82. Sitzung
Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007
Beginn: 9.00 Uhr
* * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *
* * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *
* * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Die Sitzung ist eröffnet. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle herzlich.
Heute feiert der Kollege Klaus Uwe Benneter seinen 60. Geburtstag. Dazu möchte ich im Namen des ganzen Hauses herzlich gratulieren.
- Das sind Gelegenheiten im Leben, die sich nur schwer wiederholen lassen. Der Beifall steht jedenfalls im Protokoll.
Es gab seit unserer letzten Sitzung noch weitere Jubilare: Die Kollegen Otto Bernhardt und Franz Romer feierten am 13. bzw. 26. Februar ihre 65. Geburtstage, und der Kollege Jerzy Montag beging am 13. Februar seinen Sechzigsten. Auch zu diesen runden Geburtstagen gratuliere ich nachträglich herzlich und wünsche alles Gute.
Nun kommen wir zum geschäftlichen Teil der Veranstaltung: Der Kollege Matthias Berninger hat am 20. Februar auf seine Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet. Als Nachfolgerin begrüße ich herzlich die Kollegin Nicole Maisch.
Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene Tagesordnung um die in der Zusatzpunktliste aufgeführten Punkte zu erweitern:
ZP 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der FDP:
Energie- und umweltpolitische Konsequenzen der Bundesregierung aufgrund des Klimaberichtes des Weltklimarates IPCC
(siehe 81. Sitzung)
ZP 2 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union (21. Ausschuss)
- zu dem Antrag der Abgeordneten Michael Stübgen, Gunther Krichbaum, Thomas Bareiß, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Axel Schäfer (Bochum), Dr. Lale Akgün, Doris Barnett, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Die deutsche Präsidentschaft der Europäischen Union zum Erfolg führen
- zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Löning, Christian Ahrendt, Michael Link (Heilbronn), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Mehr Ehrgeiz für die deutsche Ratspräsidentschaft - eine EU der Erfolge für die Bürger
- zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Diether Dehm, Alexander Ulrich, Dr. Hakki Keskin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN
zu der Abgabe einer Erklärung durch die Bundeskanzlerin
zum Europäischen Rat am 14./15. Dezember 2006 in Brüssel und zur bevorstehenden deutschen EU-Ratspräsidentschaft
- zu dem Antrag der Abgeordneten Rainder Steenblock, Jürgen Trittin, Omid Nouripour, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Forderungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft - Ratspräsidentschaft für eine zukunftsfähige EU nutzen
- zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Präsidentschaftsprogramm 1. Januar bis 30. Juni 2007 - Europa gelingt gemeinsam
- Drucksachen 16/3808, 16/3832, 16/3796, 16/3327, 16/3680, 16/4453 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Gunther Krichbaum
Axel Schäfer (Bochum)
Markus Löning
Dr. Diether Dehm
Rainder Steenblock
ZP 3 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union (21. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Rainder Steenblock, Jürgen Trittin, Omid Nouripour, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Berliner Erklärung - Werte und Aufgaben der EU im 21. Jahrhundert
- Drucksachen 16/4171, 16/4448 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Michael Stübgen
Axel Schäfer (Bochum)
Markus Löning
Dr. Diether Dehm
Rainder Steenblock
ZP 4 Beratung des Antrags der Abgeordneten Winfried Hermann, Volker Beck (Köln), Undine Kurth (Quedlinburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Einführung einer Klimaschutzabgabe bei Flugreisen
- Drucksache 16/4182 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
(f)
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für Tourismus
Haushaltsausschuss
ZP 5 Beratung des Antrags der Abgeordneten Winfried Hermann, Dr. Reinhard Loske, Peter Hettlich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Wirksame Klimaschutzmaßnahmen im Straßenverkehr ergreifen
- Drucksache 16/4429 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Haushaltsausschuss
ZP 6 Beratung des Antrags der Abgeordneten Lutz Heilmann, Eva Bulling-Schröter, Dorothée Menzner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN
Trendwende beim Klimaschutz im Verkehr - Nachhaltige Mobilität für alle ermöglichen
- Drucksache 16/4416 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Haushaltsausschuss
ZP 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Reinhard Loske, Kerstin Andreae, Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Für mehr Klimaschutz im Verkehr - Kfz-Steuer auf CO2-Ausstoß umstellen
- Drucksache 16/4431 -
ZP 8 Beratung des Antrags der Abgeordneten Winfried Hermann, Bärbel Höhn, Dr. Reinhard Loske, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
CO2-Emissionen der Dienstwagenflotte des Deutschen Bundestages nachhaltig senken
- Drucksache 16/4430 -
ZP 9 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses (4. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Winfried Hermann, Peter Hettlich, Dr. Anton Hofreiter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Treibhausgasemissionen bei Dienstreisen ausgleichen - Vorbildfunktion der öffentlichen Hand erfüllen
- Drucksachen 16/1066, 16/3847 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Clemens Binninger
Siegmund Ehrmann
Dr. Max Stadler
Jan Korte
Silke Stokar von Neuforn
ZP 10 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Lutz Heilmann, Hans-Kurt Hill, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN
Umverteilung durch den Emissionshandel beenden - Vorreiterrolle im Klimaschutz übernehmen
- Drucksachen 16/1682, 16/3144 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Andreas Jung (Konstanz)
Frank Schwabe
Michael Kauch
Eva Bulling-Schröter
Dr. Reinhard Loske
ZP 11 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Michael Kauch, Gudrun Kopp, Angelika Brunkhorst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Klimapolitischen Zertifikatehandel in Deutschland nachhaltig und verantwortungsvoll gestalten - Nationalen Allokationsplan grundlegend überarbeiten
- Drucksachen 16/3051, 16/4422 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Andreas Jung (Konstanz)
Frank Schwabe
Michael Kauch
Eva Bulling-Schröter
Hans-Josef Fell
ZP 12 Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael Kauch, Jan Mücke, Angelika Brunkhorst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Einbeziehung des zivilen Luftverkehrs in den europäischen Emissionshandel
- Drucksache 16/3049 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
(f)
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
ZP 13 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren
(Ergänzung zu TOP 30)
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth), Jan Mücke, Patrick Döring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Verfassungskonformität der Bahnprivatisierung sicherstellen
- Drucksache 16/4413 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Monika Lazar, Britta Haßelmann, Irmingard Schewe-Gerigk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Bundesmittel nicht verschwenden - Beratungsnetzwerke gegen Rechtsextremismus nachhaltig fördern
- Drucksache 16/4408 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)
Innenausschuss
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss
ZP 14 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD:
Den positiven Beitrag des Tourismus zum Wirtschaftswachstum festigen
ZP 15 Beratung des Antrags der Abgeordneten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Gerechtigkeit für die Opfer der SED-Diktatur
- Drucksache 16/4409 -
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)
Innenausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss
Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, soweit erforderlich, abgewichen werden.
Die Tagesordnungspunkte 5, 15 und 27 werden abgesetzt. Der Tagesordnungspunkt 9 soll vorgezogen und zusammen mit den anstelle des Tagesordnungspunktes 5 vorgesehenen Zusatzpunkten 4 bis 10 beraten werden. Außerdem ist beabsichtigt, die Tagesordnungspunkte 11 und 10 sowie 13 und 12 jeweils zu tauschen und danach den Tagesordnungspunkt 17 aufzurufen. Das haben sicherlich alle sofort verstanden. Wenn nicht, stehen die Geschäftsführer, die das ausgehandelt haben, für Erläuterungen zur Verfügung.
Schließlich mache ich auf eine nachträgliche Ausschussüberweisung im Anhang zur Zusatzpunktliste aufmerksam:
Der in der 73. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen werden.
Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD zur Verbesserung der Beschäftigungschancen älterer Menschen
- Drucksache 16/3793 -
überwiesen:
Ausschuss
für Arbeit und Soziales (f)
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96
GO
Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 4 a und 4 b sowie die Zusatzpunkte 2 und 3 auf:
4. a) Abgabe einer Erklärung durch die Bundeskanzlerin
zum Europäischen Rat in Brüssel am 8./9. März 2007
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Jürgen Trittin, Rainder Steenblock, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
EU-Frühjahrsgipfel nutzen - Klimawandel bremsen und Energiewende vorantreiben
- Drucksache 16/4428 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
(f)
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
ZP 2 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union (21. Ausschuss)
- zu dem Antrag der Abgeordneten Michael Stübgen, Gunther Krichbaum, Thomas Bareiß, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Axel Schäfer (Bochum), Dr. Lale Akgün, Doris Barnett, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Die deutsche Präsidentschaft der Europäischen Union zum Erfolg führen
- zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Löning, Christian Ahrendt, Michael Link (Heilbronn), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Mehr Ehrgeiz für die deutsche Ratspräsidentschaft - eine EU der Erfolge für die Bürger
- zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Diether Dehm, Alexander Ulrich, Dr. Hakki Keskin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN
zu der Abgabe einer Erklärung durch die Bundeskanzlerin
zum Europäischen Rat am 14./15. Dezember 2006 in Brüssel und zur bevorstehenden deutschen EU-Ratspräsidentschaft
- zu dem Antrag der Abgeordneten Rainder Steenblock, Jürgen Trittin, Omid Nouripour, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Forderungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft - Ratspräsidentschaft für eine zukunftsfähige EU nutzen
- zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Präsidentschaftsprogramm 1. Januar bis 30. Juni 2007 - Europa gelingt gemeinsam
- Drucksachen 16/3808, 16/3832, 16/3796, 16/3327, 16/3680, 16/4453 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Gunther Krichbaum
Axel Schäfer (Bochum)
Markus Löning
Dr. Diether Dehm
Rainder Steenblock
ZP 3 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union (21. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Rainder Steenblock, Jürgen Trittin, Omid Nouripour, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Berliner Erklärung - Werte und Aufgaben der EU im 21. Jahrhundert
- Drucksachen 16/4171, 16/4448 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Michael Stübgen
Axel Schäfer (Bochum)
Markus Löning
Dr. Diether Dehm
Rainder Steenblock
Zur Regierungserklärung liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklärung eineinhalb Stunden vorgesehen. - Auch dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat die Bundeskanzlerin, Frau Dr. Merkel.
Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, heute als Vorsitzende des Europäischen Rates zu Ihnen sprechen zu können. Wir haben uns als Bundesregierung - der Ratssitzung in der nächsten Woche, über die wir heute sprechen, sind ja viele Einzelräte vorausgegangen - sehr gut auf diese Präsidentschaft vorbereitet.
Sie wissen, dass in die deutsche Präsidentschaft der 50. Jahrestag der Römischen Verträge fällt. Ich glaube, wir können sagen: Wie 1957 steht die Europäische Union auch heute wieder an einer wichtigen Weggabelung, allerdings unter völlig veränderten Rahmenbedingungen. Damals, vor 50 Jahren, ging es um den Wiederaufbau Europas, um die Schaffung tragfähiger Grundlagen für einen beginnenden Wohlstand.
Heute geht es darum, die bisher versäumten oder nur halb vollzogenen Anpassungen der Europäischen Union an ihre neue Größe auf der einen Seite und eine völlig veränderte Weltlage auf der anderen Seite vorzunehmen.
Die Bundesregierung stellt sich mit der Aufgabe der Ratspräsidentschaft dieser Verantwortung. Wir wollen das europäische Projekt vorantreiben. Die Menschen - das ist unser Ziel - sollen die Europäische Union als hilfreich empfinden. Dafür ist notwendig, dass die Europäische Union und das, was in ihr geschieht, die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger finden.
Dabei ist klar: Nur wenn Europa wirtschaftlich erfolgreich ist, wird es seine Werte und auch sein Lebensmodell behaupten können und weiter dafür werben können. Wir wissen, die Welt wartet nicht auf Europa. Andere Weltregionen - das ist das Zeichen der Globalisierung - entwickeln sich zum Teil in geradezu atemberaubendem Tempo. Viele Länder auf der Welt streben heute danach, auch für ihre Menschen mehr Wohlstand und bessere Lebensbedingungen zu erreichen.
Wirtschaftlicher Erfolg - das wissen wir - ist kein Wert an sich, sondern er soll den Menschen dienen, möglichst allen Menschen; er soll ihnen Lebenschancen eröffnen. Das ist für uns das Credo, wie wir es in Deutschland nennen, für die soziale Marktwirtschaft. Europa hat - ich glaube, daran gibt es keinen Zweifel - durch die Schaffung des Binnenmarktes bereits erfolgreiche Wirtschaftsgeschichte geschrieben. Es gibt für mich auch keinen Zweifel daran, dass Deutschland als exportorientierte Volkswirtschaft ganz wesentlich von diesem Binnenmarkt profitiert. Wichtig ist, dass diese Früchte auch denen zugutekommen, die auf unsere Solidarität angewiesen sind. Das gilt für die Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Union; das gilt aber auch für unsere Fähigkeit, außerhalb der europäischen Grenzen Hilfe und Unterstützung zu leisten.
Europa steht für eine Verbindung von wirtschaftlicher Leistungskraft und sozialem Ausgleich. Aber wir spüren, dass dieses Modell, das viele Jahrzehnte funktioniert hat, durch die Globalisierung unter einen neuen Druck geraten ist. Wir müssen schauen, wie wir darauf reagieren. Wir müssen uns fragen: Wohlstand für alle - was heißt das, und was braucht es dazu im 21. Jahrhundert?
Ich glaube, es ist klar, dass für die Erreichung dieser Ziele zunächst einmal Wachstum notwendig ist, Wachstum in einer ganz ausgeprägten Dimension: qualitatives Wachstum, aber an vielen Stellen auch quantitatives Wachstum. Ohne Wachstum wird es nicht möglich sein, den Wohlstand zu erhalten; es wird so auch nicht möglich sein, Solidarität zu üben. Damit Solidarität und Gemeinsinn auch im 21. Jahrhundert für die Menschen weiter spürbar sind, müssen wir alles daransetzen, eine leistungsfähige Gesellschaft in der Europäischen Union zu bleiben.
Sie wissen, dass der Frühjahrsrat, der nächste Woche am 8. und 9. März stattfindet, traditionell als Schwerpunkt die Frage der wirtschaftlichen Dynamik und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit Europas auf der Tagesordnung hat. Dabei ist für uns klar: Die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, die Schaffung neuer Arbeitsplätze und die Verbesserung des sozialen Zusammenhalts sind gleichrangige Ziele, die sich gegenseitig bedingen. Das ist unser Verständnis von Reformpolitik, und das ist auch unser Verständnis von dem, was wir ?europäisches Sozialmodell“ nennen.
Dieses Sozialmodell ist nicht überall auf der Welt akzeptiert. Europa muss dafür kämpfen, dieses Modell als wettbewerbsfähiges, erfolgreiches Modell durchzusetzen, und die dafür notwendigen Standards setzen.
Nun wissen wir, dass für den Erfolg dieser Strategie ganz wesentlich die Mitgliedstaaten Verantwortung tragen. Genau deshalb diskutieren wir bei uns zu Hause über umfangreiche Reformvorhaben. Natürlich müssen durch die Rahmenbedingungen, die von der Europäischen Union, also von Brüssel, gesetzt werden, diese Anstrengungen unterstützt werden. Deshalb haben wir auch ganz bestimmte Schwerpunkte im Rahmen der Lissabonstrategie für den diesjährigen Frühjahrsrat vorgesehen. Dazu gehören die Fragen des sozialen Zusammenhalts; dazu gehören die Energiepolitik und der Klimaschutz; dazu gehören der Ausbau und die Vervollkommnung des Binnenmarkts sowie mehr Flexibilität durch Bürokratieabbau. Das sind die Schwerpunkte des diesjährigen Frühjahrsrats.
Die Kommission kann darauf verweisen, dass sie die im Rahmen der Lissabonstrategie angesetzten Vorhaben bereits zu 75 Prozent umgesetzt hat. Die Ziele der Lissabonstrategie zu erreichen, beruht auf einer Mischung von nationalen und europäischen Anstrengungen. Aber wir wissen natürlich auch, dass wir von der Zielsetzung der Lissabonstrategie, nämlich der dynamischste, kreativste und wachstumsfreundlichste Kontinent der Welt zu werden, noch ein ganzes Stück entfernt sind. Das heißt, es bleibt noch einiges zu tun.
Wir haben aber - auch das soll einmal erwähnt werden - Fortschritte erzielt. Eine Studie aus jüngster Zeit von Allianz und der Denkfabrik ?Lisbon Council“ hat ergeben, dass Schweden, Belgien, Deutschland und Großbritannien in der Produktivität die USA eingeholt haben. Wir wissen alle um die Relativität solcher Studien. Aber ich glaube, dieses Ergebnis macht Mut gerade für weitere Reformschritte.
Die Zahlen belegen es: Die wirtschaftliche Dynamik in Europa hat sich insgesamt verstärkt. Nach 1,7 Prozent Wachstum im Jahre 2005 hatten wir im letzten Jahr 2,8 Prozent Wachstum. Die Arbeitslosenquote - für viele Menschen ist die Schaffung von Arbeitsplätzen am wichtigsten - wird von 8,8 Prozent im Jahre 2005 auf voraussichtlich 7,3 Prozent im Jahre 2008 sinken.
Wir wissen, dass Deutschland in diesem europäischen Konzert eine ganz wesentliche Rolle spielt. Die gestrigen Arbeitsmarktzahlen zeigen - ohne dass ich sie jetzt überbewerten will -, dass wir auf einem richtigen Weg sind. Wir können uns natürlich mit einer Arbeitslosenzahl über 4 Millionen nicht abfinden. Wir können aber sagen, dass gegenüber dem Vorjahr sehr große Fortschritte erzielt worden sind. Darauf müssen wir aufbauen und da müssen wir weitermachen.
Wir wissen, dass der Abbau überflüssiger Bürokratie ganz wesentlichen Einfluss auf das Wirtschaftswachstum haben kann. Die Europäische Kommission hat sich vorgenommen, bis 2011 die Bürokratielasten für die Unternehmen um 25 Prozent zu senken. Das bedeutet nach Aussage der Europäischen Kommission eine Möglichkeit für zusätzliches Wirtschaftswachstum in Höhe von etwa 1,5 Prozent. Dieser Weg lohnt sich also. Ich begrüße deshalb dieses Abbauziel. Ich hoffe, wir können das auf dem Rat nächste Woche vereinbaren. Wir haben gestern im Kabinett beschlossen, dass die Bürokratie in Deutschland um etwa 25 Prozent bei den Statistik- und Berichtspflichten abgebaut werden soll. Ich glaube, das ist ein gutes, nationales, komplementäres Ziel, mit dem wir dann auch in Europa entsprechende Veränderungen einfordern können.
Wir bekennen uns dazu, dass wir einen Ordnungsrahmen für die wirtschaftliche Entwicklung brauchen, aber einen Ordnungsrahmen, der freiheitliche Spielräume eröffnet und ermöglicht. Deshalb ist für uns auch ein Schwerpunkt innerhalb dieses Jahres ein erfolgreicher Abschluss der Doha-Runde, für den wir uns ganz massiv einsetzen werden. Denn wir wissen, dass von einer Liberalisierung des Welthandels sowohl die Europäische Union als auch ganz besonders der Exportweltmeister Deutschland profitieren können. Wir wissen aber auch, dass wir mit fairem Welthandel den Entwicklungsländern in ganz besonderer Weise helfen. Es gibt also eine große Dringlichkeit, hier voranzukommen.
Wir wollen die Anstrengungen für einen freien Welthandel ergänzen - ich sage das ganz ausdrücklich, weil es manchmal durcheinandergebracht wird - um eine engere transatlantische Wirtschaftspartnerschaft. Hier geht es nicht um Zölle und tarifliche Hindernisse, sondern darum, dass wir bei den Regelungsnormen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika mehr Harmonisierung beim Schutz des geistigen Eigentums, bei Finanzmarktvorschriften und bei Standards für Industrieprodukte erreichen. Wir glauben, dass wir auf diesem Weg erhebliche Spielräume freisetzen können, die wir dann wieder für Innovation und Kreativität verwenden können. Wir wissen, angesichts des Wettbewerbs mit China und Indien ist das dringend erforderlich. Ich freue mich, dass es gute Anzeichen dafür gibt, dass wir genau dies auf dem nächsten Europäischen Rat vereinbaren können.
Eine solche transatlantische Wirtschaftspartnerschaft wird auch Gegenstand des EU-Amerika-Gipfels Ende April sein, auf dem wir dieses Projekt vorantreiben wollen.
Meine Damen und Herren, wir wissen, zu einer sicheren wirtschaftlichen Zukunft gehört ganz wesentlich eine sichere Energieversorgung. Das heißt, wir brauchen verlässliche, bezahlbare und nachhaltige Energie. Dazu gehört natürlich in unmittelbarem Zusammenhang das Thema Klimaschutz. Beides sind ganz wesentliche Wachstumsmotoren. Deshalb wird dies einer der Schwerpunkte auf dem nächsten Europäischen Rat sein. Wir werden, wenn die Beratungen erfolgreich sind, eine strategische Grundlage für eine wettbewerbsfähige, klimaverträgliche und sichere Energieversorgung schaffen, die die Voraussetzung dafür ist, dass sich die Europäische Union auch weiter vernünftig entwickeln kann.
Wir sollten uns einmal vor Augen führen, vor welcher Herausforderung wir beim Klimaschutz stehen, wenn wir die internationalen und wissenschaftlichen Berichte, die wir hören, wirklich ernst nehmen. Wenn wir weitermachen wie bisher, dann werden die Treibhausgasemissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 weltweit um 55 Prozent gestiegen sein. Wir können nicht die Augen davor verschließen, dass das erhebliche Folgen hat. Ich frage: Wollen wir die Augen davor verschließen, dass wir in den letzten zwölf Jahren elf der wärmsten Jahre seit der Wetteraufzeichnung hatten? Wollen wir einfach hinnehmen, dass der Meeresspiegel steigen wird und Städte wie Amsterdam, Venedig, Kairo und Bombay damit in Gefahr geraten? Wollen wir hinnehmen, dass wir völlig unbekannte Wetterphänomene haben, und zwar, wie für Mitte dieses Jahrhunderts vorausgesagt wird, Tropennächte in der Harzregion? - Ich glaube, wir können dem nicht tatenlos zusehen, zumal wir aus dem Stern-Report wissen, welche wirtschaftlichen Kosten sich aus dem Nichthandeln ergeben. Deshalb ist es Zeit, zu handeln, und deshalb muss gehandelt werden.
Wir haben diese Diskussion im vorigen Jahr auf dem Frühjahrsrat unter dem Thema Energie, aber auch unter dem Thema Klimaschutz begonnen. Die Kommission hat darauf mit ihren Vorschlägen zu einem integrierten Konzept reagiert. Das ist ein qualitativer Schritt nach vorne. Es ist jetzt Aufgabe des Rates, dieses integrierte Konzept zu unterstützen. Es gibt ambitionierte Klimaschutzziele. Ich bekenne mich zu dem Vorschlag - ich freue mich, dass auch der Umwelt- und der Energierat das gemacht haben -, die Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union bis zum Jahre 2020 um 20 Prozent zu senken. Wenn noch andere internationale Player dabei sind, werden wir auch eine 30-Prozent-Senkung ins Auge fassen.
Ich möchte hier aber nicht verschweigen, dass das ein wirklich ehrgeiziges Ziel ist. Ich will Folgendes vor Augen führen: Das Kiotoprotokoll verlangt von der Europäischen Union, dass die CO2-Emissionen zwischen 1990 und 2012, also in 22 Jahren, um 8 Prozent gesenkt werden. Das, wozu wir uns jetzt verpflichten, bedeutet, dass wir zwischen 2012 und 2020, also in acht Jahren, noch einmal um 12 Prozent senken. Wir haben heute, zu Beginn des Jahres 2007, in der Europäischen Union von der vereinbarten 8-Prozent-Senkung 1,2 Prozent erreicht. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich im Rahmen des Kiotoprotokolls verpflichtet - obwohl wir nur 20 Prozent der Einwohner und ein Viertel der Emissionen in der Europäischen Union haben -, 75 Prozent der Reduktionsverpflichtung zu übernehmen, weil wir natürlich durch die deutsche Einheit einen gewissen Startvorteil hatten. Das wird in der nächsten Periode so nicht mehr gehen. - Damit habe ich die Dimension dessen beschrieben, wozu sich die Europäische Union verpflichten möchte.
Ich sage ganz klar: Wir werden in der Phase bis 2020 den Beweis erbringen müssen - wir wollen das auch -, dass Ökologie und Ökonomie miteinander versöhnt und Strategien entwickelt werden können, die sowohl Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze als auch einen nachhaltigen Umgang mit der Umwelt ermöglichen. Das ist die große Aufgabe, vor der wir stehen.
Deshalb finde ich es richtig, dass die Kommission es nicht bei der Definition des Ziels belassen hat, sondern dass sie auch ehrgeizige Ziele formuliert hat, die den Weg beschreiben, wie man dort hinkommen kann.
Ein Schlüssel ist die Energieeffizienz, das heißt die Frage, wie wir das Gleiche mit weniger Energieverbrauch erreichen können. Hier haben wir in der Bundesregierung, unterstützt vom Deutschen Bundestag, mit dem CO2-Gebäudesanierungsprogramm neue Wege beschritten. Ich will aber darauf hinweisen, dass das, was wir in diesem Rahmen an Reduktion von CO2-Emissionen erreichen, um ein Vielfaches übertroffen werden muss, wenn wir die Gesamtziele erreichen wollen. Wir werden mit unserem CO2-Gebäudesanierungsprogramm ungefähr 1 Million Tonnen CO2-Emissionen einsparen. Gemessen an der notwendigen Gesamtmenge ist das zwar ein richtiger Schritt; das reicht aber bei Weitem nicht aus.
Es ist daher richtig und wichtig, dass wir ganz wesentlich in Technologieforschung, in Energieeffizienzforschung investieren. Dem dient auf nationaler Ebene natürlich die Hightechstrategie und dem dient innerhalb der Europäischen Union das siebte Rahmenforschungsprogramm. Noch nie in der Geschichte der Europäischen Union hat es ein so umfangreiches Forschungsprogramm gegeben. Dieses Forschungsprogramm muss sich natürlich mit der gesamten Breite der Emissionen von Treibhausgasen beschäftigen. Hierzu gehören neben den erneuerbaren Energien, die ein großer Schwerpunkt sind, auch emissionsarme Kohletechnologien mit Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoff. Das ist ein ganz neues Feld. Die Europäische Union will bis 2015 zwölf Demonstrationsanlagen errichten. Vattenfall hat hier in Brandenburg mit der Planung der ersten Anlage begonnen. Man muss wissen: Durch eine CO2-Abscheidung erniedrigt sich der Wirkungsgrad der Kohlekraftwerke. Genau an dem Punkt muss geforscht werden. Die Fragen der Speicherung - ich sage hinzu: später auch der Verwendung des CO2 - sind völlig ungelöste technische Probleme, aber auch sehr spannende Fragen.
Wir wollen daran arbeiten - das ist ein unglaublich ehrgeiziges Ziel -, dass solche Kohlenstoffabscheidungstechnologien in großem Maßstab bis 2020 auf dem Markt sind.
Wir brauchen emissionsarme Fahrzeuge und sogenannte Plus-Energiehäuser, also Häuser, mit denen mehr Energie erzeugt als verbraucht wird.
Ich will noch kurz etwas zu der Fahrzeugdiskussion sagen, weil das Thema aus meiner Sicht in der Öffentlichkeit zum Teil verzerrt diskutiert wurde. Die Bundesregierung unterstützt das Ziel, bis 2012 die CO2-Emissionen auf 120 Gramm pro Kilometer im Durchschnitt der europäischen Autoflotte zu senken, auf 130 Gramm durch Technologie und dann auf 120 Gramm durch die Beimischung von 10 Prozent Biokraftstoffen. Darüber herrscht auch Einverständnis. Wir legen aber Wert darauf, dass diese Werte nicht pro Hersteller erreicht werden müssen, sondern dass dies ein Flottenmittelverbrauch ist. Es ist uns gelungen, dass die Kommission das akzeptiert hat. Das heißt nicht, dass die technischen Anstrengungen für die großen Fahrzeuge nicht genauso groß sein müssen wie für andere.
Das heißt aber, dass auch diejenigen, die schon heute weniger als 120 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen, die Verpflichtung haben, technologische Verbesserungen durchzusetzen, damit der Durchschnitt sinkt. Das gilt für jeden.
Die Europäische Union ist schon heute weltweit führend im Bereich der Technologie für erneuerbare Energien. Bei der Windenergie haben wir - darauf können wir stolz sein - einen Weltmarktanteil von 60 Prozent.
- Es macht richtig Eindruck in China und Indien, wenn wir uns jetzt in diesem Hause darüber streiten, wer nun ?wir“ ist.
Freuen wir uns jetzt doch gemeinsam darüber, dass wir bei der Windenergie einen Weltmarktanteil von 60 Prozent haben. Ob das nun ein Gesetz war, das noch von dem Kollegen Austermann, der heute in Schleswig-Holstein Minister ist, gemacht wurde, oder ob es von den Nachfolgern gemacht wurde: Tatsache ist, wir sind erfolgreich. Darüber freuen wir uns jetzt einfach mal zehn Sekunden lang, meine Damen und Herren.
Um das alles durchsetzen zu können, müssen wir im Übrigen den Wettbewerbsgedanken in Europa stärken, das heißt den Binnenmarkt im Strom- und Gasbereich durchsetzen. Wir erleben gerade in diesen Tagen wieder, dass das gar nicht so einfach ist.
Wenn die Sitzung des Europäischen Rats in der nächsten Woche erfolgreich ist, werden wir einen Energieaktionsplan verabschieden. Das wird die erste gemeinsame, über Jahre hinaus verpflichtende europäische Antwort auf die Herausforderungen der Energiepolitik sein. Ich finde, das ist ein wichtiger und guter Schritt.
Wenn wir die Klimaschutzziele so vereinbaren, wie wir es jetzt vorhaben, dann werden wir für unsere G-8-Präsidentschaft sowie die Gespräche auf dem EU-Amerika-Gipfel und auf dem EU-Russland-Gipfel die Voraussetzung dafür haben, dass Europa Vorreiter wird und damit im Bereich Klimaschutz beispielgebend ist.
Ich will hinzufügen: Ich weiß, dass in der Europäischen Union nur 15 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen ausgestoßen werden. Es ist klar, dass Europa es nicht allein schaffen wird - deshalb muss es gelingen, andere zu überzeugen -, das Klimaproblem zu lösen. Für mich ist aber auch klar: Wenn wir in Europa zeigen können, dass Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit, Ökonomie und Ökologie, keine Gegensätze sind, dann wird uns das die Technologieführerschaft, die Innovationsführerschaft auf diesem Gebiet einbringen. Damit zeigen wir gleichzeitig, dass wir unserer Verantwortung für die Welt gerecht werden. Diese Chance sollte Europa nutzen. Damit können wir bei den anderen werben.
Wir alle wissen: Europa reduziert sich nicht auf Richtlinien, Beschlüsse über Milchkühe, Olivenhaine und Chemikalien. Die Fähigkeit der 27 Mitgliedstaaten, sich in Einzelfragen immer wieder auf Kompromisse zu einigen, beruht auf der Tatsache, dass uns ein gemeinsames Verständnis, ein gemeinsames Wertefundament eint. Wir müssen dieses Europa aus der Perspektive der Bürgerinnen und Bürger, der Menschen, denken. Deshalb wollen wir die Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der Römischen Verträge am 24. und 25. März dazu nutzen, dieses Wesensmerkmal Europas in der Berliner Erklärung deutlich zu machen, und zwar zum einen durch die Benennung dessen, was gelungen ist, zum anderen aber auch durch die Benennung der Aufgaben für das 21. Jahrhundert.
Wir wissen - ich glaube, das ist richtig so -, dass die Frage, wie es nach dem Ende unserer Präsidentschaft mit dem Verfassungsvertrag weitergeht, für unsere Präsidentschaft, vor allen Dingen aber für die Zukunft der Europäischen Union wesentlich ist. Sie wird auch darüber entscheiden, wie wir in die Europawahlen 2009 gehen. Wir wissen, die gemeinsame Zukunft der Europäischen Union lässt sich nicht mit dem Vertragswerk von Nizza gestalten. Wir brauchen einen Vertrag, der die regionale, die subsidiäre Verantwortung stärker benennt, der Europa institutionell handlungsfähig macht, der deutlich macht, was die Europäische Union eint. Deshalb werden wir bis zum Juni an dem Fahrplan, wie es mit dem Verfassungsvertrag weitergeht, zu arbeiten haben. Erste Konsultationen zeigen, dass es bei allen Schwierigkeiten eine breite Zustimmung für die Auffassung gibt, dass wir ein Zeichen setzen müssen, dass diese Europäische Union handlungsfähig ist.
Die Bundesregierung wird alles daransetzen, das in ihrer Kraft Liegende dafür zu tun;
denn wir wissen: Europa ist unsere Zukunft. Globaler Handel, Umweltschutz, illegale Migration und internationale Sicherheitsfragen - all das können Nationalstaaten heute nicht mehr alleine bewältigen. Kaum ein Politikbereich - das spüren wir auch im Bundestag - ist von den internationalen Implikationen unberührt.
Weil das so ist, wünsche ich mir: Bleiben wir Europäer uns trotz aller Probleme und Schwierigkeiten der überaus großen Zukunftschancen, die diese Europäische Union hat, bewusst! Seien wir uns bewusst, dass es an uns liegt - so, wie es vor 50 Jahren den Gründungsvätern der Europäischen Union gelungen ist -, dadurch, dass wir über den Tellerrand hinausschauen und die wesentlichen Herausforderungen unseres Jahrhunderts sehen, die europäische Erfolgsgeschichte der letzten 50 Jahre in den nächsten 50 Jahren fortzuschreiben, um das zu schaffen, was heute zum großen Teil bereits geschaffen worden ist: einen Raum des Friedens, der Freiheit, der Sicherheit und des Wohlstands. Dafür lohnt es sich zu arbeiten.
Herzlichen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich eröffne die Aussprache.
Das Wort erhält zunächst der Vorsitzende der FDP-Fraktion, Dr. Guido Westerwelle.
Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, zunächst einmal viel Erfolg für die Bewältigung der herausragenden Aufgabe, die Sie vor sich haben, wünschen. Um es gleich vorab zu sagen: Dass Ihre Präsidentschaft, dass die Präsidentschaft Deutschlands in der Europäischen Union Erfolg hat, liegt nicht nur im Interesse der Regierungsfraktionen, sondern es ist ein nationales Interesse und ein Interesse des ganzen Hohen Hauses.
Natürlich sind Regierungserklärungen der Regierungschefin davon getragen, dass sie nicht in allem konkret sein können. Das ist ganz selbstverständlich. Zu dem, was Sie vorgetragen haben, wird es aller Voraussicht nach eine ganz überragende Zustimmung über die Parteigrenzen hinweg in diesem Hohen Hause geben. Ihre Ausführungen hatten einen solchen Konkretisierungsgrad, dass das ganze Hohe Haus dem nur zustimmen kann.
Aber das Entscheidende ist das, was nicht angesprochen worden ist. Darüber müssen wir reden. Sie haben zu Beginn Ihrer Präsidentschaft, Anfang des Jahres, zu Recht darauf hingewiesen, wie notwendig es ist, dass wir den Verfassungsprozess wieder in Gang setzen. Dabei unterstützen wir Sie. Sie haben hier davon gesprochen, dass ein Fahrplan notwendig ist, und Ihren Optimismus gezeigt, dass wir in der Lage sein werden, in Europa einen gemeinsamen Fahrplan zu finden. Dafür wünschen wir Ihnen viel Erfolg.
Aber bevor man einen Fahrplan findet, muss man erst einmal entscheiden, welcher Zug nach diesem Fahrplan fahren soll. Das heißt, welchen Verfassungstext wollen wir eigentlich durchsetzen? Wie ist die deutsche Haltung bei diesen Verhandlungen? Wollen wir den alten Verfassungstext weiter forcieren? Setzen wir auf einen kürzeren Verfassungstext? Wollen wir uns darauf konkretisieren, einige wesentliche Kernpunkte dieses Verfassungstextes in Europa durchzusetzen? Von der Präsidentschaft der Deutschen in Europa erwarten wir, damit der Verfassungsprozess Erfolg hat, dass die Regierung selber weiß, was am Schluss herauskommen soll. Ein Fahrplan ist zu wenig; Inhalt ist gefragt.
Einen Bereich, den ich ansprechen möchte, haben Sie in Ihrer Regierungserklärung völlig ausgespart. Er macht meiner Fraktion große Sorgen; ich bin ganz sicher, auch denjenigen aus anderen Fraktionen, die an der Sicherheitskonferenz in München teilgenommen haben. Es geht um die Diskussion über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik Europas. Die Frage muss doch lauten: Ist die Gefahr nicht erheblich und groß, dass die Ankündigungen Tschechiens, Polens und der Vereinigten Staaten von Amerika, ein Raketenabwehrsystem in Polen und Tschechien zu stationieren, zu einem neuen Rüstungswettlauf führen können? Das ist nicht die bilaterale Angelegenheit von Tschechien und Polen einerseits und den Vereinigten Staaten von Amerika andererseits. Das ist eine europäische Frage, eine Frage unseres Bündnisses. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie uns erklären, was Ihre Initiativen sein werden, damit hier keine Spirale eines neuen Rüstungswettlaufs entstehen kann. Das ist europäisches Interesse. Die Äußerungen des tschechischen Außenministers, man sei ein souveräner Staat und die Sowjetunion sei untergegangen, sind - mit Verlaub - zu uneuropäisch und zu kurz gesprungen.
Wir werden uns mit dieser Frage mehr als einmal auseinandersetzen müssen. Auch wenn das eine Angelegenheit ist, die vielleicht nur am Rande der Tagesordnung in Brüssel am 8. und 9. März zu beraten sein wird: Sie ist, Frau Bundeskanzlerin, von herausragender Bedeutung! Es reicht auch nicht aus, dass die Vereinigten Staaten von Amerika durch ihre Außenministerin mitteilen, man habe Russland schließlich darüber informiert. Das ist nicht das, was man braucht. Das Mindeste, was man erwarten kann, ist eine Konsultation. Die Reaktionen auf die Rede, die Präsident Putin in Deutschland gehalten hat, verwundern mich durchaus - genauso wie der Grad der Erregung. Ich stelle mir umgekehrt die Frage, wie wohl die Reaktionen in den Vereinigten Staaten von Amerika wären, wenn Russland planen würde, ein solches Raketenabwehrsystem vor den Toren Washingtons, zum Beispiel auf Kuba, zu stationieren.
Natürlich wäre auch das keine Angelegenheit, die nur Kuba und die russische Führung betreffen würde, sondern das wäre eine globale Frage.
Frau Bundeskanzlerin, meines Erachtens muss sich die deutsche EU-Ratspräsidentschaft mit diesem Thema beschäftigen; der Bundesaußenminister hat dazu bereits ein paar Bemerkungen gemacht. Ich frage Sie: Wie ist die Haltung der Deutschen? Deutschland hat die EU-Präsidentschaft übernommen. Das heißt, dass wir auch in dieser Frage führen müssen. Wir Liberalen jedenfalls wollen an dem Ziel einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik Europas festhalten und wehren uns dagegen, dass es zu einer Spaltung der Europäischen Union bzw. des westlichen Bündnisses kommt, indem Länder gegeneinander ausgespielt werden.
Ich will es mir ersparen, an dieser Stelle Ihre Ausführungen zum Wirtschaftswachstum zu wiederholen. Nur ein kurzer Hinweis: Alle Zahlen zum Wachstum in der Europäischen Union, die Sie vorgetragen haben, belegen eines: dass Deutschland immer noch hintansteht. Die Daten zum durchschnittlichen Wirtschaftswachstum in der Europäischen Union, die Sie selbst genannt haben, sind - mit Verlaub - Anlass zur Sorge. In Wahrheit holen wir nicht auf, sondern wir fallen etwas weniger schnell zurück. Das ist die reale Lage. Die anderen Länder in Europa wachsen viel schneller als Deutschland. Daher kann man nicht sagen, dass Deutschland aufholt. Das mag die Partystimmung der Regierung stören, aber es gehört zu einer nüchternen Analyse dazu. Die Konjunkturkrise ist hoffentlich vorbei. Wenn wir aber meinen, damit sei auch die Strukturkrise in Deutschland gelöst, dann wird uns die nächste Konjunkturkrise doppelt hart treffen.
Schließlich möchte ich das, was Sie, Frau Bundeskanzlerin, zur Energiepolitik gesagt haben, aufgreifen. Die ehrgeizigen Ziele, die Sie in diesem Bereich formuliert haben, werden meiner Einschätzung nach vom ganzen Hause mitgetragen. Das gilt ausdrücklich auch für die Maßnahmen, die Sie im Hinblick auf die Steigerung der Energieeffizienz vorgeschlagen haben. Wer wollte hier ernsthaft widersprechen? Das sind für nachdenkende Menschen eigentlich Selbstverständlichkeiten.
- Ja, das sind eigentlich Selbstverständlichkeiten.
- Herr Kollege Trittin, das, was Sie so alles sagen, ist sicherlich immer richtig - und überhaupt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe keine Lust, nur über Gemeinsamkeiten zu sprechen und dafür meine Redezeit zu verbrauchen. Entscheidend ist nämlich ein anderer Punkt, den Sie allerdings nicht angesprochen haben - darauf möchte ich hinaus -: der Klimawandel. Die entscheidende Frage in der Energiepolitik sparen Sie in Ihren Antworten aus, nämlich: Steigt Deutschland entgegen dem, was in allen anderen Ländern der Welt getan wird, wirklich aus der Kernenergie aus oder nicht?
Dazu sagen wir: Wer den Klimawandel bekämpfen will und dann beschließt, dass Deutschland in einem nationalen Alleingang aus der Kerntechnologie, die hierzulande eine Spitzentechnologie ist, aussteigt, der verschlechtert die Umweltlage, der vergrößert unsere Abhängigkeit von ausländischen Energielieferungen
und der schadet den wirtschaftlichen Perspektiven Deutschlands.
Man muss erwarten können, dass Sie sich nicht um die Antwort auf diese Frage herummogeln, sondern etwas dazu sagen. Sie müssen zumindest darlegen, wie Sie auf europäischer Ebene handeln werden. Wie werden Sie sich auf dem G-8-Gipfel in Heiligendamm verhalten, wenn die Vertreter aller anderen Länder sagen, dass sie die Kernkraft ausbauen? Derzeit sind weltweit 160 Kernkraftwerke in Planung. In diesen Ländern weiß man, dass man vernünftig handelt, wenn man eine Form der Energiegewinnung praktiziert, durch die der Klimawandel nicht befördert wird.
Diese Fragen haben Sie heute ausgespart. Darauf hätten wir uns allerdings viel konkretere Antworten gewünscht. In der Energiepolitik den Zeigefinger zu erheben, in Wahrheit aber durch den Ausstieg aus der Kerntechnologie, die in Deutschland eine Spitzentechnologie ist, den Klimawandel zu befördern, das ist ein Widerspruch in sich. In dieser Frage wird Ihnen die liberale Opposition in diesem Hause widersprechen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Für die SPD-Fraktion erhält nun das Wort der Kollege Kurt Bodewig.
Kurt Bodewig (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Rede meines Vorredners begann so konstruktiv, da war ich eigentlich schon zuversichtlich, dass wir Europa gemeinsam gestalten. Dann kam aber leider wieder die übliche Mäkelei der Liberalen.
Zum letzten Thema will ich sagen: Herr Westerwelle, ich habe noch sehr genau in Erinnerung, wie das war, als die Diskussion über die erneuerbaren Energien begann: Die waren für Sie anfangs noch keine Selbstverständlichkeit. Vielleicht sollten wir uns häufiger an frühere Debatten erinnern. Auf das Thema ?erneuerbare Energien“ wird mein Kollege Ulrich Kelber nachher etwas näher eingehen. Deswegen will ich meine Redezeit auf andere Themen verwenden.
Ich möchte mich erst einmal bei der Bundeskanzlerin dafür bedanken - sie hört jetzt nicht zu; aber der Dank gilt trotzdem -, dass sie sich so darum bemüht, den sensiblen Verfassungsprozess wieder in Gang zu bringen, und mein Dank schließt den Bundesaußenminister ausdrücklich mit ein. Ich glaube, diese sensible Konsultation ist genau der richtige Weg. Denn wenn wir schon heute Vorgaben beschreiben, welche Schritte zu gehen sind, werden wir nicht zu einem Ergebnis kommen.
Ich glaube, dass sich in diesen acht Wochen der deutschen Ratspräsidentschaft in der Verfassungsfrage mehr bewegt haben wird als in der zweijährigen Reflexionsphase.
Dass Deutschland Motor für Bewegung in Europa ist - und dabei sollte es bleiben -, ist übrigens ein Grund, stolz zu sein. Das ist auch auf bestimmte andere Äußerungen die richtige Antwort.
Damit komme ich zu einem zweiten Punkt meines Vorredners. Er sollte zur Kenntnis nehmen, dass Studien zufolge - wie der vom Research Center der Allianz - Deutschland bei der Produktivität die USA eingeholt, in bestimmten Bereichen sogar überholt hat. Wir haben die Neigung, solche innovativen Leistungen eher zurückhaltend zu beurteilen. Das ist die deutsche Selbstbefindlichkeit, eigene Erfolge nicht benennen zu wollen. Das führt aber nicht weiter und stärkt uns nicht. Deshalb es ist nötig, festzuhalten: Wir haben in Europa Maßstäbe gesetzt.
Das Topthema Energie auf dem Frühjahrsgipfel wird zeigen: Deutschland ist bei den erneuerbaren Energien mittlerweile Weltmarktführer. Es war also richtig, dass wir mit ihrem Ausbau frühzeitig begonnen haben. Dabei gehören die traditionellen Industrien, die traditionellen Kraftwerke, aus meiner Sicht keineswegs zur Altindustrie, sondern sie sind ebenfalls Hightech. Wenn wir etwa mit BoA den Wirkungsgrad um 50 Prozent erhöhen können, dann sind wir auch da weltmarktfähig, und das wird sich bis hin auf Märkte wie China und Indien auswirken.
Zur Lissabonstrategie. Es ist ganz wichtig, dass wir unsere Linie - die Trias aus Nachhaltigkeit, Sozialverpflichtung und Wettbewerbsfähigkeit - beibehalten. Keiner dieser drei Punkte kann für sich alleine stehen, nur in dieser Kombination wird Europa sich entwickeln. Wir haben in der EU seit Verabschiedung der Lissabonstrategie - namentlich nach der Neufokussierung 2005 wurde dies deutlich verstärkt - 8 Millionen neue Stellen. Wir haben zwar immer noch 17 Millionen Arbeitslose in Europa - immer noch zu viele Arbeitslose -; aber dass Maßnahmen wie das Nationale Reformprogramm ihre Wirkung zeigen, ist erkennbar.
- Da darf man gerne klatschen.
Ich sage als Sozialdemokrat natürlich auch: Die Agenda 2010 - so schwierig sie war und so schmerzhaft sie in Teilen war - zeigt jetzt Wirkung. Auch ihr verdanken wir die real 300 000 neuen Arbeitsplätze, die im vergangenen Jahr entstanden sind.
Lassen Sie mich noch auf einen anderen Punkt eingehen. Innovation in Deutschland heißt Hightech. Sie heißt aber auch: eine breite Qualifikation. Um das duale System, das wir in Deutschland haben, beneiden uns alle anderen Mitgliedstaaten der EU. Wir sollten es nicht aufgeben. Es ist übrigens die Basis dafür, dass wir auch an anderen Stellen weiterkommen, etwa bei der Exzellenzinitiative - einer großen Leistung -, beim Pakt für Forschung und Innovation, bei der Hochtechnologiestrategie und natürlich beim 3-Prozent-Ziel, das wir gemeinsam vereinbart haben und das wir erreichen werden.
An die FDP gerichtet, will ich sagen: Was uns in der Europafrage unterscheidet, ist, dass wir die Menschen mitnehmen wollen. Die Bolkestein-Richtlinie hat sehr deutlich gemacht, was Ihre Vorstellung von Freiheit in Europa angerichtet hat. Die Referendumsergebnisse resultieren zum Teil auch aus einem solchen Europaverständnis. Wir wollen die Menschen mitnehmen, und wir wollen ein soziales Europa.
Ich habe deshalb die Bitte an die Bundeskanzlerin, die Kernbotschaften des Ministerrats für den Bereich Arbeit und Soziales aufzugreifen. Gerade beim Frühjahresgipfel geht es um das Thema ?Flexicurity“, das heißt eine größere Flexibilität, die aber mit einer angemessenen Beteiligung und Arbeiternehmerrechten verbunden ist. Flexibilität und Sicherheit beim Übergang zwischen den verschiedenen Abschnitten der Arbeit halte ich für den entscheidenden Punkt. Wir müssen im Beschäftigungsbereich einen am Lebenszyklus orientierten Ansatz schaffen und den Fokus verstärkt auf die Menschen richten, die am Rande des Arbeitsmarktes stehen.
Nicht zuletzt steht die Europäische Union vor einer ungeheuren Herausforderung durch die demografische Entwicklung. Wir müssen die damit verbundenen Fragen jetzt beantworten. Dazu gehört auch die Anpassung der Rentensysteme an die Notwendigkeiten, die wir zu vollziehen haben. Es geht aber auch um die Gesundheitsvorsorge und Langzeitpflege in einer alternden Gesellschaft. Dies sind sehr wichtige Themen. Wir arbeiten permanent an den Antworten und haben schon viele wichtige Schritte vollzogen.
Ich danke dem Vizekanzler für seine besondere Fokussierung auf den Begriff ?gute Arbeit“. Das ist nicht nur dahergesagt. Es geht darum, dass ein normales Arbeitsverhältnis den Menschen wieder die Sicherheit bietet, ihren eigenen Lebensunterhalt zu verdienen, ihr Leben zu gestalten und die Existenzfähigkeit ihrer Familien zu gewährleisten.
Dazu gehört auch ein fairer Lohn.
Es geht auch darum, diese Formen eines sozialen Verständnisses in der EU weiterzuentwickeln. Es gibt nicht das europäische Sozialmodell; vielmehr ist ein europäisches Sozialmodell als gemeinsame Konstruktion im Werden, in dem Versuch, uns in Europa auf bestimmte Grundsätze - wie ausgeprägte Systeme der sozialen Sicherheit, eine funktionierende Sozialpartnerschaft, klare Regeln des Arbeitsschutzes, gute Bildungssysteme, eine Politik gegen soziale Ausgrenzung und klare Regelungen für Gleichbehandlung - zu einigen. Wir sind hierbei ein großes Stück weitergekommen und werden die Bemühungen weiter forcieren.
Bei dem Frühjahrsgipfel geht es um ein weiteres Thema, nämlich die Wettbewerbsfähigkeit. Dazu gehören Innovationen, Technologieentwicklungen, aber auch eine bessere Rechtsetzung. Auch das unterstützen wir. Die Ziele sind zwar ambitioniert, aber erreichbar: Vereinfachung bestehender Rechtsvorschriften, systematischer Einsatz von Folgeabschätzung, Messen der bürokratischen Belastungen und Reduktion der Verwaltungslast um 25 Prozent bis 2012. Aber ich füge gleich hinzu: Dies darf nicht als Hintertür zum Abbau von Standards dienen.
Über die Standards muss in einer politischen Diskussion beraten und entschieden werden. Insofern warne ich vor einer Fehlentwicklung.
Das europäische Sozialmodell ist sicherlich für uns alle wichtig, weil es sich positiv von anderen globalen Zentren dieser Welt unterscheidet und weil wir damit die Voraussetzungen und eine Basis dafür schaffen, Europa auch aus der Sicht anderer Kontinente attraktiv zu gestalten. Vor diesem Hintergrund ist die eben von mir beschriebene Trias zu sehen. Wir sollten versuchen, diese starke gemeinsame Basis in Europa in Sachen Forschung und Technologieentwicklung, Innovation und sozialen Zusammenhalt mit einem Prozess zu verbinden, der Europa stärker zusammenführt. Damit komme ich zurück zur Verfassungsdiskussion.
Die Berliner Erklärung - sie wird einen Rückblick bieten, aber vor allem in die Zukunft weisen - kann uns erste Anhaltspunkte dafür geben, wie der Prozess wieder in Gang gesetzt werden kann und wie sich die Zukunft gestaltet. Unser aller Bemühen - das gilt für die Regierung, die Mitglieder in den Räten, aber auch für die Parlamentarier - ist, dass dieser ins Stocken geratene Prozess erneut in Bewegung gesetzt wird. Das heißt, wir versuchen, in diesem Prozess gemeinsam dafür zu werben, dass ein Europa nach den Regeln von Nizza nicht existenzfähig ist. Europa wird die globale Wettbewerbssituation mit den sich neu bildenden Zentren der Welt - aber auch mit den alten - nicht gewinnen können. Aus diesem Grund liegt eine besonders große Verantwortung bei uns. Diese sollten wir alle wahrnehmen.
Ich freue mich, dass die Bundesländer in einem gemeinsamen Papier diese Weiterentwicklung ebenfalls dokumentiert haben. Ich hätte mir zwar etwas mehr gewünscht - wohl wissend, dass die süddeutschen Bundesländer etwas zurückhaltender waren -, aber ich glaube, dass dieses Papier der Bundesländer eine gute Basis ist. Wir sollten weiter daran arbeiten.
Im Zusammenhang mit dem europäischen Prozess fallen mir einige Zeilen eines englischen Songs ein, der eine gewisse Leichtigkeit des Seins wiedergibt: ?Yesterday is history, tomorrow is mystery“. Auf Deutsch: Gestern ist Geschichte, das Morgen ist ein Geheimnis, ein Rätsel. - Wir können das konkret beantworten: Europa ist heute. Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, und Ihnen, Herr Bundesaußenminister, wünsche ich eine glückliche Hand beim anstehenden Gipfel.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nächster Redner ist der Kollege Oskar Lafontaine für die Fraktion Die Linke.
Oskar Lafontaine (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich vier Punkten zuwenden, die in der heutigen Debatte angesprochen wurden. Der erste Punkt betrifft den europäischen Verfassungsentwurf. Ich finde, dass der Vorsitzende der FDP-Fraktion recht hat, wenn er sagt: Es genügt nicht, nur darüber zu reden, dass man den Verfassungsprozess erneut beleben will oder den Verfassungsentwurf befördern will. Vielmehr müssen wir uns über die Ziele verständigen. Es ist ebenfalls richtig, wenn darauf hingewiesen wird, dass die Bundeskanzlerin über die Ziele wenig gesagt hat. Dabei wären breitere Ausführungen angesichts der Tatsache notwendig gewesen, dass der Verfassungsentwurf, sofern er einer Volksabstimmung wie in Frankreich und den Niederlanden unterworfen wurde, zurückgewiesen wurde. Wir würden uns als Parlament einen Gefallen erweisen, wenn wir sagten: Wenn wir eine Verfassung auf den Weg bringen, dann wollen wir auch die Bevölkerung einbeziehen. Ein Europa über die Köpfe der Bevölkerung hinweg ist nicht das Europa, das die Linke will.
Deshalb bedauere ich es, dass einfach so getan wird, als läge es nur in der Kompetenz der Parlamente oder der Regierungen, einen Verfassungsentwurf zustande zu bringen. Wer den wirklichen Sinn eines Verfassungsentwurfs erfasst und weiß, wie Verfassungen konstituiert sein müssen, wenn sie denn von der Gesellschaft akzeptiert werden sollen, der weiß, dass wir nun zu dem Punkt gekommen sind, an dem man sagen muss: Ohne Volksabstimmung geht es nicht. Wer die Volksabstimmung aussetzt oder erst gar nicht ins Auge fasst, wird in Europa nicht vorankommen und wird die Völker Europas immer wieder gegen sich haben.
Der zweite Punkt, den der Kollege Westerwelle angesprochen hat - ich fand es wichtig, dass er das getan hat -, war die europäische Außenpolitik. Natürlich stimme ich ihm voll zu, wenn er darauf hinweist, dass die Raketenstationierung in Tschechien und Polen nicht allein eine Angelegenheit dieser beiden Länder und Russlands ist. Es ist richtig, dass wir darauf bestehen müssen, dass die europäische Außenpolitik nur dann erfolgreich sein kann, wenn sie koordiniert ist, wenn sie wirklich europäisch verfasst ist. Daher geht es nicht, dass einzelne Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder die Vereinigten Staaten Alleingänge starten, in die die anderen gar nicht einbezogen wurden. Wir lehnen eine solche Vorgehensweise ab.
Ich möchte dieser Betrachtung über die Raketenstationierung noch etwas hinzufügen. Europa muss an einer Stelle einen anderen Weg gehen als die Vereinigten Staaten von Amerika. Diese Stelle ist klar zu markieren. Es geht um die Beachtung des Völkerrechts. Den ständigen Versuch der Vereinigten Staaten, das Völkerrecht je nach Belieben zu ignorieren, darf Europa nicht unterstützen. Hier braucht Europa eine ganz andere Außenpolitik.
Der Bruch des Völkerrechts ist praktisch eine Konstante der Außenpolitik der Vereinigten Staaten in den letzten Jahren. Dabei geht es nicht nur um Verschleppung und Folter, sondern schlicht und einfach um eine Art der Kriegsführung - darüber wurde gestern schon debattiert -, bei der die Genfer Konventionen nicht beachtet werden. Es geht nicht nur darum, wie ein Redner der SPD gestern gemeint hat, dass der UNO-Sicherheitsrat eine Ermächtigung erteilt. Vielmehr sind die Genfer Konventionen ein genauso wichtiger Bestandteil des Völkerrechtes. Es ist nicht akzeptabel, dass Deutschland etwa durch die Entsendung von Tornados bei einer Kriegsführungsstrategie mitmacht, durch die viele unschuldige Zivilisten ums Leben kommen. Das verstößt gegen die Genfer Konventionen und ist schlicht und einfach völkerrechtswidrig.
Aus zeitlichen Gründen kann ich bei diesem Thema nicht länger bleiben.
Ich komme nun zum Thema des europäischen Sozialstaates. Das ist so wunderbar dahergesagt, aber, Frau Bundeskanzlerin, Ihr Bekenntnis zum europäischen Sozialstaat ist durch nichts, aber auch gar nichts gerechtfertigt, wenn ich die Praxis Ihrer Regierung sehe.
Man kann allenfalls mildernd sagen, dass Sie vielleicht die Folgen dieser Praxis nicht hinreichend im Auge haben. Deshalb will ich zwei Punkte herausgreifen, einmal das permanente Lohndumping, das von Deutschland betrieben wird, und zum anderen das permanente Steuerdumping, in dem Deutschland führend ist.
Alle Worte über den europäischen Sozialstaat sind Schall und Rauch, wenn man Lohn- und Steuerdumping betreibt, und nichts anderes macht die Bundesrepublik Deutschland.
Nun will ich Ihnen die Zahlen nennen. Sie sind erschütternd. Das ist nicht zum Lächeln, Frau Bundeskanzlerin. Vielleicht hören Sie einmal eine Sekunde zu!
Es war zumindest in den Parlamenten, in denen ich die Ehre hatte, Mitglied zu sein, üblich, dass man bei einer Debatte, die man selber eröffnet hat, zuhört.
- Sie können ruhig lärmen, meine Damen und Herren. Wenn Sie diese selbstverständlichen Regeln nicht mehr akzeptieren wollen, dann tun Sie mir nur noch leid.
Ihr Lohndumping lässt sich markieren. Während in Deutschland die Reallöhne in den letzten zehn Jahren in der Summe um 5,1 Prozent gesunken sind, haben sie sich woanders kräftig nach oben bewegt: in der Schweiz um 4,0 Prozent bewegt, in Frankreich um 10,2 Prozent, in den Vereinigten Staaten um 22,7 Prozent, in England um 23,4 Prozent und in Schweden um 28,5 Prozent. Über zehn Jahre saldiert, haben sich die Löhne in diesen Ländern real um weit über 30 Prozent besser entwickelt als in Deutschland.
- Dass Sie von der SPD angesichts dieser Zahlen lachen, zeigt, wie verkommen Sie mittlerweile sind. Das muss ich einmal deutlich sagen.
Wenn ein solches Lohndumping bei Ihnen nur noch zu Lachen führt, dann sollten Sie überprüfen, ob Sie noch den richtigen Parteinamen führen. Da wäre wirklich eine Reflexion angesagt.
Wenn man sich vor Augen hält, dass die Lohnentwicklung im Vergleich zu Schweden bei uns um über ein Drittel zurückgeblieben ist, und wenn man sich vorstellt - das sage ich angesichts der Situation in diesem Hause an die Zuhörerinnen und Zuhörer gerichtet -, dass in Deutschland die Löhne oder die Renten saldiert über die letzten zehn Jahre derzeit um 33 Prozent real höher sein könnten, dann kann man ermessen, in welchem Umfang dieses Lohndumping hier in Deutschland und Europa Schaden angerichtet hat.
Ich sage noch einmal: Dieses Lohndumping gefährdet die Europäische Währungsunion. Sie werden das wahrscheinlich erst merken, wenn es so weit ist, aber dann ist es zu spät; denn heute können die Staaten, die früher mit Abwertung ihrer Währung auf das deutsche Lohndumping reagieren konnten, nicht mehr reagieren. Eines Tages wird es dann so weit sein, dass die Europäische Währungsunion - ich erinnere nur einmal an die Lohnstückkosten in Spanien, Italien oder Portugal - so verzerrt ist, dass die Währungsstabilität nicht mehr gegeben ist. Ich erwähne das immer wieder, damit es zumindest im Protokoll zu finden ist.
Nun komme ich zum Steuerdumping. Auch hier sind Sie leider führend. Die nominalen Sätze der Körperschaftsteuer in der EU der 15 wurden in den letzten zehn Jahren um 10 Prozent gesenkt, in Deutschland um 18,5 Prozent. Wir sind also beim Steuerdumping Vorreiter in der Europäischen Union. Auch wenn man die Durchschnittssteuersätze nimmt, die ab und zu von Instituten ermittelt werden, dann ergibt sich für die EU der 15 ein Minus von 11 Prozent in den letzten Jahren und für Deutschland ein Minus von 16 Prozent. Wenn man sich angesichts dieses Sachverhalts dann noch vor Augen führt, dass Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, noch eine weitere Unternehmensteuersenkung ins Auge fassen, um das Steuerdumping noch weiter anzuheizen, dann ist das Gerede vom europäischen Sozialstaatsmodell blanker Zynismus.
Der Hintergrund ist der, dass der Faktor Arbeit nicht beweglich ist und man daher über Lohndumping und über die Steuer- und Abgabenlast die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer immer weiter belasten kann, während die beweglichen Faktoren, insbesondere das Geld und das Kapital, sich der Besteuerung entziehen können. Das Ergebnis ist genau das, was ich Ihnen hier vorgetragen habe. Deshalb möchte ich dringend dazu raten, dieses Lohndumping und dieses Steuerdumping aufzugeben. Alle hehren Worte, die hier gefallen sind, haben überhaupt keinen Bezug zur Realität, solange diese Entwicklung mit diesen nüchternen und harten Zahlen, die international abrufbar sind, anhält. Nichts davon hat überhaupt eine Grundlage oder irgendeine Realität.
Nun komme ich zum letzten Thema, der Energiepolitik. Es ist richtig, dass Anstrengungen unternommen worden sind. Deutschland hat - ich habe dies schon öfter öffentlich gesagt - in den letzten Jahren bei den erneuerbaren und regenerativen Energien eine positive Entwicklung genommen. Diesen Weg sollten wir weitergehen.
Nicht mit Ruhm bekleckert haben wir uns aber, was die Vermeidung von CO2-Emmissionen angeht. Das gilt auch und gerade für Sie, Frau Bundeskanzlerin. Sie sind an dieser Stelle zu wenig ehrgeizig. Es ist nicht notwendig, vor der Automobilindustrie Kniefälle zu machen. Wir können an ehrgeizigen Zielen bei der CO2-Reduktion, die wir uns einmal gesteckt haben, durchaus festhalten.
Wir sollten auch an dem Ziel festhalten - das sage ich für meine Fraktion -, die CO2-Reduktion bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent zu senken. Wir in Deutschland haben die Technologie und die finanzielle Kraft, eine solche Umweltpolitik zu machen. Wenn wir bei diesen Techniken nicht ganz vorne sind, dann können wir von anderen Staaten nicht erwarten, dass sie mitziehen. Deshalb halten wir an diesem Ziel fest.
In einem Punkt möchte ich einen Dissens zu dem Beitrag des Kollegen Westerwelle deutlich machen. Er hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die CO2-Reduktion ein vorrangiges Ziel ist; gleichzeitig hat er auf die Nutzung und den Ausbau der Kernenergie hingewiesen. Ich halte dies für verfehlt. Für mich gilt nämlich nach wie vor: CO2 ist zwar eine große Belastung; aber Alpha-, Gamma- und Betastrahlen sind nicht irgendwelche harmlosen Stoffe, auch wenn sie derzeit kein Problem sind und man sie nicht fühlen, schmecken oder riechen kann - von dem Zusammenhang der sogenannten zivilen atomaren Wirtschaft mit der militärischen atomaren Aufrüstung einmal ganz abgesehen. Wenn man den CO2-Ausstoß dadurch bekämpfen will, dass man die Atomindustrie ausbaut, dann ist das, als würde man versuchen, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. Das sollten wir nicht.
Wir müssen an dem Ausbau der erneuerbaren Energien festhalten. Ich habe darauf verwiesen - das ist ein Plus der rot-grünen Regierung; das möchte ich hier einmal ansprechen -, dass an dieser Stelle in den letzten Jahren einiges geleistet worden ist. Wir müssen nach wie vor im Auge haben, über Preise beispielsweise den Energieverbrauch zu steuern. Dieser Satz stellt sich ganz anders dar, wenn man sich bewusst macht, dass die Reallöhne in Schweden um fast 30 Prozent gestiegen sind, während sie hier um 5 Prozent gesunken sind. Daher ist bei uns Preissteuerung praktisch nicht mehr möglich; schließlich kann man Rentner und Arbeitnehmer mit niedrigem Einkommen auf diese Weise zu umweltgerechtem Verhalten gar nicht anhalten.
Wir werden an unserem Ansatz festhalten. Wir werden ihn aber stets mit einem sozialpolitischen Ansatz verbinden. Eine Preissteuerung auf der Energieseite setzt beispielsweise voraus, dass eine gesunde Lohn- und Rentenentwicklung, vergleichbar mit der in anderen Staaten, stattfindet. Wenn man die eine oder andere Entscheidung trifft - ich denke an die Pendlerpauschale -, sollte man stets die Arbeitnehmerinnen und die Arbeitnehmer im Auge haben, die aufgrund ihrer niedrigen Löhne nicht ausweichen können. Umweltschutz ist dringend erforderlich; aber der Umweltschutz muss mit dem Sozialen verbunden werden. Wir wollen daher ein europäisches Sozialmodell, das sich dem Umweltschutz stärker zuwendet.
Wir wollen nicht, Herr Kollege aus der ersten Reihe, dass hier hehre Worte gefunden werden; vielmehr muss Deutschland endlich die verfehlte Politik des Lohndumpings, des Steuerdumpings und temporär auch des Umweltdumpings aufgeben.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich erteile das Wort dem Kollegen Dr. Michael Meister für die CDU/CSU-Fraktion.
Dr. Michael Meister (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute in einer Woche wird zum ersten Mal ein Gipfeltreffen der europäischen Staats- und Regierungschefs von unserer Bundeskanzlerin geleitet. Ich wünsche Ihnen, Frau Dr. Merkel, für diese Aufgabe im Namen meiner Fraktion ein glückliches Händchen, ein offenes Ohr und viele gute Ideen.
Ich glaube, die Vorarbeiten für diesen Gipfel sind seitens der Bundesregierung - das kam in der Regierungserklärung zum Ausdruck - sehr professionell geleistet worden. Deshalb können wir diesem Gipfel mit einiger Zuversicht entgegensehen.
Gestatten Sie mir zwei Bemerkungen zu meinem unmittelbaren Vorredner.
