,5 Milliarden potenzielle Konsumenten in der islamischen Welt. Diese Länder bauen Containerhäfen in der Größenordnung derer in Hamburg und Rotterdam. Es geht um Logistik und die Infrastruktur des Luftverkehrs. Sie investieren in Forschung und Entwicklung und in Bildung. Das heißt, Kapital-, Güter- und Know-how-Ströme werden in diese verschiedenen Weltregionen gelenkt.
Natürlich haben einige Länder davon Spielräume aufgrund der augenblicklichen Hausse auf den Rohstoffmärkten, also sehr spezifischer Entwicklungen, und ich will gar nicht in Abrede stellen, dass es Ambivalenzen gibt, dass vieles gar nicht auf die Bundesrepublik Deutschland übertragbar ist. Ich weiß auch, dass die Urteile über das, was buchstäblich weltweit passiert, sehr weit auseinander gehen. Wer aber glaubt, dies alles sei irrelevant und für die Beantwortung der Frage zu vernachlässigen, wie wir unseren zukünftigen Wohlstand sichern können, der macht einen fatalen Fehler und streut uns sehr viel Sand in die Augen.
Ich glaube, wer den Bürgern vorgaukelt, sie könnten ihr Wohlstandsniveau und das Niveau unserer sozialen Wohlfahrt dadurch erhalten, dass im Wesentlichen alles so bleibt, wie es ist, und dass wir uns nicht anstrengen müssen, der flüchtet aus der Verantwortung für unser Land.
Meine Damen und Herren, die große Koalition liegt sehr gut im Zeitplan bezüglich der Umsetzung dessen, was sie sich in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen hat. Ich will mich nicht in Details verlieren, aber doch an einige Punkte erinnern, weil es gelegentlich offenbar in Vergessenheit gerät: erstens an die erste Stufe der Föderalismusreform, zweitens an die Einführung des Elterngeldes, drittens an die Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre, viertens an die Blaupause der Unternehmensteuerreform - ich komme noch darauf zurück -, fünftens an die Fortentwicklung und Optimierung von Hartz IV, sechstens an das Impuls- und Wachstumsprogramm, siebtens an die Hightech-Strategie Deutschland und achtens - last, not least - an die Gesundheitsreform, so umstritten sie sein mag und so einseitig sie bewertet wird. Herr Seehofer und Frau Schmidt haben mich übrigens daran erinnert, dass die Gesundheitsreform häufig mit Begriffen bewertet wird, mit der auch alle vorhergehenden Gesundheitsreformen in den früheren Jahren schon bewertet wurden, was ein gewisses Licht auf die Kritiker hier wirft.
Ich stelle dabei nicht in Abrede, dass der großen Koalition nicht alles gelungen ist, dass manches handwerklich fehlerhaft ist, dass wir wahrscheinlich besser kommunizieren müssen und dass vielleicht manche unserer Abstimmungsprozesse zu lange dauern. Ich verhehle erst recht nicht, dass die große Koalition auch eine Reihe von Entscheidungen getroffen hat, die nicht zur Aufhellung der Stimmungslage der Bevölkerung beigetragen hat. Die Mehrwertsteuererhöhung war ein solches Beispiel.
Das ist mir sehr bewusst.
Aber wenn die Regierung von einer Sache überzeugt ist, dann muss sie Entscheidungen treffen und ihre Gründe erklären. Genau dies ist die Aufgabe der großen Koalition.
Ich halte mich dabei an eine Lebensweisheit von keinem Geringeren als Winston Spencer Churchill, der gesagt hat: ?Wer die bessere Einsicht hat, darf sich nicht scheuen, unpopulär zu werden.“
Die notwendige Konsolidierung der öffentlichen Haushalte lässt sich nicht allein auf der Ausgabenseite durch Haushaltskürzungen ermöglichen, Frau Hajduk. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Wir brauchen vielmehr strukturelle Verbesserungen auf der Einnahmeseite. Der Staat benötigt zur Erfüllung seiner Aufgaben eine strukturell abgesicherte Einnahmebasis oder er verliert seine Funktionsfähigkeit.
Die meisten Menschen sind daran interessiert, dass unser Staat funktions- und handlungsfähig ist.
Der Dreiklang von Steuersenkung, null Neuverschuldung und Erhöhung öffentlicher Investitionen, der gelegentlich vonseiten der FDP zu vernehmen ist, kann nur auf den Oppositionsbänken angestimmt werden, aber nicht im politischen Alltag einer Exekutive oder einer Regierungspartei.
Ein zentrales Element unserer finanzpolitischen Gesamtstrategie ist die Unternehmensteuerreform. Was wir als Blaupause vorgelegt haben, ist ein Beleg für die Gestaltungskraft und Gestaltungsfähigkeit der großen Koalition. Die vorgeschlagene Reform ist eine Investition in unser Land. Denn mit ihr schaffen wir eine im internationalen Vergleich attraktive Unternehmensbesteuerung und gleichzeitig ein Steuerrecht, das Steuerumgehung zulasten des Fiskus und der Finanzierung öffentlicher Aufgaben in Deutschland unattraktiv macht. Inzwischen bescheinigt uns eine Reihe früherer Kritiker, dass unser Konzept die deutsche Wirtschaft wird fördern können. Im internationalen Standortvergleich machen wir einen großen Sprung nach vorne.
Wenn durch diese Reform das Investieren in Deutschland wieder attraktiver wird, dann profitieren hiervon alle: diejenigen, die wieder Arbeit bekommen, und der Gesamtstaat, dem höhere Einnahmen zur Verfügung stehen. Allein darum geht es. Es geht nicht um Steuergeschenke. Dieser Begriff dient nur dem Zweck, die Unternehmensteuerreform zu diskreditieren. Um es klipp und klar zu sagen: Durch diese Reform bekommt niemand etwas geschenkt. Mit dieser Reform stellen wir vielmehr sicher, dass die Unternehmen auch in Zukunft einen angemessenen Anteil zur Finanzierung der Staatsaufgaben beitragen, gerade auch auf der kommunalen Ebene, die als Träger öffentlicher Investitionen von erheblicher Bedeutung ist.
Genauso klar ist: Die Unternehmensbesteuerung unverändert zu lassen, um sich gegen die Kritik verteilungspolitischer Natur zu wappnen, die unter Hinweis auf Zumutungen an anderer Stelle anführt, die Reform gehöre nicht in die jetzige Zeit, ist für Deutschland die ungünstigste Variante. Denn dies würde uns in Deutschland jährlich Steuereinnahmen, Arbeitsplätze und Investitionen kosten und zusätzliche Investitionen ins Ausland abdrängen. Der unsägliche Kapitalabfluss, unter dem wir schon jetzt zu leiden haben, ginge weiter.
Allerdings - das weiß jeder Steuerpolitiker - lassen sich anfängliche Steuermindereinnahmen nicht vermeiden, wenn man Steuersätze mit sofortiger Wirkung senkt und die Bemessungsgrundlage mit einer nachlaufenden Wirkung zu erweitern versucht. Das ist der entscheidende Punkt. Wir haben im Parteirat der SPD mit dieser Darlegung keine Schwierigkeiten, Herr Koppelin.
- Dann machen Sie sich die Schwierigkeiten in der Argumentation noch zueigen!
Wir haben höhere Steuereinnahmen. Das ist die gute Nachricht. An den Grundproblemen der öffentlichen Haushalte hat sich dadurch aber nichts geändert. Deutschland hat nach wie vor 1 500 Milliarden Schulden. Die jährlichen Zinsbelastungen des öffentlichen Haushaltes betragen 40 Milliarden Euro. Die Nettokreditaufnahme beträgt dieses Jahr 30 Milliarden Euro. Das heißt, wir geben einen Großteil der finanziellen Mittel für gegenwärtige Bedürfnisse statt für Investitionen in unsere Zukunft aus. All dies engt den Handlungsspielraum dieses Parlamentes und der Politik in Deutschland in Zukunft dramatisch ein.
Die erfreuliche Entwicklung in diesem Jahr ist eben nicht der politische bzw. der fiskalische Urknall, mit dem die Haushaltsprobleme auf einen Schlag gelöst werden. Deshalb kann es nur eine weitere Marschrichtung geben: Auch zukünftig muss konsolidiert werden.
Die ökonomischen und verteilungspolitischen Argumente derjenigen - das sage ich in Richtung der linken Seite dieses Hauses -, die in einer zunehmenden Staatsverschuldung eine Art Münchhausentrick sehen, mit dem man sich am eigenen Haarschopf wieder aus dem Sumpf zieht, teile ich nicht.
Ich komme darauf gleich noch in einem Satz zu sprechen, weise aber schon jetzt darauf hin, dass verteilungspolitisch gesehen eine wachsende Verschuldung das Ungerechteste ist, was es gibt, weil sie eine Verschiebung zugunsten der Kapitalbesitzer und zulasten der ?normalen“ Steuerzahler zur Folge hat.
Das ist das größte Umverteilungsprogramm, das man sich vorstellen kann.
- Nein. Sie machen Vorschläge, die Mehraufwendungen in einer Größenordnung von 20 Milliarden bzw. sogar 25 Milliarden Euro zur Folge haben. Sie wollen das über Steuererhöhungen gegenfinanzieren. Wenn man Ihren Vorschlägen folgen wollte und eine Refinanzierung alleine über die Einkommensteuer vornähme, dann müsste der Spitzensteuersatz auf sage und schreibe 73 Prozent erhöht werden. Das alles ist außerhalb jeder Proportion und jeder Balance, dass Sie es mir bitte nicht übel nehmen, wenn ich darauf erst bei unseren nächsten Gesprächen im Haushaltsausschuss bzw. Finanzausschuss eher am Rande eingehe und nicht hier.
Wir haben uns entschlossen, mit der Senkung der Nettokreditaufnahme ein deutliches Signal zu setzen. Es ist die geringste seit der deutschen Wiedervereinigung. Es gibt gegenläufige Entwicklungen, die man in einer haushaltspolitischen Debatte durchaus anerkennen sollte, insbesondere dass der Aussteuerungsbetrag korrigiert werden muss oder dass wir mit den Kommunen einen Kompromiss gefunden haben, der im Vergleich zum Haushaltsentwurf 2,3 Milliarden Euro mehr kostet. Das sollte man bei dieser Gelegenheit erwähnen, damit die Gestaltungsspielräume nicht als uferlos dargestellt werden. Ich halte es aber für einen sehr wichtigen Beitrag, dass uns beides gelingt: eine deutliche Senkung der Neuverschuldung und gleichzeitig eine Rückführung der Lohnnebenkosten. Beides ist Zielsetzung dieser Bundesregierung; beides machen wir. Dazu trägt insbesondere die Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags von 6,5 auf 4,2 Prozent wesentlich bei.
In allem zeigt sich erneut - aus Zeitgründen kann ich darauf nicht näher eingehen -, dass die Vorschläge der Opposition im Wesentlichen sehr virtueller Art sind. Bei der Linken habe ich es allein mit dem Hinweis auf die Unwucht zwischen den geforderten Mehrausgaben und den Steuererhöhungen, die dieser Republik auferlegt werden sollen, deutlich zu machen versucht. Das Gleiche gilt für die FDP. Herr Koppelin, Sie halten Ihr ?Liberales Sparbuch“ in jeder haushaltspolitischen Debatte hoch - obwohl ich den Eindruck habe, dass es das vom letzten Jahr ist.
- Dann ist es ein neues. Sie sind jedenfalls im letzten Jahr zur Regierungsbank gekommen und haben es mir überreicht, damit es ein schönes Foto gibt. Das ist auch Sinn der Sache. Das kann man respektieren. Herr Koppelin, ich nehme das Buch nachher gern entgegen, damit es nicht am Foto fehlt.
Ich habe in meiner ersten Rede zum Haushalt 2007 gesagt - ich setze zum Schlusssprung an -, dass es nicht alleine Aufgabe des Finanzministers ist, eine Haushalts- und Finanzpolitik zu betreiben, die uns Spielräume für die Zukunft erschließt und unseren Vorstellungen von Generationengerechtigkeit entspricht. Das ist vielmehr eine Aufgabe des gesamten Kabinetts, aller Fachpolitiker und übrigens auch der Bundesländer.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Herr Bundesminister, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage des Kollegen Kuhn zu beantworten?
Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:
Nein. Ich habe nur noch eine halbe Minute Redezeit. Das schaffe ich nicht mehr.
Die Haushalte der Länder und Kommunen entwickeln sich deutlich besser. Das erwähne ich, um an dieser Stelle denjenigen Zuhörern entgegenzuwirken, die annehmen, dass der Bund eine Art Melkkuh sei und bei einem Kompromiss immer nur für das Draufzahlen zuständig. Das funktioniert auf Dauer nicht mehr. Wenn es Regierungschefs in den Ländern gibt, die im Zusammenhang mit dem Karlsruher Urteil zur Verfassungsklage Berlins darauf hinweisen, es gehe den Bund nichts an, wie die Länder ihre Haushalte aufstellten, dann kann man das als Einladung an den Bund verstehen, zukünftig auf seine Leistungen im vertikalen Finanzausgleich zu verzichten.
- Richtig, das ist ziemlich doppeldeutig. - Ich glaube deshalb, dass eine Neuformulierung des Art. 115 des Grundgesetzes bei der Föderalismusreform II eine große Rolle spielen sollte.
Abschließend: Ich glaube, dass die große Koalition wichtige Wegmarken gesetzt hat, um unser Land zukunftsfähiger zu machen. Die aktuelle, günstige konjunkturelle Entwicklung wird keine Ausrede dafür sein, bei der Sanierung der Staatsfinanzen nachzulassen. Die Bürgerinnen und Bürger sind - ich behaupte: zu Recht - zu ermuntern, in Zukunft mehr eigene Vorsorge für Alter, Pflege und Gesundheit zu betreiben. Aber dies setzt voraus, dass dann von der Politik glaubhaft deutlich gemacht wird, dass sie sich entsprechend verhält und Zukunftsperspektiven nicht durch die Befriedigung von Gegenwartsinteressen verspielt.
Die große Koalition wird ihren erfolgreichen Weg in der Steuer- und Finanzpolitik fortsetzen. Ich glaube, dass dieser Anspruch auch durch den von meinem Hause vorgelegten Haushaltsentwurf im Sinne einer gestaltenden Finanzpolitik belegt werden kann. Ich freue mich auf die weiteren Beratungen und bin dankbar, dass der Haushaltsausschuss bisher mit dem Bundesministerium so erfolgreich zusammengearbeitet hat.
Herzlichen Dank.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat der Kollege Dr. Hermann Otto Solms für die FDP-Fraktion.
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wollte die Übergabe dieses Buches nicht unterbrechen. Das ist eine stolze Arbeit unserer Haushälter, die über 500 Einzelvorschläge zum Einsparen vorlegen. Konkreter kann eine Opposition gar nicht arbeiten, Herr Bundesfinanzminister. Das hätten Sie anerkennen sollen. Mit einem Einsparvolumen von 8,6 Milliarden Euro steckt hier richtig etwas dahinter.
Der Sachverständigenrat hat sein Gutachten mit der Aussage überschrieben: ?Widerstreitende Interessen - ungenutzte Chancen“. Besser kann man das Verhalten der Bundesregierung gar nicht darstellen. Die Kollegin Dückert hat das kurz in der Aussage zusammengefasst: Gute Lage, schlechte Regierung. - Knapper und treffender kann man es nicht sagen. Ich finde, das ist eine gute Formulierung.
Und diese Aussage zieht sich jetzt durch die Debatte. Es fehlt die ökonomische Grundleitschnur, die Orientierung, wohin es gehen soll. Herr Bundesfinanzminister, Sie haben nach meinem Ermessen heute eine sehr ehrliche Rede gehalten und haben auch auf unangenehme Dinge hingewiesen. Sie haben angekündigt, dass weitere strukturelle Änderungen im Haushalt auf der Ausgabenseite vorgenommen werden müssten. Sie haben sich sogar lernfähig gezeigt, indem Sie heute erstmals zugegeben haben, dass die Haushaltsprobleme nicht alleine auf der Einnameseite liegen. Bislang haben Sie nämlich in allen Haushaltsdebatten gesagt, das Haushaltsproblem sei allein ein Problem der Einnahmeseite. Das ist eine fundamentale Veränderung in Ihrer Aussage. Vielen Dank, dass Sie das gemacht haben! Das war ehrlich und auch mutig.
Ich hatte allerdings den Eindruck, dass viele gerade der ehrlichen Aussagen insbesondere an Ihre eigene Fraktion gerichtet waren,
weil Sie das Problem haben, dort nicht die notwendige Unterstützung zu finden. Wenn Sie allerdings unterstellen wollen, dass diese Bundesregierung an dem Konjunkturaufschwung ursächlich beteiligt gewesen ist, dann ist das schon eine recht kühne Aussage; denn das kann gar nicht sein, weil fast alle Maßnahmen, die Sie beschlossen haben, erst ab 1. Januar nächsten Jahres in Kraft gesetzt werden.
Die positive Entwicklung der Konjunktur mit den erheblich höheren Steuereinnahmen, die Ihren Haushalt jetzt so entlasten, sind auf Maßnahmen in den vorangegangenen Jahren zurückzuführen, die die Angebotsbedingungen deutlich verbessert und damit für eine wachstumsorientierte Politik gesorgt haben. Dazu gehört ausdrücklich die Steuersenkung im Rahmen der eichelschen Steuerreform, dazu gehören aber auch die moderaten Tarifabschlüsse und natürlich die Anpassungsmaßnahmen, die die Wirtschaft selbst vorgenommen hat. Das wirkt jetzt deutlich. Deswegen ist die Aussage, es sei eine Lebenslüge, dass niedrigere Steuern zu mehr Wachstum führen müssten, falsch; gerade hier bekommen wir den Beweis, dass eine niedrigere Besteuerung Wachstum fördert.
Das Problem dieser Regierung ist aber die Uneinigkeit, sind die widerstrebenden Interessen. Nun haben Sie, Herr Bundesfinanzminister, von den ?Managementqualitäten“ der Bundesregierung gesprochen. Man muss schon eine gewisse schauspielerische Begabung haben, wenn man so etwas verkünden kann, ohne dabei selbst lachen zu müssen. Bei der Diskussion über die Gesundheitsreform oder über die Arbeitsmarktreformen war von Managementqualitäten nicht viel zu spüren. Da ging es wirklich drunter und drüber.
Der Sachverständigenrat spricht von einem Zick-Zack-Kurs, der natürlich zu entsprechenden Konsequenzen und Unsicherheiten in der Öffentlichkeit führt.
Zurück zum Sparen. Es ist richtig: Sparen ist notwendig. Sie sparen auch hart und konsequent, aber Sie sparen beim Bürger und nicht beim Staat. Der Bürger zahlt die Zeche. Das ist doch das Problem.
Wir werden im nächsten Jahr Steuermehreinnahmen in Höhe von 27 Milliarden Euro gewärtigen, also eine Abschöpfung von Kaufkraft in dieser Größenordnung in Kauf nehmen müssen. Diese Zahl steigt bis zum Jahre 2010 gleichmäßig an auf 39 Milliarden Euro, die der Staat mehr abkassiert. Das bedeutet mehr Belastung für die Bürger und die Unternehmen, weniger Kaufkraft, weniger Investitionsmittel. Damit werden Sie die jetzt aufblühende Konjunktur im nächsten Jahr so dämpfen, dass Sie in wenigen Jahren wieder vor Haushaltslücken stehen werden, die Sie heute noch gar nicht vorhersehen können.
Wir brauchen eine ökonomische Leitschnur, und die kann nur lauten: Wir müssen eine wachstumsorientierte Angebotspolitik betreiben und die Kosten für Arbeit und Investitionen deutlich senken, damit durch Wachstum mehr Arbeitsplätze entstehen können und dann auch wieder mehr Steuereinnahmen erzielt werden. Nur so können die Haushaltsprobleme gelöst werden.
Aber die Belastungen beim Bürger steigen weiter, die betrieblichen Bündnisse für Arbeit sind vergessen, die Liberalisierung des Kündigungsschutzes ist passé, die langfristige Absenkung der Lohnzusatzkosten ist Schnee von gestern, zu einer tragfähigen Gesundheitsreform ist Fehlanzeige zu vermelden. So kann es natürlich nicht weitergehen. Würden Sie hier die strukturellen Maßnahmen, die Sie ankündigen, dann auch durchführen, wäre das schön und gut.
Zur Steuerpolitik ist zusammenfassend zu sagen: Ein klarer Kurs fehlt. Es geht nicht nur um Entlastung, sondern es geht um Vereinfachung und um Verständlichkeit, damit die Bürger die Gesetze wieder akzeptieren können. Der Bundesfinanzhof schlägt Ihnen in einem Urteil Ihre Gesetze um die Ohren:
Gemessen an den vom BVerfG aufgestellten Grundsätzen verletzen die … Vorschriften den Grundsatz der Normenklarheit; denn sie sind sprachlich unverständlich, widersprüchlich, irreführend, unsystematisch aufgebaut und damit in höchstem Maße fehleranfällig.
Wie sollen die Bürger denn die Steuergesetze ehrlich anwenden, wenn sie überhaupt keine Möglichkeit haben, sie wirklich zu verstehen?
Jetzt kommt die größte Dreistigkeit und Unverschämtheit: Im Jahressteuergesetz hat die Koalition beschlossen, dass die Bürger für verbindliche Auskünfte des Finanzamts auch noch Gebühren zahlen müssen.
Das bedeutet: Der Normengesetzgeber bleibt so unklar, dass der Bürger nicht weiß, wie er sich verhalten soll. Fragt er dann das Finanzamt, bekommt er dort eine Auskunft nur, wenn er dafür auch noch Gebühren zahlt, obwohl doch jeder weiß, dass die Finanzverwaltung aus dem Steueraufkommen, das wir täglich selbst erbringen, bezahlt wird.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollege Solms, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage zu beantworten und auf diese Art und Weise gleich die Überziehung der Redezeit auszugleichen?
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Ja, bitte schön.
Dr. Ole Schröder (CDU/CSU):
Herr Kollege Solms, ich teile Ihre Einschätzung, dass unsere Gesetze und Vorschriften zu kompliziert formuliert sind.
Wenn die Bürger nicht mehr verstehen, was staatliche Stellen formulieren, dann kostet das nicht nur mehr Geld aufgrund der Nachfragen, sondern dann führt das natürlich auch zu einem noch stärkeren Vertrauensverlust der Bürger gegenüber den staatlichen Stellen.
Deshalb hat die große Koalition sich dazu durchgerungen, ein Projekt für verständlichere Sprache beim Bundesministerium der Justiz anzusiedeln, und hat hierfür auch Gelder in den Haushalt 2007 eingestellt. Können Sie mir nach dem, was Sie eben gesagt haben, jetzt erklären, warum die FDP einen Antrag eingebracht hat, gerade diese Gelder zu streichen?
Das ist für mich völlig unverständlich.
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Diese Information geht schon insoweit fehl, als die FDP-Fraktion als einzige Fraktion hier im Deutschen Bundestag ein neues Steuergesetz vorgelegt hat, welches in einfacher, deutlicher und klar verständlicher Sprache abgefasst ist
und dazu führt, dass aus heute 475 Seiten reinem Gesetzestext nur noch 33 Seiten werden.
Damit haben wir ein Beispiel gesetzt, dem Sie folgen sollten.
Im Übrigen bin ich nicht der Meinung, dass Fragen der deutschen Sprache vom Justizministerium zu behandeln sind. Dort pflegt man nur eine Rechtssprache. Wir brauchen aber eine allgemein verständliche Sprache, also eine Sprache, die jeder Bürger versteht.
Ich komme zum Schluss. Die große Koalition hat ihrer Arbeit das Motto ?Lasst uns mehr Freiheit wagen!“ vorangestellt. Auch Steuern sind ein Freiheitsthema.
