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Weit auseinander lagen die Positionen der Koalitionsfraktionen auf der einen und der Oppositionsfraktionen auf der anderen Seite in einer 75-minütigen Debatte des Bundestages am Freitag, 28. Januar 2011, über die von Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp Rösler für dieses Jahr angekündigte Reform der Pflegeversicherung. Anlass für die Aussprache war ein Antrag der Linksfraktion ( 17/4425), die Einführung einer verpflichtenden Kapitaldeckung zu verhindern, sowie die Antwort der Bundesregierung ( 17/3012) auf eine Große Anfrage der Linksfraktion ( 17/2219) zur Umsetzung des neuen Pflegebegriffs. Der Antrag der Linkfraktion wurde zur weiteren Beratung federführend an den Gesundheitsausschuss überwiesen, ein Entschließungsantrag der Linksfraktion ( 17/4557) zur Beratung der Großen Anfrage wurde abgelehnt.
Linke wirft Regierung Ausweichtaktik vor
Die pflegepolitische Sprecherin der Linksfraktion, Katrin Senger-Schäfer, warf der Bundesregierung vor, sich "grundsätzlich in Floskeln zu ergehen“. Doch die Menschen hätten ein Recht darauf zu erfahren, wohin die Reise gehe - besonders in einem so sensiblen Bereich wie der Pflege. "Ihre ausweichenden Antworten auf unsere Fragen lassen nur folgende Schlüsse zu“, rief die Abgeordnete in Richtung Regierungsbank. "Entweder wissen Sie nicht, wie Sie den neuen Pflegebegriff umsetzen sollen, oder Sie wollen ihn nicht umsetzen.“
Vehement wendete sich die Abgeordnete gegen die geplante Einführung einer verpflichtenden Kapitaldeckung in der Pflegeversicherung. Dadurch würden allein Arbeitnehmer, Rentner und Arbeitslose belastet. die Arbeitgeber hingegen blieben verschont. Stattdessen forderte sie eine solidarische Bürgerversicherung auch in der Pflege.
CDU/CSU: Zusätzlicher Kapitalstock nötig
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union, Johannes Singhammer, warf der Linken vor, sie verspreche in ihrem Antrag "das Blaue vom Himmel“. Wer das bezahlen solle, darüber schweige sie sich aus.
Aufgrund des demografischen Wandels werde die Zahl der pflegebedürftigen Menschen bis 2020 deutlich zunehmen, gleichzeitig schrumpfe die Bevölkerung insgesamt. Daher werde eine rein umlagenfinanzierte, lohnabhängige Pflegeversicherung an ihre Grenzen stoßen.
Geltender Pflegebegriff "zu eng"
"Deshalb brauchen wir eine Erweiterung, einen Kapitalstock, um für die Zeit vorzusorgen, in der die Mittel knapp werden“, so Singhammer weiter. Die Mittel für diesen Kapitalstock müssten sozial gerecht aufgebracht, unbürokratisch verwaltet und vor allen Zugriffen des Staates geschützt sein.
Einig zeigte sich Singhammer mit der Linken darin, dass der geltende Pflegebedürftigkeitsbegriff zu eng sei und dass Pflegekräfte für ihre Tätigkeit angemessen entlohnt werden müssten.
SPD: Empfehlungen des Beirats umsetzen
Den geltenden Pflegebedürftigkeitsbegriff nahm auch Hilde Mattheis unter die Lupe. Er sei viel zu eng, verrichtungsbezogen und rein somatisch ausgerichtet, so die stellvertretende Sprecherin der Arbeitsgruppe Gesundheit der SPD-Fraktion.
Ex-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) habe daher schon 2006 einen Beirat zur Überprüfung der Pflegebedürftigkeitsbegriffs einberufen, der bereits 2009 Empfehlungen und Vorschläge für einen erweiterten Pflegebegriff vorgelegt habe.
Zwar habe die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Große Anfrage der Linksfraktion gesagt, der neue Pflegebegriff gehöre zu der von ihr geplanten Pflegereform - aber nur unter dem Aspekt der Prüfung. "Da sagen wir: Das ist viel zu wenig“, rief Mattheis. Die Sozialdemokratin forderte die Bundesregierung auf, die Empfehlungen des Beirats endlich aufzugreifen.
FDP: Pflege muss finanzierbar sein
Der FDP-Abgeordnete Heinz Lanfermann richtete den Blick auf die Frage der Finanzierbarkeit der Pflege. "Das geltende Umlagesystem ist auf Dauer nicht geeignet, diese Lasten zu schultern, jedenfalls nicht alleine“, sagte der Abgeordnete mit Verweis auf den demografischen Wandel. "Deshalb brauchen Sie diese zusätzliche Säule der Pflegeversicherung mit Kapitaldeckungsprinzip.“
An Hilde Mattheis gerichtet, sagte Lanfermann, dass eine Neudefinition des Pflegebedürftigkeitsbegriffs "natürlich“ zur Pflegereform dazugehöre. "Nur: Eine Expertise, auch eine gute, ist noch kein Gesetzentwurf“, so Lanfermann mit Blick auf die Empfehlungen des Beirats.
Grüne kritisieren Ankündigungspolitik
"Herr Minister, was ist denn da los?“, rief Elisabeth Scharfenberg (Bündnis 90/Die Grünen) zu Beginn ihrer Rede in Richtung Regierungsbank in Anspielung auf kurz darauf von Koalitionsseite dementierte aktuelle Medienberichte, nach denen sich die Regierung von ihren Plänen einer privaten Pflegezusatzversicherung verabschiedet habe. Den Minister forderte sie zur Klarstellung auf.
Es könne nicht sein, dass sich zehn Prozent der Bevölkerung aus der Solidarität in die private Pflegeversicherung verabschieden können, kritisierte die Abgeordnete und forderte die Regierung auf, "uns etwas Konkretes auf den Tisch zu legen“, damit die Ankündigungspolitik ein Ende habe. (nal)