Zum Ersten. Ich freue mich als Mitglied der Unionsfraktion, dass eine Bundesregierung, die von mir mitgetragen wird, sich weltweit glaubwürdig für Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Gewaltfreiheit und Demokratie einsetzt. Darauf bin ich stolz. Ich würde mich freuen, wenn alle Mitglieder dieses Hauses diese Einschätzung teilen würden.
Zum Zweiten will ich darauf hinweisen, dass mein Vorredner als ehemaliger Bundesminister der Finanzen persönlich einen wesentlichen Anteil daran hat, dass wir in dieser Koalition heute mit einem riesigen strukturellen Defizit kämpfen. Ich würde mich freuen, wenn er nicht belehrend auftreten, sondern wenn er sich gelegentlich zu seiner Verantwortung an dieser Stelle bekennen würde.
Beim Frühjahrsgipfel der Europäischen Union steht traditionell das Thema Wachstum und Beschäftigung, die Lissabonstrategie, im Mittelpunkt. Das ist in diesem Jahr mit der Frage kombiniert, wie wir beim Klimaschutz weiterkommen. Ich glaube, dass wir sowohl in der Europäischen Union als auch in Deutschland, wie das eben schon anklang, Ökonomie und Ökologie miteinander verbinden können, indem wir im Bereich der Technologieführerschaft beides zusammenführen und damit dafür sorgen, dass das Lissabonziel einerseits sowie die Klima- und Umweltziele andererseits gemeinsam erreicht werden können.
Meine Damen und Herren, was wir entsprechend dem Koalitionsvertrag mit unserer Hightechstrategie national aufgelegt haben, ist ein Edelstein dieser Regierungspolitik. Wir geben trotz angespannter Haushaltslage eine Unmenge an Geld mehr für Bildung, Forschung und Technologie aus. Wir haben das auch mit einer sinnvollen Strategie qualitativ unterlegt. Das ist ein Edelstein, der viel zu wenig wahrgenommen wird und noch zu wenig leuchtet. Wir sollten ihn polieren und weiter daran arbeiten.
Um Anreize zu schaffen, Hebel zu haben, Messlatten zu setzen, ist es ein vernünftiger Weg, dass wir quantitative Ziele zur Reduktion von Treibhausgasemissionen vorgeben. Bis 2020 den Ausstoß von Treibhausgasen gegenüber 1990 um 20 Prozent zu reduzieren, ist ein sehr ehrgeiziges und ambitioniertes Ziel. Wir alle stehen jetzt gemeinsam in der Verantwortung, dies mit glaubwürdigen Strategien zu unterlegen. Wenn man dann mit Drittstaaten übereinkommt, dies noch auf 30 Prozent zu steigern, nimmt man sich an dieser Stelle noch mehr vor.
Ich will an die Adresse vom Kollegen Westerwelle ausdrücklich sagen: Wir haben im Koalitionsvertrag zu einem wesentlichen Thema Ehrlichkeit bewiesen. Wir haben gesagt, dass es zur Frage der zukünftigen Nutzung der Kernenergie zwischen den Koalitionspartnern Dissens gibt. Das ist eine ehrlichere Position, als wenn man versucht, sich mit Formelkompromissen über diese Frage hinwegzulavieren. Wir haben gesagt: An dieser Stelle können wir in den Positionen nicht zusammenfinden. Wir haben aber nicht erklärt, dass wir dann vier Jahre nichts tun, sondern wir haben uns zum Ersten committet, zu sagen: Wir tun etwas in der Frage der Endlagerung. Dort stehen wir in der Verantwortung für künftige Generationen. Wir haben uns zum Zweiten committet, zu sagen: Wir tun etwas im Bereich der Versorgungssicherheit. In den letzten Monaten ist uns sehr deutlich vor Augen geführt worden, dass dort Handlungsbedarf besteht. Wir haben zum Dritten deutlich gemacht, dass wir im Bereich der Energieeffizienz Vorgaben machen wollen, die dafür sorgen, dass wir die Ressourcen, die wir einsetzen, mit mehr Effizienz günstiger zum Wirken bringen. Das heißt: Diese Koalition handelt und bringt Deutschland und Europa voran.
Nun gibt es einen Grundsatzstreit darüber, inwieweit man dabei das Ordnungsrecht oder die Wettbewerbspolitik bemüht. Trotz aller Kinderkrankheiten, die wir im Zusammenhang mit dem Emissionshandelssystem gesehen haben, ist es ein marktwirtschaftlicher Anreiz, den wir in den künftigen Stufen weiter verfeinern sollten. Auch international sollten wir dafür werben, dass dies nicht nur innerhalb der Europäischen Union, sondern auch weltweit zum Einsatz kommt. Deshalb würde ich mich freuen, wenn es in den Gesprächen zwischen der Europäischen Union und den USA möglich wäre, zu erreichen, auch nordöstliche Bundesstaaten der USA in dieses Handelssystem einzubeziehen und es so Stück für Stück zu erweitern. Ich glaube, dass wir mit marktwirtschaftlichen Instrumenten dem Klimaschutz einen wesentlich besseren Dienst leisten, als wenn wir weltweit mit ordnungspolitischen Vorgaben agieren.
Ich habe vorhin die guten Technologien, insbesondere bezogen auf den Klima- und Umweltschutz, angesprochen. Es reicht natürlich nicht, nur Forschung und Technologieentwicklung zu betreiben, sondern wir müssen in Deutschland dafür sorgen, dass es am Ende auch marktgängige Produkte gibt. An dieser Stelle besteht dringend Handlungsbedarf.
Ich sehe die Unternehmensteuerreform positiv, aber sie muss durch ein Unternehmensbeteiligungsgesetz flankiert werden, das es ermöglicht, gerade kleinere Unternehmen mit neuen Ideen, mit neuen Marktchancen einfacher mit Risikokapital, Wagniskapital zu versorgen, sodass der Transfer von der Idee zum marktgängigen Produkt vorankommt. Ich glaube, an dieser Stelle liegen mehr Chancen als Risiken für unsere Volkswirtschaft. Deshalb sollten wir nicht Bedenken vor uns hertragen, sondern schnell und in richtiger Weise ein Unternehmensbeteiligungsgesetz ins Gesetzblatt bringen.
Wir müssen hierbei in Europa ein Stück weit vorangehen.
Anscheinend hat nicht jedes Mitglied des Hohen Hauses im Kopf, dass wir gegenwärtig eine vernünftige wirtschaftliche Entwicklung haben. Deshalb will ich noch einmal einige wenige Daten nennen: Wir hatten im vergangenen Jahr, wenn man es kalenderbereinigt betrachtet, ein Wirtschaftswachstum von 2,9 Prozent, bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt. Man erkennt, dass das eine gewaltige Leistung ist, wenn man die Vorjahre betrachtet, in denen wir sozusagen gar keinen Anlauf hatten, sondern uns mit Stagnation und Nullwachstum herumgeplagt haben. Wir haben im Hinblick auf die Maastrichtdefizitquote eine Halbierung des Defizits erreicht. Auch das ist ein gewaltiger Schritt nach vorne; wir sollten aber nicht nachlassen, weiter an dieser Baustelle, am Abbau des strukturellen Defizits, zu arbeiten.
Im Bereich der Umsetzung von Richtlinien des EU-Binnenmarkts waren wir zum ersten Mal nicht schlechter als der Durchschnitt; wir haben das Niveau erreicht, das die EU insgesamt bei der Umsetzung von Richtlinien einnimmt. Ich möchte der Bundesregierung ausdrücklich Anerkennung dafür aussprechen, dass sie die Zielmarke, die Hürde jetzt höherlegt und sich - im Sinne eines einheitlichen EU-Binnenmarktes - bei der Umsetzung von Binnenmarktrichtlinien noch weiter nach vorne begeben möchte. Das ist ein starkes Bekenntnis der Bundesrepublik Deutschland zum gemeinsamen Binnenmarkt und ein richtiger Ansatz, um mehr Wohlstand, Wachstum und Beschäftigung in Deutschland zu erreichen.
Wir beschäftigen uns gegenwärtig in der Europäischen Union mit der Frage, wie insbesondere im Bereich der Energie der gemeinsame Binnenmarkt ausgestaltet werden soll. Es gibt Vorschläge aus der Kommission; hier stellt man sich die Frage, ob man bei Kartellverstößen im Bereich der Netze möglicherweise eine Enteignung der Betreiber dieser Netze in Betracht ziehen sollte. Ich glaube, es ist für die Debatte nicht schädlich, wenn eine gewisse Drohkulisse aufgebaut wird. Ich denke aber auch, dass der vorgeschlagene Weg, den unser Bundesminister Glos als gegenwärtiger Vorsitzender des Ministerrats in die Debatte eingebracht hat, richtig ist: Man sollte zunächst einmal stufenweise vorgehen und überlegen, ob man bei der Missbrauchsaufsicht vorübergehend verschärfte Regeln anwendet, ob man im Bereich der Nutzung der Netze eine Anreizregulierung und einen diskriminierungsfreien Zugang herbeiführen kann, ohne sofort mit der Ultima Ratio, mit einer Enteignung, zu drohen. Ich hoffe und wünsche, dass dieser Gedanke auf fruchtbaren Boden fällt und eine Option darstellt, das Ziel zu erreichen, ohne dass man mit eigentumsrechtlichen Eingriffen ein Stück weit Unsicherheit und fehlende Planungssicherheit herbeiführt.
Frau Bundeskanzlerin, ich begrüße ausdrücklich den Kabinettsbeschluss von gestern - Sie haben vorhin darauf hingewiesen -: Auch die Bundesrepublik Deutschland bekennt sich jetzt beim Bürokratieabbau zum 25-Prozent-Ziel, bezogen auf die nationale Ebene. Damit geht sie, was das Volumen betrifft, im Gleichschritt mit Europa vor.
Ich begrüße auch, dass Sie denselben Zeithorizont gewählt haben. Als Mitglied des Deutschen Bundestages wünsche ich mir allerdings, dass wir noch in dieser Wahlperiode einen Zwischenbericht bekommen, aus dem wir erfahren, wie weit wir zur Halbzeit bei der Erreichung dieses Zieles gelangt sind. Ich hoffe, dass wir als Parlament diesen Prozess vernünftig unterstützen, damit wir beim Bürokratieabbau in Deutschland vorankommen.
Ich möchte darauf hinweisen, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, dass das 25-Prozent-Ziel auf europäischer Ebene vereinbart worden ist. Auch dies ist ein Erfolg der deutschen Ratspräsidentschaft, den wir nicht zu gering schätzen dürfen. Ich hoffe und wünsche, dass auch unsere Kollegen im Europäischen Parlament in Zukunft bei der Gesetzesberatung davon profitieren können, was wir zum 1. Januar eingeführt haben: In jedem Gesetzentwurf der Bundesregierung wird uns mitgeteilt, wie viel Bürokratie durch ihn eingespart oder neu verursacht wird, sodass wir in voller Kenntnis dieser Wirkungen unsere Beratungen führen können. Das ist für mich als Parlamentarier ein Gewinn.
Ich möchte eine letzte Bemerkung zum Thema Wettbewerbspolitik machen. Wir erleben in Europa einen grundsätzlichen Philosophienstreit: Benötigen wir mehr Wettbewerbspolitik oder mehr Industriepolitik? Für die Bundesrepublik Deutschland als offene Volkswirtschaft kann es an dieser Stelle keine Frage geben: Wir müssen uns für mehr Wettbewerbspolitik entscheiden, damit wir als Exportnation bei Dienstleistungen und Produkten davon profitieren.
Herr Minister Glos, deshalb wünsche ich Ihnen viel Erfolg bei den Verhandlungen über das gemeinsame Öffnen der Post- und der Briefmärkte in Europa. Dies ist eine wichtige Anstrengung dafür, dass sich die am Binnenmarkt beteiligten Länder auf europäischer Ebene insgesamt dazu verpflichten, gemeinsam die europäischen Märkte frühzeitig und rechtzeitig zu öffnen und damit auch die Exportchancen deutscher Unternehmen auf diesen Märkten zu stärken. Ich glaube, das ist die richtige Strategie.
Meine Damen und Herren, wir haben die Übung, dass wir vor dem Gipfel miteinander diskutieren. Ich hoffe, dass all die guten Gedanken und Vorschläge, die heute Morgen vorgetragen wurden, das Ergebnis des Gipfels ein Stück weit befruchten werden, und wünsche allen Beteiligten viel Erfolg.
Herzlichen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nächste Rednerin ist die Kollegin Renate Künast für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Bundeskanzlerin, ich muss ehrlich sagen: Für mich war diese Regierungserklärung hinsichtlich der Ziele, die Sie sich für die nächste Woche gesetzt haben, ein Stück mit sozialer Kühle und, ehrlich gesagt, nicht mit hinreichend großem Ehrgeiz versehen, auch wenn Sie versucht haben, das Thema Klima auf Ihre Agenda zu schreiben.
Ich will Ihnen auch sagen, warum sie für mich mit zu wenig Ehrgeiz versehen war: Es geht nicht nur um den Regierungsgipfel in der nächsten Woche, sondern in diesem Monat, im März, feiern wir auch 50 Jahre Römische Verträge. Ich hätte mir schon gewünscht, dass eine deutsche Bundeskanzlerin hier sehr selbstbewusst zum Beispiel in Richtung der USA sagt: Wir akzeptieren nicht die Raketenstationierung in Polen und Tschechien - und schon gar nicht mit der Begründung, dass mit diesen iranische Raketen abgewehrt werden sollen. Wir akzeptieren einen solchen Umgang mit uns nicht.
Ich spreche von sozialer Kühle, weil mich der Satz, der in Ihrem Redemanuskript so gar nicht stand, erschrocken hat, wonach das Wachstum sozusagen Voraussetzung sei, damit man mit den entsprechenden Früchten Solidarität mit anderen üben könne. Mich hat schon erschrocken, dass Sie behauptet haben, die Doharunde, die Welthandelsrunde, sei, wenn sie jetzt zum Erfolg wird, etwas Gutes für die Entwicklungsländer.
Wir wissen, dass diese Welthandelsrunde auf der Basis der Kriterien von 2001 durch den Ablauf der Zeit längst überholt ist. Die Welthandelsrunde propagiert noch eine Art des freien Handels, durch den das Soziale - schon gar nicht das Thema Klima - nicht mit eingeschlossen wird. Es gibt Länder - gerade die Entwicklungsländer -, die mittlerweile unter den Wetterextremen in den Küstenregionen und auf Inseln leiden. Ich hätte mir gewünscht, dass eine deutsche Bundeskanzlerin hier sagt: Bevor diese Welthandelsrunde zu Ende geht, müsste man eigentlich noch einen Schub erreichen und betonen, dass man nicht die Welthandelsrunde von 2001 will, sondern dass man will, dass die Lösungen beim Thema Klima in den Welthandel einbezogen werden, weil das ein aktuelles Problem ist.
Ehrlich gesagt habe ich mich auch gewundert, dass Sie heute noch sagen, man müsse bis 2020 beweisen, dass Ökologie und Ökonomie miteinander versöhnt werden können. Ich dachte eigentlich, darüber sind wir längst hinaus. Bei der ökologischen Frage geht es nicht mehr nur um die Ökologie, sondern sie ist die zentrale Überlebens- und ökonomische Frage, weil Sie sich ohne deren Beantwortung alles andere sparen können. Deshalb gibt es nichts zu versöhnen. Es gehört zwingend zueinander.
Wenn ich jetzt über die Perspektive für 2020 nachdenke - dieses Jahr haben wir alle ja als Zielstellung -, dann muss ich Ihnen sagen: Wir haben nicht mehr viel Zeit. Es sind nur noch 13 Jahre, und wir müssen jetzt massive Maßnahmen ergreifen. Frau Bundeskanzlerin, ich muss Ihnen sagen: Bei der Klimaschutzfrage geht es ja nicht nur um eine Option, uns hinsichtlich des Wachstums weiterzuentwickeln, sondern es geht um eine zwingende Notwendigkeit in einem engen Zeitfenster.
Ich finde, Sie haben sich an dieser Stelle in den letzten Wochen nicht hervorgetan. Es war eher peinlich, dass der Nationale Allokationsplan von Brüssel umgedreht werden musste. Ich weiß, dass Sie sich in Wahrheit darüber ärgern, Frau Merkel. Es war peinlich, wie Sie sich vor die kurzfristigen Interessen der Vorstände der deutschen Automobilkonzerne gestellt haben,
statt sich lieber mit den Betriebsräten - zum Beispiel von Opel - zu verbünden, die sagen, dass wir in Deutschland endlich mehr als nur ein ökologisches Auto herstellen müssen, weil daran unsere Mobilität und Arbeitsplätze in diesem Land hängen.
Dann aber muss man Mut zeigen und nicht vor den Lobbyisten in vorauseilendem Gehorsam gleich in die Knie gehen.
Wir wollen von Europa mehr als diese von Ihnen jetzt endlich einmal auch persönlich genannte Reduzierung um 20 Prozent. Wir wissen, wir brauchen eine Reduzierung um 30 Prozent. Wir wollen, dass der durchschnittliche Maximalausstoß 120 Gramm CO2 pro Kilometer beträgt - ohne Trickserei mit Biokraftstoffen.
Wir wollen im Übrigen auch, dass die Europäische Union dafür sorgt, dass bei Biokraftstoffen auch wirklich Biokraftstoffe drin sind und nicht nur ?Biokraftstoff“ draufsteht. Es braucht feste Regeln und Standards für Biokraftstoffe, sonst steht zwar ?Bio“ drauf, aber in Wahrheit ist damit eine Abholzung der Regenwälder verbunden. Auch das ist keine Klimaschutzpolitik.
Man muss den Mut haben, Frau Merkel, die Politik so zu strukturieren, dass am Ende nicht nur die großen Mineralölkonzerne Geld durch die Veränderungen verdienen. Wir sagen ganz ehrlich: Quer durch Europa im ländlichen Raum sollen Arbeitsplätze für die Einheimischen entstehen. Zukunftsfähige Energiepolitik muss nämlich dezentral ausgerichtet sein.
Ich habe den Eindruck, Frau Merkel, Sie haben sich zwei Berater geholt und gehen deshalb in zwei unterschiedliche Richtungen. Für sonntags haben Sie Herrn Schellnhuber als renommierten Klimaforscher, für wochentags Lars Josefsson, den Chef der Kohle- und Atomorganisation Vattenfall. Wir brauchen mehr Schellnhuber und weniger Josefsson.
Wir brauchen von Ihnen mehr Führung, weniger Moderation.
Wir brauchen das Tun des Nötigen und weniger Einknicken vor kurzfristigen Lobbyinteressen. Ich kann es auch in einem Satz sagen: In Ihrer Klima- und Europapolitik steckt für meine Begriffe immer noch zu viel Lobbyismus und zu wenig Zukunft.
Wir sollten uns nichts vormachen: Wenn wir von den Menschen verlangen, dass sie ihr persönliches Verhalten ändern, dann müssen auch wir uns eingestehen, Frau Merkel, dass es nicht um immer mehr Wachstum gehen kann. Zwar muss jeder Einzelne für sich überlegen, wie er mobil sein kann und was er isst. Zugleich müssen wir aber auch dafür Sorge tragen, dass die Menschen anders wohnen können, anders mobil sein können, anders essen können und dass ganz anders als bisher produziert wird. Dabei muss aber klar sein, dass die entsprechenden Produkte auf dem deutschen bzw. europäischen Markt hergestellt worden sind. Diese Vorbildfunktion fehlt mir in den von Ihnen auf europäischer Ebene angestoßenen Programmen. Es geht nämlich nicht nur darum, gut zu sein und die entsprechenden Technologien dann eines Tages nach China zu exportieren. Sondern wir müssen ein Nachahmungsbedürfnis bzw. einen Nachahmungsdruck bei den Chinesen und Indern auslösen.
Ich will Ihnen anhand eines Beispiels aufzeigen, wie das gehen könnte. Frau Merkel, wenn Sie darüber reden - vielleicht diskutieren Sie jetzt schon die ganze Zeit mit Ihrem Außenminister darüber -
- genauso ist es -, dass Sie das transatlantische Bündnis neu begründen und ausbauen wollen, dann sollten Sie dabei auch dementsprechend handeln, statt immer nur auf George Bush und das Weiße Haus zu schauen. Dieser Mann ist sowieso ein Auslaufmodell. Dieser Mann denkt bei Energiepolitik nur an den Zugang zu Energieressourcen. Um wirkliche Alternativen bemühen sich dagegen 400 Bürgermeister aus den Westküstenstaaten sowie die Nordoststaaten der USA. Wenn Tony Blair zu Arnold Schwarzenegger fährt, um mit ihm über gemeinsame Aktivitäten zu sprechen, dann sollten auch Deutschland und die Europäische Union in der Lage sein, zum Beispiel die Regional Greenhouse Gas Initiative der Nordoststaaten der USA aufzugreifen. So wäre es möglich, zehn Bundesstaaten im Nordosten der USA mit in unser Emissionshandelssystem einzubeziehen. Dabei könnten wir sogar von denen noch lernen, Frau Merkel; denn diese Staaten werden ab 1. Januar 2009 100 Prozent der Emissionsrechte versteigern. So könnte man ein internationales Handelssystem aufbauen.
So, Frau Merkel, hätte man auch ein wirkliches Kernstück für die weiteren Kiotoverhandlungen. Wir wissen doch: Wenn-dann-Erklärungen haben viele abgegeben; selbst die USA haben gesagt: Wenn die anderen, dann auch wir. Das darf uns bei Kioto nicht noch einmal drohen.
Wir brauchen vom europäischen Gipfel nächste Woche ein ganz klares Zeichen, nämlich: Nach 50 Jahren Römischen Verträgen begründet sich die Europäische Union neu. 2020 soll man - das würde ich Ihnen und uns wünschen - sagen können: Eine Kanzlerin hat dafür gesorgt, dass die Europäische Union sich Anfang März 2007 klar für ein Ende des fossilen Zeitalters ausspricht und wir mit anderen vorangehen und die alternativen Energien begründen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Kollegin!
Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Damit würden Sie allen Europäerinnen und Europäern einen Gefallen tun.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich erteile das Wort dem Kollegen Ulrich Kelber, SPD-Fraktion.
Ulrich Kelber (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben es in der Regierungserklärung der Bundeskanzlerin gehört: Die Europäische Union wird in der nächsten Woche ihre Ziele zum Klimaschutz festlegen. Entscheidend wird sein, ob es verbindliche Ziele sind. Alles darunter wäre angesichts des zu bewältigenden Problems zu wenig. Es passt aber gut, dass diese Ziele auf einem Gipfel festgelegt werden sollen, der sich mit der Lissabonstrategie befasst, also der Frage, wie die Europäische Union zum innovativsten und produktivsten Wirtschaftsstandort der Welt werden soll. Denn Technologien zur Sicherung des Klimaschutzes, für erneuerbare Energien und zur Steigerung der Energieeffizienz sind der entscheidende Beitrag zur Innovationsfähigkeit; sie sind eine Leittechnologie der nächsten Jahrzehnte.
Wir wollen Vorreiter beim Klimaschutz sein, weil es unsere Verantwortung gebietet und weil wir uns handfeste wirtschaftliche Vorteile davon versprechen.
Klimaschutz ist eine immense technologische Herausforderung, vielleicht die größte technologische Herausforderung, vor der die Welt und unser Land bisher gestanden haben. Aber Klimaschutz ist keineswegs mühselig, sondern eine einmalige Chance für neue Jobs, bessere Lebensbedingungen, geringere Energierechnungen, mehr weltweite Entwicklung und weniger Konflikte um Ressourcen.
Wir wollen Vorreiter beim Klimaschutz sein - als Europäische Union in der Welt und als Deutschland innerhalb der Europäischen Union. Wer das ablehnt, spielt nicht nur ein gefährliches Spiel in Bezug auf den Klimaschutz, sondern gefährdet auch Deutschlands wirtschaftliche Zukunft.
Denn die Entscheidung, Vorreiter sein zu wollen - damals gegen die Stimmen der andersgearteten Opposition im Deutschen Bundestag -, hat dazu geführt, dass wir allein im Bereich der erneuerbaren Energien 215 000 Arbeitsplätze in Deutschland geschaffen haben. In den nächsten Jahren können es 500 000 werden; denn auch die Exportraten dieser Technologien steigen rasant. Weitere Arbeitsplätze werden im Bereich der Energieeffizienz und des Energiesparens dazukommen.
Wenn die Politik das will, muss sie klare Vorgaben machen: für kurzfristige Änderungen, für mittelfristige Umstellungen und für die langfristigen Rahmenbedingungen für Investitionen. Bundespräsident Horst Köhler hat jetzt zu Recht den mangelnden Mut der Politik zu solchen Entscheidungen und den mangelnden Willen der Industrie zu freiwilligem Handeln kritisiert. Zum Verhältnis von Politik und Wirtschaft hat er dabei eine wichtige Forderung aufgestellt - ich zitiere -:
Der Staat darf sich nicht scheuen, vorausschauend Ziele zu setzen, und die Industrie muss darauf antworten. Der Markt allein wird es nicht richten.
Deswegen kann ich es nicht mehr hören, wenn die Wirtschaftsminister der Europäischen Union in einer Art Arbeitsteilung zwischen den zuständigen Ministern immer so tun, als seien Klimaschutz und Wirtschaftswachstum ein Gegensatz. Ich würde diesen Wirtschaftsministern - dazu gehören übrigens auch die einiger Bundesländer - gerne die Studie des britischen Ökonomen Sir Nicholas Stern, der gezeigt hat, dass ein ungebremster Klimawandel eine weltweite dramatische Rezession auslösen würde, zur Pflichtlektüre machen.
Ich hoffe, dass die Regierungschefs der Europäischen Union wesentlich weiter sind als ihre Wirtschaftsminister und nächste Woche verbindliche Entscheidungen zum Klimaschutz treffen. An erster Stelle steht eine verbindliche Entscheidung zur Senkung der Treibhausgasemissionen. Ich glaube, dass die Ankündigung, sich einseitig auf eine Senkung von mindestens 20 Prozent zu verpflichten, egal was die USA und Australien machen, ein sehr gutes Signal ist, weil es jedem in Europa sagt: Egal was bei den weltweiten Verhandlungen herauskommt, ihr könnt euch darauf einstellen, dass es im Klimaschutz weitergeht und dass es beschleunigt weitergeht. - Es ist auch ein klares Signal an die Entwicklungs- und Schwellenländer, dass zumindest Europa es mit dem Thema ernst meint und alle mit an Bord nehmen will. Ich sage dazu: Persönlich würde ich mir wünschen, dass wir einseitig eine Senkung um 30 Prozent verbindlich erklären; denn es war immer die Linie der Europäischen Union, dafür zu sorgen, dass die Erwärmung auf maximal 2 Grad beschränkt wird, um sie kontrollieren zu können. Dazu wäre eine Reduzierung um 30 Prozent notwendig.
Zweites verbindliches Ziel muss sein, dass die erneuerbaren Energien bis 2020 einen Anteil von mindestens 20 Prozent am Energiemix in der Europäischen Union haben, verbunden mit verbindlichen Sektorzielen für Strom, Wärme und Kraftstoffe.
Drittes verbindliches Ziel muss eine Steigerung der Energieeffizienz bis 2020 um mindestens 20 Prozent über dem Trend sein. Wichtigstes Instrument zur Umsetzung muss das von Deutschland auf Initiative der SPD vorgeschlagene Top-Runner-Prinzip sein, also die Idee, dass die energieeffizientesten Elektrogeräte und andere Produkte den Standard setzen, den andere Hersteller innerhalb weniger Jahre erreichen müssen, um am Markt bleiben zu können. Dann würden übrigens Anachronismen wie Glühbirnen - das war eine interessante Diskussion - oder Stand-by-Schaltungen schnell vom Markt verschwinden, weil es einen Wettlauf der kreativen Köpfe um die Entwicklung der energieeffizientesten Geräte gibt.
Herr Bundesminister Glos, ich bin zuversichtlich, dass Sie und Ihre Mitarbeiter sich ab jetzt energisch für diesen Top-Runner-Vorschlag in Brüssel einsetzen werden. Er steht ja immerhin auch im Koalitionsvertrag.
Viertes verbindliches Ziel muss die schnelle Entwicklung der Technologie zur Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid aus Kohle- und Gaskraftwerken werden. Wir brauchen diese Kraftwerke als Übergangstechnologie bis zum vollständigen solaren Zeitalter noch etwa bis zur Mitte dieses Jahrhunderts. Damit aber die Unternehmen, die bereit sind, eine neue, aber natürlich auch kostenintensive Technologie zu entwickeln, klare wirtschaftliche Rahmenbedingungen vorfinden, muss die EU verbindlich festlegen, dass die Nutzung dieser neu entwickelten Technologie vorgeschrieben wird, um zu verhindern, dass das eine Unternehmen eine teure und saubere Technologie anbietet, während das andere Unternehmen mit einer billigen, aber dreckigen Technologie am Markt bleiben kann. Eine verbindliche Vorgabe zur Nutzung dieser Energie gehört also dazu.
Wir haben gute Chancen, solche verbindlichen Ziele zu erreichen, wenn wir es mit der eigenen Vorreiterrolle beim Klimaschutz ernst meinen und den Klimaschutz weiter stärken. Für diese Glaubwürdigkeit war das Possenspiel rund um die Klimaschutzziele beim Auto nicht zielführend. Die Automobilindustrie hat versagt und das Instrument der Selbstverpflichtung restlos diskreditiert.
Der vorhin erwähnten scharfen Kritik des Herrn Bundespräsidenten daran ist nichts hinzuzufügen. Man muss allerdings erwähnen, dass er die beteiligten Politikerinnen und Politiker in der gleichen Weise ermahnt hat.
Entscheidend ist, ob der Deutsche Bundestag durchsetzt, dass sein Beschluss von vor wenigen Wochen, nämlich den CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent zu reduzieren - pro Kopf gesehen ist Deutschland der größte CO2-Emittent in Europa -, mit effektiven Maßnahmen unterlegt wird. Der Bericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages ist eine gute Grundlage dafür. In ihm wird dargestellt - Maßnahme für Maßnahme -, wie man die CO2-Emissionen um 40 Prozent reduzieren kann.
Übrigens steht in diesem Bericht auch, wie man dies tun kann und gleichzeitig den dringend notwendigen Ausstieg aus der Atomenergie betreiben kann. Es hat ja in den letzten Wochen Politikerinnen und Politiker gegeben, die darum gebeten haben, man möge ihnen das genau erklären. In dem Bericht des Deutschen Bundestages ist dies schwarz auf weiß nachzulesen.
Herr Kollege Westerwelle, man kann ja bei der Atomenergie geteilter Meinung sein, aber wer behauptet - Ihre Formulierung können wir im Protokoll nachlesen -, dies sei die wichtigste Frage in der Energiepolitik, der hat gefährlich wenig verstanden.
Ich gebe Ihnen drei Zahlen mit auf den Weg. Der Anteil der Atomenergie am gesamten deutschen Endenergieverbrauch liegt unter 6 Prozent, am gesamten Weltendenergieverbrauch liegt er unter 4 Prozent. Um nur 10 Prozent der fossilen Energie durch Atomenergie weltweit zu ersetzen, müsste man zu den schon bestehenden 437 Atomkraftwerken 1 000 bis 2 000 neue bauen. Dann sagen Sie, dass Sie das wollen,
Dann sagen Sie laut, wo die entsprechenden Standorte in Deutschland liegen sollen. Da bin ich gespannt; bei dieser Debatte bin ich gern dabei.
Die erneuerbaren Energien bieten uns eine völlig andere Chance. Die neue Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt hat gezeigt, dass man mithilfe von Energieeffizienz und Umstellung auf erneuerbare Energien bis 2050 die Treibhausgasemissionen um 80 Prozent reduzieren kann. Das ist das Traumziel der Klimaforscher. Wenn wir das dem Herrn Schellhuber erzählen, dann springt er vor Freude an die Decke.
Es ist also notwendig, die Erfolgsgeschichte des Ausbaus der erneuerbaren Energien im Strombereich, nämlich die Schaffung von 215 000 neuen Arbeitsplätzen, endlich auf den Wärme- und Kraftstoffbereich in gleicher Qualität zu übertragen. Dann schaffen wir es wie bei den erneuerbaren Energien im Strombereich, wo bereits 2007 das 2010-Ziel erreicht worden ist, auch hier die Potenziale zu überschreiten.
Die Unterschätzung der Potenziale in diesem Bereich hat Konjunktur. Die Internationale Energieagentur hat 1998 für 2030 einen Anteil der erneuerbaren Energien an der Energieversorgung vorausgesagt, den wir bereits 2006, also nach acht Jahren anstatt nach 32 Jahren, erreicht haben. Das ist die Realität.
In den letzten Tagen gab es einen schnellen Wettlauf dahin gehend, wer die höchsten Ausbauziele vorschlägt; jede Partei hatte sich daran beteiligt. Ich hoffe, dieser Schwung hält auch noch in den Debatten über ein Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz und über die Novelle zum Erneuerbare-Energien-Gesetz an. Denn auf unseren wirtschaftlichen Lorbeeren können wir uns nicht ausruhen. Die neue Mehrheit im US-Senat und im -Kongress hat Steuererleichterungen in Höhe von 14 Milliarden Euro für Ölfirmen gestrichen und diese Mittel vollständig auf die Förderung der erneuerbaren Energien übertragen. Die wollen uns in dem Wettbewerb um die Weltmarktführerschaft Konkurrenz machen. Das heißt, wir müssen nicht langsamer, sondern schneller in der Förderung der erneuerbaren Energien werden.
Das gilt übrigens auch für die hocheffiziente Kraft-Wärme-Koppelung. Wir sind das Warten leid; denn die Technologie, die am besten Rohstoffe ausnutzt und damit CO2-Emissionen spart, kommt nicht vorwärts. Wir von der SPD werden im März einen eigenen Gesetzentwurf im Rahmen der Koalition einbringen. Wir erwarten noch in diesem Halbjahr an dieser Stelle eine Beschlussfassung. Dies ist in der Koalition klar vereinbart, und dies werden wir auch durchsetzen.
Sie sehen an diesen Beispielen, dass man andere dann überzeugend zum Handeln auffordern kann, wenn man selbst handelt. Deswegen hoffe ich, dass von Deutschlands Initiative auf dem EU-Gipfel einiges ausgeht, insbesondere der Mut zur Verabschiedung eigener Instrumente im Klimaschutz.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nächster Redner ist der Kollege Markus Löning für die FDP-Fraktion.