Durch Steuerentlastungen können Sie den Bürgern mehr Möglichkeiten geben, ihr Leben so zu gestalten, wie sie es für richtig halten: Sie können mehr Vorsorge betreiben, mehr konsumieren, mehr investieren. Geben Sie den Bürgern mehr Freiheit, auch finanzieller Art, damit sie ihr Leben so gestalten können, wie sie es für richtig halten, und nicht, wie es die Administration für richtig hält.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat der Kollege Steffen Kampeter für die Unionsfraktion.
Steffen Kampeter (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung und die große Koalition sind seit etwa einem Jahr an der Arbeit. Wenn ich einen Vergleich zu der Vergangenheit ziehe, dann komme ich zu dem Ergebnis, dass diese Haushaltsberatungen unter wesentlich veränderten Rahmenbedingungen stattfinden. Wir erleben in unserem Land einen, bezogen insbesondere auf die wirtschaftliche Sphäre, großen Stimmungsumschwung sowohl bei den Investoren als auch bei den Konsumenten.
Die Kollegin von den Grünen hat zu Recht darauf hingewiesen, dass das Wirtschaftswachstum eines der ersten Ergebnisse dieses Stimmungsaufschwungs ist. Das Bruttoinlandsprodukt steigt stärker als das Potentialwachstum. Dieses Wirtschaftswachstum basiert, anders als in den vergangenen Jahren, nicht allein auf einer besonders guten Exportleistung; vielmehr stärken die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes den Binnenkonsum.
Diese positive Entwicklung - sie ist der Rahmen für diese Haushaltsberatungen - macht sich auch auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar. Die Arbeitslosigkeit sinkt. Jeden Tag gibt es mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in diesem Land. Es kann zu einer Trendwende auf dem Arbeitsmarkt kommen, wenn wir mit dieser Entwicklung in den nächsten Wochen und Monaten klug umgehen.
Die Steuerschätzung vom 3. November war zum ersten Mal seit vielen Jahren kein Tag der Furcht vor drohenden Steuerausfällen, sondern ein Tag der Zuversicht, weil wir das Ergebnis der Vorjahresschätzung übertroffen haben und die Einnahmesituation der öffentlichen Haushalte sich entspannt hat.
Ich will dem zentralen Argument der Kolleginnen und Kollegen von der FDP einige Fakten entgegenhalten. Die beiden Redner der FDP haben den Eindruck erweckt, dies alles werde durch eine steigende Steuer- und Abgabenlast finanziert. Sie sind relativ rasch dabei, zu sagen, hier werde abkassiert.
Tatsache ist, dass die EU-Kommission - nachzulesen in der heutigen Ausgabe der ?Financial Times Deutschland“ - eine mittelfristige Analyse der Steuer- und Abgabenquote in der Bundesrepublik Deutschland vorgelegt hat. Nicht nach Zahlen des Finanzministeriums, sondern nach Zahlen der EU-Kommission dürfte die Steuer- und Abgabenquote im nächsten Jahr inklusive der Mehrwertsteuererhöhung ungefähr auf dem Niveau dieses Jahres liegen, nämlich bei 43,6 Prozent.
Damit liegt sie 3 Prozentpunkte niedriger als zu Beginn dieses Jahrzehnts. Die Steuer- und Abgabenquote sinkt im Trend. Das steht im fundamentalen Widerspruch zu Ihrem - wider besseres Wissen - hier vorgetragenen Argument, hier werde abkassiert und die Steuern und Abgaben würden in die Höhe getrieben. Das Gegenteil ist richtig.
Bei dieser Entwicklung hilft insbesondere, dass wir uns in einem stabilen weltwirtschaftlichen Umfeld befinden. Der in dieser Woche verstorbene Milton Friedman hat vielen Politikern und vielen Wissenschaftlern eine sehr solide Vorsicht gegenüber Inflation beigebracht. Das internationale Leitbild orientiert sich an inflationsarmem Wachstum. Unsere Geldpolitik ist koordiniert, aber unabhängig, sodass auch unsere Zinsentwicklung im Augenblick absolut moderat ist. Die Wachstumserwartungen der Weltwirtschaft sind positiv.
Ich will an dieser Stelle ausdrücklich hervorheben, dass nach Auffassung der großen Koalition insbesondere die binnenwirtschaftliche Entwicklung etwas damit zu tun hat, dass wir die in Art. 115 des Grundgesetzes verankerte Ausnahmeregelung für den Etat 2006 in Anspruch genommen haben. Wir hätten ansonsten die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts durch eine 20 Milliarden Euro schwere Bremse hervorgerufen. Stattdessen haben wie die ersten Erträge dieser positiven Entwicklung eingefahren:
So konnten wir die Nettokreditaufnahme um 25 Prozent gegenüber unseren ursprünglichen Erwartungen senken. Die Inanspruchnahme dieser Ausnahmeregelung hat uns insgesamt nach vorne gebracht.
Es gibt auch eine Reihe von Risiken. Der Bundesfinanzminister hat sie in seiner Rede zur Einbringung des Haushaltes hier sehr klar und offen benannt. Diesen Risiken begegnen wir, indem wir bei unseren Reformbemühungen beherzt voranschreiten, und zwar gemäß dem Dreiklang von Konsolidieren, Investieren und Reformieren.
Als Erstes nenne ich die Arbeitsmarktreform. Allein in dieser Woche sind im Rahmen einer Organisationsreform bei der Bundesagentur für Arbeit 600 Stellen in die Vermittlung umgeschichtet worden, um die Effizienz der Arbeitsmarktverwaltung in Deutschland noch stärker zu verbessern.
Ein schwieriges Reformprojekt des Bundesarbeitsministers Müntefering, nämlich die Rente mit 67, steht unmittelbar vor dem Abschluss. Diese Lebensarbeitszeitverlängerung, die zur Ausbalancierung von Beitrags- und Rentenzahlungen dringend notwendig ist, werden wir vorantreiben.
Im nächsten Jahr werden wir die Pflegeversicherungsreform angehen.
Wir haben - der Bundesfinanzminister hat zu Recht darauf hingewiesen - im unternehmensteuerlichen Bereich zwei wichtige Reformvorhaben vor uns: einmal die Unternehmensteuerreform im engeren Sinne und zum anderen die Erbschaftsteuerreform. Beides machen wir deswegen, weil wir Arbeitsplätze in Deutschland halten wollen. Das ist das einzige und wichtigste Ziel. Es geht uns nicht um einen Steuerwettbewerb nach unten, wie es die Linken nennen, sondern darum, Arbeit in Deutschland wettbewerbsfähig und Investitionen rentabel zu machen. Das ist das Anliegen dieser Politik.
Außerdem werden wir die Gesundheitsreform verabschieden. Ich war schon einigermaßen erstaunt, Frau Kollegin Hajduk, dass Sie heute den Vorschlag gebracht haben, die Gesundheitsreform zumindest in Teilen zu verschieben. So wurde in den vergangenen Jahren herumgewurschtelt: Wenn ein Problem auftrat, wurden Reformen verschoben. Seitdem Ihre Partei nicht mehr in der Regierungsverantwortung steht, verschieben wir nicht Reformen, sondern machen sie. Das ist das Markenzeichen der großen Koalition.
Ich war etwas amüsiert - das will ich ehrlich sagen -, als der Kollege Koppelin hier vorgetragen hat, dass er es nicht gut findet, dass wir nach einem Jahr große Koalition die Öffentlichkeit im Rahmen einer Anzeigenkampagne über die ersten Erfolge informieren. In Nordrhein-Westfalen regieren wir gemeinsam mit Ihrer Partei, Herr Kollege Koppelin. Nach einem Jahr erfolgreicher Regierungskoalition zwischen Union und FDP war es auch ein Anliegen der dortigen FDP, darüber zu informieren. Ich finde, es ist das gute Recht einer jeden Regierung, dann, wenn es gut läuft - in Nordrhein-Westfalen läuft es ebenso gut wie in der großen Koalition -,
die Menschen nach einer gewissen Zeit darüber zu informieren. Ich finde, Sie sollten das Recht, das sich die FDP in Nordrhein-Westfalen herausnimmt, der großen Koalition nicht absprechen. Seien Sie doch diesbezüglich etwas großzügiger, Herr Kollege Koppelin.
Mit dem Haushalt 2007 werden wichtige und zentrale Anliegen der großen Koalition umgesetzt. Die Union findet sich in dieser Politik wieder.
Erstens. Wir legen Ihnen im Entwurf - wir werden auch für den entsprechenden Vollzug sorgen - einen verfassungsgemäßen Haushalt vor. Das ist das erste Mal seit dem Jahre 2001. Dabei haben wir es im Rahmen der Haushaltsberatungen sogar geschafft, den Vorsprung der Investitionen vor den aufgenommenen Schulden, also die Verfassungsgemäßheit, noch um einige hundert Millionen Euro auszubauen. Dieser Haushalt ist verfassungsfest.
Zweitens haben wir in den Beratungen der Konsolidierung einen eindeutigen Vorrang eingeräumt. Es ist uns gelungen, noch über die selbstgesteckten Konsolidierungsziele hinauszugehen. Wir senken die Nettokreditaufnahme, Frau Kollegin Hajduk, sehr viel stärker ab, als ursprünglich im Regierungsentwurf vorgesehen. Wir nutzen die ersten Renditen der Politik der großen Koalition, die sich in steigenden Steuereinnahmen zeigen, vor allen Dingen für die Absenkung der Nettokreditaufnahme in diesem und im nächsten Jahr. 19,58 Milliarden Euro stellen die niedrigste Nettokreditaufnahme seit der Wiedervereinigung dar.
Sie, Frau Kollegin Hajduk, haben die Überarbeitung der mittelfristigen Finanzplanung eingefordert. Die nächste muss nach dem Gesetz im Frühjahr im Zusammenhang mit der Aufstellung des Etatentwurfs für 2008 vorgelegt werden. Wir werden selbstverständlich die neuen erfolgreicheren Einsparoptionen der großen Koalition darlegen. Der Bundesfinanzminister steht darüber hinaus gegenüber der EU-Kommission in der Pflicht, in den nächsten Wochen so etwas wie eine vorläufige Linie aufzuzeigen. Ich finde, es ist kein Anlass für Kritik, dass wir besser sind, als wir vor einem Jahr gedacht haben. Wir sollten es gemeinsam als Anlass zur Freude nehmen, dass es jetzt Überarbeitungsbedarf in der mittelfristigen Finanzpolitik gibt.
In diesem Zusammenhang weise ich auf das Treffen am 3. November hin, bei dem sich die Spitzen der Koalition und der Regierung, assistiert von den beiden haushaltspolitischen Sprechern, mit dem Ergebnis der Steuerschätzung auseinander gesetzt haben. Die Beschlüsse, die wir an jenem Vormittag getroffen haben, haben uns zweierlei bewiesen: Erstens ist die große Koalition handlungsfähig und zweitens ist sie konsolidierungswillig.
Das sind doch eigentlich gute Botschaften. Ich kann daher die hier vorgetragene Kritik, dass Finanzgipfel, wie es manche genannt haben, überflüssig seien, nicht verstehen. An jenem Tag sind wichtige Konsolidierungsimpulse, auch für die nachfolgende Generation, gesetzt worden und diese sollten wir ausdrücklich und positiv hervorheben.
Insbesondere haben wir an jenem Tag die Lohnzusatzkosten durch die Reduzierung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags in einem Schritt um 2,3 Prozentpunkte abgesenkt. Damit werden wir jetzt den niedrigsten Arbeitslosenversicherungsbeitrag, Herr Kollege Müntefering, seit, wie ich glaube, 20 Jahren ausweisen. Wir setzen da - das ist ein Zusammenspiel der großen Koalition - einen wichtigen Impuls für mehr Wachstum und Beschäftigung. Wir geben den Bürgerinnen und Bürgern, den Unternehmen und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit diesem Schritt in absoluten Zahlen 16 Milliarden Euro zusätzliche Kauf- und Investitionskraft zurück.
Das, Herr Kollege Solms, sollten Sie in Ihren Reden nicht verschweigen, auch die Entlastungswirkungen nicht, die das für die Bürgerinnen und Bürger bedeutet. Dies ist ein gutes Signal für Wachstum und Beschäftigung in Deutschland.
