Pressemitteilung
Datum: 22.03.2005
Pressemeldung des Deutschen Bundestages -
22.03.2005
Kinderkommission fordert bessere Sprachförderung für Kinder mit Migrationshintergrund
Die Kinderkommission des Deutschen Bundestages fordert eine
bessere Sprachförderung für Kinder mit
Migrationshintergrund. Dazu hat die Kommission unter Vorsitz der
Abgeordneten Ekin Deligöz (Bündnis 90/Die Grünen)
bei ihrer jüngsten Sitzung Empfehlungen verabschiedet. Zur
Begründung erklärt die Kommissionsvorsitzende
Deligöz:
Heute hat fast jedes vierte in Deutschland Neugeborene mindestens ein ausländisches Elternteil (2003: 22,5 %). Legt man statt der Staatsangehörigkeit das Kriterium "Migrationshintergrund" zugrunde, so kommt inzwischen ein Drittel der Kinder und Jugendlichen aus Migrantenfamilien. In den Städten Westdeutschlands liegt der Anteil bei den 15-jährigen Jugendlichen sogar bei bis zu 40 %. Betrachtet man die demographische Entwicklung, wird deutlich, dass diese Zahl in naher Zukunft noch steigen wird. Gleichzeitig haben die PISA-Studien der OECD sowie die Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU) mit besorgniserregender Deutlichkeit gezeigt, dass in keinem anderen Vergleichsland die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen derart vom sozialen Status der Eltern abhängen. Unsere Bildungsinstrumente sind nicht in der Lage, soziale Benachteiligung auszugleichen. Das Potential dieser Kinder und Jugendlichen wird bisher nicht ausgeschöpft.
Sprache ist die Schlüsselkompetenz zu Bildungserfolg und Integration
Für den schulischen Erfolg von Schülerinnen und Schülern ist das Sprachverständnis in allen Unterrichtsfächern von überragender Bedeutung. Gleichzeitig weisen immer mehr deutsche wie auch nichtdeutsche Kinder erhebliche sprachliche Rückstände in ihrer Entwicklung auf. So müssen rund die Hälfte aller Kinder mit Deutsch im Zweitspracherwerb als sprachgestört eingestuft werden (vgl. 23 % der deutschen Kinder). Diese Defizite haben enormen Einfluss auf die intellektuelle und soziale Entwicklung. Um hier Verzögerungen vorzubeugen und auszugleichen, braucht es eine systematische intensive Sprachförderung bereits im frühen Kindesalter, die schulbegleitend fortgeführt wird.
In einer zusammenwachsenden Welt von Wissensgesellschaften stellt aber auch das zusätzliche Beherrschen mehrerer Sprachen eine Ressource dar, die wir in Deutschland erkennen und nutzen sollten. Vielfach aber wird Zweisprachigkeit von Kindern nicht als Entwicklungspotential erkannt und gewürdigt, sondern als Sprachdefizit fehlinterpretiert. Dabei stellen Mehrsprachigkeit und interkulturelle Kompetenzen Chancen dar - nicht nur für das jeweilige Kind, sondern auch für die Entwicklung unsere Gesellschaft insgesamt.
Auch Sprachstandserhebungen für Kinder mit und ohne Migrationshintergrund halten wir für ein wichtiges Instrument, um diesen Übergang zu befördern. Diese Tests sind aber nur dann sinnvoll, wenn sie durch gezielte vorschulische Sprachförderangebote ergänzt werden. Eine Reihe von Bundesländern haben hiermit sehr gute Erfahrungen gemacht.
Elternkompetenz stärken
Elternschaft gehört zu den anspruchsvollsten Aufgaben, die das Leben stellt. Das gilt auch und insbesondere für Familien mit Migrationshintergrund, die neben der Erziehung auch sprachliche und kulturelle Hürden zu nehmen haben. In Familien mit Migrationshintergrund kommt in der Regel den Müttern eine Schlüsselrolle zu im Hinblick auf eine Verstärkung der Integrationsbemühungen von Bildungseinrichtungen. Ihre Erziehungsleistung und -kompetenz sollten durch begleitende Sprachkurse und eine interkulturelle Elternarbeit unterstützt werden.
