220. Sitzung
Berlin, Donnerstag, den 07. Mai 2009
Beginn: 09.00 Uhr
* * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *
* * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *
* * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *
220. Sitzung
Berlin, Donnerstag, den 7. Mai 2009
Beginn: 9.02 Uhr
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Die Sitzung ist eröffnet.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie alle herzlich.
Wie meistens am Donnerstagvormittag gibt es einige Mitteilungen, bevor wir in unsere Tagesordnung eintreten.
Zunächst möchte ich den Kollegen Walter Kolbow, Dr. Hermann Scheer und Dr. Gernot Erler zu ihren 65. Geburtstagen gratulieren, die sie vor einigen Tagen begangen haben.
Es gibt auch zwei 60. Geburtstage, und zwar der Kollegen Dr. Hans Michelbach und Rüdiger Veit. Im Namen des ganzen Hauses gratuliere ich den Jubilaren nachträglich auch auf diesem Wege herzlich und wünsche alles Gute.
Interfraktionell ist vereinbart worden, die heutige Tagesordnung um die in der weiteren Zusatzpunktliste aufgeführten Punkte zu erweitern:
ZP 4 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren
(Ergänzung zu TOP 38)
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Verletzten und Zeugen im Strafverfahren (2. Opferrechtsreformgesetz)
- Drucksache 16/12812 -
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)
Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
b) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Helfer der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk
- Drucksache 16/12854 -
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
c) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus
- Drucksache 16/12855 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit (f)
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
d) Erste Beratung des von den Abgeordneten Josef Philip Winkler, Volker Beck (Köln), Ekin Deligöz, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Streichung des Optionszwangs aus dem Staatsangehörigkeitsrecht
- Drucksache 16/12849 -
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Horst Meierhofer, Frank Schäffler, Michael Kauch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Steuerprivilegien öffentlich-rechtlicher Unternehmen abschaffen - Fairen Wettbewerb auch in der Abfallwirtschaft ermöglichen
- Drucksache 16/5728 -
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)
Innenausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Gisela Piltz, Detlef Parr, Dr. Max Stadler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Datei ?Gewalttäter Sport? auf verfassungsmäßige Grundlage stellen
- Drucksache 16/11752 -
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)
Sportausschuss
Rechtsausschuss
g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulrike Höfken, Thilo Hoppe, Ute Koczy, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Milch-Exportsubventionen sofort stoppen - Weitere Zerstörung der Märkte in Entwicklungsländern verhindern
- Drucksache 16/12308 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (f)
Finanzausschuss
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
h) Beratung des Antrags der Abgeordneten Gisela Piltz, Dr. Max Stadler, Christian Ahrendt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Gemeinsames Internetzentrum auf gesetzliche Grundlage stellen
- Drucksache 16/12471 -
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)
Rechtsausschuss
i) Beratung des Antrags der Abgeordneten Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Gisela Piltz, Dr. Max Stadler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Europarechtskonformes und nachvollziehbares Nachzugsrecht schaffen - Metock-Urteil des EuGH sofort gesetzlich verankern
- Drucksache 16/12732 -
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
j) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ingbert Liebing, Marie-Luise Dött, Peter Bleser, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Mechthild Rawert, Christoph Pries, Marco Bülow, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Delfinschutz voranbringen
- Drucksache 16/12868 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
(f)
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
ZP 5 Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache
(Ergänzung zu TOP 39)
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Monika Grütters, Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Peter Albach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU,
der Abgeordneten Steffen Reiche (Cottbus), Monika Griefahn, Dr. Herta Däubler-Gmelin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Christoph Waitz, Burkhardt Müller-Sönksen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Schutz des Klosters Mor Gabriel sicherstellen
- Drucksache 16/12866 -
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Lukrezia Jochimsen, Dr. Petra Sitte, Cornelia Hirsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Dauerhaften Schutz des Klosters Mor Gabriel sicherstellen
- Drucksache 16/12848 -
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Claudia Roth (Augsburg), Ekin Deligöz, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Schutz des Klosters Mor Gabriel sicherstellen
- Drucksache 16/12867 -
d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden (inkl. 16933/08 ADD 1 und 16933/08 ADD 2) (ADD 1 in Englisch)
KOM(2008) 817 endg.; Ratsdok. 16933/08
- Drucksachen 16/11721 Nr. A.10, 16/12897 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Michael Grosse-Brömer
Dirk Manzewski
Mechthild Dyckmans
Sevim Dagdelen
Jerzy Montag
ZP 6 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD:
Gemeinsam gegen Gewalt - Ächtung der Ausschreitungen und schweren Gewaltstraftaten am 1. Mai
ZP 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Markus Kurth, Brigitte Pothmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Erwerbsminderungsrente gerechter gestalten
- Drucksache 16/12865 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Haushaltsausschuss
Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, soweit erforderlich, abgewichen werden.
Der Tagesordnungspunkt 38 f wird abgesetzt.
Sind Sie damit einverstanden? - Das sieht so aus. Dann ist das so beschlossen.
Wir kommen dann zu den Tagesordnungspunkten 15 a und 15 b:
a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung (Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz)
- Drucksache 16/12852 -
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)
Auswärtiger Ausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
Haushaltsausschuss
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses (7. Ausschuss)
- zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD
Steuerhinterziehung bekämpfen
- zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Volker Wissing, Dr. Hermann Otto Solms, Carl-Ludwig Thiele, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Steuervollzug effektiver machen
- zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Volker Wissing, Frank Schäffler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Umstellung der Umsatzsteuer von der Soll- auf die Istbesteuerung
- zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Herbert Schui, Dr. Barbara Höll, Werner Dreibus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Bundesverantwortung für den Steuervollzug wahrnehmen
- zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost, Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und der Fraktion DIE LINKE
Steuermissbrauch wirksam bekämpfen - Vorhandene Steuerquellen erschließen
- zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Wolfgang Ne¨kovic, Ulla Lötzer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Steuerhinterziehung bekämpfen - Steueroasen austrocknen
- zu dem Antrag der Abgeordneten Christine Scheel, Kerstin Andreae, Birgitt Bender, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Keine Hintertür für Steuerhinterzieher
- Drucksachen 16/11389, 16/11734, 16/9836, 16/9479, 16/9166, 16/9168, 16/9421, 16/12826 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Manfred Kolbe
Lothar Binding (Heidelberg)
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst dem Kollegen Lothar Binding für die SPD-Fraktion.
Lothar Binding (Heidelberg) (SPD):
Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Viele Bürgerinnen und Bürger in Deutschland brauchen keine Steuern zu zahlen. Von den Bürgerinnen und Bürgern, die Steuern zahlen müssen, sind viele sehr fair; denn sie zahlen ihre Steuern korrekt. Es gibt aber einzelne Steuerbürger, die denken, sie brauchten sich nicht daran zu erinnern, dass sie, nachdem sie Gewinne gemacht und hohe Einkommen erzielt haben, auch Steuern zu zahlen haben. Diesem unfairen Verhalten und der daraus entstehenden Ungerechtigkeit wollen wir mit diesem Gesetz zur Steuerhinterziehungsbekämpfung begegnen.
Wir glauben, dass es sehr gut ist, dass unser Staat Doppelbesteuerungsabkommen zum Schutz der Bürger trifft. Wenn jemand zum Beispiel in den USA ein Einkommen hat, soll er es dort versteuern. Wenn es dort versteuert wird, ist dieses Einkommen des Deutschen in Deutschland steuerfrei gestellt. Oder: Wenn er in den USA eine Steuer von zum Beispiel 10 Prozent zahlt, es bei uns aber 30 Prozent wären, dann soll er hier 20 Prozent nachversteuern, sodass insgesamt immer die Steuern gezahlt werden sollen, die auch derjenige zu zahlen hat, der in dem Land wohnt, in dem derjenige, der auch im Ausland Steuern zahlen muss, steuerpflichtig ist.
Jetzt können sich vor dem Hintergrund dieser 100 Abkommen aber manche Länder so verhalten, dass sie sich mit Menschen verbünden, die die Zahlung von Steuern hintergehen, die Steuern hinterziehen wollen. Nun kann man sagen: Das ist kein Problem. Man könnte mit diesen Ländern ja einfach einen Informationsaustausch verabreden und damit die Steuerbürger zu einer korrekten Steuerzahlung motivieren.
Jetzt stoßen wir auf das erste Problem, wenn manche Länder sagen: ?Lasst uns den Betrug bekämpfen! Betrug ist schlecht? und wir feststellen: Da betrügt jemand, weil er Steuern hinterzieht. - Wenn man nun das andere Land bittet, zu helfen, diesen Steuerbetrug zu bekämpfen, dann wird in diesem Land gesagt: Da habt ihr Pech; denn Steuerbetrug ist bei uns kein Betrug. Auch Steuerhinterziehung ist bei uns kein Betrug. Erst in Verbindung mit einer Urkundenfälschung zum Beispiel wird es zu einem Betrug. - Der Steuerbürger zieht sich glücklich zurück und sagt: In diesem Land halte ich mich gerne auf, weil dort etwas kein Betrug ist, was in Deutschland Betrug ist.
So etwas macht die Sache extrem kompliziert. Deshalb können wir Peer Steinbrück nur gratulieren, dass er im Rahmen der G 20 und auch in Zusammenarbeit mit der OECD Regeln gefunden hat, wie wir Steuerbetrüger international in ihre Schranken weisen und sie motivieren, in ihren eigenen Ländern ihre Steuern fair zu zahlen.
Wir bezeichnen die von mir geschilderte Situation so, dass Staaten ihren Auskunftspflichten nicht nachkommen und nicht mit unseren Steuerbehörden kooperieren. Tatsächlich ist es aber so, dass es diese Staaten ganz bewusst darauf anlegen, deutsche Steuerbürger mit bestimmten Einkünften in ihr Land zu locken, um sie steuerfrei zu stellen. Damit lassen sie den anderen Steuerbürgern aus Deutschland Unfairness angedeihen. Das wollen wir natürlich nicht. Deshalb sind wir sehr froh, dass uns die OECD jetzt intensiv unterstützt.
Gelegentlich wird Kritik an dem vorgelegten Gesetzentwurf geübt. Erst kürzlich hat ein Kollege von der FDP gesagt, er sei überflüssig, weil die OECD-Liste inzwischen sehr kurz sei und die schwarze Liste gar keine Staaten mehr enthalte. Wer aber genauer hinsieht, merkt, dass auch andere Länder unserer Meinung sind. Nehmen Sie Griechenland, Italien,
Kanada, Spanien, Polen und Portugal. All diese Länder gehen einen ähnlichen Weg, weil sie das gleiche Problem haben und Steueroasen diesen Ländern einen großen Schaden zufügen. Wer diesen Schaden bekämpfen will, muss sich überlegen, ob er anders kooperiert als bisher. 17 OECD-Mitgliedstaaten verfolgen übrigens die gleiche Idee wie wir.
Für jemanden, der mit den Einzelheiten nicht sehr vertraut ist, möchte ich es an einem Beispiel klarmachen. Wenn zum Beispiel eine GmbH in München Gewinnanteile von einer ausländischen Tochter in einer Steueroase bekommt, dann ist es üblicherweise so, dass diese Gewinnanteile, also die Dividenden, in Deutschland steuerfrei gestellt sind. Jetzt kann man fragen: Wieso ist die Dividende eigentlich steuerfrei gestellt? Das ist eine Frechheit. Dividenden müssen doch besteuert werden. - Das stimmt, aber erst dann, wenn die Dividenden in die private Sphäre übernommen werden. Solange diese Dividenden oder Gewinnanteile in der unternehmerischen Sphäre verbleiben - wir befürworten es ja, wenn die Unternehmer investieren -, werden diese Gewinne steuerfrei gestellt.
Das neue Gesetz funktioniert ganz einfach: Wenn ein Steuerbürger mit den deutschen Steuerbehörden kooperiert und ihnen sagt, zu welchem Zweck er in einem anderen Land engagiert ist und wie seine Geschäftsbeziehungen mit diesem Land organisiert sind, bleibt die Steuerfreiheit erhalten. Wenn der Steuerbürger aber meint, er müsse das alles geheim halten und alles solle unter der Decke bleiben - das wird ja von vielen als Kavaliersdelikt bezeichnet -, dann ist die Idee dieses Gesetzes, dass gesagt wird: Wenn das so ist, dann fällt die Steuerfreiheit weg. Es wird also ein Vorteil genommen, wenn man nicht kooperiert.
Das ist natürlich eine sehr gute Sache. Das ist ähnlich der Situation, dass ein Dieb befürchten muss, dass er inhaftiert wird. Ein Mensch aber, der nicht stiehlt, braucht diese Befürchtung nicht zu haben. Insofern ist es völlig klar: Wer keinen Diebstahl begeht, hat nichts zu befürchten.
Im anderen Fall wollen wir allerdings nicht nur drohen, sondern auch ernst machen, allerdings nicht unmittelbar sofort und per Gesetz, sondern wir wollen die Regierung ermächtigen, im richtigen Zeitpunkt den richtigen Erlass zu formulieren, um dieser Drohung bei Bedarf Wirkung zu verschaffen. Das ist natürlich eine sehr gute Sache,
weil wir damit niemanden unter Generalverdacht stellen. Die Exekutive kann sehen, ob die Kooperation mit anderen Staaten funktioniert oder nicht, und die Steuerbehörden können unmittelbar sehen, wer kooperiert und wer nicht. Bei Bedarf können sofort Maßnahmen in Kraft gesetzt werden, um die Steuerbürger ehrlich zu machen.
Ich glaube, ein Gesetzentwurf, mit dem den Menschen geholfen wird, sich ehrlich zu machen, ist ein sehr guter Gesetzentwurf. Deshalb bin ich auch sehr optimistisch, dass wir einen großen Schritt auf dem Weg zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung weitergekommen sind. Ich glaube, dass es schon lange an der Zeit war, das zu tun. Manche Skandale, durch die den Bürgern die Dringlichkeit verdeutlicht wurde, sind uns dabei sehr zupassgekommen.
Ich möchte jeden Steuerbürger, der seine Steuern ehrlich zahlt, beglückwünschen. Nun sind wir mit diesem Gesetzentwurf dabei, auch alle anderen in diese Richtung zu bewegen.
Schönen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Dr. Hermann Otto Solms von der FDP-Fraktion ist der nächste Redner.
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung legt uns heute den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung vor. Wer wollte etwas dagegen haben? Natürlich muss Steuerhinterziehung bekämpft werden.
- Einen Moment! Sie müssen auf den Inhalt achten.
Wenn man sich den Inhalt ansieht, muss man sagen: Das ist kein Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung, sondern ein Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Steueroasen. Das genau ist der Inhalt. Steueroasen sind Länder, die sich nicht bereit erklären, den Steuerstandards der OECD zu folgen. So ist es definiert.
Sie müssen dann in der Liste der OECD nachschauen, welche Länder gemeint sind. Diese Liste aus dem Internet können Sie sich ausdrucken lassen. Sie stellen dann fest, dass auf der sogenannten schwarzen Liste kein einziges Land steht. Alle Länder, die früher draufstanden, haben offiziell erklärt und zugesagt, dass sie sich diesen Standards unterwerfen und dass sie mitarbeiten und bei der Verfolgung von Steuerhinterziehung kooperieren.
Sie haben also einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung von etwas gemacht, was gar nicht vorhanden ist.
Ich habe gelernt, dass man Gesetzentwürfe dann vorlegen soll, wenn es notwendig ist. Wenn es nicht notwendig ist, soll man keine Gesetzentwürfe vorlegen, weil man sie nicht braucht.
Im Übrigen: Im internationalen Umgang und im Umgang mit Nachbarstaaten, also mit befreundeten Staaten wie Österreich, Luxemburg, der Schweiz, Liechtenstein usw.,
ist es doch besser - das war immer unsere gemeinsame Politik -, zu verhandeln, um zu Ergebnissen zu kommen, statt mit Kraftmeierei zu drohen und Verbalradikalismus an den Tag zu legen,
der dem Bundesfinanzminister leider zu eigen ist. Das Bedauerliche an seiner Wortwahl ist, dass dahinter häufig ein völlig unklares Geschichtsbild steht.
Er hat zum Beispiel gesagt, die 7. Kavallerie in Fort Yuma solle man ausreiten lassen. Die Indianer müssten wissen, dass es sie gibt. - Mit den Indianern meinte er offenkundig die Schweizer und mit der 7. Kavallerie die deutschen Ermittlungsbehörden. Wenn Sie die Geschichte richtig in Erinnerung haben würden, dann wüssten Sie, dass die 7. Kavallerie unter General Custer am Little Big Horn in eine Falle der Indianer gegangen und vernichtet worden ist. Wollen Sie also, dass die Schweizer den deutschen Ermittlungsbehörden Fallen bauen, um sie zu vernichten? Wollen Sie sie in das Unglück hineinreiten lassen?
Jetzt haben Sie einen anderen Vergleich gebracht, nämlich den mit Burkina Faso. Sie haben gesagt, Luxemburg, Liechtenstein, die Schweiz, Österreich und Ouagadougou stünden unter Verdacht. Nun sollten Sie aufgrund Ihrer Geografiekenntnisse wissen, dass Ouagadougou kein Land, sondern die Hauptstadt von Burkina Faso ist. Dieses Land steht überhaupt nicht auf der Liste der OECD und auch nicht auf der grauen Liste. Wahrscheinlich haben Sie es mit Liberia verwechselt; denn das steht auf der grauen Liste. Dieses Land liegt allerdings tausend Kilometer entfernt.
Es wäre gut, wenn Sie Ihre Bilder richtigstellen und von diesen Verbalradikalismen Abstand nehmen würden. Es wäre besser, Sie würden mit befreundeten Ländern verhandeln, statt sie zu bedrohen.
Das gilt insbesondere gegenüber der Schweiz, die ihren Demokratieprozess bereits 1291 begonnen hat, also gegenüber einem Land mit einer langen demokratischen Tradition. Die Schweiz könnte auch heute noch Vorbild für uns sein; denken Sie nur an die Instrumente der direkten Demokratie in der Schweiz. Wir haben den Schweizern keine Vorschriften zu machen. Wir haben sie nicht zu belehren, sondern im Zweifelsfall mit ihnen zu verhandeln, um zu gemeinsamen Ergebnissen zu kommen.
Entscheidend ist aber nicht der Umgang - auch wenn er eine unschöne Sache ist -, sondern die Frage nach den Ursachen der Steuerhinterziehung und der Steuerflucht.
Warum entziehen sich deutsche Steuerbürger der deutschen Besteuerung?
Sie tun das, weil das deutsche Steuerrecht unsäglich kompliziert, unüberschaubar und unverständlich ist.
Wenn Sie erreichen wollen, dass die deutschen Bürger auf Schwarzarbeit und Steuerflucht verzichten, wenn Sie wollen, dass sie darauf verzichten, Investitionen ins Ausland zu verlagern, dann müssen Sie in Deutschland ein Steuerrecht schaffen, das vom Bürger akzeptiert wird; denn der Bürger ist der Souverän des Staates. Der Staat hat den Bürger nicht zu bevormunden, sondern Gesetze zu erlassen, die der Bürger zu akzeptieren bereit ist.
Deswegen ist eine große Steuerreform in diesem Land überfällig.
Sie ist dringend notwendig. Dabei geht es nicht in erster Linie um die Steuersätze, sondern darum, ein einfaches und verständliches Steuerrecht zu schaffen, welches bewirkt, dass die Bürger auf einen fairen Steuerstaat vertrauen. Wenn Sie das geschaffen haben, werden Sie für die Steuerbekämpfung nur noch die geringste Mühe haben.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort erhält nun der Kollege Eduard Oswald für die CDU/CSU-Fraktion.
Eduard Oswald (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jedem muss klar sein: Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt.
Wer keine Steuern zahlt, beteiligt sich nicht an der Finanzierung der Gemeinschaft.
Ohne Steuern ist kein Staat zu machen. Das Zusammenleben der Menschen in einer Gemeinschaft wäre nicht zu organisieren.
Steuerhinterziehung zu bekämpfen, ist auch ein Anliegen, wenn es darum geht, Wettbewerbsverzerrungen zu beseitigen. Mit den Mehreinnahmen können die Steuersätze für ehrliche Steuerbürger gesenkt werden.
Davon würde der ehrliche Steuerbürger also profitieren. Steuerhinterziehung führt zu Wettbewerbsverzerrungen. Unternehmen, die ihre Einnahmen nicht ordnungsgemäß versteuern, haben einen Wettbewerbsvorteil, und Staaten, die Steuerhinterziehung ermöglichen, haben einen Standortvorteil. Diese ungerechtfertigten Vorteile sollen durch die Bekämpfung der Steuerhinterziehung beseitigt werden.
Die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger ist bereit, Steuern zu zahlen. Sie wollen - und das zu Recht -, dass der Staat mit den Einnahmen verantwortungsbewusst umgeht und dass die Steuermittel sinnvoll für die Gemeinschaft eingesetzt werden. Darum muss das Steuerrecht so gestaltet sein, dass es von den Menschen als gerecht empfunden wird.
Wir dürfen nicht zulassen - auch das muss klar sein -, dass Bürgerinnen und Bürger mit einem höheren Einkommen automatisch im Verdacht stehen, Steuern hinterziehen zu wollen. Wir gehen vom ehrlichen Bürger und vom ehrlichen Steuerzahler aus.
Wir werden es auch keinesfalls zulassen, dass ein Unternehmer, der mit dem Ausland Geschäfte macht, schon allein deswegen der Steuerhinterziehung verdächtigt wird. Wer eine Antipathie gegen die sogenannten Reichen entwickelt und suggeriert, sie würden Steuern hinterziehen, spaltet unsere Gesellschaft. Das wäre verhängnisvoll.