Die Staatsquote, meine sehr verehrten Damen und Herren, sinkt. Der Staat nimmt die Bürger weniger in Anspruch. Das ist im Übrigen auch ein Kernanliegen liberaler Finanz- und Steuerpolitik. Die Staatsquote sinkt kontinuierlich. Ich zitiere noch einmal die ?Financial Times Deutschland“: ?EU lobt sinkende deutsche Staatsquote“. Mit Blick auf die Reden der FDP kann ich nur sagen: Wenigstens an diesem Punkt könnten Sie uns einmal ein bisschen unterstützen. Es ist nicht immer ganz einfach, in einer großen Koalition eine sinkende Staatsquote durchzusetzen.
Aber wir werden die Staatsquote am Ende dieser Legislaturperiode - in dieser Frage weiß ich mich mit dem Bundesfinanzminister einig - auf das Niveau unmittelbar vor der Wiedervereinigung, zur Zeit Gerhard Stoltenbergs, absenken können, auf unter 44 Prozent, wenn wir konsequent an diesem Konsolidierungs- und Sparkurs festhalten. Das wäre ein großer Erfolg, auch im Sinne der Liberalen; denn dieses Ziel wird von allen in diesem Hohen Hause geteilt.
Frau Kollegin Hajduk, Sie haben vorhin gesagt, dass wir nicht die gesamten Steuermehreinnahmen verwenden würden, um die Nettokreditaufnahme zu senken. Das hängt damit zusammen, dass wir in diesem Etat Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit abgebildet haben. Wir wollten nicht, wie Sie das immer gemacht haben, als Sie Verantwortung getragen haben, bis zum Ende des Jahres warten, sondern das in diesem Etat darstellen, beispielsweise im Bereich der Kosten der Unterkunft, für den es ein Verhandlungsergebnis gab. Das finde ich ehrlich und konsequent: Wir haben die Steuermehreinnahmen des Bundes ausschließlich für die Absenkung der Nettokreditaufnahme und für die Herstellung von Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit in diesem Etat verwendet. Das halte ich für solide und anständige Haushaltspolitik.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollege Kampeter - -
Steffen Kampeter (CDU/CSU):
Nein.
Ich möchte noch auf einige Aspekte der Haushaltsberatung eingehen. Der Dreiklang von Investieren, Sanieren und Reformieren wird auch bei diesem Etat 2007 deutlich. Wir haben schon im Aufstellungsverfahren bei diesem Etat wichtige Investitionen in die Zukunft abgesichert. Ich nenne die Absicherung des Elterngelds, das unter Frau Bundesministerin von der Leyen beschlossen worden ist, und der Forschungs- und Hightechstrategie, die im Wesentlichen durch die Bundesminister Schavan und Glos repräsentiert sind. Das sind wichtige Zukunftsinvestitionen, ohne die wir zukünftig keine erfolgreiche Politik machen können.
Wir haben trotz eines soliden Etatvorschlages weitere strukturelle Verbesserungen im Haushalt vorgenommen und gleichzeitig die Sparanstrengungen in bestimmten Bereichen verschärft. Ich will mit einem für Haushaltsdebatten etwas ungewöhnlichen Beispiel beginnen. Ich habe noch kein Land dieser Erde am Kulturetat Bankrott gehen sehen, eher schon am Sozialetat; aber auch da sind wir auf einem guten Weg. Für uns war es wichtig, auch in Zeiten strikter Sparsamkeit für die Kulturnation Deutschland deutliche Akzente zu setzen, indem wir zum Beispiel in der auswärtigen Kulturpolitik die Mittel für das Goethe-Institut und die Auslandsschulen gesteigert und indem wir ein neues Eingangsgebäude für die Museumsinsel, im Übrigen interfraktionell und einvernehmlich,
mit 73 Millionen Euro auf den Weg gebracht haben. Dies zeigt: Man kann auch mit einer Konsolidierungsstrategie ganz wichtige Impulse für die Kulturnation Deutschland setzen.
Impulse kann man auch auf traditionelle Weise setzen, nämlich mit einer Investitionsstärkung. Wir werden in den Bereichen Verkehr, Städtebau, Wirtschaft und Umwelt in diesem und im nächsten Jahr durch Einsparungen bei konsumtiven Ausgaben die Investitionen um 700 Millionen Euro steigern. Wir haben für das Ergänzungsprogramm ?Lückenschluss und Staubeseitigung“ für Bundesautobahnen Mittel in Höhe von 420 Millionen Euro in den Verkehrshaushalt eingestellt. Damit haben wir die Antiautopolitik, die die Grünen teilweise durchgesetzt hatten, endlich beendet.
Wir wollen, dass die Staugefahr auf Bundesautobahnen durch Lückenschluss verringert wird.
Wir haben zusätzliche Investitionen in erneuerbare Energien ermöglicht und wir haben die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe ?Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ um 50 Millionen Euro gesteigert. So machen wir deutlich, dass es uns wichtiger ist, Arbeit anstatt Arbeitslosigkeit zu finanzieren.
Die allgemeine Sicherheitssituation in diesem Lande machte es notwendig, dass wir ein Sicherheitsstärkungsprogramm unter der Verantwortung von Wolfgang Schäuble auf den Weg gebracht haben. Außerdem haben wir im Verteidigungsetat die Finanzierung der Auslandseinsätze sichergestellt, indem wir zusätzliches Geld bereitgestellt haben.
Ich danke der Kollegin Hajduk,
dass sie ausdrücklich anerkannt hat, dass wir auch vor einem Subventionsabbau nicht Halt machen. Wir haben die Kohleförderung für das nächste Jahr gesenkt, weil es möglich und notwendig war. Es ist richtig, Frau Kollegin Hajduk, dass wir im Jahresverlauf noch überprüfen werden, ob weitere Einsparungen möglich sind.
Sie sind aber erfahren genug, zu wissen, dass die Sprechklausel gemeinsam und einvernehmlich ausgeübt werden kann. Täuschen Sie deshalb die Öffentlichkeit nicht, indem Sie sagen, dass hier eine falsche Etatisierung durchgeführt wurde. Wir werden uns mit dem Land Nordrhein-Westfalen, mit dem Bundesfinanzminister und mit dem Bundeswirtschaftsminister einigen müssen. Ich sage Ihnen hiermit zu: Was wir im Bereich der Kohle an Subventionen einvernehmlich abbauen können, werden wir bis zum Ende dieses Jahres auch abbauen. Das ist ein Anliegen der Union. Ich weiß mich in dieser Frage mit den Kolleginnen und Kollegen der großen Koalition einig.
Wir haben weitere Einsparungen im Personalbereich durchgeführt.
Im Übrigen, Herr Kollege Koppelin, haben Sie verschwiegen, dass wir die Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung um 10 Prozent gesenkt haben. Ich bin der Auffassung: Wenn man eine gute Politik macht, dann braucht man für eine entsprechende Darstellung nicht so viel Geld.
Da die Politik der großen Koalition gut ist - gute Politik ist ebenso wichtig wie gute Öffentlichkeitsarbeit -, ist die Absenkung um 10 Prozent einvernehmlich beschlossen worden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Haushalt 2007 ist, wie ich finde, Ausweis einer sehr ordentlichen Bilanz in der Haushalts- und Finanzpolitik nach einem Jahr der großen Koalition. Ich will den Bundesfinanzminister aber nachdrücklich bei seinen Warnungen unterstützen, dass wir jetzt nicht in Euphorie verfallen und die Konsolidierungsaufgaben vergessen sollten. Wir sind einen ersten guten Schritt gegangen. Ihm werden weitere folgen müssen. Sie werden nicht ganz so einfach werden, weil wir keine Garantie haben, dass uns die Konjunktur immer Rückenwind gibt.
Ich glaube, dass die gefühlte Konsolidierung im Augenblick besser ist als die tatsächliche. Damit will ich nicht die Auffassung der Bevölkerung, dass wir eine anständige Arbeit leisten, negativ beeinflussen. Aber wir werden in den nächsten Jahren noch viele Konflikte ertragen müssen, damit unser Ziel langfristig nachhaltiger und ausgeglichener Haushalte in Bund, Ländern und Gemeinden sowie in den Sozialversicherungen erreicht wird. Dies ist Wunsch und Wille der großen Koalition und ein Herzensanliegen der Union.
Herzlichen Dank.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat die Kollegin Dr. Barbara Höll für die Fraktion Die Linke.
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der zweite Haushalt der schwarz-roten Regierung liegt vor und es läuft ein seit Jahren gepflegtes Ritual ab. Abgeordnete freuen sich, die Beratungen beendet zu haben, und die Regierung, insbesondere der Finanzminister, freut sich, dass sie ungeschoren davon gekommen ist.
Auch in diesem Jahr haben die regierungstragenden Abgeordneten nicht den Mut aufgebracht, im Haushalt umzusteuern. Denn nur um 2,42 Milliarden Euro ist der Haushaltsentwurf verändert worden. Er ist und bleibt die Fortsetzung einer unsozialen Sparpolitik, die Fortsetzung einer Umverteilung von unten nach oben,
und das, obwohl es dem Herrn Finanzminister in diesem Jahr wirklich gut geht und es auch im nächsten Jahr so sein wird. In diesem Jahr ist ein Steuerplus von 8,4 Milliarden Euro zu verzeichnen. Im nächsten Jahr werden 9 Milliarden Euro erwartet. Bei der Bundesagentur für Arbeit besteht ein Überschuss von etwa 10 Milliarden Euro.
Das ist viel Geld. Man könnte es natürlich einsetzen. Man könnte zum Beispiel die bei der Bundesagentur anfallenden Überschüsse dafür einsetzen, konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit einzuleiten. Nehmen Sie also Geld und schaffen Sie über eine Anschubfinanzierung einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor!
Nehmen Sie Geld und greifen Sie den DGB-Vorschlag auf, zumindest 50 000 Lehrstellen mittels einer Anschubfinanzierung zu schaffen! Viele junge Menschen haben keine Ausbildungsplätze. Wir hätten noch die Chance, zu reagieren. Unsere Fraktion wird einen entsprechenden Antrag einbringen.
Nein, Ihnen fällt nur ein, an der Mehrwertsteuererhöhung festzuhalten. Für das nächste Jahr werden Mehreinnahmen von 19,41 Milliarden Euro erwartet. Der Verzicht auf die Mehrwertsteuererhöhung ist ein Gebot der ökonomischen Vernunft. Die Erhöhung ist Gift für die konjunkturelle Belebung. Sie wissen, wir befinden uns in der Situation, dass die Nettolöhne und die Renten sinken und die Armut zunimmt. Genau die davon Betroffenen wollen Sie im nächsten Jahr durch die Mehrwertsteuererhöhung zusätzlich belasten.
Im Sechsten Existenzminimumbericht ist nachzulesen, dass sich die Regierung sicher ist, dass sowohl das Kindergeld als auch das Arbeitslosengeld II als auch die Sozialhilfe bereits heute hoch genug sind, sodass die Mehrwertsteuererhöhung nicht eingerechnet werden muss, obwohl sie nach den Berechnungen des Bundesfinanzministeriums für jeden Verbraucher zu einer Mehrbelastung von etwa 29 Euro pro Monat führen wird. Aber nein, gerade bei den kleinen Einkommen, den Transferleistungen sagen Sie, sie würden reichen. Das ist eine unsoziale Politik.
Die Schwächung der Binnennachfrage wird nicht nur durch die Mehrwertsteuererhöhung verursacht. Sie haben mit Ihrer Mehrheit die Erhöhung der Versicherungsteuer, die Kürzung der Pendlerpauschale, die Verkürzung der Dauer des Bezugs von Kindergeld - 451 000 junge Menschen haben dann keinen Anspruch mehr auf das Kindergeld - sowie die Kürzung des Sparerfreibetrages beschlossen. Im nächsten Jahr werden der Binnenkonjunktur etwa 25 Milliarden Euro entzogen. Dazu sagen Sie, das sei nicht konjunkturfeindlich.
