Schily würdigt "gewaltige logistische Leistung" der Hilfskräfte
Berlin: (hib/SAS) "Nach Meinung aller Experten handelt es sich bei der Hochwasserkatastrophe um die schwersten Verwüstungen seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges", erklärte Bundesinnenminister Otto Schily gegenüber dem Innenausschuss am Mittwochmorgen. Seinen Angaben zufolge führten 800 Flusskilometer von Donau, Mulde und Elbe Hochwasser. Auch wenn sich die Lage an den Deichen mit fallenden Pegelständen entspannt habe und die Elbe für die Binnenschifffahrt möglicherweise ab morgen bereits frei gegeben werden könne, äußerte der Bundesinnenminister auch die Sorge, dass es zu neuen Regenfällen kommen könne. Er dankte den 50.000 Einsatzkräften von Bundesgrenzschutz (BGS), Technischem Hilfswerk (THW) und Bundeswehr für deren "gewaltige logistische Leistung". So habe allein der BGS bei 566 Einsätzen etwa 2400 Menschen unter schwierigen Bedingungen gerettet. Auch seien 38 Millionen Sandsäcke verfrachtet worden und angeforderte Taucher oder Schlauchboote innerhalb von zwei Stunden an Ort und Stelle gewesen. Dem raschen Eingreifen der Hilfskräfte sei es auch zu verdanken, dass die Bundesautobahn A9 zwischen Berlin und Nürnberg sowie der zum UNESCO-Welterbe gehörende Wörlitzer Park vor einer Überflutung bewahrt werden konnten. Trotzdem seien die Schäden beträchtlich: allein in Sachsen, wo 40.000 Menschen evakuiert werden mussten, seien zwei Drittel der gesamten Landesfläche von den Fluten überschwemmt worden. In diesem Bundesland seien auch die größten Schäden am Schienennetz - insgesamt 700 Kilometer von bundesweit derzeit 820 geschätzten km - zu verzeichnen.
Fraktionsübergreifend wurden der besondere Einsatz von BGS, Bundeswehr und THW sowie die große Hilfsbereitschaft der Bevölkerung gewürdigt. Die CDU/CSU-Fraktion nannte den Einsatz "vorbildlich". Mit Blick auf die von der Bundesregierung zur Verfügung gestellten finanziellen Sofortmittel bezeichnete die SPD-Fraktion die Arbeit der Exekutive als "zupackend und den Menschen zugewandt". Die Grünen nannten es ein "gutes Signal für den Zustand unseres Landes, dass die Hilfsbereitschaft so unmittelbar mobilisierbar war". Aus Sicht der FDP stellen die bisher von privater Hand gespendeten 130 Millionen Euro einen guten Weg dar, um auch auf von der Flutkatastrophe betroffene Einzelschicksale eingehen zu können. "Katastrophen fallen nicht vom Himmel", lautete das Fazit der PDS. Diese drang darauf, die Ursachen der Hochwasserkatastrophe - etwa Flussbegradigungen - genau zu analysieren, und kritisierte, dass der Zivil- und Katastrophenschutz - bedingt durch Einsparungen im vergangenen Jahrzehnt - mit technischem Gerät schlecht ausgerüstet und vorbereitet gewesen sei. Dem hielt der Innenminister entgegen, die Bundesregierung habe die Mittel des THW in ihrer Amtszeit um 25 Millionen Euro aufgestockt.
Was die bisherige Zweiteilung beim Zivil- und Katastrophenschutz angehe, so trat Schily dafür ein, in Richtung eines integrierten Zivil- und Katastrophenschutzes zu steuern. Eine solche Diskussion könne allerdings erst dann erfolgen, wenn man die Schwachstellen in der Koordination der Hilfskräfte bei der diesjährigen Hochwasserkatastrophe analysiert habe. Nach Ansicht des Bundesinnenministers ist eine zentrale Anlaufstelle für eine effektive Koordinierung der Hilfsmaßnahmen dabei nicht notwendig. Eine dezentrale Struktur, wie sie derzeit auf Länderebene besteht, sei der Situation und der notwendigen Flexibilität angepasst.