Gewalt in der Erziehung geht auch an Migrantenfamilien nicht vorbei. Jugendliche mit Migrationshintergrund sind dabei häufiger als Täter und Opfer von Gewalt erkennbar und dabei spielt auch der elterliche Erziehungsstil eine entscheidende Rolle. Studien verweisen darauf, dass Jugendliche, die in ihrer Kindheit Gewalt ausgesetzt waren, in höherem Maße Gewalt befürworteten, selbst häufiger Opfer und Täter werden. Gewalt von Eltern und Kindern in der Gesellschaft muss aktiv begegnet werden und erste Schritte sind Stärkung der Elternkompetenz und Schlichtung der Gewalt an Schulen und Bildungseinrichtungen.
Die Kinderkommission empfiehlt:
Integrationsförderung in Kindergärten
Angebot an niedrigschwelligen kostengünstigen, ganztägigen Kindergärtenplätze ausbauen;
Entwicklung eines kohärenten vorschulischen Curriculums, so wie dies die Jugendminister- und Kultusministerkonferenz im letzten Jahr beschlossen haben;
Weiterentwicklung der Ausbildung von Pädagoginnen und Pädagogen im Hinblick auf Kenntnisse (früh)kindlicher Sprachentwicklung und -förderung sowie auf Kenntnisse interkultureller Pädagogik;
Einbeziehung von Fachkräften mit Migrationshintergrund;
Sprachausbildung bereits für Kinder im Vorschulalter, um das Beherrschen der deutschen Sprache bei der Einschulung sicherzustellen.
Modernisierung der schulischen Bildung
weiterer Ausbau von Ganztagsschul-Angeboten;
einen systematischen und schulbegleitenden Unterricht von Deutsch zur Sprachförderung;
die Einbeziehung interkulturellen Lernens und die Festschreibung interkultureller Kompetenzen als Bildungsziel;
Einführung der Kinderrechte in die Rahmenpläne im Sinne der Integrationsförderung.
Förderung der Elternkompetenz
Verstärkte Einbeziehung der Eltern durch vernetzte Angebote der Elternberatung;
Sprachvermittlung für Mütter;
Aufsuchende Jugend- und Sozialarbeit;
Kampagne für gewaltfreie Erziehung in den Sprachen russisch, türkisch, serbisch, kroatisch und polnisch;
Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Gewaltverhalten, Erziehungsstil der Eltern und Bildungshintergrund der Jugendlichen befördern (aufbauend auf die Pfeiffer-Studie kfn).
Heute hat fast jedes vierte in Deutschland Neugeborene mindestens ein ausländisches Elternteil (2003: 22,5 %). Legt man statt der Staatsangehörigkeit das Kriterium "Migrationshintergrund" zugrunde, so kommt inzwischen ein Drittel der Kinder und Jugendlichen aus Migrantenfamilien. In den Städten Westdeutschlands liegt der Anteil bei den 15-jährigen Jugendlichen sogar bei bis zu 40 %. Betrachtet man die demographische Entwicklung, wird deutlich, dass diese Zahl in naher Zukunft noch steigen wird. Gleichzeitig haben die PISA-Studien der OECD sowie die Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU) mit besorgniserregender Deutlichkeit gezeigt, dass in keinem anderen Vergleichsland die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen derart vom sozialen Status der Eltern abhängen. Unsere Bildungsinstrumente sind nicht in der Lage, soziale Benachteiligung auszugleichen. Das Potential dieser Kinder und Jugendlichen wird bisher nicht ausgeschöpft.
Sprache ist die Schlüsselkompetenz zu Bildungserfolg und Integration
Für den schulischen Erfolg von Schülerinnen und Schülern ist das Sprachverständnis in allen Unterrichtsfächern von überragender Bedeutung. Gleichzeitig weisen immer mehr deutsche wie auch nichtdeutsche Kinder erhebliche sprachliche Rückstände in ihrer Entwicklung auf. So müssen rund die Hälfte aller Kinder mit Deutsch im Zweitspracherwerb als sprachgestört eingestuft werden (vgl. 23 % der deutschen Kinder). Diese Defizite haben enormen Einfluss auf die intellektuelle und soziale Entwicklung. Um hier Verzögerungen vorzubeugen und auszugleichen, braucht es eine systematische intensive Sprachförderung bereits im frühen Kindesalter, die schulbegleitend fortgeführt wird.