Politisch verkaufen Sie die Mehrwertsteuererhöhung in der Form, dass Sie sagen, sie sei notwendig für die Senkung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung und für die Schuldentilgung. Dies ist nicht falsch, aber auch nicht wahr. Denn die Einnahmen aus der Mehrwertsteuererhöhung fließen in den Bundeshaushalt. Aus dem Bundeshaushalt werden verschiedene Ausgaben finanziert. Man kann natürlich ehrlicherweise sagen, Sie bräuchten mindestens 1 Prozentpunkt der Mehrwertsteuererhöhung, um Ihre Unternehmensteuerreform zu finanzieren.
Als Oppositionspolitikerin wünsche ich mir manchmal, Sie würden zumindest den Koalitionsvertrag einhalten. Denn darin stand in Bezug auf die Unternehmensteuerreform:
Angesichts des bestehenden Konsolidierungsdrucks in allen öffentlichen Haushalten werden Nettoentlastungen kaum zu realisieren sein.
Inzwischen sind Sie drauf und dran, eine Unternehmensteuerreform zu realisieren, die bei den Unternehmen zu einer dauerhaften jährlichen Entlastung von mindestens 5,6 Milliarden Euro führen wird. Die Fachleute gehen davon aus, dass es real mindestens 8,5 Milliarden Euro sein werden. Das sind Riesensummen, auf die Sie Jahr für Jahr verzichten wollen. Dies macht, wie gesagt, die Einnahmen aus 1 Prozentpunkt der Mehrwertsteuererhöhung aus.
Herr Steinbrück, da Sie vorhin in einer ziemlich arroganten Weise über die Vorschläge der Linken hinweggegangen sind, nenne ich Ihnen eine andere Finanzierungsquelle. In einer Kleinen Anfrage habe ich Sie gefragt, wie hoch der Unterschied zwischen den erwirtschafteten und den besteuerten Gewinnen ist. In der Antwort Ihres Ministeriums, Drucksache 16/3071, wird festgestellt, dass der Unterschied zwischen den erwirtschafteten und den besteuerten Gewinnen 65 Milliarden Euro beträgt. Ich glaube, da ist Musik drin. Da kann man tatsächlich etwas machen.
Aber Vorschläge in dieser Richtung haben wir von Ihnen noch nicht auf dem Tisch.
In den Eckpunkten zur Unternehmensteuerreform ist nachzulesen, dass Sie im Prinzip nur zu geringen Mehreinnahmen kommen wollen. 3,5 Milliarden Euro mehr wollen Sie vom inländischen Steuersubstrat einnehmen. Aber wie, das kann man noch nicht nachlesen.
Wenn man von 65 Milliarden Euro ausgeht und noch im Nebel stochert, wie man an 3,5 Milliarden Euro kommt, ist das ein Armutszeugnis für Ihre Politik. Gleichzeitig wird daran deutlich, wie unnötig die Mehrwertsteuererhöhung ist, die zur Belastung von Kleinverdienern, von Rentnerinnen und Rentnern und von Studentinnen und Studenten führen wird. Wir werden Ihren Haushalt ablehnen.
Die Art Ihrer Diskussion ist wirklich erschreckend. Vielleicht erinnern Sie sich: 1983 gab es einen großen Hit. Eine satirische Rockband, die Erste Allgemeine Verunsicherung, belegte in den Charts Platz eins. Der Name der Band ist inzwischen Realität. Die Bevölkerung ist zutiefst verunsichert. Die Band sang damals: ?Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt, wir steigern das Bruttosozialprodukt.“ Die Nation freute sich, das Lied wurde zum Hit, heute würden Millionen von Menschen gern in die Hände spucken und von ihrer Hände Arbeit leben,
aber es ist ihnen nicht vergönnt. Es gibt keinen Mindestlohn. In dieser Richtung haben wir eine Menge zu tun.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollegin Höll, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Koppelin?
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):
Ja.
Jürgen Koppelin (FDP):
Verehrte Kollegin, da ich früher einmal Leiter einer Musikredaktion bei der ARD war, möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass es nicht die Erste Allgemeine Verunsicherung war, sondern die Gruppe Geier Sturzflug, die dieses Lied gesungen hat.
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):
Danke für Ihre Verbesserung. Ich glaube jedoch, dass meine Ausführungen bezüglich der allgemeinen Verunsicherung vieler Menschen in unserem Lande völlig richtig sind. Heute geht es nicht einfach darum, dass in Deutschland gemeckert wird. Die Menschen sind zutiefst verunsichert, weil sie nicht mehr wissen, wie es weitergehen wird mit der Politik, ob sie ihnen vielleicht den Boden unter den Füßen wegzieht. Das ist ein Zustand, den wir ablehnen.
Ich danke Ihnen.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat der Kollege Bernhard Brinkmann für die SPD-Fraktion.
Bernhard Brinkmann (Hildesheim) (SPD):
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Kommen wir von der Ersten Allgemeinen Verunsicherung und Geier Sturzflug zurück zu den realistischen Zahlen des Bundeshaushalts 2007. Ich will meine Ausführungen mit der Bemerkung beginnen, dass der Bundeshaushalt 2007 eine Vielzahl positiver Merkmale hat und eindeutig den Willen der großen Koalition zu einer nachhaltigen Finanzpolitik bestätigt und diesem auch gerecht wird.
Wer sich bezüglich der Frage der gesunkenen Nettoneuverschuldung die Ausführungen der Freien Demokraten anlässlich der Beratungen des Bundeshaushalts 2006 vor Augen führt, der wird heute leider erneut feststellen müssen, dass die Freien Demokraten weder den Haushalt 2006 noch den Haushalt 2007 begrüßen. Ich habe Verständnis dafür, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, dass Sie den Haushalt 2007 nicht loben, aber Sie sollten die gute Entwicklung und die gesunkene Nettoneuverschuldung - meine Vorredner haben bereits darauf hingewiesen, dass sie die niedrigste seit der Wiedervereinigung unseres Vaterlandes ist - annehmen und letztendlich auch als einen positiven Aspekt dieser Haushalts- und Finanzpolitik herausstellen.
Auf einen zweiten Punkt kann nicht oft genug hingewiesen werden: das Einhalten der Vorgaben gemäß Art. 115 Grundgesetz. Leider ist die Kollegin Hajduk vom Bündnis 90/Die Grünen nicht mehr da.
Wir sind gerne bereit, über das, was sie zu diesem Punkt unter der Überschrift ?Schuldenbegrenzung und Übernahme von in Schweizer Gesetzen stehenden Regelungen“ gesagt hat, zu reden. Ich habe schon in meiner Rede anlässlich der ersten Lesung des Haushalts 2007 darauf hingewiesen, dass das eine zentrale Aufgabe des Rechnungsprüfungsaussschusses in den nächsten Monaten sein wird. Ich weise aber auch darauf hin, dass es hier so wie bei vielen anderen Vergleichen ist: Man kann das, was in der Schweiz gut läuft und vielleicht besser geregelt ist als bei uns, nicht zu hundert Prozent auf unsere Verhältnisse übertragen.
Mit dem Bundeshaushalt 2007 setzen wir die erfolgreiche Konsolidierungspolitik fort. Wir werden dabei auch unser Ziel nicht aus den Augen verlieren, so schnell wie möglich einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Wir sollten uns daran aber auch nicht überheben. Die leidvolle Erfahrung aus der Vergangenheit zeigt, dass das nicht allein national zu regeln ist, sondern man auch die globalisierte Wirtschaft im Blick haben muss, welche sowohl positive als manchmal auch negative Auswirkungen auf die Haushalts- und Finanzpolitik unseres Landes hat.
Mein Vorredner hat bereits darauf hingewiesen - das ist ein weiteres Erfolgsmerkmal -, dass 2006 und 2007 die Maastrichtkriterien eingehalten werden können.
Was die schon oft angesprochenen Steuermehreinnahmen angeht, hat man manchmal den Eindruck, als würde der Finanzminister diese Steuermehreinnahmen in voller Höhe im Bundeshaushalt verbuchen können. Ich will noch einmal deutlich machen, dass diese Steuermehreinnahmen auf alle staatlichen Ebenen verteilt und für die dringend notwendige Konsolidierung der Länderhaushalte sowie der Haushalte der Kommunen benötigt werden, um hier zu einer weiteren Entlastung und Reduzierung der Schuldenaufnahme zu kommen.
Es wurde schon viel zur Absenkung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung gesagt, der sich mit round about 17 Milliarden Euro sowohl für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als auch für die Wirtschaft auswirkt. Liebe Frau Kollegin Hajduk, Ihre Rechnung und die Staffelung der Beiträge, die sich an der 40-Prozent-Grenze orientieren, bezogen auf die vier sozialen Sicherungssysteme ist nicht nachvollziehbar. Aber vielleicht können wir beide noch einmal in einem internen Gespräch klären, wer hier richtig und wer falsch liegt.
Die FDP lässt - jedenfalls nicht deutlich - nicht davon ab, weitere Steuer- und Abgabensenkungen zu fordern. Diese will jedoch, liebe Kolleginnen und Kollegen, niemand ernsthaft.
Das wollen letztendlich auch nicht die Landesregierungen, an denen Sie beteiligt sind.
Ich glaube, davon gibt es noch eine oder sogar zwei.
- Okay. Das war jetzt gegen 12.30 Uhr die Testfrage, ob Sie noch genau wissen, wo Sie beteiligt sind. - Bei dieser Gelegenheit sollten wir vielleicht einmal mit dem Kollegen Möllring reden, inwieweit er als Finanzminister meines Heimatlandes Niedersachsen bereit ist
- auch des von Herrn Thiele, keine Frage -, über weitere Steuersenkungen nachzudenken.
An dieser Stelle muss man aber auch ein Stück Vergangenheitsbewältigung im Hinblick auf Steuersenkungen betreiben. 1998 betrug der Eingangsteuersatz 25,9 Prozent, jetzt liegt er bei 15 Prozent. Der Spitzensteuersatz lag 1998 bei 53 Prozent, jetzt liegt er bei 42 Prozent plus einem Zuschlag von 3 Prozentpunkten bei einem entsprechenden Einkommen. Man muss deutlich darauf hinweisen, dass sich diese Steuersenkungen - das richtet sich an die Linke - am gravierendsten bei denen auswirken, die Einkommensteuer zahlen, also bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie beim Handwerk und beim Mittelstand. Diese zahlen nicht mehr 25,9 Prozent, sondern nur noch 15 Prozent bzw. nicht mehr 53, sondern nur noch 42 Prozent. 80 Prozent der mittelständischen Betriebe und Handwerksbetriebe erzielen Gewinne, aufgrund deren sie weit von irgendwelchen Spitzensteuersätzen entfernt sind.
Eine Familie mit zwei Kindern kann in Deutschland bis zu 37.500 Euro verdienen und zahlt unter Berücksichtigung des mehrfach erhöhten Kindergeldes keine Steuern mehr. Das ist ein großer Erfolg, den man sich in Erinnerung rufen sollte, wenn man Steuererhöhungen massiv kritisiert.
Der Kollege Kampeter hat bereits auf einen Artikel der ?Financial Times Deutschland“ vom 21. November 2006 hingewiesen. Wenn es für die Opposition passend ist, zitiert sie ja oft und gerne aus Zeitungen und Meinungsumfragen. Ich will aus dem Artikel in der ?Financial Times Deutschland“ zitieren:
?Deutschland sticht mit seiner derzeitigen Haushaltskonsolidierung qualitativ und quantitativ unter den großen EU-Ländern positiv hervor“ ... So erfolge die Konsolidierung entgegen dem weitverbreiteten Eindruck vor allem über sinkende Staatsausgaben. Zudem führe die Bundesrepublik das Strukturdefizit schneller zurück als Italien oder Frankreich.
Das sind deutliche Formulierungen, die die solide Haushalts- und Finanzpolitik dieser Regierungskoalition bestätigen.
Frau Kollegin Lötzsch, ich muss etwas zu Ihrer Forderung sagen, im Einzelplan 14, bei der Bundeswehr, Einsparungen vorzunehmen. Ich habe das Gefühl, dass Sie zumindest der staunenden Öffentlichkeit den Eindruck vermitteln wollten, man könne das machen. Ich will ganz klar und deutlich sagen: Das kann man nicht. Die Bundeswehr, die in den letzten Jahren durch vielfältige Aufgaben, sprich: Auslandseinsätze, gefordert ist - jeden Tag leisten alle Soldatinnen und Soldaten sowohl im Inland als auch im Ausland wertvolle Arbeit -, kann nicht mit weiteren Sparmaßnahmen belegt werden. Das wäre unredlich und ist in aller Entschiedenheit zurückzuweisen.
