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Hermann Otto Solms ist Mitglied der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag. Er ist seit 1998 Vizepräsident des Deutschen Bundestages. Einer, der nicht aufhört, Vorstellungen von der Zukunft zu entwickeln.
Der erste und der zweite Eindruck sagen: Hermann Otto Solms ist ein stiller Mann. Oder nur besonders ruhig in einer recht lauten Welt. Daraus erwächst die Frage, was dahinter steckt. Man weiß, dieser Mann zählt seit Jahren zu den profilierten Steuer- und Finanzexperten des Deutschen Bundestages. Er ist finanzpolitischer Sprecher seiner Fraktion und man kennt ihn seit vielen Jahren als geduldigen, freundlichen und gelassenen „Moderator“ der Plenarsitzungen. Man hat gelesen, dass er gern Jazz hört, Coltrane und Mangelsdorff zum Beispiel. Und dass er sich selbst als glücklichen Menschen bezeichnet. Er fährt Motorrad. Eine eher laute Maschine ist das, wenn auch keine von den ganz lauten. Und er findet, dass man auch in etwas gesetzterem Alter sehr wohl noch Hoffnungsträger sein kann. Man muss nur kluge Ideen haben.
Bei der Rubrik „Beruf“ gibt Hermann Otto Solms an, ein Selbstständiger zu sein. So steht es auch im Bundestagshandbuch. Wer den Politiker kennt, nimmt diese Berufsbezeichnung als Programm und Haltung zugleich: Für sich und andere Verantwortung übernehmen, mehr als eine Generation im Blick haben, das Gute von den Vätern erben, es erwerben, um es zu besitzen, wie es der alte Goethe einst geschrieben hat. Hermann Otto Solms hat sich diese Aufforderung zum Handeln geradezu ins Stammbuch geschrieben. Auf seiner Homepage steht der Goethesatz: „Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben, der täglich sie erobern muss.“
Solms ist vielleicht ein stiller, aber auf jeden Fall ein gelassener Mann. Wie er da in der großen Halle des Hamburger Bahnhofs — einem Ort der modernen Kunst — auf einem Thonet 43 sitzt (einem Stuhl für moderne Menschen) gewinnt man den Eindruck, dass sich diese Gelassenheit aus einem guten Gleichgewicht speist. Das hat sich der 1940 in Lich, im hessischen Kreis Gießen, Geborene erarbeitet und verdient. Im wahren Sinne der Worte.
„Ich hatte ausreichend Möglichkeiten in meinem Leben, gestaltend zu wirken. Ich weiß, dass die Welt sich ständig ändert, und das hört nie auf, spannend zu sein.“
Aber richtig ist auch, dass damals und heute die Bedingungen stimmten, das Umfeld, wie man so schön sagt. Dies hat weniger etwas damit zu tun, dass der Mann eigentlich ein Prinz zu Solms-Hohensolms-Lich ist und aus einer Familie kommt, deren Stammbaum sich mehr als 900 Jahre zurückverfolgen lässt. Es lässt sich mehr daraus erklären, wie er aufgewachsen ist — geliebt und behütet und gefordert. Als Hermann Otto zehn Jahre alt wurde — ein Junge, dessen Vater im Krieg gefallen war “, heiratete seine Mutter einen Schriftsteller. Im Hause Solms verkehrten aufgeklärte Intellektuelle — berühmte und weniger berühmte, immer aber anregende und aufregende Menschen. Von denen konnte man lernen und sich inspirieren lassen. Vor allem konnte man lernen, nicht konform zu denken und zu werden.
Hermann Otto Solms sagt, er habe sich bereits als Junge sehr für historische Zusammenhänge interessiert und sei dann in der aufregenden Studentenzeit kein Achtundsechziger, aber ein Liberaler geworden. Denn es war ja klar, dass sich vieles verändern müsse in der Gesellschaft.
1971 trat Solms in die FDP ein, da war er im 31. Lebensjahr, hatte sich die Sache also reiflich und gut überlegt. Zwei Jahre später wurde er Persönlicher Referent der Bundestagsvizepräsidentin Liselotte Funcke. Deshalb sagt er noch heute gern, er sei der einzige „gelernte Vizepräsident“.