Christlich-demokratische und christlich-soziale Politik ist, sich für ein Steuersystem einzusetzen, das einfach, gerecht und, wenn es die Finanzlage zulässt, mit möglichst niedrigen Sätzen gestaltet ist. Trotzdem ist klar: Ohne Steuereinnahmen kann kein Staat, kein Gemeinwesen existieren; ohne Steuern kann eine ausreichende Daseinsfürsorge für all unsere Bürgerinnen und Bürger nicht zur Verfügung gestellt werden. Es ist aber auch immer Aufgabe von uns, den politisch Handelnden, deutlich zu machen, wofür die Steuereinnahmen in Kommunen, Ländern und Bund - wiederum im Interesse der Gemeinschaft - verwendet werden.
Wir stehen inmitten einer sehr schweren und dramatischen weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise. Alle Beteiligten betonen immer wieder, wie wichtig es ist, aus Fehlern zu lernen, die die aktuelle Finanzkrise verursacht haben. Daher hat die Schaffung einer neuen Finanzmarktarchitektur Priorität. Es ist eine Chance in der Krise, dass die Welt hier zusammensteht. Eine bessere Regulierung und Überwachung der Finanzmärkte, -produkte und -akteure ist dringend erforderlich, um die Wiederholung einer solchen Krise zu verhindern. Niemand darf sagen: Nach der Krise gehen wir wieder zur Tagesordnung über und machen es wie vorher.
Zu diesem Thema gehört auch die gemeinsame - ich betone: gemeinsame - strenge Ahndung von Steuerflüchtlingen und Staaten, die möglicherweise die Steuerhinterziehung begünstigen. Im Umgang mit unseren befreundeten Ländern empfehle ich aber allen, sprachlich abzurüsten.
Auch die Lebenserfahrung wohl von uns allen zeigt nicht nur, dass man sich immer zweimal begegnet,
sondern auch, dass es besser ist, mehr miteinander zu reden als übereinander.
Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung soll die Hinterziehung von Steuern durch Nutzung von Staaten und Gebieten erschwert werden, die die Standards der OECD möglicherweise nicht akzeptieren. Zugleich wollen wir die Akzeptanz der OECD-Standards im Bereich des Steuervollzugs fördern. Damit werden die Möglichkeiten eines zeitnahen und flexibleren Handelns im Rahmen eines international abgestimmten Vorgehens verbessert. Wir beschäftigen uns heute mit diesem Gesetzentwurf in erster Lesung.
Diese Maßnahmen stehen nunmehr umfassend - Kollege Lothar Binding hat dies gesagt - unter dem Vorbehalt einer später noch zu verabschiedenden Rechtsverordnung. Der Bundesregierung ist es hierdurch möglich, vor Erlass der Rechtsverordnung zu prüfen, in welchem Zeitraum und Umfang die Staaten ihre Ankündigungen umsetzen, den OECD-Standard beim Informationsaustausch einzuführen. Die mit diesem Gesetz angedrohten Maßnahmen werden dazu führen, dass die Staaten ihre Ankündigungen nun auch in die Tat umsetzen. Einerseits wird also der internationale Druck aufrechterhalten; andererseits kann den Staaten, die sich erst kürzlich bereit erklärt haben, den OECD-Standard einzuführen, die Zeit eingeräumt werden, diesen einzuführen. Ebenso bleibt es möglich, die angedrohten Maßnahmen dann und so anzuwenden, wie es möglicherweise international noch konkreter abgesprochen wird.
Für meine Fraktion sage ich aber: Es muss gewährleistet sein, dass die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates von den Verordnungsermächtigungen nur Gebrauch macht, wenn die Anwendung der mit dem Gesetz angedrohten Maßnahmen das letzte noch erfolgversprechende Mittel ist.
Zuvor müssen alle, insbesondere auch internationale und bilaterale Möglichkeiten ausgeschöpft worden sein, um die Staaten dazu zu bewegen, einen hinreichenden Informationsaustausch zu gewährleisten. Also: miteinander reden, nicht übereinander!
Sanktionsmaßnahmen können nur dann vorgenommen werden, wenn der Steuerpflichtige seinen erhöhten Mitwirkungs- und Nachweispflichten nicht nachgekommen ist. Diese treffen den Steuerpflichtigen bei der Ermittlung von steuerlich relevanten Sachverhalten des Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit Geschäftsbeziehungen zu Staaten und Gebieten, mit denen kein Auskunftsaustausch durchgeführt werden kann, der dem OECD-Standard entspricht. Es wird also nicht das Unterhalten von Geschäftsbeziehungen in unkooperativen Staaten und Gebieten sanktioniert, sondern das unkooperative Verhalten der Steuerpflichtigen. Dies ist übrigens auch europarechtlich gut vertretbar.
Wir haben heute Punkte in einem Bereich zu verabschieden, in dem wir bereits Maßnahmen auf den Weg gebracht haben, um Verbesserungen bei der Bekämpfung der Steuerhinterziehung zu erreichen. So wurden die Möglichkeiten einer Telefonüberwachung beim bandenmäßigen Umsatzsteuerbetrug eingeführt und bei der Steuerhinterziehung in besonders schweren Fällen - gerade auch im Bandenbereich - die Frist für die strafrechtliche Verjährung auf zehn Jahre verdoppelt. Mit diesen Maßnahmen geben wir den Bürgerinnen und Bürgern das Signal: Niemand darf sich der gesellschaftlichen Pflicht, sich am Gemeinwesen zu beteiligen, entziehen.
Globale Finanzströme haben das Thema Steuer und Steuerhinterziehung zu einem globalen Problem gemacht. Unsere Maßnahmen signalisieren auch: Der Ehrliche darf nicht der Dumme sein.
Der ehrliche Steuerzahler darf nicht geschädigt werden.
Wir werden im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens über den heute vorliegenden Gesetzentwurf ausführlich in einer öffentlichen Anhörung mit den Sachverständigen diskutieren. Einzelne Regelungen müssen ohne Zweifel überprüft und auf ihre Angemessenheit hin abgeklopft werden.
Das Ziel der Union ist, erstens das Steuerrecht einfach und gerecht zu gestalten, zweitens die Steuerbelastungen, wo immer dies möglich ist, abzusenken, um den Steuerwiderstand zu vermeiden und Steuerbetrug zu verhindern, und drittens es zu einer Daueraufgabe zu machen, den Steuervollzug so zu gestalten, dass ihn die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehen können. Das ist, glaube ich, eine Daueraufgabe, der sich alle in diesem Parlament stellen sollten.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich erteile das Wort dem Kollegen Oskar Lafontaine für die Fraktion Die Linke.
Oskar Lafontaine (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf sieht bescheidende Verbesserungen zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung vor. Dies ist zu begrüßen.
Die Verbesserungen sind zwar nur sehr bescheiden; gleichwohl sind sie zu unterstützen. Dass die Verbesserungen so bescheiden ausfallen, ist ein Ergebnis der koalitionsinternen Auseinandersetzungen. Die Presse schreibt, dass hier eine abgespeckte Form vorgelegt worden ist. Dies ist sicherlich keine unsachgemäße Beurteilung.
Im Übrigen ist hinzuzufügen, dass wir es nicht für gut halten, dass hier im Grunde genommen nur eine Rechtsverordnung der Regierung erlaubt wird. Wir sind der Auffassung, dass der ständige Drang, das Parlament nicht an wichtigen Entscheidungen zu beteiligen, auch an dieser Stelle falsch ist. Es wäre besser gewesen, das Parlament direkt zu beteiligen.
Für uns ist das Thema Steuerhinterziehung ein Unterthema des allgemeinen Themas Steuergerechtigkeit. Wer Steuerhinterziehung glaubwürdig und glaubhaft bekämpfen will, muss glaubwürdig und glaubhaft sein, wenn es darum geht, Steuergerechtigkeit in diesem Lande herzustellen.
Wenn man die Bilanz der Großen Koalition an dieser Stelle betrachtet, dann sieht man, dass die Mehrwertsteuererhöhung rund 25 Milliarden Euro ausmacht, dass die Absenkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung rund 25 Milliarden Euro ausmacht - davon entfällt die Hälfte auf die Unternehmerseite - und dass eine Unternehmenssteuerreform durchgeführt worden ist; unterschiedliche Schätzungen beziffern hier Entlastungen zwischen 8 und 10 Milliarden Euro. Das ist keine Steuergerechtigkeit, sondern eine Umverteilung von unten nach oben. Daran hat sich überhaupt nichts geändert. Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache.
Es geht aber nicht nur um diese Steuerpolitik, sondern auch um die Behandlung einzelner Themen. Ich habe vorhin Herrn Solms genau zugehört, als er gefragt hat, wer etwas gegen die Bekämpfung der Steuerhinterziehung haben wollte. Es ist klar: Wenn wir einen Antrag gegen Steuerhinterziehung einbringen, werden alle zustimmen. Die entscheidende Frage ist aber, wie glaubwürdig das verbale Bekenntnis ist und ob entsprechend gehandelt wird.
In der Diskussion über das Bankgeheimnis wird sofort klar, dass zumindest Teile dieses Hauses überhaupt nicht bereit sind, Steuerhinterziehung zu bekämpfen.
Der Normalbürger versteht unter Bankgeheimnis, dass der Nachbar nicht einfach nachschauen kann, was man auf dem Konto hat, um dies in der ganzen Nachbarschaft herumzuerzählen oder sonst etwas mit dieser Information zu tun. Dem Normalbürger kommt aber nicht in den Sinn, dass das Bankgeheimnis bedeutet, dass man es Finanzbeamten verbietet, im Zuge ihrer Pflichten Steuerehrlichkeit zu überprüfen, und dass man ihnen keine Informationen über das Bankkonto gibt. Für uns sind Leute, die unter Bankgeheimnis verstehen, dass das Finanzamt keine Kontrollmöglichkeit hat, Hehler der Steuerhinterziehung.
An der Situation hat sich noch nichts geändert, um das einmal in aller Klarheit zu sagen.
Insofern möchte ich sagen: Wenn der Finanzminister beispielsweise verbale Attacken gegen die Länder reitet, die Hehler der Steuerhinterziehung sind, dann hat er unsere Unterstützung. Wir würden uns nur wünschen, dass die kräftigen Worte auch von kräftigem Handeln begleitet werden. Dann würden wir Ihnen noch viel mehr zustimmen, Herr Bundesfinanzminister.
Was die Steuerpolitik betrifft, fand allerdings nicht nur eine leidige Diskussion über das Bankgeheimnis statt. Bis vor einiger Zeit gab es sogar noch eine Amnestie für Steuersünder. Wer vor einiger Zeit eine Amnestie für Steuersünder befürwortet hat, der ist wenig glaubhaft, wenn er ihnen jetzt auf einmal mit Strafe droht. Wir begrüßen diesen Gesinnungswandel. Daran, dass es überhaupt einmal eine Amnestie für Steuersünder gab, die natürlich weit weniger gebracht hat, als damals erwartet worden ist, wird aber deutlich, dass hier einiges in Schieflage geraten ist. Aufgrund einer jahrzehntelang verfehlten Politik ist das Empfinden für Steuergerechtigkeit insbesondere bei denjenigen, die dieses Empfinden eigentlich haben müssten, verloren gegangen.
Wenn wir Steuerhinterziehung und Steueroasen bekämpfen wollen, dann dürfen wir beim Steuerdumping in Europa nicht Vorreiter sein. Davon, dass dies der Fall ist, ist aber nie die Rede. Zugespitzt formuliert könnte man sagen: Bei der Vermögensteuer und der Körperschaftsteuer ist Deutschland in Europa eine Art Steueroase. Hinzu kommt, dass wir die anderen europäischen Länder praktisch zwingen, diesen Weg auch zu gehen und die Vermögenden immer weniger zu besteuern. Das ist ein Widerspruch: Wer die Steuerhinterziehung von Personen mit hohem Einkommen bzw. großem Vermögen bekämpfen will, der darf bei der Vermögensteuer nicht an der Spitze der Steuerdumper in Europa stehen.
Meine Damen und Herren, nun nenne ich Ihnen die neuesten Zahlen, die jedermann zugänglich sind. Der Anteil der Einnahmen aus der Vermögensteuer am Bruttosozialprodukt beträgt in Deutschland 0,9 Prozent, in Großbritannien 4,6 Prozent. Wenn man diese Differenz auf das deutsche Bruttosozialprodukt umrechnet, stellt man fest: Allein aufgrund der laxen Vermögensbesteuerung entgehen dem deutschen Staat, wie die internationale Statistik zeigt, über 90 Milliarden Euro pro Jahr.
Auch das muss in dieser Debatte, die immer völlig losgelöst von Zahlen und Fakten geführt wird, einmal erwähnt werden.
Jetzt komme ich auf die Körperschaftsteuer zu sprechen; denn auch dieses Thema ist von Bedeutung. In der Tabelle, in der die Körperschaftsteuersätze ausgewiesen sind, steht Deutschland fast ganz unten. Etwas geringere Körperschaftsteuersätze gibt es nur in der Schweiz, in Bulgarien, Zypern und Irland. In allen anderen Staaten wird eine viel höhere Körperschaftsteuer als in Deutschland erhoben. Auf diesem Gebiet haben Sie Steuerdumping betrieben. Solange Sie hier nach wie vor an vorderster Front stehen, sind Sie unglaubwürdig, wenn Sie vom Austrocknen der Steueroasen sprechen.
Abgesehen von der Politik, die man im Inland betreibt, gibt es zwei verschiedene Vorgehensweisen, um Steueroasen trockenzulegen. Die erste Methode besteht darin, auf internationaler Ebene entsprechende Bemühungen anzustoßen. Herr Solms hat recht, dass der Hinweis auf die OECD-Liste natürlich lächerlich ist, weil mittlerweile alle entsprechenden Länder von dieser Liste verschwunden sind. Wer also unter Verweis auf diese Liste einen Gesetzentwurf einbringt, der macht sich zumindest etwas unglaubwürdig.
Denn es ist wahr, dass alle Länder, um die es geht, inzwischen von dieser Liste verschwunden sind.
Mit Blick auf diejenigen in der SPD-Fraktion, die noch zweifeln, möchte ich auf einen Aufsatz des ehemaligen Bundesfinanzministers Eichel, der heute erschienen ist, aufmerksam machen. Herr Eichel stellt darin zu Recht fest: Wer glaubt, dass durch die wenigen verbalen Bekundungen, die abgegeben worden sind, schon irgendetwas gewonnen sei, der irrt gewaltig. Die Methode, nach der derzeit vorgegangen wird, lautet: Man erklärt freundlich, man wolle sich bemühen. In Wirklichkeit passiert aber so gut wie gar nichts. - Der ehemalige Bundesfinanzminister hat recht.
Auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung kommt zu dem Ergebnis, dass sich zwar gewisse Anfangserfolge einzustellen scheinen; ob sie dauerhaft sein werden, bleibe aber völlig offen. Außerdem schreibt die FAZ, dass die Bundestagswahl wohl der Hauptgrund für den von Steinbrück veranstalteten Lärm ist.
Ich möchte es etwas anders formulieren: Lassen Sie Ihren kräftigen Worten Taten folgen, Herr Bundesfinanzminister. Dann haben Sie die Linke auf Ihrer Seite. An Ihren Taten mangelt es leider.
Das wird auch deutlich, wenn man sich ansieht, wie Sie Steueroasen bekämpfen wollen. Natürlich kann man mit viel Temperament und vollmundig vortragen, dass man mit der Insel Jersey ein Abkommen getroffen hat. Wenn man dabei aber unterschlägt, dass dieses Abkommen überhaupt nichts wert ist, weil die Informationen, die erforderlich sind, überhaupt nicht vorliegen, da es keine Bücher und keine Unterlagen gibt, dann täuscht man die Öffentlichkeit.
Wer bei der Bekämpfung der Steueroasen auf diese Art und Weise vorgeht, der ist nicht besonders glaubwürdig.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt noch eine andere Methode, wie man gegen Steueroasen vorgehen kann - wir haben immer wieder gefordert, diesen Weg einzuschlagen -: Man muss sicherstellen, dass im Inland, also hier in Deutschland, keine kriminellen Geschäfte, wie Herr Eichel sie in seinem Aufsatz bezeichnet, getätigt werden können. Wäre der Bundesfinanzminister auf diesem Gebiet genauso tapfer und mutig, wie er es in verbaler Hinsicht gegenüber der Schweiz und gegenüber Luxemburg ist, dann würden wir ihn erst recht unterstützen. Hier fehlt es ihm aber an jeglichem Elan.
Einen einfachen Weg, wie man hier vorgehen kann, hat der ehemalige Bundeskanzler Schmidt vorgezeichnet. Er hat - wir haben das als Antrag eingebracht - schlicht und einfach gesagt: Wenn jemand krumme Geschäfte, kriminelle Geschäfte - ich zitiere den ehemaligen Bundesfinanzminister Eichel - in großem Umfang macht, dann ist das strafzubewehren. Das ist der sicherste und verlässlichste Weg. Wer kriminelle Geschäfte mit Steueroasen macht, muss bestraft werden.
Sie lehnen das ab und deuten hier nur bescheidene Sanktionen an, zum Beispiel eine verschärfte Nachweispflicht. Mit der Nachweispflicht sind ja in den vergangenen Jahrzehnten Erfahrungen gesammelt worden. Jetzt heißt es - ich formuliere das einmal so, dass es einigermaßen verständlich ist -: Wenn ihr der Nachweispflicht nicht nachkommt, könnt ihr bestimmte Dinge nicht mehr absetzen. Im Grundsatz ist das - ich wiederhole es - durchaus zu begrüßen; aber ob das der entscheidende Schlag gegen diese Praktiken ist, daran haben wir ernsthafte Zweifel.
Im Übrigen komme ich nicht daran vorbei, darauf hinzuweisen, dass, wer solche krummen Geschäfte ernsthaft untersagen will, auch bei den Hedgefonds glaubwürdig handeln sowie Zweckgesellschaften, mit denen Geschäfte außerhalb der Bilanz getätigt werden, und den Handel mit Giftpapieren verbieten müsste. Was nützen große Ankündigungen, dass man Steueroasen bekämpfen wolle, wenn beispielsweise die mit 18 Milliarden Euro gesponserte Commerzbank weiterhin mit Giftpapieren handeln, Geschäfte außerhalb der Bilanz tätigen und krumme Geschäfte mit Hedgefonds und anderem unterstützen kann?
Entscheidend ist letztendlich, dass die Bestimmungen auch auf der internationalen Ebene eher in die andere Richtung gehen. Ich habe schon bei der Diskussion über den Europavertrag, den sogenannten Lissabon-Vertrag, mehrfach darauf hingewiesen, dass nach diesem Vertrag Beschränkungen des Kapitalverkehrs mit Staaten der Europäischen Gemeinschaft, aber auch mit Drittstaaten untersagt sind. Das ist doch völlig unzeitgemäß. Wie passt diese Passage zu dem Vorhaben, Steueroasen auszutrocknen?
Wenn man Steueroasen austrocknen will, indem man Geschäfte mit Steueroasen verbietet, darf man nicht einem Vertrag zustimmen, der Beschränkungen des Kapitalverkehrs mit Drittstaaten ausschließt. Das alles ist völlig widersprüchlich; doch dazu hören wir kein einziges Wort.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich fasse zusammen: Steuerhinterziehung zu bekämpfen, ist sicherlich eine ehrenvolle Absicht. Aber Glaubwürdigkeit vermittelt sich nicht über Worte, sondern ausschließlich über Taten. Man muss die Praxis sehen, wie wo was in diesem Lande sanktioniert wird. Eine Gegenüberstellung des Falls Zumwinkel und des Falls Emmely zeigt die wirkliche Situation in unserer Gesellschaft: Auf der einen Seite ist ein Steuerhinterzieher, der mit 20 Millionen Euro Abfindung, wenn man so will, auch noch prämiert wird.
- Sie mögen das so sehen, Herr Poß. - Auf der anderen Seite ist eine Frau, die angeblich 1,30 Euro unterschlagen hat, entlassen worden. Das ist eine Ungerechtigkeit. Wir sehen das so, und die große Mehrheit der Bevölkerung sieht das ganz genauso.
Das ist die Lage in unserem Lande: Der Steuerhinterzieher lebt in Schlössern, während einer Frau, die angeblich 1,30 Euro unterschlagen hat, die Existenz vernichtet wird.
Hier stellt sich die Frage nach der Gerechtigkeit. Nur wenn Gerechtigkeit in unserem Lande wieder Grundlage des Handelns wird, kann man Steuerhinterziehung glaubwürdig bekämpfen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Jürgen Trittin ist der nächste Redner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Solms, ich habe Ihnen aufmerksam zugehört. Wenn man die Konsequenz aus Ihrer Rede zieht, dann heißt das: Die Ursache der Steuerhinterziehung ist, dass Steuern erhoben werden. Mit dieser Logik, lieber Herr Solms, haben Sie sich außerhalb der Seriosität katapultiert. Das wäre eher eine Bewerbungsrede als Honorarkonsul in Hessen für das Fürstentum Liechtenstein.
Lieber, Herr Binding, auch Ihnen habe ich aufmerksam zugehört. Sie haben gesagt, dass gegen Steuerhinterziehung etwas geschehen soll. Wir kennen diese Ankündigung schon aus der Debatte um den G-20-Gipfel Anfang April. Wir haben allerdings festzustellen, dass sich an der Praxis in Guernsey oder auf den Cayman-Inseln bis heute nichts geändert hat. Das ist das Problem, wenn man den Versuch macht, mit Gordon Brown Steueroasen trockenzulegen: Das ist ungefähr so erfolgversprechend, als versuchte man, mit Silvio Berlusconi die Mafia zu bekämpfen.