- Herr Kollege von der PDS, von der Linken bzw. von der WASG - man muss ja manchmal genau hinschauen, wo Sie stehen bzw. zu wem Sie gehören -, bei der Beratung des entsprechenden Einzelplanes wird das, was zur Bundeswehr zu sagen ist, deutlich gesagt werden. Sie liegen leider auch diesbezüglich völlig falsch. Gehen Sie einmal zu den Soldatinnen und Soldaten, gehen Sie einmal in eine Kaserne; dann werden Sie Ihre Denkweise ändern und zu anderen Entscheidungen kommen.
Der Präsident des Bundesrechnungshofs, Herr Professor Engels, hat zwei wesentliche Punkte der Haushalts- und Finanzpolitik bestätigt: Die Lage der Bundesfinanzen hat sich spürbar verbessert und es ist richtig, mit den Mehreinnahmen die Nettoneuverschuldung zu verringern. Wir sind noch längst nicht am Ziel dieser Bemühungen angekommen. Der Bundeshaushalt muss weiter konsolidiert werden. Dabei werden wir den Finanzminister wie bisher tatkräftig unterstützen.
Wir sind auf einem guten Weg; der muss konsequent weitergegangen werden.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Für die FDP-Fraktion spricht nun die Kollegin Ulrike Flach.
Ulrike Flach (FDP):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie haben in den Jahren 2005 und 2006 die einmalige Chance gehabt, zwei Haushalte hintereinander, die Haushalte für die Jahre 2006 und 2007, in einem Schwung auf den richtigen Weg zu bringen. Herr Kampeter, das wäre es wert gewesen, heute als historische Tat bezeichnet zu werden. Sie haben diese Chance aber einfach vertan.
Sie haben es nicht geschafft, die wirklich positive Konjunktur, die wir alle begrüßen - keiner sagt etwas dagegen; insofern ist es eine Unterstellung, wenn Sie sagen, wir würden etwas schlecht reden -,
zur Konsolidierung des Haushalts zu nutzen.
Herr Kampeter, während Ihrer Oppositionszeit haben Sie uns das bei jeder Gelegenheit erzählt.
Ich bin mehr als erstaunt, dass Sie genauso wie Kollege Brinkmann über die Steuerquote reden, wo doch jeder Bürger dieses Landes weiß, dass am 1. Januar eine deutliche Mehrwertsteuererhöhung in Kraft tritt, die Bürger mit 10 Milliarden Euro zusätzlich belastet werden
und Sie sich mit den Linken, mit den Sozialdemokraten,
darüber streiten, dass die Unternehmen deutlich entlastet werden sollen.
Warum haben Sie denn Krach mit dem Parteirat?
Weil die Steuerquote in diesem Land zu hoch ist. Das ist der Punkt. Sie versuchen, die Realitäten zu verwischen.
Verlässlich, nachvollziehbar und berechenbar, so müsste Ihrer Meinung nach die Finanzpolitik sein.
Das haben wir auch heute wieder gehört. Sie haben uns am Anfang dieses Jahres eine Doppelstrategie der Konsolidierung ohne Gefährdung des Aufschwungs vorgemalt. Wie sieht diese Konsolidierung aus? Der Haushalt 2006 wurde - wir haben es heute immer wieder gehört - mit einer geplanten Nettoneuverschuldung von circa 38 Milliarden Euro verabschiedet. Jetzt kommen wir auf 30 Milliarden Euro. 2007 soll die Neuverschuldung bei 19,5 Milliarden Euro liegen. Die FDP begrüßt das, nichts anderes. Das ist selbstverständlich. Sie stellen dies als großen Erfolg beim Schuldenabbau dar. Aber Fakt ist: In diesen zwei Jahren häufen Sie über 50 Milliarden Euro neue Schulden an.
Wenn Sie sich die mittelfristige Finanzplanung anschauen, Herr Steinbrück, dann sehen Sie, dass Sie bis zum Ende der Legislaturperiode noch um 100 Milliarden Euro weitergehen. Ist das eine seriöse Art, mit dem Haushalt umzugehen? Das ist eine Belastung der Bürger und kein Weg, der dieses Land nach vorne bringt.
Sie haben bei den Haushaltsberatungen im September dieses Jahres gesagt: Hätten wir zu Beginn des Jahres 2006 ein niedrigeres Defizit nach Brüssel gemeldet, hätten wir mehr konsolidieren müssen. Das hätte Ihrer Doppelstrategie widersprochen, Herr Steinbrück. Was bedeutet das? Sie haben die konjunkturellen Aussichten im Frühjahr absichtlich zu pessimistisch eingeschätzt. Sie haben dadurch den europäischen Stabilitätspakt missachtet und geschwächt. Das wirft auch ein Licht auf die Verfassungsmäßigkeit des laufenden Haushaltes. Denn die gute Konjunktur hätte einen verfassungskonformen Haushalt ermöglicht.
Da bin ich völlig auf der Seite von Frau Hajduk. Ein vorsätzlicher Bruch der Kreditfinanzierungsgrenze, Art. 115 des Grundgesetzes, wäre bei dieser Konjunktur im Haushaltsvollzug heilbar gewesen, Herr Steinbrück.
Sie hatten also offensichtlich niemals vor, stärker zu konsolidieren. Sie wollten den einfachen Weg über die Einnahmeseite gehen.
Die Bürger in diesem Land müssen wissen: Wir haben allein in diesem Oktober Steuermehreinnahmen von fast 10 Prozent. Gerade bei einem solchen Geldregen muss man mehr Schulden abbauen, als Sie es tun. Dasselbe sagen Ihnen übrigens alle Forschungsinstitute. Die Konsolidierungsstrategie der großen Koalition ist weder nachhaltig noch wachstumsgerecht.
Hinzu kommt, dass Sie - mehrere Redner haben das bereits angesprochen - auf so genannte Impulsprogramme verweisen. Ich frage mich wirklich, was Impulsprogramme bewirken, die entweder erst im nächsten Jahr greifen - Kollege Solms hat zu Recht darauf hingewiesen - oder aufgrund nicht abfließender Mittel überhaupt nicht greifen können. Was Sie in diesem Augenblick an Mehr einnehmen, ist nichts anderes als das Ergebnis einer guten Entwicklung der Weltwirtschaft. Sie versuchen, das als besondere Erfolge der großen Koalition darzustellen.
Unter dem Strich: Die FDP hat in den letzten zwei Jahren über 1 000 Einsparvorschläge gemacht. Wir haben Ihnen gerade das Buch, das diese enthält, übergeben. Ich hoffe, Sie lesen es auch.
Jeder einzelne dieser Anträge ist von der großen Koalition niedergestimmt worden, obwohl es zum Teil Anträge waren, die aus den Zeiten der Opposition mit der CDU/CSU übernommen worden sind. Sie, Herr Steinbrück, haben offensichtlich nicht einmal versucht, zu sparen. Das erwarten wir von Ihnen. Ansonsten werden Sie in Schwierigkeiten kommen. Zum Jahre 2010 werden wir nach wie vor nicht die von Herrn Kampeter erhoffte Konsolidierung des Haushaltes haben.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat der Kollege Georg Fahrenschon für die Unionsfraktion.
Georg Fahrenschon (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bezogen auf die 1 000 Anträge, liebe Frau Kollegin Flach, gilt die Generallinie, dass Qualität vor Quantität geht. In den 1 000 Anträgen waren zu viele Vorschläge enthalten, die Schlechtes für den Wirtschaftsstandort und nicht die erhofften guten Ergebnisse für den Bundeshaushalt bewirkt hätten.
Nach dem Haushalt des Übergangs für das laufende Jahr 2006 markiert diese Woche den Abschluss des ersten Haushaltsentwurfs - wenn Sie so wollen - in eigener Aufstellung, in eigener Planung und in eigener Durchführungsverantwortung der unionsgeführten Regierung Angela Merkel. Leitlinie dabei war der Koalitionsvertrag der großen Koalition, in dem die Aufgabe klar beschrieben ist:
Deutschland braucht eine nationale Anstrengung auf allen Ebenen, um das gesamtwirtschaftliche Wachstum zu steigern und die strukturelle Unterdeckung der öffentlichen Haushalte durch gemeinschaftliche Konsolidierungsanstrengungen und Strukturreformen zu beseitigen. Jedes Hinausschieben der notwendigen Haushaltssanierung treibt den Konsolidierungsbedarf nur noch weiter in die Höhe.
Das ist die Leitlinie, die wir diesem Bundeshaushalt zugrunde gelegt haben.
Mit dem Abschluss der Haushaltsberatungen wird der Wille der Koalition, eine nachhaltige Finanzpolitik zu betreiben, bestätigt und in Zahlen gegossen. Statt die Nettokreditaufnahme zu erhöhen, senken wir sie im kommenden Jahr - auch gegenüber dem Regierungsentwurf - um weitere 2,4 Milliarden Euro. Das ist ein gutes Ergebnis, das im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages gefunden wurde.
Deshalb lautet die übergeordnete Schlagzeile der Haushaltsberatungen richtigerweise: Mit dem Haushalt 2007 läutet die Regierung Angela Merkel endlich die überfällige Trendwende in der Haushalts- und Verschuldungspolitik des Bundes ein.
In nur einem Jahr erreichten wir das, was die Vorgängerregierung in den letzten Jahren ihrer Regierungszeit nicht mehr geschafft hat. Das Jahr 2007 markiert die Umkehr von ständig steigenden Schulden hin zu einer verantwortungsvollen, sparsamen, zukunftsgerechten, nachhaltigen und europa- und verfassungskonformen Haushaltspolitik.
Wir halten die Regelgrenze von Art. 115 des Grundgesetzes ein und tragen den Erfordernissen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes Rechnung. Das ist im Hinblick auf die europäische Stabilitätskultur nicht nur ein wichtiges Signal nach Brüssel, sondern auch ein Signal an die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land, weil dadurch Vertrauen zurückgewonnen werden kann. Nur ein Jahr nach dem Amtsantritt einer unionsgeführten Bundesregierung schaffen wir das, was der Vorgängerregierung - das betone ich noch einmal ausdrücklich - in mehreren Jahren nicht gelungen ist. Es gilt also: Wenn die Union in der Verantwortung steht, werden die Regeln wieder eingehalten. Das ist das Qualitätssiegel von CDU und CSU.
Diese aktuell positive Entwicklung darf allerdings nicht den Blick dafür verstellen, dass wir in Bezug auf die Lage der öffentlichen Finanzen nach wie vor vor riesigen Herausforderungen stehen. Das beweist unter anderem eine im Oktober dieses Jahres veröffentlichte Studie der Europäischen Kommission zur langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen in der Europäischen Union. Dieser Studie zufolge wird die Schuldenquote in der Europäischen Union und in der Eurozone unter unveränderten Rahmenbedingungen von derzeit durchschnittlich 63 Prozent des europäischen Bruttoinlandsproduktes auf rund 200 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2050 steigen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist ein Menetekel für die Entwicklung der Staatsfinanzen.
Die Zahlen für Deutschland sind eine Drohung: Die Schuldenquote wird von derzeit 67,7 Prozent um fast 200 Prozentpunkte, auf 260 Prozent im Jahre 2050 steigen, wenn wir in der Haushalts- und Finanzpolitik strukturell nichts ändern. Deshalb ist es ein Muss, dass wir uns an den Regeln des Stabilitätspakts orientieren. Nur dann könnten wir eine derartige Explosion der Staatsverschuldung - immerhin betrüge sie dann immer noch knapp 65 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts - verhindern.
