Sachverständiger: "Die deutsche Rechenschaftslegung ist die Beste der Welt"
Berlin: (hib/WOL) Das geltende Parteiengesetz ist besser als sein Ruf und "die deutsche Rechenschaftslegung die Beste der Welt". Praxis und Gesetzgebung aller anderen westlichen Demokratien bleiben dahinter weit zurück. Nur Kanada, Großbritannien und Deutschland versuchen ihre Parteifinanzierung durch angemessene Regelungen zu gestalten. Dies erklärte Professor Karl-Heinz Nassmacher, Institut für Politikwissenschaft der Universität Oldenburg, am 28. Februar in der öffentlichen Anhörung des Innenausschusses zur Änderung des Parteiengesetzes ( 14/7778, 14/7441, 14/2719). Nach den Skandalen von 1999 und 2000 sei vor allem Klarstellung erforderlich. Was für Normalbürger selbstverständlich sei, müsse sich im veränderten Gesetzestext wiederfinden. Dies gelte für die Regelung von Beiträgen der Fraktionsmitglieder, für Vermächtnisse oder Nachlässe als Spenden oder für ein Spendenverbot durch öffentliche Unternehmen. Die geplante Umstellung der Parteienfinanzen auf kaufmännische Buchführung nütze nicht, schade aber auch nicht: "Bisherige Probleme lagen nicht in der Buchführung, sondern im klaren Willen, ein Gesetz zu missachten".
Professor Ernst Mahrenholz bezeichnete die Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes, eine Veröffentlichung der Namen von Spendern hoher Geldleistungen banne die Gefahr eines politischen Einflusses, als nicht sehr realistisch. Öffentlichkeit als unabdingbare Voraussetzung des politischen Betriebes sei unzureichend, wenn Informationen den politisch interessierten Bürger nicht erreichten. Die Medien würden aber Namen und Anschriften dieser Spender meist nicht oder bei erst einem skandalierenden Umfeld verbreiten, wie beim Ehepaar Eherding mit 5,9 Millionen DM. Privatdozentin Andrea Römmele von der Universität Mannheim bestätigte, das Regelsystem der Parteifinanzierung von 1993 habe sich in seinen Grundzügen bewährt. Zu empfehlen seien kleinere Kurskorrekturen auf Grundlage der praktischen Erfahrungen und Ergebnisse des Untersuchungsausschusses. Begrüßt wird auch die Absicht, handelsrechtliche Bestimmungen stringenter anzuwenden und so nachvollziehbar zu machen, woher Geld gekommen und wohin es gegangen sei. Die zeitnahe Veröffentlichung von Großspenden ab 50.000 € sei zwar zu begrüßen, der effektivste Schutz gegen eine Einflussnahme sei aber die Spendenbegrenzung.
Professor Rosemarie Will, Juristische Fakultät der Humboldt-Universität Berlin sprach die mögliche Verfassungswidrigkeit des sogenannten Dreiländerquorums an, wonach eine Partei künftig in drei, statt in einem Land einen ausreichenden Prozentanteil der Stimmen gewinnen müsse, um eine Zuwendung zu erhalten. Dies bedeute nicht nur ein politischen Eingriff in die eigene Schwerpunktsetzung von Parteien, sondern erschwere kleineren und neuen Parteien bei gleichzeitiger Verschärfung des Wettbewerbs den Zugang zum Parlament. Will ging auch dem Verhältnis von Wählerstimmen durch entsprechende staatliche Zuwendungen nach und sagte, jede abgewogene Neuegelung würde mit der nächsten ‚Inflationsbereinigung‘ bereits wieder zunichte gemacht. Christofer Lenz, Fachanwalt für Verwaltungsrecht erklärte, jede Novellierung des Parteiengesetzes müsse sich rechts- und verfassungspolitisch daran orientieren, Transparenz vor Sanktion zu stellen und Laienkonformität vor eine perfekte Regelung. Änderungen müssten grundsätzlich wettbewerbsneutral sein und dürften nicht zur Verschiebung der Gewichte zwischen politischen Parteien und Lagern führen. Einzig zulässige Ausnahme sei der Abbau verfahrensrechtlich nicht hinnehmbarer Verzerrungen.