- Außer Herrn Westerwelle mit seinen großen internationalen Kenntnissen hat das hier jeder verstanden.
Wenn Sie jetzt etwas für die Bekämpfung der Steuerhinterziehung tun wollen, dann frage ich Sie, Herr Finanzminister, warum es so lange gedauert hat, bis dieser Gesetzentwurf den Weg in den Bundestag gefunden hat. Ich habe einige Regierungserfahrung; aber ich habe es noch nie erlebt, dass ein Gesetzentwurf so oft auf der Tagesordnung stand und wieder abgesetzt worden ist wie dieser. Wie erklären Sie sich das? Wie erklären Sie es sich, dass Herr Kauder an vorderster Stelle für die CDU/CSU darangegangen ist, etwas, das angeblich in diesem Hause Common Sense ist - nämlich die Bekämpfung der Steuerhinterziehung -, mit Unterstützung der Kanzlerin mehrfach bzw. regelmäßig von der Tagesordnung des Kabinetts abzusetzen?
Dabei sagen Sie, Herr Oswald, dass Steuerhinterziehung kein Kavaliersdelikt ist. Wenn es ein ernstes Problem ist, dann dürfen Sie es nicht in dieser Form des Vertagens, Verzögerns und Verwässerns behandeln, wie Sie es praktiziert haben.
Ich verstehe, dass dem Finanzminister angesichts der Langsamkeit irgendwann der Geduldsfaden gerissen ist. Anders kann ich mir die verbalen Entgleisungen an dieser Stelle nicht erklären. Dazu zählen Vergleiche wie der mit einem Land, das übrigens nicht auf der grauen Liste steht, oder der Vergleich mit der Kavallerie, mit der man die Schweizer wie einst die Indianer erschrecken wollte. Das ist übrigens eine Beleidigung - nicht für die Schweizer Banken, sondern für die Indianer.
Die Indianer haben immer versucht, im Einklang mit den natürlichen Ressourcen zu leben. Mir ist kein Indianer bekannt, der dadurch richtig groß Geld gemacht hat, dass er allein bei den Schweizer Banken Vermögen aus der Bundesrepublik Deutschland im Wert von ungefähr 120 Milliarden Euro dem Fiskus entzogen hätte. Beides auf eine Stufe zu stellen, war in der Tat beleidigend für die Indianer, aber nicht für die Schweizer Banken, Herr Steinbrück.
Denn deren Geschäftsmodell ist in der Tat Hehlerei mit Schwarzgeld. Diese Praxis muss beendet werden.
Deswegen ist es, denke ich, richtig, dass wir einen solchen Gesetzentwurf diskutieren. Dabei stellt sich aber die Frage, ob dieser Gesetzentwurf geeignet ist, der Praxis der legalen Steuerkürzungen der Müllermilchs und Boris Beckers in der Schweiz und der illegalen Steuerhinterziehung der Zumwinkels und anderer wirklich einen Riegel vorzuschieben. Daran habe ich Zweifel. Ich habe Zweifel an einer Gesetzeskonstruktion, die vorsieht, dass Steuervergünstigungen nur dann in Anspruch genommen werden können, wenn kooperiert wird. Das ist übrigens nichts Skandalöses. Das erwarten wir von jedem normalen Lohnsteuerpflichtigen.
Ich verstehe die Aufregung an dieser Stelle nicht.
Man kann doch nicht auf der einen Seite zu Recht mit erhobenem Zeigefinger anmahnen, dass Menschen, die Unterstützung vom Staat bekommen - etwa Arbeitslosengeld II -, wahrheitsgemäß über ihre Vermögensverhältnisse Auskunft geben müssen, aber auf der anderen Seite bei solchen Fällen für Intransparenz plädieren. Das ist in der Tat extrem ungerecht und verletzt das Gerechtigkeitsgefühl vieler Menschen.
Wird dieser Gesetzentwurf jemals in die Praxis umgesetzt werden? Sie haben die Anwendung des Gesetzes für jeden Einzelfall explizit daran gebunden, dass es eine Rechtsverordnung gibt. Diese Rechtsverordnung muss mit Zustimmung des Bundesrates verabschiedet werden. Das ist eine interessante Konstruktion, wenn man bedenkt, wie einzelne Bundesländer mit der Steuerkontrolle und Steuereintreibung gerade in diesem Bereich umgehen.
Wir wissen heute, dass in bestimmten Bundesländern, insbesondere südlich der Mainlinie - also dort, wo Herr Seehofer die Verantwortung trägt -, insbesondere bei Einkommensmillionären außerordentlich zurückhaltend mit der Prüfung von Einkommen vorgegangen wird. Wir wissen, dass in diesem Bereich - weil man diesen Personenkreis am Starnberger See halten möchte - schlicht und ergreifend lasch kontrolliert wird. Das ist einer der Gründe, warum wir sagen: Wir hätten schon längst eine wirkliche Bundessteuerverwaltung schaffen müssen, um aus diesem Mechanismus herauszukommen.
Lieber Herr Steinbrück und liebe Christdemokraten, das hieße, mit einer Politik gegen Steuerhinterziehung Ernst zu machen und Steueroasen im eigenen Land aufzuheben. Wir könnten das übrigens auch ohne Bundessteuerverwaltung schaffen. Wir müssten den Ländern dann zugestehen, dass ihnen die Ergebnisse der Steuerfahndungen uneingeschränkt zur Verfügung stehen. Lassen Sie uns hier doch einen föderalen Wettbewerb machen und tatsächlich dafür sorgen, dass diejenigen, die über große Vermögen und Einkommen verfügen und nicht der Quellenbesteuerung unterliegen wie jede normale Arbeitnehmerin und jeder normale Arbeitnehmer und jeder Beamter in diesem Land, vom Fiskus anständig kontrolliert werden!
Letzte Bemerkung.
Lieber Herr Steinbrück, Sie haben gesagt, Sie wollten das sehr ernst nehmen und dagegen vorgehen. Ich habe aber gelegentlich den Eindruck: Manchmal spielen Sie auch selber gerne Indianer und sind nicht die Kavallerie. Es gibt inzwischen eine Reihe von Banken in diesem Land, die mit massiven Bürgschaften von Steuergeldern daran gehindert werden, in die Insolvenz oder in Konkurs zu gehen. Es gibt inzwischen auch Banken, die teilverstaatlicht sind, darunter zum Beispiel die Commerzbank. Sie gehört uns zu 25 Prozent plus einer Aktie. Es ist interessant, zu sehen, was die Commerzbank zusammen mit ihrer leidenden Tochter Dresdner Bank macht. Diese Bank findet es nach wie vor hoch attraktiv, mit Standorten und Tochterunternehmen in der Schweiz, in Luxemburg, auf den Kanalinseln und den Cayman-Inseln aktiv zu sein. Das alles sind Orte, die auf der grauen Liste der OECD stehen. Lieber Herr Steinbrück, wo ist denn da Ihre Kavallerie? Habe ich die an dieser Stelle schon einmal gesehen?
Ist schon einmal ein Beamter des Bundesfinanzministeriums an dieser Stelle aktiv geworden? Die Commerzbank gehört Ihnen doch quasi. Stattdessen wird in den Prospekten dieser Bank mit ?attractive tax laws? um vermögende Privatkunden geworben. Es wird beteuert: ?All bank employees in the Principality of Monaco are required to observe strict banking secrecy.? In einer teilweise bundeseigenen Bank werden solche Produkte angeboten. Lieber Herr Steinbrück, Sie sind bei der Commerzbank gegen unsere Empfehlung nur stiller Gesellschafter. Das heißt aber für mich, zurzeit sind Sie trotz aller Lautstärke, die Sie in der Politik an den Tag legen, stiller Gesellschafter an Geschäftsmodellen, die deutschen Steuerzahlern Milliarden erlassen. Das, lieber Herr Steinbrück, macht Ihren Kampf gegen Steueroasen unglaubwürdig.
Ich empfehle Ihnen eines: leiser sprechen, strikter und konsequenter handeln. Dann müssen Sie sich nicht dem Vorwurf aussetzen, zu langsam, zu laut und zu lax zu sein, und das alles zugleich.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort erhält nun der Bundesfinanzminister Peer Steinbrück.
Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuerst möchte ich mich bei Herrn Solms bedanken, dass er weite Teile seiner Redezeit dazu genutzt hat, sich mit mir zu befassen. Ich habe mich ein bisschen darüber gewundert, wie wenig er sich mit dem eigentlichen Phänomen oder Problem der Steuerhinterziehung bzw. des Steuerbetruges befasst hat. Aber ich danke ihm herzlich; denn er hat sich zum ersten Mal positiv mit den Roten befasst. Allerdings hat er dabei die Indianer gemeint. Genauso freue ich mich, dass dieses Bild die Beiträge meiner Vorredner durchgängig begleitet hat. Insofern ist das ein Bild, mit dem sich viele befassen. Ich gebe gerne zu: Das Steuerhinterziehungsphänomen war bei den Indianern nicht sehr verbreitet. Daher habe ich damit nicht die schlechteste Gruppe ausgewählt.
Was den Hinweis von Herrn Solms betrifft, dass Steuerhinterziehung und Steuerbetrug in Deutschland betrieben würden, weil die Steuergesetzgebung hier zu scharf und zu komplex sei, so ist dies, wie ich finde, eine Verharmlosung des Phänomens.
Das erklärt auch nicht, warum Deutschland von anderen Ländern maßgeblich unterstützt wird, in denen nach Ihrer Wahrnehmung das Steuergesetzgebungssystem offenbar sehr viel weniger komplex und einfacher ist.
Ich weise auf die Unterstützung hin, die wir innerhalb der OECD von Ländern wie den USA bekommen. Ähnliches gilt auch für Frankreich: gleiche Phänomene und gleiche Erscheinungsformen. Offenbar ist weltweit die Besteuerung so hoch, dass deshalb Steuerhinterziehung und Steuerbetrug betrieben werden. Ich glaube, dass man dieses Phänomen nicht damit entschuldigen oder verharmlosen kann, indem man auf die Steuergesetzgebung in Deutschland verweist. Im Übrigen bewegt sich die Steuerquote in Deutschland im Durchschnitt der OECD- und der 27 EU-Länder.
Wenn Sie darauf hinweisen, dass die Bundesregierung hier tatenlos sei, dann verstehe ich nicht die Aufregung und die Reaktion im Ausland auf unsere Aktivitäten.
Es ist maßgeblich diese Bundesregierung gewesen, die innerhalb der OECD, der G 7 und der G 20 tätig geworden ist. Es ist maßgeblich dieser Bundesregierung und ihren Aktivitäten zu verdanken, dass sich inzwischen eine ganze Reihe von Steueroasen, Jurisdiktionen und auch Nationalstaaten mit uns in Verbindung setzen, die den Art. 26 des OECD-Musterabkommens anerkennen wollen. Insofern lasse ich mir nicht vorwerfen, dass hier Tatenlosigkeit oder Laxheit vorherrscht, wie auch immer Herr Trittin das genannt hat. Wir sind in den letzten Monaten mit Blick auf die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerbetrug vielmehr deutlich vorangekommen; das freut mich.
Ich nenne es beim Namen: Steuerhinterziehung und erst recht Steuerbetrug sind schlicht und einfach kriminell.
Schätzungen des Internationalen Währungsfonds weisen aus, dass sich die verlorenen Einnahmen für die verschiedenen Fisci weltweit in der Größenordnung von 2 bis 12 Billionen US-Dollar bewegen dürften. Gemäß den Schätzungen für Deutschland verlieren die öffentlichen Haushalte durch Steuerhinterziehung und Steuerbetrug wahrscheinlich weit über 100 Milliarden Euro. Das ist der Punkt. Darüber reden wir diplomatisch nicht mehr hinweg. Vielmehr ist dieses Phänomen beim Namen zu nennen und zu bekämpfen.
Sie haben recht, Herr Trittin: Das gilt auch für die Aktivitäten von deutschen Banken, allerdings nicht nur dort, wo der Bund beteiligt ist, etwa bei der Commerzbank, sondern insbesondere auch bei staatseigenen Banken.
Deshalb bin ich sehr dankbar, wenn die Grünen dort, wo sie in der Regierung sind und wo Landesbanken ebenfalls betroffen sind, dieselben Aktivitäten wie wir entfalten.
Insofern sollte man immer vorsichtig sein, mit einem Finger auf jemanden zu zeigen, wenn drei Finger auf einen selbst zeigen.
Warum ist der Verlust von Einnahmen von so großer Bedeutung? Erstens. Man könnte mit diesen Einnahmen in der Tat - ich glaube, Herr Oswald hat das gesagt - in Deutschland die Steuersätze senken. Zweitens. Wenn wir diese Einnahmen hätten, dann könnten wir in Deutschland Investitionen in die Zukunft tätigen.
Drittens. Viele Menschen - das ist noch wichtiger - fühlen sich, wenn sie ihre Steuern ehrlich zahlen, als die Dummen. Das berührt in der Tat - das will ich nicht vom Tisch wischen - die Steuergerechtigkeit und die Notwendigkeit, dass der Staat die Anerkennung und Erfüllung der Steuergesetzgebung in Deutschland herbeiführt. Das ist der Grund, warum dieses Thema sehr hochrangig zu veranschlagen ist.
Mein Eindruck ist auch, dass nicht zuletzt vor dem Hintergrund der derzeitigen Finanz- und Wirtschaftskrise viele Menschen umso eher erwarten, dass wir Steuerbetrug und Steuerhinterziehung sehr ernsthaft und ehrgeizig verfolgen. Das spielt in der Wahrnehmung von Gerechtigkeit, Balance und Ausgleich in dieser Situation eine große Rolle. Ohnehin haben schon viele Menschen den Eindruck, dass Verluste sozialisiert werden, nachdem vorher exorbitante Gewinne privatisiert worden sind, und dass darüber eine Unwucht in unser Wirtschafts- und Sozialsystem hineingekommen ist.
Darüber hinaus habe ich keine Veranlassung, meine Bilder zu wiederholen oder meine Erfahrungen aus dem Anschauen von irgendwelchen Filmen, insbesondere von Western, zum Besten zu geben. Sehr nüchtern gesprochen: Wir wollen nicht verharmlosend darüber hinweggehen, dass es Jurisdiktionen, Steueroasen und Nationalstaaten gibt, die nicht nur billigend in Kauf nehmen, sondern vorsätzlich dazu einladen, dass deutsche Steuerzahler ihr Geld mit der klaren Absicht dort hintransferieren, Steuerhinterziehung und Steuerbetrug zu betreiben. Das darf man diesen Ländern auch sagen.
- Ich behaupte, dass das im Fall der Schweiz ganz klar der Fall ist. Gleiches gilt für Liechtenstein.
- Selbstverständlich ist es das.
- Luxemburg ist zusammen mit Österreich dabei, das zu tun, was wir für richtig erachten: Diese Entwicklung haben wir mit ausgelöst, indem wir diese Länder gebeten haben - dem werden sie entsprechen -, dass sie auf der Basis des Art. 26 des OECD-Musterabkommens mit uns verhandeln. Mit Luxemburg und Österreich führen wir bereits solche Gespräche. Damit haben wir den Informationsaustausch, den wir herbeiführen wollen; und in diesen Fällen ist das Problem beseitigt. Im Fall der Schweiz warte ich darauf, dass wir über Sondierungen hinaus, die wir bereits durchgeführt haben, konkrete Verhandlungen aufnehmen. Ich werde den Standpunkt einnehmen, dass diese nicht jahrelang dauern dürfen, sondern dass sie relativ schnell zum Abschluss gebracht werden müssen, und zwar auf der Basis des Musterabkommens der OECD, und ich hoffe, dass der Informationsaustausch dann erfolgt.
Im Übrigen beobachte ich sehr genau, wie andere Staaten, insbesondere die USA, damit umgehen, Herr Westerwelle. Mit einer gewissen Bewunderung stelle ich fest, wie weit die Amerikaner in der Schweiz vorangekommen sind, um die Informationen über US-Steuerbürger zu bekommen, die sie benötigen, um Steuerhinterziehung zu bekämpfen. Ich denke insbesondere an eine konkrete Bank. Ich wäre sehr dankbar, wenn auch Sie persönlich bei Ihren Besuchen in der Schweiz mich darin unterstützen würden, dass wir diesen Fortschritt bei der Schweiz erreichen.
Ich denke dabei gerade auch an Ihre Vorträge, wo immer in der Schweiz diese stattfinden. Es wäre gut, wenn Sie sich weniger in Bezug auf meine Person mit Stilfragen aufhalten würden - über die kann ich gerne reden -, wir sollten vielmehr zur Substanz dieses Themas kommen, und die Substanz heißt: Steuerhinterziehung und Steuerbetrug.
Mit Blick auf das, was in London und auf OECD-Ebene verabredet worden ist, bedanke ich mich ausdrücklich bei meinem französischen Kollegen Èric Woerth, der verantwortlich dafür ist, dass wir im Herbst letzten Jahres eine folgenreiche Konferenz zusammen mit der OECD in Paris haben veranstalten können. Ich werde eine Nachfolgekonferenz im Juni in Deutschland einberufen. Selbstverständlich werden die Länder eingeladen, die OECD-Mitglieder sind. Bei der Pariser Veranstaltung sind leider einige von diesen nicht gekommen, aber sie waren herzlich eingeladen. Sie hätten sich gerne an dem Prozess beteiligen können. Es ist ihre souveräne Entscheidung, das nicht getan zu haben. Ich bitte aber darum, sich nicht hinterher zu beklagen, dass keine einladende Offerte ihnen gegenüber gemacht worden sei.
Ich strebe, wie ich unterstreichen möchte, die maßgebliche Unterstützung aus anderen Ländern an, insbesondere aus den USA. Ich freue mich über die inzwischen ergriffene Initiative der EU-Kommission, auch die EU-Zinsrichtlinie zu erweitern, und zwar materiell wie auch geografisch. Das soll dahin gehend erfolgen, dass wir uns nicht nur auf die Zinseinkünfte beziehen, sondern auf Kapitaleinkünfte jedweder Art, angefangen bei Veräußerungsgewinnen über Dividenden bis hin zu den Zinsen. Weiterhin sollen nicht nur persönliche Stiftungen, sondern auch juristische Stiftungen ins Visier genommen werden. Mit der EU-Zinsrichtlinie soll allen EU-Mitgliedstaaten zur Auflage gemacht werden, dass sie bei den Verhandlungen über Doppelbesteuerungsabkommen mit Drittstaaten, will sagen: mit außereuropäischen Staaten, den Art. 26 des OECD-Musterabkommens zugrunde legen. Ich wäre sehr dankbar, wenn diese Bemühungen der EU-Kommission auch vom Europäischen Parlament, namentlich von der EVP, unterstützt würden; denn das ist wichtig, um zu Steuerehrlichkeit in Deutschland beizutragen.
Insofern kann ich den Vorwurf des Attentismus, der indirekt von Herrn Trittin, massiv von Herrn Lafontaine - das gehört offenbar zu seinem Auftritt - kam, keineswegs nachvollziehen. Ich weise den Vorwurf mit Blick auf die Anstrengungen der Bundesregierung, die in den vergangenen Monaten gemacht worden sind, zurück. Richtig ist, dass wir uns nicht nur auf internationaler Ebene einsetzen können; wir müssen uns vielmehr auch auf nationaler Ebene einsetzen. Das ist der Grund des vorliegenden Gesetzentwurfes, von dem jeder steuerehrliche Bürger in Deutschland nichts zu befürchten hat, rein gar nichts.
Insofern sind der Vorwurf des gläsernen Steuerbürgers und diese ganzen Horrorgemälde völlig unangebracht. Sie haben mit den Fakten nichts zu tun.
Es geht vielmehr darum, dass diejenigen, die Geschäftsbeziehungen zu einem Staat haben, der den OECD-Standards nicht entspricht, besondere Mitwirkungs- und Informationspflichten haben. Wenn jemand diesen Mitwirkungs- und Informationspflichten entspricht, hat er nichts zu befürchten. Wenn er diesen besonderen und erhöhten Nachweis- und Mitwirkungspflichten allerdings nicht entspricht, dann gibt es Sanktionsmechanismen, auf die ich im Einzelnen nicht eingehe. Insofern glaube ich, dass dieses abgestufte Verfahren völlig richtig ist. Es gilt: Je mehr ein anderer Staat kooperiert und für die Besteuerung notwendige Auskünfte erteilt, umso weniger Nachweise muss der betroffene Geschäftspartner hier in Deutschland erbringen.
Im Übrigen sage ich mit Blick auf diejenigen, die uns außerhalb Deutschlands zuhören: Das betrifft ausschließlich deutsche Staatsbürger, deutsche Steuerbürger, nicht etwa die Bürger in anderen Ländern, die selbstverständlich einer anderen souveränen Sphäre zuzuordnen sind.
Besteht mit dem jeweiligen Staat bzw. Gebiet ein Abkommen, das die Übermittlung der Auskünfte nach dem Standard der OECD gewährleistet, oder ist sonstige Auskunftsübermittlung sichergestellt, entstehen keine besonderen Mitwirkungs- und Informationspflichten für die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland. Dies halte ich für richtig und notwendig.
Ich will abschließend darauf hinweisen, dass diese OECD-Liste in dieser Debatte etwas unvollkommen, jedenfalls nicht vollständig dargestellt worden ist. Sie besteht aus drei Kategorien. In der einen Kategorie sind Nationalstaaten aufgeführt, die darüber teilweise sehr verwundert, aufgeregt oder erbost sind. Insofern kann ich Ihre Bewertung über die Wirkungskraft dieser Liste nicht nachvollziehen, Herr Trittin.