Markus Löning (FDP):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wir haben von der Bundeskanzlerin eine Regierungserklärung gehört, die hinreichend wolkig, aber erschreckend unambitioniert war; wenn ich das einmal so sagen darf. Sie hat einiges zum Thema Lissabonprozess gesagt. Sie hat sehr deutlich festgestellt: Wir teilen die Ziele der Lissabonstrategie, nämlich dass Europa zum wettbewerbsfähigsten, wachstumsstärksten und innovativsten Standort auf dieser Welt werden soll. Sie hat aber auch gesagt: Wir sind noch weit davon entfernt, diese Ziele auch nur im Ansatz zu erreichen.
Dazu, wie hier über das Wachstum in Deutschland geredet wird, muss ich sagen: Das ist noch viel unambitionierter und erschreckender. Wir liegen nach wie vor unter dem Durchschnitt der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, der EU 15. Wir fallen weiter zurück. Wir sind unter Rot-Grün im Hinblick auf das Bruttosozialprodukt pro Kopf auf den zehnten Platz zurückgefallen. Wir sind dabei, weiter nach hinten zu rutschen; darüber können all die Steigerungszahlen in Deutschland nicht hinwegtäuschen. Andere sind viel besser als wir. Ich würde mir von dieser Bundesregierung wünschen, dass sie den Ehrgeiz hat, unser Land wieder an die Spitze in Europa zu führen, was das Wachstum und die Wirtschaftskraft angeht.
Herr Bodewig, wie Sie sich hier äußern! Ich weiß nicht, warum Sie all diese Bürokratien und Regulierungen, die Deutschland so wenig erfolgreich gemacht haben, jetzt auch noch auf Europa übertragen wollen.
Wenn wir das versuchen, führt das in die Irre, Herr Bodewig.
Es gibt aus meiner Sicht einen ähnlichen Mangel an Ehrgeiz, was das Thema der Verfassung angeht. Es reicht eben nicht, zu sagen: Wir brauchen eine neue Verfassung, und irgendwie bekommen wir auch einen Zeitplan hin. Ich frage mich: Wie wollen wir das angesichts der Debatten in Frankreich und in Holland, aber vor allem angesichts der Debatten unserer polnischen und tschechischen Freunde erreichen? Was sagen wir zu dem, was der polnische und der tschechische Präsident öffentlich äußern, nämlich dass sie keinen Druck sehen, Europa dadurch nach vorne zu bringen, dass wir wieder eine Verfassung auf den Weg bringen? Hier liegt ein großes Stück Arbeit vor uns. Da reicht es nicht, so zu tun, als wären sich schon alle Europäer einig und als würde das demnächst umgesetzt. Ich würde mir hier deutlich klarere Vorgaben wünschen.
Eines sollten wir als Deutsche sagen: Wir brauchen institutionelle Reformen. Wenn Europa handlungsfähig bleiben soll, brauchen wir auf jeden Fall institutionelle Reformen. Aber wir brauchen auch Fortschritte in den Substanzbereichen, das heißt eine engere Zusammenarbeit im Bereich Inneres und Justiz. Die Bürger erwarten von uns zu Recht, dass Europa in der polizeilichen Zusammenarbeit Fortschritte macht und dass wir gemeinsam Verbrechen bekämpfen, wenn Verbrechen grenzüberschreitend geschehen. Sie erwarten - das höre ich auf jeder Veranstaltung, auf der ich mit Bürgern, mit Schülern diskutiere -, dass Deutschland zur Außenpolitik mit den anderen Europäern in einer Sprache und mit einer Stimme spricht. Ich wünsche mir, dass diese Substanzbereiche der europäischen Politik stärker in den Vordergrund gerückt werden. Ich wünsche mir, dass diese auch als Ziele, die zu erreichen sind, vorangestellt werden.
Ich wünsche mir von dieser Bundesregierung mehr - auch öffentlich gezeigten - Ehrgeiz in der Frage der Verfassung. Ich wünsche mir auch noch etwas mehr Ehrgeiz von unserem eigenen Haus, von uns Abgeordneten. Wir beklagen seit Jahren das Demokratiedefizit in der Europäischen Union; ob zu Recht oder zu Unrecht, sei dahingestellt. Aber eines ist klar: Die Beteiligung des Deutschen Bundestages an Gesetzgebungsverfahren auf europäischer Ebene lässt stark zu wünschen übrig.
Das liegt nicht daran, dass die Regeln so sind, wie sie sind. Es liegt schlichtweg daran, dass wir als Abgeordnete - hier schaue ich insbesondere die Kollegen von der Großen Koalition an - scheinbar nicht genügend Selbstbewusstsein haben, uns die europäische Rechtsetzung frühzeitig anzuschauen und uns in die Debatte einzuklinken, indem wir die Debatte darüber hier im Deutschen Bundestag führen. Das müssen wir ändern.
Das würde aus meiner Sicht auch dazu führen, dass die Debatten über europapolitische Fragen in der deutschen Öffentlichkeit früher stattfinden und damit für die Bürger nachvollziehbarer und transparenter sind. Das würde ich mir wünschen. Das würde auch die Akzeptanz der EU in der Bevölkerung deutlich erhöhen.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Zu einer Kurzintervention erhält der Kollege Westerwelle das Wort.
Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Herr Präsident! Ich möchte im Rahmen dieser Kurzintervention mein Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, dass wir hier über eine Regierungserklärung der Bundeskanzlerin sprechen und weder das Bundeskanzleramt noch das Auswärtige Amt auf der Regierungsbank vertreten sind. Das halte ich für eine Respektlosigkeit gegenüber denjenigen, die in diesem Hause an dieser Debatte teilnehmen. Dass die Kanzlerin selbst nicht teilnehmen kann, ist selbstverständlich. Aber die Regierungsbank sollte vertreten sein.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Zu einer weiteren Kurzintervention erhält der Kollege Scholz das Wort.
Olaf Scholz (SPD):
Ich möchte den Kollegen Westerwelle nur bitten, sich umzudrehen. Hinten in den Reihen der FDP-Fraktion sitzt die Kanzlerin.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Zu einer Erwiderung auf den Hinweis des Kollegen Scholz erhält noch einmal der Kollege Westerwelle das Wort.
Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Kollege Scholz, ich möchte Ihnen erwidern: Da gehört sie nicht hin!
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nachdem nun die Ordnung der Verhältnisse zwischen Parlament und Regierung mindestens rhetorisch wiederhergestellt ist, setzen wir die Aussprache fort mit einem Beitrag des Kollegen Koschyk, der für die CDU/CSU-Fraktion das Wort ergreifen wird.
Hartmut Koschyk (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Westerwelle, werte Kolleginnen und Kollegen von der FDP, bringen Sie doch einmal etwas mehr Freude in diese europapolitische Debatte
und begleiten Sie sie nicht so miesepetrig. Als die Kanzlerin vorhin in ihrer Regierungserklärung davon gesprochen hat, dass wir in wenigen Tagen, am 25. März, hier in Berlin das 50-jährige Bestehen der Europäischen Union begehen werden, habe ich aus den Reihen der FDP gehört: Das hätte man auch in Rom machen können.
Ich finde es gut und richtig, dass wir ?50 Jahre Europäische Union“ in Berlin begehen. In keiner anderen Stadt Europas fügt sich wie in einem Brennglas zusammen, was die Vision bei der Gründung der Europäischen Union gewesen ist, nämlich Teilung zu überwinden und Europa zusammenzuführen.
Wir werden ?50 Jahre Europäische Union“ hier in Berlin auch dankbar begehen können, weil sich die Vision derjenigen, die dieses Europa vor 50 Jahren zu bauen begonnen haben, gerade in Berlin erfüllt.
Wenn wir uns die Geschichte der Europäischen Union ansehen, stellen wir fest: Alle Fortschritte hin zu dem heutigem Bestand in der Europäischen Union waren immer von Skepsis geprägt, von der Skepsis, ob es überhaupt gelingt, zu einem gemeinsamen Binnenmarkt zu kommen; von der Skepsis, ob es gelingt, zu einer Wirtschafts- und Währungsunion zu kommen; und von der Skepsis, ob es nach dem Fall von Mauer und Stacheldraht gelingt, die Europäische Union nach Osten zu erweitern. Die Geschichte Europas hat alle Skeptiker widerlegt. Wir müssen aber erkennen, dass wir uns heute in einer Phase des europäischen Einigungsprozesses befinden, wo es darum geht, das Vertrauen der Bürger Europas in eine positive Fortentwicklung der Europäischen Union ein Stück weit neu zu gewinnen, ein Stück weit neu zu begründen.
Deshalb muss Europa erfolgreich sein. Europa muss vor allem auf die Frage eine Antwort finden, die die Bürger unmittelbar betrifft, nämlich, ob es gelingt, Europa im Konzert des globalen Wettbewerbs so aufzustellen, dass durch mehr Wachstum wieder mehr Beschäftigung entsteht. Es ist sicher richtig, dass wir in diesem Zusammenhang die Voraussetzungen in den einzelnen Mitgliedsstaaten berücksichtigen müssen. Ich glaube, niemand kann übersehen, dass die Reformpolitik dieser Bundesregierung Deutschland wieder nach vorne gebracht hat, sodass wir heute, im Jahr 2007, wieder eine gute Perspektive für mehr Wachstum und Beschäftigung haben. Wir können selbstbewusst, aber nicht selbstzufrieden sagen: Deutschland schickt sich wieder an, Wachstums- und Beschäftigungslokomotive in Europa zu werden.
Selbstverständlich ist es wichtig, dass wir national unsere Hausaufgaben machen.
Als ein Ziel der deutschen Ratspräsidentschaft ist zu Recht der Bürokratieabbau formuliert worden. Es ist wichtig, dass wir in Deutschland zum 1. Januar den Normenkontrollrat und damit ein Bürokratiemessverfahren in Gang gesetzt haben, dass wir nach dem ersten Mittelstandsentlastungsgesetz nunmehr ein zweites Mittelstandsentlastungsgesetz auf den Weg gebracht haben. Wir sollten den Druck, der jetzt von Europa kommt, nämlich 25 Prozent der statistischen Nachweispflichten auch national abzubauen, als heilsam empfinden. Wir sollten aber auch stolz auf das sein, was diese Bundesregierung im Bereich des Bürokratieabbaus auf den Weg gebracht hat.
Ich will ein weiteres Thema nennen, das im Zuge der europäischen Ratspräsidentschaft von ganz entscheidender Bedeutung ist: Energiesicherheit in Europa. Ich bin dem Bundeswirtschaftsminister sehr dankbar - das ist nämlich wichtig -, dass er auch national eine Politik fährt, die für mehr Wettbewerb sorgt, damit die Preise sinken; denn das ist im Interesse der Verbraucher.
Herr Westerwelle, der Kollege Meister hat zu Recht gesagt, dass es diesbezüglich einen Dissens in der Großen Koalition gibt. Wir stehen nicht hintan, zu sagen, dass wir der festen Überzeugung sind, dass Energiesicherheit in Europa und sichere Energieversorgung im Zusammenhang mit wirksamem Klimaschutz bedeuten, dass wir uns keinen Ausstieg aus der Kernenergie leisten können.
Ich sage aber auch: Die Kernenergie ist allenfalls eine Zwischen-, eine Übergangslösung. Es ist gut und richtig, dass diese Bundesregierung die Energieforschung vorantreibt;
denn das Festhalten an der Kernenergie allein wird die Energieversorgungsprobleme Europas von morgen nicht lösen.
Die Kanzlerin hat davon gesprochen, dass es wichtig ist, dass wir das Vertrauen der Menschen in Europa ein Stück weit neu begründen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass wir den Vorschlag unterstützen, den die Kanzlerin in diesem Zusammenhang eingebracht hat, nämlich, dass der Regulierungswahn auf der europäischen Ebene ein Stück weit dadurch sein Ende findet, dass Vorschläge der Kommission für Richtlinienentwürfe mit dem Ende einer Legislaturperiode des Europäischen Parlaments der Diskontinuität anheimfallen.
Was stellen wir denn fest? Es werden irgendwelche Dinge ersonnen und auf den Weg gebracht, und selbst nach einer Neuwahl des Europäischen Parlaments, einer Neubildung der Europäischen Kommission wird so getan, als habe sich nichts verändert, nach dem Motto: Die Parlamente und die Kommissionen gehen, die Ideen der Bürokraten bleiben bestehen. Deshalb hat der Vorschlag, dass auch auf europäischer Ebene das Prinzip der Diskontinuität Geltung findet, unsere volle Unterstützung, Frau Bundeskanzlerin. Es ist wichtig, dass es gelingt, die Kommission, den Rat, vor allem aber auch das Parlament dafür zu gewinnen.
Es ist in dieser Debatte mehrfach davon die Rede gewesen, dass es darum geht, die ehrgeizigen klimapolitischen Ziele mit der Notwendigkeit von Wachstum in Europa zu versöhnen und dass wir Ökologie und Ökonomie in einem Gleichklang betreiben. Hier hat die Kanzlerin zu Recht davon gesprochen, dass wir uns anstrengen müssen, um national und auch europäisch diese Ziele zu erfüllen. Unser Landesgruppenvorsitzender, Peter Ramsauer, hat mir gerade noch einmal gesagt, wie wichtig es in diesem Zusammenhang ist, den Ausbau erneuerbarer Energien voranzutreiben.
- Lieber Herr Niebel, ich freue mich immer, wenn es Führungspolitiker bei uns gibt, die unser Bewusstseinsspektrum ein Stück erweitern.
Niemand kann so klug sein wie ein FDP-Generalsekretär. Das ist klar.
In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass wir nicht nur beim Europa-Amerika-Gipfel mit den Vereinigten Staaten, nicht nur beim G-8-Gipfel in Heiligendamm mit den Chinesen über den Klimaschutz sprechen, sondern dass wir gerade auch im Hinblick auf unsere entwicklungspolitische Zusammenarbeit darauf setzen, dass wir in engem Kontakt mit den Entwicklungsländern und den Schwellenländern den Klimaschutz maßgeblich vorantreiben. Denn jeder Euro, den wir in diesem Zusammenhang in die Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern und Schwellenländern investieren, hat einen viel stärkeren Effekt als alle Anstrengungen, die wir national und auf europäischer Ebene dafür aufwenden.
Frau Bundeskanzlerin, Sie haben immer wieder davon gesprochen, dass es neben allen Zielen im Hinblick auf Klimaschutz, Wachstum und Beschäftigung darauf ankommt, die Grundlagen für das europäische Einigungswerk wieder zu beschreiben und sich auf sie zu besinnen. Wir sind Ihnen als CDU/CSU-Fraktion sehr dankbar, dass Sie nicht müde werden - gerade auch gestern bei der großartigen Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung mit dem Präsidenten der Europäischen Kommission -, einen Gottesbezug anzumahnen, wenn es darum geht, jetzt einen Anlauf für einen neuen europäischen Verfassungsvertrag zu nehmen.
Wir alle wissen, woran dies im ersten Anlauf gescheitert ist. Ich nehme es mir als frei gewählter Abgeordneter heraus, an unsere französischen Freunde zu appellieren,
ihren Widerstand gegen die Aufnahme eines Gottesbezugs in einem europäischen Verfassungsvertrag ein Stück aufzugeben. Denn es tut der Selbstvergewisserung Europas gut.
- Lieber Herr Kollege Beck, dann sollte man ein Stück dafür werben und es nicht so oberflächlich betreiben, wie es der frühere Bundesaußenminister, der Ihrer Partei angehört, getan hat.
Hier lohnt sich ein Ringen mit allen, die einer Aufnahme des Gottesbezugs in einen europäischen Verfassungsvertrag skeptisch gegenüberstehen.
Ich darf mit einem Zitat der Bundeskanzlerin beim Europaempfang der CDU/CSU-Fraktion von dieser Woche schließen. Sie, Frau Bundeskanzlerin, haben gesagt: Die größte Gefahr für die Demokratie ist die organisierte Verantwortungslosigkeit. - Was heißt das? Wir brauchen wieder klare Kompetenzzumessung, klare Kompetenzabgrenzung und ein klares Bekennen zu Verantwortlichkeiten auf der europäischen Ebene. Ich bin sicher, dass die deutsche Ratspräsidentschaft unter der deutschen Ratspräsidentin, Bundeskanzlerin Angela Merkel, einen wichtigen Beitrag dazu leisten wird, dass durch mehr Transparenz und stärkere Kompetenzabgrenzung bei den Bürgerinnen und Bürgern wieder mehr Vertrauen in das europäische Einigungswerk wachsen wird.
Herzlichen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nächster Redner ist der Kollege Jürgen Trittin, Bündnis 90/Die Grünen.
Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Lieber Herr Koschyk, in Europa haben viele Religionen ihr Zuhause. Das sollte auch bei der CSU einmal ankommen.
Meine Damen und Herren! Frau Bundeskanzlerin! Man sollte die Überschriften, die man über Regierungserklärungen setzt, immer auch auf die Wirklichkeit im eigenen Lande wirken lassen. Ich will jetzt nicht über den Bürokratieabbau beim Nichtraucherschutz in der Bundesrepublik Deutschland sprechen. Aber wenn Sie zu Recht sagen, dass es beim europäischen Modell auch um soziale Gerechtigkeit geht, dann müssen Sie sich die Frage gefallen lassen: Wie kommt es eigentlich, dass Menschen, die Vollzeit arbeiten, in fast allen Ländern Europas, die übrigens höhere Lohnsteigerungen und gelegentlich auch bessere ökonomische Zahlen als Deutschland verzeichnen können, dagegen abgesichert sind, dass ihr Lohn nicht unter ein bestimmtes Niveau sinkt?
Wer ernsthaft der Meinung ist, dass Europa auch ein Sozialmodell ist, der darf, wenn es im eigenen Land darum geht, beispielsweise für Friseurinnen oder für Menschen, die im Wachdienst arbeiten, einen Mindestlohn festzusetzen, nicht auf der Bremse stehen und blockieren. Das macht all das Gerede von einem sozialeren Europa unglaubwürdig.
Das gilt auch und gerade mit Blick auf den Klimawandel. Wir alle sind uns einig: Die globale Erwärmung darf nicht um mehr als 2 Grad steigen. Ich zitiere:
Daher streben wir an, dass sich die EU auf ein ambitioniertes Minderungsziel für Treibhausgase von 30 % bis 2020 ... verpflichtet und für die anstehenden Klimaverhandlungen Vorschläge erarbeitet, wie weitere große Volkswirtschaften ... eingebunden werden können. Dies
- gemeint ist das Minderungsziel von 30 Prozent -
ist die Voraussetzung dafür, dass die EU glaubwürdig ihre Führungsrolle in der internationalen Klimapolitik fortführt.
Meine Damen und Herren, das ist nicht das Programm der Grünen. Das ist das Präsidentschaftsprogramm der Bundesregierung, vorgelegt auf dem Umweltrat, dargestellt von Sigmar Gabriel. Er hat recht. Ich verteidige ihn für diese Sätze.
Es handelt sich um eine ganz einfache Feststellung: Mit einer Minderung der Treibhausgase um 20 Prozent werden wir das Klimaschutzziel der Verhinderung einer Erwärmung um mehr als 2 Grad nicht erreichen.
Das ist das Problem, vor dem wir stehen. Deswegen hätte ich von Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, erwartet, dass Sie das, was Ihr Umweltminister zu Recht gesagt hat, in Ihrer Regierungserklärung gegen den nicht hinreichenden Vorschlag der Kommission verteidigen und darlegen, wie Sie das Ziel einer Minderung um 30 Prozent erreichen wollen, statt lediglich zu erläutern, warum eine Minderung um 20 Prozent auch schon ganz schön ambitioniert ist. Hätten Sie das getan, wäre das aktive Klimaschutzpolitik gewesen.
Meine zweite Bemerkung. Da ich mich in diesem Geschäft ein bisschen auskenne, sage ich Ihnen: Sie haben gegenwärtig nicht einmal die Senkung um 20 Prozent in der Tasche. Denn es gibt im Hinblick auf die 20 Prozent bisher keine Einigung der einzelnen Mitgliedstaaten. Ich prophezeie Ihnen: Um diese 20 Prozent werden Sie auf dem nächsten europäischen Gipfel noch kämpfen müssen. Wir hätten von Ihnen erwartet, dass Sie eine Strategie haben, die deutlich macht, welchen Beitrag die einzelnen Mitgliedstaaten zur Erreichung dieses unzureichenden Ziels leisten können.
Meine dritte Bemerkung betrifft die erneuerbaren Energien. Ich höre mit großer Freude, dass Sie sagen: Wir sind stolz darauf, dass wir an der weltweiten Windstromerzeugung einen Anteil von 60 Prozent haben. Ja, das freut uns alle. Aber ich frage Sie: Wie wäre Deutschlands Anteil, wenn nicht Herr Stoiber, wenn nicht Herr Oettinger und wenn nicht seit Neuestem auch Herr Rüttgers in den großen Flächenländern jeden Versuch eines vernünftigen, naturgerechten Ausbaus der Windenergie massiv blockieren würden?
Unser Anteil würde nicht 60 Prozent, sondern vielleicht sogar 70 Prozent betragen.
Herr von Beust hat heute gesagt, bis zum Jahre 2020 könnten in Deutschland 35 Prozent des Stroms durch erneuerbare Energien erzeugt werden. Dazu sage ich: Ja, das geht. Aber das setzt voraus, dass Sie endlich mit Ihrer ideologisch bornierten Blockade aufhören.
Sie müssen, was den Klimaschutz und die erneuerbaren Energien betrifft, endlich handeln und aufhören, nur Überschriften zu zitieren. Das ist das Problem.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Steffen Reiche für die SPD-Fraktion ist der nächste Redner.
Steffen Reiche (Cottbus) (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben zu viele Probleme, als dass wir uns weniger Europa leisten könnten. Das ambitionierte Programm der deutschen Ratspräsidentschaft ist für uns Anspruch und eine Quelle von Zukunft für Europa. Europa gelingt gemeinsam.
Man hört zwar immer wieder: Diese Ratspräsidentschaft wird teuer. Aber das ist das große Geheimnis Europas: dass durch Teilen alle reicher werden. Es ist wahr: Deutschland gibt am meisten, und das wird auch so bleiben; denn wir haben auch die meisten und die größten Vorteile von dieser Europäischen Union. Wir sind Exportweltmeister nur durch die Europäische Union. Dem Erfolg verdanken wir, dass wir unsere Ziele wieder erreichen können.
Das wichtigste, das Lissabonziel, werden wir vielleicht 2009 erreichen. Eine Studie belegt, dass wir 2010, nach unseren Anstrengungen, wieder dynamischste und wettbewerbsfähigste Region der Welt werden können. Allerdings werden wir es auch deswegen, weil sich die anderen nicht so dynamisch entwickelt haben, wie das ursprünglich geplant war, bzw. weil sie schwächer geworden sind. Reformen sind also auch in Zukunft notwendig. Deshalb muss Deutschland gerade während der deutschen Ratspräsidentschaft Wachstums- und Reformmotor bleiben.
Viel Symbolik ist mit unserer Ratspräsidentschaft verbunden. Deshalb sind die Erwartungen an uns entsprechend hoch. Es versteht sich von selbst, dass wir einen Beitrag leisten werden, um Europa nach vorn zu bringen. Dabei kommt es zunehmend auch darauf an, den Menschen draußen deutlich zu machen, dass Europa in einer globalisierten Weltwirtschaft eigene Wertvorstellungen hat und die Globalisierung auch gestaltet. Wir müssen beweisen, dass ein wettbewerbsfähiges Europa auch ein soziales Europa ist,
das den Menschen zu Bildung, Arbeit und Wohlstand verhilft.
In den letzten Jahren haben wir in Deutschland aufgrund der vereinbarten Lissabonstrategie viele Anstrengungen unternommen, um unsere Unternehmen, unsere Sozialsysteme, die öffentlichen Haushalte so aufzustellen, dass es zu einem Aufschwung kommen konnte. Ich gebe zu, dass viele der Vorgaben aus Brüssel nicht nur schwer verdaulich, sondern den Menschen draußen auch schwer vermittelbar waren. Aber wir haben die Wende geschafft. Ob uns das auch ohne Europa in der Weise gelungen wäre, darf wohl bezweifelt werden. Denn wenn wir uns einmal ansehen, wohin die meisten unserer Exporte gehen, sehen wir, welche wirtschaftliche Dynamik hinter dieser Gemeinschaft steckt.
Das erlebt jetzt zum Beispiel auch Bulgarien. 60 Prozent seiner Exporte und mehr als 50 Prozent seiner Importe wickelt es mit der EU ab. Massive Investitionen in Produktion und Anlagen haben zu einer hohen Wettbewerbsfähigkeit geführt, die die Arbeitslosenquote von 19,7 Prozent im Jahr 2001 auf ungefähr 8 Prozent in diesem Jahr fallen ließ. Selbst der Staatshaushalt ist ausgeglichen. Das bedeutet nicht, dass Bulgarien alle Kriterien schon voll erfüllt hätte. Es zeigt aber deutlich, welche Chancen in diesem Europa stecken. Es ist doch allemal besser, die Wettbewerbsfähigkeit zu fördern, als auf billige Arbeitskräfte aus wirtschaftlich schwachen Ländern zu setzen.
Wir werden gemeinsam reicher, indem wir diesen Rechts- und Wirtschaftsraum miteinander teilen.
Herr Lafontaine hat vorhin eine Volksabstimmung über die europäische Verfassung angemahnt. Da, wo er selber die Möglichkeit hatte, das Volk abstimmen zu lassen, nämlich über die Einführung des Euros, hat er sie - aus guten Gründen - nicht gemacht. Denn wir hätten sonst heute nicht, was den Bürgern im EU-Raum dient und Wachstum schafft. Manchmal hat man fast den Eindruck, dass auch die Umkehrung des deutschen Sprichwortes ?Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch den Verstand“ gilt, also: Wem Gott ein Amt nimmt, dem nimmt er auch, was er gegeben hat.
Die Bundesregierung macht gerade kein Steuerdumpingprogramm. Viele Steuervorteile, die Oskar Lafontaine gern gestrichen hätte, sind ja nicht während seiner Amtszeit gestrichen worden, sondern durch seine Nachfolger; das hat zu den großen Steuermehreinnahmen, die wir jetzt haben, beigetragen. Wir brauchen allerdings einen weiteren Schritt in Richtung der Harmonisierung der Steuern in Europa, also hin zu gemeinsamen Bemessungsgrundlagen, vor allen Dingen für die Unternehmensteuern. Das ist gewiss ein dickes Brett, aber die Ratspräsidentschaft muss auch an dieser Stelle bohren, selbst wenn der Erfolg erst später eintritt.
Die SPD will die Bundesregierung auch bei der TAFTA - das heißt der wirtschaftlichen Verflechtung mit Nordamerika - ausdrücklich unterstützen. Mit dem Erfolg von Doharunde und TAFTA wären wichtige und nachhaltige Impulse für Wachstum, Entbürokratisierung und Wohlstand verbunden. Das wäre ein Impuls für Wirtschaft und Wohlstand der 800 Millionen Verbraucher, die in diesem Wirtschaftsraum leben. Gemeinsam sind wir stärker. Denn keiner versteht, warum auf Dauer ein Auto, ein Pharmaprodukt oder eine Maschine erst für den europäischen Raum und dann noch einmal für den amerikanischen Raum getestet werden muss, bloß weil sich der Neigungswinkel für Crashtests bei Autos in den USA von dem in Europa unterscheidet.
Aber im Wettbewerb um Wohlstand - Gabor Steingart nennt es ?Weltkrieg um Wohlstand“ - sind wir für die Verflechtung mit Nordamerika besser aufgestellt. Wenn wir im TAFTA-Raum gemeinsame Standards setzen, dann setzen wir uns auch im globalen Wettbewerb mit anderen Staaten und Kontinenten - ob Indien, China, Japan oder Lateinamerika - besser durch. Das wäre ein Gewinn an Nachhaltigkeit, Umweltstandards und auch sozialen Standards. So schaffen wir es zum einen, den Frieden zu erhalten, zum anderen aber auch, die Globalisierung zu gestalten. Das sind die beiden zentralen Aufgaben der Europäischen Union.
Ich möchte gegenüber der Bundesregierung eine Bitte äußern bzw. einen Vorschlag machen. 50 Jahre EU und 50 Jahre Frieden müssen gefeiert werden. Wir kennen das alle von Feiern zum 50. Geburtstag: Viele kommen gerade zu diesem Geburtstag, weil ein Mensch mit 50 viel hinter sich, aber auch noch viel vor sich hat.
Laden Sie die Staatschefs nicht nur nach Berlin zum Feiern ein! Vielmehr sollte dieser Jahrestag überall in Europa gefeiert werden. Denn wer Europa nicht feiert, kann es auch nicht leben. Europa ist nichts Selbstverständliches. Es ist nicht vom Himmel gefallen, sondern ein hart erkämpftes Wunder.
Wer am 25. März nicht feiert, kommt vielleicht lange nicht mehr zum Feiern, auch wegen der Verfassungskrise, in die wir vielleicht hineingeraten. Wer aber jetzt Europa feiert, ist bereit, mehr für Europa zu tun, ja, für Europa auch etwas zu riskieren. Wer Europa gestalten will, muss wacher sein und tiefer träumen als andere.
Es liegt ein ambitioniertes Programm vor, das wichtige Schritte auf einem langen und weiten Weg bedeutet. Was Guy Verhofstadt in seinem ?Manifest für ein neues Europa“ festgestellt hat, muss, denke ich, auch Teil der Agenda der Europäischen Union bleiben. Insofern wünschen wir der Bundesregierung sowohl für Brüssel als auch für Berlin alles Gute und viel Fortune.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort hat nun Kollege Hans Peter Thul, CDU/CSU-Fraktion.
Hans Peter Thul (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine erste Rede vor diesem Hohen Haus habe ich der Anonymität des Protokolls übergeben, und da es aus biologischen Gründen keine zwei Jungfernreden geben kann, erwarte ich in den nächsten Minuten keine besondere Schonung bei den möglicherweise unterschiedlichen An- und Einsichten zu den Themen Klima und Energie.
Eine bedarfsgerechte, verlässliche, Umwelt und Ressourcen schonende Energieversorgung ist eine der wichtigsten infrastrukturellen Voraussetzungen für die gedeihliche Entwicklung einer modernen Industrienation wie unser Land. Deshalb verdient unsere Bundeskanzlerin - wo auch immer sie sich aufhalten wird - die volle Unterstützung dieses Hauses in allen damit verbundenen Fragen.
- Ihre Ergänzung ist sehr richtig.
Die Regierung Merkel setzt mutige Zeichen. Vielleicht liegt das auch daran, dass wir zum ersten Mal eine Bundeskanzlerin haben, die über einen hervorragenden technisch-physikalischen Hintergrund verfügt. Das war ja bekanntlich nicht immer so. Klimaschutznotwendigkeiten machen natürlich nicht an Ländergrenzen halt. Sie erfordern nicht nur einen europäischen, sondern möglicherweise auch einen globalen Lösungsansatz.
Die deutschen Energieversorger nehmen zu Recht seit Jahren eine internationale Spitzenstellung ein. Sie waren somit eine Voraussetzung für die gute und beispielhafte Entwicklung unseres Landes im letzten Jahrhundert. Politik verlangt Taten. Frau Bundeskanzlerin, vielleicht könnten wir unsere Botschaften weltweit mit additiven, alternativen oder regenerativen Versorgungssystemen ausstatten. Das wäre wieder einmal ein Punkt, an dem wir die Vorreiterrolle Deutschlands am wirkungsvollsten unterstreichen könnten.
Für mich steht zu Beginn jeder Energiedebatte zuerst die Überlegung, wie wir den Energieeinsatz verringern oder sogar vermeiden können. Ich bin mir sehr sicher, dass wir in dem Bemühen, Wirkungsgrade zu steigern, noch gewaltige Fortschritte generieren können. Immer mehr Anwendungen mit Energie, aber immer weniger Energie pro Anwendung, das müsste das Leitmotto in den nächsten Jahren sein. Nicht die reine Leistungsfähigkeit, sondern die Entkopplung des Bruttoinlandsproduktes von einer CO2-freien Energieversorgung müsste meiner Ansicht nach Maßstab für die Volkswirtschaft sein; das wäre in Zukunft wichtig.
Bevor wir allerdings alle Glühlampen in die Mülltonne werfen, sollten wir sehr kritisch auf unsere Bauphysik schauen und sehr kritisch unsere Fensterverglasungen in Augenschein nehmen und darüber nachdenken, ob wir noch auf die richtige Weise unsere Räume beheizen und unser Warmwasser bereiten. Ich bin zwar der Meinung, dass wir in Zukunft mehr in die Kraft-Wärme-Kopplung investieren müssen. Aber überall dort, wo Wärme- und Elektrizitätsbedarf zeitlich nicht zusammenfallen, betreiben Sie Ihr schönes Kraft-Wärme-Kopplungswerk im Schornsteinbetrieb ohne jeden ökologischen und ökonomischen Vorteil.
Vor dem Hintergrund der weltweit steigenden Energienachfrage bin ich mir sehr sicher, dass die nachfolgenden Generationen gar nicht mehr die Frage stellen müssen, auf welche Art der Energieversorgung sie zurückgreifen. Sie werden all das nehmen, was noch verfügbar ist. - Herr Kelber, wenn ich es richtig sehe, drängt es Sie zu einer Zwischenfrage.
Ich rege an, die Clean-Coal-Technologie weiter zu erforschen; denn mit dieser Technologie wäre es möglich, die Braunkohlewerke in den neuen Bundesländern zukunftsfähig zu gestalten. Wir hätten dann neben der friedlichen Nutzung der Urantechnologie eine saubere Technologie für unsere Braunkohle.
Wenn wir aber den Stellenwert und die Akzeptanz der additiven und der regenerativen Energien weiter befördern wollen, müssen wir nach meiner Überzeugung mehr in unsere Verteilungsnetze und möglicherweise mehr in sogenannte Speichersysteme investieren; denn seit wir gelernt haben, dass wir vom Emsland aus den Strom und das Licht bis nach Sizilien ausschalten können, wissen wir, dass die Störungsquellen in aller Regel in den Netzen und weniger auf der Erzeugungsebene zu suchen sind. Bei der Speichertechnologie machen wir im Grunde genommen nichts anderes, als Wasser zu erwärmen. Da diese Technologie 2 000 Jahre alt ist, lohnt es sich, darüber nachzudenken, wie wir hier besser vorankommen können.