In einer zusammenwachsenden Welt von Wissensgesellschaften stellt aber auch das zusätzliche Beherrschen mehrerer Sprachen eine Ressource dar, die wir in Deutschland erkennen und nutzen sollten. Vielfach aber wird Zweisprachigkeit von Kindern nicht als Entwicklungspotential erkannt und gewürdigt, sondern als Sprachdefizit fehlinterpretiert. Dabei stellen Mehrsprachigkeit und interkulturelle Kompetenzen Chancen dar - nicht nur für das jeweilige Kind, sondern auch für die Entwicklung unsere Gesellschaft insgesamt.
Auch Sprachstandserhebungen für Kinder mit und ohne Migrationshintergrund halten wir für ein wichtiges Instrument, um diesen Übergang zu befördern. Diese Tests sind aber nur dann sinnvoll, wenn sie durch gezielte vorschulische Sprachförderangebote ergänzt werden. Eine Reihe von Bundesländern haben hiermit sehr gute Erfahrungen gemacht.
Elternkompetenz stärken
Elternschaft gehört zu den anspruchsvollsten Aufgaben, die das Leben stellt. Das gilt auch und insbesondere für Familien mit Migrationshintergrund, die neben der Erziehung auch sprachliche und kulturelle Hürden zu nehmen haben. In Familien mit Migrationshintergrund kommt in der Regel den Müttern eine Schlüsselrolle zu im Hinblick auf eine Verstärkung der Integrationsbemühungen von Bildungseinrichtungen. Ihre Erziehungsleistung und -kompetenz sollten durch begleitende Sprachkurse und eine interkulturelle Elternarbeit unterstützt werden.
Gewalt in der Erziehung geht auch an Migrantenfamilien nicht vorbei. Jugendliche mit Migrationshintergrund sind dabei häufiger als Täter und Opfer von Gewalt erkennbar und dabei spielt auch der elterliche Erziehungsstil eine entscheidende Rolle. Studien verweisen darauf, dass Jugendliche, die in ihrer Kindheit Gewalt ausgesetzt waren, in höherem Maße Gewalt befürworteten, selbst häufiger Opfer und Täter werden. Gewalt von Eltern und Kindern in der Gesellschaft muss aktiv begegnet werden und erste Schritte sind Stärkung der Elternkompetenz und Schlichtung der Gewalt an Schulen und Bildungseinrichtungen.
Die Kinderkommission empfiehlt:
Integrationsförderung in Kindergärten
Angebot an niedrigschwelligen kostengünstigen, ganztägigen Kindergärtenplätze ausbauen;
Entwicklung eines kohärenten vorschulischen Curriculums, so wie dies die Jugendminister- und Kultusministerkonferenz im letzten Jahr beschlossen haben;
Weiterentwicklung der Ausbildung von Pädagoginnen und Pädagogen im Hinblick auf Kenntnisse (früh)kindlicher Sprachentwicklung und -förderung sowie auf Kenntnisse interkultureller Pädagogik;
Einbeziehung von Fachkräften mit Migrationshintergrund;
Sprachausbildung bereits für Kinder im Vorschulalter, um das Beherrschen der deutschen Sprache bei der Einschulung sicherzustellen.
Modernisierung der schulischen Bildung
weiterer Ausbau von Ganztagsschul-Angeboten;
einen systematischen und schulbegleitenden Unterricht von Deutsch zur Sprachförderung;
die Einbeziehung interkulturellen Lernens und die Festschreibung interkultureller Kompetenzen als Bildungsziel;
Einführung der Kinderrechte in die Rahmenpläne im Sinne der Integrationsförderung.
Förderung der Elternkompetenz
Verstärkte Einbeziehung der Eltern durch vernetzte Angebote der Elternberatung;
Sprachvermittlung für Mütter;
Aufsuchende Jugend- und Sozialarbeit;
Kampagne für gewaltfreie Erziehung in den Sprachen russisch, türkisch, serbisch, kroatisch und polnisch;
Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Gewaltverhalten, Erziehungsstil der Eltern und Bildungshintergrund der Jugendlichen befördern (aufbauend auf die Pfeiffer-Studie kfn).
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Quelle:
http://www.bundestag.de/aktuell/presse/2005/pz_050322