- Ja. Nehmen wir es mit Humor, Herr Westerwelle. Der ist Ihnen doch auch zu eigen.
- Sie müssen es wieder bemühen. Keine Frage, man kann es auch anders ausdrücken, aber wir wollen hier nicht alles so gestanzt von uns geben.
Ich war stehen geblieben bei der Bemerkung, dass diese Liste aus drei Kategorien besteht. Ich gestehe den Kritikern außerhalb Deutschlands gern zu, dass diese Liste nicht widerspruchsfrei und an manchen Stellen nicht vollzählig ist. Andere Gebiete hätten auch mit aufgeführt werden müssen. Aber mir war wichtig, dass diese Liste eine Wirkungskraft entfaltet, und das tut sie. Das sage ich übrigens auch mit Blick auf die von jemandem - ich glaube, von Herrn Trittin - zitierten Jurisdiktionen im Bereich des Vereinigten Königreiches in Bezug auf die Inseln Jersey und Guernsey. Eine dieser Inseln hat bereits den OECD-Standard akzeptiert, andere sind dazu bereit, haben sich dementsprechend erklärt.
Bei diesem Thema geht es um alles andere als ein Räuber-und-Gendarm-Spiel der Politik. Ich glaube, es ist die unbedingte Pflicht der Politik, gegen diejenigen vorzugehen, die in Deutschland Steuern hinterziehen; denn Steuerhinterziehung - da stimme ich dem zu, was Herr Oswald gesagt hat - ist kein Kavaliersdelikt. Jeder in Deutschland hat die Pflicht, Steuern zu zahlen, auch und gerade diejenigen, die am ehesten in der Lage sind, Kapital in andere Länder zu transferieren. Das ist erkennbar nicht der Metallarbeiter in der untersten Tariflohngruppe, das ist erkennbar nicht die alleinerziehende Verkäufern, die mit 1 000 Euro netto oder weniger nach Hause kommt, sondern die Forderung richtet sich in der Tat an andere Bevölkerungs- und Einkommensschichten. Auch dies darf beim Namen genannt werden, ohne dass daraus immer wieder eine Neiddebatte geboren wird.
Gerade diesen Einkommensschichten, sehr stark vertreten auch in den Funktionseliten unserer Gesellschaft, verlange ich gerade in dieser Zeit eine besondere Vorbildfunktion ab. Je stärker sie glauben, dass Steuerhinterziehung und Steuerbetrug Kavaliersdelikte sind, desto stärker tragen sie in dieser Krise dazu bei, dass das bewährte Ordnungsmodell der sozialen Marktwirtschaft in seinen Legitimationsgrundlagen hinterfragt wird. Es sind nicht diejenigen, die dieses System verändern wollen, sondern es sind die Protagonisten selber, die durch Steuerhinterziehung und Steuerbetrug, durch Korruption und andere Erscheinungsformen wie Maßlosigkeit, Exzesse, Übertreibungen dieses Wirtschafts- und Sozialmodell infrage stellen.
Herzlichen Dank fürs Zuhören.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nächster Redner ist der Kollege Frank Schäffler für die FDP-Fraktion.
Frank Schäffler (FDP):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Finanzminister, es geht nicht darum, dass wir nicht gegen Steuerbetrug sind. Es geht hier um den Stil, den Sie an den Tag legen. Der eigentliche Skandal ist, dass die Bundeskanzlerin daneben sitzt und nichts dazu sagt und dass der Außenminister, also Ihr Kanzlerkandidat, ebenfalls schweigt,
während Sie gleichzeitig einen Flurschaden in Europa und international anrichten. Das ist der Skandal.
Auf die Länder, die Sie genannt haben, wirkt es beleidigend, wenn Sie sie mit den ärmsten Ländern dieser Welt auf eine Stufe stellen. Das ist in diesen Ländern mit Recht kritisiert worden. Nachdem Sie das afrikanische Land Burkina Faso als Beispiel genannt hatten, habe ich gestern im Finanzausschuss nachgefragt, ob Ouagadougou tatsächlich auch zu dieser Konferenz eingeladen wird. Da hat Ihnen Ihre eigene Staatssekretärin widersprochen: Ouagadougou bekommt keine Einladung zu Ihrer Konferenz. Man ist sich also innerhalb Ihres eigenen Ministeriums nicht einig, wen man zu dieser Konferenz einladen will. Das zeigt die Zerrissenheit in Ihrem eigenen Ministerium.
Man darf nicht immer nur herausposaunen, sondern man muss am Ende auch zu dem stehen, was man öffentlich gesagt hat.
Herr Minister, Sie messen mit zweierlei Maß. Sie tun so, als wenn Sie als Minister und Ihre Regierung sauber und ehrlich gegenüber dem Steuerbürger in Deutschland wären. Das Gegenteil ist der Fall - das will ich Ihnen ganz deutlich sagen -: In dieser Legislaturperiode hat diese Bundesregierung allein 51 Nichtanwendungserlasse veröffentlicht.
Höchstrichterliche Urteile zur betrieblichen Altersvorsorge, zu Dienstwagen etc. wurden nicht in Rechtskraft umgesetzt. Diese Urteile sind also nicht auf die Allgemeinheit angewandt, sondern nur im Einzelfall berücksichtigt worden. Herr Minister, Sie haben die Finanzbehörden angewiesen, den Menschen nicht zu gewähren, was ihnen zusteht. Das ist ein Skandal, der an dieser Stelle ebenfalls diskutiert werden muss.
Sie können nicht immer nur auf andere zeigen, sondern müssen auch in Ihrem eigenen Haus aufräumen und Vertrauen unter den Steuerbürgern schaffen. Das Misstrauen, das Sie - mit Recht - beklagen, haben Sie teilweise selbst erzeugt.
Der Bundesrat hat Ihnen ins Stammbuch geschrieben, dass Sie mit diesem Gesetz über das Ziel hinausschießen. Davon betroffen sind nämlich nicht nur diejenigen, die Sie erreichen wollen; vielmehr greifen Sie ganz massiv in die Angelegenheiten von Unternehmen und Bürgern ein, die mit den genannten Ländern ganz normale Geschäfte betreiben. Ich will aus der Empfehlung der Ausschüsse des Bundesrates zitieren:
Die erhöhten Mitwirkungspflichten treffen auch den steuerehrlichen Unternehmer, der Geschäftsbeziehungen zu einem Staat unterhält, der der deutschen Steuerverwaltung keine Auskünfte in Steuersachen erteilt.
Sie sehen, selbst die Landesregierungen sind skeptisch, was das von Ihnen avisierte Maß angeht.
Meine große Sorge ist, dass Sie an dieser Stelle das Kind auch insofern mit dem Bade ausschütten, als dass Sie eine Politik des Protektionismus befördern. Ähnliches machen Sie schon bei den Staatsfonds, indem Sie potenzielle ausländische Investoren dadurch abschrecken, dass Sie deren Investitionen von der Zustimmung der jeweiligen Regierung abhängig machen. Hinzu kommt, dass Sie durch dieses Gesetz auch die inländischen Unternehmen abschrecken, weil Sie sie dazu zwingen, hier, in unserem Land, Geschäfte zu betreiben.
Meine Erkenntnis ist: Sie haben aus der Weltwirtschaftskrise der 30er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts nichts gelernt. Diese Weltwirtschaftskrise wurde nämlich durch Abschottung, durch Steuererhöhungen und durch Protektionismus unnötig verlängert.
Hören Sie endlich auf, eine Symbolpolitik zu betreiben, die letztendlich auf den Wahlkampf im Inland ausgerichtet ist! Dadurch hinterlassen Sie außenpolitisch einen Scherbenhaufen. Die Kanzlerin muss Einhalt gebieten, wenn es der Finanzminister selbst nicht merkt. Es ist Zeit, dass sowohl die Kanzlerin als auch der Außenminister, der ja Ihr Kanzlerkandidat ist, den politischen Amoklauf des Finanzministers stoppen.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Manfred Kolbe ist der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion.
Manfred Kolbe (CDU/CSU):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Steuerehrlichkeit und Bekämpfung der Steuerhinterziehung stehen seit der spektakulären Verhaftung des Exvorstandsvorsitzenden der Post, Klaus Zumwinkel, im Mittelpunkt des öffentliches Interesses, und - das sage ich ganz deutlich - das ist auch gut so.
Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt. Steuerhinterziehung muss von uns energisch bekämpft werden. Deshalb verabschieden wir heute den Antrag der Koalitionsfraktionen mit dem Titel ?Steuerhinterziehung bekämpfen?. Wir bringen zudem den Koalitionsentwurf eines Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetzes ein.
Ich sage aber auch deutlich an beide Seiten des Hauses: Wie bei jeglicher Kriminalitätsbekämpfung besteht die Bekämpfung auch hier aus Prävention und Repression. Das eine geht nicht ohne das andere. Das gilt für Drogendelikte genauso wie für Steuerhinterziehung.
Deshalb müssen wir durch unsere Steuergesetzgebung präventiv die Steuerehrlichkeit fördern. Wir haben das zum Teil auch schon getan. Wir haben eine international wettbewerbsfähige Abgeltungsteuer und eine Steuerentlastung für thesaurierte Gewinne eingeführt. Dies gilt es fortzusetzen. Ein einfaches und verständliches Steuerrecht sowie international wettbewerbsfähige Steuersätze sind notwendige Bestandteile eines Konzepts zur Vermeidung der Steuerflucht.
Nun ist aber keiner von uns so naiv, zu glauben, dass Herr Zumwinkel deshalb nach Liechtenstein gegangen ist, weil ihm das deutsche Steuerrecht zu kompliziert war.
Das sagt auch niemand. Es gibt leider auch Bürgerinnen und Bürger, die bewusst Steuern hinterziehen und die Lasten der Gemeinschaft nicht mittragen wollen. Das können wir nicht tolerieren. Deshalb muss das Risiko, dass Steuerdelikte aufgedeckt und geahndet werden, erhöht werden. Der ehrliche Steuerzahler darf nicht der Dumme sein.
Herr Bundesminister, bei allen gesetzgeberischen Notwendigkeiten: Die Steuerfahndung in Deutschland war grundsätzlich erfolgreich. Wir haben Jahr für Jahr 40 000 Verfahren, 17 000 Strafverfahren und Mehreinnahmen in Milliardenhöhe.
Steuerhinterziehung kann auch hart bestraft werden, nämlich mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren. Ich glaube nicht, dass wir diesen Strafrahmen erhöhen müssen. Das Problem liegt vielleicht eher in der Ausschöpfung dieses Strafrahmens durch die Gerichte. Der Bundesgerichtshof hat in einem Grundsatzurteil vom 2. Dezember 2008 klargestellt, dass bei einer Steuerhinterziehung die Höhe des Hinterziehungsbetrags ein ganz entscheidendes Strafzumessungskriterium ist. Das heißt klipp und klar: Diejenigen, die Steuern in Millionenhöhe hinterziehen, wandern künftig tatsächlich ins Gefängnis, und das ist auch gut so.
Wir waren bei der Gesetzgebung aktiv. Diese Große Koalition war erfolgreicher als ihre rot-grüne Vorgängerin, was die gesetzgeberische Bekämpfung der Steuerhinterziehung betrifft.
Wir haben den verunglückten § 370 a der Abgabenordnung abgeschafft, der nicht rechtsstaatlich fassbar war, und haben die Qualifizierungen rechtsstaatsfest neu geregelt. Wir haben die Verjährungsfrist für besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung von fünf auf zehn Jahre verlängert. Wir haben erstmals die Möglichkeit der Telekommunikationsüberwachung bei Steuerhinterziehung geschaffen: Bei der bandenmäßigen Umsatz- und Verbrauchsteuerhinterziehung ist künftig eine Telekommunikationsüberwachung möglich. Diese Bundesregierung war also aktiv, und sie wird das auch in Zukunft sein.
Wir haben gemeinsam den Antrag ?Steuerhinterziehung bekämpfen? eingebracht, der eine Vielzahl von Maßnahmen enthält. Ich greife einmal die wichtigsten heraus. Wir wollen eine Überarbeitung und umfassende Erweiterung der Europäischen Richtlinie zur Zinsbesteuerung. Diese Richtlinie muss für alle Kapitaleinkünfte gelten, und sie muss alle Personen erfassen. Wir brauchen einen verbesserten Informationsaustausch auf internationaler Ebene. Wir können nur international erfolgreich sein.
Herr Bundesminister Steinbrück, deshalb frage ich Sie auch: Waren Äußerungen, wie ich sie vor zwei Tagen gelesen habe, in denen Luxemburg, Liechtenstein, die Schweiz, Österreich sowie Ouagadougou sozusagen auf eine Stufe gestellt wurden, wirklich nötig? Der alte Cicero hat einmal gesagt: Suaviter in modo, fortiter in re. Das heißt: Moderat im Ton, hart in der Sache. Ich glaube, das ist der richtige Weg, um bei der Bekämpfung der Steuerhinterziehung mehr Erfolge zu erzielen.
Herr Trittin, als stellvertretender Vorsitzender der deutsch-italienischen Parlamentariergruppe muss ich Ihre Äußerung von vorhin aufgreifen. Ich habe das so verstanden: Mit XY die Steuerhinterziehung zu bekämpfen, ist genauso vergeblich, wie mit Berlusconi die Mafia zu bekämpfen. Vielleicht können Sie sich dazu noch einmal erklären. Ich halte diese Äußerung für äußerst problematisch.
- Wir werden uns darüber noch unterhalten. Ich bin auf Ihre Erklärung sehr gespannt.
In unserem Antrag geht es neben internationalen Maßnahmen aber auch um Maßnahmen auf nationaler Ebene. Wir wollen eine wohl bestehende gesetzgeberische Lücke bei den Hinterziehungszinsen schließen. Bisher wird der Hinterzieher mit einem Strafzins von 6 Prozent bestraft. Derjenige, der brav seine Steuererklärung abgibt, dann aber vergisst, pünktlich zu bezahlen - seine Überweisung geht zwei Tage später heraus -, zahlt 1 Prozent Zinsen pro Monat, also 12 Prozent per annum. Dies ist unserer Ansicht nach ein Wertungswiderspruch. Auch dies werden wir prüfen und gegebenenfalls ändern.
Lassen Sie mich abschließend zum Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz kommen. Dieser Gesetzentwurf soll die Steuerhinterziehung durch Nutzung von Staaten, die nicht die OECD-Auskunftsstandards akzeptieren, erschweren bzw. verhindern. Insbesondere will es die Informationsdefizite der Finanzverwaltung bei der Aufklärung grenzüberschreitender Besteuerungssachverhalte beseitigen. Hierzu sieht es zweierlei vor: erstens verbesserte Möglichkeiten der Finanzverwaltung zur Aufklärung grenzüberschreitender Sachverhalte durch erweiterte Mitwirkungs- und Aufklärungspflichten, und zweitens die Eröffnung der Sanktionsmöglichkeit durch Rechtsverordnung, nicht kooperativen Steuerpflichtigen den Betriebsausgabenabzug, die Entlastung von Kapitalertrag- oder Kapitalabzugsteuer oder eine Steuerbefreiung für Dividenden zu versagen.
Auch hierzu ist klar zu sagen: Die Union weiß, dass maßgebliche Teile der Steuerhinterziehung im internationalen Bereich stattfinden. Wir müssen deshalb hier aktiv werden. Beachtliche Erfolge, Herr Bundesminister Steinbrück, sind auf dem letzten G-20-Gipfel und darüber hinaus erzielt worden.
Wir sagen aber auch ganz klar: Die Bekämpfung der internationalen Steuerhinterziehung darf nicht auf dem Rücken derer ausgetragen werden, die im grenzüberschreitenden Waren- und Dienstleistungsverkehr tätig sind. Dies muss in den kommenden Beratungen noch in der einen oder anderen Hinsicht verifiziert werden. Hier gilt das Struck?sche Gesetz: Der Deutsche Bundestag entscheidet souverän.
Zu diesem Gesetzentwurf mache ich deshalb noch drei Anmerkungen: Zunächst war dessen Einbringung in die politische Diskussion ungewöhnlich. Im Herbst haben wir über viele Wochen den gemeinsamen Antrag ?Steuerhinterziehung bekämpfen? beraten; er stand kurz vor der Verabschiedung. Völlig überraschend und unabgestimmt kam dann über Weihnachten der Referentenentwurf aus dem Bundesfinanzministerium. Dies kann man so machen; aber man setzt sich dann dem Verdacht aus, dass es einem eher um die Publicity als um Inhalte geht. Uns geht es um die Inhalte.
Zweitens zäumt der Gesetzentwurf das Pferd von hinten auf. Er geht den indirekten Weg über die Ausübung von Druck auf den Steuerpflichtigen. Das, was man auf politischem Wege mit nicht auskunftswilligen Staaten noch nicht erreicht hat, versucht man auf dem Wege über Druck auf die Steuerpflichtigen zu reparieren, die mit diesen Staaten Handel und Dienstleistungsaustausch treiben. Dies ist nicht der Königsweg.
Drittens halten wir es für nicht ganz unproblematisch, vom Einkommensteuergesetz gewährte Abzüge - Werbungskosten, Betriebskosten - durch Rechtsverordnung einzuschränken. Auch dies werden wir uns in der Anhörung genau anschauen müssen.
Trotzdem werden wir diesen Weg mitgehen und prüfen, was möglich ist. Die internationale Steuerhinterziehung muss genauso energisch bekämpft werden wie die Steuerhinterziehung auf nationaler Ebene. Deshalb werden wir diesen Gesetzentwurf beraten und sicherlich auch noch verbessern.
Danke.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort erhält nun die Kollegin Lydia Westrich, SPD-Fraktion.
Lydia Westrich (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mir ist in dieser Debatte wichtig, deutlich zu machen, dass Deutschland ein Land mit einer relativ hohen Steuermoral ist. Ich bin Finanzbeamtin und habe sehr viele Bürgerinnen und Bürger im Laufe meines Berufslebens begleitet,
die zwar nicht gerade freudig, aber doch pflichtbewusst ihre Steuern gezahlt haben.
Die meisten unserer Bürgerinnen und Bürger erbringen - das müssen wir konstatieren - steuerehrlich entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit ihren Beitrag zum Gemeinwohl. Steuermoral und Steuerehrlichkeit haben einen hohen Stellenwert in unserem Land, das sich als Sozialstaat versteht und für alle Bürgerinnen und Bürger einen guten Weg in die Zukunft gestalten will. Das heißt, wir brauchen einen starken Staat.
Umso sensibler müssen wir Politiker mit der Pflanze Steuerehrlichkeit und Steuermoral umgehen. Es gibt bei uns natürlich auch die anderen; über die haben wir schon gesprochen. Wenn unsere ehrlichen Steuerzahler in stärkerem Maße davon ausgehen müssen, dass diese anderen, eventuell ihre Nachbarn, ihre Chefs, die Eliten unseres Landes, relativ problemlos Steuern hinterziehen können, ohne dass sie nennenswert bestraft bzw. ohne dass sie überhaupt erwischt werden, dann können wir Politiker zusehen, wie die Steuermoral in diesem Land rapide sinkt. Das können wir uns einfach nicht erlauben.
Deshalb sind für mich zwei Dinge in dieser Debatte äußerst wichtig. Der erste Punkt ist: Alle Fraktionen haben sich in Anträgen dem Ziel verschrieben, Steuerhinterziehung zu bekämpfen. Das ist auch verbal geschehen; selbst Herr Schäffler hat es hier noch einmal deutlich gemacht.
Das ist ein klares Signal an die Bürgerinnen und Bürger, dass wir Steuerhinterziehung als Diebstahl an uns allen ansehen. Dabei geht es nicht um eine Stilfrage, Herr Schäffler, sondern um mehr. Wir alle verurteilen Menschen, die alles nutzen, was der Staat an Infrastruktur zur Verfügung stellt, aber nicht daran denken, sich an der Finanzierung dieser Infrastruktur zu beteiligen, ob das Straßen, Schulen oder Krankenhäuser sind, ob das die innere oder äußere Sicherheit oder unser Rechtssystem betrifft. Dass all das zur Verfügung steht, ist selbstverständlich, und deswegen müssen es auch alle mitbezahlen.
Wir stellen in den vorliegenden Anträgen, die Herr Kolbe zum Teil beschrieben hat, parteiübergreifend Überlegungen an, wie wir dem Diebstahl am Allgemeingut begegnen können. Jede Fraktion tut das nach ihrer ureigenen Art. Die Wege sind verschieden; wir haben uns hier im Plenum über das eine oder andere schon sehr heftig gestritten. Aber wichtig ist, dass wir ein gemeinsames klares Ziel haben. Die Koalitionsfraktionen haben sich in einem sehr intensiven Prozess auf einen wirklich guten Antrag geeinigt. Das war teilweise ein bisschen mühsam; Herr Binding kann dazu etwas erzählen.
Nun hoffe ich, dass aus diesem Antrag, den Herr Kolbe hier vorgestellt hat, tatsächlich Gesetzesinitiativen erwachsen. Denn nur dann ist ein solcher Antrag, der mühsam erarbeitet worden ist, wirklich glaubhaft.
Der zweite für mich wichtige Punkt ist, dass die Regierung einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, der sehr selbstbewusst, wie ich finde, die internationale Solidarität einfordert und der Steuerverwaltung endlich ein scharfes Schwert in die Hand gibt, wie es die Deutsche Steuer-Gewerkschaft schon lange fordert. Die Koalitionsfraktionen haben sich diesen Gesetzentwurf zu eigen gemacht. Er darf im anstehenden parlamentarischen Beratungsprozess nicht verwässert werden. Was ich hier gehört habe, macht mir ein bisschen Sorgen.