Die meisten der angesprochenen Themen sind - Sie haben es gemerkt - Aufgabenstellungen für Techniker und Ingenieure und eben nicht für Ideologen geeignet. Insofern waren die Reden von Frau Künast und Herrn Trittin in der Sache wenig hilfreich. Ich wäre froh, wenn wir uns darauf verständigen könnten, etwas mehr technischen und physikalischen Sachverstand in die Debatte einzubringen. Dann kommen wir voran und dann wird Deutschland in Zukunft wieder eine gute Energiepolitik machen.
Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Lieber Kollege Thul, dies war Ihre erste Rede im Deutschen Bundestag. Herzliche Gratulation und alle guten Wünsche für Ihre Arbeit im deutschen Parlament.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zu einer Reihe von Abstimmungen. Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/4442 zu der Abgabe einer Erklärung durch die Bundeskanzlerin zum Europäischen Rat in Brüssel am 8./9. März 2007. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke abgelehnt.
Tagesordnungspunkt 4 b: Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlage auf Drucksache 16/4428 zur federführenden Beratung an den Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union und zur Mitberatung an den Ausschuss für Wirtschaft und Technologie sowie an den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu überweisen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Wir kommen nun zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union auf Drucksache 16/4453. Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung, in Kenntnis des EU-Präsidentschaftsprogramms der Bundesregierung auf Drucksache 16/3680 den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD auf Drucksache 16/3808 mit dem Titel ?Die deutsche Präsidentschaft der Europäischen Union zum Erfolg führen“ anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU und der SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktionen der FDP und des Bündnisses 90/Die Grünen angenommen.
Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss, in Kenntnis des EU-Präsidentschaftsprogramms den Antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/3832 mit dem Titel ?Mehr Ehrgeiz für die deutsche Ratspräsidentschaft - eine EU der Erfolge für die Bürger“ abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU, der SPD und der Fraktion Die Linke gegen die Stimmen der FDP bei Enthaltung der Grünen angenommen.
Weiterhin empfiehlt der Ausschuss unter Nr. 3 seiner Beschlussempfehlung, in Kenntnis des EU-Präsidentschaftsprogramms den Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/3796 zu der Abgabe einer Erklärung durch die Bundeskanzlerin zum Europäischen Rat am 14./15. Dezember 2006 in Brüssel und zur bevorstehenden deutschen EU-Ratspräsidentschaft abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke angenommen.
Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Nr. 4 seiner Beschlussempfehlung, in Kenntnis des EU-Präsidentschaftsprogramms den Antrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 16/3327 mit dem Titel ?Forderungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft - Ratspräsidentschaft für eine zukunftsfähige EU nutzen“ abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen angenommen.
Wir kommen zum Zusatzpunkt 3: Beschlussempfehlung des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union auf Drucksache 16/4448 zu dem Antrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen mit dem Titel ?Berliner Erklärung - Werte und Aufgaben der EU im 21. Jahrhundert“. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 16/4171 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU, der SPD und der Fraktion Die Linke gegen die Stimmen der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen bei Enthaltung der FDP angenommen.
Ich rufe die Zusatzpunkte 4 bis 10, die Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b sowie die weiteren Zusatzpunkte 11 und 12 auf:
ZP 4 Beratung des Antrags der Abgeordneten Winfried Hermann, Volker Beck (Köln), Undine Kurth (Quedlinburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Einführung einer Klimaschutzabgabe bei Flugreisen
- Drucksache 16/4182 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
(f)
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für Tourismus
Haushaltsausschuss
ZP 5 Beratung des Antrags der Abgeordneten Winfried Hermann, Dr. Reinhard Loske, Peter Hettlich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Wirksame Klimaschutzmaßnahmen im Straßenverkehr ergreifen
- Drucksache 16/4429 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Haushaltsausschuss
ZP 6 Beratung des Antrags der Abgeordneten Lutz Heilmann, Eva Bulling-Schröter, Dorothée Menzner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN
Trendwende beim Klimaschutz im Verkehr - Nachhaltige Mobilität für alle ermöglichen
- Drucksache 16/4416 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Haushaltsausschuss
ZP 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Reinhard Loske, Kerstin Andreae, Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Für mehr Klimaschutz im Verkehr - Kfz-Steuer auf CO2-Ausstoß umstellen
- Drucksache 16/4431 -
ZP 8 Beratung des Antrags der Abgeordneten Winfried Hermann, Bärbel Höhn, Dr. Reinhard Loske, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
CO2-Emissionen der Dienstwagenflotte des Deutschen Bundestages nachhaltig senken
- Drucksache 16/4430 -
ZP 9 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses (4. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Winfried Hermann, Peter Hettlich, Dr. Anton Hofreiter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Treibhausgasemissionen bei Dienstreisen ausgleichen - Vorbildfunktion der öffentlichen Hand erfüllen
- Drucksachen 16/1066, 16/3847 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Clemens Binninger
Siegmund Ehrmann
Dr. Max Stadler
Jan Korte
Silke Stokar von Neuforn
ZP 10 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Lutz Heilmann, Hans-Kurt Hill, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN
Umverteilung durch den Emissionshandel beenden - Vorreiterrolle im Klimaschutz übernehmen
- Drucksachen 16/1682, 16/3144 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Andreas Jung (Konstanz)
Frank Schwabe
Michael Kauch
Eva Bulling-Schröter
Dr. Reinhard Loske
9. a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes
- Drucksache 16/4010 -
- Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss)
- Drucksache 16/4449 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Patricia Lips
Ingrid Arndt-Brauer
Dr. Volker Wissing
- Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß
§ 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 16/4450 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Barthle
Carsten Schneider (Erfurt)
Otto Fricke
Dr. Gesine Lötzsch
Anja Hajduk
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses (7. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Winfried Hermann, Peter Hettlich, Dr. Anton Hofreiter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Fördergesetz für Dieselrußpartikelfilter baldmöglichst vorlegen
- Drucksachen 16/946, 16/4449 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Patricia Lips
Ingrid Arndt-Brauer
Dr. Volker Wissing
ZP 11 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Michael Kauch, Gudrun Kopp, Angelika Brunkhorst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Klimapolitischen Zertifikatehandel in Deutschland nachhaltig und verantwortungsvoll gestalten - Nationalen Allokationsplan grundlegend überarbeiten
- Drucksachen 16/3051, 16/4422 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Andreas Jung (Konstanz)
Frank Schwabe
Michael Kauch
Eva Bulling-Schröter
Hans-Josef Fell
ZP 12 Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael Kauch, Jan Mücke, Angelika Brunkhorst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Einbeziehung des zivilen Luftverkehrs in den europäischen Emissionshandel
- Drucksache 16/3049 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
(f)
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes - das ist der Tagesordnungspunkt 9 a - liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP vor.
Der Finanzausschuss hat in seine Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/4449 den Antrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 16/946 mit dem Titel ?Fördergesetz für Dieselrußpartikelfilter baldmöglichst vorlegen“ einbezogen. Über diese Vorlage soll jetzt ebenfalls abschließend beraten werden. - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Dann ist das so beschlossen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist auch das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen Fritz Kuhn, Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen, das Wort.
Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist völlig klar: Wenn wir den internationalen Klimaschutzanforderungen gerecht werden wollen, dann müssen wir die CO2-Emissionen in der Europäischen Union um 30 Prozent senken. Daran führt kein Weg vorbei.
Herr Umweltminister, ich erlebe die Debatte, die in Deutschland gegenwärtig stattfindet, in etwa so: Viele Mitglieder der Regierung versteifen sich jetzt, da man 20 Maßnahmen durchführen könnte, in eine intensive Diskussion nach dem Motto: Welche zwei Maßnahmen wären uns denn die liebsten? Ich sage Ihnen: Nach der Überzeugung meiner Fraktion ist dieses Vorgehen luxuriös und nicht adäquat. Wir müssen so vorgehen, dass wir alles machen, was wirklich hilft, und zwar sowohl im Bereich der Energieerzeugung, der Energieeffizienz - Stichwort: erneuerbare Energien - als auch auf dem Gebiet des Verkehrs.
Die jetzt stattfindenden Diskussionen, die nur die Kfz-Steuer zum Gegenstand haben, sind - so wichtig solche Fragen sind - ungenügend. Ich will, dass die Bundesregierung ein geschlossenes Konzept vorlegt, aus dem hervorgeht, was sie beim Flugverkehr, zur Verbesserung des Schienenverkehrs und zur Reduktion der Emissionen des Automobilverkehrs machen will. Dabei sollte es sich um ein Gesamtkonzept handeln. Es geht nicht an, dass nach monatelangen Diskussionen immer wieder nur Einzelmaßnahmen beschlossen werden.
Manche in Deutschland - auch aus dem Kreis der Automobilbauer - sagen gerne: Der Straßenverkehr spielt gar keine so große Rolle; man kann seinen Einfluss eigentlich vernachlässigen. Solche Aussagen halten wir für gefährlich. In Zahlen: 20 Prozent der CO2-Emissionen in der EU gehen auf den Straßenverkehr zurück. Besonders wichtig ist: Zwischen 1990 und 2004 sind die Emissionen im Straßenverkehr um 26 Prozent gestiegen. Das heißt, das Verkehrsproblem muss gelöst werden, wenn wir in Deutschland effektiv Klimaschutz betreiben wollen.
Der Bundespräsident hat eine gute und wichtige Aussage getroffen. In den Zeitungen von heute ist zu lesen, wie zum Beispiel die Automobilindustrie auf Köhlers Mahnungen reagiert hat. Ich finde, darüber müssen wir schon eine klare und öffentliche Aussprache führen. Der neue Audi-Chef, Rupert Stadler, hat in Abarbeitung einer Forderung, die niemand gestellt hat - niemand hat gesagt, der CO2-Ausstoß von 120 Gramm pro Kilometer müsse ?automobilkonzernscharf“ erreicht werden; vielmehr ist es ein Durchschnittswert, über den verhandelt werden muss -, abwehrend gesagt, Audi könne dies nicht leisten. Ich zitiere:
Wir sind keine Sozialhilfestation, sondern ein Wirtschaftsunternehmen.
Ich kann nur sagen: Wer mit solchen Sprüchen, die außerdem trivial sind, auf die Klimaanforderungen reagiert, um zu verhindern, dass auch die deutsche Automobilindustrie handeln muss - sie hat ein massives Problem, weil sie viele Technologien zur CO2-Reduktion verschlafen hat -, der hat das ökonomische Gesetz der Zukunft nicht verstanden. Das heißt, nur wer den Klimaschutz beim Fahrzeugbau beachtet, nur wer den Klimaschutz zum strategischen Element der Industriepolitik macht, hat in Zukunft auch ökonomisch eine Chance. Ich kann nur sagen: Da muss man noch einmal nacharbeiten. In diesem Fall gilt das für Herrn Stadler von Audi.
Herr Gabriel, wir finden es schade, dass die Bundesregierung auf EU-Ebene - Stichwort: Ausdehnung auf 130 Gramm - eingeknickt ist. Die Botschaft, die Sie damit an die deutschen Fahrzeugbauer senden, heißt nämlich: Wenn die EU einen ökologisch vernünftigen Vorschlag macht, kann man sich jederzeit darauf verlassen, dass die deutsche Bundesregierung diesen Vorschlag aufweicht und wieder kaputtmacht. Deswegen hat Ihr Handeln auf EU-Ebene im Hinblick auf den industriellen Umbau unserer Fahrzeugindustrie ein falsches Signal gegeben. An dieser Einsicht führt kein Weg vorbei.
Wir wollen doch eine vernünftige Debatte führen. Dann gilt der alte Satz: Man kann in der Fahrzeugindustrie mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben, aber nur dann, wenn man wirklich beachtet, wie die Ökologie und der Klimaschutz gehen. Herr Gabriel, da brauchen wir uns nicht zu streiten.
Ich habe nach dem italienischen Wochenende gesagt: Lasst uns auch in Deutschland einmal fahrzeugfreie Sonntage veranstalten! Ich habe übrigens nicht von Verboten geredet, weil ich weiß, dass in Deutschland die Zahl der Veranstaltungen in der Richtung zunimmt. Es wird viel gemacht. Übrigens ist das Bundesland Rheinland-Pfalz da führend. Ich finde, dass wir in den Städten eine Manifestation für mehr Klimaschutz durchaus auch einmal in Deutschland machen könnten. Ihre Reaktion, Herr Gabriel, fand ich etwas überzogen und Ihrer gar nicht würdig; das zeigt vielleicht, wie sehr Sie doch noch emotional am Auto hängen. Wir könnten es doch auch einmal wie die Italiener - von Ihnen als ?Millionen Kleinbürger“ beschimpft - machen und uns am Sonntag in der Stadt frei bewegen. Wir wissen, dass das nicht die große CO2-Einsparung bringt. Aber einmal darüber zu diskutieren, wie Mobilität in unserem Land eigentlich aussieht, halten wir für ziemlich wichtig.
Wir wollen die Kfz-Steuer umbauen, dabei übrigens die anderen Schadstoffe nicht vergessen. Vor lauter Aufregung sollten wir jetzt nicht alles auf CO2 konzentrieren.
Wir wollen in Deutschland auch ein Tempolimit einführen. Ich will noch einmal klar und deutlich sagen: Ein Tempolimit von 120 Stundenkilometern bedeutet nach Zahlen des Umweltbundesamts 10 Prozent Reduktion allein beim CO2.
Ich sage Ihnen noch einmal: Wir können es uns nicht leisten, solche Zahlen einfach zu ignorieren. Deshalb haben wir das vorgeschlagen.
Ebenso muss die steuerliche Abschreibung für Wagen, die sehr viel emittieren, irgendwo gedeckelt sein. Es kann ja nicht sein, dass die CO2-mäßig schlimmsten Autos als Dienstwagen dann noch den größten Steuervorteil erhalten. Das ist unmöglich. Das werden wir abschaffen.
Letzter Punkt. Der Deutsche Bundestag kann nicht nur über Einsparungen reden; er muss auch selber handeln. Deswegen haben wir einen Antrag vorgelegt, nach dem auch im Fahrdienst des Deutschen Bundestages verschiedene Werte einzuhalten sind. Da können Hybridfahrzeuge und andere Fahrzeuge zum Einsatz kommen. Die meisten Fahrten finden in der Stadt Berlin statt. Ein Bundestag, der von den Menschen im Lande und von den Fahrzeugherstellern verlangt, dass es mit den CO2-Emissionen runtergeht, aber meint, sich selbst nicht daran beteiligen zu müssen, ist schief gewickelt. Ich bitte darum, dass man auch im Ältestenrat dieses Hauses darüber spricht und zu ökologischeren Lösungen bei der Mobilität des Bundestags gelangt.
Vielen Dank.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegin Katherina Reiche, CDU/CSU-Fraktion.
Katherina Reiche (Potsdam) (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! In den vergangenen Wochen ist kaum ein Tag vergangen, an dem nicht eine große Tageszeitung oder eine Hauptnachrichtensendung über das Thema Klimawandel, Klimaschutz berichtet hat. Auslöser waren sicherlich der im vergangenen Jahr veröffentlichte Stern-Report, aber auch der vor kurzem veröffentliche Weltklimareport.
Beide Berichte kommen übereinstimmend zu vier Aussagen: erstens dass der Klimawandel stattfindet und vom Menschen beeinflusst ist; zweitens dass Zeit da ist, Maßnahmen zu ergreifen, um die schlimmsten Auswirkungen zu verhindern; drittens dass ein frühzeitiges Handeln beim Klimaschutz eine spätere Explosion der Kosten verhindern kann; viertens dass dann, wenn nicht gehandelt wird, weltweit nicht nur erhebliche Veränderungen in der Natur, sondern auch massive soziale und ökonomische Verwerfungen drohen. Deshalb ist klar, dass wir beim Klimaschutz besser heute als morgen handeln sollten.
Es ist auch richtig, wenn jetzt über eine Vielzahl von Vorschlägen diskutiert wird, wie wir beim Klimaschutz vorankommen können. Es reicht aber nicht, tagtäglich irgendeinen Vorschlag auf den Markt zu werfen, der dann kurze Zeit später wieder in der Schublade verschwindet und doch nicht sehr viel mehr als Populismus ist.
Klimaschutz und Energiesicherheit bewegen die Menschen. Im Ranking der politisch wichtigsten Themen rangiert der Klimaschutz mittlerweile ganz oben. Die Bürger interessieren sich. Sie informieren sich darüber, welchen Beitrag sie ganz persönlich leisten können. Ich finde die Entwicklung sehr positiv.
Aber diese Stimmung fördert es sicherlich nicht, wenn dann in regelmäßigen Abständen über Verbote, wie etwa ein Fahrverbot, diskutiert wird, auch dann nicht, wenn sie nur einmal im Jahr gelten sollen. Herr Kuhn, Sie haben gerade selbst gesagt, das werde wahrscheinlich keinen sinnvollen Beitrag zum Klimaschutz leisten, aber sei trotzdem ganz gut. Solche Vorschläge, glaube ich, fördern eher den Frust über überzogene Vorschläge, als dass sie tatsächlich einen positiven Beitrag leisten.
Es ist Zeit, zu handeln. Nichtsdestotrotz ist es sinnvoll - Herr Kuhn, da stimme ich Ihnen zu -, die verschiedenen Vorschläge im Rahmen eines vernünftigen Gesamtkonzeptes zusammenzufügen; denn wir können die einzelnen Enden, die wir in den Händen haben, nicht voneinander losgelöst betrachten.
Klimaschutz und Energiepolitik - das habe ich gesagt - hängen eng zusammen. Wenn man bedenkt, welche Vorhaben allein in diesem Jahr auf der Agenda stehen, dann zeigt sich eben, wie sinnvoll es ist, sie untereinander abzustimmen. Ein Beispiel: Wenn der Ausstieg aus der Kernenergie bis zum Jahr 2012 so durchgeführt wird, wie es vereinbart wurde, dann müssen 50 Millionen Tonnen CO2 zusätzlich bis zum Jahr 2012 kompensiert werden. Wie aber diese Kompensation stattfinden soll, ist bislang vollkommen offen. Auch darüber muss man reden.
Wichtig ist, dass in Deutschland und Europa deutlich mehr in Forschung und Entwicklung investiert wird. Im Rahmen des 7. Forschungsrahmenprogramms der EU wird jährlich 1 Milliarde Euro mehr in die Energieforschung investiert; das ist eine Steigerung um mehr als 50 Prozent.
Wir beraten heute auch über verschiedene Initiativen zum Klimaschutz im Verkehrsbereich. Gemessen am gesamten CO2-Ausstoß in Deutschland hat der Verkehr einen Anteil von 20 Prozent. Selbstverständlich muss der Verkehrsbereich wie jeder andere Sektor seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Deswegen ist der Vorschlag der Europäischen Kommission vernünftig, den CO2-Ausstoß von Neufahrzeugen bis zum Jahr 2012 verbindlich auf einen Durchschnittswert von maximal 130 Gramm CO2 pro Kilometer zu begrenzen. Weitere 10 Gramm pro Kilometer müssen durch Verbesserungen jenseits der Motortechnik und durch den Einsatz von Biokraftstoffen eingespart werden, um auf einen Wert von 120 Gramm pro Kilometer zu kommen. Derzeit liegt der CO2-Ausstoß bei durchschnittlich 163 Gramm pro Kilometer. Das zeigt, dass sich die Automobilindustrie einer erheblichen technologischen Herausforderung stellen muss.
Weltweit genießen die deutschen Autobauer sicherlich nach wie vor einen hervorragenden Beruf, was Sicherheit und Technik betrifft. Ich finde, es liegt eine Chance darin, auch im Bereich Klimaschutz zum Trendsetter zu werden.
Allerdings fand ich die Hetzjagd der letzten Wochen auf eine der wesentlichen Säulen unserer Volkswirtschaft nicht besonders klug, weil häufig die Aufregung im Detail jeglicher Grundlage entbehrte. Ich wiederhole aber: Die Automobilindustrie muss sich den Klimaschutzzielen stellen. Sie ist gefordert, klimafreundliche Technologien schnell auf den Markt zu bringen.
Zuletzt wurde die vollständige Umstellung der Kfz-Steuer auf eine CO2-und Schadstoffsteuer diskutiert. Zwar hat man vom Auslöser der Debatte seither nichts mehr gehört - das soll manchmal vorkommen -; aber CDU, CSU und SPD haben sich schon im Koalitionsvertrag auf eine solche Umstellung geeinigt. Für eine solche Umstellung sprechen die Steigerung der Transparenz und des Anreizes, Autos mit moderner Technologie zu kaufen. Eine neue Kfz-Steuer muss aber aufkommensneutral gestaltet werden. Wir bedürfen dabei eines vernünftigen Vertrauensschutzes. Außerdem muss die richtige Lenkungswirkung entfaltet werden. Die Finanzierungsfragen sind mit den Ländern zu klären.
Ohne Zweifel spielt der Flugverkehr beim Thema Klimaschutz eine wichtige Rolle. Angesichts des enormen Wachstums in diesem Bereich darf der Flugverkehr sicherlich nicht abseits stehen. Es ist ein gutes Signal, dass sich die Branche intensiv mit dem Klimaschutz beschäftigt. Die angemessene Einbeziehung des Flugverkehrs in einen Emissionshandel ist ein wichtiger Schritt. Die Europäische Kommission hat hierzu Vorschläge unterbreitet. Ich meine jedoch, dass es keine Insellösung geben darf. Wenn wir einen Emissionshandel beim Flugverkehr wollen, dann muss von vornherein eine globale Lösung angestrebt werden, bei der auch Fluglinien außerhalb der Europäischen Union einbezogen werden.
Sonst besteht die Gefahr, dass die Flüge verlagert werden und am Ende für den Klimaschutz nicht viel gewonnen ist,
wir aber wichtige Luftdrehkreuze in Deutschland verlieren.
Das Kabinett hat gestern einen Beschluss zu Dienstreisen der Bundesregierung gefasst. Ab dem Jahr 2007 sollen die CO2-Emissionen aller dienstlichen Reisen der Bundesregierung ausgeglichen und damit klimaneutral gestaltet werden. Möglicherweise sind die Auswirkungen überschaubar; aber es ist mit Sicherheit richtig, Vorbild zu sein.
Wir brauchen in der Klimaschutzpolitik einen integrierten Ansatz: Wir müssen international Impulse setzen; national müssen wir unsere Verantwortung wahrnehmen und handeln. Deutschland und Europa stehen beim Klimaschutz in einer besonderen Verantwortung; denn nur wenn wir beim Klimaschutz handeln, werden andere Länder tatsächlich folgen. Deshalb darf man sich nicht auf die Position zurückziehen, erst dann Klimaschutz zu betreiben, wenn auch Staaten wie China oder die USA bereit sind, konsequenter zu handeln; denn dann würde es weltweit zu einem Stillstand kommen.
Es ist richtig, dass die Europäische Union Standards setzt und dass sie sich auch einseitig verpflichten will, den CO2-Ausstoß bis 2020 gegenüber 1990 um 20 Prozent und noch weiter um insgesamt 30 Prozent zu senken, wenn sich andere Staaten verstärkt beteiligen. Dies ist sicherlich nicht nur ein wichtiges Signal an die Staatengemeinschaft, dass es uns mit dem Klimaschutz ernst ist, das ist auch ein deutliches Zeichen an die Energiewirtschaft und an die Industrie dafür, dass es in Europa auch nach dem Auslaufen des Kiotoprotokolls im Jahre 2012 mit dem Klimaschutz weitergeht.
Dass das wichtig ist, zeigt ein Blick in die USA; denn dort drängen immer mehr Unternehmen die Regierung, sich zunehmend mit dem Klimaschutz auseinanderzusetzen und das Ganze offensiver anzugehen, sich zum Beispiel auch einem Emissionshandel nicht länger zu verschließen. Das ist ein ganz deutliches Signal: Klimaschutz ist ein positiver Wachstumsfaktor. Die führenden Unternehmen der Welt haben dies erkannt.
Diesen Gedanken sollten wir sicherlich auch stärker in den Mittelpunkt rücken, damit nicht die Bedenkenträger, sondern diejenigen, die sich dieser Herausforderung offensiv stellen, die Märkte von morgen erobern.
Vielen Dank.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegen Michael Kauch, FDP-Fraktion.
Michael Kauch (FDP):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Europäische Union muss beim Klimaschutz mit gutem Beispiel vorangehen. Die einseitige Verpflichtung der Europäischen Union auf dem letzten EU-Umweltrat, 20 Prozent bis 2020 einzusparen, ist deshalb ein Anfang. In der Aktuellen Stunde hat uns der Umweltminister gestern erzählt, dies sei ein historischer Beschluss. Ich erinnere daran, dass sich der Deutsche Bundestag fraktionsübergreifend immer für 30 Prozent - und zwar unkonditioniert - ausgesprochen hat. Deshalb ist dieser Beschluss zwar gut, aber mit Sicherheit nicht historisch.
Die Bundesregierung betont gern die Vorreiterrolle Deutschlands im Klimaschutz, doch die Auseinandersetzungen der Bundesregierung mit der EU-Kommission um den deutschen Allokationsplan und die Art und Weise der Auseinandersetzung um die CO2-Obergrenzen haben der deutschen Reputation geschadet. Anspruch und Wirklichkeit sind hier auseinandergeklafft.
Die Kommission hat die Sonderregelungen beim nationalen Allokationsplan, die die Bundesregierung vorgesehen hat, zu Recht angegriffen; denn diese Sonderregelungen insbesondere für neue Kohlekraftwerke wären ein falscher Investitionsanreiz gewesen. Deshalb freuen wir uns, dass sich die Kommission gegen die Bundesregierung durchgesetzt hat.
Das sollte aber auch Anlass für die Kolleginnen und Kollegen der Koalition sein, noch einmal darüber nachzudenken, ob es nicht klug wäre, dennoch einen Teil der Zertifikate zu versteigern. Das wäre ökologisch sinnvoll. Die Zusatzgewinne der Versorger würden abgeschafft, und in Verbindung mit der Senkung der Stromsteuer aus diesem Aufkommen gäbe es eine Umverteilung weg von den Energiekonzernen hin zu den Verbrauchern. Das müsste eigentlich auch im Interesse der Sozialdemokratischen Partei sein.
- Gesenkt.
Meine Damen und Herren, es liegt Ihnen ein Antrag der FDP-Fraktion zur Einbeziehung des Luftverkehrs in den Emissionshandel vor. Aus unserer Sicht ist es unumgänglich, dass auch der Luftverkehr seinen Beitrag zum Klimaschutz leistet. Wir halten den Emissionshandel auch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Entwicklung der Luftverkehrswirtschaft für das Instrument der Wahl. Das Ziel der Einsparung von so viel Treibhausgasen wie möglich zu so geringen Kosten wie möglich kann nur mit dem Emissionshandel erreicht werden. Voraussetzung ist aber, dass der Luftverkehr in das bestehende Emissionshandelssystem integriert wird, sodass es auch eine Handelsmöglichkeit zwischen der Industrie und der Energiewirtschaft auf der einen und der Luftverkehrswirtschaft auf der anderen Seite gibt. Deshalb ist es wichtig, ein separates Handelssystem, welches das Europäische Parlament möchte, zu verhindern. Das wäre in der Tat ein großes Hemmnis für die Entwicklung der Luftverkehrswirtschaft.
Aus ökologischer Sicht, wie ich betonen möchte, ist es zudem auch notwendig - da sind, wie ich denke, im Rat noch Diskussionen erforderlich -, dass man zwischen der Treibhauswirkung der Emissionen, die am Boden stattfinden, und denen, die in großer Höhe emittiert werden, differenziert. Man wird sicherlich noch überlegen müssen, wie man hier differenziert. Außerdem ist es wichtig, den Luftverkehr auch auf globaler Ebene auf Klimaschutzziele zu verpflichten. Es macht keinen Sinn, das nur innerhalb der EU zu tun. Ein Flug von Dubai nach Tokio belastet das Klima nämlich genauso wie einer von Frankfurt nach New York. Hier ist Deutschland gefordert, nicht nur in der EU, sondern auch über die G-8-Präsidentschaft global Klimaschutzkonzepte voranzubringen.
Meine Damen und Herren, im Rahmen der aktuellen Diskussion über den CO2-Ausstoß von Autos sollten wir vielleicht einmal den Gedanken prüfen, ob wir nicht den Verkehrssektor insgesamt in den Emissionshandel einbeziehen können. Das würde analog zu dem, was ich eben beim Luftverkehr dargestellt habe, noch mehr Möglichkeiten eröffnen, um die Ziele, die wir haben, so kostengünstig wie möglich zu erreichen. Eine Debatte um CO2-Obergrenzen ist deshalb nicht wirklich zielführend. Nicht der potenzielle CO2-Ausstoß eines Kraftfahrzeuges, sondern der tatsächliche Ausstoß von Treibhausgasen ist das, worum sich Politik kümmern sollte. Ein wenig gefahrenes Oberklasseauto ist ökologisch möglicherweise besser als ein Kleinwagen im Dauereinsatz.
Deshalb sollten wir uns bei der Anwendung von politischen Instrumenten daran orientieren, was emittiert wird, und nicht daran, was potenziell emittiert wird.
- Herr Kelber, ich schätze Ihre Zwischenrufe. Der Kollege Wissing wird gleich noch einiges zur Kfz-Steuer insgesamt sagen. Ich möchte Ihnen schon so viel verraten, dass wir die Kfz-Steuer abschaffen wollen - diese Position der FDP kennen Sie ja - und sie auf die Mineralölsteuer umlegen wollen. Wenn man dann den Emissionshandel einführen würde, müsste man möglicherweise flankierende Maßnahmen bei der Mineralölsteuer ergreifen, damit die Kosten nicht einfach draufgesattelt werden, sondern ökologisch für eine Begrenzung der Emissionen gesorgt wird. Dafür ist die Wahl des richtigen Cap beim Emissionshandel der beste Weg, Herr Kelber.
Meine Damen und Herren, derzeit überschlagen sich die politischen Forderungen zum Verkehrssektor. Uns liegt ja auch ein Antrag zur Dienstwagenflotte des Bundestages vor. Es handelt sich um einen sehr populären, möglicherweise sogar populistischen Vorschlag von Bündnis 90/Die Grünen. Die EU will ja, wie Sie gerade selbst gesagt haben, den Grenzwert von 120 Gramm, dessen Einhaltung Sie hier für die Dienstwagenflotte beantragen, weder herstellerscharf noch nutzerscharf durchsetzen. Dieser Antrag ist rein populistisch motiviert. Daran ändert auch die Begeisterung von Frau Künast für Autos von Toyota überhaupt nichts. Wenn wir einen Wagen mit der gleichen Ausstattung wie derzeit üblich von Toyota nehmen wollten, dann müssten wir den neuen Hybrid-Lexus nehmen. Dieser emittiert aber 186 Gramm CO2 pro Kilometer, die E-Klasse von Mercedes, die wir momentan nutzen, aber nur 167 Gramm. Das wäre also kein Fortschritt, sondern ein Rückschritt.
Sie könnten jetzt entgegnen, dann steigen wir eben auf die Golf-Klasse um und fahren alle Smart oder Prius. In dem Zusammenhang möchte ich nur daran erinnern, dass Herr Trittin in seiner Amtszeit in einem VW Phaeton durch die Gegend kutschiert wurde, der pro Kilometer 230 Gramm CO2 emittiert. So weit klaffen Anspruch und Wirklichkeit grüner Politik zwischen Oppositions- und Regierungszeiten auseinander.
Lassen Sie mich jetzt noch ein Wort zum Thema Kompensation von Dienstreisen sagen: Ich begrüße es, dass die Bundesregierung einen entsprechenden Beschluss gefasst hat. Ich halte es auch für erwägenswert, einen ähnlichen Beschluss für den Deutschen Bundestag zu fassen. Wir werden das in den Ausschüssen beraten.
Zum Antrag der Grünen möchte ich nur eines sagen: Darin legen Sie sich darauf fest, dass die Kompensationsleistungen über die Initiative ?atmosfair“ abgewickelt werden sollen. Wir meinen, dass es noch mehr gute Projekte als die von ?atmosfair“ unterstützten in der Welt gibt. Deshalb sollten wir nicht Lobbyarbeit für eine Organisation machen.
An die Bundesregierung gerichtet möchte ich sagen: Eine Kompensation für die Belastung durch Dienstreisen vorzusehen, ist schön. Aber wenn Sie für einen Flug oder für eine an sich begrüßenswerte Bahnfahrt, die öffentlichkeitswirksam unternommen wird, eine Kompensation vorsehen, zugleich aber den Dienstwagen als Leerfahrt an den Zielort nachkommen lassen - und das ist gängige Praxis in der Bundesregierung -, dann ist dem Klimaschutz mit einer solchen Kompensationsleistung nicht geholfen, es sei denn, auch für die Leerfahrt des Dienstwagens würde eine Kompensationsleistung vorgesehen.
Vielen Dank.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort der Parlamentarischen Staatssekretärin Barbara Hendricks.
Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen:
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dies ist eine Klimaschutzdebatte; das ist keine Frage. Aber auch der weiteste Weg kann nur durch viele zielgerichtete Schritte in die richtige Richtung bewältigt werden. Einen dieser Schritte gehen wir heute, indem wir die Kfz-Steuer ändern, um Autos zu fördern, die mit Dieselrußpartikelfiltern ausgestattet werden.
Bis jetzt ist es in dieser Debatte leider noch nicht thematisiert worden; aber wir haben heute ein Gesetz dazu in zweiter und dritter Lesung zu verabschieden. Das ist normale parlamentarische Arbeit, gut vorbereitet im Finanzausschuss, und die Kolleginnen und Kollegen aus den Bereichen Umwelt und Verkehr tragen mit ihrer Sachkenntnis zur Debatte bei, was ich auch gut finde.