Daher ist es von enormer Bedeutung, dass Deutschland den eingeschlagenen positiven Kurs konsequent weiterverfolgt. Die Vorgaben des Stabilitätspakts, vor allem die weitere strukturelle Konsolidierung um einen halben Prozentpunkt pro Jahr, sollten dabei angesichts einer stabilen, aber zu hohen gesamtwirtschaftlichen Staatsverschuldung von 68 Prozent nicht als Strafe angesehen werden. Vielmehr müssen diese Vorgaben als Leitlinie, geradezu als Chance für die zukünftige Finanz- und Haushaltspolitik betrachtet werden.
Insbesondere angesichts der Alterung der Bevölkerung - dieser Aspekt muss immer wieder ins Feld geführt werden - muss die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen unser vorrangiges politisches Ziel sein. Wir müssen auch in Zeiten positiver Wachstumsquoten die Grundlagen dafür legen, dass wir in Zukunft finanzpolitische Freiräume haben, mit denen wir aktiv Politik gestalten können. Nur mit tragfähigen öffentlichen Haushalten werden wir die Herausforderungen der demografischen Entwicklung einerseits und der Globalisierung, des ständig steigenden Wettbewerbs der Standorte, andererseits meistern.
Das Ergebnis der Studie der Europäischen Kommission beweist - das ist im Grunde keine Überraschung -: Staaten, die über solide und nachhaltige Finanzen verfügen, bekommen die Probleme der Zukunft besser in den Griff und meistern strukturelle Reformen.
Sehr geehrter Herr Bundesfinanzminister, Sie haben Recht: Das Problem der Sanierung der Staatsfinanzen ist mit dem Jahr 2007 nicht gelöst und die Sanierung der Staatsfinanzen ist auch nicht beendet. Nein, das Gegenteil ist der Fall: Vielmehr ist die Sanierung der Staatsfinanzen mit dem Jahr 2007 erst eröffnet. Von diesem Punkt aus müssen wir weiter voranschreiten, strukturelle Einsparungen im Haushalt zu ermöglichen.
Für die Union steht das erklärte Ziel fest, mittelfristig den ausgeglichenen, den nachhaltigen Bundeshaushalt zu erreichen. Dabei geht es uns nicht um Sparen um des Sparens willen - CDU und CSU geht es um das Sparen um der Zukunft willen. Gerade aus Sicht der jungen Generation ist ein ausgeglichener Haushalt notwendig, um finanzielle Gestaltungsspielräume in der Zukunft zu erhalten. Wir werden, wir dürfen der zukünftigen Generation zusätzlich zu den demografischen Problemen der sozialen Sicherungssysteme nicht auch noch die Zinslast zusätzlicher Schulden aufbürden. Deshalb beschäftigt uns über den Bundeshaushalt 2007 hinaus die Perspektive für die Jahre 2008, 2009 ff. Herr Bundesfinanzminister, wir müssen die Chance der derzeitigen positiven Entwicklung nutzen. Gehen wir gemeinsam auf dem Weg, das strukturelle Defizit zügig abzubauen und die Schuldenstandsquote zu reduzieren, voran. In diesem Sinne müssen wir gemeinsam aus den Fehlern Ihres Amtsvorgängers lernen.
- Doch, Herr Kollege Brinkmann!
Das Jahr 2001 hat Finanzminister Eichel gezeigt, wie schnell eine günstige konjunkturelle Entwicklung, verbunden mit einem Boom der volatilen, gewinnabhängigen Steuern, wie wir es damals hatten, sich umkehren kann.
Wir haben, ausgehend von einer positiven Entwicklung 2001, quasi über Nacht umfangreiche Defizite, eine schnell wachsende Schuldenquote und eine Verletzung der Haushaltsgrenzen erlebt, weil wir keine solide Grundposition hatten. Das ist die Lehre aus der Entwicklung der Jahre 2001, 2002, 2003, 2004. Daher müssen wir von heute an den vielfältigen Interessen vehement entgegentreten und damit beginnen, endlich Schulden abzubauen. Nur dann hält der positive Trend des Jahres 2006 auch 2007 an und kann sich sogar multiplizieren.
Die Rückführung der Nettokreditaufnahme von 30 Milliarden Euro im Jahr 2006 auf 19,6 Milliarden Euro im nächsten Jahr ist ein erster, wichtiger Schritt. Die Haushälter und Finanzpolitiker sind sich natürlich bewusst, dass man hier mit virtuellem Geld operiert. Aber man muss es sich einmal durchrechnen, um die Volumina zu begreifen: Wir haben durch die Reduzierung der Nettokreditaufnahme von 30 Milliarden Euro auf 19,6 Milliarden Euro zukünftige Belastungen vermieden. Wir haben in einem gewissen Sinne Freiräume geschaffen. Denn allein durch die - in Anführungszeichen - ?gesparten“ Schulden von rund 10 Milliarden Euro müssen wir bei einem durchschnittlichen Zinssatz von rund 4 Prozent 400 Millionen Euro weniger Zinsen zahlen. Wir haben den Bund davor bewahrt, weitere tägliche Zinslasten von 1 Million Euro aufzunehmen. Ich glaube, das ist eine gute Nachricht für die Steuerzahler in unserem Lande.
Die große Koalition hat nach der Wahl den dringenden Handlungsbedarf bei den öffentlichen Finanzen, insbesondere beim Bundeshaushalt, schnell erkannt und mit ihren ersten beiden Etats auch gehandelt. Die öffentlichen Finanzen liegen langfristig wieder auf einer guten, soliden Grundlage. Wir müssen uns immer wieder bewusst werden, dass das eine Herausforderung ist, die mit den Haushalten 2006 und 2007 nicht abgearbeitet ist. Wir müssen diese Debatte in allen gesellschaftlichen Bereichen führen, um die Aufgaben der kommenden Jahre klar zu beschreiben. Nur wenn es gelingt, finanzielle Handlungsspielräume für eine solche aktiv gestaltende Finanzpolitik zurückzugewinnen, kann Deutschland der Zukunft erfolgreich begegnen.
Ich kann für die CDU/CSU feststellen: Wir sind einen Schritt in die richtige Richtung gegangen. Es gilt im Hinblick auf die zukünftigen Jahre, Tempo aufzunehmen, um die guten Ergebnisse des Jahres 2006 und die gute Planung für das Jahr 2007 in erfolgreiche Haushalte der Jahre 2008, 2009 und 2010 gießen zu können.
Herzlichen Dank.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nächster Redner ist der Kollege Jörg-Otto Spiller für die SPD-Fraktion.
Jörg-Otto Spiller (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Fahrenschon, es ist sehr gut, dass wir jetzt an einem Strang ziehen und auch in derselben Richtung. Es war in der vorigen Wahlperiode manches Mal schwer, mit dem Bundesrat, in dem es eine andere Mehrheit gab als im Bundestag, in der Finanzpolitik zu Ergebnissen zu kommen. Wäre den Vorschlägen der damaligen Bundesregierung gefolgt worden, stünden wir heute ein Stück besser da, als wir es tun. Aber immerhin: Wir haben es ja noch geschafft.
Deutschland ist auf einem guten Weg. Das Wirtschaftswachstum wird in diesem Jahr circa 3 Prozent betragen. Die Bundesbank redet sogar davon, dass es eher 3,5 Prozent sein werden. Alle erwarten, dass wir auch im kommenden Jahr ein zwar vielleicht etwas verringertes, aber immer noch solides Wirtschaftswachstum haben werden. Es gibt heute etwa eine halbe Million Arbeitslose weniger und eine viertel Million sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse mehr als vor einem Jahr. Der Gesamtstaat Deutschland hat das Defizitkriterium von Maastricht in diesem Jahr wieder eingehalten und mit dem Haushalt 2007, der in dieser Woche zur Debatte steht, werden wir zum ersten Mal seit längerer Zeit auch die Regelgrenze des Art. 115 Grundgesetz wieder einhalten. Es ist bereits mehrfach gesagt worden: Die Nettokreditaufnahme des Bundes wird den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung haben.
Wir sind noch nicht am Ziel, aber wir sind in den letzten Jahren ein gutes Stück vorangekommen. Viele Kollegen haben das schon gesagt: Wir müssen auch weiterhin an der Konsolidierung der Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden arbeiten. Herr Fahrenschon, wir stimmen natürlich weiterhin in unserem Ziel überein, dass auch künftig jede Generation neu darüber entscheiden können muss, wofür sie das öffentlich zur Verfügung stehende Geld ausgibt und wo die entsprechenden Schwerpunkte bei den öffentlichen Ausgaben liegen. Wir dürfen nicht durch eine überbordende Zinslast eingeengt werden. Deshalb müssen wir jetzt die Ausgaben umstrukturieren. Der Anfang ist getan. Dabei müssen wir weg von der vergangenheitsbezogenen Last hin zu den Zukunftsausgaben kommen.
Durch die Steuerschätzung im November 2006 wurden viele Hoffnungen geweckt. Es ist erstaunlich, dass aufgrund der etwas vermehrt zur Verfügung stehenden Mittel - dies bedeutet allerdings immer noch, dass die Lücke nur kleiner geworden ist - sofort mit einer großen Fantasie darüber nachgedacht worden ist, wie man das weniger fehlende Geld besser ausgeben kann. Wofür gibt man das Geld aus, das fehlt und das wir nicht haben?
Dafür gab es eine Reihe von Vorschlägen. Zum Glück sind sie im Wesentlichen wieder begraben worden.
Die Koalition hält Kurs. Dieser Kurs heißt Konsolidierung. Ich sage aber auch: Konsolidierung gibt es nicht ohne Wachstum.
Ich bin ein wenig erstaunt darüber, dass Frau Hajduk und auch der Vorsitzende von Gesamtmetall verkündet haben, die Koalition habe nur Fortune gehabt;
die Konjunktur laufe gut, aber dafür könne die Politik nichts. Frau Hajduk, der alte Moltke hat dazu schon das Richtige gesagt: Glück hat auf die Dauer nur der Tüchtige.
Ich bin ein bisschen enttäuscht darüber, dass Sie sich selbst nicht mehr dazu zählen; denn es gab natürlich auch in der vorigen Wahlperiode Entscheidungen, die sich jetzt auszahlen. Ich weiß gar nicht, warum Sie sich davon distanzieren. Natürlich ist die Arbeitsmarktreform, so schwierig sie war - sie ist ja immer noch umstritten -, auch eine der Grundlagen für die heutige Belebung am Arbeitsmarkt.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Hajduk?
Jörg-Otto Spiller (SPD):
Gerne.
Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr verehrter Herr Kollege Spiller, halten Sie es für zustimmungsfähig, dass ich mir hinsichtlich der Senkung der Lohnnebenkosten, die jetzt Ihrer Regierung möglich ist, auch weiterhin erlaube - weil ich zu unseren rot-grünen Reformen gerade im Bereich des Arbeitsmarktes stehe -, darauf hinzuweisen, dass 1,3 der über 2 Prozentpunkte, um die Sie den Betrag zur Arbeitslosenversicherung senken wollen, durch rot-grüne Reformen angelegt wurden und dass deshalb dieser Schritt unabhängig von der Mehrwertsteuererhöhung erfolgt wäre? Das wollte ich bei Ihrer Überlegung zu den Lohnnebenkosten noch einmal deutlich machen. Vielleicht können Sie mir in diesem Punkt zustimmen. An dieser Stelle stehe ich sehr wohl zu unseren Reformen, die wir vor einigen Jahren durchgeführt haben.
Jörg-Otto Spiller (SPD):
Ganz deutlich war die Frage nicht. Aber ich nehme mit Freude zur Kenntnis, dass Sie weiterhin zu unseren Reformen stehen und insofern Ihre Aussage von vorhin etwas geradegerückt haben. Herzlichen Dank für diese Einsicht.
Der Subventionsabbau in Verbindung mit einer gleichzeitigen Senkung von Steuersätzen hat ebenfalls dazu beigetragen. Auch diese Maßnahmen haben wir gemeinsam begonnen, Frau Hajduk. Aber wir setzen sie auch fort. Das eine oder andere hätte vielleicht etwas schneller gehen können, wenn Herr Trittin nicht zum Schluss gebremst hätte. Aber wir haben immerhin die richtige Richtung eingeschlagen.
Die große Koalition hat den Mut gehabt, mit dem Haushalt 2006 auch den Konjunkturverlauf zu stützen. Ich finde, dazu kann man sich bekennen. Es war eine vernünftige Entscheidung.