Die Liechtenstein-Affäre hat in unserer Bevölkerung einen tiefen Eindruck hinterlassen. Wenn Sie mit den Menschen reden, zeigt sich immer wieder Unverständnis darüber, dass die Politik nicht in der Lage ist, dieser kriminellen Praktiken Herr zu werden. Steuerbetrug ist Diebstahl an uns allen. So sehen es die meisten unserer Bürgerinnen und Bürger, die sich aufgrund ihrer Ehrlichkeit unfair behandelt fühlen. Gerade sie erwarten von uns Politikerinnen und Politikern, dass wir das Anrecht auf eine gerechte Besteuerung für alle durchsetzen und keine Schlupflöcher lassen, auch nicht, wenn sie in befreundete Staaten führen.
Ich als Sozialdemokratin kann es nicht akzeptieren, wenn Länder ihre Wirtschaftskraft dahin gehend entwickeln, Bürger anderer Staaten beim Steuerbetrug zu unterstützen und zu beschützen. Hehlerei nennt es der Deutsche Gewerkschaftsbund. Von Oskar Lafontaine haben wir Ähnliches gehört. Das ist starker Tobak. Aber es ist konsequent, wenn Steuerhinterziehung als Diebstahl am Gemeinwohl betrachtet wird, wie das von allen bestätigt worden ist. Deshalb muss der Gesetzentwurf der Koalition in die parlamentarischen Beratungen als starkes Schwert der Steuerverwaltung einfließen und diese auch wieder als starkes Schwert verlassen. Wir dürfen diesen Gesetzentwurf nicht verwässern lassen.
Wir haben in den letzten Jahren viele Kontrollmöglichkeiten zur Verhinderung und Bekämpfung von Steuerkriminalität in Gang gesetzt. Die Sozialdemokraten, Herr Kolbe, haben sich immer an die Spitze dieser Bewegung gestellt. Von uns gingen die meisten Initiativen aus. Jede einzelne Maßnahme, Herr Schäffler, die wir der Finanzverwaltung und der Steuerfahndung an die Hand gegeben haben, mussten wir gegen den teilweise sehr erbitterten Widerstand von Fraktionen, aber auch von Interessenverbänden durchsetzen. Aber wir haben es mithilfe unseres Partners, der CDU/CSU-Fraktion, getan. Dies war der Mühe wert.
Wir werden nicht lockerlassen. Zuerst muss die dem Staat zustehende Steuerbasis gesichert werden, bevor man neue Einkommensquellen erschließt oder neue Schuldenberge aufhäuft. Das sind wir auch den Kindern schuldig.
Steuerkriminalität hat ganz gravierende Auswirkungen auf die Volkswirtschaft. Sie führt häufig zu Wettbewerbsverzerrungen und vernichtet damit reguläre Arbeitsplätze. In der Wirtschaftskrise können wir es uns überhaupt nicht erlauben, keine Maßnahmen zu ergreifen, um Arbeitsplätze zu erhalten. Das können und wollen wir nicht hinnehmen. Ihren Antrag zur Umstellung der Umsatzsteuer von der Soll- auf die Istbesteuerung, der zwar ein Tor zum Steuermissbrauch schließt, aber gleichzeitig ein Scheunentor zum Missbrauch öffnet, können wir leider nicht annehmen.
Denn Sie wollen natürlich nicht, dass die Istbesteuerung von einem bürokratischen Monstrum wie dem Cross-Check-Verfahren begleitet wird, sondern wollen dies der Beliebigkeit anheimfallen lassen. Das ist der falsche Weg. Deswegen werden wir Ihren Antrag, so gut er auch gemeint ist, ablehnen müssen.
Wir sehen den Föderalismus in Deutschland sehr positiv. Deswegen können wir dem Antrag der Linken zur Bildung einer Bundessteuerverwaltung ebenfalls nicht zustimmen. Viele meiner Kolleginnen und Kollegen und ich würden eine Bundessteuerverwaltung gerne sehen. Ich respektiere aber die Ablehnung der Länder, die ihre Verwaltungshoheit behalten wollen und gut mit uns zusammenarbeiten.
Deshalb ist der Antrag der CDU/CSU und der SPD der praktikabelste. Wenn wir das alles in Zukunft durchsetzen könnten, was wir in diesem Antrag formuliert haben, dann wären wir im Kampf für Steuergerechtigkeit ein gutes Stück weitergekommen. Ich appelliere an die Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU, dass sie diesen Kampf mit uns fortführen. Die sozialdemokratische Fraktion ist da der beste Partner.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Otto Bernhardt, CDU/CSU-Fraktion.
Otto Bernhardt (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Verlauf dieser Debatte hat gezeigt, dass alle Fraktionen des Deutschen Bundestages der Meinung sind, dass Steuerhinterziehung eine kriminelle Handlung ist und mit allen Mitteln bekämpft werden muss. Die Große Koalition hat in dieser Richtung manches getan; die Kollegen haben darauf hingewiesen. Zum Beispiel wurde die Verjährung von Steuerhinterziehung auf zehn Jahre verdoppelt und bei besonders schwierigen Fällen sogar die Telefonüberwachung zugelassen, was eine wirklich sehr harte Maßnahme ist.
Der Bundesgerichtshof hat als Maßstab formuliert, dass ab einer Steuerhinterziehung von 50 000 Euro entsprechende Freiheitsstrafen zu erteilen sind - in der Regel ab 1 Million Euro sogar nicht mehr zur Bewährung. Das zeigt, wir haben es hier mit einem Phänomen zu tun, das für die Gemeinschaft natürlich schädlich ist. Ich stimme allen Rednern zu, die gesagt haben: Jeder, der seine Steuer nicht ordnungsgemäß zahlt, belastet damit die anderen Steuerzahler.
Zugleich muss man natürlich auch sehen - das gilt auch bei diesem Thema -, dass die Wege, um ein Ziel zu erreichen, unterschiedlich sein können. Ich sage auch das mit aller Deutlichkeit.
Der Tatbestand, dass zwar schon im Januar ein Referentenentwurf vorgelegt wurde, aber erst heute die erste Lesung stattfindet, ist darauf zurückzuführen, dass wir den Ansatz des Referentenentwurfes für nicht richtig hielten. Ich glaube, es ist nicht der richtige Ansatz, wenn man zunächst einmal alle Bürger, die mit Ländern, die bestimmte Standards nicht erfüllen, in einen wirtschaftlichen Kontakt treten, unter einen Generalverdacht stellt. Das kann nicht unsere Lösung sein.
Die Union geht von dem ehrlichen Steuerzahler aus. Zu einem Generalverdacht sagen wir Nein.
Mit dem Weg, der jetzt gefunden worden ist, können wir leben. Es wird nämlich gesagt: Für Länder, die den OECD-Standard nicht einhalten, können Verordnungen, die bestimmte Auflagen enthalten, erlassen werden. Diese Auflagen können die Betroffenen etwa durch die Gewährung von Informationsrechten erfüllen, sodass entsprechende Strafmaßnahmen nicht durchgeführt werden.
Ich vermisse einen Ansatz, den die Vereinigten Staaten verfolgen und den ich für viel wichtiger halte. Vielleicht lebt er im Rahmen der parlamentarischen Beratungen noch auf. Man sollte sich die Kreditinstitute ein bisschen mehr als andere Unternehmen anschauen. Ich sage nur: Der Tatbestand, dass fast alle großen Kreditinstitute in Deutschland und, um auch das deutlich zu sagen, alle Landesbanken in diesen Steueroasen Töchter haben, sollte uns zumindest nachdenklich stimmen; denn irgendwann müssen dem ja Politiker zugestimmt haben. In den Verwaltungsräten sitzen ja Politiker aller Fraktionen. Ich halte fest: Der Ansatzpunkt Kreditinstitute scheint mir ein sehr wichtiger zu sein.
Es gibt allerdings einen Dissens, der einer der Gründe dafür ist, dass das Thema so schwer zu behandeln ist. Zunächst einmal bin ich froh, dass dieser Gesetzentwurf erst nach dem G-20-Gipfel in London diskutiert wird; denn dort hat sich einiges verändert. In London hat man sich darauf geeinigt, dass für alle Länder dieser Welt der OECD-Standard Maßstab sein soll. Das heißt ganz schlicht: Wenn ein Land konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass einer seiner Bürger über ein entsprechendes Land Steuern hinterzieht, dann muss die Steuerverwaltung dieses Landes behilflich sein.
Die meisten Länder in der Welt tun das - völlig klar -, einige wenige aber nicht. Mein Eindruck ist nun, Herr Minister, dass Sie gerne weitergehen wollten und Ihr Haus nicht in den gleichen Bahnen wie die anderen europäischen Länder denkt. Ich glaube, Sie hätten am liebsten weltweit ein solches Kontoabfrageverfahren, wie wir es in Deutschland haben.
In Deutschland gibt es ja nur noch ein sehr begrenztes Bankgeheimnis. Schweden kennt gar keines mehr. Wir müssen aber berücksichtigen, dass es Länder gibt, die hinsichtlich des Bankgeheimnisses eine andere Erwartung haben. In Österreich hat es nun einmal Verfassungscharakter, und auch in der Schweiz hat es eine besondere Bedeutung. Das heißt, wir werden es nicht erreichen, dass die Schweiz anhand einer Liste der deutschen Staatsbürger nachschauen wird, wer dort ein Konto hat. Das bekommen wir nicht hin. Wer das Ziel erreichen will, der ist auf dem Holzweg. Wir haben nur eine Chance über den OECD-Standard.
Sie von der FDP haben natürlich recht: All die Betroffenen haben inzwischen erklärt, dass sie das tun. Einige haben mir erklärt, sie würden das sogar sehr schnell tun, aber die Verhandlungen mit dem Ministerium über Doppelbesteuerungsabkommen - es stehen dafür ja nur wenige Mitarbeiter zur Verfügung - würden relativ lange dauern. Das kann ich verstehen. Die Verhandlungen laufen.
Die Frage, ob wir das Gesetz nachher überhaupt noch brauchen, ist jetzt also offen. Ich argumentiere hier aber ähnlich wie beim Enteignungsgesetz: Wir werden das Enteignungsgesetz Gott sei Dank wohl nicht anwenden müssen, weil wir die notwendige Mehrheit bei der Hypo Real Estate wahrscheinlich auch ohne eine Enteignung erreichen.
Aber ohne das Gesetz wären wir vielleicht nicht so weit gekommen. Deshalb müssen wir auch hier weitermachen, damit die Ankündigung der Länder, sie würden den OECD-Standard beachten, dann auch wirklich Realität wird.
Ob das Gesetz angewendet werden muss, ist also fraglich; dennoch brauchen wir dieses Gesetz.
Herr Minister, Sie wissen, dass ich Sie sehr schätze, aber die Art und Weise, wie Sie sich öffentlich zu einigen unserer Freunde äußern, macht mir zu schaffen und ist nicht in Ordnung.
Ich habe mich vor kurzem in einem Interview mit dem Schweizer Fernsehen für das Verhalten ?meines Ministers? - so habe ich das gesagt - entschuldigt. Das kam in der Schweizer Tagesschau. Ich habe unwahrscheinlich viele Briefe bekommen, in denen stand: Endlich einmal! Die Äußerungen des Ministers stellen nämlich eine enorme Belastung dar. Sie werden sehen: Insbesondere für die Bürger in Bayern und Baden-Württemberg, die sehr enge Beziehungen zu Österreich, zur Schweiz und zu Liechtenstein haben,
ist das eine unerträgliche Belastung.
Ich finde, diesen Weg darf man nicht gehen.
Ich sage an dieser Stelle ganz deutlich: Wir werden das Gesetz verabschieden, aber es ist nicht hilfreich, wenn Sie, Herr Steinbrück, jetzt schon wieder in Zeitungen und nicht in internen Gesprächen sagen, dass Sie, sobald das Gesetz verabschiedet ist, die Verordnung in Gang setzen werden. Das können Sie gar nicht, Herr Minister.
Wir müssen diesen Ländern ein paar Monate Zeit geben, um sich anzupassen.
Gott sei Dank haben wir den Bundesrat, und diese Verordnungen bedürfen der Zustimmung des Bundesrates. Ich sage sehr deutlich: Es macht doch keinen Sinn, Staaten, mit denen wir seit Jahrhunderten freundschaftlich zusammenarbeiten, mit solchen Drohungen zu kommen.
In diesem Sommer werden sehr viele Deutsche Urlaub in Österreich und der Schweiz machen. Sie sollen dort weiterhin freundlich aufgenommen werden.
Voraussetzung dafür ist, dass wir mit diesen Ländern weiterhin anständig und diplomatisch umgehen. Darauf legen wir größten Wert.
Abschließend sage ich für meine Fraktion in aller Deutlichkeit: Wir werden weiterhin alles tun,
um den ehrlichen Steuerzahler vor dem Steuerhinterzieher zu schützen, aber wir werden uns nicht dazu hinreißen lassen, andere Länder und deren Bürger zu beleidigen, und wir werden auch nicht zulassen, dass andere Länder unter Druck gesetzt werden.
Ich habe den Eindruck, dass wir international auf einem vernünftigen Weg sind. Wir werden in diesem Zusammenhang unseren Beitrag leisten. Aber bitte keine Drohungen gegenüber befreundeten Staaten und kein Generalverdacht gegen unsere Bürger!
Danke schön.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf der Drucksache 16/12852 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu andere Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Finanzausschusses auf der Drucksache 16/12826.
Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Annahme des Antrags der Fraktionen von CDU/CSU und SPD auf der Drucksache 16/11389 mit dem Titel ?Steuerhinterziehung bekämpfen?. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Dann ist diese Beschlussempfehlung mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen bei Stimmenthaltung der Oppositionsfraktionen angenommen.
Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/11734 mit dem Titel ?Steuervollzug effektiver machen?. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit Mehrheit angenommen.
Weiter empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion der FDP auf der Drucksache 16/9836 mit dem Titel ?Umstellung der Umsatzsteuer von der Soll- auf die Istbesteuerung?. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Auch diese Beschlussempfehlung ist mit breiter Mehrheit angenommen.
Unter Buchstabe d seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/9479 mit dem Titel ?Bundesverantwortung für den Steuervollzug wahrnehmen?. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen.
Des Weiteren empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe e seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrages der Fraktion Die Linke auf der Drucksache 16/9166 mit dem Titel ?Steuermissbrauch wirksam bekämpfen - Vorhandene Steuerquellen erschließen?. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen.
Unter Buchstabe f der Beschlussempfehlung wird die Ablehnung des Antrages der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/9168 mit dem Titel ?Steuerhinterziehung bekämpfen - Steueroasen austrocknen? empfohlen. Auch über diese Beschlussempfehlung lasse ich abstimmen. Wer ist dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mehrheitlich angenommen.
Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe g der genannten Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/9421 mit dem Titel ?Keine Hintertür für Steuerhinterzieher?. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit Mehrheit angenommen.
Damit haben wir diesen Tagesordnungspunkt abgeschlossen.
Wir kommen nun zu den Tagesordnungspunkten 16 a und 16 b:
a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beschleunigung des Ausbaus der Höchstspannungsnetze
- Drucksache 16/10491 -
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie (9. Ausschuss)
- Drucksache 16/12898 -
Berichterstattung:
Abgeordneter Hans-Josef Fell
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie (9. Ausschuss)
- zu dem Antrag der Abgeordneten Hans-Kurt Hill, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Stromübertragungsleitungen bedarfsgerecht ausbauen - Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung sowie Energiewende umfassend berücksichtigen
- zu dem Antrag der Abgeordneten Hans-Josef Fell, Kerstin Andreae, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Stromnetze zukunftsfähig ausbauen
- zu dem Entwurf einer Entschließung in der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Rechts der Erneuerbaren Energien im Strombereich und zur Änderung damit zusammenhängender Vorschriften
- Drucksachen 16/10842, 16/10590, 16/8148, 16/8393, 16/9477 Ziffer II, 16/12898 -
Berichterstattung:
Abgeordneter Hans-Josef Fell
Zum Gesetzentwurf der Bundesregierung liegen ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP sowie ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann können wir so verfahren.
Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst für die Bundesregierung das Wort dem Parlamentarischen Staatssekretär Hartmut Schauerte.
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie:
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Gestern haben wir in erster Lesung über das CCS-Gesetz beraten. Heute beraten wir über ein Energieleitungsausbaugesetz, das den Ausbau der Hochspannungsnetze beschleunigen soll. Das zeigt: In Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise gibt es keinen Stillstand in der Energiepolitik. Im Gegenteil: Wir handeln und tun alles für eine sichere, nachhaltige und bezahlbare Stromversorgung.
Insbesondere im Hinblick auf die Versorgungssicherheit sind der Ausbau und die Modernisierung der Netze wichtige Themen. Die Zukunft wird sehr wahrscheinlich zeigen, dass der Energiemix bei der Stromerzeugung eine noch größere Rolle spielen wird als heute. Auch deswegen haben wir allen Anlass, rechtzeitig zu handeln. Wir brauchen moderne und leistungsfähige Netze. In diesem Bereich stehen wir vor besonderen Notwendigkeiten.
Im Norden Deutschlands entstehen große, leistungsfähige Windparks; gerade die Offshore-Windenergie wird massiv ausgebaut. Viel neuer Strom wird im Norden hergestellt, der bisher nicht zentraler Standort für Energiegewinnung war. Nordrhein-Westfalen wird hier - wenn ich das so sagen darf - ein Stück weit abgelöst. Die Verbrauche finden aber im Süden und in der Mitte des Landes statt. Sie können sich vorstellen, dass wir deswegen neue Übertragungskapazitäten brauchen. Daneben nimmt EU-weit der grenzüberschreitende Stromhandel zu. Auch hierauf müssen wir unsere Netze ausrichten.
Was bedeutet das für Deutschland? Wir müssen das bestehende Netz optimieren; das ist eine Daueraufgabe. In einigen Bereichen brauchen wir einen Ausbau des Netzes. Die ehrliche Botschaft an die Menschen ist: Wer die Klimaschutzziele erreichen will, muss auch für den Netzausbau sorgen. Damit auch das klar ist: Die Kosten, die hier entstehen, sind nicht normale Kosten eines wachsenden Strommarkts, die aufgrund steigenden Stromverbrauchs über den normalen Kilowattstundenpreis finanziert werden könnten - es findet also keine messbare Erhöhung statt -, sondern sind Zusatzkosten, die im Prinzip über das bestehende Mengengeschäft finanziert werden müssen. Deswegen ist große Sorgfalt darauf zu lenken, dass dieser Ausbau kostengünstig erfolgt; denn er führt - das muss man immer im Auge haben - zu einer Verteuerung des Stroms für alle Endabnehmer.
Allein für die Integration des Stroms aus Windenergie in die Netze brauchen wir nach den Berechnungen der Deutschen Energie-Agentur 850 Kilometer neue Leitungen, und zwar bis zum Jahr 2015. Darüber hinaus hat die Europäische Union in ihren Leitlinien den transeuropäischen Energienetzen einen erheblichen und dringenden Ausbaubedarf attestiert.
Unser Gesetzentwurf sieht nun vor, für 24 dringliche Vorhaben die energiewirtschaftliche Notwendigkeit im Sinne der Planfeststellung und -genehmigung durch Gesetz festzustellen. Das ist der entscheidende Punkt. Für die durch Gesetz festgestellten Notwendigkeiten wollen wir ein verkürztes Verfahren. Das können wir verantworten; denn wir haben die Notwendigkeit dieser Maßnahmen in gesetzlicher Beratung vorweggenommen. Das erleichtert die Durchführung und Durchsetzung.
Das Ob dieser dringlichen Maßnahmen ist damit geklärt. Die Behörden werden hiermit entlastet und können sich auf das Wie konzentrieren, also auf die Fragen der konkreten Trassenführung, der angewandten Methodik und der Ausbauqualität. So wird dies seit langem im Rahmen des Fernstraßenausbaugesetzes und des Bundesschienenwegeausbaugesetzes praktiziert. Diese Vorgehensweise ist angesichts der Eilbedürftigkeit geboten.
Ferner gilt für die 24 Vorhaben eine Rechtswegverkürzung auf eine Instanz, nämlich das Bundesverwaltungsgericht. Ich weiß, dass wir mit einer Rechtswegverkürzung behutsam umgehen müssen. Aber wir halten sie angesichts der Dringlichkeit der Vorhaben für geboten.
Wir sind uns der Belastungen bewusst, die sich aus dem Bau neuer Hochspannungsleitungen für die Betroffenen vor Ort ergeben können. Deswegen experimentieren wir beim Netzausbau zum Beispiel mit der immer wieder geforderten Ausbauvariante Erdkabel. Das ist sicherlich konfliktfreier, aber ganz eindeutig viel teurer. Damit bin ich wieder bei der Preisrelevanz, die wir bei diesen Ausbaumaßnahmen sorgfältig im Auge haben müssen.
Wir ermöglichen im Rahmen von vier Pilotprojekten den Einsatz von Erdkabeln. Das geschieht auf der 380-kV-Ebene. Diese vier Musterpilotprojekte, auf die wir uns verständigt haben, kosten immerhin über 1 Milliarde Euro mehr, als wenn normale Hochspannungstechnik verwendet würde. Die Kosten sind ein wichtiger Grund, warum wir bei den Erdkabeln eine Pilotphase vorschalten. Diese haben nämlich erhebliche Relevanz für den Strompreis in Deutschland. Wir sind uns aber auch der Wirtschaftslage bewusst. Ich darf nur an die NE-Metallindustrie erinnern. Hier stehen viele Betriebe kurz vor der Schließung, wenn wir nicht bestimmte Maßnahmen einleiten. Das ist also eine hoch relevante Fragestellung. Deswegen wollen wir die Erdkabel in Pilotmodellen ausprobieren.
