Experten für verstärktes Engagement in der Alterungs- und Altersforschung
Berlin: (hib/HAU) Die Entwicklung in der Alterungs- und Altersforschung muss verstärkt und mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt werden. Mit dieser einhelligen Grundaussage begrüßten Sachverständige und Experten am Mittwochvormittag bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung die Anträge der FDP-Fraktion ( 14/5464) und der CDU/CSU-Fraktion ( 14/8105). Beide Vorlagen verlangen ein verstärktes Engagement in der Altersforschung (Gerontologie) und eine Erhöhung der dafür zur Verfügung gestellten Forschungsmittel.
Professor Clemens Tesch-Römer vom Deutschen Zentrum für Altersfragen, Berlin, forderte eine interdisziplinäre Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Altersforschung. Neben der molekularbiologischen und medizinischen Altersforschung müsse insbesondere die sozial- und verhaltenswissenschaftliche Altersforschung gefördert werden. Außerdem sollte eine nationale Forschungskoordination in diesem Bereich aufgebaut werden. Professor Paul B. Baltes vom Berliner Max-Planck-Institut stimmte dem zu. Alter und Altern seien multi- und interdisziplinäre Phänomene, die einer gesamtheitlichen und auf Langzeit ausgerichteten Forschungsförderung bedürfen. Zur Zeit sei die Altersforschung in Deutschland unterentwickelt, unter anderem weil sie deutlich unterfinanziert sei, so der Experte. Professor Hermann Brenner vom Deutschen Zentrum für Altersforschung, Heidelberg, begrüßte grundsätzlich die Anträge, warnte aber, bei aller Bedeutung der molekularbiologischen Forschung, vor einer ausschließlichen Fokussierung auf dieses Gebiet. Zur Lösung der komplexen Herausforderung sei ein interdisziplinäres Gesamtkonzept nötig.
Die ehemalige Bundesministerin Professor Ursula Lehr kritisierte das "negative Altersbild" in der Öffentlichkeit. Den Stärken und Potenzialen älterer Menschen werde im Vergleich zu Schwächen und Risiken des Alters gegenwärtig zu wenig Aufmerksamkeit eingeräumt. Die Frage bei älteren Arbeitnehmern dürfe nicht nur sein: Was können sie nicht mehr? Gefragt werden müsse auch: Was können sie besonders gut. Aus Sicht des Sportmediziners Professor Winfried Banzer von der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main können selbst bei Hochbetagten körperliche Aktivitäten von moderater Intensität, sofern sie regelmäßig vorgenommen werden, eine effektive Methode zur Prävention und Reduktion multipler altersabhängiger Funktionsdefizite sein. Verbesserte körperliche Fähigkeiten würden auch die Lebensqualität älterer Menschen verbessern. Der Vertreter des Sozialwissenschaftlichen Forschungszentrums Berlin-Brandenburg, Professor Gunnar Winkler, forderte den Auf- und Ausbau einer wissenschaftlichen Sozialberichterstattung im Bereich des Alterns. Bisher gebe es eine relativ einseitige Konzentration der Sozialberichterstattung auf die Jahrgänge im Erwerbsalter.
Der Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie, Dr. J. Bruder, wies auf das altersabhängig stark zunehmende Erkrankungsrisiko an Demenz hin. 50 Prozent der 8.000 Plätze in staatlichen Pflegeeinrichtungen werden von Demenzkranken eingenommen. Die Pflegeinstitutionen wurden von diesem rasch wachsenden Problem fast überrollt, so der Sachverständige. Notwendig sei daher eine verstärkte Vorsorgeforschung, die allerdings "erheblicher" finanzieller Mittel bedürfe.