Erlauben Sie mir noch eine Bemerkung; denn wir müssen nicht nur über die Konjunktur, sondern auch über Wachstumschancen reden. Das wird im Laufe der Woche in der Debatte der Einzelpläne noch an mehreren Stellen eine Rolle spielen. Aber in der allgemeinen Finanzdebatte will ich noch einen Punkt ansprechen. Unsere Unternehmensteuerreform baut darauf auf, dass fast alle großen deutschen Unternehmen multinational ausgerichtet sind. Das heißt, dass sie nicht nur sehr erfolgreich weltweit operieren, sondern dass sie auch die Standortkonkurrenz besonders deutlich empfinden und darüber hinaus entscheiden können, wo sie die Kosten und Erträge anfallen lassen. Diese Entwicklung kann man nicht passiv hinnehmen, sondern wir müssen zur Sicherung der deutschen Steuerbasis dafür sorgen - das ist das Ziel der Unternehmensteuerreform -, dass die Unternehmen in Deutschland mehr Steuern zahlen. Es geht nicht darum, dass die Unternehmen insgesamt mehr Steuern zahlen sollen.
Ich bin mir sicher, dass wir das nach einer Anlaufphase erreichen werden. Wenn der eine oder andere mittelständische Unternehmer in seinen Überlegungen, wie er vorzugehen hat, Herr Solms, in einem komplizierten Fall eine verbindliche Auskunft vom Finanzamt haben will, dann halte ich eine angemessene Gebühr dafür für vernünftig. Ich bin sogar sicher, dass der Unternehmer diese Gebühr gerne zahlen würde.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Der letzte Redner in dieser Debatte ist nun der Kollege Jochen-Konrad Fromme für die CDU/CSU-Fraktion.
Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Solms, es ist nicht richtig, dass es keinen roten Faden in unserer Haushalts- und Wirtschaftspolitik gibt. Politik fängt bei der Betrachtung der Realitäten an. Die Realitäten sind weniger Arbeitslose, mehr sozialversicherungspflichtig Beschäftigte und mehr offene Stellen. All das kommt nicht von ungefähr; es ist vielmehr Ausdruck dafür, dass der schmale Grat zwischen der Sanierung der Haushalte einerseits und der Schonung der Konsumkraft andererseits richtig getroffen ist. Sonst hätten wir diese positiven Werte nicht erreicht.
Womit haben wir uns noch vor einem Jahr im Wahlkampf beschäftigt? Damals ging es um den Arbeitsmarkt und die Arbeitslosigkeit. Jetzt, nachdem sich die Lage gebessert hat, spricht keiner mehr davon. Die Entwicklung am Arbeitsmarkt spricht dafür, dass unsere Politik erfolgreich ist und richtige Ansätze verfolgt hat.
Um mit dem Regisseur Jacques Tati zu sprechen: ?Alle Wirtschaftsprobleme wären zu lösen, wenn man die Selbstgefälligkeit steuerpflichtig machte.“ Diesen Weg können wir nicht beschreiten. Aber die große Koalition ist durchaus erfolgreich, wenn Der Staat ist effizienter geworden. Wir haben Reformen durchgesetzt und an allen Stellen für Verbesserungen gesorgt. Wir sind zwar nicht dort, wo wir sein wollen; das ist völlig klar. Alles könnte schöner, besser und größer sein. Aber wir sind auf dem richtigen Weg; das ist das Entscheidende.
Herr Kollege Spiller, die Trendwende wurde dadurch erreicht, dass Sie den grünen Ballast losgeworden sind. Wir haben uns nicht verändert. Vielmehr haben wir uns angenähert und es gibt mehr Übereinstimmung. Das freut mich.
Die Investitionen liegen über der Nettokreditaufnahme. Wir erfüllen damit das Maastrichtkriterium. Die Steuer- und Abgabenquote sinkt genauso wie die Lohnnebenkosten. Das sind doch richtige und wichtige Signale. Es wird behauptet, das habe nichts mit der Regierung zu tun. Wir sind sicherlich nicht so arrogant und sagen, das sei unser Aufschwung. Aber mit dem Regierungswechsel hat es schon etwas zu tun; denn die wirtschaftliche Entwicklung hängt auch von der Stimmung ab. Nun gibt es einen Stimmungswandel; dieser ist wichtig. Diesen hätte es ohne unsere Regierungsbeteiligung nicht gegeben.
Wenn man die Überschriften in den letzten Tagen liest - ?Die deutsche Wirtschaft ist in guter Verfassung“; ?Stärkstes Wachstum seit sechs Jahren“; ?Wirtschaftsweisen erwarten kräftiges Wachstum“; ?DIW rechnet mit einer Gesundung der öffentlichen Haushalte“ -, dann muss man feststellen, dass es in diesem Land nun einen breiten Konsens darüber gibt, dass die Politik einen richtigen Weg eingeschlagen hat. Diesen müssen wir konsequent weitergehen.
Es ist richtig, vorhandene Überschüsse der Bundesagentur für Arbeit an die Beitragszahler zurückzugeben. Es verwundert mich nicht, dass der Kollegin Höll nur einfällt, wie man das Geld ausgeben kann. Aber es ist richtig, es den Bürgern zu geben, damit die gewünschte Entwicklung in Gang kommt.
Die FDP fordert keine Steuererhöhungen sowie gleichzeitig eine Senkung der Nettokreditaufnahme und eine Steigerung der Investitionstätigkeit. Dazu kann ich nur sagen: Alles muss unter dem Strich zusammenpassen. Die Rechnung muss aufgehen.
Der Kollege Solms fordert plötzlich eine zentrale Steuerverwaltung. Dieser Hang zur Zentralität verwundert mich ganz erheblich.
Ich weiß natürlich, dass wir bei den EDV-Programmen stärker zusammenarbeiten und uns abstimmen müssen, wenn wir Einheitlichkeit erreichen wollen. Aber ein Wettbewerb zwischen mehreren Beteiligten spricht immer dafür, dass man das beste Modell, das Optimum findet. Wir waren mit ?Fiscus“ auf dem Weg hin zu mehr Zentralismus, sind aber leider total gescheitert; das muss ich ehrlich zugeben. Wir müssen nun neu anfangen.
Natürlich haben wir gespart; Steffen Kampeter hat bereits darauf hingewiesen. Wir haben auch bei uns selber gespart, zum Beispiel bei der Öffentlichkeitsarbeit. Des Entschließungsantrags der FDP auf Streichung der Mittel für den Neubau des Bundesinnenministeriums bedarf es aber nicht. Wir haben die Mittel bereits gesperrt. Wir werden uns ganz in Ruhe darüber verständigen, ob ein solches Konzept wirtschaftlich sinnvoll ist. Wenn dem nicht so ist, dann werden die Mittel nicht freigegeben. Wenn dem so ist, dann werden die Mittel freigegeben und dann wird vorwärts geschritten.
Es wurde behauptet, durch die geplante Gesundheitsreform stiegen die Beiträge. Das verwundert mich sehr; denn die Gesundheitsreform greift noch gar nicht. Also können die Beiträge aufgrund der Reform noch gar nicht steigen. Sie steigen deshalb, weil in der Vergangenheit zu wenig verändert wurde, weil wir die Systeme zu wenig angepasst und zu wenig gesteuert haben. Lassen Sie uns erst einmal abwarten, bis das Konzept vollständig auf dem Tisch liegt und bis wir dafür gesorgt haben, dass die Menschen mehr Eigenvorsorge betreiben. Ich glaube, dass man dadurch wesentlich besser steuern kann als durch Verwaltung und Regelungen. Letzteres hat immer nur zu höheren Verwaltungskosten geführt. Ein zunehmend höherer Anteil im Gesundheitswesen geht in die Verwaltung anstatt in die Medizin, die Medikamente und Operationen. Unser Ziel muss sein, dem entgegenzuwirken.
Ich freue mich, dass wir aktiv Politik betreiben konnten, dass wir uns beispielsweise im Bereich der Kulturpolitik durchringen konnten - das sage ich als Arbeitsgruppenvorsitzender -, der Koalitionsvereinbarung im Punkt ?Sichtbares Zeichen“ im Haushalt Geltung zu verschaffen. Ich fordere alle, insbesondere die Bundesländer auf, einzusteigen und daran konstruktiv mitzuwirken.
Natürlich sind wir längst nicht da, wo wir sein wollen. Wir sind aber auf dem richtigen Weg. Wenn ich mir die Einnahmen und die Ausgaben im Bundeshaushalt anschaue, dann ist völlig klar, dass wir die strukturelle Lücke schließen müssen, weil irgendwann die Einmaleffekte verbraucht sind und weil wir nicht mehr ausgeben dürfen, als wir einnehmen. Aber auch auf diesem Weg sind wir erheblich fortgeschritten. Seit Jahren haben wir jetzt erstmalig wieder einen Überschuss im Primärhaushalt. Das heißt, wir sind den ersten Schritt gegangen. In diesem Jahr geben wir weniger aus, als wir einnehmen. Das ist ein wichtiges Zwischenziel. Wir müssen natürlich Überschüsse erwirtschaften, damit wir die Zinsen für die Altlasten tragen können und damit wir zu einem besseren Investitionsverhalten kommen. Unsere Fortschritte in dieser Beziehung sind ein Beweis dafür, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Wir haben noch vieles zu tun, auch was die Staatsquote und die Personalkosten betrifft. Wir sind in der Koalition mit der Willensbildung darüber, wie wir fortschreiten, noch längst nicht am Ende. Natürlich sind pauschale Personalkostenvorgaben und Einsparungen dann problematisch, wenn man in der Sache nichts verändert. Aber, Herr Kollege Poß - darin unterscheiden wir uns -, wir sagen, dass wir bei den Aufgaben etwas verändern müssen, damit wir auf diesem Weg weitergehen können. Das ist aus dem Parlament heraus schwer zu bewerkstelligen. Wir müssen Druck auf die Regierung ausüben, damit sie uns entsprechende Vorschläge macht.
Ich will in diesem Zusammenhang auch ein Kapitel ansprechen, das nicht überall besonders positiv aufgenommen wird, das Kapitel Bonn - Berlin. Ich glaube, dass wir uns diesen teuren ?Doppelzirkus“ nicht mehr lange leisten können.
Das ist doch ein Wahnsinn. Ich würde mich freuen - ich habe Beifall quer durch das ganze Haus gehört -, wenn an diesem Thema konstruktiv mitgearbeitet würde. Ich habe das einmal während einer Klausur angesprochen und großen Beifall erhalten. Dann aber wurde der Beifall deutlich weniger. Ich schließe daraus, dass wir an dieser Stelle weitermachen müssen. Es kann doch nicht sein, dass jemand morgens um 6 Uhr in Bonn aufbricht, mittags in Berlin ist, zehn Minuten lang etwas in einem Ausschuss vorträgt und abends wieder nach Bonn fährt. Damit ist der ganze Arbeitstag für einen Vortrag von zehn Minuten verloren. An der Stelle liegt doch ein riesiges Einsparpotenzial.
Ich glaube, dass wir daran arbeiten müssen. Wir sollten über den lokalpolitischen Tellerrand hinwegschauen. Die Stadt Bonn steht inzwischen gut da. Das hat keiner vorausgesehen. Deswegen war es am Anfang richtig, Brücken zu bauen. Inzwischen haben wir gesehen, dass die Brücken tragfähig sind, und wir können weiterarbeiten.
Sie sehen, es gibt noch viel zu tun. Packen wir es an! Wir sind auf dem richtigen Wege. Ich lade alle in diesem Hause ein, auf dem richtigen Wege mitzumachen und am Ende dem Haushalt zuzustimmen.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen nun zu den Abstimmungen. Zunächst stimmen wir über den Einzelplan 08, Bundesministerium der Finanzen, in der Ausschussfassung ab. Wer stimmt dafür? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 08 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen.
Abstimmung über den Einzelplan 20, Bundesrechnungshof, in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 20 ist mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen.
[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 65. Sitzung - wird morgen,
Mittwoch, den 22. November 2006,
an dieser Stelle veröffentlicht.]