Der Gesetzentwurf - ich will es kurz darstellen - sieht eine Förderung für diejenigen Menschen vor, die ihre PKWs mit Dieselrußpartikelfiltern nachrüsten lassen, um der Feinstaubbelastung zu begegnen. Diese Förderung ist auf einen Zeitraum von ungefähr vier Jahren angelegt. In gleicher Weise, nämlich in einer Größenordnung von 330 Euro pro Fahrzeug, werden auch die Menschen gefördert, die im Vertrauen auf unser angekündigtes Handeln ihren PKW schon im vergangenen Jahr, also im Jahr 2006, haben nachrüsten lassen. Dies wird mit der Kfz-Steuerschuld verrechnet. Für diejenigen, die ihre PKWs nicht nachrüsten lassen, gibt es eine sogenannte Malusregelung, die auf vier Jahre begrenzt ist, um die Besitzer von älteren PKWs nicht übermäßig zu belasten. Bei einer durchschnittlichen Hubraumgröße bedeutet dies eine zusätzliche Belastung von etwa 25 Euro pro Jahr, also eine überschaubare Belastung. Mit Blick auf die Anreizwirkung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten muss man aber eine Bonus- und eine Malusregelung zusammen betrachten: Was sind die Folgen für mich, wenn ich es nicht tue, und was, wenn ich es tue? Dies zusammengerechnet ergibt die Anreizwirkung für unsere Bürgerinnen und Bürger.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Bulling-Schröter von der Fraktion Die Linke?
Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen:
Ja, sofort. Ich führe eben den Gedanken zu Ende. - Mit 330 Euro Förderung wird man etwa die Hälfte der Kosten erstattet bekommen; man muss natürlich selber auch etwas zahlen.
Bitte schön, Frau Kollegin Bulling-Schröter.
Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):
Danke schön, Frau Staatssekretärin. - Ich möchte Sie nur fragen: Was machen denn die Menschen, für deren Autos es keinen Dieselrußpartikelfilter gibt? Es gibt Autos in der Bundesrepublik, für die keine produziert werden. Zum Teil sind diese Autos ganz neu; aber es gibt keine Dieselrußpartikelfilter für sie am Markt.
Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen:
Frau Kollegin Bulling-Schröter, was das anbelangt, vertraue ich auf das Funktionieren der Marktwirtschaft. Es gibt ja einen vierjährigen Förderzeitraum, und es ist natürlich möglich, Dieselrußpartikelfilter, die jetzt noch nicht am Markt sind, verhältnismäßig rasch auf den Markt zu bringen. Besonders einige mittelständisch orientierte Unternehmen haben sich darauf spezialisiert, solche Filter nicht nur zu produzieren, sondern auch selbst zu entwerfen. Das ist eine Technik, die gerade im deutschen Mittelstand vorangetrieben wird. Deswegen vertraue ich darauf, dass Dieselrußpartikelfilter, die jetzt noch nicht für bestimmte Fahrzeugtypen zur Verfügung stehen, auf den Markt kommen werden.
Wir schreiben im Übrigen nicht die Einführung einer bestimmten Technik vor, sondern es geht sozusagen um das Ergebnis, das mit dieser Technik erreicht wird. Die Parameter sind in der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung festgelegt. Das muss nicht im Steuerrecht angepasst werden; da wird insoweit auf die zuständige Regelung in der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung verwiesen.
Ich glaube, dass wir hiermit ein gutes Angebot an die Bürgerinnen und Bürger machen und dass wir damit auch gegenüber denjenigen unsere Zusage eingehalten haben, die im Vertrauen auf unser Handeln ihr Kfz schon im Jahr 2006 haben nachrüsten lassen. Auch sie werden, wie ich schon sagte, nach Inkrafttreten des Gesetzes am 1. April einen entsprechenden Antrag bei der Finanzverwaltung stellen können.
Ich darf noch auf die aktuelle Debatte zur Kfz-Steuer und zum CO2-Ausstoß, die wir jetzt führen, eingehen. Manche haben schon gefragt: Wieso führt ihr eigentlich noch die Regelung mit den Dieselrußpartikelfiltern ein? Das ist doch alles nur Klein-Klein; in Wirklichkeit geht es doch um CO2. - Darum habe ich ganz am Anfang von den vielen zielführenden Schritten gesprochen. Man kann natürlich ein sehr großes Bild dessen malen, was man erreichen will und auch erreichen muss und was wir in Verantwortung für zukünftige Generationen in diesem Hause sicherlich auch gemeinsam anstreben. Gleichwohl ist parlamentarische Arbeit mühsam. Parlamentarische Arbeit ist gerade, was die Gesetzgebung bei der Kfz-Steuer angeht, nur in vielen kleinen Schritten zu leisten. Selbstverständlich bereiten wir Regelungen vor, die den CO2-Ausstoß in der Kfz-Steuer berücksichtigen. Dies ist auch Gegenstand unserer Koalitionsvereinbarung. Darauf wurde eben schon hingewiesen.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kuhn?
Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen:
Bitte, Herr Kollege Kuhn.
Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Staatssekretärin, ich habe dazu eine Frage. Der Umweltminister und der Verkehrsminister haben öffentlich gesagt, man könne Regelungen zur CO2-Komponente der Kfz-Steuer noch in diesem Jahr umsetzen. Wir alle wissen, dass dazu ein kompliziertes Einigungsverfahren notwendig ist, weil es sich bei der Kfz-Steuer um eine Ländersteuer handelt.
Ich möchte Sie fragen: Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag, den auch wir gemacht haben, im Rahmen der Föderalismusreform-II-Kommission einen Steuertausch durchzuführen? Das könnte zu einer Beschleunigung führen. Oder sind Sie der Meinung, dass die Länder noch in diesem Jahr in der Lage sein werden, sich auf einen einheitlichen Vorschlag zu einigen, der dann auch mehrheitsfähig ist?
Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen:
Herr Kollege Kuhn, ich bin dankbar für Ihre Frage zum Steuertausch. Darüber muss in der Tat im Rahmen der Föderalismusreform-II-Kommission verhandelt werden. Die Länder haben zwar zum Teil geäußert, man könne dies vorab tun. Ich halte das aber nicht für zielführend. Denn wir reden in der Föderalismusreform-II-Kommission gerade über die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern. Ein Steuertausch würde natürlich bedeuten, man müsste vorab die Verfassung für diesen Punkt isoliert ändern. Ich glaube, wir können das nicht verantworten. Dieses Thema gehört vorurteilsfrei in die Debatte zur Föderalismusreform II. Ich sage bewusst: vorurteilsfrei. Die Bundesregierung hatte in der Föderalismusreform-I-Kommission diesen Steuertausch vorgeschlagen. Damals ist er von den Ländern nicht akzeptiert worden.
Ich will noch etwas dazu sagen, warum die Länder jetzt einen Tausch so freundlich anbieten. Das ist zu erklären mit dem Föderalismus in seiner jetzigen Ausprägung.
Da die Länder erkannt haben, dass das dynamische Aufkommen der Kfz-Steuer durch Hinzunahme von weiteren Zielvorstellungen beschränkt wird, wollen sie diese Steuer gerne loswerden und dafür eine sich dynamisch entwickelnde Steuer bekommen.
Als Bundestagsabgeordnete haben wir uns selbstverständlich für den Klimaschutz einzusetzen. Aber wir haben auch die Interessen des Bundes zu wahren. Deswegen werden wir diese Debatte zwar vorurteilsfrei führen, aber ich kann keine Zusage geben. Das wird im Rahmen der Föderalismusreform-II-Kommission vielleicht ein Do-ut-des an anderer Stelle bedingen. Die Debatte ist noch nicht zu Ende. Aber niemand kann von uns erwarten, vorab und isoliert über diesen Punkt zu verhandeln. Denn wir haben auch die Interessen des Bundes zu wahren.
Was die Umgestaltung der Steuer anbelangt, müssen Sie wissen, dass wir den Schadstoffbezug in der Kfz-Steuer trotz Hinzunahme des CO2-Bezuges nicht abschaffen wollen. Bisher haben wir eine hubraum- und schadstoffbezogene Kfz-Steuer. Diese wäre dann so rasch wie möglich durch eine auf den CO2-Ausstoss und auf die übrigen Schadstoffe bezogene Steuer zu ersetzen. Dafür braucht man aber ganz gewiss Übergangsregelungen. Wir befinden uns zurzeit auf der Ebene der zuständigen Ministerien, des Finanzministeriums, des Verkehrs- und Umweltministerium, in den Abstimmungsgesprächen.
Man muss wissen: Ohne Übergangsbestimmungen wird es nicht gehen. Denn der Kfz-Bestand in der Bundesrepublik Deutschland hat etwa zur Hälfte überhaupt keinen festgestellten Status in Bezug auf den CO2-Ausstoß. Man muss sich also einmal vergegenwärtigen, dass es wohl kaum möglich sein wird, den CO2-Status von rund 40 Millionen Pkw zu bestimmen und anschließend mit dieser Information zu den Kfz-Meldeämtern der Kreise und kreisfreien Städte zu gehen. Diesen Vorschlag würden die Länder, die die Verantwortung für diese Verwaltungen haben, zu Recht ablehnen.
Wir brauchen also vernünftige Übergangsregelungen. Selbstverständlich arbeiten wir mit Nachdruck daran.
Herzlichen Dank.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegin Eva Bulling-Schröter, Fraktion Die Linke.
Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatten um den Klimaschutz haben zurzeit Hochkonjunktur. Es wird mehr in der Gesellschaft diskutiert; es wird um Lösungen gerungen. Das ist gut so.
Dass der Flugverkehr zunehmend zu einem ernsten Problem für das Weltklima wird, wurde schon angesprochen. Ich möchte dazu eine Zahl nennen: Im letzten Jahr gab es nach dem Statistischen Bundesamt in diesem Bereich ein Plus von 6,5 Prozent. Wir haben noch nicht darüber gesprochen, dass es immer noch Pläne gibt, weitere Flughäfen zu bauen und bestehende auszubauen, zum Beispiel in München eine dritte Startbahn, und so den Flugverkehr zu forcieren.
Jetzt soll also der Flugverkehr in das europäische Emissionshandelssystem eingebracht werden. Dies soll die Lösung bringen. Daran habe ich meine Zweifel. Die Kommission schreibt, die Einbeziehung des Flugverkehrs in den Emissionshandel würde sich auf die Ticketpreise in einem geringeren Maße auswirken als die Besteuerung von Flugkraftstoff oder eine Emissionsabgabe - und dies bei angeblich gleichen Verbesserungen für die Umwelt. Ich meine, das mit den Preisen stimmt sicherlich, das mit dem zusätzlichen Umweltschutz aber nicht.
Ich frage Sie im Hinblick auf die Billigfliegerei: Wenn die Tickets nur um 1,80 bis 9 Euro teurer werden, wer würde da vom Fliegen Abstand nehmen? Ich glaube, niemand. Auch wird sich angesichts dieser geringen zusätzlichen Kosten in die Tasche gelogen, wenn in diesem Zusammenhang von einem Lenkungseffekt für die Fluggesellschaften, sich sparsamere Maschinen anzuschaffen, gesprochen wird. Steigende Kerosinpreise treiben hier Erneuerungen viel schneller an als ein Emissionshandel light. Ich gehe natürlich davon aus, dass Landesregierungen in Zukunft den Verbrauch von Kerosin nicht mehr unterstützen werden.
Das Grundübel der Konstruktion der Kommission ist, dass Kohlendioxid nur mit einem Faktor eins in die Berechnungen eingeht. Dabei ist die Wärmewirkung des Flugverkehrs je Tonne CO2 zwei- bis viermal so hoch wie die des am Erdboden ausgestoßenen Kohlendioxids. Das heißt, wir bräuchten hier einen anderen Faktor.
Die Verzahnung mit dem EU-Emissionshandel führt dazu, dass der Flugverkehr weiter ungezügelt wachsen wird. Das Problem hätte man umgehen können, wenn der Emissionshandel im Flugbereich ein eigenes, abgeschlossenes System wäre. Dann entstünde nämlich für dessen Emissionen ein echter Deckel, also eine Begrenzung, die wir natürlich brauchen. Dieser Deckel wird aber angehoben, wenn Emissionsrechte aus dem Energie- oder Industriesektor hinzugekauft werden können,
und zwar vergleichsweise billig, da ja die Umweltwirkungen im Emissionsfaktor nur zu einem Viertel berücksichtigt werden.
Zu begrüßen ist am Richtlinienentwurf die angestrebte Versteigerung der Zertifikate. Hier hat man offensichtlich aus dem Desaster im Handelssystem im Zusammenhang mit den Extraprofiten für die Energiewirtschaft und die Industrie gelernt.
Weil wir gerade dabei sind: Nach dem Willen der EU-Kommission musste Deutschland seinen Zuteilungsplan für die nächste Handelsperiode in fast allen Punkten ändern, wie auch die Linke in ihrem Antrag vom Frühsommer letzten Jahres bemängelt hat. Es gab eine viel zu hohe Zertifikationszuteilung, unakzeptable Übertragungs- und Neuanlagenregelungen und verdeckte Beihilfen für die deutsche Industrie.
Leider konnte sich die Bundesregierung immer noch nicht zu einer brennstoffunabhängigen Zuteilung der Zertifikate durchringen. Das heißt, Kohle erhält mehr Zuteilungen als Gas. Damit wird die Lenkungswirkung des Emissionshandels hin zu emissionsärmeren Kraftwerken deutlich beschnitten. Dass die Bundesregierung weiterhin nicht von der Möglichkeit Gebrauch macht, Zertifikate zu versteigern, ist ein Skandal.
Wir reden hier über Milliardenprofite; darauf haben wir schon an vielen Stellen hingewiesen. Die Begründung, dass dann die Preise noch mehr steigen würden, halte ich für illusorisch; denn die Gelder werden schon jetzt eingepreist.
Herr Gabriel hat gestern gesagt, wir wollten, dass die Preise steigen. Vor allem für Geringverdiener sei das aber ein Problem. Dazu kann ich nur sagen: Herr Gabriel, wir haben den Antrag eingebracht, die im Zusammenhang mit Windfall-Profits entstehenden Gewinne abzuschöpfen und sie in regenerative Energien zu stecken, sie aber auch an Niedrigverdienerinnen und Niedrigverdiener sowie Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfänger als Kompensation für die höheren Preise weiterzugeben. Sie haben uns damals ausgelacht; Sie haben das Problem nicht erkannt. Jetzt sprechen Sie es selber an. Also: Tun Sie etwas!
Wir wollen auch den Haushalten, die wenig Geld haben, die Möglichkeit geben, Energie zu sparen, etwa durch neue Geräte.
Noch etwas zum Schluss: Es wurde die Firma Audi angesprochen. Herr Stadler erpresst die Beschäftigten hinsichtlich des Klimaschutzes. Ich kann dazu nur sagen: Klimaschutz erreicht man nicht durch Angstmache. Das sollte sich Herr Stadler merken. Er sollte sich informieren und darüber Gedanken machen, wie man wirklich CO2 einsparen kann. Die Firma Audi hat im letzten Jahr den Gewinn um 63 Prozent gesteigert. Das ist nicht wenig. Dass die Firma nicht zu einer Sozialstation werden will, verstehe ich. Das war sie aber auch noch nie.
Wir fordern dazu auf, diese Erpressungen mit Blick auf die Arbeitsplätze zu unterlassen.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Nun hat Kollege Andreas Scheuer, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU):
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Bulling-Schröter, weil Sie in Ihrer Rede so viel über den Flugverkehr philosophiert haben: Beim nächsten Mal, wenn wir am Terminal 1 des Münchner Flughafens auf unser Flugzeug warten, unterhalten wir uns über den Emissionshandel.
Vorneweg möchte ich klarstellen: Zu dieser Debatte liegt eine Vielzahl von Anträgen der Grünen vor. Man könnte daher auf die Idee kommen, dass es sich um eine Vergangenheitsbewältigung und Reinwaschung der Grünen-Fraktion handelt, weil Sie in den sieben Jahren Ihrer Regierungszeit scheinbar zu wenig erreicht haben. Angesichts Ihrer Kritik fragt man sich, wo Sie in den sieben Jahren Ihrer Regierungszeit waren.
Ihre Anträge enthalten einen bunten Strauß, ein Sammelsurium von Forderungen. Mir scheint, Sie wollen wieder auf den Zug der aktuellen und sehr intensiven öffentlichen Diskussion aufspringen. Dieser scheint Ihnen allein durch die guten und weitreichenden Maßnahmen und Zielvereinbarungen der Großen Koalition davongefahren zu sein. Es reicht einfach nicht, in dieser Debatte nur eine Wählerklientel-Seelenmassage zu machen. Das ist durchschaubar.
Die Große Koalition will Ihnen, meine Damen und Herren von den Grünen, dieses antragstechnische Feigenblatt nicht durchgehen lassen. Ziel aller politischen Kräfte hier im Deutschen Bundestag muss doch sein, realitätsbezogene, sozial ausgewogene, bezahlbare und wirtschaftlich vertretbare Klimaschutzmaßnahmen zu erreichen. Lassen Sie uns alle gemeinsam nicht mit Panik und Schnellschüssen Politik - gerade im Bereich des Klimaschutzes - machen, sondern im Interesse unserer Bürgerinnen und Bürger gut umsetzbare Maßnahmen ergreifen und die richtigen Weichen dafür stellen.
Wir müssen die Klimaschutzpolitik in den Fokus nehmen. Dazu hilft, dass sich die deutsche Öffentlichkeit, die Medien dieses Themas angenommen haben. Damit ist auch eine Chance für die Politik verbunden, den Vorwurf zu entkräften, nur bis zum nächsten Wahltermin zu schauen. Dem ist definitiv nicht so. Alle hier im Hohen Haus versuchen, weit darüber hinaus zu blicken, auch wenn alle Parteien in der Vergangenheit vielleicht einmal falsche Schwerpunktsetzungen vorgenommen haben. Es ist legitim, so etwas richtigzustellen.
Deshalb: Nein, Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, ich werde Ihnen nicht vorhalten, dass der Fuhrpark der Bundesregierung mit grüner Beteiligung stärker, schneller und durstiger war als bei allen Regierungen zuvor. Ich halte Ihnen auch nicht vor, dass Sie die Chancen auf dem Gebiet der nachwachsenden Rohstoffe lange nicht erkannt haben. Ich habe eine Sammlung von Unterlagen zu Bioethanol und Biodiesel, woraus ich zitieren könnte, vor allem aus Plenarprotokollen und Anträgen der Grünen. Ich bin mir sicher, auch Sie lernen dazu. Ich nenne nur ein Zitat:
Die GRÜNEN lehnen die Herstellung von Äthanol aus Biomasse ab, da sie einer Vernichtung von pflanzlicher Masse, also von Nahrungsmitteln, gleichkommt.
Das ist aus dem Änderungsantrag der Abgeordneten Frau Dr. Vollmer und der Fraktion der Grünen zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes.
Es trifft mich persönlich, wenn die Frau Kollegin Künast zum Kauf von japanischen Fahrzeugen aufruft. Wie das der Arbeiter am Fließband von deutschen Autokonzernen wertet, können Sie sich selbst ausmalen. Natürlich muss die deutsche Autoindustrie schneller und noch innovativer handeln, ein deutliches Signal setzen. Wir müssen als Politiker auch eine deutsche Produktpalette vertreten können, die ein Angebot an eine klimaverträgliche Mobilität darstellt. Deshalb der Appell an unsere Autobauer: Seien Sie rastlos in Bezug auf alternative Antriebstechniken. Die Frau Bundeskanzlerin hat in ihrer Regierungserklärung im Rahmen der vorangegangenen Debatte eine deutliche Ansage dazu gemacht: Mit Ökonomie und Ökologie im Einklang Innovations- und Technologieführerschaft erreichen!
Die Große Koalition ist für Vorschläge in Bezug auf eine stärkere CO2-abhängige Besteuerung von Fahrzeugen offen. Die Frau Staatssekretärin hat dazu Stellung bezogen. Wir werden uns im Rahmen der Föderalismusreform II auf konstruktive Gespräche mit den Länderministern einlassen. Zudem gibt es, beispielsweise vom ADAC, sehr hilfreiche Anregungen, die wir ohne Scheuklappen thematisieren müssen.
Wenn ich aber in dem Antrag der grünen Kollegen lese, dass die Kfz-Steuer rein auf die Mineralölsteuer umgelegt werden soll - auch Herr Kauch hat das im Namen der FDP gefordert -, dann sage ich: Das ist ein Schlag ins Gesicht des ländlichen Raumes, der Grenzregionen, der Pendler und der Berufstätigen, die auf das Auto angewiesen sind, um zur Arbeitsstelle zu kommen, die nicht einfach so auf die S-Bahn umsteigen können wie die Menschen in Ballungsräumen.
Was meinen Sie, was im Grenzraum los ist, wenn wir die Steuer auf Mineralölprodukte weiter anheben.
Sie argumentieren im gleichen Atemzug mit der Harmonisierung der Mineralölsteuer auf europäischer Ebene. Sie hatten in den sieben Jahren Ihrer Regierungszeit doch die Chance, diese Harmonisierung zu erreichen. Die Ökosteuer hat uns wettbewerbsunfähig gemacht. Was wir in den vergangenen Jahren an klimaschutzfreundlichen Maßnahmen mit den 4 bzw. 5 Milliarden Euro, die jährlich als verdeckte Subvention an unsere europäischen Nachbarn abfließen, hätten durchführen können, möchte ich mir gar nicht ausmalen.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Herr Kollege Scheuer, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Höhn?
Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU):
Gerne.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Bitte.
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Scheuer, Sie haben eben behauptet, dass Grüne in letzter Zeit gefordert hätten, die Kfz-Steuer auf die Mineralölsteuer umzulegen. Ich würde gerne wissen, wer das war und wann das war. Bitte beantworten Sie danach noch die Frage, wann Antje Vollmer den Antrag zu Bioethanol im Haushalt gestellt hat. Diese Fragen hätten wir gerne von Ihnen beantwortet.
Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU):
Frau Kollegin, ich habe auf Ihre Zwischenfrage zum Zitat gewartet.
Ich hatte den Gedanken verfolgt, dass alle Parteien in der Vergangenheit auch einmal auf ein falsches Pferd gesetzt haben. Vergangenheit ist ja ein dehnbarer Begriff. Ich habe aus der Debatte über das Haushaltsgesetz 1984 zitiert.
Da ich schon auf Ihre Zwischenfrage gewartet habe, könnte ich natürlich weitere Zitate aus den Jahren 1989, 1990 und 1995 anführen. Ich habe eine ganze Sammlung von Zitaten zu diesem Thema. Ich bin gerüstet. Ich habe mit einem Zitat von 1984 angefangen. Ich könnte das aber beliebig weiterführen, auch mit Zitaten aus der jüngeren Vergangenheit.
Zum zweiten Punkt. Herr Kollege Hermann, wir haben im Verkehrsausschuss des Öfteren darüber diskutiert. Ich möchte im Namen der CDU/CSU sagen, dass der Aufschlag auf die Mineralölprodukte aus meiner Sicht der falsche Weg ist. Wir führen hierüber eine offene Diskussion. Das wollte ich zum Ausdruck bringen. Ich habe auf die Kollegen von der FDP verwiesen, die einen entsprechenden Parteitagsbeschluss gefasst haben. Auch bei Ihnen gibt es eine Diskussion über die verschiedenen Modelle. Der Kollege Kuhn hat in der vergangenen Woche zwar kein Fahrverbot am Wochenende gefordert, aber zumindest - vielleicht ist er falsch verstanden worden - einen Appell ausgesendet. Meiner Meinung nach müssen wir die Scheuklappen ablegen. Bezüglich der Steuer auf Mineralölprodukte sage ich an die Adresse Ihrer Fraktion, dass das aus meiner Sicht der falsche Weg ist, weil wir dann wettbewerbsunfähig wären.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Herr Kollege, gestatten Sie noch eine Nachfrage der Kollegin Höhn?
Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU):
Ja.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Bitte.
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Meine Frage hätte ich doch gerne beantwortet. Ich habe gefragt: Wann hat welcher Abgeordnete der Grünen in der letzten Zeit die Abschaffung der Kfz-Steuer und einen Aufschlag auf die Mineralölsteuer gefordert? Wann war das, und wer war das? Ich hätte gerne ein entsprechendes Zitat von Ihnen gehört.
Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU):
Der Kollege Hermann sitzt vor Ihnen. Wir haben gestern in der Anhörung im Nachhaltigkeitsbeirat darüber gesprochen, wie wir vorgehen müssen.
- Herr Kollege Hermann, ich lade Sie sehr herzlich dazu ein, dass wir uns das Protokoll der Anhörung bei einer Tasse Kaffee anschauen. Dann können wir noch einmal darüber philosophieren.
Ich fahre mit dem Thema Tanktourismus fort. Sie kümmern sich auch nicht darum, dass LKWs mit Zeitbomben am Fahrzeug, mit 1 000 Liter fassenden Zusatztanks, mit schadstoffbelastetem Treibstoff, durch Deutschland fahren. Auch das ist ein Resultat des Tanktourismus.
Wo wir schon beim Warenverkehr, bei den Gütern sind: Ich verstehe nicht - das ist ein kleiner Appell an unseren Koalitionspartner -, dass wir beim Donauausbau, bei der Variante C 280, nicht auf einen leistungsfähigen Ausbau setzen. Ein einziger Lastkahn auf der Donau könnte 140 LKWs laden.
Das ist bei Einhaltung des Sicherheitsabstandes auf der Autobahn ein Konvoi von 5,3 Kilometern. Wir müssen uns schon entscheiden, welchen Verkehrsträger wir als den ökologischeren ansehen. In diesem Sinne müssen wir uns Gedanken machen.
Zum abschließenden Thema: Tempolimit. Auf der einen Seite stellen die Grünen einen Antrag im Verkehrsausschuss mit dem Titel ?Erhaltungsrückstand bei Bundesfernstraßen beenden“, in dem als Kritik an der Bundesregierung steht, dass Tempolimits eingeführt werden müssen, weil die Straßen so schlecht sind. Dadurch entstehen vermehrt Staus. Auf der anderen Seite treten Sie hier für ein generelles Tempolimit ein. Meine Vorredner von der Koalition haben schon darauf hingewiesen, dass damit nur eine CO2-Reduktion um 0,3 Prozent möglich wäre, weil 98 Prozent der Straßen in Deutschland ohnehin schon ein Tempolimit haben. Die Diskussion über diese CO2-Reduktion lenkt von den Hauptthemen ab. Wir haben Maßnahmen eingeleitet. Ich nenne das KfW-CO2-Gebäudesanierungsprogramm genauso wie die jetzige Debatte über die Dieselrußpartikelfilter.
Im Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung im Deutschen Bundestag haben wir fraktionsübergreifend eine gute Atmosphäre, leisten konstruktive Arbeit und leiten vielversprechende Aktivitäten ein. Ich möchte Sie daher abschließend aufrufen, dass wir in einer ideologiefreien Zone wie der des Nachhaltigkeitsbeirates zu Vorschlägen, Stellungnahmen und Gutachten für die Fachausschüsse kommen. Dazu lade ich Sie alle sehr herzlich ein.
Herzlichen Dank.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegen Winfried Hermann, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hätte gute Lust, Ihnen mit einer polemischen Kanonade zu antworten, Herr Scheuer. Aber ich glaube, das wäre dem Thema nicht angemessen. Man kann sich nicht um die Lösung der grundsätzlichen Fragen des Klimaschutzes herummogeln, indem man andere beschimpft und selber nichts vorlegt.
Sie haben uns vorgeworfen, dass wir dies und jenes nicht in der Regierung durchgesetzt haben. Ja, als kleine Regierungspartei haben wir nicht alles durchgesetzt.
Aber Sie sind eine große Regierungspartei und haben auch noch nicht alles durchgesetzt. Wo sind Ihre konkreten Vorstellungen zu Klimaschutz und Verkehr?
Fehlanzeige. Die hätten Sie heute präsentieren können. Das haben Sie nicht getan. Ich finde es unfair und schräg, wenn Sie stattdessen anhand von Beispielen die Grünen beschimpfen. So kommen wir nicht weiter.
Wir haben das Thema heute aufgesetzt, weil wir spüren, dass es im Moment eine breite öffentliche Debatte und ein großes Interesse daran gibt, dass im Verkehrssektor etwas geschehen muss. Die Leute sehen ein, dass der Verkehrssektor ein Wachstumssektor par excellence ist: der Flugverkehr - Sie haben es gesagt -, aber auch der Automobilverkehr. Dort gibt es weltweit ein riesiges Wachstum und dadurch riesige Probleme mit Treibhausgasen. Dafür müssen wir Lösungen finden. Das wollen wir mit unserer heutigen Debatte anstoßen.
Es wurden von uns viele Vorschläge gemacht, zum Beispiel zu Atmosfair und zur Kfz-Steuer, die noch vor kurzem abgelehnt wurden. Jetzt macht der Verkehrsminister diese Vorschläge. Der Herr Umweltminister ist jetzt auch für Atmosfair. Ich will das gar nicht karikieren. Mir ist es recht, wenn jeder etwas macht. Mir ist jeder dieser Vorschläge recht, wenn man ihn umsetzt. Aber es darf nicht dabei stehen bleiben. Wir brauchen aus der Fülle der guten Vorschläge jetzt eine Gesamtstrategie für den Verkehrsbereich, die Mobilität und Klimaschutz gleichermaßen berücksichtigt.
Was heißt das? Wir müssen uns klare Ziele setzen, zum Beispiel bei der Reduktion von Treibhausgasen. Mit dem Emissionshandel allein werden Sie nicht weiterkommen. Kollege Kauch, wer den Emissionshandel für den gesamten Verkehrssektor, für alle Bereiche, einführen will, der verschiebt die Emissionsreduktion im Verkehrssektor auf den Sankt-Nimmerleins-Tag. Das kann ich Ihnen ziemlich deutlich sagen.
Wir brauchen ein breites Spektrum von Instrumenten und Maßnahmen, um diese ambitionierten Ziele - minus 80 Prozent bis etwa zur Mitte des Jahrhunderts - umzusetzen, und zwar ökonomische wie fiskalische. Die Kfz-Steuer ist ein fiskalisches Instrument. Die Ökosteuer übrigens, Kollege Scheuer, ist auch eines. Sie hätten sie abschaffen können, wenn Sie so darüber schimpfen.
Wir haben jetzt gesagt: Wir brauchen eine Vereinheitlichung, damit der Tanktourismus in Europa aufhört. Wir benötigen eine Fülle von verschiedenen Instrumenten, die aufeinander abgestimmt sein müssen und mit denen folgende klare Ziele verfolgt werden müssen: weniger Treibhausgase, effizientere Motoren und effizientere Systeme. Es ist wichtig, dass immer das effizienteste Transportmittel eingesetzt wird. Dort, wo die S-Bahn bzw. die Schiene besser geeignet ist, muss die Schiene gefördert werden, nicht das Auto. Wir brauchen endlich Autos, die deutlich weniger Sprit verbrauchen und deutlich weniger Abgase ausstoßen.
Der Kern der Debatte über Hybridfahrzeuge ist nicht die Frage, ob wir einen Toyota fahren wollen oder nicht. Ihr Kern ist, dass die Automobilindustrie zu lange auf nur eine Motortechnik gesetzt hat und Brennstoffzellen, Elektromotoren, andere Formen des Fortkommens und andere Treibstoffe zu wenig gefördert hat. Darauf wollen wir hinweisen. Denn es ist höchste Zeit, dass in diesem Bereich mehr geschieht und schneller gehandelt wird.
Ich muss zum Schluss kommen. Über die verschiedenen Anträge, die heute vorliegen, wird in den Ausschüssen noch diskutiert werden. Über einen dieser Anträge soll allerdings heute abgestimmt werden. Dabei geht es um die Dienstwagen. Herr Kauch, Sie haben sich völlig unnötig lächerlich gemacht, indem Sie versucht haben, andere lächerlich zu machen.
Es ist doch offenkundig, dass sich alle Leute fragen: Warum verlangen die Politikerinnen und Politiker von uns, dass wir Sprit sparen und kleine Autos kaufen, wenn sie selbst in fetten Kisten fahren? Jeder von uns - das bekenne ich offen - ist sündig. Jeder von uns fliegt. Als Bundestagsabgeordneter hat man, selbst wenn man Ökologe ist, eine ganz miserable Ökobilanz; das hat mit diesem Beruf zu tun. Aber dann, wenn wir Politiker in diesem Bereich etwas tun können, müssen wir uns vorbildlich verhalten.
Wenn es um unsere Dienstwagen geht, können wir etwas tun. Es ist nicht zwingend, dass wir mit den größten und schwersten Autos fahren.
Die Autos, in denen wir fahren, könnten leichter sein, sie könnten mit Erdgas oder Biogas betrieben werden, oder sie könnten kleiner sein. Ich sage Ihnen klipp und klar: Im Sommer müssen ziemlich viele von uns ziemlich oft mit dem Rad fahren, um ihre Ökologiebilanz zu verbessern. Auch das gehört dazu, wenn wir über den Vorbildcharakter sprechen.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Kollege Hermann, gestatten Sie eine Zwischenfrage bzw. - da Ihre Redezeit beendet ist - eine Nachfrage des Kollegen Kauch?
Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ja, ich freue mich; denn dadurch erhalte ich doch noch ein wenig Redezeit.
Michael Kauch (FDP):
Herr Kollege Hermann, Sie haben Erdgasfahrzeuge und alternative Antriebe angesprochen. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage des Kollegen Wissing aus dem Jahr 2005 antwortete die damalige Bundesregierung, dass in der rot-grünen Regierungszeit alternative Antriebe in der 25 000 Fahrzeuge umfassenden Flotte des Bundes, also aller nachgeordneten Behörden - diese könnten auch kleinere Fahrzeuge verwenden, ohne dass ein Minister auf seinen Arbeitsplatz verzichten müsste; hier hat Herr Gabriel aus meiner Sicht recht, wenn er sagt, dass Dienstwagen kein Freizeitspaß, sondern ein Arbeitsplatz sind -, einen Anteil von lediglich 0,18 Prozent hatten. Alternative Antriebe waren zur damaligen Zeit schon bekannt und auf dem Markt. Können Sie mir erklären, wie Ihr Plädoyer in Ihrem heutigen Antrag mit dieser Tatsache zu vereinbaren ist?
Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Vielen Dank, Herr Kauch. - Damals habe ich mich über diese Kleine Anfrage eines Mitglieds Ihrer Fraktion sehr gefreut. Über die Antwort bzw. die Realität habe ich mich hingegen sehr geärgert. Denn an diesem Beispiel wurde sichtbar, dass sich auch am Flottenbestand der Bundesregierung bzw. aller Bundesfahrzeuge genau das widergespiegelt hat, was im Automobilbereich insgesamt zu beobachten war:
eine Aufrüstung im Hinblick auf die PS-Zahlen und dadurch eine Erhöhung des Verbrauchs, allerdings keine alternativen Antriebe. Rot-Grün - die Genossen werden sich noch daran erinnern - hat bereits sehr rasch nach Übernahme der Regierung, im Jahre 1999, einen Antrag gestellt, in dem es hieß: Wir müssen das Beschaffungswesen der öffentlichen Hand auf dem Automobilsektor auf klima- bzw. umweltfreundliche Technologien und Produkte umstellen. - Das Ärgerliche war, dass die Regierung das nicht getan hat, obwohl wir hier mehrfach nachgehakt haben.
Jetzt haben Sie die Chance, überall dort, wo Sie an der Regierung beteiligt sind, zu zeigen, wie das geht. Wir können heute alle gemeinsam dem vorliegenden Antrag zustimmen. Dort, wo wir die Chance haben, sofort etwas zu ändern, können wir das tun. Wenn Sie es in der Sache wirklich ernst meinen und wenn es Ihnen nicht nur darum geht, auf polemische Art und Weise einen Widerspruch aufzudecken, dann müssten Sie unserem Antrag zustimmen. Heute können Sie dafür sorgen, dass all das nachgeholt werden kann, was wir versäumt haben.
Vielen Dank.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Ich erteile dem Bundesminister Sigmar Gabriel das Wort.
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Hermann, ich glaube, worauf wir uns einigen können, ist, dass wir alle eine Lernkurve hinter uns haben. Ich finde, es ist gut, dass das so passiert. Die Gewinner dieser Debatte - bei allem Streit, den wir im Detail haben - sind die Umwelt- und die Klimaschutzpolitik. Solche Diskussionen - in dieser Qualität; dass wir uns gegenseitig darin zu übertreffen versuchen, wie ambitioniert unsere Klimaschutzpolitik ist - hat es in den letzten Jahren nicht gegeben. Umweltpolitik - das müssen die Volksparteien zugestehen - ist häufig ein Thema gewesen, mit dem sich grüne Umweltpolitiker und Umweltpolitiker der beiden großen Volksparteien auseinandergesetzt haben, das aber die Ebene des Regierungschefs häufig nicht erreicht hat. Das ist ein Riesenvorteil der öffentlichen Debatte, über den wir froh sein sollten.
Ich habe auch gestern in der Debatte versucht, klarzumachen: Wir reden beim Klimawandel über eine Gefährdung der Menschheit, die durchaus vergleichbar ist mit der durch Atomwaffen während des Kalten Krieges. Es ist angebracht, dass wir versuchen, uns über Strategien der Abwehr zu unterhalten, und in einen Wettbewerb um die besten Ideen eintreten. Ich finde es übrigens angemessen, dass im Zusammenhang mit der Diskussion über die europäische Verfassung angeregt wird, den Weltklimaschutz in der Verfassung zu verankern. Wenn die Menschen fragen: ?Wozu ist die EU da?“, muss man ihnen sagen: Sie ist unter anderem dazu da; es ist der Mehrwert der Europäischen Union, Dinge aufzugreifen, die die Nationalstaaten alleine nicht bewältigen können.
Ich habe mir, auch gestern, die Mühe gemacht, intensiv zuzuhören. Ich kann daher sagen: Wir sind uns in vielen Themen einig; das Haus ist sich über die Parteigrenzen hinweg einig, dass wir das Ziel, den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2020 um 30 Prozent zu reduzieren, erreichen wollen. Auch wenn das der von mir sehr geschätzte Kollege Trittin vorhin noch einmal behauptet hat - es stimmt nicht, dass die Europäische Union beschlossen hat, den Ausstoß um 20 Prozent zu reduzieren. Deshalb will ich klarstellen: Die Europäische Union hat unter deutscher Präsidentschaft beschlossen, den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2020 um 30 Prozent zu reduzieren, und zwar als internationales Ziel - nur dann kann es erfolgreich sein.
Wenn wir die Erwärmung auf 2 Grad begrenzen wollen, nützt es nichts, wenn allein Europa bzw. Deutschland den Ausstoß von Treibhausgasen um 30 oder 40 Prozent reduziert. Wir müssen in den internationalen Verhandlungen diese 30 Prozent erreichen. Sie von der Grünen-Fraktion können also behaupten, wir hätten das auf der europäischen Ebene nicht beschlossen, sooft Sie wollen - es bleibt falsch. Der Beschluss im Umweltrat der Europäischen Union lautet: 30 Prozent bis 2020, als internationales Ziel. Darüber hinaus hat die Europäische Union, noch bevor die Verhandlungen überhaupt begonnen hatten, erklärt: Wenn wir mit diesem Ziel in den internationalen Verhandlungen scheitern, reduzieren wir selbst trotzdem um mindestens 20 Prozent.
Dass die Europäische Union das durchgesetzt hat, Herr Kollege Kauch, bewundern Umweltpolitiker aus allen Teilen der Erde. Deshalb ist dieser Beschluss, der noch vor einem Jahr unmöglich gewesen wäre, historisch. Ich finde, wir sollten stolz darauf sein, dass die Europäische Union das geschafft hat.
Auch das Ziel, den CO2-Ausstoß pro Autokilometer auf 120 Gramm zu senken, ist nicht neu - manchmal staune ich ja, wie so getan werden kann, als sei das eine ganz neue Debatte, Herr Kollege Kuhn -, sondern ist bereits Bestandteil des Koalitionsvertrages.
CDU/CSU und SPD haben das schon vor mehr als 15 Monaten miteinander ausgehandelt. Auch die Umstellung der Kfz-Steuer, die Sie angesprochen haben, ist keine neue Erfindung vom Kollegen Tiefensee und von mir, sondern Bestandteil des Koalitionsvertrages, den wir abarbeiten. Wir sollten froh darüber sein, dass wir mitten in der Debatte darüber sind. Dass wir den Flugverkehr in den europäischen Emissionshandel einbeziehen wollen, steht ebenfalls im Koalitionsvertrag. Ich finde, Sie sollten zumindest akzeptieren, dass das Ziele sind, die die Koalitionspartner miteinander vereinbart haben.
Worüber wir uns häufig streiten, ist der Weg. Ich will ein Beispiel herausgreifen, und Sie, Herr Kuhn, bitten, an einer Stelle noch einmal darüber nachzudenken, ob die grüne Position hilfreich ist - dabei will ich ausdrücklich darauf hinweisen, dass der Streit in der Sache notwendig ist -: Frau Kollegin Künast hat heute Morgen hier im Haus gesagt: Man kann nicht einfach Biokraftstoffe fordern und dabei übersehen, welche dramatischen Probleme dadurch entstehen, dass die Pflanzen, aus denen beispielsweise Palmöl gewonnen wird, in Regenwäldern oder auf Mooren in Malaysia angepflanzt werden. Sie hat absolut recht. Deswegen steht im Beschluss des Energierates und des Umweltrates der Europäischen Union hinsichtlich der Biokraftstoffe, dass ihr Ausbau an Zertifizierungssyteme gebunden ist. Es gibt aber einen starken Widerspruch. Wir wollen doch wohl weltweit vom Öl wegkommen - das wollten, bislang jedenfalls, auch die Grünen -, um die CO2-Emissionen zu senken, aber auch, weil wir die Abhängigkeit vom Öl und das damit verbundene wirtschaftliche Risiko reduzieren wollen. Die Ölpreise steigen, je stärker die Bevölkerung weltweit auf das Öl zurückgreift.
Wenn das stimmt, dann besteht der einzige Weg, vom Öl in Massenproduktion wegzukommen, darin, alternative Kraftstoffe bzw. Biokraftstoffe zu entwickeln, und zwar nicht als Produktionsnische mit einem Anteil von 2 Prozent oder 3 Prozent, sondern mit einem Anteil von 10 Prozent bis 2020, wie wir das in Energierat beschlossen haben. Das wäre ein enormer Gewinn sowohl hinsichtlich der Unabhängigkeit beim Energieimport als auch hinsichtlich der CO2-Emissionen. Darin sind wir einig.
Das heißt aber auch, dass Sie, wenn Sie den von Ihnen zu Recht beschriebenen Gefahren, auch der Gefahr der Nahrungsmittelkonkurrenz, ausweichen wollen, von der ersten Generation der Biokraftstoffe wegkommen müssen. Auch wenn wir sie noch eine Reihe von Jahren brauchen werden, müssen wir darüber hinaus verstärkt auf Biokraftstoffe der zweiten Generation setzen, die aus organischem Material erzeugt werden: Aus Rostholz muss Diesel und aus Stroh Benzin entstehen. Wenn Sie das wollen, dann müssen Sie einen Weg finden, um die Investitionen in die Bioraffinerien zu erhöhen.
- Hören Sie erst einmal zu! Ich habe Ihnen auch zugehört, Herr Hermann. Ich erläutere Ihnen jetzt die Unterschiede, was den 120 Gramm CO2-Ausstoß pro Kilometer angeht. Das ist eine interessante Debatte. Sie meinen, das 120-Gramm-Ziel müsse alleine durch Änderungen in der Fahrzeugtechnik seitens der Automobilindustrie erreicht werden.
- Das stimmt nicht. Wir haben gesagt: Bei der Senkung auf 120 Gramm muss eine Absenkung auf 140 oder 130 Gramm durch Fahrzeugtechnik und der Rest, der dann noch bis 120 bleibt, durch den Einsatz von Biokraftstoffen erreicht werden, weil wir das Interesse der Fahrzeugindustrie wecken müssen, in die Biokraftstoffe der zweiten Generation zu investieren. Der Staat wird das nicht leisten können. BP und Shell halten in anderen Staaten der Welt Milliardeninvestitionen bereit. Die Amerikaner laufen uns dabei gerade den Rang ab. Wir müssen ein marktwirtschaftliches Interesse wecken, in die synthetischen Kraftstoffe zu investieren.
Wir müssen der Fahrzeugindustrie vermitteln, dass das 120-Gramm-Ziel erreicht werden kann, wobei wir einen bestimmten Anteil durch Fahrzeugtechnik erreichen wollen und oberhalb dieser Grenze der Fahrzeugindustrie die Chance bieten, das Ziel durch Biokraftstoffe der zweiten Generation umzusetzen, die auf einem Massenmarkt vermarktet werden. Es geht nicht darum, mit der Rapsmühle des Bauern den Kraftstoff für ein paar Fahrzeuge herzustellen, sondern eine Alternative zu schaffen, die später auch in China, Indien, in den USA bzw. weltweit eingesetzt werden kann. Wir werden die Automobilisierung Indiens nicht verhindern können, aber wenn wir die Klimakatastrophe verhindern wollen, dann sind auch dort andere Kraftstoffe notwendig. Dann muss die Kraftfahrzeugindustrie dazu gebracht werden, in diesen Bereich zu investieren. Das wird aber nicht geschehen, wenn die Produktion von Biokraftstoffen als freiwillige Leistung gilt.
Die Kombination aus Beimischungszwang und der Anrechenbarkeit eines kleinen Anteils auf das 120-Gramm-Ziel in der Europäischen Union ist eine industriepolitische Strategie. Das verstehen wir unter ökologischer Industriegesellschaft.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Herr Kollege Gabriel, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Höhn?
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:
Selbstverständlich.
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Minister Gabriel, sehen Sie es nicht als einen Widerspruch an, wenn Sie auf der einen Seite den Druck auf die Kfz-Industrie vermindern - sie sollte ja nur ihre eigene freiwillige Selbstverpflichtung erfüllen -, indem Sie ihr sagen, dass sie das durch Biokraftstoffe kompensieren könne, aber auf der anderen Seite durch die Beschlüsse der Bundesregierung die Besteuerung von Biokraftstoffen sukzessive einführen? Damit gefährden Sie - darüber ist ja in den letzten Tagen in den Medien berichtet worden; auch wir haben es vor einigen Monaten angesprochen - 50 000 Arbeitsplätze im Bereich biogener Kraftstoffe in Deutschland, die unter anderem nach Österreich verlagert werden sollen.
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:
Ich beantworte Ihre Frage gerne, auch wenn sie mit dem, was ich zu den synthetischen Kraftstoffen und der Industriestrategie gesagt habe, nichts zu tun hat.
Erstens. Wir werden dem Thema nachgehen.
Zweitens. Es gab eine Verpflichtung durch die Europäische Union, eine sukzessive Besteuerung einzuführen, wegen einer seltsamen Ölpreisbindung bei Biokraftstoffen: Je höher der Ölpreis stieg, desto stärker stiegen auch die Preise für Biokraftstoffe. Dafür gibt es keine richtige Erklärung außer der, dass es Mitnahmeeffekte gegeben hat. Deswegen hat die Europäische Kommission die Bundesregierung dazu verpflichtet, die Überförderung der Biokraftstoffe zurückzunehmen. In diesem Punkt waren wir verpflichtet, die vollständige Steuerbefreiung ein Stück weit aufzugeben. Es gibt aber weiterhin eine Steuerprivilegierung.
Wir gehen das Thema an. Es hat allerdings wenig mit dem zu tun, worüber ich gerade geredet habe. Hintergrund ist eine europäische Gesetzgebung im Wettbewerbsrecht, mit der dafür gesorgt werden sollte, dass wir keine Überförderung betreiben, weil es die erwähnten Mitnahmeeffekte gegeben hat. Das ist die Antwort auf Ihre Frage, Frau Kollegin Höhn.
Nun zurück zum Thema Industriestrategie: Wir müssen dafür sorgen, dass es einen marktwirtschaftlichen Anreiz gibt. Sonst werden wir keine massenhaft einsatzfähigen Biokraftstoffe entwickeln. Im Übrigen entsteht dann auch die berühmte Nahrungsmittelkonkurrenz.
Ich bitte die Kritiker der Politik der Bundesregierung, noch einmal darüber nachzudenken, ob es dem Klima nicht egal ist, wie wir auf 120 Gramm kommen. Übrigens glaube ich nicht, dass bei der Entwicklung 120 Gramm im Jahre 2012 das letzte Wort sein wird. Ich finde es gut, Herr Kuhn, dass Sie darauf hingewiesen haben, dass einige Vertreter der Automobilindustrie nicht fair argumentieren, wenn sie so tun, als wollten wir das 120-Gramm-Ziel für jedes Fahrzeug festschreiben. Das unterscheidet Sie von der Position der Franzosen, die das wollen, weil sie versuchen, über den Klimaschutz eine Wettbewerbspolitik gegen die deutsche Automobilindustrie zu betreiben. Das hat mit Klimaschutz wenig zu tun.
Wir müssen den Weg der Biokraftstoffe der zweiten Generation in den nächsten zehn Jahren gehen. Dafür brauchen wir massive Investitionen. Diese können nicht vom Staat, sondern müssen vom Privatsektor getätigt werden. Dafür brauchen wir einen entsprechenden Anreiz. Ich glaube, dass das Ziel völlig unumstritten ist. Die Bundesregierung wird es intensiv verfolgen. Ich denke, wir werden große Fortschritte erzielen.
Lassen Sie mich noch drei kurze Bemerkungen zum Thema Klimaneutralität machen. Erstens. Herr Kauch, es bleibt dabei, dass wir, die Mitglieder der Bundesregierung, nicht nur Veranstaltungen auf dem Gelände eines Flughafens oder in einem ICE-Bahnhof besuchen werden. Vielmehr werden wir weiterhin Menschen und Veranstaltungen in der Umgebung von Orten aufsuchen, die wir mit dem Zug oder mit dem Flugzeug erreichen können. Denn die Bundesrepublik Deutschland hat Gott sei Dank nicht nur Großstädte, und ich bin sozusagen ein lebender Vertreter der Freunde der Provinz. Um diese Umgebung zu erreichen, brauchen wir das Auto. Deswegen werden wir - genauso, wie Sie es gesagt haben - dafür sorgen, dass die Dienstkraftfahrzeuge, die uns am Bahnhof oder am Flughafen abholen, Gegenstand der Klimaneutralität sind; das geht gar nicht anders.
Zweitens. Denjenigen, die das als Ablasshandel kritisieren, sage ich: Das ist ein Instrument des Kiotoprotokolls. Ich halte es für eine kluge Idee, das so zu machen, weil wir damit nicht sozusagen ein besseres Leben nach dem Leben organisieren, sondern Investitionen in klimaneutrale Technologien in anderen Ländern befördern, die sich das nicht leisten können.
Drittens. Ich glaube, dass es richtig ist, Druck auf die Autoindustrie auszuüben, um eine Umstellung des Fahrzeugparks von öffentlichen Ämtern zu ermöglichen. Auf dem Umweltministerium lastet hier ein besonders hoher Druck; das ist in Ordnung. Wir, das Umweltministerium, werden in den kommenden Jahren unseren gesamten Fahrzeugpark - beginnend mit den nächsten anstehenden Beschaffungen - umstellen, sodass wir möglichst früh vor 2012 das Durchschnittsziel von 120 Gramm erreichen werden.
Das gilt für alle Bereiche: für die Fahrzeuge der Minister, der Staatssekretäre, der Abteilungsleiter, bis hin zu den Fahrzeugen für den allgemeinen Dienstgebrauch. Wir werden also nicht nach dem Motto verfahren: Die Minister fahren weiterhin die bisherigen Fahrzeuge, während für alle anderen Smarts angeschafft werden. Wir wollen diese Umstellung, wie gesagt, vor 2012 schaffen. Das ist nicht ganz einfach. Wir versuchen, durch Druck auf die Autoindustrie diesen Weg zu gehen; denn wir haben hier eine besonders große Verantwortung.
Ich möchte noch einmal auf Folgendes hinweisen: Das ist letztlich eine riesengroße Chance für zusätzliche Beschäftigung in der Autoindustrie. Denn Länder wie China oder Indien werden in den kommenden Jahren ihre Umweltzerstörung nicht weiter so betreiben können, wie das derzeit der Fall ist. Da der Anteil des Verkehrssektors in den kommenden Jahren noch höher sein wird, werden diese Länder drauf achten, dass bei ihnen die Technologien eingesetzt werden, die ihnen helfen, ihre Umweltprobleme zu beseitigen. Es ist gut, wenn die europäische und insbesondere die deutsche Automobilbranche mit ihrer Technologie diejenige ist, die dort die Märkte erobert. Insofern ist es Unsinn, von einer Gefährdung von Arbeitsplätzen zu reden. Vielmehr ist es eine Chance für zusätzliche und vor allen Dingen für zukunftssichere Arbeitsplätze. Daher herzlichen Dank für die Debatte. Wir werden sie hoffentlich auf dem jetzigen Niveau halten können.
Leider werden die Erscheinungsformen, die wir beim Wetter und beim Klima erleben, uns zwingen, zu handeln. Es wäre schöner, wenn dem nicht so wäre. Aber ich glaube, Europa und insbesondere Deutschland haben eine Vorreiterrolle und werden sie behalten. Der Streit um die Sache ist des Schweißes der Edlen wert.
Herzlichen Dank.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegen Dr. Volker Wissing, FDP-Fraktion.
Dr. Volker Wissing (FDP):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was Herr Minister Gabriel hier angekündigt hat, ist ein ehrgeiziges Ziel. Dagegen kann niemand etwas haben. Ihnen, Herr Hermann, muss ich allerdings sagen: Es ist schon schwach, wenn Sie ausführen, Sie seien zu der Zeit, als Sie Regierungsverantwortung hatten, dankbar dafür gewesen, dass die FDP aufgeklärt hat, wie wenig bei Ihnen zu Regierungszeiten Reden und Handeln in Einklang zu bringen waren. Ich finde schon erstaunlich, dass Sie sich so herausreden.
Nun möchte ich etwas zu den Rußpartikelfiltern sagen und vorweg gleich darauf hinweisen, dass wir uns über die Zielsetzung gar nicht lange zu unterhalten brauchen. Da sind wir uns einig. Wir wollen Emissionen in diesem Bereich reduzieren. Die Frage ist, welchen Weg wir gehen. Da gibt es schon einige Widersprüche zwischen dem, was die Bundesregierung zu ihren eigenen Zielen erklärt, und dem, was sie uns mit dem Gesetz zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes vorlegt. Ich erinnere an das, was die Bundeskanzlerin heute Morgen gesagt hat. Sie hat betont, wie wichtig der Bürokratieabbau in Deutschland ist. Wenn es konkret wird, stellen wir fest, dass er immer auf das nächste Mal verschoben wird. Diesmal nicht, beim nächsten Mal nicht, vielleicht beim übernächsten Mal! Das, meine Damen und Herren von der Bundesregierung, ist mit dem, was die Kanzlerin sagt, nicht in Einklang zu bringen. Sie hat nämlich heute Morgen ganz klar wieder zum Ausdruck gebracht, dass es ein besonders wichtiges Ziel der Bundesregierung sei, endlich gegenzusteuern und Bürokratie abzubauen.
Wenn wir uns das Kraftfahrzeugsteuergesetz genau anschauen, dann stellen wir fest, dass es bereits heute mit unzähligen Ausnahmetatbeständen und Fördertatbeständen überfrachtet ist. Es ist ein bürokratisches Ungetüm, und Sie sind dabei, es Schritt für Schritt zu einem Monster fortzuentwickeln. Sie brauchen alleine vier Jahre, um mit den Ländern zu einem Ergebnis über die Kfz-Steuer zu kommen, das dann alles andere als zufriedenstellend ist. Es ist wirklich Murks, was am Ende dabei herausgekommen ist. Das Ziel - Russpartikelfilterförderung - mag man gut finden. Auch ich finde es gut. Aber der Weg, den Sie gehen, ist Murks. Nehmen Sie das Beispiel der Behinderten, für die Sie überhaupt keine Förderung vorgesehen haben. Sollen denn Behinderte ihre Fahrzeuge in Deutschland nicht umrüsten? Sind denn diese Emissionen unproblematisch? Dieselbe Regierung, die meint, wir brauchten ein Antidiskriminierungsgesetz, sagt, um die Behinderten solle sich die Wirtschaft kümmern. Es war geradezu grotesk, als die SPD erklärt hat, sie sei froh, dass die Wirtschaft ein Almosen gebe und Rabattsysteme für Behinderte anbiete. Offenbar sind Sie nicht in der Lage, Gesetze so zu gestalten, dass die Förderung von Rußpartikelfiltern auch für behinderte Menschen in Deutschland gilt.
Das ist nicht in Ordnung, und das ist auch nicht sozial gerecht. Das zeigt, dass Sie einfach nicht in der Lage sind, über das Steuerrecht zu steuern. Deswegen sollten Sie andere Wege suchen. Dazu waren Sie nicht bereit. Ich finde es schon bemerkenswert, dass uns in den Beratungen gesagt wurde, wir dürften an dem Gesetz nichts mehr ändern, weil die Länder nach vier Jahren Verhandlungen betont hätten, sie stimmten nicht mehr zu, wenn noch etwas geändert würde. Während wir dann beraten, sagen die Länder, sie wollten eigentlich mit der Kfz-Steuer gar nichts mehr zu tun haben. Das ist alles andere als eine sinnvolle Politik.
Während wir dieses Kraftfahrzeugsteueränderungsgesetz beraten, hat sich die Bundesregierung schon darauf verständigt, das Kraftfahrzeugsteuergesetz wieder zu ändern. Wohin soll das führen? Wir beraten eine Gesetzesänderung, und schon wieder kommt eine neue hinzu. Das, was Sie, Herr Minister Gabriel, sich vorgenommen haben, ist doch wieder Murks, weil Sie die CO2-Daten älterer Fahrzeuge gar nicht haben. Deswegen können Sie sie als Bemessungsgrundlage für die Kfz-Steuer überhaupt nicht heranziehen. Herr Steinbrück hat Ihnen zwischen den Zeilen schon angekündigt, dass daraus nichts Richtiges werden wird. Deswegen wäre es sinnvoll, wenn wir aufhören würden, nur in Sonntagsreden von Bürokratieabbau und Steuervereinfachung zu sprechen, und wenn wir das, meine Damen und Herren von der Großen Koalition, nicht immer auf das nächste Mal verschieben würden, sondern uns dieses Mal schon damit beschäftigten. Da gibt es den klaren Vorschlag von der FDP, die Kfz-Steuer abzuschaffen und sie auf die Mineralölsteuer umzulegen. Frau Kollegin Höhn, die nicht mehr im Raum ist, hat die Frage gestellt, wer von den Grünen eine solche Forderung wo erhoben habe. Vielleicht kann ihr jemand ausrichten: Es war die Kollegin Scheel am Mittwoch im Finanzausschuss.
Es wäre ein sinnvoller Weg, die Mineralölsteuer als Lenkungsinstrument einzusetzen; denn dann würden Sie, Herr Minister Gabriel, nicht die möglichen Emissionen, sondern die tatsächlichen besteuern, nicht den möglichen Kraftstoffverbrauch, sondern den tatsächlichen. Es macht doch keinen Sinn, etwa einen 7er-BMW, der in der Garage steht, höher zu besteuern als ein 3-Liter-Auto, das auf der Autobahn fährt und damit Schadstoffe emittiert. Das geht so nicht. Es kommt auf die tatsächlichen Emissionen an,
und die sind ein Resultat der gefahrenen Kilometer und des Kraftstoffverbrauchs. Es wäre sinnvoll, wenn Sie das zur Kenntnis nähmen. Sie hätten dann die Möglichkeit, eine einfache Regelung zu schaffen, durch die die Ziele ?Bürokratieabbau“ und ?Steuervereinfachung“ erreicht werden. Ihre Bundeskanzlerin hat diese Ziele heute wieder besonders hervorgehoben. Sie sind aber offensichtlich nicht dazu in der Lage, uns Gesetze vorzulegen, die diesen Zielen gerecht werden.
Ich will noch einmal betonen, dass ich die Benachteiligung Behinderter durch dieses Gesetz wirklich außerordentlich bedauere. Seitens der Regierungsfraktionen gab es keine Bereitschaft, hier über einen besseren Weg nachzudenken. Ich finde das äußerst schade.
Vielen Dank.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort hat nun Kollege Laurenz Meyer, CDU/CSU-Fraktion.
Laurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundeskanzlerin hat heute Morgen auf zwei wichtige Zusammenhänge hingewiesen - das begrüßen wir sehr -:
Erstens. Da Europa ?nur“ 15 Prozent der CO2-Emissionen verantwortet, ist das wichtigste, das zentrale außenpolitische Ziel, Länder wie die USA, Indien und China dazu zu bewegen, mit ins Boot zu kommen. Ich will das ergänzen: Wenn es nicht gelingt, eine weltweite Aktivität zu entwickeln, dann wird angesichts der uns vorliegenden Zahlen die Bereitschaft, hier wirklich mitzuwirken und Opfer zu bringen, in der Bevölkerung nicht lange vorhalten. Der Einzelne wird sich dann nämlich sagen: Es trägt ja doch nichts dazu bei, die Klimakatastrophe aufzuhalten. Deswegen müssen wir zusehen, dass das wichtigste außenpolitische Ziel, die großen Länder USA, China, Indien in den Prozess einzubeziehen, erreicht wird.
Zweitens. Die Bundeskanzlerin hat auch darauf hingewiesen, dass wir hier nicht eindimensional denken dürfen. Wir haben - ich will das ausdrücklich sagen - ein Geflecht von Zielsetzungen zu erreichen: das Umweltschutzziel, das Ziel einer sicheren Energieversorgung und das Ziel sozialverträglicher Verbraucherpreise.
Ich sage ganz deutlich - Herr Gabriel hat eben darauf hingewiesen -: Natürlich ist damit die Chance verbunden, dass neue Arbeitsplätze entstehen. Aber, Herr Gabriel, ich brauche es Ihnen eigentlich nicht zu sagen: Wir können jeden Euro nur einmal ausgeben. Wenn wir in diesem Bereich zusätzlich 10 Milliarden Euro ausgeben, dann müssen das letztlich die Verbraucher tragen. Außerdem können diese 10 Milliarden Euro für anderes dann nicht mehr ausgegeben werden, und dann werden die Arbeitsplätze, die von diesen 10 Milliarden Euro bisher finanziert wurden, wegfallen. Das ist nun einmal die volkswirtschaftliche Konsequenz.
Im Übrigen ist natürlich auch der Beschluss der Bundesregierung begrüßenswert, einen Ausgleich für unternommene Fahrten zu zahlen. Das hat in den Augen mancher in der Bevölkerung den geringfügigen Nachteil, dass beim Staat dafür der Steuerzahler aufkommen muss; ansonsten werden diese Kosten direkt aus dem Geldbeutel der Betroffenen gedeckt. Das ist nun einmal so. Das müssen wir sehen.
Wir dürfen die Bereitschaft der Bevölkerung nicht gering schätzen. Wir müssen die Bevölkerung in diesem Zusammenhang mitnehmen. Deswegen plädiere ich sehr dafür, von dieser unkoordinierten Debatte wegzukommen. Der Vorschlag, Glühbirnen zu verbieten, war bisher der Höhepunkt der Debatte. Wir müssen die Ziele, die wir erreichen wollen, festlegen. Wenn das geschehen ist, müssen wir konsequent danach fragen, in welchem Sektor sich diese Ziele mit welchen Maßnahmen am kostengünstigsten, am effizientesten erreichen lassen. Dafür plädiere ich.
Wir haben nun wirklich viel getan. Heute Morgen hat der Bereich Windenergie eine große Rolle gespielt. Diese Bundesregierung hat die Weichen gestellt - Herr Gabriel, wir haben Gespräche darüber geführt -, dass Offshore-Anlagen kostengünstiger errichtet werden können. Jetzt müssen wir erst einmal sehen, ob es überhaupt trägt. Die bisherigen Erfahrungen - ich denke etwa an die Großbritanniens - sind nicht nur positiv. Da wird noch manches passieren müssen.
Es werden immer wieder Zahlen über die Erfüllung von Zielen im Bereich erneuerbarer Energien vorgetragen. Knapp die Hälfte, über 40 Prozent, der erneuerbaren Energien wird durch Müllverbrennung und Wasserkraft erzeugt. Das lässt sich nicht steigern. Wir müssen also schon schauen, in welchen Bereichen diese Ziele erreicht werden können.
Fotovoltaik? Das sehe ich im Moment noch nicht. Und der Wind? Wenn die Offshoreanlagen bis 2020 wirklich einschlagen sollten, dann haben wir da die Chance auf höhere Steigerungsraten. Aber den Teil haben wir noch nicht sicher.
In einer solchen Diskussionslage nun alles kaputtzureden, was wir im Moment an Energieerzeugung haben, halte ich für völlig unverantwortbar. Da will man bis 2020 aus der Kernenergie aussteigen. Herr Bütikofer schlägt dann noch vor, die Kohlekraftwerke gleich mit abzuschaffen und nicht zu erneuern. Herr Gabriel trägt seinen Teil dazu bei, indem er in seinem Vorschlag zum NAP bei den Braunkohlekraftwerken kein Benchmark vorsieht. Wenn man bei der Braunkohle kein Benchmark einführt, wäre die Folge doch, dass neue, effizientere, umweltfreundliche Kraftwerke nicht gebaut werden und die alten erhalten bleiben. Deshalb wird die CDU/CSU-Fraktion diesen Weg, der vorgeschlagen worden ist, ganz bestimmt nicht mitgehen.
Wir müssen auch ganz einfache Dinge zusätzlich in die Betrachtung einbeziehen, zum Beispiel dass die Kernenergie eben nicht nur eine Art von Stromerzeugung ist. 50 Prozent der Grundlast werden in diesem Bereich zurzeit erzeugt; der Rest stammt aus Kohle, Braunkohle und Steinkohle. Die deutsche Industrie mit ihren Arbeitsplätzen wird sich auf Dauer nicht davon abhängig machen können, dass in Deutschland Wind weht. Deshalb müssen wir sehen, dass Sicherheit der Energieversorgung, Sicherheit der Stromversorgung, Sicherheit auch in den übrigen Bereichen wichtige Ziele sind.
Das heißt: Effizienzsteigerung. Wir haben mit unserem Wärmedämmungsprogramm einen Weg beschritten, der im Blick auf Arbeitsplätze in Deutschland, Energieeffizienz, verminderten CO2-Ausstoß aus meiner Sicht wirklich der erfolgreichste war, den man überhaupt gehen konnte. Wir haben im letzten Jahr gesehen, wie diese Programme eingeschlagen sind.
Lassen Sie uns also Anreize für die Bevölkerung setzen, in diesem Prozess selbst mitzumachen! Das ist der erfolgreichste Weg, den man wählen kann - viel erfolgreicher als der Weg bürokratischer Vorschriften zur Durchsetzung von Zielen.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kauch?
Laurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU):
Ja, aber sicher.
Michael Kauch (FDP):
Herr Meyer, Sie haben uns gerade erklärt, was man alles nicht tun sollte und wo die Probleme liegen. Ich hätte jetzt gern einmal eine klare Aussage dazu, was denn die Haltung der CDU/CSU-Fraktion ist. Diese Antwort wurde uns gestern in der Aktuellen Stunde verweigert.
Sie haben gerade das Thema Wärme angesprochen. Es gibt offensichtlich einen Auftrag der Fraktionsspitzen an die Fachpolitiker von CDU/CSU und SPD, Verhandlungen über ein Regenerative-Wärme-Gesetz zu führen. Man hört dazu sehr unterschiedliche Stimmen aus der Union. Die Kollegin Reiche hat sich innerhalb von zwei Wochen sehr konträr geäußert. Wir wüssten gern die offizielle Haltung der CDU/CSU-Fraktion zum Regenerative-Wärme-Gesetz. Wie gehen Sie in die Verhandlungen hinein?
Laurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU):
Wenn Sie mich fragen, können Sie meine Haltung dazu erfahren. Die will ich Ihnen gerne mitteilen.
Ich habe gerade zum Programm Energieeffizienz und Wärmeffizienz im Bereich Wärmedämmung vorgetragen. Das gilt hier genauso. Ich halte es für viel besser, Anreizprogramme zu schaffen, damit im Bereich Wärme in den Haushalten die Bürger selbst etwas tun, selbst aktiv werden, als zusätzliche Abgaben oder zusätzliche bürokratische Vorschriften einzuführen.