Es gibt daneben eine große Anzahl von technischen Problemen, die noch nicht erkannt und gelöst sind. Da die Stromnetze im Grunde der Kreislauf der deutschen Volkswirtschaft sind, hätte eine fahrlässige Operation und Veränderung in diesem Kreislaufsystem existenzielle Auswirkungen auf den Standort Deutschland. Deswegen brauchen wir eine vorsichtige Herangehensweise.
Wir wollen darüber hinaus regeln, dass neue Leitungen auf der 110-kV-Ebene unter bestimmten Voraussetzungen als Erdkabel errichtet werden können. Das war insbesondere ein Anliegen der SPD. Wir haben uns allerdings auch hier unter Kostengesichtspunkten darauf verständigt, dass das nur dann gemacht wird, wenn diese Art der Leitungsverlegung nicht mehr als das 1,6-Fache, also bis zu 60 Prozent, der normalen Struktur kostet.
Wir müssen uns in der Politik ein bisschen zurückhalten. Wir neigen ja dazu, Maßnahmen, die am Ende nicht über Steuern, sondern durch Preiserhöhungen, also durch die Bürger, bezahlt werden, etwas großzügiger zu behandeln als steuerfinanzierte Maßnahmen.
Deswegen ist hier allergrößte Vorsicht geboten. Die Deckelung der Mehrkosten ist absolut notwendig. Wir verlieren die Wirtschaftlichkeit in der Stromversorgung nicht aus dem Auge.
Wir wollen moderne Netze, die den Strom aus erneuerbaren Energiequellen und aus neuen hocheffizienten konventionellen Kraftwerken abtransportieren können. Wir müssen sie zudem fit für den EU-weiten Stromhandel machen. Hierzu ist keine Staatsbeteiligung an den Netzen nötig - ich komme zum Schluss meiner Rede -, so willkommen auch eine einheitliche Netzgesellschaft für die Übertragungsnetze wäre. Wir setzen auf vertragliche Gestaltung und auf unternehmerische Lösung, aber nicht auf Staatsbeteiligung.
Wir haben bereits durch das Energiewirtschaftsgesetz und durch Anreizmaßnahmen für entsprechende Regulierung gesorgt. Dies ist die Alternative. Wer Staatsnetze hat, braucht keine intelligente Regulierung; denn er könnte es selbst regulieren. Wer in diesem Zusammenhang auf private Netze setzt, braucht eine intelligente und wirkungsvolle Regulierung.
Der nun vorliegende Gesetzentwurf fügt einen weiteren Baustein in dieses Gesamtpaket ein. Er beschleunigt die Investitionen in die Netze, was dringend nötig ist.
Zum Schluss: Immerhin rechnen wir damit, dass mit diesem Maßnahmenpaket Investitionen in Höhe von etwa 30 Milliarden Euro in einem überschaubaren Zeitraum auf den Weg gebracht werden. Das ist in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise sicherlich eine gute Botschaft an alle, die in diesen Unternehmungen in Brot und Arbeit sind oder in diesem Bereich Geschäfte machen und Umsatz erzielen wollen.
Herzlichen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort hat nun die Kollegin Gudrun Kopp, FDP-Fraktion.
Gudrun Kopp (FDP):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren und Damen! Lieber Herr Schauerte, Sie haben richtig dargestellt, wie wichtig es gerade in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise ist, all jene privaten Investitionen zu tätigen, die, ohne einen einzigen Cent Steuergelder auszugeben, allein dadurch möglich sind, dass die Politik die notwendigen Rahmenbedingungen, auch die notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen, schafft. Darum ging es in der gestrigen Debatte über die CO2-Abscheidung bei der Kohleverstromung, und darum geht es heute bei der Diskussion über das Gesetz zur Beschleunigung des Ausbaus der Höchstspannungsnetze. Eigentlich hätte dieses Ziel auch mit der Umsetzung des Energieeffizienzgesetzes verfolgt werden sollen. In diesem Fall konnten sich die beiden beteiligten Häuser, das Bundesumweltministerium und das Bundeswirtschaftsministerium, aber wieder einmal nicht einigen. Das ist bedauerlich.
Immerhin liegt jetzt, ein Jahr nach dem entsprechenden Kabinettsbeschluss, endlich der Entwurf eines Gesetzes zum Ausbau der Höchstspannungsnetze vor. Dieses Gesetz ist auch notwendig. Im Grunde genommen handelt es sich dabei um ein Strukturpaket - nicht um ein Konjunkturpaket, sondern um ein Strukturpaket -, mit dem die notwendigen milliardenschweren Investitionen in die Netze ermöglicht werden. Herr Schauerte hat bereits darauf hingewiesen, dass es in den nächsten Jahren um einen Betrag in der Größenordnung von 10 Milliarden Euro geht. Insgesamt werden mittelfristig Investitionen in einem Umfang von 30 Milliarden Euro getätigt; auch das ist notwendig.
Wir stellen ja fest, dass die Energie- bzw. Stromproduktion mittlerweile verstärkt im Norden Deutschlands stattfindet, während zugleich im Süden des Landes immer mehr Kernkraftwerke abgeschaltet werden.
Auch diese Entwicklung impliziert, dass neue Leitungen gebaut werden müssen. Hier besteht unserer Meinung nach ein Ungleichgewicht. So möchte ich das Augenmerk darauf richten, dass der Netzausbau auch deswegen erforderlich ist, da die Bundesregierung in der Vergangenheit eine unausgewogene Energiepolitik betrieben hat und - das tut sie leider nach wie vor - selektiv vorgegangen ist.
Darüber hinaus muss man bedenken, dass die Verfahren zur Genehmigung von Fernstromleitungen derzeit acht bis zwölf Jahre dauern; das ist nicht akzeptabel.
Auch auf diesem Gebiet müssen wir vorankommen. Ebenso sind größere Kapazitäten bei den Grenzkuppelstellen erforderlich. Wir müssen sie weiter ausbauen und dabei auch die Entwicklungen auf europäischer Ebene berücksichtigen.
Die FDP-Bundestagsfraktion begrüßt deshalb, dass wir beim Ausbau der Energienetze vorankommen. Dabei handelt es sich quasi um eine Operation am Rückgrat unserer Wirtschaft; denn wo keine Energie fließt, kann nicht gewirtschaftet werden. Insofern ist dieses Thema sehr wichtig.
Wie hoch die Mehrkosten sind, die durch die im vorliegenden Gesetzentwurf aufgeführten vier Pilotprojekte zur Erdverkabelung entstehen, wurde bereits erwähnt. Sie betragen circa 1 Milliarde Euro. Wir sind gespannt, was diese Pilotprojekte bringen. In der Tat ist es so: Wir wollen keinen Automatismus. Wir wollen nicht, dass künftig alle Leitungen, selbst die Mittel- und Niederspannungsleitungen, in der Erde verbuddelt werden, weil wir auch die Kosten im Blick haben. Wir müssen jedoch zur Kenntnis nehmen, dass für den Neubau oberirdischer Stromleitungen nicht genug Akzeptanz vorhanden ist. Um in diesem Bereich Erfahrungen machen zu können, ist es erforderlich, die vier aufgeführten Pilotprojekte durchzuführen. Deswegen sagen wir zu den geplanten Erdverkabelungen Ja. Zu gegebener Zeit werden wir Bilanz ziehen und entscheiden, ob sie sich bewährt haben oder nicht.
Schließlich gibt es nach wie vor große technische und ökologische Probleme. Noch ist nicht alles hundertprozentig ausgereift.
Man muss bedenken, dass für unterirdische Stromleitungen ab einem Steigungsgrad des Geländes von 20 Prozent massive Betonpisten gebaut werden müssen, die Grundwasserproblematik berücksichtigen usw. Ich will jetzt nicht alles erwähnen, aber festhalten, dass wir diese Erprobung mitbestimmen möchten. Deshalb werden wir dem Gesetzentwurf zustimmen.
Wir hätten uns allerdings gewünscht, dass die Bundesregierung angesichts des Ausbaubedarfs, den wir haben, nicht nur für den Bau neuer Stromleitungen, sondern auch - auch das ist wichtig - für die Ertüchtigung und den Ausbau von wichtigen bestehenden Stromleitungen ein verkürztes Verfahren ermöglicht hätte.
Als Beispiel für die Mehrkosten nenne ich die Trasse Lauchstädt-Redwitz an der Rodach als Teil der Trasse von Halle (Saale) nach Schweinfurt. Diese Trasse würde in konventionellem Freileitungsbau rund 220 Millionen Euro Kosten. Bei kompletter Erdverkabelung betrügen die Kosten circa 1 Milliarde Euro. Das nur, um einmal die Relationen darzustellen. Wir Liberale wollen Bürgerakzeptanz gewinnen und die Bürger beteiligen. Wir wollen die Rechte der Bürger nicht willkürlich beschneiden. Aber wir sehen auch die Notwendigkeit, kostengünstig, also wirtschaftlich vorzugehen. Gleichzeitig müssen wir dafür sorgen, dass es hier keinen Investitionsstau gibt. Deshalb warnen wir an dieser Stelle vor enormen Kosten. Die Bundesnetzagentur ist ja seit zwei Jahren dabei, die Netzkosten nach unten zu regulieren. Wir aber treffen jetzt politische Entscheidungen, die hier wieder einen Kostenaufwuchs nach sich ziehen werden. Das ist nicht unproblematisch. Dennoch werden wir dem diesmal zustimmen.
Herr Schauerte, Sie haben gesagt, dass Sie sich auch bei Mittelspannungsleitungen eine häufigere Erdverkabelung vorstellen könnten. Wir prüfen das und behalten das im Auge. Aber ich sage Ihnen: Wenn die Bundesnetzagentur jetzt gezwungen wird, 60 Prozent der entstehenden Mehrkosten auf die Netzentgelte umzulegen, wird das die Kosten enorm in die Höhe treiben. Ob die Bürger das akzeptieren werden, ist fraglich. Ich gebe nur noch einmal zu bedenken: Die Netzkosten machen ein Drittel des Strompreises aus. Das ist keine Petitesse, sondern sehr wohl relevant.
Ich komme zum Schluss: Wir sind gegen jegliche Verstaatlichung, wie sie in den Anträgen der Linken gefordert wird. Wir möchten vorankommen mit Investitionen. Wir wollen Deutschland strukturell nach vorne bringen. Deshalb sehen wir das Gesetz zur Beschleunigung des Ausbaus der Höchstspannungsnetze positiv und werden ihm zustimmen - in der Hoffnung, dass die Kostensituation und die Versorgungssicherheit weiterhin auf der Tagesordnung bleiben. Wir werden jedenfalls sehr genau darauf achten, dass es hier nicht zu einer Kostenexplosion kommt.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Rolf Hempelmann ist der nächste Redner für die SPD-Fraktion.
Rolf Hempelmann (SPD):
Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wir sind uns offenbar einig, dass Investitionen in den Ausbau unserer Stromnetze dringend nötig sind. Die Tatsache, dass die FDP dem Gesetzentwurf zustimmen wird, macht das noch einmal deutlich. Offenbar wird damit auch anerkannt, dass wir mit diesem Gesetz einen Beitrag leisten zu mehr Versorgungssicherheit, zu einer umwelt- und klimaverträglicheren Energieversorgung, zu mehr Wettbewerb und letztlich, durch die technischen Innovationen, die geplant sind, auch zu einer Erneuerung unserer Energieinfrastruktur. Insofern ist es in der Tat gut - das ist auch der Koalition zu verdanken -, dass dieses Gesetz noch vor Ende der Legislaturperiode fertiggestellt wurde und nun hier und heute zur Verabschiedung ansteht.
Das erste Stichwort war ein Beitrag zu einer klima- und umweltfreundlichen Energieversorgung. Ich erinnere daran: Eine der Grundlagen für das Energieleitungsausbaugesetz war die Einigung auf sehr ehrgeizige Ausbauziele im Bereich der erneuerbaren Energien. Mit der EEG-Novelle haben wir attraktive Rahmenbedingungen insbesondere für den Ausbau der Windkraft geschaffen. Dieser Ausbau wird vorrangig an küstennahen Standorten in Nord- und Ostdeutschland sowie offshore vor der Küste erfolgen.
Die Energieverbrauchszentren - das ist angesprochen worden - liegen eher im Süden und im Westen. Deswegen brauchen wir die zusätzlichen Kapazitäten auf der Höchstspannungsebene, um den Stromtransport von den Erzeugungs- zu den Verbrauchsstandorten zu gewährleisten. Das derzeitige Netz, das in den vergangenen Jahrzehnten im Wesentlichen von verbrauchsnaher Stromerzeugung geprägt war, ist darauf nicht vorbereitet. Dies hat die dena-Netzstudie bestätigt, die 2005 einen erheblichen Ausbaubedarf des Höchstspannungsnetzes zur Ableitung des Windstroms ermittelt hat.
Bis 2015 müssen für die Integration des Anteils erneuerbarer Energien an der Stromversorgung von 20 Prozent in das Verbundnetz 850 Kilometer Höchstspannungsleitungen neu gebaut und weitere 400 Kilometer verstärkt werden. Wir müssen aufpassen, dass dieser ambitionierte Zeitplan realisierbar bleibt. Deswegen haben wir darauf zu achten, dass der Ausbau der Netze zügig erfolgt.
Es gibt viele weitere Gründe, warum der Ausbau der Netze notwendig ist. Wir haben es mit einem überalterten Kraftwerkspark zu tun, und zwar nicht nur verbunden mit der anstehenden Schließung von Kernkraftwerken, sondern auch mit der notwendigen Erneuerung des fossilen Kraftwerkparks. Auch hier gilt, dass die neuen Kraftwerke nicht unbedingt immer an den alten Standorten gebaut werden. Insofern ist klar, dass diese Investition in die Netze nicht nur für die Netze selbst, sondern für die gesamte Wertschöpfungskette notwendig ist.
Eine weitere Aufgabe des Stromnetzes ist es - das hat eine zunehmende Bedeutung -, die Bereitstellung von Kapazitäten für den europaweiten Stromhandel und Stromtransport sicherzustellen. Damit komme ich, wie Sie merken, zu dem zweiten Ziel: mehr Wettbewerb. Gerade um den Wettbewerb innerhalb Europas zu beflügeln, brauchen wir den Netzausbau bzw. den Ausbau von Kuppelkapazitäten, Interkonnektoren und Höchstspannungsleitungen, um den Stromtransit zu ermöglichen.
Wir haben dazu auf der EU-Ebene prioritäre Trassen - die transeuropäischen Energienetze - identifiziert, und wir haben in der dena-Netzstudie prioritäre Strecken bestimmt. Diese werden jetzt in einem Bedarfsplan zusammengefasst.
Wir haben dabei nicht nur die in den Bedarfsplan aufgenommenen prioritären Projekte definiert, sondern auch - das ist bereits angesprochen worden - den Rechtsweg auf eine Instanz, das Bundesverwaltungsgericht, verkürzt. Außerdem haben wir ein Planfeststellungsverfahren für Offshore-Anbindungsleitungen und für Seekabel vorgesehen.
Ich glaube, dass das zusammen mit der Verkürzung der Überprüfungsfrist hinsichtlich des Bedarfsplans auf drei Jahre dazu beitragen wird, dass wir auch auf die kommenden Entwicklungen rechtzeitig reagieren können. Die dena-Netzstudie II kündigt sich bereits an. Wir werden in der Zukunft wahrscheinlich noch vor weiteren Herausforderungen stehen. Das ist noch deutlicher, als es in der ersten Studie zum Ausdruck gekommen ist.
Wir gehen davon aus, dass die Beschleunigungswirkung, die wir durch den Gesetzentwurf beabsichtigen, eintreten wird. Wir glauben, dass dabei ein erster Schritt hin zur Erdverkabelung auf der 380-kV-Ebene hilfreich sein kann. Das Stichwort Akzeptanz ist in diesem Zusammenhang genannt worden. Ich glaube, dass wir uns durchaus auch darin einig sind, dass es sehr auf die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger gegenüber solchen Leitungsprojekten ankommt.
Ich gebe aber auch denen recht, die in dem Zusammenhang das Kostenargument anführen. Natürlich hat die Akzeptanz zwei Seiten. Der Bürger akzeptiert das, was nach seiner Auffassung ökologisch, aber auch optisch vernünftig ist. Er akzeptiert aber auch das, was seinen Geldbeutel nicht überstrapaziert. Es ist unsere Aufgabe, hier eine entsprechende Abwägung vorzunehmen. Das war einer der Gründe, warum wir uns zunächst auf vier Pilotprojekte auf der Höchstspannungsebene beschränkt haben. Aber das ist nur einer der Gründe. Neben den Kosten spielte vor allem die Tatsache eine Rolle, dass die Verkabelungstechnologie auf der 380-kV-Ebene noch nicht ausgereift ist und dass wir hier noch Erfahrungen sammeln müssen, insbesondere in Sachen Zuverlässigkeit und Versorgungssicherheit; denn in der Tat gibt es bisher weltweit - das war vielen von uns neu - kaum Erfahrungen mit längeren Verkabelungsstrecken.
Wir haben einen Schritt - dieser war ursprünglich im Gesetzentwurf nicht vorgesehen - auf der 110-kV-Ebene gemacht. Das ist die Ebene, die uns allen aufgrund unserer Wohnorterfahrung am bekanntesten ist. Wir sind es gewohnt, dass hier in der Regel Erdverkabelung stattfindet. Allerdings gibt es noch eine Menge Spielraum für zusätzliche Erdverkabelungen. Interessanterweise ist der Kostenabstand auf der 110-kV-Ebene wesentlich geringer. Das heißt, die Erdverkabelung ist nicht so viel teuerer als die Freileitung. Aber es gibt - das muss man eingestehen - Kostenunterschiede. Wir haben deswegen - um einen abgewogenen Ansatz zu wählen - den Regulierungsrahmen für die Bundesnetzagentur konkretisiert und deutlich gemacht, dass dann, wenn der Kostenabstand 60 Prozent nicht überschreitet, die Mehrkosten durch die Bundesnetzagentur anzuerkennen sind. Wir versprechen uns davon, dass eine Reihe von Projekten schneller von den Netzbetreibern in Angriff genommen wird, weil sie erkennen, dass der Return on Investment für sie gesichert ist. Gleichzeitig haben wir mit der Begrenzung der Mehrkosten auf 60 Prozent das Interesse des Verbrauchers an bezahlbarer Energie im Auge gehabt.
Um dem Thema Innovation ein paar Sätze zu widmen: Es ist deutlich geworden, dass wir uns gerade auf dem Gebiet der Erdverkabelung technologische Fortschritte versprechen. Wir haben aber auch Rahmenbedingungen für die Einführung der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungs-Technologie, HGÜ, geschaffen. Wir gehen davon aus, dass bald erste Pilotprojekte im deutschen Stromübertragungsnetz auf der Basis dessen, was wir hier formuliert haben, realisiert werden können. Insofern ist sichergestellt, dass wir Anreize für technologische Entwicklungen schaffen, die wir in den nächsten Jahren im Netzbereich benötigen.
Sie sehen also: Wir haben in der Tat einen Beitrag für mehr Umwelt- und Klimaverträglichkeit, Versorgungssicherheit, Wettbewerb und Innovation mit diesem Gesetz im Auge gehabt.
Der letzte Punkt, den ich ansprechen will, betrifft die stromintensive Industrie. Wir alle, denke ich, haben das Ziel, dass die Industrie in unserem Land eine Perspektive, eine Zukunft hat. Wir stellen gerade in diesen Zeiten fest, dass industrielle Arbeitsplätze, die eine ganze Wertschöpfungskette und Arbeitsplätze in anderen Bereichen - auch im Dienstleistungssektor - quasi nach sich ziehen, wichtiger sind, als man das möglicherweise noch vor Jahren eingeschätzt hat. Deswegen ist es wichtig, dass wir bei allem, was wir tun, darauf achten, dass die Energiekosten gerade der energieintensiven Unternehmen im Rahmen bleiben. Wir haben daher die Stromnetzentgeltverordnung angepasst, und zwar so, dass grundsätzlich der Kreis der Begünstigten erweitert werden kann und dass das Instrument krisenfest ist. Die Unternehmen können dieses Instrument also auch in Jahren der Rezession in Anspruch nehmen. Ich denke, dieser Schritt ist in der Branche ausgesprochen positiv aufgenommen worden.
Ich mache dennoch zum Abschluss darauf aufmerksam, dass all dies nicht ausreichen wird, um sicherzustellen, dass stromintensive Unternehmen in diesen schwierigen Zeiten durchhalten und auch in der Zukunft in Deutschland weiter produzieren. Deswegen werden wir uns in den nächsten Tagen weiter damit beschäftigen müssen, wie wir die Rahmenbedingungen für diese sehr stromintensiven Industrien weiter verbessern. Dazu gibt es Gespräche zwischen den Fraktionen und auch mit den Ministerien, insbesondere mit dem Wirtschaftsministerium.
Ich mache nur darauf aufmerksam, dass insbesondere durch Aluminiumerzeugung mittels Elektrolyse - diese Unternehmen können jederzeit vom Netz genommen werden - Regelenergiekraftwerke in einer unglaublichen Größenordnung ersetzt werden können. Sie können sie sogar mehr als ersetzen. Sie sind sogar besser als Regelenergiekraftwerke, weil sie unmittelbar abgeschaltet werden können und sich die Auswirkung sofort einstellt, was auch bei den besten Regelenergiekraftwerken so nicht der Fall ist. Das müssen wir im Auge behalten. Das kann man auch honorieren. Darüber sollten wir zeitnah ins Gespräch kommen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Der nächste Redner ist Hans-Kurt Hill für die Fraktion Die Linke.
