Gefragt – geantwortet
An den Besucherdienst des Bundestages werden viele Fragen gerichtet. Kinan Jaeger, freier Mitarbeiter des Besucherdienstes, beantwortet für die Leser von Blickpunkt Bundestag die meistgestellten Fragen der Besucher.
Wie passen Fraktionsdisziplin und Gewissensfreiheit zusammen?
Nach Artikel 38 des Grundgesetzes sind die Abgeordneten „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“. Um jedoch die Geschlossenheit einer Fraktion zu gewährleisten, werden deren Mitglieder zur Fraktionsdisziplin angehalten. Dies bedeutet, dass ein Abgeordneter bei Abstimmungen dem Mehrheitswillen der Fraktion entsprechen sollte. Entschließen sich Abgeordnete aus Gewissensgründen zur Abstimmung gegen die Mehrheit, so wird erwartet, dass sie dies dem Parlamentarischen Geschäftsführer im Vorfeld mitteilen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass im Plenum Ergebnisse erzielt werden, die nicht im Sinne der Fraktionen liegen. Eine Testabstimmung innerhalb der Fraktion gibt Aufschluss über die Zahl möglicher Abweichler. Gegebenenfalls wird versucht, einen Kompromiss anzusteuern. Die Fraktionsdisziplin wird allgemein akzeptiert, obwohl sie nirgendwo schriftlich niedergelegt ist. Tatsächlich verdanken alle Abgeordneten ihren Einzug ins Parlament einer Partei, für deren politische Richtung sie stehen. Eine gewisse Loyalität wird daher vorausgesetzt.
Bei namentlichen Abstimmungen lässt sich beobachten, dass die Parlamentarischen Geschäftsführer ihre Stimmkarte an der Urne deutlich sichtbar bereit halten, um die Abgeordneten an den Mehrheitsbeschluss der Fraktion zu erinnern. Im Falle tatsächlicher Gewissensentscheidungen wird die Fraktionsdisziplin zuvor erklärtermaßen aufgehoben. Ein Beispiel dafür war die Abstimmung über die zukünftige Hauptstadt am 20. Juni 1991.