Nach den Erfahrungen, die wir mit den letzten Programmen zur Wärmeeffizienz in Gebäuden gemacht haben - das hat richtig eingeschlagen -, sollten wir daraus eigentlich die Konsequenzen ziehen und darauf setzen, dass der mündige Verbraucher Anstöße in diesen Bereichen sehr zu würdigen weiß. - Damit kennen Sie meine Position dazu.
Das Gleiche, was ich gerade für den Bereich der Energieerzeugung vorgetragen habe, gilt für den gesamten Verkehrssektor. Natürlich wäre eine Umlegung der Kfz-Steuer auf die Mineralölsteuer, also sozusagen auf den Verbrauch, von meinem Denkansatz her die günstigste Lösung. Aber wir müssen sehen, dass es hier Kollateralschäden gäbe. Die müssen wir gewichten. Wir haben doch schon heute das Phänomen des Tanktourismus mit all seinen Problemen. Das müssen wir schon in unsere Überlegungen einbeziehen; das muss in der weiteren Diskussion gewichtet werden. Natürlich ist es günstiger, den Verbrauch zu besteuern, als nur den Hubraum oder den theoretischen CO2-Ausstoß zu berücksichtigen. Es wäre mir schon lieber, den praktischen CO2-Ausstoß zu besteuern.
Wir müssen gemeinsam die Weichen stellen. Die Grünen müssten in vorderster Front dabei sein - Herr Kuhn, ich freue mich geradezu darauf -, wenn es darum geht, Staus in Deutschland zu bekämpfen. Wir müssen vermehrt Verkehrsstaus auflösen, weil Staus eine der größten Quellen des CO2-Ausstoßes im Verkehr sind - eine größere Quelle als manch anderes, was wir hier heute morgen besprochen haben. Ich habe von Ihnen kein Wort dazu gehört. Sie werden sicherlich noch darauf zurückkommen. - Die kleine Polemik werden Sie mir sicherlich verzeihen.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.
Laurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU):
Ich möchte eine Abschlussbemerkung machen. Aus unserer Sicht geht es in diesem Zusammenhang um einen Optimierungsprozess unter Nebenbedingungen. Beim Ziel, Klimaschutz zu erreichen, sind die Nebenbedingungen von enormer Wichtigkeit: Arbeitsplätze in Deutschland erhalten und Sozialverträglichkeit garantieren. Es macht keinen Sinn, dass wir uns hier über Dinge unterhalten, die die kleinen Leute in unserem Land hinterher nicht mehr bezahlen können. Auch das muss man im Gedächtnis behalten.
Vielen Dank.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort hat nun Kollege Lutz Heilmann, Fraktion Die Linke.
Lutz Heilmann (DIE LINKE):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Klimawandel ist in der Gesellschaft angekommen. Fast täglich berichten ?Bild“, ARD, RTL oder andere Medien über den Klimawandel. Er steht jetzt auf den Titelseiten und bekommt gute Sendezeiten ab. Wer früher gewarnt hat und dafür belächelt oder beschimpft wurde, darf jetzt sogar bei Christiansen & Co offen darüber debattieren, und zwar zu Recht. Nach dem jüngsten UN-Klimabericht geht es um die Frage: To be or not to be?
Erlauben Sie mir jetzt ein paar Gedanken zur Thematik Straßenverkehr und Klimawandel. Es wurde schon erwähnt: Der Anteil des Straßenverkehrs am Ausstoß des Klimagases CO2 liegt bei 20 Prozent. Damit ist er eine Hauptquelle des Klimawandels. Deswegen ist es richtig, dass wir uns heute hier diesem Thema widmen. Wir meinen, dass wir uns den Straßenverkehr zur Brust nehmen müssen und nicht nur über ihn reden sollten.
In den letzten Jahren ist der Straßenverkehr leider nicht klimafreundlicher geworden, weder unter der sogenannten Ökokoalition Rot-Grün noch unter Schwarz-Rot. Der beste Klimaschutz ist immer noch die Vermeidung von Verkehr. Diesen Gesichtspunkt vermisse ich heute in dieser Debatte. Die Voraussetzungen für einen Neuanfang, für eine Umorientierung, werden nicht genannt. Die letzten Bundesregierungen haben sich da nicht gerade mit Ruhm bekleckert.
Letztes Jahr wurden die Regionalisierungsmittel für den Schienennahverkehr gekürzt. Rot-Grün hat die Absetzbarkeit des Jobtickets abgeschafft. Bei der Entfernungspauschale werden Nutzer des ÖPNV schlechtergestellt. Das alles sind Maßnahmen, die nicht für eine Verlagerung des Straßenverkehrs auf andere Verkehrsträger sorgen; es sind Maßnahmen zur Förderung des Straßenverkehrs.
Wir diskutieren heute über Anträge zu Klimaschutz und Straßenverkehr. Würde ihre Umsetzung einen Beitrag zum Klimaschutz leisten? Nur bedingt, denke ich. Bei den Grünen vermisse ich einfach, dass sie darüber nachdenken, wie man den Verkehr tatsächlich von der Straße verlagern kann.
- Herr Hermann, Sie denken nur noch über grünere Autos nach. Das ist einfach so. Schauen Sie in Ihren Anträgen nach! Ich habe sie mir angeguckt: An nur zwei Stellen wird eine Verlagerung gerade noch erwähnt.
- Dann hätten Sie die hier noch einmal einbringen können. Sie hatten, als Sie an der Regierung waren, sieben Jahre Zeit, da etwas zu tun.
Sie haben selbst erwähnt - andere Kollegen haben es auch getan -, welches Ausmaß die Emissionen im Straßenverkehr haben.
Die FDP möchte die Abschaffung der Kfz-Steuer. Wir finden das nicht richtig. Wir meinen, dass die Kfz-Steuer bisher einen wichtigen Lenkungsbeitrag geleistet hat. Wer sich mit der Einführung der Katalysatorentechnik in den 80ern und 90ern des vergangenen Jahrhunderts beschäftigt, wird dies bestätigen.
Nun ein Wort zum Gesetzentwurf der Koalition zur Dieselrußfilterförderung: Wir werden diesem Gesetzentwurf zustimmen, obwohl wir arge Bedenken haben. Wir sagen aber auch: Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.
Wir haben heute auch einen eigenen Antrag mit Forderungen eingebracht. Wie gesagt: Die erste Forderung, die wir als Linke hier im Deutschen Bundestag stellen, lautet, dass wir die Weichen dafür stellen müssen, den Straßenverkehr zu verlagern. Als Allererstes bedeutet das für uns einen massiven Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs.
Wir wissen natürlich und anerkennen auch, dass viele Menschen auf das Auto nicht werden verzichten können. Ich wohne selbst im ländlichen Bereich und bin momentan vollkommen vom ÖPNV abgehängt. Deshalb fordern auch wir klimafreundlichere und effizientere Autos. Das heißt, künftig muss der Werbeslogan gelten: Drei Liter Verbrauch statt drei Liter Hubraum. Wir bleiben auch bei der Forderung, dass 120 Gramm CO2 pro Kilometer wieder auf die Tagesordnung gehören. So, wie die Frau Kanzlerin das kürzlich abgewiegelt hat, kann es nicht gehen.
Ein weiterer wichtiger Punkt für uns ist, die Kennzeichnung des CO2-Ausstoßes der Kfz zu verbessern, um den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit zu geben, sich verantwortungsvoll entscheiden zu können. Ich habe mir die Werbeprospekte der Autohersteller angeschaut: Die Angabe ?180 Gramm“ oder ?185 Gramm“ - was da alles so steht - hilft einem nicht wirklich weiter. Hier sollte uns das Kühlschrankmodell Vorbild sein. Dort ist es gut geregelt; die Einteilung geht von A bis F. Anhand einer solchen Einteilung könnte man gut einschätzen, was welches Auto ausstößt.
Für uns steht auch die Reform der Kfz-Steuer zur Debatte. Die Besteuerung von Neufahrzeugen sollte am CO2-Ausstoß ausgerichtet werden. Für Altfahrzeuge - das ist für uns als Linke besonders wichtig, da es eine soziale Komponente ist - müsste eine entsprechende Übergangsregelung mit einer angemessenen Frist eingeführt werden.
Herr Kollege Scheuer - Sie unterhalten sich dort hinten gerade -, wir bleiben bei unserer Forderung eines Tempolimits von 130 km/h. Das bringt nicht nur eine erhebliche CO2-Einsparung, sondern auch eine Entlastung für die Geldbeutel der Menschen. Unsere Autoindustrie - ich weiß, dass der Sitz von BMW in der Nähe Ihres Wahlkreises liegt - erhält dann auch den Anreiz, endlich Autos mit kleineren Motoren zu bauen, um dem gerecht zu werden.
Wir selbst müssen auch Vorbild sein. Die öffentliche Hand muss Vorreiter sein. Es darf keine Ausnahmegenehmigung geben, und der Fuhrpark muss auf die effizientesten Fahrzeuge umgestellt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zusammenfassen: Klimaschutz im Straßenverkehr erfordert ein Maßnahmenbündel. Ich habe Ihnen hier einige Maßnahmen vorgestellt, über die wir als Linke in der Debatte reden wollen und die wir durchsetzen müssen.
Ein Gedanke noch: Bei all dem, was wir hier debattieren - ob Für oder Wider -, müssen Sie aber immer berücksichtigen, dass es ein ?weiter so wie bisher“ nicht geben kann. Wir brauchen eine Verkehrswende, insbesondere weg vom motorisierten Individualverkehr und hin zu klimafreundlicheren Autos. Wenn Sie es mit Ihren Versprechungen vom Klimaschutz ernst meinen, dann bleibt Ihnen gar nichts anderes übrig, als unserem Antrag zuzustimmen. Ich wünsche noch eine angeregte Debatte.
Danke schön.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Als nächste Rednerin hat die Kollegin Rita Schwarzelühr-Sutter von der SPD-Fraktion das Wort.
Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD):
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Entgegen dem Eindruck, der hier leicht entstehen kann, dass Klimaschutz erst seit einigen Wochen aktuell ist, sage ich: Herr Heilmann, wir reden nicht nur, wir handeln auch.
Wir nehmen den Klimaschutz ernst und ergreifen auch die notwendigen und wirksamen Maßnahmen.
Die Ampel in Sachen Klimaschutz steht bei uns schon längst auf Grün, und wir befinden uns hier auch auf der Überholspur. Das scheint nur einigen hier im Haus entgangen zu sein. Unser Motto lautet: Handeln und die Maßnahmen für den Klimaschutz beschleunigen. Ein Beispiel wurde vorhin schon genannt, nämlich das CO2-Gebäudesanierungsprogramm.
25 Prozent des Energieverbrauchs in Deutschland werden für die Beheizung von Gebäuden und die Warmwasserbereitung eingesetzt. Zum Energiesparen gibt es deshalb auch gar keine Alternative. Das aufgelegte CO2-Gebäudesanierungsprogramm gehört neben der Energieeinsparverordnung zu den zentralen Elementen der Klimaschutzpolitik der Bundesregierung.
Nach Einschätzung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung stoßen die sanierten Wohnungen künftig fast 1 Million Tonnen CO2 weniger aus. Die Hälfte der Antragsteller, die an diesem Programm teilnehmen, haben ihre Gebäude auf ein energetisches Neubauniveau gemäß der Energieeinsparverordnung modernisiert. Der Bund geht hier mit gutem Beispiel voran und saniert die Bundesbauten.
Eine zusätzliche Dynamik bringt der von uns eingeführte energetische Gebäudepass. Das wird auch im Vermieterbereich die Umsetzung entsprechender Maßnahmen weiter voranbringen.
Das CO2-Gebäudesanierungsprogramm ist eine Jobmaschine und ein Paradebeispiel dafür, dass Klimaschutz und wirtschaftliches Handeln keine Gegensätze sind. Aktiver Klimaschutz stärkt unser Wirtschaftswachstum. Das ist Handeln auf der ökologischen Überholspur.
Im Verkehrsbereich lagen die CO2-Emissionen 2005 rund 20 Millionen Tonnen niedriger als 1999. Es stimmt, der Straßenverkehr ist hier der Hauptverursacher. Natürlich ist es ärgerlich, wenn die Automobilindustrie ihre Selbstverpflichtung nicht einhält. Es ist aber ein deutlicher Rückgang erkennbar. In den letzten Wochen ist auch der Automobilindustrie klar geworden, dass sie jetzt ihre Ökoinnovationen aus der Schublade holen muss; denn die Mehrzahl der Menschen will umweltfreundliche Autos. Nach der neuesten Emnid-Umfrage wollen 72 Prozent der Bevölkerung auf kleinere, sparsamere und effizientere Autos umsteigen. Da liegt auch die Chance für die Automobilindustrie. Es ist ein Markt mit immensem Wachstumspotenzial, das die deutschen Autobauer nicht ungenutzt lassen dürfen.
Die Autoindustrie muss umweltfreundlichere Autos anbieten und dafür auch mit entsprechendem Aufwand werben. Von der deutschen Automobilindustrie verlangen wir konkrete Konzepte für eine funktionierende CO2-Minderungsstrategie. Das Image des deutschen Autos ist auch entscheidend für den Export. Ich bin gespannt auf die nächste IAA in Frankfurt am Main. Ich bin mir sicher, dass die deutsche Automobilindustrie da etwas aufbietet. Bezüglich des Genfer Automobilsalons sprechen die Branchenkenner ja jetzt von einem Umweltsalon. Ich erwarte nun, dass im Zusammenhang mit der kommenden IAA nicht nur von einem Umweltsalon, sondern gar von einem Umweltpark gesprochen wird.
Im Gegensatz zu Frau Künast fordere ich nicht öffentlich dazu auf, japanische Autos zu kaufen. Ich möchte, dass mehr umweltfreundliche deutsche Automobile abgesetzt werden. Diese Forderung muss man im Zusammenhang mit den Arbeitsplätzen in Deutschland sehen. Wir brauchen eine starke Automobilindustrie in Deutschland und die davon abhängigen Arbeitsplätze.
Wir streben gesetzliche Regelungen an, die den CO2-Ausstoß für Pkw bis 2012 auf 120 Gramm pro gefahrenen Kilometer, differenziert nach Fahrzeugklassen, begrenzen. Unterstützt wird die Reduzierung von CO2-Emissionen im Straßenverkehr durch die Beimischung von Biokraftstoffen.
Zurück zu unserem Motto: Wir bewegen uns auf der ökologischen Überholspur! Der Finanzminister, der Verkehrsminister und der Umweltminister haben sich darauf geeinigt, die Kfz-Steuer umzustellen und den CO2-Ausstoß linear zu besteuern. Ich warne noch einmal davor, die Mineralölsteuer ins Spiel zu bringen. Ich wohne in einer Grenzregion und weiß, wie viele Steuereinnahmen unserem Staat entgehen.
Wer glaubt, dass Lkw-Fahrer nach einer weiteren Mineralölsteuererhöhung zukünftig noch in Deutschland tanken, wo sie jetzt schon kaum noch hier tanken, der blendet die Realität völlig aus.
Wie rasant wir uns auf der ökologischen Überholspur bewegen, hat unser Bundesverkehrsminister in den vergangenen Tagen gezeigt. Er hat die Luftfahrtbranche dazu gebracht, dem Emissionshandel beim Flugverkehr zuzustimmen und nach einer Lösung, die keine Insellösung darstellt, zu suchen. Vor allem vor dem Hintergrund der Zuwachsraten im Luftverkehr steckt dahinter sehr viel Dynamik. Man bedenke nur, dass der CO2-Ausstoß durch die Einbeziehung des Luftverkehrs in den Emissionshandel bis 2020 halbiert werden könnte. Diese Chance muss also ergriffen werden.
Sie sehen also, wie wir uns um eine Beschleunigung von Maßnahmen bemühen, die realistisch und realisierbar sind. Wir müssen diese auf europäischer Ebene koordinieren und steuern, um die Klimakatastrophe abzuwenden. Unterstützen Sie unsere Strategie! Dann wird es uns auch gelingen, den Klimawandel zu stoppen.
Danke.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt die Kollegin Patricia Lips von der CDU/CSU-Fraktion.
Patricia Lips (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Klimaschutz ist unumstritten ein Thema, das alle betrifft. Ich glaube, das haben auch nahezu alle Beiträge heute gezeigt. So verschieden die Bereiche sind, so vielschichtig sind auch die Maßnahmen, die zurzeit in die Diskussion eingebracht werden. Einige von ihnen werden sicherlich im Gespräch bleiben, einige wieder verschwinden.
Eine Maßnahme - damit komme ich wieder ein bisschen von der grundsätzlichen Diskussion zum Konkreten -, die in der Tat bereits heute zum Beschluss ansteht, setzt sich mit der Umrüstung von Dieselfahrzeugen mit Partikelfiltern auseinander. Wo wir an anderer Stelle noch diskutieren, sind wir hier schon einen Schritt weiter. Wir gehen konkret in Richtung Umweltschutz; dies sollte für uns alle Ansporn auch für die künftigen Diskussionen sein.
Worum geht es? In Form einer Bonus-Malus-Regelung sollen finanzielle Anreize gesetzt werden, damit betroffene Halter zeitnah ihre Fahrzeuge umrüsten, sofern diese nicht bereits mit einem Filter ausgestattet sind.
Lassen Sie mich nochmals die für uns wesentlichen Komponenten nennen: erstens das Erzielen einer Lenkungswirkung im Sinne der Förderung des Umweltbewusstseins, zweitens eine Beschleunigung in der Entwicklung von Technik und Produktion und damit natürlich auch eine Unterstützung des Mittelstandes sowie drittens die Einhaltung von haushaltsrelevanten Notwendigkeiten; die Kfz-Steuer - wir wissen es - betrifft, zumindest aktuell, die Länderhaushalte.
Wir stellen fest, dass allein die Ankündigung des Gesetzes zu einer hohen Anzahl von Vorbestellungen entsprechender Filter geführt hat, was die gewünschte Lenkungswirkung unterstreicht.
Noch einen Punkt möchte ich nennen: Das Europäische Parlament hat im konkreten Fall bereits neue Abgasnormen auf den Weg gebracht. Wir diskutieren also nicht alleine. Es ist aber nun an uns, den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern nicht nur die zeitliche Chance auf eine Umrüstung zu geben, sondern auch eine finanzielle Unterstützung anzubieten, um sie möglichst zeitnah darauf vorzubereiten.
Kolleginnen und Kollegen, an welchem Punkt stehen wir heute, nahezu - selten genug - einmütig? Die Bundesregierung, die Länder, die Sachverständigen, die in einem hohen Maß auch die Fahrzeughalter vertreten, und die mittelständische Wirtschaft, sie alle wollen das Gesetz. Alle Fraktionen im Ausschuss, mit einer Ausnahme, haben dafür gestimmt. Das ist eigentlich eine gute Entwicklung.
Aber - jetzt wende ich mich ausdrücklich an die FDP; Herr Wissing kann die Debatte offensichtlich nicht weiter verfolgen, um eine Reaktion auf seine Rede entgegenzunehmen - wenn man im Laufe des Verfahrens den Eindruck gewinnt, dass Sie dem Gesetz ganz offensichtlich um des Prinzips willen nicht zustimmen wollen, dann wird dies Ihrer Fraktion, wie ich sie kennengelernt habe, nicht gerecht.
Lassen Sie mich einen Punkt ansprechen, der die Widersprüchlichkeit in Ihrem Verhalten gleich an zwei Stellen aufzeigt - Ihr Kollege hat das eigentlich selbst deutlich gemacht -: Die CDU/CSU-Fraktion, und zwar zunächst sie allein, hat im Zuge der Beratungen darauf hingewiesen, behinderte Menschen ausdrücklich nicht zu vergessen. Auch sie sollen in unseren Augen an den Vorteilen einer Umrüstung teilhaben können.
Wir haben uns darüber gefreut, dass seitens der Wirtschaft in der Anhörung hierbei die Gewährung von Rabatten in den Raum gestellt wurde.
Wir begrüßen diese zum Ausdruck gebrachte Bereitschaft und bitten die Bundesregierung, sich gegenüber den Herstellern nachdrücklich dafür einzusetzen.
Aber nicht nur uns sollte dies freuen. Vor allem Ihre Herzen - damit bin ich wieder bei Ihnen, Kolleginnen und Kollegen von der FDP - hätten ob eines solchen unbürokratischen Vorgehens doch höher schlagen müssen.
?Der Staat soll weniger regeln“, das sind Ihre geflügelten Worte bei nahezu jedem Gesetz, so auch bei dieser Vorlage. Deshalb ist es mir völlig unverständlich, dass ausgerechnet die FDP, die immer und zu Recht den Bürokratieabbau im Munde führt, nun zusätzlich wieder den Gesetzgeber auffordert, tätig zu werden, obwohl ein Angebot von anderen vorliegt.
Ebenso unverständlich ist es, dass Sie einen in Bezug auf die behinderten Menschen an sich guten Gedanken - das ist er ja offensichtlich auch für Sie - nun mit derart scharfen Angriffen bis hin zu Diskriminierungsversuchen überziehen. Bitte prüfen Sie, ob Sie sich hier nicht etwas verrannt haben. Wir helfen Ihnen gerne auf dem Weg zurück in unsere Gemeinschaft.
Vieles wurde und wird heute im Zusammenhang mit Verkehr und Umweltschutz gesagt. Vieles davon ist sicherlich richtig. Viele weitere Diskussionen gerade um das Thema einer Weiterentwicklung der Kfz-Steuer, wie am Ende auch immer gestaltet, wurden angestoßen. Ich bin mir sicher, dass wir hier noch einige interessante Debatten haben werden.
Heute liegt sehr konkret ein Gesetz zur Abstimmung vor, das als Signal und Aufbruch für die kommenden Diskussionen verstanden werden kann und soll.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt der Kollege Martin Burkert von der SPD-Fraktion.
Martin Burkert (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der dritte Teil des Klimareports, dessen Inhalt jetzt bekannt geworden ist, hat uns noch drastischer vor Augen geführt, was wir eigentlich schon wussten, einige aber immer noch nicht wahrhaben wollten: Für das Erdklima steht die Uhr nicht mehr auf fünf vor zwölf. Nein, ich sage hier deutlich: Es hat zwölf geschlagen. Um das Ruder herumzureißen, bleiben uns erdgeschichtlich betrachtet allenfalls noch Bruchteile von Sekunden. In den Worten des Reports: Wir haben noch knapp 15 Jahre Zeit, um den totalen Klimakollaps zu verhindern. Das heißt, die globale Erwärmung muss unter allen Umständen auf die zwei Grad Celsius begrenzt werden, die gerade noch tolerabel sind, um die Katastrophe zu verhindern.
Nicht nur unsere Lebensqualität, nein, vor allem die Zukunft unserer Kinder und Enkel steht auf dem Spiel. Für diese Zukunft sind wir verantwortlich. Deshalb müssen wir alles daransetzen, dieses Spiel nicht zu verlieren. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir alle gemeinsam es schaffen können, wenn jeder seinen Teil dazu beiträgt, insbesondere diejenigen, die das bisher noch nicht mit dem Engagement getan haben, das erforderlich ist. So hat nicht nur Al Gore, dem ich an dieser Stelle herzlich zur Verleihung des Oscars gratulieren möchte, in seinem Film gezeigt, dass der Verkehr der größte Verursacher des Treibhauseffektes ist. Auch der Weltklimarat betont dies in seinem Bericht ausdrücklich.
Deshalb werden wir zu gesetzlichen Regelungen greifen, wenn die europäische Automobilindustrie ihrer Selbstverpflichtung nicht nachkommt, den CO2-Ausstoß ihrer Fahrzeuge bis 2012 auf die heute oftmals genannte Grenze von 120 Gramm pro Kilometer zu senken. In diesem Ziel wissen wir uns einig mit dem EU-Umweltkommissar und dem Umweltrat, der im Juni einen Vorschlag vorlegen wird. Dazu gehören zwei wesentliche Komponenten: Erstens. Technische Innovationen senken den Spritverbrauch und beschränken damit den CO2-Ausstoß auf 130 Gramm pro Kilometer. Zweitens. Die restlichen 10 Gramm werden durch den Einsatz von Biokraftstoffen erbracht.
Unabdingbar ist für uns, dass alle europäischen Produzenten einen Beitrag leisten und nicht diejenigen ausgenommen werden, deren Fahrzeuge einen Verbrauch haben, der niedriger ist als der Durchschnittswert von 120 Gramm. Auch diese müssen etwas für das Klima tun. Es geht nicht an, dass die deutschen Hersteller das alleine schultern.
Allerdings ist es im ureigensten Interesse der deutschen Automobilindustrie, die Entwicklung klimafreundlicher Technologien erstens nicht zu verschlafen und zweitens nicht zu verschleppen. Die Nachfrage nach hochwertigen deutschen Fahrzeugen wird weltweit steigen. Dies ist eine Herausforderung, der sich gerade Deutschland als Hochtechnologieland und Exportweltmeister gleichermaßen stellen muss.
Ich verweise auf das Beispiel des Boomlandes China mit seinem Riesenbedarf an Kraftfahrzeugen. Man muss sich vorstellen, dass es in Peking täglich 1 000 Neuzulassungen gibt. Als ich den Umweltminister im letzten Dezember nach Peking begleiten durfte, konnte ich selber feststellen, dass dort vor lauter Smog die Sonne nicht mehr aufgeht. China wird deshalb den CO2-Ausstoß von Autos per Gesetz begrenzen.
Wir werden selbstverständlich in Deutschland das Unsere tun, um das Ziel von 120 Gramm zu erreichen. Eine entsprechende Umgestaltung der Kfz-Steuer steht an. Sie wird sich künftig nicht mehr nach dem Hubraum, sondern nach dem Schadstoffausstoß bemessen. Das haben wir übrigens weitblickend, wie heute schon erwähnt, im Koalitionsvertrag vereinbart. Geprüft werden sollte in diesem Zusammenhang auch das Steuerprivileg für schwere Dienstwagen, die, wie wir wissen, sehr viel Sprit schlucken. Ich sage hier deutlich: Sollte die bessere Einsicht wider Erwarten nicht fruchten, sollte auch ein Tempolimit kein Tabu mehr sein.
Gefordert ist aber nicht nur der Straßen-, sondern auch der Luftverkehr. Flugzeuge sind nach Expertenmeinung die Klimakiller Nummer eins. Auch die Bundeskanzlerin hat schon 1995, als sie noch Umweltministerin war, in einem Zeitungsinterview erklärt - manchmal lohnt es sich, die Archive zu bemühen -:
Wir machen das Auto zum Umwelt-Buhmann, vergessen aber ganz die katastrophalen Auswirkungen … durch zunehmenden Flugverkehr …
Gerade wir in diesem Hohen Hause, die wir oftmals aus Zeitgründen Vielflieger sein müssen, sollten uns hier an die eigene Brust schlagen. Deshalb möchte ich an Sie alle appellieren, zumindest einen kleinen Ausgleich für solche Klimasünden zu schaffen, wenn Sie es nicht schon längst getan haben. Ich rede davon, für jeden Flug ein Zertifikat bei Atmosfair zu erwerben. Mit dem gespendeten Geld unterstützen Sie Klimaschutzprojekte in Schwellenländern, zum Beispiel in Indien.
Zum Schluss möchte ich auf den Al-Gore-Film ?Eine unbequeme Wahrheit“ zu sprechen kommen. Sein wesentliches Verdienst ist, dass er bei uns und weltweit das Bewusstsein der Menschen aufgerüttelt hat, dabei aber nicht demoralisiert, sondern die gute Nachricht betont hat: Jeder Einzelne kann nach seinen Möglichkeiten dazu beitragen, die Klimakatastrophe abzuwenden. - Ich bin dem Vorsitzenden meiner Fraktion, Peter Struck, sehr dankbar dafür, dass die SPD-Fraktion am nächsten Dienstag auf ihrer Sitzung ein Zeichen setzt, indem sie sich den Film anschaut und darüber diskutiert.
Die Erwartungshaltung gerade unserer Jugend an die Politik ist groß. Ich glaube, wir sind uns alle in einem einig: Niemand will, dass die deutsche Nordseeküste in Zukunft bei Bremen verläuft.
Vielen Dank.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt hat das Wort die Kollegin Ingrid Arndt-Brauer von der SPD-Fraktion.
Ingrid Arndt-Brauer (SPD):
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Viele Klimaschutzanregungen von heute können wir aufnehmen und darüber weiter in den Ausschüssen diskutieren. Einige können wir gleich vergessen; das ist klar. Ich denke aber, Polemik hat an dieser Stelle wirklich keinen Platz. Damit sollten wir uns auch nicht länger aufhalten.
Wir haben heute die zweite und dritte Lesung zum Rußpartikelfiltergesetz. Wir sind wieder an dem Punkt, zu versuchen, über Steuern zu steuern. Ich möchte denjenigen widersprechen, die fordern, einfach die Mineralölsteuer zu erhöhen. Damit ist keine Steuerung dahin gehend möglich, was für eine Art Auto ich fahre. Dann fahre ich vielleicht sehr selten, womit ich zwar wenig Sprit verbrauche. Aber welche Schadstoffe aus dem Auspuff kommen, kann dann nicht mehr über Steuererleichterungen gesteuert werden. Deswegen finde ich es gut, dass wir die Kfz-Steuer in dieser Form noch haben.
Es war auch kein Steuervereinfachungsgesetz oder ein Beitrag zum Bürokratieabbau gedacht. Trotzdem ist das vorliegende Gesetz ein relativ einfaches Gesetz. Es wird für diejenigen Leute, die in die Nachrüstung ihrer Autos mit Rußpartikelfilter investieren, ein Aussetzen der Steuer geben. Das ist für die Verwaltung relativ einfach zu handhaben und für jeden Bürger leicht verständlich.
Es geht also um Rußpartikel. Jeder weiß, was das ist. Es ist, ungefähr in Erdhöhe ausgestoßen, ein relativ gefährliches Zeug. Jeder, der schon einmal einen Sportwagen gefahren hat - damit meine ich nicht die ohne Dach und mit Sitzheizung, sondern einen Wagen mit vier Rädern und darin ein Kind -, weiß, wer diese Rußpartikel in Gänze abbekommt: Das sind unsere Kinder. Wir haben in den letzten Wochen viel über die Betreuung von Kindern gesprochen. Ich denke, dazu gehört auch, dass wir die Lebensumstände der Kinder vernünftig organisieren. Dazu gehört es, dass man sich relativ gefahrlos auch innerhalb einer Stadt mit Kindern bewegen kann.
Ich finde es deshalb wichtig, dass wir diesen Gesetzentwurf jetzt verabschieden. Wir müssen unseren Kindern später einmal erklären, warum wir es nicht schon ein paar Jahre vorher gemacht haben.
Aber wir wissen, es ist Abstimmungsbedarf vorhanden gewesen, weil es eine Ländersteuer ist. Es ist klar: Wenn wir es vorher auf der Bundesebene gelöst und die Diskussion nachher geführt hätten, wäre es auch nicht schneller gegangen. Trotzdem müssen wir uns das natürlich irgendwann fragen lassen. Ich hoffe, dass so etwas in Zukunft schneller geht.
Wir sollten dies jetzt umsetzen, unabhängig davon, welche Klimaschutzmaßnahmen später einmal getroffen werden und was mit den CO2-Emissionen passiert; das ist ein anderes Thema. Ich habe mich gefreut, dass im Ausschuss große Einigkeit bestand. Bis auf die FDP, die sich nur enthalten hat, waren wir einvernehmlich der Meinung, dass man mehr tun kann. Vielleicht sollte man auch mehr tun; aber das, was wir jetzt tun, ist notwendig. Wir dürfen es nicht aufschieben.
Ich habe selten eine so nette Anhörung erlebt. Andere Ausschüsse träumen von einer solch einvernehmlichen Anhörung. Ich finde auch die Regelung, die die Industrie für die Behinderten in Aussicht gestellt hat, sehr lobenswert. Alles in allem machen wir ein sehr gutes Gesetz, das man natürlich noch verbessern kann. Aber wenn wir all unsere Probleme so schnell und unbürokratisch lösen könnten, wären wir weiter, auch beim Klimaschutz. Deswegen bitte ich um Ihre Zustimmung.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 16/4182, 16/4429 und 16/4416 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. - Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Es ist vereinbart, die Vorlage auf Drucksache 16/4431 zur federführenden Beratung an den Finanzausschuss und zur Mitberatung an den Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, den Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sowie an den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu überweisen. Gibt es anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Abstimmung über den Antrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 16/4430 mit dem Titel ?CO2-Emissionen der Dienstwagenflotte des Deutschen Bundestages nachhaltig senken“. Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion bei Zustimmung der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.
Beschlussempfehlung des Innenausschusses auf Drucksache 16/3847 zu dem Antrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen mit dem Titel ?Treibhausgasemissionen bei Dienstreisen ausgleichen - Vorbildfunktion der öffentlichen Hand erfüllen“. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 16/1066 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen und Enthaltung der FDP-Fraktion angenommen.
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf Drucksache 16/3144 zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel ?Umverteilung durch den Emissionshandel beenden - Vorreiterrolle im Klimaschutz übernehmen“. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 16/1682 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion bei Gegenstimmen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Jetzt kommen wir zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes auf Drucksache 16/4010. Der Finanzausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/4449, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um ihr Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der FDP-Fraktion angenommen.
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit gleichem Stimmverhältnis angenommen.
Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/4451. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, den Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen bei Zustimmung der FDP-Fraktion abgelehnt.
Beschlussempfehlung des Finanzausschusses auf Drucksache 16/4449 zu dem Antrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen mit dem Titel ?Fördergesetz für Dieselrußpartikelfilter baldmöglichst vorlegen“. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung, den Antrag auf Drucksache 16/946 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen und Enthaltung der FDP-Fraktion angenommen.
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf Drucksache 16/4422 zu dem Antrag der Fraktion der FDP mit dem Titel ?Klimapolitischen Zertifikatehandel in Deutschland nachhaltig und verantwortungsvoll gestalten - Nationalen Allokationsplan grundlegend überarbeiten“. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 16/3051 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen der FDP-Fraktion und Enthaltung der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 16/3049 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist offenkundig der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 82. Sitzung - wird morgen, Freitag, den 2. März 2007, veröffentlicht.]