Hans-Kurt Hill (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Chance, die Energienetze zukunftsgerecht auszurichten, wurde nach meiner Meinung von Ihnen vertan. Sie greifen dabei mit der Gesetzesvorlage massiv in die Mitbestimmungsrechte der Bürgerinnen und Bürger ein.
Es wundert mich, Herr Obermeier, dass sich die CDU/CSU und die SPD in der Großen Koalition überhaupt noch auf sachliche Inhalte einigen konnten. Bei der Entwicklung der Energienetze haben Sie offensichtlich erkannt, dass wir nicht alles den Stromkonzernen überlassen dürfen. Ich sage Ihnen voraus, liebe Kolleginnen und Kollegen: So wie Sie sich mittlerweile viele Anträge der Linken zu eigen machen und eins zu eins übernehmen,
zum Beispiel bei der Enteignung von wild gewordenen Banken, so werden Sie über kurz oder lang unserer Forderung nach Überführung der Energienetze in die öffentliche Hand ebenfalls folgen.
Einzelne Inhalte des Entwurfs zeigen durchaus in die richtige Richtung. Erdkabel werden bei Hochspannungstrassen gegenüber Freileitungen bei den Netzentgelten bessergestellt. Das macht die unterirdische Verlegung bei 110 000-Volt-Leitungen wirtschaftlich. Neuerrichtete Stromspeicher werden für den Zeitraum von zehn Jahren von den Netzentgelten befreit, und die Anbindung von Offshorewindparks wird vereinfacht. Das war es aber leider schon. Das reicht einfach nicht aus.
Ich habe es anfangs bereits gesagt: Sie haben die Chance, die Energienetze zukunftsgerecht auszurichten, absolut vertan. Sie reden davon, Deutschland sei ein Stromtransitland, ignorieren dabei aber Zukunftstechniken wie Gleichstromübertragungen komplett. Immerhin redet man schon davon. Dabei ist bekannt, dass gerade diese Technologien bei der Übertragung über weite Strecken die höchste Effizienz aufweisen. Sie haben sich der Stromlobby gebeugt. So dürfen im Prinzip Hochspannungstrassen mit 380 000 Volt weiter uneingeschränkt als Freileitung gebaut werden. Sie nehmen keine Rücksicht auf die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger und die Natur. Dabei ist gerade hier der Elektrosmog sehr hoch, und riesige Masten zerschneiden die Landschaft.
Pilotvorhaben für die Erdverkabelung von 380 000-Volt-Trassen werden nicht nach fachlichen Kriterien ausgewählt. Es ist für mich nicht zu erkennen, warum die Uckermarkleitung, wie von uns und auch von den Kolleginnen und Kollegen der CDU vor Ort gefordert, nicht in das Vorhaben aufgenommen wird.
Die Linke fordert deshalb eine grundsätzliche Prüfung der Erdkabelverlegung in jedem Einzelfall.
Es ist ein Skandal, dass die Beteiligungsrechte betroffener Bürgerinnen und Bürger und Gemeinden massiv eingeschränkt werden und sie somit der Willkür der Energieversorger ausgesetzt sind. Deshalb ist dieses Gesetz vom Grundsatz her nicht zustimmungswürdig.
Sie arbeiten Hand in Hand mit den Energiekonzernen gegen die Bürgerinnen und Bürger, und das ist in vielen Fällen typisch für diese Koalition.
Es gibt weitere Lücken im Gesetz. Es fehlen Vorschriften, die den Netzausbau auf das erforderliche Maß mindern. So könnten bestehende Stromleitungen durch besseres Management und technische Modernisierung bis zu 50 Prozent mehr Strom, erzeugt auch aus Wind und Sonne, aufnehmen. Auffällig ist, dass an den jetzt geplanten Stromtrassen - Herr Hempelmann hat es eben angesprochen - zufällig auch riesige Kohlekraftwerke geplant sind. Damit bremsen die Energiekonzerne den schnell wachsenden Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien gezielt aus. Erklären Sie, Herr Hempelmann, den Thüringern, wieso Kohlestrom aus Lubmin oder Stendal durch den Thüringer Wald bei Zerstörung des Naturraums nach Bayern oder weiter transportiert werden soll!
So können Sie in der Bevölkerung keine Akzeptanz für Stromtrassen erreichen. Das ist ein Gesetz, das die Rechte der Bürgerinnen und Bürger massiv beschneidet und nur den Energiebossen dient. Ginge es nach Vattenfall und Co., würden riesige Strommasten durch das Land gezogen, um noch mehr Kohlestrom in die Nachbarstaaten zu exportieren. Die Folgen, nämlich ein Scheitern im Bereich Klimaschutz und weiter steigende Strompreise, haben Sie zu verantworten. Da ich gerade von den Strompreisen rede: Natürlich entlasten Sie noch einmal die stromintensive Industrie mit Hilfe des hier vorliegenden Gesetzentwurfes bei den Netzgebühren.
Das tun Sie auf Kosten der übrigen Netzkunden und ohne jede Gegenleistung für mehr Energieeffizienz. Stichwort Gegenleistung - auch das sollten die Bürgerinnen und Bürger wissen -: Damit die Union das Energieleitungsausbaugesetz überhaupt mitträgt, musste die SPD vollständig auf die Einbringung eines Energieeffizienzgesetzes verzichten. Noch schlimmer aber ist in diesem Zusammenhang, dass die zwingend erforderliche Verbesserung der Energieeffizienz in Deutschland damit von der Bundesregierung selbst blockiert wird.
Um die Defizite in der Gesetzesvorlage der Bundesregierung zu heilen, hat die Linke einen Antrag zum bedarfsgerechten Ausbau der Energienetze eingebracht. Der Energieleitungsausbau muss den Anforderungen einer klimafreundlichen und dezentralen Energieversorgung Rechnung tragen. Dazu müssen bestehende Stromtrassen zügig dem neuesten Stand der Technik angepasst werden. Ein Leitungstemperaturmonitoring für das Übertragungsnetz ist gesetzlich festzuschreiben. Für den Verbundbetrieb mehrerer Erneuerbare-Energien-Anlagen über das Leitungsnetz, sogenannte virtuelle Kraftwerke, müssen die Netzgebühren entfallen, um eine intelligente und dezentrale Stromproduktion zu fördern. Zur weiteren Entlastung der Übertragungsnetze sind dezentrale Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen gegenüber neuen fossilen Großkraftwerken besserzustellen.
Der Netzausbau auf 110 000-Volt-Ebene ist ausschließlich in Form der Erdverkabelung durchzuführen. Dem Netzausbau auf 380 000-Volt-Ebene muss eine Erforderlichkeitsprüfung vorausgehen, bei der die Erdkabelvariante verpflichtender Teil der Betrachtung sein muss.
Fazit: Der vorgelegte Gesetzentwurf der Bundesregierung ist Flickschusterei, vernichtet Rechte von Bürgerinnen und Bürgern und beinhaltet deutlich zu wenig, um den künftigen Anforderungen im Energiebereich gerecht zu werden. Wir werden ihn deswegen ablehnen.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Der nächste Redner ist Hans-Josef Fell für das Bündnis 90/Die Grünen.
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ausbau erneuerbarer Energien kann und muss beschleunigt werden. Die erfolgreiche industrielle Entwicklung ist ein wichtiger Beitrag zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise. Der Ausbau ist dynamisch und mit exponentiellen Wachstumsraten sehr wohl in der Lage, bis 2030 eine hundertprozentige Versorgung mit erneuerbaren Energien im Stromsektor zu realisieren.
Den vielen Zweiflern in der Großen Koalition und in der FDP sei deutlich vor Augen geführt, dass auch in anderen industriellen Zweigen solche Ausbaugeschwindigkeiten zunächst für unmöglich gehalten, dann aber dennoch realisiert wurden. Noch vor 20 Jahren hatte faktisch niemand einen Laptop, und in 15 Jahren eroberten Mobilfunkgeräte die Welt. Können Sie mir einen vernünftigen Grund nennen, warum die Branchen Windenergie, Fotovoltaik, Biogas oder Geothermie nicht ähnliche industrielle Erfolgsgeschichten schreiben könnten?
Der Bundesverband Erneuerbare Energien hat angekündigt, bis 2020 47 Prozent der Stromerzeugung mit erneuerbaren Energien abzudecken. Statt diese gigantische Chance für Klimaschutz und zur Sicherung unserer Energieversorgung zu ergreifen, hält die Bundesregierung ängstlich an ihrem nicht ambitionierten Ziel von 30 Prozent bis 2020 fest. Die SPD setzt lieber auf den Ausbau der klimaschädlichen Kohlekraftwerke und die Union auf die Laufzeitverlängerung von Atomreaktoren. Beides wird den Ausbau erneuerbarer Energien bremsen statt beschleunigen.
Aber immerhin haben wir von Frau Kopp heute etwas Neues gehört. Sie hat gesagt: Wenn die Atomreaktoren im Süden abgeschaltet werden - dort trägt die FDP ja Regierungsmitverantwortung -, dann brauchen wir den Ausbau neuer Netze. - Gut, dass Sie endlich die Notwendigkeit des Atomausstiegs anerkennen.
Meine Damen und Herren, ein beschleunigter Ausbau erneuerbarer Energien ist natürlich nur dann möglich, wenn die entsprechenden politischen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Dazu gehört unter anderem die Anpassung der Netzinfrastruktur an die Erfordernisse einer Vollversorgung mit Strom aus erneuerbaren Energien. Notwendig sind zum Beispiel Speichersysteme zum Ausgleich der Angebotsschwankungen bei Sonne und Wind und der Ausbau neuer Hoch- und Höchstspannungsnetze, um das reichliche Windstromangebot aus Nord- und Ostdeutschland mit den städtischen Regionen in der Mitte, im Süden und im Westen zu verbinden.
Längst haben sich die Blockaden der großen Netzbetreiber beim Ausbau der Netze als Bremse für den schnellen Ausbau der Ökostromerzeugung erwiesen. Zum Teil blockieren sie, um die ungeliebte Konkurrenz der erneuerbaren Energien zurückzuhalten, zum Teil scheitern sie aber auch an langwierigen Genehmigungsverfahren für den Ausbau von Höchstspannungsnetzen und an Widerständen in Teilen der betroffenen Bevölkerung.
Wir Grünen stehen hinter dem Ziel der Beschleunigung des Ausbaus der Höchstspannungsnetze. In unserem heute zur Abstimmung vorgelegten Antrag haben wir die notwendigen Bedingungen dazu formuliert. Leider bleibt der Gesetzentwurf der Koalition weit hinter den erforderlichen Notwendigkeiten und Möglichkeiten zurück. Vor allem kritisieren wir, dass er die Handschrift der Interessen der großen Stromerzeuger trägt.
Viele Bürgerinitiativen, die vor Ort gegen den Ausbau der Höchstspannungsleitungen kämpfen, sind nicht gegen den Ausbau der Netzinfrastruktur. Zu Recht verlangen sie Erdverkabelungen, womit den Aspekten des Landschaftsschutzes und den Bürgerängsten vor Elektrosmog Rechnung getragen werden könnte.
Doch statt Erdverkabelungen flächendeckend zu ermöglichen, wollen Sie nur fünf willkürlich ausgewählte Pilotregionen zulassen. Es gibt überhaupt keinen Grund, warum Sie beispielsweise die Uckermark nicht in die Liste der Pilotregionen aufgenommen haben.
Statt den Forderungen von berechtigten Bürgerinteressen entgegenzukommen, setzen Sie in Ihrem Gesetzentwurf auf den Abbau von Bürgerbeteiligungsrechten. Meine Damen und Herren von Union und SPD, Sie sollten sich nicht beschweren, wenn in diesen Regionen die Politikverdrossenheit erneut zunimmt. Ihre Argumente gegen Erdkabel gleichen denen, die von den großen Stromversorgern vorgetragen werden. Sie behaupten, Erdkabel seien zu teuer und technisch nicht ausgereift. In der Anhörung des Wirtschaftsausschusses wurde das vom Verband der europäischen Kabelhersteller ganz anders dargestellt.
Oftmals können die wesentlich niedrigeren Betriebskosten von Erdkabeln die höheren Investitionskosten ausgleichen. Ihre Blockade gegen die flächendeckende Zulassung von Erdkabeln ist damit ein erneuter Beweis für Ihre Politik des Schutzes der Interessen der Kohle- und Atomkonzerne.
Mit den Kampagnen pro Atom und für neue Kohlekraftwerke haben diese Konzerne längst bewiesen, dass sie den schnellen Ausbau erneuerbarer Energien behindern wollen.
Wir verkennen nicht, meine Damen und Herren von der Koalition, dass Sie als Parlamentarier durchaus wichtige Verbesserungen am Regierungsentwurf vorgenommen haben. Die Möglichkeiten für Erdkabel in 110-kV-Leitungen finden unsere Zustimmung. Auch begrüßen wir, dass Pumpspeicherkraftwerke von Netzentgelten befreit werden. Leider soll diese Befreiung aber nur für neue Projekte und nur für zehn Jahre gelten. Das reicht als Anreiz für den dringend erforderlichen Bau von Speichern bei weitem nicht aus. Sinnvoll ist auch die Möglichkeit des Anschlusses an moderne HGÜ-Leitungen.
Dies alles darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieses Gesetz die Handschrift der Stromkonzerne trägt und wegen des Abbaus der Bürgerbeteiligungsrechte eine bedenkliche antidemokratische Komponente aufweist. Den Ausbau der erneuerbaren Energien wird dieses Gesetz nicht beflügeln; vielmehr bleibt das Problem bestehen, dass Investoren für Windparks weiterhin jahrelang auf Leitungen warten müssen, und das nicht wegen der Proteste der Bürger, sondern weil die Energiekonzerne wenig Interesse haben, die Konkurrenten ans Netz anzuschließen.
Hier liegt das Kernproblem. Die Koalition blendet völlig aus, dass die Energiekonzerne selber die dringend notwendigen Investitionen in die Stromnetze verzögern.
Dieses Problem muss gelöst werden, und zwar durch die baldige Gründung einer unabhängigen Netzgesellschaft. Nur mit ?neutralen? Netzen wird es die erforderlichen Investitionen in den zukunftsfähigen Ausbau der Stromnetze geben.
Aber dazu ist in der Koalition keine Aktivität erkennbar. So werden Sie den Anforderungen an Klimaschutz und Versorgungssicherheit leider nicht gerecht.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Der Kollege Dr. Joachim Pfeiffer hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Netze sind nicht alles; aber ohne Netze ist fast alles nichts, weil dann nämlich nichts funktioniert. Wir bekommen das leider öfter vorgeführt, wenn es - aus verschiedenen Gründen - zu Blackouts kommt. Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Blackouts kommt, wird steigen, wenn wir nicht schnell und engagiert reagieren. Genau das tun wir mit diesem Gesetz zur Beschleunigung des Ausbaus der Höchstspannungsnetze.
Wir stehen, was das Stromnetz angeht, vor Herausforderungen, die sich in den letzten 50 Jahren in Deutschland und in Europa so nicht gestellt haben. Deutschland ist mittlerweile Stromtransitland Nummer eins in Europa. Wir wollen den europäischen Binnenmarkt. Wenn wir den europäischen Binnenmarkt im Bereich Strom genauso wie in den Bereichen Schiene und Straße wollen - dort knüpfen wir transeuropäische Netze -, dann müssen wir Interkonnektoren, also Verbindungen zwischen den Ländern, schaffen. Ich verweise auch auf die Möglichkeit, Seekabel, beispielsweise durch die Nordsee, zu legen, und zwar schnell, damit der binnenökonomische Blutkreislauf funktionieren kann.
Wir stehen vor Herausforderungen bei der Integration des Systems der erneuerbaren Energien. Es ist ganz klar: Wer Ja zu erneuerbaren Energien sagt, der muss auch Ja zu einem beschleunigten Netzausbau sagen.
Nur so wird die Nutzung erneuerbarer Energien gestärkt.
Wir stehen auch vor einer bisher nie dagewesenen Veränderung der Erzeugungsstruktur. Durch die Nutzung der Windkraft onshore und zukünftig offshore werden zusätzlich Zehntausende Megawatt Strom erzeugt und ins Netz eingespeist; darüber hinaus entstehen zunehmend konventionelle Kraftwerke, beispielsweise Steinkohlekraftwerke in Küstennähe. Man wird so unabhängig von Stromimporten, etwa aus dem Ruhrgebiet. Ich betone: Wir brauchen in Deutschland den Netzausbau.
Was tun wir? Wir stellen einen Bedarfsplan auf - er ist dem ähnlich, den wir von der Schiene und von der Straße her kennen -, in dem wir die von mir beschriebenen Entwicklungen antizipieren, um so einen strukturierten Netzausbau vornehmen zu können.
Die Verkürzung des Instanzenwegs hat sich in den neuen Bundesländern bewährt, Stichwort ?Infrastrukturbeschleunigung?; das Bundesverwaltungsgericht ist nunmehr die einzige, also gleichermaßen erste und letzte Instanz.
Wir beschleunigen mit diesem Gesetz die Planfeststellung für internationale Seekabel, um die Interkonnektoren zu schaffen. Wir ermöglichen mit diesem Gesetz Pilotprojekte im Höchstspannungsnetz, um Stromautobahnen in Deutschland zu bekommen. Dazu gibt es aber noch viele offene Fragen. Neben der Kostenfrage - zum Teil sind die Kosten bis zu zehnmal höher als sonst üblich - stellen sich auch die Fragen der Technologie und der Landschaftsverträglichkeit; es geht um Eingriffe in die Natur. Deshalb müssen wir Erfahrungen sammeln.
Von manchen, von Herrn Fell und Konsorten, wird hier der Eindruck erweckt, als wären Erdkabel die Lösung aller Probleme. Das Gegenteil ist der Fall. Ich will das am Beispiel der Uckermarkleitung darlegen. Es wird gesagt, wir seien gegen die Erdverkabelung in der Uckermark. Jawohl, wir sind dagegen, aber nicht deshalb, weil wir gegen die Bürger oder gegen den Schutz der Landschaft sind; das Gegenteil ist der Fall. Wir haben uns das ganz genau angeschaut. Was wäre, wenn wir in der Uckermark ein 380-kV-Erdkabel verlegen würden? Das Ergebnis wäre ein 20 Meter breiter Straßen- und Steppenstreifen durch das Biosphärenreservat. Ist das die Landschaftsverträglichkeit, die Sie wollen?
Durch die 380-kV-Freileitung in der Uckermark könnte die 220-kV-Freileitung von 37 Kilometern Länge, die bisher durch das Gebiet geht, abgebaut werden. Das wäre beim Erdkabel nicht möglich. Das ist praktizierter Landschaftsschutz.
Wir haben uns das sehr genau angeschaut. Dabei sind nicht allein die Kosten entscheidend. Beim Erdkabel wäre der Eingriff in die Landschaft weitaus größer und wäre auch die zusätzliche Belastung für das Biosphärenreservat größer als bei einer Freileitung, die über 400 bis 500 Meter sozusagen an der Ecke des Biosphärenreservats vorhanden wäre.
- Erzählen Sie hier nichts wider besseres Wissen!
Wir haben im parlamentarischen Verfahren beispielsweise auch noch das Verursacherprinzip gestärkt. Wir haben den Umlageschlüssel geändert, sodass die Gesamtkosten für die Pilotprojekte nicht bundesweit umgelegt werden. Nur die Mehrkosten, die für die Pilotprojekte zur Erdverkabelung verursacht werden, werden umgelegt. Das führt auch zu mehr Effizienz im gesamten Verfahren. Das ist der richtige Weg, den wir nicht nur bei den Pilotprojekten, sondern auch bei anderem beschreiten müssen.
Das Thema ?110 kV" ist angesprochen worden. Wir wollen mit einer moderaten Begrenzung von 60 Prozent arbeiten. Das ist nicht nichts; wir reden unter Umständen über Milliardenbeträge. Die fallen nicht vom Himmel, sondern die muss über eine Umlage der Stromverbraucher aufbringen.
Wir sind aber bereit, diesen Weg zu gehen, wenn wir hier zu einer Beschleunigung kommen.
Zu dem 20 Kilometer breiten Küstensteifen gibt es eine Klarstellung, sodass das dort schneller und besser geht.
Wenn wir hier nicht schneller vorankommen, liegt das daran, dass über Gerichtsverfahren, Einsprüche usw. verzögert wird. Da sind die Opportunitätskosten oftmals höher als einmalig höhere Investitionskosten im 110-kV-Bereich. Auch dazu schlagen wir eine Lösung vor.
Anders als im Höchstspannungsbereich brauchen wir im 110-kV-Bereich keine großen Erfahrungen mehr zu sammeln. Auch der Eingriff in die Natur ist nicht so groß. Sie sollten hier nicht Äpfel mit Birnen vergleichen und nicht wider besseres Wissen reden.
Wir befreien die neuen Speicher, und zwar technologieoffen - denkbar sind nicht nur Pumpspeicher, sondern auch Druckluftspeicher und anderes im Bereich der erneuerbaren Energien -, für zehn Jahre von den Netznutzungsentgelten, um Anreize zu setzen. Neben den Netzen verbessern wir gleichzeitig die Speicherung und bringen die Integration der erneuerbaren Energien nach vorn.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Kollege, können Sie sich vorstellen, zum Ende zu kommen?
Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU):
Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin; vielen Dank für den freundlichen Hinweis.
Die Große Koalition beweist auch heute wieder Handlungsfähigkeit. Wir machen also nicht nur Wahlkampf, sondern wir regieren. Der Gesetzentwurf zu CCS wurde gestern eingebracht. Auch das werden wir noch abschließen. Mit der zweiten und dritten Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Beschleunigung des Ausbaus der Höchstspannungsnetze machen wir den Weg frei. Wir legen den Grundstein für einen beschleunigten Netzausbau. Ich hoffe auf große Zustimmung - nicht nur der Koalitionsfraktionen -, sodass die Stromautobahnen mit Energie ausgebaut werden können.
Herzlichen Dank.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Zu einer Kurzintervention, der Kollege Hill.
Hans-Kurt Hill (DIE LINKE):
Keine Angst, Herr Hempelmann! - Herr Kollege Pfeiffer, sind Sie mit mir einer Meinung, dass eine 70 Meter breite Schneise durch ein Biosphärenreservat einen starken Eingriff in die Naturlandschaft darstellt, dass sich die Bevölkerung dort mit Recht dagegen wehrt und dass es unverständlich ist, dass sich die CDU vor Ort für die Erdverkabelung ausspricht und selbst die SPD sich dafür aussprach, meine Ausschussvorsitzende dann aber gesagt hat, weil die CDU nicht mitmache, werde man unserem Antrag nicht zustimmen? Ich meine, hier wurde die Unwahrheit gesagt. Dies hat nichts mit Wahlkampf zu tun, sondern das ist eine sachliche Feststellung von Fakten.
Zweitens haben Sie davon gesprochen, dass Kraftwerke an der Küste gebaut werden sollen. Sprechen Sie einmal mit den Menschen vor Ort, die insbesondere vom Tourismus leben und auf saubere Luft angewiesen sind. Sie aber sagen, wir brauchten Kohlekraftwerke an der Küste, weil wir Importkohle verfeuern müssten. Hier verstehe ich Ihre energiepolitischen Vorstellungen nicht.
Danke schön.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Pfeiffer, zur Antwort!
Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU):
Herr Kollege Hill, unser Bundestagskollege, der dort seinen Wahlkreis hat, hat sich vor Ort ganz klar gegen die Erdverkabelung ausgesprochen. Insofern weiß ich nicht, wie sich die CDU vor Ort anders verhalten haben sollte, als sie es hier im Plenum tut.
Die von Ihnen genannten 70 Meter kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Die Freileitung überbrückt diesen Naturraum mit Masten. Im Gegensatz dazu zerschneidet das Erdkabel das Biosphärenreservat mit einem 20 Meter breiten Streifen.
- Ja, in der Erde; das wird aber nicht per Tunnel hindurchgebohrt. Es wird eine Schneise durch das Biosphärenreservat angelegt, und hinzu kommen Sonderbauwerke wie Tunnel und Brücken über Straßen und Flüsse. Der Eingriff in die Natur ist hundertfach höher als bei einer Freileitung. Das sind die Fakten, nicht das, was Sie hier behaupten, Herr Hill.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Jetzt gebe ich Marko Mühlstein das Wort für die SPD-Fraktion.
Marko Mühlstein (SPD):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Als im Jahre 2000 in diesem Hohen Hause das Erneuerbare-Energien-Gesetz verabschiedet wurde, hat man sich zum Ziel gesetzt, im Jahre 2010 einen Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromproduktion von 12,5 Prozent zu haben. Im Jahr 2008 hatten wir bereits einen Anteil von 15 Prozent am Stromverbrauch.
Im ersten Quartal 2009 lag der Anteil schon bei 17 Prozent. Die Kritiker von damals reiben sich die Augen, Herr Fell.
Im Bereich der erneuerbaren Energien haben wir bis heute über 275 000 Arbeitsplätze geschaffen. Im Jahre 2020 - so sind die Prognose und unser Ziel - werden sogar 500 000 Arbeitsplätze durch unsere gute Klimapolitik geschaffen sein.
Deutschland ist Exportweltmeister auch im Bereich der Umwelttechnologie nicht zuletzt durch die erneuerbaren Energien.
Unser Ziel ist es, im Jahre 2020 einen Anteil der erneuerbaren Energien von 30 Prozent im Strombereich zu haben und im Jahre 2030 die Hälfte, 50 Prozent, der Stromproduktion in der Bundesrepublik durch erneuerbare Energien zur Verfügung zu stellen.
Um diesen erfolgreichen Weg fortsetzen zu können, brauchen wir in Deutschland nicht nur gut ausgebaute Verkehrsadern und leistungsfähige Datenautobahnen - übrigens auch im ländlichen Raum -, sondern hierfür ist auch ein zukunftsfähiges Stromnetz auf allen Spannungsebenen notwendig. Dafür ebnen wir heute mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Beschleunigung des Ausbaus der Höchstspannungsnetze den Weg.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wissen, dass besonders für den Transport von Wind- und Solarstrom der Ausbau der 110-kV-Ebene eine große Bedeutung hat. Ich will nicht verschweigen - Herr Schauerte hat das ebenfalls ausgeführt -, dass sich die SPD dafür in vielen Verhandlungsrunden starkgemacht hat. Ich kenne die Herausforderung vor allem deshalb besonders gut, weil ich aus einem Land, nämlich Sachsen-Anhalt, komme, das gelegentlich von der Bundesregierung als das Land der erneuerbaren Energien bezeichnet wird und in dem heute bereits 20 Prozent der Stromerzeugung durch erneuerbare Energien bereitgestellt werden.
Ich denke, es ist sehr sinnvoll, dass wir uns über den Regierungsentwurf hinaus auf die Erdverkabelungsregelung für 110 kV einigen konnten. Ich glaube, es macht auch Sinn, dass die Mehrkosten, die übrigens in der Zukunft von der Bundesnetzagentur anrechenbar sind, auf den Kostenfaktor 1,6 begrenzt werden.
Gerade im Bereich der 110-kV-Ebene liegen uns zahlreiche Erfahrungswerte aus 25 Jahren vor, die wir in der Zukunft im Blick haben müssen, um die weiteren gesetzlichen Regelungen in diesem Bereich sinnvoll zu gestalten.
Ich bin mir sicher, dass die Beschleunigung des Netzausbaus aufgrund einer höheren Akzeptanz in Bezug auf Erdkabel gegenüber Freileitungen erfolgen kann. Mit den vier Pilottrassen im Bereich der 380-kV-Ebene machen wir einen guten Anfang. Ich will nicht verschweigen, dass - da möchte ich an die Diskussion von eben anschließen - die SPD sich durchaus für die Uckermarkleitung ausgesprochen hat und wir durchaus einen Sinn in dieser Leitung als zusätzliche Pilottrasse sehen. Regierungshandeln ist aber immer auch von Kompromissen geprägt. Das kann eine Oppositionspartei nicht verstehen; aber Sie befinden sich ja noch in einem Lernprozess.
Ich hoffe zumindest, dass Sie sich in einem Lernprozess befinden, Herr Hill.
- Die Hoffnung stirbt zuletzt, genau.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Windkraft auf See, die sogenannte Offshorewindkraft, ist in Zukunft eine wichtige Säule der erneuerbaren Energien. Nach der Offshorestrategie der Bundesregierung sollen im Jahre 2020 10 000 Megawatt Leistung offshore installiert sein. Im Jahre 2030 können das sogar 25 000 Megawatt sein. Mit der Konkretisierung der Anbindungspflicht des Energiewirtschaftsgesetzes durch die Bundesnetzagentur wird eine Initiative der Koalition berücksichtigt, nämlich die Erleichterung der Anbindung von Offshoreanlagen zu gewährleisten. Dank dieser Initiative und der Konkretisierung ist es möglich, die Offshorestrategie umzusetzen und zu realisieren.
Die temporären Energiequellen Sonne und Wind stellen uns vor Herausforderungen. Wir wissen, dass wir auch in Zukunft einen hohen Bedarf an Speicherkapazitäten und Pufferung im Gesamtnetz haben werden. Deswegen ist es eine wichtige Entscheidung, Pumpspeicherkraftwerke und andere Speicher vom Netzentgelt zu befreien. Das ist ein bedeutender Schritt, um in Zukunft die Speicherkapazitäten ausbauen zu können.
Um ein modernes und leistungsfähiges Stromnetz in Deutschland zu schaffen, brauchen wir ein europäisches Verbundnetz. Dafür legen wir heute den Grundstein. Mit der heutigen Verabschiedung des Energieleitungsausbaugesetzes werden unabdingbare Weichen auf dem Weg zu mehr Versorgungssicherheit, Netzstabilität und einem kontinuierlichen Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland gestellt. Kurzum, es ist ein wichtiger Baustein für eine nachhaltige, dezentrale und zukunftsweisende Energieversorgung.
Ich möchte die verbleibende Zeit nutzen, um den Kollegen Rolf Hempelmann und Herrn Dr. Pfeiffer für die außerordentlich konstruktive Zusammenarbeit zu danken. Um mit den Worten eines Fußballfreundes zu sprechen, lieber Rolf Hempelmann: Ich denke, die Beratungen waren ein faires Spiel mit zahlreichen Verlängerungsrunden; aber am Ende gibt es einen Sieger, und das ist die zukünftige Energieversorgung Deutschlands.
Ganz herzlichen Dank.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Franz Obermeier hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
Franz Obermeier (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bis vor einigen Jahren galt das bundesdeutsche Stromnetz sowohl in der Niederspannungsebene als auch in der Hoch- und Höchstspannungsebene als vorbildlich in Europa. Die Veränderungen in der Erzeugungsstruktur haben uns schon in den 90er-Jahren vor Augen geführt, dass ein Leitungsausbau dringend notwendig ist. Dieser Leitungsausbau muss möglichst rasch vollzogen werden, weil sich völlig veränderte Strukturen dadurch ergeben, dass sich der Verbrauch überwiegend im Westen und Süden und die Erzeugung im Norden konzentriert hat. Ich kann mich an einen Fall aus den 90er-Jahren erinnern. Da hat ein Stromversorgungsunternehmen versucht, eine Höchstspannungsleitung in Schleswig-Holstein zu bauen. Nach einem zehnjährigen Prozess hat es aufgegeben und diese Leitung nicht gebaut.
Aufgrund dieser Situation hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorgelegt, den wir schleunigst beschließen sollten. Wir sollten möglichst alle Hemmnisse im Vollzug ausräumen; denn in den zurückliegenden Jahren hat sich die Situation durch die verstärkte Erzeugung von Strom über Windkraft und fossile Energien dramatisch verändert. Wenn es wirklich so weit kommen sollte, dass die Stromerzeugung für die Grundlast im Süden stillgelegt werden muss, dann muss jemand die Frage beantworten, wie der hohe Stromverbrauch in Bayern und Baden-Württemberg zumindest in der Grundlast - dies betrifft weniger die Mittel- und Spitzenlast - gewährleistet werden soll.
Wir sollten uns nicht die Köpfe darüber zerbrechen, wie schnell der Ausbau der Erdverkabelung stattfindet. Klar ist - das richte ich an Sie, Herr Fell -: Jeder Leitungsbau hat einen erheblichen Eingriff in die Natur zur Folge. Allen, die hier sehr locker davon gesprochen haben - insbesondere Herr Hill -, empfehle ich, sich einmal die Erdverkabelung in Berlin anzusehen, damit sie wissen, welche Bauwerke in die Natur gestellt werden müssen und dass bestimmte Streifen nicht bebaut, nicht genutzt und nicht bepflanzt werden dürfen, weil sie unterhalten werden müssen.
Unabhängig davon müssen wir natürlich berücksichtigen, dass die Erdverkabelung erheblich teurer ist. Herr Hill, ich habe an der gleichen Anhörung zur Erdverkabelung teilgenommen wie Sie. Ich habe nicht gehört, dass einer der Vertreter der Protagonisten der Erdverkabelung gesagt hätte - sie waren anwesend; selbstverständlich möchten sie ihre Kabel verkaufen -, dass sich die bei der Investition entstehenden Mehrkosten durch geringere Unterhaltungskosten aufheben würden. Fest steht - das steht auch in der Begründung des Gesetzentwurfes -, dass wir bei der Erdverkabelung mit nicht unbeträchtlichen Mehrkosten zu rechnen haben. Deswegen ist es sehr wohl gerechtfertigt, in Form von Pilotprojekten an die Sache heranzugehen, um entsprechende Erfahrungen zu sammeln.
Ich sage dies auch deswegen, weil wir, gerade was Gleichstromleitungen betrifft, sehr geringe Erfahrungen haben. Da ist es sehr wohl angebracht, behutsam an die Sache heranzugehen, um nicht mehr Geld als unbedingt notwendig zu verbrauchen. Denn das alles - darauf muss man immer wieder hinweisen - zahlt der Verbraucher.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Kollege, Sie hätten die Chance, eine Zwischenfrage des Kollegen Hill zuzulassen.
Möchten Sie das?
Franz Obermeier (CDU/CSU):
Selbstverständlich.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Bitte schön.
Hans-Kurt Hill (DIE LINKE):
Herr Obermeier, ich gebe Ihnen vollkommen recht, dass der Ausbau der Erdverkabelung teurer ist. Die Gelehrten streiten sich ja über die Schaffung eines Ausgleichs für die Wartung und die Verluste.
Sie haben hier mit Ihrem bayerischen Akzent gesprochen und geben mir doch bestimmt recht, dass es für die Energieversorgung - insbesondere die in Bayern - wichtig wäre, dass man dort mit Windenergie endlich richtig ?pushen? würde.
Zweiter Punkt. Sie geben mir doch bestimmt auch vollkommen recht, dass es wesentlich weniger Einschnitte in die Natur geben würde, wenn wir mit HGÜ-Leitungen arbeiten würden. Wir könnten die vorhandenen Leitungen entsprechend optimieren. Durch ein Temperaturmonitoring könnten wir wesentlich mehr Strom über die vorhandenen Netze leiten. Warum setzen wir denn nicht dort an?
Franz Obermeier (CDU/CSU):
Ich gebe Ihnen insofern recht, als die HGÜ-Leitungen, nach allem, was wir jetzt wissen, hinsichtlich des gesamten Unterhaltungsaufwandes erheblich günstiger sind. Bei den Gleichstromleitungen haben wir aber so gut wie keine Erfahrungen hinsichtlich großer Übertragungsnetze.
Das führt uns dazu, zu sagen: Das probieren wir.
Herr Hill, ich habe mir bei Ihrer Rede im Übrigen notiert, dass Sie meinen, wir sollten in Bayern auf Windkraft setzen. Dafür müssten Sie schon den Wind dorthin bringen.
Wenn Sie es mit Ihrer linken Politik schaffen, dass der Wind in Bayern so wie in der norddeutschen Tiefebene oder an der Nordsee- oder Ostseeküste bläst, dann bauen wir die Windkraftanlagen auch in Bayern, ohne dass wir unser schönes Land dort verschandeln.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Kollege, es gibt einen weiteren Wunsch, eine Zwischenfrage zu stellen, und zwar den des Kollegen Hans-Josef Fell. Möchten Sie die auch noch zulassen?
Franz Obermeier (CDU/CSU):
Ja, selbstverständlich.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Bitte schön. Das wird hier jetzt quasi ein Bayern-Duell.
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Kollege Obermeier, ich spreche von Bayer zu Bayer oder von Franke zu Bayer.
Franz Obermeier (CDU/CSU):
Das ist auch Bayern.
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ist Ihnen bekannt, dass mit den modernen großen Windrädern, die eine Nabenhöhe von über 120 Meter haben, auch in Bayern 90 Prozent des Windangebotes geerntet werden können, das mit der gleichen Anlage an der norddeutschen Küste geerntet werden kann? Es gibt beim Windangebot Bayerns nur einen kleinen, 10-prozentigen Unterschied im Vergleich mit dem der norddeutschen Tiefebene.
Dass dies nicht ausgenutzt wird, liegt an einer verfehlten Genehmigungspraxis in Bayern, wo vielfach nur Nabenhöhen bis 100 Meter zugelassen werden, wodurch man eben nicht in der Lage ist, das hohe bayerische Windangebot ausnutzen zu können.
Stimmen Sie nicht mit mir überein, dass wir diese Genehmigungspraxis in Bayern endlich beenden sollten, damit auch dort der CO2-freie Strom der Windkraft endlich stark ausgebaut werden kann? Das entsprechende Windpotenzial ist sehr wohl vorhanden.
Franz Obermeier (CDU/CSU):
Herr Fell, ich stimme Ihnen überhaupt nicht zu. Wenn Sie sich den Windatlas von Bayern anschauen - unabhängig von Nabenhöhen, neuen Techniken und Ähnlichem - und ihn mit dem Windkataster für die norddeutsche Tiefebene und die Nordsee vergleichen, dann sehen Sie auch als Laie, dass hier völlig andere Verhältnisse gelten.
Im Übrigen will ich Ihnen Folgendes sagen: Ich kenne sehr viele Regionen in Bayern - im Übrigen auch in Ihrem schönen Franken -, die es sich überhaupt nicht vorstellen können, dass Windkraftanlagen mit hohen Nabenhöhen und großen Durchmessern bei ihnen errichtet werden. Sie wollen das nicht und setzen auf andere Dinge.
Stromtrassen sind etwas anderes als Windparks im schönen Frankenland. Viele Leute wollen das nicht, und wir richten uns schon nach dem Nutzen und dem Schaden. Das ist für meine Begriffe die richtige Politik.
Zum Abschluss noch ein paar Sätze zu Ihnen, Herr Hill, weil Sie sich über die Gesundheit und den Schutz der Gesundheit der Menschen ausgelassen haben.
Ich weiß, dass Sie Saarländer sind, und ich werfe Ihnen Ihren Dialekt nicht vor, aber wenn Sie studieren wollen, wie man den Schutz der Gesundheit der Menschen missachten kann, dann führen Sie sich vor Augen, was im Ursprungsland Ihrer kommunistischen Partei stattgefunden hat.
Ich habe 1990 in ein paar Gemeinden in der Nähe von Lauchhammer gesehen, wie man im kommunistischen Ursprungssystem mit der Gesundheit der Menschen umgegangen ist. Sie sollten dieses Beispiel nicht bringen. In Deutschland wird auf die Gesundheit der Menschen sehr wohl Rücksicht genommen.
Herzlichen Dank.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Ich schließe die Aussprache.
Als Thüringerin stelle ich fest, dass hier Dialekte jeder Art erlaubt sind, soweit sie für andere verständlich bleiben.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Beschleunigung des Ausbaus der Höchstspannungsnetze. Zur Abstimmung liegen drei Erklärungen nach § 31 unserer Geschäftsordnung vor, und zwar von den Kollegen Dr. Hans Georg Faust, Dr. Hans-Peter Uhl und Jochen-Konrad Fromme.
Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie empfiehlt unter Nr. 1 Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/12898, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 16/10491 in der Ausschussfassung anzunehmen.
Hierzu liegt ein Änderungsantrag der FDP vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag auf Drucksache 16/12901? - Die Gegenstimmen? - Die Enthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag bei Zustimmung durch die einbringende Fraktion, bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Ablehnung im übrigen Haus abgelehnt.
Ich bitte jetzt diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Die Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung bei Zustimmung durch CDU/CSU, SPD und FDP, Gegenstimmen der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke sowie einer Gegenstimme aus den Reihen der SPD und einer Enthaltung aus den Reihen der SPD angenommen.
Wir kommen zur
und Schlussabstimmung. Wer für diesen Gesetzentwurf ist, möge sich bitte erheben. - Die Gegenstimmen? - Die Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf in dritter Beratung mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie zuvor angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/12902. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Die Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Entschließungsantrag bei Zustimmung durch Bündnis 90/Die Grünen und die Fraktion Die Linke bei Gegenstimmen im übrigen Haus abgelehnt.
Unter Nr. 1 Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/12898 empfiehlt der Ausschuss, eine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Die Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist die Entschließung bei Zustimmung durch die Koalition angenommen. Dagegen hat die Fraktion Die Linke gestimmt. Die Fraktion der FDP hat sich enthalten.
Wir setzen jetzt die Abstimmungen zu der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie auf Drucksache 16/12898 fort. Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/10842 mit dem Titel ?Stromübertragungsleitungen bedarfsgerecht ausbauen - Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung sowie Energiewende umfassend berücksichtigen?. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Die Gegenstimmen? - Die Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist bei Zustimmung durch CDU/CSU, SPD und FDP bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Unter Nr. 3 empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/10590 mit dem Titel ?Stromnetze zukunftsfähig ausbauen?. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Die Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist bei Zustimmung durch CDU/CSU, SPD und FDP angenommen. Dagegen hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gestimmt. Die Fraktion Die Linke hat sich enthalten.
Wir kommen nun zu Nr. 4 der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie zu der Entschließung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit unter Ziffer II auf Drucksache 16/9477. Die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen haben im Ausschuss der vorgeschlagenen Erledigterklärung widersprochen, sodass wir insoweit nicht über die Beschlussempfehlung abstimmen. Interfraktionell wird Abstimmung in der Sache über den Entschließungsvorschlag des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit gewünscht. Wer stimmt für den Entschließungsvorschlag des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dafür stimmen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke, dagegen stimmen CDU/CSU, SPD und FDP, Enthaltungen gibt es keine. Dann ist der Entschließungsvorschlag abgelehnt.
[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 220. Sitzung - wird morgen,
Freitag, den 08. Mai 2009,
auf der Website des Bundestages unter ?Aktuelles?, ?Plenarprotokolle?, ?Endgültige Fassungen? veröffentlicht.]