Navigationspfad: Startseite > Dokumente & Recherche > Textarchiv > 2011 > Qualitätsjournalismus
Kritische Analysen zur schwierigen Lage des Qualitätsjournalismus standen im Vordergrund beim öffentlichen Expertengespräch am Mittwoch, 23. Februar 2011, während der Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien unter Vorsitz von Monika Grütters (CDU/CSU). Dabei bildete die Anhörung zum Thema "Zukunft des Qualitätsjournalismus" den Auftakt für eine Reihe von weiteren zukünftigen Veranstaltungen, für die Themen vorgesehen sind wie etwa Ausbildung im Journalismus, Verbände, soziale Lage von Journalisten sowie Pressefreiheit in Europa. Während der Anhörung stand insbesondere die Entwicklung der Medien mit Blick auf die rasante Ausbreitung journalistischer Darstellungsformen im Internet im Vordergrund. Die geladenen Experten vermieden es allerdings, die bestehenden Probleme des Qualitätsjournalismus alleine mit dem Aufstieg der Online-Medien zu begründen.
Wolfgang Blau, Chefredakteur von Zeit online, legte in diesem Zusammenhang Wert darauf, mit einigen "Mythen“ aufzuräumen. "Google ist nicht schuld am Niedergang der Tageszeitung. Auch ohne Google würde es den Printmedien schlecht gehen“, betonte Blau und hob den Zugewinn durch die Blogs für die Leser hervor. Diese stellten keineswegs eine Gefahr für den etablierten Journalismus dar, sondern seien eine wertvolle Bereicherung. "Was wir derzeit erleben, ist die Geburt einer neuen Form des Journalismus“, sagte Blau.
Katharina Borchert, Geschäftsführerin von Spiegel online, warnte ebenfalls davor, die Debatte über Qualitätsjournalismus allein auf das Trägermedium zu verengen. "Print bringt keinen inhärenten Qualitätsvorteil mit sich“, betonte sie. Viel wichtiger sei es jedoch zu thematisieren, dass aufgrund der medialen Veränderungen auch das Berufsbild des Journalisten eine gravierende Wandlung durchäuft. Dieser Veränderungen müsse durch eine Anpassung der Ausbildung Rechnung getragen werden. "Eine breitere Medienkompetenz sowie eine allgemein höhere Belastbarkeit sind hier besonders zu erwähnen“, sagte sie.
Ulrike Kaiser, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands und Mitglied der Initiative "Qualität im Journalismus" betonte, die drastischen Einsparungen in den Redaktionen führten zu den erschwerten Rahmenbedingungen für Journalisten. Ethische, rechtliche und handwerkliche Standards seien hierdurch schwieriger umzusetzen. Eine weitere Folge sei die zunehmende Vermischung zwischen Public Relations, Werbung und Redaktion.
"Die journalistische Glaubwürdigkeit nimmt ab“, warnte sie und betonte, der Beruf des Journalisten soll der Allgemeinheit dienen. "Wir müssen uns aber fragen, was uns der professionelle Journalismus wert ist“, mahnte Kaiser.
Hans Leyendecker von der Süddeutschen Zeitung hob die rasanten Umwälzungen hervor, die sich im Medienbereich vollzogen hätten. Das Fortbestehen des Qualitätsjournalismus hänge im Wesentlichen davon ab, "ob es uns Journalisten gelingt, originär zu bleiben, Fakten einzuordnen und gute Reportagen zu erstellen.“ Dies sei kein Widerspruch zum Internet.
Angesichts der schwierigen Bedingungen vieler Kollegen könne man sie aber nicht einfach auffordern, investigativer zu arbeiten. Ein entscheidender Faktor für die Entwicklung der journalistischen Arbeitsbedingungen sieht Leyendecker in der Leitungsebene der Verlagshäuser. "Früher haben die Verleger ihre Zeitung geliebt. Heute sind dies oft nur Flanellmännchen, die allein auf die Zahlen schauen.“
Der Publizist Dr. Wolfgang Storz erklärte das bisherige Geschäftsmodell für tot. "Die Finanzierung durch ein Drittel Abo und zwei Drittel Anzeigen kann man heute vergessen“, sagte Storz und lenkte die Diskussion auf die oft beklagenswerten Arbeitsbedingungen seiner Kollegen.
"Diese Medienkrise ist gekennzeichnet durch eine Permanenz, die viele Journalisten zermürbt“, sagte Storz. In ihrer wirtschaftlichen Not wanderten viele zwischen Public Relations, Boulevard- und klassischem Journalismus. Dies mache den Erhalt von Qualitätsjournalismus schwer.
Dr. Lukrezia Jochimsen (Die Linke) sah dies genauso und kritisierte, dass eben diese wirtschaftlichen Probleme der Journalisten zu wenig angesprochen würden. "Man muss ja fast einen Mindestlohn für Journalisten fordern“, sagte sie und betonte, mit ihrer wirtschaftlichen Existenz stünden und fielen Berufstugenden wie Mut, Verantwortung und Qualität.
Tabea Rößner (Bündnis 90/Die Grünen), früher selbst Journalistin, betonte, es gebe noch andere Ansatzpunkte zur Lösung dieser Probleme als das Aushandeln besserer Tarifverträge. Zudem machte sie auf die Schwierigkeit aufmerksam, den Qualitätsjournalismus zu fördern und gleichzeitig die gebotene Staatsferne zu wahren.
Wolfgang Börnsen (CDU/CSU) betonte, Journalisten trügen durch ihr Wirken zum Erhalt einer funktionierenden Demokratie bei und müssten daher unterstützt werden. In diesem Zusammenhang machte er sich stark für ein "moralisch-ethisch übergeordnetes Gremium“, in dem Medienvertreter selbst dafür sorgten, dass Qualitätsstandards eingehalten würden. Immerhin hätten Qualitätsjournalisten den Mut, ihre Namen unter ihre Artikel zu setzen. In Blogs blieben viele Verfasser anonym.
Sebastian Blumenthal (FDP) sah hingegen in dem Verhältnis zwischen Blogs und klassisch redaktionell erstellten Beiträgen ein "Miteinander“. Die Frage sei, inwieweit sich Beiträge aus Blogs in redaktionelle Inhalte integrieren ließen.
Martin Dörmann (SPD) legte den Akzent auf die Frage, wie man innerhalb der Medien ein Klima schaffen könne, in dem Journalisten auch einmal anecken und Inhalte produzieren könnten, die nicht jeder teile, die aber zu einem schärferen Profil des Journalisten beitrügen. "Die Politik ist gefordert, hierfür Rahmenbedingungen zu setzen“, sagte Dörmann. (jmb)