Vor allem aber ist er ein gelernter Selbstständiger, dessen unternehmerische Tätigkeit acht Jahre, von 1976 bis 1984, dauerte. Da hatte er bereits in Agrarwissenschaften promoviert. Diese Jahre prägen noch heute sehr stark all das, was Hermann Otto Solms politisch tut und will. „Wenn man sich mit Tagespolitik beschäftigt, stellt man schnell fest, was zu einem passt. Zu mir passt das Denken vom Individuum her, die Philosophie der Aufklärung. Ich glaube, man kann Gesellschaft nur vom Individuum denken, wenn es eine gute Gesellschaft sein und werden soll. Nichts ist kontraproduktiver als verstaatlichte Nächstenliebe, denn die verhindert, was Immanuel Kant die Befreiung aus selbstverschuldeter Unmündigkeit nannte.“
„Zu mir passt das Denken vom Individuum her, die Philosophie der Aufklärung. Ich glaube, man kann Gesellschaft nur vom Individuum denken, wenn es eine gute Gesellschaft sein und werden soll.“
Solms ist ein radikaler Liberaler und wenn er Ideen und Konzepte entwickelt, dann sind auch die radikal liberal. Zum Beispiel die Idee mit dem Wahlrecht von Geburt an. Die ist neu und umstritten und der FDP-Politiker verficht sie mit großer Vehemenz. Wer Menschen zur Eigenverantwortung befähigen will, um ihnen zu ermöglichen, auch für andere Verantwortung zu übernehmen, muss dafür die Voraussetzungen schaffen. Und den Menschen vertrauen. „Kurzfristig wird sich das nicht durchsetzen lassen, aber es beeinflusst erst die politische Diskussion, dann das Denken und dann sicher auch das Verhalten.“ Solms ist ein gelassener Optimist, einer, der auf seine Fähigkeit baut, andere motivieren zu können.
So betrachtet, ist der Beruf eines selbstständigen Politikers genau das Richtige für ihn. Er übernimmt Verantwortung für das, was er tut, und natürlich auch für das, was sein Tun zur Folge hat. Und er will, dass andere verstehen, was Politiker machen.
Dies, so festgestellt, führt zum Thema Steuern. Hermann Otto Solms, der acht Jahre die FDP-Fraktion im Bundestag führte, Bundesschatzmeister seiner Partei war und wieder ist, ist ein Finanzpolitiker mit dem Herzenswunsch, es möge doch endlich und wirklich eine radikale Steuerreform geben. „Die gibt es auch. Meine Fraktion hat das Konzept dafür erarbeitet. Es ist ausformuliert und gesetzesreif. Und wie immer in der Politik muss man auf das meist kurze Zeitfenster warten, in dem sich die Chance auf Verwirklichung eines solchen Projektes ergibt. Das ist die Kunst: Den richtigen Zeitpunkt erkennen und sich dann durchzusetzen.“ Worin liegt die Einfachheit des Steuersystems der FDP unter Federführung von Hermann Otto Solms? „Darin, dass jeder nur so viel oder so wenig Steuern würde bezahlen müssen, dass seine Leistungsfähigkeit nicht eingeschränkt ist. Und auch nicht die Motivation, Leistung zu erbringen.“
Was motiviert einen wie ihn? Immer wieder von neuem und so stark, dass aus Herausforderung nicht Routine und aus Neugier nicht Langeweile wird? „Ich hatte ausreichend Möglichkeiten in meinem Leben, gestaltend zu wirken. Ich weiß, dass die Welt sich ständig ändert und das hört nie auf, spannend zu sein. Ich habe eine Familie, die mir Halt gibt und mich motiviert. Das ist wichtig.“
Hermann Otto Solms soll bei der Feier zu seinem 65. Geburtstag gesagt haben, dass er der Berliner Politik weiter erhalten bleiben wird: „Zu Hause bin ich nur umringt von Frauen, da habe ich nichts zu sagen.“ Frau und drei Töchter bilden, sagt Solms, sozusagen die Regierung in der Familie, aber es ist wohl doch oder gerade deshalb ein glückliches Leben.
Noch immer fährt Hermann Otto Solms gern mit seinem Motorrad, das ihm die Frau zum 60. Geburtstag schenkte, durch die Landschaften. Wenn die Zeit es irgendwie zulässt. Auf die Frage, was für ihn Glück bedeute, nennt er zwei Hoffnungen, die ihn bewegen: Die eine baut darauf, dass Familie und familiärer Zusammenhalt erhalten bleiben, auch wenn die Kinder aus dem Haus sind. Die andere richtet sich darauf, dass seine und die Vorstellung vieler politischer Weggefährten von einer zivilen Bürgergesellschaft durchgesetzt wird.
Der dritte Eindruck sagt: Hermann Otto Solms wartet nicht darauf, dass sich dieses Glück von allein einstellt. Es muss verdient und erobert werden.
Hermann Otto Solms (FDP)
Vizepräsident des Deutschen Bundestages
Geboren
24. November 1940 in Lich (Kreis Gießen)
Wohnort
Lich
Ausbildung
Lehre zum Bankkaufmann; Studium der Wirtschaftswissenschaften und
der Landwirtschaft an den Universitäten Frankfurt, Gießen
und Kansas State, USA; Diplom-Ökonom
Promotion
1975 Promotion zum Doktor der Agrarwissenschaften
Beruf
Selbstständiger
Familie
verheiratet, drei Kinder
Politischer Werdegang
Text: Kathrin Gerlof
Erschienen am 31. Januar 2007