Plenarprotokoll 17/64 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 64. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 6. Oktober 2010 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: nationale Engagementstrategie Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin BMFSFJ Heidrun Dittrich (DIE LINKE) Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin BMFSFJ Markus Grübel (CDU/CSU) Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin BMFSFJ Ute Kumpf (SPD) Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin BMFSFJ Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin BMFSFJ Dorothee Bär (CDU/CSU) Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin BMFSFJ Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde (Drucksache 17/3113, 17/3168) Dringliche Frage 1 Inge Höger (DIE LINKE) Bewertung der Bundesregierung bezüglich der Tötung von bis zu acht deutschen Staatsangehörigen durch den Angriff eines US-amerikanischen Flugkörpers in Pakistan am 4. Oktober 2010 Antwort Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA Zusatzfragen Inge Höger (DIE LINKE) Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Sevim Daðdelen (DIE LINKE) Christine Buchholz (DIE LINKE) Mündliche Frage 1 Kirsten Lühmann (SPD) Nutzung ländlicher Räume insbesondere im Osten Deutschlands als Rückzugsräume durch die organisierte Kriminalität Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Zusatzfragen Kirsten Lühmann (SPD) Mündliche Frage 5 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Schriftliche und mündliche Absprachen zwischen der Bundesregierung und den vier großen Energieversorgern in dieser Legislaturperiode Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Zusatzfragen Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 6 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Angaben des SoFFin zu Kapitalhilfen des Bundes bei der Hypo Real Estate; Zweifel an der langfristigen Überlebensfähigkeit der HRE als Risiko für den Bundeshaushalt Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Zusatzfragen Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 18 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kriterien zur Förderfähigkeit von Kraftwerken aus dem Energie- und Klimafonds des neuen Energiekonzeptes Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Zusatzfragen Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 19 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zeitplan für die Verabschiedung des CCS-Gesetzes zur Demonstration der dauerhaften Kohlendioxidspeicherung Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Zusatzfragen Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 25 Anette Kramme (SPD) Höhe der Regelbedarfe Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Mündliche Frage 26 Anette Kramme (SPD) Methodische Verfahren zur Bildung der Referenzhaushalte Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Zusatzfragen Gabriele Hiller-Ohm (SPD) Max Straubinger (CDU/CSU) Anette Kramme (SPD) Gustav Herzog (SPD) Max Straubinger (CDU/CSU) Hilde Mattheis (SPD) Katja Mast (SPD) Josip Juratovic (SPD) Mündliche Frage 31 Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Etwaige Organisation der Leistungen für Bildung und Teilhabe von Kindern über die Schulen und Kindertagesstätten unter Einbeziehung der Jugendämter Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Zusatzfragen Anette Kramme (SPD) Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Gabriele Hiller-Ohm (SPD) Anette Kramme (SPD) Steffen-Claudio Lemme (SPD) Hilde Mattheis (SPD) Katja Mast (SPD) Hilde Mattheis (SPD) Mündliche Frage 32 Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Kinder mit Anspruch auf das Schulbedarfspaket bei geplanter Streichung von § 6 a Abs. 4 a des Bundeskindergeldgesetzes und Verankerung dieses Anspruchs in § 7 Abs. 2 SGB XII Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Zusatzfragen Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Gabriele Hiller-Ohm (SPD) Heike Brehmer (CDU/CSU) Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Katja Mast (SPD) Mündliche Frage 35 Steffen-Claudio Lemme (SPD) Fehlende Herleitung der Höhe der regelbedarfsrelevanten Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf laut Referentenentwurf Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Mündliche Frage 36 Steffen-Claudio Lemme (SPD) Sicherung des Bedarfs auf Lernförderung gemäß Bundesverfassungsgericht bei der Novellierung der Regelbedarfssätze Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Mündliche Frage 41 Hilde Mattheis (SPD) Zeitnahe Berücksichtigung der Veränderungen von Löhnen und Preisen nach Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts bei der Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nach § 28 a SGB XII Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Mündliche Frage 42 Hilde Mattheis (SPD) Unterbliebene Fortschreibung der für das Jahr 2008 ermittelten regelsatzrelevanten Verbrauchsausgaben Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Zusatzfrage Hilde Mattheis (SPD) Mündliche Frage 45 Josip Juratovic (SPD) Definition der Referenzgruppe zur Ermittlung von Regelbedarfen nach § 28 SGB XII Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Mündliche Frage 46 Josip Juratovic (SPD) Transparenz bei der Ermittlung der Regelsätze Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Zusatzfrage Gabriele Hiller-Ohm (SPD) Mündliche Frage 47 Katja Mast (SPD) Sicherung der Mobilität von SGB-II-Leistungsempfängern Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Mündliche Frage 48 Katja Mast (SPD) Vorgehensweise bei der Ermittlung regelbedarfsrelevanter Ausgaben für den Verkehr Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Mündliche Frage 55 Gustav Herzog (SPD) Nettoeinkommen der als Referenzhaushalte betrachteten Haushalte Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Mündliche Frage 56 Gustav Herzog (SPD) Höhe der Regelbedarfe im Falle der Zugrundelegung einer um die Haushalte mit Bezug existenzsichernder Leistungen bereinigten Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008 Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Mündliche Frage 60 Christine Buchholz (DIE LINKE) Pressebericht über die Beförderung Georg Kleins bei der Bundeswehr Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Zusatzfrage Christine Buchholz (DIE LINKE) Mündliche Frage 61 Christine Buchholz (DIE LINKE) Beförderung Georg Kleins bei der Bundeswehr angesichts seiner Rolle bei der Bombardierung im Raum Kunduz/Afghanistan am 4. September 2009 Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Zusatzfrage Christine Buchholz (DIE LINKE) Mündliche Frage 85 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dynamischer Sicherheitsstandard für Atomkraftwerke Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Zusatzfragen Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 89 Sabine Stüber (DIE LINKE) Finanzielle Unterstützung der Yasuni-ITT-Initiative zum Erhalt der biologischen Vielfalt im Yasuni-Nationalpark in Ecuador Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Zusatzfragen Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 90 Sabine Stüber (DIE LINKE) Offene Fragen und Bedenken bezüglich einer Einzahlung in den Treuhandfonds für die Yasuni-ITT-Initiative Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Zusatzfragen Sabine Stüber (DIE LINKE) Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde: Projekt Stuttgart 21 Peter Friedrich (SPD) Dr. Stefan Kaufmann (CDU/CSU) Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) Patrick Döring (FDP) Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Karin Maag (CDU/CSU) Florian Pronold (SPD) Stephan Thomae (FDP) Heike Hänsel (DIE LINKE) Clemens Binninger (CDU/CSU) Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Werner Simmling (FDP) Ute Vogt (SPD) Steffen Bilger (CDU/CSU) Uwe Beckmeyer (SPD) Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU) Nächste Sitzung Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Mündliche Frage 2 Memet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Aussetzung der Rückführung von Roma in das Kosovo Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 3 Mündliche Frage 3 Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Beteiligung von Kräften der Bundespolizei beim Polizeieinsatz bei der Demonstration gegen das Projekt Stuttgart 21 am 30. September 2010 im Schlossgarten in Stuttgart Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 4 Mündliche Frage 4 Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Grund für das massive Einschreiten der Polizei bei der Demonstration gegen das Projekt Stuttgart 21 am 30. September 2010 Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 5 Mündliche Frage 7 Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Etwaiger Ersatz der Gewerbesteuer durch kommunale Zuschläge auf Einkommen-, Körperschaft- und Abgeltungsteuer Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 6 Mündliche Frage 8 Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Maßnahmen zur Stärkung der Gemeindefinanzen, etwa durch Erhöhung der Umsatzsteueranteile der Kommunen Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 7 Mündliche Frage 9 Stefan Schwartze (SPD) Finanzsituation der Kommunen Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 8 Mündliche Frage 10 Klaus Hagemann (SPD) Rückflüsse von EU-Mitteln gemäß EU-Haushaltsbericht 2009 Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 9 Mündliche Frage 11 Klaus Hagemann (SPD) Mithilfe des europäischen Konjunkturprogramms finanzierte Projekte in Deutschland Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 10 Mündliche Frage 12 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Wirksamkeit der Doppelbesteuerungsabkommen mit den Cayman Islands und Monaco sowie anstehende Vertragsverhandlungen mit Singapur Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 11 Mündliche Frage 13 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Einkommensteuerbelastung der als Referenz für die Ermittlung der neuen Hartz-IV-Regelsätze herangezogenen Erwerbstätigen; Zahl der einkommensteuerpflichtigen Beschäftigten mit gleichzeitigem Bezug von aufstockenden Leistungen nach SGB II Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 12 Mündliche Frage 14 Heinz Paula (SPD) Vorlage der angekündigten Tourismuskonzeption für den ländlichen Raum Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 13 Mündliche Frage 15 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Zahl der vorhandenen Urlaubsplätze in Familienferienstätten und durchschnittliche Kosten für eine Alleinerziehende mit zwei Kindern mit Hartz-IV-Bezug für einen 14-tägigen Urlaub Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 14 Mündliche Frage 16 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Ferienunterkünfte zu erschwinglichen Preisen für auf Hartz IV angewiesene Familien Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 15 Mündliche Frage 17 Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vorgesehene Regelung des Spitzenausgleichs für Unternehmen im Rahmen der Energie- und Stromsteuer ab 2013 im Haushaltsbegleitgesetz Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 16 Mündliche Frage 20 Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Unterstützung für den Multi-Stakeholder-Ansatz im Bereich der globalen Netzpolitik; Eintreten für die Verlängerung des auslaufenden Mandats für das Internet-Governance-Forum Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 17 Mündliche Frage 21 Garrelt Duin (SPD) Vorlage und Inhalt des vom Bundesminister für Wirtschaft und Technologie angekündigten Gesamtkonzepts zur Industriepolitik Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 18 Mündliche Frage 22 Garrelt Duin (SPD) Verbesserungsbedarf beim KfW-Sonderprogramm Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 19 Mündliche Frage 23 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Konditionen für die geplanten KfW-Kredite für Offshore-Windparks Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 20 Mündliche Frage 24 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Mittelabfluss beim Eingliederungstitel im SGB II bis September 2010 Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 21 Mündliche Fragen 27 und 28 Elke Ferner (SPD) Verzicht der Bereinigung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008 um verschiedene einkommensschwache Gruppen sowie Verwendung nicht veröffentlichter Positionen bei der Neuberechnung der Regelsätze Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 22 Mündliche Frage 29 Anton Schaaf (SPD) Fehlende Herausrechnung ausgewählter Gruppen mit Niedrigeinkommen nach Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts bei der Neuberechnung der Regelsätze Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 23 Mündliche Frage 30 Anton Schaaf (SPD) Begründung für die Verwendung des Mischindex zur Fortschreibung der Regelbedarfsstufen bei der Novellierung des § 28 a SGB XII sowie Prüfung weiterer Varianten Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 24 Mündliche Frage 33 Sönke Rix (SPD) Fehlende Berücksichtigung der gesellschaftlichen Teilhabe von Kindern im sozialen und kulturellen Bereich laut vorgesehener Neuregelung des § 4 Abs. 2 SGB II Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 25 Mündliche Frage 34 Sönke Rix (SPD) Zuordnung der Verbrauchsausgaben für Kinder in Familienhaushalten auf Grundlage der Studie "Kosten eines Kindes"; alternative Ermittlungsmethoden Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 26 Mündliche Fragen 37 und 38 Swen Schulz (Spandau) (SPD) Fehlender Sicherstellungsauftrag für die Träger der Grundsicherung hinsichtlich der gesellschaftlichen Teilhabe von Kindern sowie Gutscheinregelungen gemäß dem Referentenentwurf zur Änderung des SGB II und SGB XII Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 27 Mündliche Frage 39 Stefan Schwartze (SPD) Kostenbelastung für Kommunen durch Streichung des Wohngeldvorrangs für nicht auf Sozialgeld angewiesene Kinder gemäß geplanter Änderung des SGB II Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 28 Mündliche Frage 40 Dr. Carola Reimann (SPD) Berücksichtigung eines gemeinsamen Mittagessens in Schulen und Kindertagesstätten als zusätzlicher Bedarf bei der Berechnung der Sozialhilfe für Kinder Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 29 Mündliche Frage 43 Bärbel Bas (SPD) Definition der gesonderten Bedarfe gemäß § 24 SGB II und § 31 SGB XII des Referentenentwurfes und Sicherstellung der Versorgung mit nicht im Katalog der gesetzlichen Krankenversicherung enthaltenen Leistungen Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 30 Mündliche Frage 44 Bärbel Bas (SPD) Berechnungsgrundlage der Fortschreibung der regelsatzrelevanten Verbrauchsausgaben bei der Novellierung der Regelsätze Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 31 Mündliche Fragen 49 und 50 Thomas Oppermann (SPD) Methoden bei der Bestimmung der Referenzhaushalte Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 32 Mündliche Fragen 51 und 52 Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) Bestimmung der Referenzhaushalte; Anwendung des Statistikmodells Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 33 Mündliche Frage 53 Dagmar Ziegler (SPD) Rechtsanspruch auf Förderung und soziokulturelle Teilhabe von Kindern Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 34 Mündliche Frage 54 Dagmar Ziegler (SPD) Untersuchungen zur Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 2008 Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 35 Mündliche Frage 57 Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) SGB-II-Leistungen an Antragstellerinnen und Antragsteller aus landwirtschaftlichen Betrieben Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 36 Mündliche Frage 58 Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Kritik der Rechtsabteilung des Europäischen Parlaments am EU-Fischereiabkommen mit Marokko Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 37 Mündliche Frage 59 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gemeinsam mit afghanischen Sicherheitskräften geplante Festnahmen von Aufständischen im Norden Afghanistans seit Juli 2009; Durchführung bei Nichterscheinen der afghanischen Partner Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 38 Mündliche Fragen 62 und 63 Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) Auflösung des Militärgeschichtlichen Forschungsamts am Standort Potsdam und Angliederung an die Führungsakademie der Bundeswehr; vorgesehene Neukonzeption der militärgeschichtlichen Forschung Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 39 Mündliche Fragen 64 und 65 Petra Crone (SPD) Vorlage des Anschlusskonzepts zur Folgefinanzierung der Mehrgenerationenhäuser; an der Erarbeitung beteiligte Bundesressorts, Länder und Kommunen Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Anlage 40 Mündliche Frage 66 Caren Marks (SPD) Erstellung neuer Bescheide für alle Elterngeldbeziehenden zum 1. Januar 2011 Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Anlage 41 Mündliche Frage 67 Caren Marks (SPD) Freibetragsregelung beim Elterngeld für sogenannte Aufstocker Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Anlage 42 Mündliche Frage 68 Harald Weinberg (DIE LINKE) Auswirkungen des GKV-Finanzierungsgesetzes in der Kabinettsbeschlussfassung auf § 32 Abs. 4 SGB XII Antwort Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär BMG Anlage 43 Mündliche Frage 69 Harald Weinberg (DIE LINKE) Einbußen bei der gesetzlichen Krankenversicherung durch die geplante Absenkung der Beitragsbemessungs- und Pflichtversicherungsgrenze ab 2011 Antwort Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär BMG Anlage 44 Mündliche Fragen 70 und 71 Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) Kürzung des Haushaltsansatzes 2011 für die Städtebauförderung sowie das KfW-Programm "Altengerechtes Bauen" Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 45 Mündliche Frage 74 Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) Einschränkungen bei Bauvorhaben im Schienenverkehr aufgrund zu erwartender hoher Kosten für Stuttgart 21 Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 46 Mündliche Frage 75 Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Rodung der Bäume im Stuttgarter Schlossgarten im Zusammenhang mit Stuttgart 21 Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 47 Mündliche Frage 76 Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Haltung der Bundeskanzlerin bezüglich eines Baustopps bei Stuttgart 21 Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 48 Mündliche Frage 77 Peter Friedrich (SPD) Folgen für Stuttgart 21 im Fall der Abwahl der derzeitigen Landesregierung Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 49 Mündliche Fragen 78 und 79 Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Belastung für Mieter durch die Umlage der Kosten energetischer Sanierung und geplanter sozialer Ausgleich Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 50 Mündliche Frage 80 Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ansatz für die Städtebauförderung im Haushalt 2011 Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 51 Mündliche Frage 81 Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auslaufen von Programmen der Städtebauförderung Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 52 Mündliche Frage 82 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Funktionsstörung der Notstandsanlage im Atomkraftwerk Biblis A und Prüfung sicherheitstechnisch relevanter Defizite vor der Verlängerung der Laufzeit für Biblis B Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 53 Mündliche Frage 83 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Begleitung der Umsetzung der vorgesehenen Nachrüstmaßnahmen bei Atomkraftwerken Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 54 Mündliche Frage 84 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Beteiligung behördenexterner Sachverständiger bei der Erarbeitung von Anforderungen für Nachrüstungen an Atomkraftwerken Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 55 Mündliche Frage 86 René Röspel (SPD) Gewinnung von Forschern für eine wissenschaftliche Tätigkeit in Deutschland Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 56 Mündliche Frage 87 René Röspel (SPD) Erhöhung des Ansatzes für Gesetzliche Endlageraufwendungen im Bundeshaushalt 2011 Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 57 Mündliche Frage 91 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Deutsche Initiativen bei der Geberkonferenz in New York zur Bekämpfung von HIV/Aids sowie Mittelzuweisungen an den Globalen Fonds Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Anlage 58 Mündliche Frage 92 Dr. Rolf Mützenich (SPD) Durch die Bundeskanzlerin erzielte Ergebnisse im laufenden Nahost-Gesprächsprozess mit Israel Antwort Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA Anlage 59 Mündliche Frage 93 Dr. Rolf Mützenich (SPD) Begründung für die Bewerbung Deutschlands um einen nichtständigen bzw. ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vor dem Hintergrund seiner Beteiligung an VN-geführten Peacekeeping-Missionen Antwort Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA Anlage 60 Mündliche Frage 94 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bemühungen um die Freilassung des in Syrien verhafteten deutschen Staatsbürgers Ismail Abdi sowie Festhalten am mit Syrien vereinbarten Rückführungsabkommen Antwort Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA Anlage 61 Mündliche Frage 95 Sevim Daðdelen (DIE LINKE) Deutsche Beteiligung an der Mission EUTM Somalia Antwort Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA 64. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 6. Oktober 2010 Beginn: 13.00 Uhr Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Einen schönen guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: nationale Engagementstrategie. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Frau Dr. Kristina Schröder. Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der heutigen Kabinettssitzung hat die Bundesregierung eine nationale Engagementstrategie verabschiedet, also eine nationale Strategie für bürgerliches Engagement in Deutschland. Das ist insofern etwas Neues, als wir hier erstmals eine gemeinsame, aufeinander abgestimmte Strategie aller Bundesressorts zum bürgerschaftlichen Engagement vorlegen. Darin sind aber nicht nur die verschiedenen Maßnahmen und Schwerpunkte aller Bundesressorts eingeflossen: Auch das Nationale Forum für Engagement und Partizipation wurde einbezogen. In diesem Forum haben sich wichtige zivilgesellschaftliche Akteure organisiert. Insofern sind auch deren Maßgaben in die nationale Engagementstrategie eingeflossen. Wir greifen mit der nationalen Engagementstrategie zwei wichtige positive Entwicklungen auf. Wenn man schaut, wie groß die Bereitschaft zu bürgerschaftlichem Engagement ist, dann erkennt man, dass sie nach wie vor groß und sogar etwas gewachsen ist: 36 Prozent aller Deutschen engagieren sich bürgerschaftlich. Zudem sagt ein weiteres Drittel aller Deutschen: Wir würden uns gerne engagieren, wenn wir eine passende Gelegenheit fänden. - Gerade der Anteil derjenigen, die sich gerne engagieren würden, hat zugenommen. Hier ist insbesondere die Gruppe der jüngeren Älteren interessant, derer zwischen 65 und 80. Gerade diese Gruppe engagiert sich bereits, und ihre Bereitschaft, sich zu engagieren, nimmt weiter zu. Ich denke, dass hier ein wirklicher Schatz zu heben ist und ein sehr großes Potenzial besteht. Auch das Potenzial, das wichtige gesellschaftliche Herausforderungen, denen wir zu begegnen haben, in sich bergen, ist groß, beispielsweise beim Thema des demografischen Wandels. Hier spielen die schon eben erwähnten jüngeren Älteren eine große Rolle. Deswegen plädiere ich dafür, dass wir bei allen Gedanken, die wir uns zur Nachfolge des Zivildienstes machen - wenn denn die Wehrpflicht ausgesetzt wird -, nicht nur überlegen, wie wir die Engagementbereitschaft Jüngerer wecken können, sondern immer auch schauen, wie wir die steigende Engagementbereitschaft Älterer in unseren Plan integrieren können. Das Thema Engagement spielt auch bei der Integration von Migranten eine wesentliche Rolle. Sämtliche Projekte in diesem Bereich - das sind inzwischen einige -, die auf Patenschaftsmodellen basieren, sind ausgesprochen erfolgreich und funktionieren ausgesprochen gut. Beispielsweise gibt es das Modell "Integrationslotsen", bei dem junge Migranten als Experten für Integration jüngere Migranten an die Hand nehmen. Ich glaube, hier können wir für die Integration wirklich viel erreichen. Schließlich geht es auch um das Engagement für bildungsferne Schichten. Es gibt bereits im Rahmen der Jugendfreiwilligendienste sehr interessante Ansätze auf Länderebene. Hier ist vorgesehen, dass jemand, der für längere Zeit einen Freiwilligendienst übernimmt, zugleich auch den Schulabschluss nachmachen kann. Ich glaube, dass dies eine wesentliche Anregung für Überlegungen sein kann, die sich mit der Frage beschäftigen, was nach dem Zivildienst kommt. Es muss uns gelingen, bildungsfernen Schichten die Möglichkeit zu geben, über bürgerschaftliches Engagement den Berufseinstieg zu schaffen. Man muss ihnen die Chance geben, sich bei Arbeitgebern zu beweisen, bei denen sie aufgrund ihrer Zeugnisse niemals eine Chance gehabt hätten. In diesem Bereich haben wir großes Potenzial. All das sind Themen, die sich um den Zusammenhalt unserer Gesellschaft drehen. Generell gesprochen: Darum geht es beim bürgerschaftlichen Engagement. Gleichzeitig brauchen wir angesichts der gesellschaftlichen Herausforderungen Bürgerinnen und Bürger, die sich verantwortlich fühlen und die mit ihren Ideen und ihrer Eigeninitiative in ihrem Umfeld etwas bewegen wollen. Ebenso brauchen wir Bürgerinitiativen, Bürgerstiftungen, Unternehmen und die klassischen Vereine. Wir wollen das vorhandene Potenzial stärker nutzen. Das ist das Ziel unserer nationalen Engagementstrategie. Es muss uns gelingen, nach neuen Wegen zu suchen und gleichzeitig die Rahmenbedingungen zu verbessern, vor allen Dingen was das Nebeneinander von Strukturen anbelangt. Man muss zugeben, dass wir bisher ein Nebeneinander der Ressorts auf den verschiedenen Ebenen - Bund, Länder und Kommunen - hatten. Wenn es uns gelingt, diese Ebenen zu verzahnen, aufeinander abzustimmen und eine gemeinsame Engagementstrategie zu entwickeln, dann ist sehr viel erreicht. Zum Abschluss möchte ich Ihnen ein Projekt meines Hauses vorstellen - ich will nicht die unterschiedlichen Maßnahmen der einzelnen Ressorts vorstellen -, das heute gestartet wird. Es handelt sich um ein Pilotprojekt für außerberufliches Engagement der Mitarbeiter des Bundesfamilienministeriums. Wir nehmen uns ein Beispiel an ähnlichen Initiativen aus der Wirtschaft, wo das ehrenamtliche Engagement der eigenen Mitarbeiter bereits gefördert wird. Schon jetzt engagieren sich 32 Pro-zent aller Mitarbeiter des Familienministeriums ehrenamtlich. Das ist deutlich mehr als im Bundesschnitt. Wir haben heute dieses Pilotprojekt gestartet, um für unsere Mitarbeiter weitere Möglichkeiten des bürgerschaftlichen Engagements zu entwickeln und sie dabei zu unterstützen. Herzlichen Dank. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die erste Frage stellt die Kollegin Heidrun Dittrich. Heidrun Dittrich (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Ministerin, vielen Dank für Ihren Vortrag. - Ich bin Mitglied im Unterausschuss "Bürgerschaftliches Engagement", wo Sie die nationale Engagementstrategie vorgestellt haben. Nach dem Verständnis der Linken ist das Ehrenamt zunächst einmal die Vertretung der eigenen Interessen. Viele kennen den Klassensprecher oder die Klassensprecherin, gewerkschaftliche Vertrauensleute oder Sprecher bzw. Sprecherinnen einer Erwerbsloseninitiative, seit neuestem auch Parkschützer, die sich gegen die Abholzung von Bäumen im Stuttgarter Schlosspark wenden. Solche Aufgaben verdrängen keine sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze. Solche ehrenamtlichen Aufgaben haben Sie mit Ihrer nationalen Engagementstrategie aber nicht gemeint. Bei Ihnen steht die Vermittlung der Ehrenamtlichen im Alter von 16 bis 70 Jahren in bestehende Institutionen im Vordergrund, damit diese kostenlos soziale Arbeit leisten. Frau Ministerin, sehen Sie nicht die Gefahr, dass wir damit den Sozialstaat abschaffen, weil dann nicht mehr mit Beschäftigten gearbeitet, sondern vorrangig auf der Arbeit von Ehrenamtlichen aufgebaut wird? Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: In der Tat haben wir, die Linke und die Bundesregierung, prinzipiell ein unterschiedliches Verständnis von bürgerschaftlichem Engagement. Das ist auch gut so. Es geht überhaupt nicht darum, dass durch bürgerschaftliches Engagement reguläre Arbeitsplätze ersetzt werden sollen. Im Rahmen des Zivildienstes beispielsweise - darüber haben wir uns schon öfter unterhalten - wird die Arbeitsplatzneutralität der einzelnen Einsätze strikt überprüft, und bei all unseren Planungen zur Anschlusskonzeption ist ein wesentliches Element, dass die Arbeitsplatzneutralität selbstverständlich gegeben sein muss. Schauen Sie sich die anderen Engagementformen in dem Bericht an. Was ist beispielsweise mit den jungen Migranten, die sich als Integrationslotsen zur Verfügung stellen? Ich frage Sie: Wo werden da Arbeitsplätze verdrängt? Schauen Sie sich an, welche Möglichkeiten es für Senioren gibt, die in Rente sind und sich nebenbei noch um die Bildungsförderung von jungen Menschen kümmern möchten. Dadurch werden keine Arbeitsplätze verdrängt. Hier kommt das völlig unterschiedliche Staatsverständnis von Ihnen und der Bundesregierung zum Ausdruck. Das ist eben so. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Danke schön. - Ihre Nachfrage. Heidrun Dittrich (DIE LINKE): Frau Ministerin, Sie haben auf meine Anfrage zum Ehrenamt in Bezug auf ein ähnliches Thema geantwortet, es lägen keine Erkenntnisse darüber vor, ob reguläre Beschäftigungsverhältnisse verdrängt werden. Wenn Sie darüber - im Unterschied zum Zivildienst - keine Erkenntnisse haben, kann dies natürlich auch heißen, dass sie durchaus verdrängt werden. Meine Frage: Betrachten Sie es nicht als Entwertung der Berufsbilder der Altenpflegerin, der Erzieherin und der Sozialarbeiterin, wenn jeder eine ehrenamtliche Aufgabe in der sozialen Arbeit mit kürzeren oder längeren Einarbeitungsmöglichkeiten übernehmen kann? Hierbei handelt es sich außerdem um Berufe, die zu 80 Prozent von Frauen ausgeübt werden und deshalb dazu geeignet sind, die Arbeitslosigkeit bei jungen Frauen zu beseitigen. Sehen Sie das nicht als Gefahr? Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Sie müssen sich die Formen des Engagements in den sozialen Bereichen ansehen. Sie stoßen dort nicht auf Arbeit, die zum Beispiel die Altenpflege im engeren Sinne beschreibt. Es handelt sich dabei nicht um originär pflegerische Tätigkeiten. Schauen Sie sich doch an, was dort genau gemacht wird. Es geht zum Beispiel darum, täglich die Tageszeitung vorzulesen. Es geht darum, mit älteren Menschen in den Park zu gehen, was diesen vielleicht sonst nicht möglich wäre. Es geht darum, dass behinderte Kinder in die Schule begleitet werden, was unter anderen Umständen nicht möglich wäre. All diese Dinge verdrängen keine Arbeitsplätze. Es sind aber Dinge, die den Zusammenhalt unserer Gesellschaft stärken, die unser Leben lebenswerter machen und die Menschlichkeit in diese sozialen Berufe bringen. Würde das alles staatlich organisiert, dann würde unsere Gesellschaft ein hohes Maß an Zusammenhalt und Lebensqualität verlieren. Wir wollen das nicht staatlich organisieren. Wir glauben auch nicht, dass das durch eine staatliche Organisation besser wird. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben noch eine weitere Nachfrage. Bitte sehr. Heidrun Dittrich (DIE LINKE): Meine zweite Nachfrage: Ich komme aus dem öffentlichen Dienst, und zwar aus dem Jugendamt. Ich bin dort zehn Jahre lang Sozialarbeiterin gewesen, bevor ich in den Bundestag gewählt wurde. Wenn es nicht so ist, wie Sie es gerade dargestellt haben, dann frage ich mich: Warum stellen Sie Infrastrukturen bzw. Einrichtungen wie Jugendämter und andere Institutionen, in denen öffentliche soziale Arbeit geleistet wird, auf den Prüfstand und fragen, inwieweit Ehrenamtliche dort die Arbeit ersetzen können? Als Beispiel nenne ich eine Tagung des Deutschen Instituts für Urbanistik, die sich an die Führungskräfte der Jugendämter und des öffentlichen Dienstes richtet und die Frage, in welchen Bereichen Ehrenamtliche Arbeit übernehmen können, aufgreift. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Ministerin. Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Kein Mensch stellt Jugendämter infrage oder will Jugendämter von jetzt an ehrenamtlich organisieren. Es gibt aber immer ein begleitendes Engagement, von dem alle profitieren und das die Jugendämter selbst gar nicht leisten können. Nehmen Sie doch das eben von mir präsentierte Beispiel der jungen Migranten, die selbst als Integrationslotsen tätig werden. Wie wollen Sie diese Tätigkeit durch ein Jugendamt ersetzen? Was Sie außerdem komplett verkennen, ist der Mehrwert für diejenigen, die sich ehrenamtlich engagieren, weil sie dadurch Bildung, Fähigkeiten und Kompetenzen für den gesamten weiteren Lebensverlauf erwerben. Dies zu ignorieren, zeugt meines Erachtens von ausgesprochener Blindheit. Wir wollen das ehrenamtliche Engagement genau in den Bereichen stärken, in denen beide Seiten davon profitieren. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Nur zur Erklärung: Natürlich soll es so sein, dass die Fragen abwechselnd gestellt werden. Es gab Schwierigkeiten mit der Einteilung der Schriftführerinnen und Schriftführer. Deswegen ist es zu dieser Ausnahme gekommen. Die Fragen werden jetzt abwechselnd gestellt. So kann auch Frau Drittrich dort sitzen bleiben, wo sie gerne Fragen stellen wollte. - Dies nur zur Erklärung für Sie alle. Jetzt ist Herr Grübel an der Reihe. Markus Grübel (CDU/CSU): Frau Bundesministerin, Sie haben die nationale Engagementstrategie als gemeinsame Strategie unterschiedlicher Ministerien vorgestellt, die bisher nebeneinander, also getrennt, agiert haben. Mit welchem Instrument sollen die Ministerien diese nationale Engagementstrategie künftig gemeinsam umsetzen? Sie sprachen auch von Ihrem Pilotprojekt. Was heißt das konkret? Erstreckt sich das auch auf andere Ministerien? Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Mein Ministerium wird die verschiedenen Engagementstrategien der einzelnen Häuser in Zukunft koordinieren. Wenn Sie genau hinschauen, entdecken Sie eine Fülle von unterschiedlichen Aktivitäten. Fast jedes Ministerium hat eigene Freiwilligenprogramme. Das ist in Ordnung. Jedes Ministerium soll das machen, wofür es die Kompetenz besitzt. Beispielsweise organisiert das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sehr viele Jugenddienste im Ausland. Das kann dort viel besser organisiert werden als bei uns; denn dort ist die dafür notwendige Kompetenz vorhanden. Es ist aber wichtig, die unterschiedlichen Projekte miteinander zu verzahnen und aufeinander abzustimmen, damit es keine Doppelungen gibt. Diese Arbeit wird in Zukunft von meinem Haus übernommen. Es wird sich auch um die Koordination zwischen Bund, Ländern und Kommunen kümmern. Unser Pilotprojekt, das heute startet, enthält zum einen das Modul "Wissenstransfer". Wir haben überlegt, wie man das Wissen der Mitarbeiter, die aus dem Bundesministerium ausgeschieden sind, weil sie die Altersgrenze erreicht haben, weiterhin nutzen kann. Diese Mitarbeiter können sich nachberuflich engagieren, und so können wir ihr Wissen weiterhin nutzen. Dies ist übrigens ein Wunsch der Mitarbeiter, der im Rahmen einer Befragung an uns herangetragen wurde. Zum anderen geht es bei diesem Projekt um verschiedene Engagementformen. Zum Beispiel können Patenschaften für Schüler aus bildungsfernen Schichten übernommen werden. Das BMI macht etwas Ähnliches. Daran haben wir uns orientiert. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Kollegin Ute Kumpf, bitte. Ute Kumpf (SPD): Frau Ministerin, in diesem Hohen Haus wird nicht erst seit heute über das Thema Engagementpolitik diskutiert. Ich glaube, der Redlichkeit halber ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass seit 1999 viele Vorarbeiten geleistet wurden: Enquete-Kommission, Einsetzung des Unterausschusses "Bürgerschaftliches Engagement" und Gründung des Bundesnetzwerks BBE, das mittlerweile ein Nationales Forum für Engagement und Partizipation eingerichtet hat. All diese Vorarbeiten hatten das Ziel, dass im Dialog mit der Bürgergesellschaft eine nationale Strategie entwickelt wird. Mit dem Stichwort "nationale Strategie der Bundesregierung" haben Sie große Erwartungen geweckt. Der Beschluss, den Sie heute gefasst haben, liegt uns nur in Ansätzen vor. Was wir aber haben, ist ein Sammelsurium von Projekten, die wir schon zu früheren Zeiten begonnen haben. Wir vermissen ein bisschen die klare Linie, die man hinter einer Strategie vermutet. Von daher frage ich: Von welchem Leitbild gehen Sie aus, wenn Sie von einer "nationalen Engagementstrategie" sprechen? Warum finden die Vorschläge des Nationalen Forums für Engagement und Partizipation keinen Eingang in Ihr Konzept? Dieses Forum wurde schließlich extra konstituiert, um im Dialog mit dem Ministerium die Vorbereitung einer nationalen Strategie zu übernehmen. Wenn ich so große Worte höre, frage ich mich - das ist die dritte Frage -, was mit dem Geld ist und wie die Koordinierung zwischen Bund, Land und Kommune konkret aussieht. In der letzten Sitzung des Unterausschusses haben wir erfahren, dass Sie keinen Wert darauf legen, dass die Infrastruktur vor Ort durch den Bund gefördert wird. In irgendeiner Form - das wird sehr schwammig formuliert - wird zwischen Bund, Ländern und Kommunen koordiniert. Doch auch das ist bislang schon gemacht worden. Ich möchte gerne von Ihnen erfahren, was konkret geplant ist. Welche Konzepte haben Sie? Wie wollen Sie das in Zahlen - Stichwort: Geld - gießen? Welche Maßnahmen planen Sie in diesem Zusammenhang? Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Frau Kumpf, ich glaube, ich kann in Ihrer Frage einen grundsätzlichen Unterschied zu uns erkennen. Wenn wir über bürgerschaftliches Engagement sprechen, reden wir in erster Linie nicht über Geld. Gerade das ist der fundamentale Unterschied. Bei bürgerschaftlichem Engagement geht es in erster Linie nicht um bezahlte Tätigkeiten, sondern es geht darum, bürgerschaftliches Engagement als Selbstzweck und als Mehrwert ohne finanzielle Aspekte zu fördern. Bürgerschaftliches Engagement ist für uns alle eine große Chance, um die Potenziale der Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren wollen - diese Potenziale sind in der Bevölkerung eindeutig vorhanden -, zu nutzen. Gerade bei den älteren Menschen gibt es ein besonders großes Potenzial. Was planen wir? Bei bürgerschaftlichem Engagement geht es beispielsweise immer um die Frage, wie man es anerkennen kann. Es gibt den Deutschen Engagementpreis; diesen werden Sie kennen. Wir wollen eine weitere Engagementauszeichnung der Bundesregierung einführen, um vor Ort Engagierte auszuzeichnen, deren Engagement in der Öffentlichkeit bisher eine geringere Rolle spielte. Wir müssen aber auch weiter darüber nachdenken, wie wir ehrenamtliches Engagement quasi zertifizieren können, welche Möglichkeiten es gibt, dass Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, bei Bewerbungen ihre Kompetenz nachweisen können. Sie wissen, dass es dazu schon ein Projekt der Bundesregierung gibt. Solche Projekte wollen wir fortsetzen. Rechtlich wichtige Fragen sollen im Freiwilligendienst-Statusgesetz geregelt werden. Dabei geht es um die Absicherung von Freiwilligendiensten und auch um versicherungsrechtliche Fragen. Bei diesem Freiwilligendienst-Statusgesetz geht es darum, einen gemeinsamen Rahmen für Freiwilligendienste zu schaffen. Dieser Rahmen darf nicht zu starr sein; denn sonst würde freiwilliges Engagement abgewürgt. Gewisse Grundanforderungen müssen aber festgelegt werden. Ein weiterer wichtiger Punkt bei der nationalen Engagementstrategie ist das Engagement, bei dem es um bildungsferne Schichten und Migranten geht. Bei jeder Neukonzeption des freiwilligen ehrenamtlichen Engagements, zum Beispiel wenn der Zivildienst ausgesetzt werden sollte, möchte ich besonders darauf achten, wie man bildungsferne Schichten für bürgerschaftliches Engagement gewinnen kann, weil sie auch selbst sehr stark davon profitieren. Ein besonderes Augenmerk lege ich dabei auf die Möglichkeit der Erlangung von Schulabschlüssen im Rahmen von Freiwilligendiensten. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Eine Nachfrage? Ute Kumpf (SPD): Frau Ministerin, das war nicht der Kern meiner Frage. Wenn Sie einen Schatz heben wollen, brauchen Sie Schatzsucher; ab und zu brauchen Sie auch einen Spaten, vielleicht eine Taucherglocke oder einen Kran. Es geht um den Kran, die Taucherglocke, den Spaten und die Schatzsucher. Wir reden ganz konkret über die Infrastruktur. Es geht nicht darum, dass die Menschen Geld haben wollen. Sie wollen aber Hauptamtliche an ihrer Seite haben, sie wollen Anlaufstellen haben, sie wollen Menschen haben, die sie in ihrem Engagement unterstützen, die Wege zeigen, die vermitteln und ihnen vielleicht die entsprechende Qualifizierung geben. Darüber reden wir. Es geht darum, Infrastruktur vor Ort aufzubauen und die Kommunen zu unterstützen, wie wir es mit Verkehr, Straßen und sonstigen Dingen tun. Wir haben das in dem Programm "Soziale Stadt" gemacht, um Gemeinwesenarbeit zu fördern. Wir finden in Ihrem Konzept keine Antwort und auch keinen Hinweis darauf, wie Sie das zukünftig gestalten wollen. Wir finden auch keinen Hinweis, wie Sie die Koordinierung zwischen Bund, Land und Gemeinde gestalten wollen, um tatsächlich eine abgestimmte Strategie zu entwickeln und auf den Weg zu bringen, wie Sie es versprochen haben. Wie sind Ihre Konzepte? Wir finden keinen Hinweis, wie das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement und auch die nationale Plattform, ein Zusammenschluss von über 270 Organisationen, die Ihnen zugearbeitet haben, zukünftig weiter gefördert werden sollen. Darauf fehlt eine Antwort. Auf diese warten die Leute, die darauf vertraut haben, dass ihre Vorschläge und Konzepte zu unterschiedlichen Bereichen auch in Ihr Konzept aufgenommen werden. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Ministerin. Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Zunächst einmal: Hinsichtlich des Bundesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement empfehle ich einen Blick in unseren Haushalt und in die Ansätze, die wir für 2011 beantragt haben. Wir hatten für 2010 für das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement eine Förderung von 390 000 Euro, als Ansatz 2011 wurden von uns 393 000 Euro beantragt. Ferner gibt es die Woche des bürgerschaftlichen Engagements, die vom BBE organisiert wird. Dafür haben wir 2010 350 000 Euro und im Ansatz 2011 ebenfalls 350 000 Euro. Außerdem gibt es das Projekt "BBE für Europa". Der Haushaltsansatz 2011 beträgt 71 000 Euro, der Haushaltsansatz 2012 beläuft sich auf 72 000 Euro. Die Förderung ist also klar geregelt. Wenn es Ihnen im Hinblick auf das bürgerschaftliche Engagement um die konkrete Hilfe vor Ort geht, (Ute Kumpf [SPD]: Es geht um die Strategie!) kann ich Ihnen einen wichtigen Hinweis geben: Wir haben uns vorgenommen, für die Mehrgenerationenhäuser ein Anschlussprogramm aufzulegen. (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Sehr gut! Richtig! Damit das endlich mal koordiniert wird!) Da wir die Mehrgenerationenhäuser nicht unverändert weiterfördern können, plant mein Ministerium, im Rahmen dieses Anschlussprogramms die Regelung zu treffen, dass in Zukunft jedes Mehrgenerationenhaus nachweisen muss, dass es Ansprechpartner für freiwilliges Engagement ist und konkrete Hilfen und Schulungen - all das, was Sie genannt haben - anbietet; manche Mehrgenerationenhäuser haben das schon in der Vergangenheit getan, andere nicht. Diese Regelung wollen wir zu einer Grundbedingung für jedes Mehrgenerationenhaus machen. Das ist ein wichtiger Schritt, um zu erreichen, dass es in Deutschland in der Fläche, in den einzelnen Kommunen, Ansprechpartner für bürgerschaftliches Engagement gibt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Der Kollege Kai Gehring. Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. - Auch wir haben das Gefühl, dass die nationale Engagementstrategie eher ein Sammelsurium altbekannter Projekte ist und dass dabei eher eine Top-down-Strategie statt einer Bottom-up-Strategie, bei der sozusagen von unten, gemeinsam mit der Zivilgesellschaft Unterstützung geleistet werden könnte, verfolgt wird. Der Begriff "nationale Engagementstrategie" legt nahe, dass der Bund Strategien und Strukturen, die es vor Ort gibt, besser unterstützt und auch finanziell besser fördert. Angesichts der sehr knappen finanziellen Mittel der Kommunen in unserem Land würde ich Sie gerne fragen, wie eine kommunale engagementfördernde Infrastruktur künftig am Leben erhalten werden soll, zum Beispiel Mehrgenerationenhäuser oder Freiwilligenagenturen. Wie wollen Sie diese Strukturen in Zukunft absichern? Das ist in der ganzen Debatte um bürgerschaftliches Engagement eigentlich die Kernfrage. Ich stelle diese Frage auch deshalb, weil Sie sich in der Vergangenheit offenbar die Einschätzungen des Bundesfinanzministeriums und des Bundesrechnungshofes zu eigen gemacht haben, wonach der Bund überhaupt keine Kompetenz hat, wenn es darum geht, bürgerschaftliches Engagement und Engagement im Allgemeinen zu fördern. Was gaukeln Sie uns hier eigentlich vor? Oder ist es so, dass Sie die Engagementstrukturen vor Ort jetzt tatsächlich absichern wollen, was dringend notwendig wäre? (Markus Grübel [CDU/CSU]: Da haben Sie wohl nicht richtig zugehört, Herr Kollege!) Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Es ist eindeutig nicht die Aufgabe des Bundes, vor Ort beispielsweise eine Freiwilligenagentur zu fördern; hier ist unsere föderale Struktur glasklar. Gerade im Rahmen der letzten Föderalismuskommission haben wir uns bemüht, die Kompetenzverteilung deutlicher zu regeln. Es gibt in Deutschland den Hang, immer dann, wenn uns etwas besonders wichtig ist, zu sagen: Das muss der Bund machen. - Ich halte dies für verhängnisvoll. Ich glaube, dass der Bund, wenn er anfangen würde, einzelne Freiwilligenagenturen vor Ort zu fördern, nur dilettieren könnte, weil er gar nicht die notwendigen Kenntnisse der einzelnen Strukturen vor Ort hat. Bestimmte Leuchtturmprojekte und Modellprojekte können wir natürlich anschieben. Aber auch Sie, Herr Gehring, kennen das Problem, das mit Modellprojekten verbunden ist. Nach einigen Jahren stellt sich immer die Frage: Wie geht es mit dem Modellprojekt jetzt weiter? Ich glaube, das ist ein Dilemma, das wir über alle Parteigrenzen hinweg kennen und das auch hier eine Rolle spielt. Sie selbst haben das Thema Mehrgenerationenhäuser angesprochen; auch hier besteht dieses Problem. In diesem Zusammenhang mache ich mir auch nicht die Einschätzungen anderer zu eigen. Vielmehr ist in Deutschland finanzverfassungsrechtlich glasklar geregelt, dass die Mehrgenerationenhäuser nicht unverändert weitergefördert werden dürfen. Ich kenne niemanden, der in dieser Frage eine andere Position vertritt, sondern das ist einfach so. Wenn wir jetzt also ein Anschlussmodellprojekt vorlegen, muss dies anders als das bisherige ausgerichtet sein, weil es sonst eine verdeckte Weiterförderung durch die Hintertür wäre. Wir können aber - das ist auch der Wunsch der einzelnen zivilgesellschaftlichen Akteure - die verschiedenen Programme und die verschiedenen Aktivitäten auf kommunaler Ebene miteinander vernetzen. Wir können auch Möglichkeiten des Erfahrungsaustauschs bieten und auch rechtliche Rahmenbedingungen - Stichwort: Freiwilligendienst-Statusgesetz - schaffen. Die große Frage ist: Wie geht es weiter nach dem Zivildienst? Wir sollten versuchen, zu Regelungen zu kommen, dass alle davon profitieren. Das kann der Bund; dafür ist er zuständig. Aber er ist für die Förderung einzelner Infrastrukturprojekte vor Ort nicht zuständig. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Noch eine Nachfrage, bitte schön. Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir sind der festen Überzeugung, dass man durchaus ein Freiwilligendienst-Statusgesetz einführen kann. Das wurde bei Ihnen bisher anders kommentiert und kommuniziert, weil Sie sich auch die Auffassung zu eigen machen, dass man sowohl für Freiwilligendienste als auch für bürgerschaftliches Engagement und für Engagementförderung insgesamt auf Bundesebene nicht zuständig sei. Sie müssten sich einmal entscheiden, was denn zutrifft. (Ingrid Fischbach [CDU/CSU]: Haben Sie gerade nicht zugehört?) Ich möchte Ihnen empfehlen, das Igl-Gutachten zu lesen - darin ist eine andere Rechtsauffassung enthalten -, um zu sehen, inwiefern Engagementförderung auch von Freiwilligendiensten geleistet werden kann. Ich möchte in diesem Zusammenhang fragen, wie Sie sich eigentlich eine Ausbauoffensive für Freiwilligendienste vorstellen. Sie wollen eine Zivildienstkonversion einleiten. Dafür werden Mittel im Bundeshaushalt frei. Sie schreiben das auch in Ihrer Engagementstrategie. Wir wüssten schon gerne: In welcher Größenordnung werden künftig frei werdende Mittel aus dem Zivildiensthaushalt für den Ausbau von Freiwilligendiensten verwendet? Stimmen die Gerüchte, dass ein relevanter Teil dieser frei werdenden Mittel zur Finanzierung des Elterngeldes verwendet wird? Wir hätten gern eine klare Aussage von Ihnen: Welche Höhe haben diese Finanzmittel? Wie soll die Ausbaustrategie vonstattengehen? Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Zunächst haben Sie mir das Igl-Gutachten zur Lektüre empfohlen. Ich empfehle Ihnen die glasklare Reaktion auf das Igl-Gutachten durch den Bundesrechnungshof und durch das Bundesfinanzministerium zur Lektüre. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Ute Kumpf [SPD]: Der Bundesrechnungshof ist ein bisschen einseitig!) Das rundet das Bild sehr entscheidend ab. Der zweite Punkt in Ihrer Frage war, wie es mit den Freiwilligendiensten weitergeht. Völlig klar ist, dass dies im Moment eine politisch sehr brisante Frage ist. Denn das Parlament hat noch keine grundsätzliche Entscheidung über die Aussetzung der Wehrpflicht getroffen. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hängt wohl eher vom CDU-Bundesparteitag ab! - Gegenruf von der CDU/CSU: Sie müssen jetzt zuhören!) Herr Gehring, Sie und ich wissen, wie die politische Debatte läuft. Dennoch möchte ich Sie bitten, dass wir die Reihenfolge einhalten und erst einmal das Parlament entscheiden lassen. Danach können wir in die konkrete Konzeption gehen. Ich habe Ihnen bereits vorgestellt, welche Überlegungen und Erwägungen es bei mir für einen bundesweiten freiwilligen Zivildienst gibt. Ich weiß, dass Ihnen die Beantwortung folgender Frage ein wichtiges Anliegen ist: Warum kann man nicht direkt die Freiwilligendienste der Länder unterstützen, nämlich das Freiwillige Soziale Jahr und das Freiwillige Ökologische Jahr? Dieser Weg scheint zunächst einmal gangbar zu sein. Aber Sie müssen sehen: Die Freiwilligendienste fallen glasklar in die Kompetenz der Länder. (Zuruf von der CDU/CSU: Das weiß er ganz genau!) Was wir im Moment freiwillig dazugeben - ich nenne die 72 Euro für das Freiwillige Soziale Jahr und die anderen Pauschalen -, ist sozusagen eine Pauschale aus pädagogischen Gründen. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch absurd! - Ingrid Fischbach [CDU/CSU]: Das ist nicht absurd, das ist Fakt!) Einige Rechtsauffassungen gehen davon aus, dass schon das problematisch sei. Was eindeutig in die Länderkompetenz fällt, können Sie nicht zu 100 Prozent oder zu 80 Prozent durch den Bund fördern. Sie können es wahrscheinlich - darüber wird juristisch gestritten - zu 10 Prozent fördern. Vielleicht können Sie den Förderanteil noch auf 20 Prozent ausweiten. Aber Sie können es nicht komplett durch den Bund fördern. (Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!) Wenn wir das Geld, das wir im Moment für den Zivildienst einsetzen, komplett in die Freiwilligendienste geben würden, dann würde dies mit Blick auf das Geld, das die Länder dazugeben, bedeuten, dass die Freiwilligendienste fast ausschließlich oder zu einem ganz hohen Anteil vom Bund gefördert würden. Dies geht finanzverfassungsrechtlich nicht. (Ute Kumpf [SPD]: Das stimmt glasklar nicht!) - Doch, das stimmt. Was finanzverfassungsrechtlich ginge, wäre zum Beispiel, den Ländern Geld über Umsatzsteuerpunkte zu geben, und die sollen sich dann halt um die Freiwilligendienste kümmern. Aber ganz ehrlich: Gerade auch aus haushaltsrechtlichen Gründen finde ich es schon problematisch, quasi eine Mischfinanzierung oder eine solche verdeckte Umkehrfinanzierung durchzuführen. Außerdem wissen wir ja auch aus den Erfahrungen mit dem Kita-Ausbau, dass man, wenn man versucht, etwas über Umsatzsteuerpunkte zu finanzieren, nie eindeutig sagen kann, ob das Geld für den entsprechenden Zweck eingesetzt wird. Ich sage es jetzt einmal vorsichtig: Wir haben nicht immer genau den Überblick darüber, wie die Länder mit diesen Mitteln umgehen und inwiefern sie dort ankommen, wo wir sie haben wollen. Deswegen muss ich Ihnen einfach sagen: Das ist für mich kein gangbarer Weg. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Ingrid Fischbach [CDU/CSU]: Für uns auch nicht! - Ute Kumpf [SPD]: Das ist glasklar unklar!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Bär. Dorothee Bär (CDU/CSU): Vielen herzlichen Dank, Frau Ministerin, für die Vorstellung der nationalen Engagementstrategie. Mich würde jetzt in Bezug auf unsere Stiftungen noch einmal interessieren, inwieweit die Stiftungen mit einbezogen werden und inwieweit mit ihnen Konzepte abgesprochen werden. (Ute Kumpf [SPD]: Welche Stiftungen? Konrad-Adenauer-Stiftung? Unsere Stiftungen? - Abg. Markus Grübel [CDU/CSU], an die Abg. Ute Kumpf [SPD] gewandt: Unsere deutschen Stiftungen, die sich gemeinwohlorientiert bewegen! Die Frage konnte nicht missverstanden werden, Frau Kollegin!) Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Die Stiftungen waren selbstverständlich auch am Nationalen Forum für Engagement und Partizipation beteiligt. Ein sehr wichtiger und sehr florierender Teil der Stiftungen sind vor allen Dingen die sogenannten Bürgerstiftungen. (Ute Kumpf [SPD]: Mit 20 000 Euro Einlage!) Für alle Fragen zu diesem Thema gibt es die Initiative Bürgerstiftungen. Das ist eine anerkannte, bundesweit tätige Organisation, die beinahe jede Bürgerstiftung, die neu gegründet wird, begleitet, in rechtlichen Fragen berät und beim Aufbau unterstützt. Diese Initiative Bürgerstiftungen haben wir bisher jedes Jahr sehr stark gefördert, und es gibt jetzt gerade Verhandlungen darüber, dass diese Förderung auch im Jahr 2011 weiterläuft. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Damit sind wir nicht am Ende der Fragen, aber am Ende der Zeit für die Befragung der Bundesregierung. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksachen 17/3113, 17/3168 - Zu Beginn der Fragestunde rufe ich gemäß Nr. 10 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde die dringliche Frage auf, die Sie auf Drucksache 17/3168 finden. Es geht um den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur Beantwortung steht der Staatsminister Dr. Werner Hoyer bereit. Ich rufe also die dringliche Frage der Kollegin Inge Höger auf: Welche juristische und politische Bewertung nimmt die Bundesregierung vor angesichts der Tötung von bis zu acht deutschen Staatsangehörigen durch den Angriff eines unbemannten US-amerikanischen Flugkörpers im pakistanischen Nordwaziristan am 4. Oktober 2010? Herr Hoyer, bitte. Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Kollegin Höger, das Auswärtige Amt prüft derzeit Medienberichte zu diesem Fall, insbesondere auch zu den Fragen, ob es sich um deutsche Staatsangehörige handelt und ob das Datum, das in den Medien erscheint, zutreffend ist oder nicht. Selbst diese Frage können wir gegenwärtig noch nicht beantworten. Hierzu hat die deutsche Botschaft in Islamabad die zuständigen pakistanischen Behörden informell, aber natürlich auch formell - das heißt per Verbalnote - um genaue Auskunft über den Sachverhalt gebeten. Wir haben von den pakistanischen Kolleginnen und Kollegen hierauf noch keine Antwort erhalten. Die Ermittlungen laufen. Eine Bewertung wird erst auf der Grundlage belastbarer Fakten möglich sein. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Höger, Sie haben eine Nachfrage, bitte schön. Inge Höger (DIE LINKE): Sie sagen, Sie haben noch keine konkreten Informationen, obwohl die Medien seit gestern zunächst von fünf, dann von zehn deutschen Opfern berichten. Ich fasse meine Nachfrage ein bisschen weiter: Haben deutsche Stellen - Geheimdienste, Polizei und andere - Informationen über deutsche Islamisten in dieser Region Pakistans? Geben sie solche Informationen an amerikanische Stellen weiter? Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Wir gehen davon aus, dass es in dieser Region Pakistans auch deutsche Islamisten gibt. Weitere präzise Informationen, die zum Beispiel Grundlage von Entscheidungen der amerikanischen Streitkräfte gewesen sein könnten, kann ich Ihnen an dieser Stelle nicht geben. Ich verfüge nicht über entsprechende Erkenntnisse. Wenn Menschen - erst recht, wenn es deutsche Staatsbürger sind - bei solchen Vorkommnissen ums Leben kommen, dann ist das ein sehr ernster Vorgang, den man moralisch, politisch und rechtlich bewerten muss. Das ist aber nur auf einer ganz präzisen Faktengrundlage möglich. Auch wenn sich bestimmte Medienmeldungen vervielfachen, finde ich es aus dem genannten Grund nicht verantwortbar, bereits jetzt Bewertungen abzugeben. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Haben Sie eine Nachfrage? Inge Höger (DIE LINKE): Ich teile Ihre Einschätzung, dass es eine ernste Angelegenheit ist, wenn deutsche Staatsbürger getötet worden sind. Aber Sie müssten die Vorfälle völkerrechtlich bewerten können, unabhängig davon, ob die Informationen zutreffen. Eine gezielte Tötung ist gewissermaßen eine Tötung ohne Todesurteil. Zivilisten sind zu verschonen und dürfen nicht ohne ein Verfahren mit anschließendem Urteil getötet werden. Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Diese Frage hypothetisch zu beantworten, ist ebenfalls ausgesprochen problematisch. Wir haben in der Fragestunde des Bundestages schon eine sehr intensive grundsätzliche Debatte über das Thema gezielte Tötungen geführt, die ich jetzt nicht noch einmal aufrollen will. Es geht vielmehr darum, welche Rechtsgrundlagen bestehen könnten, zum Beispiel ob das Recht auf Selbstverteidigung herangezogen werden könnte. Das kann ich aber nicht beantworten, ohne konkrete Fakten und Daten zu diesem Einzelfall zu kennen, so schwerwiegend er sein mag. Die Sache ist zu brisant, als dass man sich mit Bewertungen aus dem Fenster lehnen könnte. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Ströbele. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatsminister, Sie reden immer nur von Pressemeldungen. Den Pressemeldungen kann man aber auch entnehmen, dass ein deutscher Staatsangehöriger, der in Gewahrsam der US-Streitkräfte ist und sich in einem Foltergefängnis in Bagram befindet, Aussagen gemacht haben soll, nach denen sich die betreffenden Personen dort befanden, die mit von einer Drohne abgefeuerten Raketen angegriffen worden sind. Nun hat eine Bundesregierung andere Informationsmöglichkeiten als Presseerklärungen. Sowohl das Bundesinnenministerium als auch das Bundeskanzleramt und das Verteidigungsministerium verfügen über Informationsquellen gerade auch für den Raum Afghanistan. Haben Sie sich denn auch einmal bei Ihren Kollegen erkundigt und sachkundig gemacht, ob dort Informationen vorliegen, und zwar erstens, ob es eine entsprechende Aussage gibt, und zweitens, ob sie aufgrund der Informationen, die sie bekommen bzw. ermitteln - für diese Tätigkeit werden sie hoch bezahlt -, zu entsprechenden Erkenntnissen gekommen sind? Oder sagen Ihre Kollegen: "Wir wissen auch nur, was in der Zeitung steht"? Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Die Frage, ob ich mich mit den Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Ressorts auseinandergesetzt habe, beantworte ich klar mit Ja. Die zweite Frage beantworte ich auch mit Ja: Wir haben auch nach diesen Gesprächen zwischen den Ressorts noch kein klares Lagebild. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das war keine Antwort auf meine Frage. Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Entschuldigung, ich möchte keine Frage unbeantwortet lassen. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe nach Informationen gefragt. Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Wir haben keine Informationen, die wirklich belastbar wären und aufgrund derer wir eine Bewertung abgeben könnten. Sie kennen sich in den Zusammenhängen bestens aus, weil Sie dem Gremium des Deutschen Bundestages angehören, in dem solche Themen diskret behandelt werden, und wissen, welche Qualität solche Informationen haben müssen, damit man darauf bauen kann. Diese Informationen haben wir noch nicht. Wir bemühen uns aber mit Hochdruck darum, weil wir ein sehr großes Interesse daran haben, Klarheit darüber zu schaffen, was dort passiert ist. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Daðdelen. Sevim Daðdelen (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Lieber Herr Hoyer, ich möchte gerne wissen, welche Anstrengungen die Bundesregierung unternimmt, Kenntnis darüber zu erlangen, welcher Tat sich die getöteten deutschen Staatsbürger schuldig gemacht haben sollen, ob sie nicht einfach Touristen waren, die sich zu diesem Zeitpunkt dort aufgehalten haben. Ich mache mir Sorgen, dass das Prinzip der Unschuldsvermutung nicht mehr gilt, wenn jemand erst einmal unter dem Generalverdacht steht, Islamist oder Terrorist - das wird mittlerweile zumeist gleichgesetzt - zu sein. In diesem Zusammenhang möchte ich auch wissen, welche Anstrengungen die Bundesregierung unternimmt, um die US-Drohnenangriffe, deren Zahl sich in letzter Zeit mehr als verdoppelt hat, abzuweisen, zu verhindern oder zu beenden. Ich weise darauf hin, dass wir - auch die Menschen in Deutschland - dazu aufgerufen haben, den wegen der Flutkatastrophe notleidenden Menschen in Pakistan zu helfen, dass wir aber gleichzeitig Drohnenangriffe zulassen, durch die Hunderte Menschen sterben. Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Auch diese Fragen sind nur hypothetisch zu beantworten, sowohl was die Faktenlage als auch was die Legitimation solcher Drohnenangriffe angeht. Es ist völlig klar, dass nach unserer Auffassung grundsätzlich die pakistanische Regierung gegebenenfalls über Angriffe oder Militäreinsätze auf ihrem Territorium zu entscheiden hätte. Ob sie das gegenüber den amerikanischen Streitkräften getan hat, ist uns schlicht und ergreifend nicht bekannt. Ich bin auch nicht sicher, dass sie es uns sagen würde. Sevim Daðdelen (DIE LINKE): Welche Anstrengungen unternehmen Sie? Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Wir unternehmen alle Anstrengungen. Wir haben diese Sache sowohl gegenüber Pakistan als auch gegenüber den Vereinigten Staaten auf bilateraler Ebene aufgegriffen. Wir haben die Befassung der NATO gar nicht erst anregen müssen, weil sie automatisch stattgefunden hat. Daran haben wir uns engagiert beteiligt. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Buchholz. Christine Buchholz (DIE LINKE): Meine Frage bezieht sich auf die Aussage des Politikwissenschaftlers Herrn Hippler, der in einem Gespräch mit tagesschau.de eindeutig feststellt, dass der US-Drohnenangriff natürlich eine Verletzung des pakistanischen Luftraums darstellt. Wie stellt sich die Bundesregierung dazu, und was wird sie - auch im Rahmen der Vereinten Nationen - tun, um diesen Vorfall aufzuklären? Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Ich wage mich nun in eine hypothetische Debatte, die ich an sich ablehne. Ob das Eindringen in den pakistanischen Luftraum legitim war oder nicht, hängt davon ab, ob sich die Streitkräfte der Vereinigten Staaten oder der NATO auf das Selbstverteidigungsrecht berufen können oder nicht. Wenn die pakistanische Regierung zugestimmt hat, hätten wir sowieso eine andere Lage. Zur Beantwortung solcher Fragen muss man die Fakten kennen. Genau das ist - ich kann es nur noch einmal versichern - nicht der Fall. Das ist auch in Brüssel nicht der Fall. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Buchholz, eine Nachfrage. Christine Buchholz (DIE LINKE): Meines Erachtens liegen die Fakten klar auf dem Tisch. Offensichtlich ist es so, dass sich die Bundesregierung auch in diesem Fall die Realität wieder sozusagen zurechtlügt. Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Das weise ich strikt zurück. Wir haben die Faktenlage nicht, die wir brauchten, um solche Fragen präzise zu beantworten. Auf weitere hypothetische Analysen werde ich mich hier nicht einlassen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Nachdem die dringliche Frage aufgerufen und beantwortet ist, rufe ich jetzt die Fragen auf Drucksache 17/ 3113 in der üblichen Reihenfolge auf. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Christoph Bergner steht zur Beantwortung zur Verfügung. Ich rufe die Frage 1 der Kollegin Kirsten Lühmann auf: Welche Informationen gibt es zum Beispiel vom Bundeskriminalamt, BKA, über die zunehmende Nutzung der sich entvölkernden ländlichen Räume insbesondere im Osten Deutschlands durch organisierte Kriminalität als Rückzugsräume? Bitte, Herr Staatssekretär. Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Abgeordnete Lühmann, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Dem Bundeskriminalamt liegen keine Erkenntnisse über die zunehmende Nutzung der sich entvölkernden ländlichen Räume insbesondere im Osten Deutschlands durch organisierte Kriminalität als Rückzugsräume vor. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie möchten eine Nachfrage stellen. Kirsten Lühmann (SPD): Herzlichen Dank. - Was beabsichtigt die Bundesregierung zu tun, um den Informationen, die von den Länderpolizeien zu dieser Thematik kommen, nachzugehen, um hierzu ein einheitliches Lagebild zu bekommen? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Kollegin Lühmann, zunächst einmal muss ich darauf hinweisen, dass alle Lagebilder zur organisierten Kriminalität, die das Bundeskriminalamt bisher vorgelegt hat und die auch in einer gewissen Korrespondenz zu den Erkenntnissen auf Länderebene stehen, keine Hinweise darauf geben, dass Räume mit rückläufiger Bevölkerungsdichte - so will ich es einmal etwas vorsichtiger umschreiben -, die natürlich insbesondere in Teilen der neuen Bundesländer zu finden sind, bevorzugte Rückzugsräume der organisierten Kriminalität sein sollten. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Haben Sie noch eine zweite Nachfrage? - Bitte schön. Kirsten Lühmann (SPD): Was sind denn die bevorzugten Rückzugsräume organisierter Kriminalität, wenn es diese nicht sind? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Dies richtet sich jeweils nach den Deliktbereichen. Ich will zumindest so viel sagen, dass es durchaus auch im Bereich der Ballungsräume Rückzugsszenarien für organisierte Kriminalität gibt. Das heißt, der kausale Zusammenhang, der in Ihrer Frage unterstellt wird, ist jedenfalls in ermittlungstechnischer Hinsicht sehr schwer aufzustellen und nachzuweisen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die Frage 2 des Kollegen Memet Kilic und ebenso die Fragen 3 und 4 des Kollegen Winfried Hermann werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Hartmut Koschyk zur Verfügung. Ich rufe die Frage 5 der Kollegin Bärbel Höhn auf: Welche schriftlichen und mündlichen Absprachen/Vereinbarungen/(Vor-)Verträge/Term Sheets etc. hat es in dieser Legislaturperiode zwischen der Bundesregierung und den vier großen Energieversorgern - einzeln oder gemeinsam - gegeben? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Präsidentin! Frau Kollegin Höhn, ich darf Ihre Frage wie folgt beantworten: Das Bundesministerium der Finanzen hat mit den Betreibergesellschaften der Kernkraftwerke in Deutschland im Zusammenhang mit der Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke entsprechend den Festlegungen im Koalitionsvertrag eine vertragliche Vereinbarung verhandelt, die die Abschöpfung eines wesentlichen Teils der Zusatzgewinne aus der Laufzeitverlängerung sicherstellt. Die Einnahmen aus dieser Vereinbarung werden vollständig dem neuen Sondervermögen "Energie- und Klimafonds" zufließen und zur Verstärkung von Maßnahmen insbesondere in den Bereichen Energieeinsparung und erneuerbare Energien eingesetzt. Der Vertrag wurde am 28. September 2010 von den beauftragten Anwaltskanzleien paraphiert und den Fraktionen zugeleitet. Darüber hinaus ist er wie auch das sogenannte Term Sheet vom 6. September 2010 im Internet einzusehen. Die Fragen der Gewinnabschöpfung sind mit diesem Vertrag geregelt. Es gibt zu diesem Vertrag über den üblichen Begleitschriftverkehr hinaus - zum Beispiel Benennung des Kontos, Adressen, Beispielsrechnungen, Fixierung von Auslegungsfragen - keine Nebenabsprachen mit den Energieversorgungsunternehmen. Die Frage, ob es darüber hinaus schriftliche oder mündliche Absprachen, Vereinbarungen, Vorverträge, Term Sheets usw. in dieser Legislaturperiode zwischen der Bundesregierung und den vier großen Energieversorgungsunternehmen einzeln oder gemeinsam gegeben hat, habe ich sämtlichen Ressorts und dem Kanzleramt vorgelegt. Bezogen auf die obersten Bundesbehörden und unter Ausklammerung der üblichen Energiebezugsverträge kann ich Ihnen mitteilen, dass es einzelne Vereinbarungen gegeben hat, so zum Beispiel die der Bundesregierung mit Vattenfall im Zusammenhang mit dem Bau des Kraftwerks Hamburg-Moorburg; zudem wurde eine Vereinbarung über die Beendigung des Schiedsverfahrens Vattenfall gegen die Bundesrepublik Deutschland vor dem Weltbankschiedsgericht geschlossen. Aufgrund der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit für die Beantwortung Ihrer Frage kann ich nicht ausschließen, dass es außerhalb dieses Bereichs der Laufzeitverlängerung weitere Vereinbarungen ähnlicher Art gegeben hat. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Eine Nachfrage, Frau Höhn. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. - Es hat im Umfeld der Veröffentlichung dieser Geheimvereinbarungen Aussagen von Politikern gegeben, es dürften keine Geschäftsgeheimnisse öffentlich gemacht werden. Können Sie hier noch einmal deutlich darstellen, ob die Antwort, die Sie mir eben gegeben haben, es habe keinerlei weitere Absprachen oder Vereinbarungen außer den von Ihnen eben genannten gegeben, auch bedeutet, dass es daneben keine weiteren Vereinbarungen gegeben hat, die man jetzt nicht benennt, weil darin Geschäftsgeheimnisse enthalten sind? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin, ich habe deutlich gemacht, dass es sich bei diesem Vertrag nach seiner Paraphierung in keiner Weise um irgendein Geheimdokument gehandelt hat; vielmehr ist dieser Vertrag den Fraktionen zugeleitet worden. Außerdem ist er mit dem sogenannten Term Sheet im Internet einsehbar. Es gibt keine in diesem Zusammenhang getätigten Nebenabreden, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht worden sind. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Höhn, Sie haben noch eine Nachfrage. Bitte sehr. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Geheimvertrag mit den Energiekonzernen ist ein rechtsverbindlicher Vertrag, in dem geregelt wird, dass die Unternehmungen Zahlungen leisten und dafür eine Gegenleistung des Staates bekommen: Laufzeitverlängerungen, eine unternehmensfreundliche Gesetzgebung. Hat es so etwas - Zahlungen und als Gegenleistung eine unternehmensfreundliche Gesetzgebung - bisher jemals gegeben, oder ist das ein verfassungsrechtliches Novum? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Wir sehen in diesem Sachverhalt kein verfassungsrechtliches Novum. Es hat auch zu früheren Zeiten vertragliche Abmachungen zwischen den damaligen Bundesregierungen mit der Energiewirtschaft in Deutschland gegeben. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht, was Zahlungen angeht! Das hat es nicht gegeben!) Vor diesem Hintergrund kann man das nicht als Novum ansehen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Wir kommen zur Frage 6 des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele: Inwieweit bestätigt die Bundesregierung die Angaben des Vorsitzenden des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung, Florian Toncar, wonach der Bund von den allein 2009 in die Hypo Real Estate Holding, HRE, investierten 6 Milliarden Euro nun 4,75 Millionen Euro bzw. 80 Prozent abgeschrieben habe und von den gesamten Kapitalhilfen des Bundes für die HRE 8 Milliarden Euro verloren seien (Die Welt vom 27. September 2010), und wie bewertet die Bundesregierung angesichts der von der EU-Kommission geäußerten Zweifel an der längerfristigen Überlebensfähigkeit der HRE das Risiko für die Staatsfinanzen und den Steuerzahler, dass zusätzlich Kapitalhilfen aus Steuermitteln verloren sind und die Garantiezahlungen an die HRE von inzwischen 142 Milliarden Euro zulasten des Bundeshaushalts fällig werden? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Ströbele, vorab möchte ich darauf hinweisen - das soll jetzt nicht belehrend sein, sondern nur informativ -, dass der Kollege Toncar nicht SoFFin-Vorsitzender ist; Herr Kollege Toncar ist vielmehr der Vorsitzende des auf Grundlage von § 10 a des Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes eingerichteten parlamentarischen Gremiums, das vom Bundesministerium der Finanzen stets über sämtliche den SoFFin betreffenden Fragen unterrichtet wird. Die Verwaltung des SoFFin obliegt der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung, die wiederum von einem dreiköpfigen Leitungsausschuss geführt wird. Dessen Sprecher ist Herr Professor Dr. Hannes Rehm. Es ist zunächst nicht Aufgabe der Bundesregierung, Aussagen des Vorsitzenden eines parlamentarischen Gremiums zu kommentieren. Zutreffend ist jedoch, dass die Beteiligung des SoFFin an der HRE und deren Tochter Deutsche Pfandbriefbank AG von rund 6,3 Milliarden Euro im Jahr 2009 insgesamt um 4,75 Milliarden Euro gemindert wurde. Dies entspricht einer Abschreibung von rund 75 Prozent. Diese Wertberichtigung wurde bereits am 21. Mai 2010 in einer Pressemitteilung des SoFFin öffentlich mitgeteilt. Zu Ihrer zweiten Teilfrage. Das Gesamtergebnis des Engagements des Bundes bei der HRE kann erst nach der vollständigen Verwertung der im Rahmen der Übertragung in die Abwicklungsanstalt übernommenen Vermögenswerte sowie nach der Reprivatisierung der Deutschen Pfandbriefbank beziffert werden. Zum heutigen Zeitpunkt ist hierzu keine seriöse Aussage möglich. Die Bundesregierung wird jedoch einen möglichen Verlust des Bundes im Interesse des Steuerzahlers so gering wie möglich halten. Die durch den SoFFin garantierten, von der HRE zur Liquiditätsbeschaffung emittierten Wertpapiere haben aktuell ein Volumen von rund 124 Milliar-den Euro und wurden vollständig auf die Abwicklungsanstalt der HRE übertragen. Der HRE stehen keine SoFFin-Garantien mehr zur Verfügung. Damit entstehen aus der weiteren Entwicklung der HRE insoweit keine Risiken für den SoFFin. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben eine Nachfrage. Bitte sehr. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Erst einmal danke für die Korrektur; ich übernehme sie gerne. Mir kam es darauf an, die Sachkunde des Kollegen zu betonen, der Aussagen zu dieser HRE-Übertragung gemacht hat. Er hat Zweifel an der längerfristigen Überlebensfähigkeit der HRE geäußert. Es ist doch eine ziemlich bedrohliche Aussage, wenn jemand sagt, dass es möglicherweise nicht mehr um Garantieerklärungen im Zusammenhang mit dem SoFFin geht, sondern um Garantien, die der Bund als Eigentümer zu tragen hat. Das heißt, der Bund ist damit nicht aus dem Schneider, sondern eher noch stärker verpflichtet. Wenn sich diese Aussage also bewahrheiten sollte, dann sind der Bund und damit der Steuerzahler finanziell noch unmittelbarer als nur durch die Garantieerklärung betroffen. Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich darf vielleicht nochmal darauf hinweisen: Am letzten Wochenende fand eine der größten Finanztransaktionen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland statt, nämlich die Auslagerung der schlechten Assets, der sogenannten toxischen Produkte, von der HRE auf eine sogenannte Bad Bank. Diese Transaktion ist erfolgreich abgeschlossen. Es verbleibt jetzt die "Rest-HRE", die Deutsche Pfandbriefbank. Wir gehen davon aus, dass es hier eine entsprechende Begleitung durch den SoFFin, aber auch den Bundestag geben wird. Auch als Bundesregierung werden wir unseren Beitrag dazu leisten, dass diese "gesunde Restbank" Deutsche Pfandbriefbank eine gute Zukunftsperspektive hat. Es ist dann ja auch deren Privatisierung vorgesehen. Im Übrigen, Herr Kollege Ströbele, darf ich auch darauf hinweisen, dass die Maßnahmen, die Voraussetzung für diese Auslagerung der schlechten Assets aus der HRE auf diese sogenannte Bad Bank gewesen sind, von der Europäischen Kommission genehmigt worden sind. Natürlich steht jetzt noch eine Entscheidung der Kommission im Hinblick auf die weitere Begleitung dieser Restbank aus. Aber auch hier sind wir zuversichtlich, dass wir Einvernehmen mit der Europäischen Kommission herstellen werden. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Ströbele. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Geben Sie mir recht, dass die Europäische Kommission im Hinblick auf die Frage, ob sie das richtig oder falsch findet, genehmigt oder nicht genehmigt, weniger als die Bundesregierung die Interessen der Bundesrepublik Deutschland und der Steuerzahler in Deutschland im Auge hat? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Ströbele, aus allen vergleichbaren Vorgängen - auch den Vorgängen um die HRE - kann ich Ihnen nur die Erfahrung vermitteln, dass die Europäische Kommission all diese Verfahren sehr, sehr kritisch begleitet. Es geht auch um eine Beihilfeproblematik. Insofern gehen wir mal nicht davon aus, dass der Eindruck, den Sie durch Ihre Frage vermitteln, dass die Europäische Kommission hier im Hinblick auf das Interesse des deutschen Steuerzahlers vielleicht weniger kritisch als die Bundesregierung und das Parlament ist, zutreffend ist. Die Europäische Kommission geht sehr kritisch, sehr sensibel und sehr penibel mit all diesen Vorgängen um. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die Fragen 7 und 8 der Abgeordneten Britta Haßelmann, die Frage 9 des Abgeordneten Stefan Schwartze, die Fragen 10 und 11 des Abgeordneten Klaus Hagemann, die Frage 12 der Abgeordneten Dr. Barbara Höll sowie die Frage 13 der Abgeordneten Sabine Zimmermann werden schriftlich beantwortet. Damit sind wir beim Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Die Fra-ge 14 des Abgeordneten Heinz Paula, die Fragen 15 und 16 des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert sowie die Frage 17 der Abgeordneten Lisa Paus werden ebenfalls schriftlich beantwortet. Damit kommen wir zu den Fragen 18 und 19 des Kollegen Oliver Krischer. - Der Kollege Krischer ist nicht anwesend. (Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] betritt den Plenarsaal) - Er kommt gerade herein. Dann wollen wir das noch gelten lassen. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr schnell!) Damit rufe ich die Frage 18 des Abgeordneten Oliver Krischer auf: Welche Kriterien bezüglich Wirkungsgrad und CCS-Fähigkeit - CCS: Carbon Capture and Storage - müssen erfüllt sein, damit ein Kraftwerk nach Kapitel C. 2 des Energiekonzeptes durch Mittel aus dem Energie- und Klimafonds förderfähig ist, und welche Unternehmen sind der Bundesregierung bekannt, die solche Kraftwerke gegenwärtig bauen oder über eine fortgeschrittene Planung verfügen? Der Kollege Hintze steht zur Beantwortung bereit. Peter Hintze, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Vielen Dank, Frau Präsidentin! - Herr Kollege Krischer, bei der Förderung CCS-fähiger fossiler Kraftwerke müssen die Vorgaben des EU-Beihilferechts beachtet werden, das einen europaweit einheitlichen Rahmen für diese Art der Förderung vorgeben soll. Die Europäische Kommission wird entsprechende Leitlinien erarbeiten. Es ist davon auszugehen, dass die Kommission die Aussagen ihrer Erklärung zu Art. 10 Abs. 3 der Emissionshandelsrichtlinie zum Klima- und Energiepaket des Europäischen Rates vom 11./12. Dezember 2008 als Ausgangspunkt der Regelung nehmen wird. Die in diesem Kontext erfolgenden weiteren Konkretisierungen der Kommission werden ein zentraler Baustein des nationalen Förderkonzeptes sein. Abschließende Aussagen zu den in Ihrer Frage genannten einzelnen Förderkriterien - Wirkungsgrad und CCS-Fähigkeit - sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht möglich. Konkrete Projekte, die absehbar sicher unter die Förderfähigkeit fallen, können aus diesem Grunde heute auch noch nicht benannt werden. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Krischer, Sie haben eine Nachfrage? - Bitte. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da in der Energiewirtschaft durch die Laufzeitverlängerung eine erhebliche Verunsicherung besteht und etliche Projekte aus den Bereichen Kraftwärmekopplung, konventionelle Kraftwerke und Gaskraftwerke infrage gestellt worden sind - diese Teile der Energiewirtschaft werden nicht von der Laufzeitverlängerung profitieren -, wird man sehr genau darauf gucken, was nun in den anderen Bereichen von der Regierung geplant ist. Dazu würde mich interessieren: Wann ist damit zu rechnen, dass diese Vorgaben konkretisiert sind, damit wieder ein Mindestmaß an Planungssicherheit erreicht werden kann? Peter Hintze, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Zunächst einmal ist die Bundesregierung zuversichtlich, dass die Entscheidungen, wenn sie denn auf der europäischen Ebene getroffen sind, entsprechend genutzt werden. Sie wissen: Die Bundesregierung beabsichtigt, die im europäischen Energie- und Klimapaket vereinbarten Möglichkeiten gerade für diesen Kreis zu nutzen, nämlich für den Kreis der Kraftwerksbetreiber, die zu der deutschen Erzeugungskapazität zu weniger als 5 Prozent beitragen. Das sind im Wesentlichen die Stadtwerke, die kleineren Unternehmen. Wenn diese besondere Fördermöglichkeit konkretisiert ist, wird sie auch Wirkung entfalten. Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen das gesamte Verfahren schildern und darstellen, wie in Brüssel der technische Ablauf ist. Aber ich weiß nicht, ob Sie das weiter beruhigt. Wir leisten jedenfalls jeden Beitrag dazu, dass es so schnell wie möglich geht. Aber es liegt jetzt in der Hand der Europäischen Kommission. Wir brauchen eine Regelung, nach der eine Beihilfe genehmigt werden kann; das ist die Voraussetzung. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben noch eine Nachfrage. Bitte sehr. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Deutschland ist in dem Zusammenhang kein unwichtiges Land. Wann konkret werden nach Einschätzung der Bundesregierung die Förderregularien vorliegen? Das frage ich vor allen Dingen vor dem Hintergrund, dass es bereits CCS-Förderungen der Europäischen Union gibt und alle Regularien eigentlich schon abgestimmt sind. Wird das also Monate oder Jahre dauern? Wann wird insofern Klarheit herrschen? Peter Hintze, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Ich kann Ihnen eine konkrete Einschätzung nicht geben. Aber bei der Alternative "Monate oder Jahre" sage ich: Es wird sich sicher um den erstgenannten Zeitraum handeln. Ich könnte Ihnen genau darstellen, wie das in Brüssel entwickelt wird. Das dauert eine gewisse Zeit. Alles, was wir dazu beitragen können, dass es zügig geht und dass Rechtsklarheit geschaffen wird, leisten wir. Aber das liegt eben in der Hand von Brüssel. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Dann kommen wir zur Frage 19 - sie wird ebenfalls vom Kollegen Krischer gestellt -: Welchen Zeitplan verfolgt die Bundesregierung gegenwärtig bei der Verabschiedung des Gesetzes zur Demonstration der dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid, CCS-Gesetz, und welche Auswirkungen hätte eine Verabschiedung des Gesetzes erst im Jahr 2011 auf die Förderfähigkeit des CCS-Demonstrationsprojektes in Jänschwalde durch Mittel aus dem europäischen Emissionshandel? Peter Hintze, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Herr Kollege Krischer, die Bundesregierung wird kurzfristig einen CCS-Gesetzentwurf beschließen. Wir gehen davon aus, dass das Gesetzgebungsverfahren im Frühjahr 2011 abgeschlossen werden kann. Damit wäre die notwendige Voraussetzung für eine mögliche Förderfähigkeit des von Ihnen angesprochenen Projektes gegeben. Unabhängig davon ist die europäische CCS-Richtlinie bis zum 25. Juni 2011 in nationales Recht umzusetzen. Es sind also zwei verschiedene Fristen, die man im Blick haben muss. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Krischer. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, danke für die Auskunft. - Es war ursprünglich vorgesehen, das Bundeskabinett am 28. September dieses Jahres mit dem CCS-Gesetzentwurf zu befassen. Sie haben eben gesagt, Sie rechneten damit, dass das Gesetzgebungsverfahren im Frühjahr 2011 abgeschlossen werden kann. Das ist aber etwas, was im Wesentlichen der Bundestag entscheidet. Meine Frage ist jetzt: Für wann ist die Beschlussfassung im Kabinett vorgesehen? Peter Hintze, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung befindet sich in der abschließenden Phase. Ich hoffe, dass wir das Kabinett sehr bald mit dem Gesetzentwurf befassen können, kann Ihnen aber heute noch kein genaues Datum nennen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben noch eine Frage. Herr Krischer. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe noch eine Nachfrage zum Zeitplan. Sie haben eben von einem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens im Frühjahr gesprochen. Ich habe das so verstanden, dass damit die Beschlussfassung im Bundestag gemeint ist. Dieses Gesetz bedarf aber in jedem Fall der Zustimmung durch den Bundesrat. Bezog sich die Angabe "im Frühjahr" auch auf den Bundesrat oder nur auf den Bundestag? Peter Hintze, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Sie haben sich in Ihrer Ursprungsfrage danach erkundigt, ob das Projekt noch in die entsprechende europäische Förderung hineinkommt und welcher Zeitablauf dafür notwendig ist; das hängt inhaltlich zusammen. Um in die Förderung hineinzukommen, muss das Gesetzgebungsverfahren im Frühjahr abgeschlossen sein. Hintergrund ist folgender: Ein Antrag auf Mittel der Europäischen Investitionsbank muss innerhalb eines halben Jahres nach dem Call, also nach dem Aufruf, gestellt werden. Der Aufruf ist noch nicht erfolgt. Aber wir können davon ausgehen, dass er noch im Oktober erfolgt, vielleicht ein bisschen später. Ein halbes Jahr später müssen wir, wenn es möglich sein soll, diese Mittel in Anspruch zu nehmen, das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen haben. Das ist eine auf den Sachverhalt bezogene Stellungnahme. Wenn das Gesetzgebungsverfahren bis dahin abgeschlossen ist, wie wir es erhoffen, dann besteht diese Fördermöglichkeit. Wenn es länger dauert, gibt es diese spezielle Fördermöglichkeit nicht. Davon unabhängig ist Deutschland aufgefordert, um sich vertragsgemäß zu verhalten, die CCS-Richtlinie bis zum 25. Juni 2011 in nationales Recht umzusetzen. Wenn wir das erst zu diesem letztmöglichen Zeitpunkt täten, der Call aber jetzt im Oktober noch käme, dann wäre das im Sinne Ihrer Frage zu spät, um noch Fördermöglichkeiten zu eröffnen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die Frage 20 des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz, die Fragen 21 und 22 des Abgeordneten Garrelt Duin sowie die Frage 23 des Abgeordneten Hans-Josef Fell werden schriftlich beantwortet. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Ralf Brauksiepe steht zur Beantwortung zur Verfügung. Die Frage 24 der Abgeordneten Sabine Zimmermann wird schriftlich beantwortet. Wir kommen damit zur Frage 25 der Abgeordneten Anette Kramme: Zu welchen Ergebnissen für die Höhe der Regelbedarfe - in Euro - kommt die Bundesregierung auf Grundlage der beim Statistischen Bundesamt in Auftrag gegebenen Sonderauswertungen für ein Perzentil von 10 Prozent, 15 Prozent und 20 Prozent der nach dem Nettoeinkommen geschichteten Haushalte sowie der Einkommensgruppe unterhalb von 60 Prozent des Medians der Nettoeinkommen? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Kollegin Kramme, für die Einpersonenhaushalte wurden lediglich die Referenzgruppen von 15 und 20 Pro-zent der zu berücksichtigenden Haushalte detailliert ausgewertet und die übrigen Referenzgruppen nicht mehr betrachtet. Daraus ergibt sich der Regelbedarf für alleinlebende Erwachsene ab 1. Januar 2011 in Höhe von 364 Euro bei Nutzung der 15-Prozent-Referenzgruppe, die zu einer Gesamtberücksichtigung von etwas mehr als dem gesamten unteren Quintil führt. Bei den Familienhaushalten wurden lediglich die Daten der 20-Prozent-Referenzgruppe detailliert berechnet. Von einer genauen Prüfung der übrigen Referenzgruppen wurde abgesehen, da bereits überschlägige Berechnungen zeigten, dass die anderen drei Referenzgruppenabgrenzungen zu niedrigeren Regelsätzen geführt hätten. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Eine Nachfrage? - Keine Nachfrage. Dann sind wir schon bei Frage 26 der Abgeordneten Anette Kramme: Nach welchem methodischen Verfahren werden die Referenzhaushalte nach § 3 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Referentenentwurf) gebildet, und wie begründet es die Bundesregierung, dass für die Einpersonenhaushalte die unteren 15 Prozent und für die Familienhaushalte die unteren 20 Prozent der nach der Einkommenshöhe geschichteten Haushalte als Referenzhaushalte verbleiben? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Kollegin Kramme, wie bei allen vorhergehenden Neubemessungen wurden zur Bestimmung der Referenzhaushalte zunächst die Haushalte aus der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe ausgeschlossen, für die die Ermittlung der Regelbedarfe erfolgt, und dann die Referenzgruppe festgelegt. Das ist auch nachzulesen in den Erläuterungen im konsolidierten Referentenentwurf auf den Seiten 82 f. und 129 ff. Bei der Festlegung der Referenzgruppe sind nicht nur deren Umfang, sondern auch deren Lage innerhalb der Einkommensschichtung und die Höhe der durchschnittlichen Konsumausgaben der Referenzgruppe zu berücksichtigen. Beides wird durch die Zahl der vorab ausgeschlossenen Haushalte wesentlich mitbestimmt. Da sich die relative Zahl dieser ausgeschlossenen Haushalte bei den Einpersonen- und Familienhaushalten deutlich unterscheidet, ist es gerechtfertigt, dies beim Umfang der Referenzgruppen zu berücksichtigen. Sowohl die Referenzgruppe der Einpersonenhaushalte als auch diejenige der Familienhaushalte liegen unter Einrechnung der ausgeschlossenen Haushalte mit ihrer Obergrenze über der Grenze des unteren Quintils der nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten Haushalte. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Hiller-Ohm, bitte. Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Herr Staatssekretär, ich habe eine Nachfrage dazu: Können Sie ausführen, wie sich die Referenzgruppen zusammensetzen, also wie viele Männer und Frauen, wie viele Rentnerinnen und Rentner oder wie viele Studentinnen und Studenten darin zum Beispiel enthalten sind? Wie stellen Sie - nachvollziehbar - sicher, dass es keine Zirkelschlüsse gibt und dass verdeckte Armut herausgerechnet wird? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Kollegin Hiller-Ohm, Sie können davon ausgehen, dass wir, wie auch erläutert, Zirkelschlüsse ausgeschlossen haben, indem wir die Haushalte herausgerechnet haben, die nur von Transfereinkommen leben, weil diese ja genau die Zielgruppe der Maßnahme sind, die wir ergriffen haben. Es wird auch im Referentenentwurf dargestellt, dass aus unserer Sicht das von Ihnen angesprochene Thema der sogenannten verdeckten Armut nach allem, was wir wissen, wenn es denn eine Rolle spielen sollte, jedenfalls keine statistisch signifikante Rolle an dieser Stelle spielt. Wir können das alles mit den uns zur Verfügung stehenden Methoden nicht im Einzelnen untersuchen. Wenn beispielsweise ein Haushalt über weniger Einkommen verfügt, als ihm nach den Regelsätzen zustünde, müsste dann ja erst einmal geprüft werden, ob beispielsweise Vermögen vorhanden ist, das dazu führt, dass eben keine ergänzenden Leistungen nach dem SGB II zur Verfügung gestellt werden. Im Ergebnis gehen wir aufgrund der Untersuchung, die ja nicht wir durchgeführt haben, sondern die zuständigen Experten beim Statistischen Bundesamt, davon aus, dass die von Ihnen angesprochenen Zirkelschlüsse genau vermieden werden. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Straubinger, bitte. Max Straubinger (CDU/CSU): Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, dass für die unteren Einkommensgruppen auch Berufe mit niedrigen Tarifeinkünften zugrunde gelegt worden sind und damit letztendlich die reale Arbeitswelt widergespiegelt wird? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Das kann ich bestätigen, Herr Kollege Straubinger. Es geht bei der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, die diesen Regelsätzen zugrunde liegt, genau nicht, anders als beim früheren Warenkorbmodell, darum, welche Ausgaben wir uns wünschen würden. Im Ausschuss hat es beispielsweise einmal die Kritik gegeben, dass Ausgaben für bestimmte Güter rund um das Fahrrad nicht einzeln aufgeführt worden sind. Der Grund lag darin, dass nur relativ wenige Haushalte diese Ausgabe getätigt haben. Dann entscheiden wir nicht normativ, dass es mehr Radfahrer in Deutschland geben muss; vielmehr akzeptieren wir dieses Konsumverhalten, weil es eben das ist, was sich real widerspiegelt und wo das zum Ausdruck kommt, was Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Selbstständige und viele andere, die ihr Einkommen aus eigener Kraft erarbeiten, zur Verfügung haben oder eben nicht. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Kramme. Anette Kramme (SPD): Herr Brauksiepe, ich habe noch eine weitere Frage. Wir haben das Problem, dass der Niedriglohnsektor in den letzten Jahren sehr intensiv gewachsen ist. Sie nehmen bei den Einpersonenhaushalten nur noch die untersten 15 Pro-zent als Bezugsgruppe. Wie wollen Sie sicherstellen, dass deren Einkommen tatsächlich bedarfsdeckend ist? Welche Vorkehrungen haben Sie diesbezüglich getroffen? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Kollegin Kramme, ich habe darauf hingewiesen, dass wir zur Vermeidung von Zirkelschlüssen (Anette Kramme [SPD]: Das ist kein Zirkelschluss!) die Haushalte herausgerechnet haben, die ausschließlich von Transfereinkommen leben. Das ist eine klare Abgrenzung, die in der Vergangenheit nicht in dieser Trennschärfe vorgenommen worden ist. Bei der Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe im Jahr 2003 sind nur 0,5 Prozent der Haushalte mit den niedrigsten Einkommen herausgenommen worden. Das heißt, wir haben damals praktisch nur das unterste Quintil abgebildet, 20,4 Prozent der einkommensschwächsten Haushalte. Indem wir jetzt die untersten 8,6 Prozent der Haushalte herausgerechnet haben, da diese ausschließlich von Transfers leben, und von den dann verbleibenden Einkommen die untersten etwa 15 Prozent zugrunde gelegt haben, haben wir deutlich mehr als das unterste Einkommensquintil für die Berechnung herangezogen, nämlich bis zu 22,3 Prozent der Einkommen. Das heißt, mit der heutigen Referenzgruppe sind mehr, auch höhere, Einkommen berücksichtigt worden als in der Vergangenheit. Aber auch das von der früheren Leitung gewählte Verfahren ist bei Ihnen nach meiner Erinnerung auf keinerlei Kritik gestoßen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Kramme, Sie wollen noch eine Frage stellen? - Bitte schön, das dürfen Sie. Anette Kramme (SPD): Vielen Dank. - Herr Brauksiepe, ich denke, es besteht Konsens darüber, dass für die Berechnung einer Sozialleistung dem Grunde nach keine Sozialleistungsempfänger herangezogen werden können. Einerseits sagen Sie, die Gruppe sei größer geworden; andererseits betrachten Sie aber nur noch 15 Prozent, während es in der Vergangenheit 20 Prozent waren. Aber methodisch ist das doch die gleiche Vergleichsgruppe; sowohl damals als auch aktuell sind die Sozialleistungsempfänger herausgenommen worden. Nur das kann man aber doch im Prinzip miteinander vergleichen, wenn ich das richtig verstehe. Da würde ich noch einmal um nähere Erläuterung bitten. Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Kollegin Kramme, ich habe nicht gesagt, dass die Gruppe größer geworden ist. Vielmehr habe ich Sie darauf hingewiesen, dass wir mit der Referenzgruppe dadurch, dass jetzt die einkommensschwächsten 8,6 Pro-zent bei der Betrachtung außen vor bleiben, während es damals nur die schwächsten 0,5 Prozent waren, in Einkommensschichten vorstoßen, die mehrere Prozentpunkte oberhalb des untersten Einkommensquintil liegen, wo wir eben höhere Einkommen berücksichtigen, als das vor fünf Jahren der Fall war. Nicht mehr und nicht weniger habe ich gesagt. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Herzog. Gustav Herzog (SPD): Herr Staatssekretär, Sie haben mehrfach betont, dass Sie die Personen, die ausschließlich von Transfereinkommen leben, aus der Referenzgruppe ausgeschlossen haben, um Zirkelschlüsse zu vermeiden. Können Sie mir methodisch begründen, warum Sie Menschen, die ein zusätzliches Transfereinkommen bekommen haben - die sogenannten Aufstocker -, in der Referenzgruppe belassen haben? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Weil das Personen sind, die nicht die Zielgruppe des Gesetzes sind, das wir einbringen. Wir bringen ein Gesetz ein, mit dem wir die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums umsetzen. Die Sicherstellung des menschenwürdigen Existenzminimums sollte jedoch schon in der Vergangenheit und soll bis heute im Wesentlichen auf den gesetzlichen Vorgaben basieren, die die Regierung Schröder seinerzeit verabschiedet hat. Auf Grundlage dieser Vorgaben soll auch heute das Existenzminimum im Wesentlichen sichergestellt werden; wir nehmen jetzt die Korrekturen vor, die das Bundesverfassungsgericht vorgibt. Das heißt, die Zielgruppe des Gesetzentwurfs sind die Menschen, die von Transfereinkommen leben; deren menschenwürdiges Existenzminimum ist sicherzustellen. Darum berücksichtigen wir in der Referenzgruppe diejenigen, deren Einkommen und damit deren Konsummöglichkeiten größer sind als in der Personengruppe, die wir bei der Berechnung ausschließen. Wir berücksichtigen natürlich die von Ihnen angesprochenen sogenannten Aufstocker und ihr Konsumverhalten. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Der Kollege Straubinger. Max Straubinger (CDU/CSU): Herr Staatssekretär, die Kollegin Kramme fragt immer wieder nach der Methode und nach dem Umfang der Gruppe, die die Grundlage der Auswertung darstellt. Ist es nicht methodisch und vom Ergebnis her besser, die Gruppe bei der Berechnung auszuschließen, die von Sozialleistungen leben, damit hier ein reelles Ergebnis zustande kommt, auch wenn die Referenzgruppe dadurch insgesamt vielleicht ein bisschen kleiner ist? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Herr Abgeordneter, Sie haben vollkommen recht. Es geht darum - das steht selbstverständlich im Einklang mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts -, hier einen Lohnabstand zu gewährleisten. Das heißt, dass diejenigen, deren Einkommen oberhalb des Transferbezugs liegt, größere Konsummöglichkeiten haben sollen als diejenigen, die ausschließlich von Transfereinkommen leben und die - ich sage es noch einmal - Zielgruppe dieses Gesetzentwurfes sind, für die wir dieses Gesetz also machen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Mattheis. Hilde Mattheis (SPD): Herr Staatssekretär, ich möchte Sie ergänzend fragen: Sind in der Bezugsgruppe auch Aufstocker, die - ich sage das ganz bewusst - rein theoretisch eine zusätzliche Einnahme von 1 Euro erzielen? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Kollegin, ich persönlich kenne keinen Aufstocker, der eine Zusatzeinnahme von 1 Euro hat; möglicherweise ist Ihr Kenntnisstand hier anders. In der Tat: Weil wir - ich habe das schon gesagt - nur diejenigen aus der Referenzgruppe herausnehmen, die ausschließlich von Transfereinkommen leben, und damit nur diejenigen als Referenzgruppe betrachten, deren Einkommen oberhalb des ausschließlichen Transfereinkommens liegt, würde - um Ihr Beispiel weiterzuführen - auch jemand, der nur einen 1-Cent-Job hat - vielleicht kennen Sie im Gegensatz zu mir auch solche Menschen -, nicht ausgenommen. (Gustav Herzog [SPD]: Das war eine hypothetische Frage!) Der 1-Cent-Jobber wäre dann also nicht ausgenommen; auch er wäre in der Referenzgruppe, deren Konsumverhalten wir zur Ermittlung des Regelbedarfs herangezogen haben. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Mast. Katja Mast (SPD): Herr Staatssekretär, inwiefern ist bei der Referenzgruppe dafür Sorge getragen worden, dass die Menschen, die in verdeckter Armut leben - diejenigen, deren monatliches Einkommen unter dem Niveau der Transfermittel liegt -, nicht in der Statistik berücksichtigt werden? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Kollegin Mast, ich sagte schon, dass wir nach den uns vorliegenden Informationen - wie in der Begründung des Referentenentwurfs ausgeführt - keine Anhaltspunkte dafür haben, dass es sich hier um eine statistisch signifikante Gruppe handelt. Insbesondere haben wir keine Daten zu dieser Gruppe. Wir generieren die Daten nicht selber, sondern wir bekommen sie vom Statistischen Bundesamt geliefert. Vor diesem Hintergrund haben wir entsprechende Ausführungen im Referentenentwurf gemacht, die ich Ihnen kurz zusammengefasst habe. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Juratovic. Josip Juratovic (SPD): Herr Staatssekretär, wie hoch ist der prozentuale Anteil der Aufstocker in der Bezugsgruppe? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Herr Kollege Juratovic, die Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich weiß nicht, ob bereits differenzierte Daten darüber vorliegen, welche Berufsgruppen in diese Referenzgruppe eingeflossen sind. Nach meinem Kenntnisstand war es so, dass wir aus zeitlichen Gründen - für das Gesetzgebungsverfahren wurde uns eine Frist gesetzt - das Statistische Bundesamt darum gebeten haben, uns die Daten möglichst schnell zu liefern. Ich weiß nicht, ob solche differenzierten Daten vorliegen. Mit sind sie jedenfalls nicht bekannt. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die Fragen 27 und 28 der Abgeordneten Elke Ferner sowie die Fragen 29 und 30 des Abgeordneten Anton Schaaf werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 31 des Kollegen Dr. Ernst Dieter Rossmann auf: Warum verzichtet die Bundesregierung darauf, dafür zu sorgen, dass - unter Beteiligung der Bundesländer und Kommunen - Leistungen für Bildung und Teilhabe von Kindern über die Schulen und Kindertagesstätten unter Einbeziehung der Jugendämter organisiert werden, zumal so alle Kinder - und nicht nur diejenigen in Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II und SGB XII - erreicht werden können? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Ich antworte Ihnen wie folgt: Die Leistungen für Bildung und Teilhabe sind bedarfsauslösend ausgestaltet, das bedeutet: Kinder aus Familien, die ihren Bedarf grundsätzlich aus eigenen Kräften und Mitteln decken können, nicht aber die Leistung für Bildung und Teilhabe, haben ebenfalls einen Anspruch auf diese Leistung. Das ist ein großer Gewinn für die Kinder aus Familien, deren Einkommen knapp oberhalb der bisherigen Bedürftigkeitsschwelle liegt. Dadurch wird eine Besserstellung von Kindern und Jugendlichen aus Familien, die Leistungen nach SGB II beziehen, gegenüber anderen Familien aus dem unteren Einkommenssegment vermieden. Des Weiteren handelt es sich bei den Bildungs- und Teilhabeleistungen um existenzsichernde Leistungen. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat der Bund für einlösbare Ansprüche zu sorgen. Zusätzliche Leistungen und Angebote der Länder und Kommunen sind dabei sehr willkommen, um eine breite Förderung von Kindern und Jugendlichen zu erreichen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Rossmann, könnten Sie mit Ihrer Frage kurz warten? Die Kollegin Kramme hat eine Nachfrage. Anette Kramme (SPD): Herr Brauksiepe, wie wollen Sie sicherstellen, dass das Teilhabepaket von Kindern, deren Eltern Leistungen nach dem SGB II beziehen, tatsächlich in Anspruch genommen werden kann, wenn über dieses Teilhabepaket beispielsweise nicht auch die Kosten für Sportausrüstung, Mobilitätskosten oder die Anschaffung eines Musikinstruments finanziert werden können? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Kollegin Kramme, ich stelle mit Interesse fest, dass Sie sich und mir Fragen stellen, die Sie in der Vergangenheit nach meiner Kenntnis nicht beschwert haben. Wir gewährleisten Teilhabechancen für Kinder und Jugendliche in einem Gesamtumfang von ungefähr 620 Mil-lionen Euro. Wir stellen im Wesentlichen - bis auf das Schulstarterpaket, das es schon gab - zusätzliche Leistungen bereit. Natürlich können Sie fordern: Das muss noch mehr sein! Aber die Kinder des Maurergesellen, der Verkäuferin oder der Kellnerin, die ein Musikinstrument erlernen wollen, haben auch keinen Anspruch darauf, dass Ihnen das Klavier oder andere Instrumente vom Steuerzahler bezahlt werden. Wir unterbreiten einen konkreten Vorschlag zur Verbesserung der Situation von Kindern und Jugendlichen. Es muss unsere gemeinsame Aufgabe sein, dafür zu sorgen, dass diese Leistungen auch in Anspruch genommen werden. In der Vergangenheit hat es einen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und anderen Steuerzahlern zu finanzierenden Anspruch auf das Erlernen eines bestimmten Musikinstruments, sei es die Orgel oder das Klavier, auch nicht gegeben. Er ist auch nicht vorgesehen, weil wir - das betone ich noch einmal - vom tatsächlichen Konsumverhalten der einkommensschwächeren Haushalte ausgehen, die ihr Einkommen durch eigene Arbeit erwirtschaften, aber Einschränkungen unterliegen und sich nicht alles leisten können, was sie gerne wollen. Wir sind nicht der Meinung, dass man sich ohne Arbeit mehr leisten können soll als mit Arbeit. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Rossmann. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Herr Staatssekretär, Sie haben auf eine Frage, die exakt gestellt war, allgemeinpolitisch geantwortet. Das entspricht auch ein bisschen der Melodie, die die Arbeitsministerin den ganzen Sommer über angeschlagen hat. Da war zwar uneingeschränkt von Musikinstrumenten und anderem die Rede, aber ausdrücklich nicht von Orgeln. An dieser Stelle wählen Sie Vergleiche und Unterstellungen, die abseitig sind. Das sollten Sie bei diesem gemeinsamen Anliegen nicht tun. Ich stelle deshalb meine Frage nicht rückwärtsgewandt, sondern beziehe sie auf das, was das Bundesverfassungsgericht uns allen zum 1. Januar 2011 aufgegeben hat. Wie wollen Sie organisatorisch dazu beitragen, dass die Argen nicht nur reine Zahlstellen sind, sondern tatsächlich eine Unterstützung und Beratung für Familien darstellen, die die Teilhabeleistung für ihre Kinder bekommen sollen? Glauben Sie, dass dies mit dem Hinweis auf die Argen allein schon erreicht ist? Muss an dieser Stelle nicht eher der Sachverstand der kreisbezogenen Jugendämter bzw. anderer sachkundiger Stellen hinzugezogen werden? Wie haben Sie diese einbezogen? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Herr Kollege Rossmann, zunächst einmal will ich Ihnen sagen: Nicht nur ich habe Musikunterricht mit Instrumenten gehabt, die man bei der Musikschule kostenlos leihen konnte. Ich habe gehört, dass es so etwas auch heute noch gibt. Ich glaube nicht, dass das menschenunwürdig ist. Ich selbst habe es als Musikschüler nicht als menschenunwürdig empfunden, dass mir leihweise ein Musikinstrument kostenlos zur Verfügung gestellt wurde. Ich halte es für sinnvoll, dass wir uns bei unseren Forderungen auch immer ein bisschen am realen Leben der arbeitenden Menschen orientieren. Sie haben völlig recht, was die Vernetzung mit Jugendämtern angeht. Es geht hier um eine große Gemeinschaftsanstrengung. Ich wäre dankbar, wenn wir mehr darüber reden könnten. Es geht nicht darum, dass die Jobcenter alles machen sollen. Die Familien sind weiterhin gefordert. Die Schulen sind gefordert. Die Jobcenter sind gefordert. Die kommunalen Akteure sind gefordert. Sie haben gemeinsam mit dem Rathaus, den Jugendämtern, den Sozialämtern und anderen Ämtern die gemeinsame Aufgabe, Kindern Bildungs- und Teilhabechancen zu ermöglichen. Das ist völlig richtig. Ich sage es noch einmal: Das zusätzliche Engagement von Ländern und Kommunen ist willkommen. Wir machen diesen Gesetzentwurf aber, weil wir klare Vorgaben vom Bundesverfassungsgericht über unsere Aufgabe haben. Unsere Aufgabe ist es beispielsweise nicht, dafür zu sorgen, dass alle Kinder in Deutschland ein Mittagessen in Kitas und Schulen bekommen, in denen eigentlich kein Ganztagsunterricht vorgesehen ist. Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen - das ist der Unterschied zwischen unserer Aufgabe und der der anderen Institutionen -, dass niemand aufgrund von Einkommensarmut davon ausgeschlossen ist. Wir sind sehr für eine breite Vernetzung. Ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir trotz des Zeitdrucks vor Jahresende mit den gesetzgeberischen Arbeiten naheliegenderweise erst am Anfang stehen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Frist auf den 1. Januar 2011 in dem Wissen gesetzt, dass die Daten aus der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe erst zu Beginn des Herbstes in der Form vorliegen, dass wir einen entsprechenden Referentenentwurf erstellen können. Der Gesetzentwurf ist noch nicht beschlossen. Es gibt jetzt schon Ankündigungen, man wolle diese Leistung für Kinder im Bundesrat blockieren. Der Respekt vor dem Gesetzgeber gebietet aber natürlich, dass man nicht schon alles macht, bevor das Gesetzgebungsverfahren stattfindet. Sie können aber sicher sein, dass wir in den nächsten Wochen und Monaten sehr viel Zeit darin investieren werden, die jetzt anstehenden Dinge mit den Akteuren vor Ort zu bereden und sie im Interesse der Kinder einzubeziehen. Wir hoffen, dass diese zusätzliche Leistung am Ende weder im Bundestag noch im Bundesrat blockiert wird. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Dr. Rossmann. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Ich finde es sympathisch, dass Sie jetzt nicht mehr auf dem Orgelniveau diskutieren, sondern das Beispiel eines Instrumentenpools sachlich eingeführt haben. Sie haben durchaus eine Bringschuld und eine Gesamtverantwortung in Bezug auf die Teilhabe, nicht nur monetär, sondern auch aufgrund der Gelegenheit. Meine Rückfrage bezieht sich auf die bisherigen Gespräche zwischen der Bundesregierung und den kommunalen Spitzenverbänden, die über Kinder- und Jugendämter die Expertise in Bezug auf die Leistungsvermittlung haben. Was wurde besprochen, und was hat man Ihnen empfohlen, um in Bezug auf die Kinder- und Jugendteilhabe zu einer guten Kooperation bei der Leistungsverwaltung zu kommen? Das ist nichts, was erst noch passieren wird, sondern das wird die Regierung sicherlich schon geleistet haben. Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Herr Kollege Rossmann, meines Wissens finden auch in diesen Tagen Gespräche über dieses Thema und über andere Themen mit den Vertretern der von Ihnen angesprochenen kommunalen Spitzenverbände statt. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Kollegin Hiller-Ohm, bitte. Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Herr Staatssekretär, Sie haben das Mittagessen in Kitas und Schulen angesprochen. Wir alle wissen, dass es leider kein flächendeckendes Ganztagsschulangebot in Deutschland gibt. Das Bundesverfassungsgericht hat einen individuellen Rechtsanspruch der Kinder auf Teilhabe festgestellt. Aber nur 20 Prozent der Kinder werden ein Mittagessen erhalten können, weil nur in diesem Maße Plätze in Ganztagseinrichtungen vorhanden sind. Wie bewerten Sie dieses Verhältnis? Ist es Ihrer Einschätzung nach im Sinne des Bundesverfassungsgerichts, dass einige Kinder partizipieren können und andere nicht? Wäre es aus Ihrer Sicht nicht sinnvoll, die Kommunen zu unterstützen und mit ihnen gemeinsam - Bund, Länder und Kommunen - ein Ausbauprogramm für Kitas und Ganztagsschulen in Angriff zu nehmen? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Kollegin Hiller-Ohm, ich wiederhole, was ich bereits ausgeführt habe. Wir tun das, was das Verfassungsgericht von uns verlangt. Das bedeutet: Teilhabe ermöglichen. Zusätzliche Initiativen von Ländern und Kommunen, auch private Initiativen, sind durchaus erwünscht. Ich sage aber noch einmal: Zur Teilhabe gehört, dass etwas vorhanden ist, an dem man teilhaben kann. Es gibt nach wie vor Einrichtungen zur Kinderbetreuung - die Bundesregierung nimmt hier keine Wertung vor, sagt nicht, ob das gut oder schlecht ist -, in denen das Mittagessen nicht zum Standardangebot gehört, weil sich die Betreuung auf den Vormittag konzentriert. Die frühere nordrhein-westfälische Landesregierung beispielsweise hat einen gesetzlichen Rahmen geschaffen, nach dem die Eltern von Kindern im Kindergartenalter zwischen 25, 35 und 45 Stunden Betreuung wählen können. Da gibt es diejenigen, die sagen: Mein Kind soll 45 Stunden betreut werden. Das schließt nach meiner überschlägigen Rechnung in der Regel die Mittagsstunden ein. Es gibt aber auch diejenigen, die sagen: 35 oder 25 Stunden reichen uns aus. Diese Bundesregierung schreibt den Menschen nicht vor, wie sie zu leben haben. (Beifall der Abg. Miriam Gruß [FDP]) Wenn Eltern sich für eine Kinderbetreuung entscheiden, die am Mittag endet, und ihre Kinder zu Hause Mittag essen, dann ist das in Ordnung. Ich kenne solche Kinder. Ich muss zugeben: Meine gehören dazu. Wenn Eltern das so entscheiden, dann schreibt die Bundesregierung ihnen nicht vor, dass sie anders zu leben haben. Ich sage es noch einmal: Da, wo Betreuungsbedarf besteht, ist die Politik insgesamt gefordert, diesen Betreuungsbedarf zur Verfügung zu stellen. Da, wo eine Betreuungsinfrastruktur einschließlich Mittagessen zur Verfügung steht, ist es unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass niemand aufgrund von Einkommensarmut davon ausgeschlossen wird. Genau das ist unsere Aufgabe, nicht weniger und nicht mehr. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Kramme, bitte. Anette Kramme (SPD): Herr Brauksiepe, aus den Argen wird uns berichtet, dass eine Umsetzung des Teilhabepakets zum 1. Januar 2011 nicht möglich ist. Welche diesbezüglichen Vorkehrungen haben Sie getroffen? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Kollegin Kramme, die Frage stellt sich für uns so nicht, weil sich die Ansprüche der Kinder - nebenbei bemerkt: unabhängig davon, welches Schicksal der zu erarbeitende Gesetzentwurf am Ende hat - vom 1. Januar an unmittelbar aus der Verfassung bzw. dem Verfassungsgerichtsurteil ergeben. Das heißt, dass die Politik aufgefordert ist, diese Leistungen dann zur Verfügung zu stellen. Über die Methoden wird dann zu reden sein. Auch die Chipkarte, über die in diesem Zusammenhang viel diskutiert wird, ist nicht mehr und nicht weniger als ein technisches Mittel zum Zweck. Der Anspruch der Kinder ergibt sich vom nächsten Jahr an aus der Verfassung bzw. aus dem Verfassungsgerichtsurteil, und er wird dann - gegebenenfalls auf dem provisorischen Wege - zu erfüllen sein. Dafür werden wir Vorkehrungen treffen. (Anette Kramme [SPD]: Die Frage ist nicht beantwortet!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Jetzt kommt die Nachfrage des Kollegen Lemme. Steffen-Claudio Lemme (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär Brauksiepe, meine Frage lautet: Wie hoch schätzen Sie die finanziellen Kosten für dieses Teilhabepaket, die ja die Bundesagentur für Arbeit zu schultern hat? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Wir gehen davon aus, dass die Bildungs- und Teilhabeleistungen ein finanzielles Volumen von insgesamt circa 620 Millionen Euro ausmachen. Das wird dann aufgeteilt in das Schulbasispaket, in die soziokulturelle Teilhabe und die entsprechenden Mehrbedarfsleistungen für Schulessen, Lernförderung und eintägige Klassenfahrten. Ich liste es Ihnen einmal im Einzelnen auf: Bei den eintägigen Klassenfahrten gehen wir von 48 Millionen Euro aus, bei der Lernförderung, also Nachhilfe, von 79 Millionen Euro. Das ist etwa das Doppelte von dem, was die von uns betrachtete Referenzgruppe in diesem Bereich ausgibt. Beim Schulessen sind es 117 Millionen Euro, bei der soziokulturellen Teilhabe - auf das Kind bezogen 120 Euro im Jahr - gehen wir von insgesamt 244 Millionen Euro aus. Beim Schulbasispaket gehen wir, wenn es die volle Wirkung entfaltet, von 125 Millionen Euro aus. Meinen Hinweis, dass diese Angabe gilt, wenn es die volle Wirkung entfaltet, habe ich gemacht, weil wir den Vorschlägen der Experten folgen, die 100 Euro in Zukunft nicht mehr in einer Summe am Schuljahresanfang auszuzahlen, sondern 70 Euro zum Schuljahresanfang und 30 Euro zu Beginn des zweiten Schulhalbjahres. Das bedeutet konkret, dass im nächsten Jahr, zum Beginn des Schuljahres 2011/2012, nur 70 Euro ausgezahlt werden, weil wir für das Schuljahr 2010/2011 die 100 Euro schon ausgezahlt haben. Vom Jahr 2012 an, wenn das Paket die volle Wirkung entfaltet, gehen wir von 125 Millionen Euro aus. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Mattheis. Hilde Mattheis (SPD): Herr Staatssekretär, könnten Sie bitte in Ergänzung Ihrer Antwort auf die letzte Frage ausführen, wie hoch die Kosten der Bundesagentur für Arbeit sind und wie hoch in dem Zusammenhang die Verwaltungskosten sind? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Kollegin Mattheis, die von Ihnen angesprochenen Verwaltungskosten sind natürlich schwer zu schätzen. Eine Quantifizierung dieser Kosten ist mir nicht bekannt. (Hilde Mattheis [SPD]: Der erste Teil meiner Frage war nicht beantwortet!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Jetzt ist erst einmal Frau Mast an der Reihe. Sie dürfen sich noch einmal melden, Frau Mattheis; Sie haben noch eine Nachfrage gut. - Frau Mast. Katja Mast (SPD): Herr Staatssekretär Brauksiepe, wir haben in der Großen Koalition das Schulbasispaket in Höhe von 100 Euro eingeführt. Das Bundesverfassungsgericht hat uns mit auf den Weg gegeben, eine Berechnungsgrundlage für dieses Schulbasispaket zu entwickeln. Wo finde ich diese bei den Berechnungen des Regelsatzes? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Kollegin Mast, ich darf unter Bezug auf die vorherige Frage noch einmal das bekräftigen, was ich vorhin ausgeführt habe und was sich auch aus dem Ihnen bekannten Referentenentwurf ergibt, wonach der Mehraufwand für den Vollzug bisher nicht quantifiziert werden kann. Ich denke, wir stimmen darin überein, dass eine solche Quantifizierung höchst schwierig ist. Frau Kollegin Mast, hinsichtlich des Schulbedarfspakets - ich denke, es geht Ihnen um die 100 Euro - ist es in der Tat so gewesen, dass wir uns in der Großen Koalition auf diese Summe politisch verständigt haben, ohne sie wissenschaftlich herzuleiten. Das Bundesarbeitsministerium hat, wie es seinem Auftrag entspricht, selbstverständlich auch zu diesem Thema Gespräche mit Experten geführt. In diesen Gesprächen wurde deutlich, dass die Summe in Höhe von 100 Euro aus Expertensicht angemessen ist. Diese Zahl ist jetzt also nicht mehr aus der Luft gegriffen, sondern im Rahmen von Expertengesprächen und Anhörungen bestätigt worden. Die Experten haben uns allerdings den Rat gegeben, diesen Betrag, wie schon erläutert, nicht auf einmal auszuzahlen, sondern Rücksicht darauf zu nehmen, dass zwar der Großteil des Bedarfs am Schuljahresanfang entsteht, ein Teil aber erst zu Beginn des zweiten Schulhalbjahres. Deswegen schlagen wir im Einklang mit dem Rat der Experten die Aufteilung 70 : 30 vor. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Noch einmal Frau Mattheis. Hilde Mattheis (SPD): Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin ausgeführt, dass Sie großen Wert darauf legen und die Bundesregierung ihr Augenmerk darauf richtet, allen Kindern Möglichkeiten zu Teilhabe zu eröffnen. Ich frage Sie: Könnten Sie sich bzw. könnte sich die Bundesregierung vorstellen, das Recht auf Teilhabe im SGB VIII oder in einem anderen Sozialgesetzbuch festzuschreiben? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Kollegin Mattheis, ich wiederhole: Wir setzen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, in dem die Ansprüche von Kindern niedergelegt wurden, um. Wir werden dies im Sozialgesetzbuch II regeln, wie es uns das Bundesverfassungsgericht nahegelegt hat. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Ich rufe jetzt die Frage 32 des Kollegen Rossmann auf: Wie viele Kinder, die gegenwärtig das sogenannte Schulbedarfspaket erhalten, werden keinen Anspruch mehr auf diese Leistung besitzen, wenn § 6 a Abs. 4 a des Bundeskindergeldgesetzes gestrichen wird (Art. 10 Nr. 2 des Referentenentwurfes eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch) und stattdessen der Anspruch im § 7 Abs. 2 SGB XII (Art. 1 Nr. 10 des Referentenentwurfes eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch) geregelt wird? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Herr Kollege Rossmann, ich antworte Ihnen wie folgt: Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch erarbeitet. Es ist beabsichtigt, am 20. Oktober 2010 einen Beschluss des Bundeskabinetts herbeizuführen. In Art. 10 Abs. 2 des Entwurfes werden derzeit als Zwischenstand nur die systematischen Folgerungen aus der in Art. 2 enthaltenen Einführung des Bildungs- und Teilhabepakets für Kinder abgebildet. Eine abschließende fachpolitische Bewertung des Sachverhalts steht hingegen noch aus. Deshalb hat die Bundesregierung keine Berechnung von Fallzahlen im Hinblick auf die betroffenen Kinder vorgenommen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Rossmann, bitte. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Das war für den Außenstehenden sehr kryptisch; man wusste eigentlich gar nicht, worum es geht. Deshalb würde ich das gerne wie folgt übersetzen: Für die Kinder, deren Eltern Sozialgeld bzw. Arbeitslosengeld II beziehen, gibt es einen echten, unbezweifelten Bedarf. Außerdem gab es bisher über den Kinderzuschlag hinaus rund 300 000 Kinder, die das Schulbedarfspaket bekommen haben. Nach dem Referentenentwurf der Regierung wären diese 300 000 Kinder vom Bezug dieser Leistungen ausgeschlossen gewesen. Diese Regelung ist von der Ministerin schnell korrigiert worden. Sie sagte, dass sie das nicht so gemeint habe. Vor diesem Hintergrund stelle ich Ihnen eine zweigeteilte Frage: Erstens. Bestätigen Sie, dass die 300 000 Kinder, von denen ich gerade sprach, voll im Bezug des Schulbedarfspaketes bleiben? Zweitens. Bestätigen Sie, dass die Ministerin gesagt hat, darüber hinaus wolle man für Kinder aus Geringverdienerfamilien mehr tun, und was konkret will die Ministerin für diese Kinder und Jugendlichen tun? Oder war das nur Verschleierungsrhetorik? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Herr Kollege Rossmann, wir verschleiern nichts. Ich wiederhole: Eine abschließende fachpolitische Bewertung des von Ihnen angesprochenen konkreten Sachverhalts steht noch aus. Zu Ihrer weitergehenden Frage will ich an das erinnern, was ich schon gesagt habe: Die Leistungen, die wir an dieser Stelle zusätzlich gewähren, sind bedarfsauslösend. Um das deutlich zu machen - da Sie eben den Begriff "kryptisch" verwendet haben -: Das Kind von jemandem, der im Arbeitslosengeld-II-Bezug ist, hat in Zukunft beispielsweise den Anspruch darauf, dass eintägige Klassenfahrten finanziert werden. Wir gehen von einer Summe von 30 Euro aus. Dies könnte bedarfsauslösend sein. Das heißt, dass derjenige, der 20 Euro mehr hat, als es der jetzigen Bedürftigkeitsschwelle entspricht, diese 30 Euro nicht aus eigener Tasche bezahlen muss, während derjenige, der 20 Euro weniger hat, die 30 Euro vollständig bekommt, sondern dass diese 30 Euro bedarfsdeckend sind. Das heißt, alle, die unter ansonsten gleichen Umständen bis zu 30 Euro über der Bedürftigkeitsschwelle liegen, haben diesen Anspruch, damit diejenigen nicht benachteiligt werden, die knapp über der Bedürftigkeitsschwelle liegen. Darum haben wir das genau so konstruiert. Wir wissen, dass dies auch Kosten bedeutet. Aber wir machen diese Reform nicht nach Kassenlage, sondern unter Gerechtigkeitsaspekten. (Lachen bei der SPD) Dazu gehört, dass, wenn man arbeitet und nur wenig mehr als die Hilfebedürftigen hat, nicht am Ende unter Berücksichtigung dieser Teilhabeleistungen mit weniger dasteht als diejenigen, die die Teilhabeleistungen in Anspruch nehmen können. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Hiller-Ohm. Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Herr Staatssekretär, haben nicht auch Menschen, insbesondere Kinder, in anderen Rechtskreisen, zum Beispiel im Asylbewerberleistungsgesetz, Ansprüche auf die vom Bundesverfassungsgericht zuerkannten Teilhabechancen? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Kollegin Hiller-Ohm, wie auch heute Morgen schon im Ausschuss seitens der Bundesregierung ausgeführt, wird über die Bedeutung dieses Urteils mit Blick auf die Asylbewerber noch zu reden sein. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Brehmer. Heike Brehmer (CDU/CSU): Herr Staatssekretär, Sie haben angeführt, dass zum Beispiel für Klassenfahrten Geld zur Verfügung gestellt werden soll. Wie stellt das Bundesministerium sicher, dass diese Leistungen ab Anfang des Jahres unbürokratisch zu den Kindern kommen, die sie benötigen? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Wir werden mit den Leistungen aus dem Schulbasispaket so wie bisher verfahren, außer dass wir die 100 Euro aufsplitten. Was die Klassenfahrten angeht, ist das eine sogenannte Mehrbedarfsleistung, die gezahlt wird, wenn die entsprechende Fahrt ansteht. Sie wird nicht auf Verdacht im Vorhinein gewährt. Wenn keine Klassenfahrten anstehen, wird eine entsprechende Leistung nicht erbracht. Wir kalkulieren dafür eine aufgrund von Gesprächen mit Experten bestimmte Summe ein, die dafür anzusetzen ist. Aber wir werden sicherstellen, dass das Geld durch die Art der Organisation dieser Hilfeleistungen tatsächlich zielgenau bei den Kindern ankommt, damit Schluss mit einer Situation ist, in der sich Kinder für eintägige Klassenfahrten abmelden, krankmelden oder in der die Lehrer Eintrittsgelder für Besichtigungen oder für Besuche von Einrichtungen aus eigener Tasche aufbringen müssen. Wir werden dafür sorgen, dass diese Notwendigkeit nicht mehr besteht, sondern dass das Geld tatsächlich bei den Kindern ankommt. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Rossmann. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Herr Staatssekretär, wenn Sie das ehemalige "Schulbedarfspaket" als "Schulbasispaket" umdefinieren, denkt man daran, dass es noch etwas dazugeben kann; denn sonst ist dieser neue Begriff "Schulbasispaket" nicht sinnvoll. Ich verstehe es so, dass Sie das, was dazukommen kann, im Sinne von Klassenfahrten, Essenszuschuss und anderem sehen. Ist das so richtig? Sind Sie deshalb auf den Begriff "Basispaket" gekommen? Dann bleibt umgekehrt die Frage: Weshalb wollen Sie, wenn es dieses Basispaket sein soll, das eine, die klassischen 100 Euro, garantieren - Sie wollen doch niemandem etwas wegnehmen; so darf man Sie verstehen -, während Sie bei dem anderen noch so viele Fragezeichen machen? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Herr Kollege Rossmann, ich weiß nicht, wo ich nach Ihrer Beobachtung ein Fragezeichen gemacht habe. Die Grundlage für das Schulbasispaket ist in der Sache das Gleiche, was uns in der Großen Koalition zur damaligen 100-Euro-Lösung geführt hat. Wir haben festgestellt, dass die Grundausstattung mit Schulmaterial, die in der Vergangenheit aus dem Regelsatz bestritten werden sollte, in vielen Fällen nicht aus dem Regelsatz bestritten wurde. Das heißt, dass dieses Material nicht zur Verfügung stand. Eine Grundausstattung - das ist für mich ein anderes Wort für Basis - wird auf diese Weise sichergestellt. Es gibt sicherlich Taschenrechner, die so gut und so teuer sind, dass sie allein daraus nicht finanziert werden können, sondern durch Umschichtungen innerhalb des Regelsatzes finanziert werden müssten, wenn man sie denn anschaffen wollte. Das ist aber natürlich genau das, was mit "Basis" gemeint ist: Es geht darum, eine Ausstattung zu ermöglichen, die notwendig ist, um mit Erfolg am Schulleben teilzunehmen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Mast. Katja Mast (SPD): Herr Staatssekretär Brauksiepe, ich möchte noch einmal an meine Frage anschließen, die ich vorhin zum Schulstarterpaket gestellt habe. Ich begrüße es ausdrücklich, dass das Ministerium mit Fachexperten über die Höhe des Schulbedarfspakets von 100 Euro diskutiert hat, allerdings bitte ich Sie, mir als Parlamentarierin und damit eben auch der Öffentlichkeit zu erklären, nach welchen Kriterien Sie auf 100 Euro kommen. Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Kollegin Mast, ich verweise zunächst einmal darauf, dass wir gut 900 Seiten an ausgewählten Ergebnissen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe zur Verfügung gestellt haben. Es war ja auch Ihr Wunsch, mehr Informationen zu erhalten. Der Wunsch ist zwar erst entstanden, seit Sie in der Opposition sind, aber das ist in Ordnung, und wir erfüllen ihn ja auch. Ich sage Ihnen noch einmal: Das ist nicht das Ergebnis aufgrund irgendeiner Stichprobe, sondern das ist das Ergebnis von Gesprächen, die wir mit Experten geführt haben. Diese haben uns bestätigt, dass Minister Scholz seinerzeit zusammen mit der Großen Koalition mit den 100 Euro ganz richtig lag. Das ist doch ein schönes Ergebnis, finde ich. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die Fragen 33 und 34 des Abgeordneten Sönke Rix werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zur Frage 35 des Kollegen Steffen-Claudio Lemme: Warum hat die Bundesregierung darauf verzichtet, die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf nach § 28 Abs. 3 SGB II und § 34 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII in der Fassung des Referentenentwurfes eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch in der Höhe zu begründen, obwohl das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 genau die fehlende Herleitung kritisiert hat? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Herr Kollege Lemme, ich antworte Ihnen wie folgt: Die im Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vorgesehene Leistung für den persönlichen Schulbedarf orientiert sich der Höhe nach an der bisherigen zusätzlichen Leistung für die Schule nach Maßgabe des § 24 a des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und des § 28 a des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch. Im BMAS sind zahlreiche Gespräche mit Wissenschaftlern und Praktikern geführt worden, in denen bestätigt wurde, dass diese Leistung betragsmäßig ausreicht. Auf Anraten der Praktiker hat sich das BMAS dazu entschieden, die Leistung aufzuteilen. Zu Beginn des Schuljahres werden 70 Euro und zu Beginn des zweiten Schulhalbjahres dann nochmals 30 Euro geleistet werden. Es ist richtig, dass die Höhe der Leistung nicht so exakt begründet ist, wie dies bei den Regelbedarfen der Fall ist. Das ist aber auch nicht erforderlich. Die Bundesregierung will mit den 100 Euro für den persönlichen Schulbedarf eine Leistung erbringen, die zum überwiegenden Teil zusätzlich zu den folgerichtig und transparent ermittelten Regelbedarfen gewährt wird. Daran sieht sich die Bundesregierung durch den Richterspruch aus Karlsruhe nicht gehindert. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 lediglich kritisiert, dass die Begründungsdefizite hinsichtlich der Kinderregelleistung nicht durch die zusätzliche Leistung für die Schule ausgeglichen werden können. Inzwischen haben wir aber altersspezifisch begründete Kinderbedarfe, die den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichtes genügen. Für die Heilung von Begründungsdefiziten sind sie nicht mehr erforderlich. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Wir kommen zur Frage 36 des Kollegen Lemme: Hält die Bundesregierung es für eine angemessene Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes, den Bedarf auf Lernförderung zu sichern, wenn nach § 28 Abs. 4 SGB II bzw. § 34 Abs. 4 SGB XII in der Fassung des Referentenentwurfes eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch nur ein Anspruch besteht, wenn das "wesentliche Lernziel" - nämlich die Versetzung - verfehlt wird? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Herr Kollege Lemme, ich antworte Ihnen wie folgt: Mit der Vorschrift wird das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 nach Auffassung der Bundesregierung voll umgesetzt. Es handelt sich bei der zu erbringenden Lernförderung um eine existenzsichernde Leistung. Um das Existenzminimum sicherzustellen, ist aber nicht eine optimale, sondern lediglich eine ausreichende Lernförderung sicherzustellen. Um das vielleicht auch noch einmal für die Zuhörer zu erläutern: Die Frage war, warum nur ein Anspruch besteht, wenn das wesentliche Lernziel, nämlich die Versetzung, gefährdet ist. Auch Bezieher unterer Einkommen sind vielfach nicht in der Lage, Nachhilfeunterricht zu bezahlen, damit sich ihr Kind in einem Fach beispielsweise von einer guten auf eine sehr gute Note verbessert. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Keine Nachfrage. Die Fragen 37 und 38 des Kollegen Swen Schulz sowie die Frage 39 des Kollegen Stefan Schwartze und die Frage 40 der Kollegin Dr. Carola Reimann werden schriftlich beantwortet. Damit rufe ich die Frage 41 der Kollegin Hilde Mattheis auf: Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass die vorgeschlagene Regelung zur Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nach § 28 a SGB XII (in der Fassung des Art. 3 des Referentenentwurfes eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch) die Veränderungen der Löhne und Preise im Vergleich des Vorjahres zum Vorvorjahr berücksichtigt, und zwar insbesondere vor dem Hintergrund, dass "der Gesetzgeber daher Vorkehrungen zu treffen hat, auf Änderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel Preissteigerungen oder Erhöhungen von Verbrauchsteuern, zeitnah zu reagieren, um zu jeder Zeit die Erfüllung des aktuellen Bedarfs sicherzustellen" (BVerfG, 1 BvL 1/09 vom 9. Februar 2010, Randnummer 140)? Herr Staatssekretär. Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Kollegin Mattheis, Sie kritisieren in Ihrer Frage, dass wir aus Ihrer Sicht nicht zeitnah auf Preisentwicklungen reagieren. Ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die benötigten Daten zur Preis- und Lohnentwicklung liegen immer erst zeitverzögert vor. Wenn wir eine Anpassung vornehmen, die zum 1. Januar 2011 wirksam wird, dann liegen an diesem Tag noch nicht die kompletten Daten für die Preisentwicklung des Jahres 2010 vor. Das ist aus meiner Sicht eine Selbstverständlichkeit. Insofern hat das statistische Gründe. Die Bundesregierung wird aber darüber hinaus die für die Leistungsempfänger maßgebliche Preisentwicklung im Blick behalten und bei Bedarf kurzfristig handeln. Dies bezieht sich aber immer nur auf das maßgebliche Preisniveau insgesamt und kann nicht kurzfristige besondere Preisschwankungen einzelner Güter betreffen. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Ihre Zusatzfrage? - Sie haben keine Zusatzfrage. Dann rufe ich die Frage 42 der Kollegin Mattheis auf: Warum sind die für das Jahr 2008 ermittelten regelsatzrelevanten Verbrauchsausgaben nicht nach der immanenten Logik des § 28 a SGB XII (in der Fassung des Art. 3 des Referentenentwurfes eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch) mit den Veränderungsraten der Jahre 2008 zu 2007 und 2009 zu 2008 fortgeschrieben worden, sondern ausweislich der Begründung zu § 7 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Referentenentwurf) nur mit der Veränderungsrate des Jahres 2009? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Kollegin, auch in dieser Frage geht es darum, was als Bezugszeitraum für Veränderungen anzusehen ist. Ich beantworte die Frage wie folgt: Der regelsatzrelevante Verbrauch wird auf Basis der EVS 2008 für den Jahresdurchschnitt 2008 ermittelt. Diese Zahlen können nur mit der darauf folgenden Entwicklung fortgeschrieben werden, also zum 1. Januar 2011 mit der Veränderungsrate von 2008 auf 2009. Andere Kalenderjahresdaten liegen zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Gibt es eine Nachfrage? - Bitte sehr. Hilde Mattheis (SPD): Herr Staatssekretär, könnten Sie ausführen, wie sich die Änderung der Bezugsgröße für die Leistungsempfänger im Unterschied zu der bisherigen Bezugsgröße gestaltet? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Kollegin Mattheis, ich kann Ihnen dazu jetzt keine Zahlen nennen. Denn in der Vergangenheit, eingeführt durch die rot-grüne Bundesregierung, erfolgte die Orientierung an der Entwicklung der Renten. Das war seit der Einführung des SGB II der Fall. Ich möchte hinzufügen: Auch sämtliche anderen Regelungen, die das Bundesverfassungsgericht kritisiert hat, stammen weder aus der Zeit der christlich-liberalen noch aus der Zeit der Großen Koalition, sondern aus der Zeit der rot-grünen Bundesregierung. Wir haben jetzt eine neue Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, die die Basis für alle weiteren Entwicklungen bietet. Vom 1. Januar 2011 an gelten die Ihnen bekannten neuen Regelsätze. Wir wollen mittelfristig für die Jahre zwischen den sehr umfangreichen und aufwendigen Einkommens- und Verbrauchsstichproben zu der sogenannten Laufenden Wirtschaftsrechnung übergehen. Das ist sozusagen die kleine Schwester der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe. Bis sie zur Verfügung steht, wollen wir zu einem Anpassungsmechanismus kommen, der zu 70 Prozent die Entwicklung der Preise widerspiegelt, weil in den Regelsätzen in erster Linie das physische Existenzminimum zu berücksichtigen ist, und der zu 30 Prozent die Lohnentwicklung widerspiegelt, weil mit der Lohnentwicklung die allgemeine Wohlstandsentwicklung zusammenhängt. Welche Zahl sich dann konkret ergibt, bleibt abzuwarten. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Die Fragen 43 und 44 der Kollegin Bärbel Bas werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 45 des Kollegen Josip Juratovic auf: Welche Personen bzw. welche "anderen Sozialleistungen" sind gemeint, wenn in der Begründung zu den §§ 2 bis 4 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Referentenentwurf) formuliert ist, dass "Personen zur Vermeidung von Zirkelschlüssen nicht in der Referenzgruppe berücksichtigt werden, die neben anderen Sozialleistungen aufstockende existenzsichernde Leistungen erhalten"? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Herr Kollege Juratovic, Sie fragen nach anderen Sozialleistungen. Ich antworte Ihnen wie folgt: Es handelt sich hierbei um Personen, die insgesamt lediglich Einkommen auf Höhe des Regelbedarfs beziehen, diese Einkommenshöhe aber nicht alleine durch Leistung des SGB II oder des SGB XII erzielen, sondern zum Beispiel eine Rente wegen Erwerbsminderung erhalten, die durch Leistung des SGB XII aufgestockt wird. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Haben Sie eine Nachfrage? - Nein. Dann kommen wir zu Frage 46 des Kollegen Josip Juratovic: Hält die Bundesregierung es mit der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Transparenz bei der Ermittlung der Regelsätze für vereinbar, dass einerseits Konsumausgaben, die von höchstens 25 Haushalten in der EVS 2008 getätigt worden sind, nicht veröffentlicht, doch diese andererseits als regelbedarfsrelevante Position anerkannt werden? Bitte, Herr Staatssekretär. Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Hier geht es um Transparenz bei der Ermittlung der Regelsätze. Ich antworte Ihnen wie folgt, Herr Kollege: Das Statistische Bundesamt weist in seinen Veröffentlichungen bzw. Fachserien zu den EVS-Ergebnissen Daten nicht aus, wenn weniger als 25 Haushalte dazu Angaben machen; ich habe eben Ausgaben im Bereich Fahrrad als Beispiel genannt. An diese Praxis hält sich auch das BMAS. In den Summen der einzelnen Abteilungen und im gesamten regelsatzrelevanten Verbrauch werden die nicht veröffentlichten regelsatzrelevanten Positionen selbstverständlich eingerechnet. Diese Praxis wendet das Statistische Bundesamt ebenfalls bei der Veröffentlichung der Ergebnisse zum privaten Verbrauch an. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Eine Nachfrage der Kollegin Hiller-Ohm. Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Herr Staatssekretär, in welcher Höhe haben Sie die Verbrauchspositionen, die mit einem Strich in der Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe gekennzeichnet sind, in die Pauschale eingerechnet? Wo und in welcher Höhe finde ich zum Beispiel die Ausgaben für Kinderfahrräder wieder? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Sie finden es nicht, weil dort aus den genannten Gründen ein Strich ist. Aber eingerechnet ist es voll. Wenn zum Beispiel 24 Haushalte Ausgaben im Bereich Fahrrad getätigt und darüber Buch geführt haben, dann gehen diese Ausgaben, gewichtet mit der Zahl 24 - weil eben 24 Haushalte solche Ausgaben getätigt haben -, in die Bedarfsermittlung ein. Nur steht diese Summe nicht an der entsprechenden Stelle im Bericht. Wenn 24 Personen jeweils 10 Euro ausgegeben haben, dann werden 24 mal 10 Euro als Ausgaben eingerechnet. Wenn 23 Personen 10,03 Euro ausgegeben haben, dann werden 23 mal 10,03 Euro berücksichtigt. (Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Aber ich kann das ja nicht sehen!) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Wir führen hier keine Debatte. (Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Wie weiß ich das denn dann?) Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Das stimmt, Frau Hiller-Ohm. Auch ich sehe es nicht, weil das Statistische Bundesamt das nicht ausweist. Dieses Schicksal teilen wir, Frau Kollegin. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Wir kommen zu Frage 47 der Kollegin Katja Mast: Wie lässt es sich rechtfertigen, dass für Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfänger nach dem SGB II zwar einerseits der Besitz eines Personenkraftwagens angemessen ist, um auch eine Erwerbstätigkeit aufnehmen bzw. ausüben zu können, andererseits der Unterhalt bei der Regelsatzbemessung nicht berücksichtigt wird, und müsste alternativ zur Sicherung der Mobilität nicht auf jeden Fall eine Monatskarte für den öffentlichen Personennahverkehr garantiert sein, anstatt nur auf die durchschnittlichen Verbrauchsausgaben von Haushalten, die keine Ausgaben für Kraftstoff und Schmiermittel tätigen, abzustellen? Bitte, Herr Staatssekretär. Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Kollegin Mast, Sie fragen nach der Pkw-Nutzung. Dazu antworte ich Ihnen wie folgt: Nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch gehört ein angemessenes Kraftfahrzeug für jeden zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden erwerbsfähigen Leistungsberechtigten zum Schonvermögen. Daran soll sich nach dem Willen der Bundesregierung auch in Zukunft nichts ändern. Die Vermögensfreistellung bedeutet aber nicht, dass im Rahmen der Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums die Aufwendungen für die Bewegung des Kraftfahrzeugs übernommen werden müssten. Auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 sieht darin ausdrücklich keinen Wertungswiderspruch. Zweck der Freistellung eines angemessenen Fahrzeugs bei der Vermögensanrechnung ist es, die Mobilität des Leistungsberechtigten im Hinblick auf seine Eingliederung in Arbeit zu erhalten. Dies wird dadurch ausreichend sichergestellt, dass der Leistungsberechtigte im Fall der Arbeitsaufnahme die Ausgaben für Kraftstoff als Werbungskosten vom Einkommen absetzen kann. Es ist nach Ansicht der Bundesregierung nicht erforderlich, Leistungsberechtigten eine Monatskarte für den öffentlichen Personennahverkehr zu garantieren. Dies würde über die durch die Leistung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch zu gewährleistende Sicherstellung des soziokulturellen Existenzminimums hinausgehen. Auch Bezieher unterer Einkommen verfügen nicht in jedem Fall über eine Monatskarte für den ÖPNV. Die Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008 bestätigt dies. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Haben Sie eine Nachfrage dazu? - Nein. Dann kommen wir zu Frage 48 der Kollegin Katja Mast: Wie begründet es die Bundesregierung, dass für die Berücksichtigung der regelbedarfsrelevanten Ausgaben für Verkehr eine Sonderauswertung durchgeführt worden ist, wonach hier nur Haushalte berücksichtigt wurden, die keine Ausgaben für Kraftstoff und Schmiermittel getätigt haben, während andere Verbrauchspositionen, die als nicht regelsatzrelevant bezeichnet werden, einfach nicht berücksichtigt werden, und hätten bei diesen "unerwünschten" Verbrauchsausgaben dann nicht ebenfalls nur die Haushalte betrachtet werden dürfen, bei denen diese Ausgaben nicht anfallen, um zu verhindern, dass auch Personen eine Minderung ihres Regelbedarfes erfahren, die selber gar nicht beabsichtigen, entsprechende Produkte zu kaufen? Bitte, Herr Staatssekretär. Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Kollegin Mast, bei dieser Frage geht es um Sonderauswertungen im Zusammenhang mit Ausgaben für Verkehr. Ich antworte Ihnen wie folgt: Die Bundesregierung hat die Sonderauswertung zu den Verkehrsausgaben von Personen ohne Kraftfahrzeug bzw. ohne Ausgaben für Kraftstoff und Schmiermittel beim Statistischen Bundesamt entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus seinem Urteil vom 9. Februar 2010 in Auftrag gegeben. Dabei ging es vornehmlich darum, den vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten Wertungswiderspruch zu beseitigen, der aus der auf Schätzungen beruhenden Kürzung der Ausgabeposition "Ersatzteile und Zubehör für Privatfahrzeuge" um 80 Prozent resultierte. Dies ist mit der vorgelegten Ermittlung des Regelbedarfs gelungen. Das Bundesverfassungsgericht hat keine generelle Pflicht von Zusatzsonderauswertungen angemahnt, es sei denn, existenzsichernde Grundbedarfe wären nicht gedeckt. Daher besteht auch aus methodischen Überlegungen grundsätzlich kein Zwang hierzu. Die Nichtberücksichtigung einzelner, nicht zum Grundbedarf gehörender Verbrauchspositionen rechtfertigt keine Sonderauswertung, da es gerade Absicht des Gesetzgebers ist, durch Nichtberücksichtigung zum Beispiel von Urlaubsreisen die Höhe des regelsatzrelevanten Konsums etwas niedriger anzusetzen, als er bei der Referenzgruppe angesetzt wird. Weitere Sonderauswertungen, wie sie von Ihnen gefordert werden, sind daher für eine transparente und folgerichtige Ermittlung der Regelbedarfe nicht erforderlich. Sie würden auch dem vom Bundesverfassungsgericht dem Grunde nach unbeanstandeten Statistikmodell zuwiderlaufen. Dies baut gerade auf durchschnittlichen Ausgaben der Referenzgruppe bei regelbedarfsrelevanten Ausgabepositionen auf. Dem Leistungsberechtigten wird ein Budget an die Hand gegeben, mit dem er nach den eigenen Bedürfnissen frei haushalten kann. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Keine Nachfrage? - Die Fragen 49 und 50 des Kollegen Thomas Oppermann, die Fragen 51 und 52 der Kollegin Gabriele Lösekrug-Möller sowie die Fragen 53 und 54 der Kollegin Dagmar Ziegler werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 55 des Kollgen Gustav Herzog auf: Bis zu welchem Nettoeinkommen erstrecken sich die von der Bundesregierung als Referenzhaushalte betrachteten Haushalte? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Herr Kollege Herzog, Sie fragen nach dem Nettoeinkommen der Referenzhaushalte. Ich antworte Ihnen wie folgt: Das obere Grenzeinkommen betrug 2008 bei den Einpersonenhaushalten 901 Euro im Monat. Bei den Paaren mit Kind sind es bei denjenigen mit einem Kind von 0 bis unter 6 Jahren 2 178 Euro, mit einem Kind von 6 bis unter 14 Jahren 2 476 Euro und mit einem Kind von 14 bis unter 18 Jahren 2 544 Euro. Das alles, Herr Kollege, ist aber auch nachzulesen, beispielsweise auf der Homepage unseres Ministeriums, auf der diese Statistiken ebenfalls veröffentlicht sind. (Gustav Herzog [SPD]: Ich höre Sie so gern, Herr Kollege!) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Herr Kollege Herzog, haben Sie eine Nachfrage? - Nein. Dann rufe ich die Frage 56 des Kollegen Herzog auf: Wie hoch wären die Regelbedarfe auf Grundlage der Ergebnisse der EVS 2008 ausgefallen, wenn die Bundesregierung den methodischen Weg verfolgt hätte, die EVS 2008 um die Haushalte zu bereinigen, die existenzsichernde Leistungen erhalten, und anschließend die verbleibenden Haushalte in Quintile eingeteilt hätte, um dann das unterste Quintil als Referenzgruppe zu betrachten? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Herr Kollege Herzog, die Bundesregierung hat selbstverständlich wie bei allen vorhergehenden Neubemessungen zunächst diejenigen Haushalte aus der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe ausgeschlossen, für die die Neubemessung erfolgt, und anschließend die Referenzgruppe festgelegt. Das können Sie auch in den Erläuterungen im konsolidierten Referentenentwurf auf den Seiten 82 f. und 129 ff. nachlesen. Ich habe darüber bereits bei vorhergehenden Antworten berichtet. Bei der darauf folgenden Bildung der Referenzgruppen sind die zuvor herausgerechneten Haushalte mit zu berücksichtigen, da sie Lage und durchschnittlichen Verbrauch der Referenzgruppe mitbestimmen. Bei der jetzt gewählten Abgrenzung werden sowohl für Einpersonenhaushalte als auch für Paare mit Kind mehr als das untere Quintil abgedeckt. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Keine Nachfrage. Die Frage 57 der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann wird schriftlich beantwortet. Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. - Herr Staatssekretär, ich bedanke mich für die Beantwortung der vielen Fragen. Wir kommen zum Geschäftsbereichs des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Die Frage 58 der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann wird ebenfalls schriftlich beantwortet. Wir kommen zur Beantwortung der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Dazu steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Christian Schmidt zur Verfügung. Die Frage 59 des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele wird schriftlich beantwortet. Nun kommen wir zur Frage 60 der Kollegin Christine Buchholz: Aufgrund welcher Verdienste hat die Bundeswehr Georg Klein, rund ein Jahr nach seiner Entscheidung zur Bombardierung am 4. September 2009 im Raum Kunduz, bei der bis zu 142 unbeteiligte Personen getötet wurden, in eine höhere Besoldungsgruppe befördert, wie Presseberichten (zum Beispiel bild.de vom 12. September 2010, www.bild.de) zu entnehmen war, und ist es korrekt, dass mit der Beförderung eine monatliche Gehaltserhöhung von rund 600 Euro einhergeht? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Frau Präsidentin! Kollegin Buchholz, auf Ihre Frage antworte ich wie folgt: Oberst Klein ist in Besoldungsgruppe B 3 eingewiesen worden; die Oberstbesoldung ist A 16 oder B 3. Er hat diesen Dienstposten - Chef des Stabes der 13. Panzergrenadierdivision - seit dem 1. Juni 2008 besetzt; dieser Dienstposten ist nach Besoldungsgruppe B 3 bewertet. Mit seiner Versetzung und damit bereits vor seinem Einsatz in Afghanistan war somit die grundsätzliche Entscheidung verbunden, den Offizier in die zugehörige Besoldungsgruppe einzuweisen. Vor dem Hintergrund der Planstellensituation ist diese Einweisung nicht erfolgt. Infolge der Ereignisse vom 4. September 2009 ist diese Einweisung ausgesetzt worden, bis die Generalbundesanwaltschaft zu dem Ergebnis kam, dass dem Offizier weder völkerstrafrechtlich noch strafrechtlich ein Vorwurf gemacht werden kann. Die zuständige Wehrdisziplinaranwaltschaft - sie ist unabhängig; ich weise vorsorglich darauf hin - ist im Hinblick auf mögliche Dienstvergehen zu dem gleichen Ergebnis gekommen. Mithin hat die Personalführung mit der Einweisung eine seit der Versetzung ausstehende, zu diesem Zeitpunkt rechtlich gebotene Maßnahme vollzogen. Die damit verbundene Erhöhung beläuft sich brutto auf 803 Euro im Monat. Lassen Sie mich noch hinzufügen, dass die Einweisung in eine Planstelle in einem Rechtsstaat Ansprüche entstehen lässt, die seitens des Betroffenen möglicherweise durchsetzbar sind. Das muss man bei allen politischen Bewertungen, die sich aus solchen Fragen eventuell herausfiltern ließen, berücksichtigen. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Ihre erste Nachfrage, bitte. Christine Buchholz (DIE LINKE): Danke, Herr Staatssekretär. - Eine Nachfrage meinerseits: Ist es üblich, dass Soldaten auch dann, wenn sie militärisch nicht angemessen gehandelt haben, befördert werden, wie Sie es eben beschrieben haben? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Man muss scharf unterscheiden: Befördert worden ist dieser Mann nicht. Sie müssen unterscheiden zwischen Planstellen, Dienstposten und Einweisung. Stellen Sie sich vor, Sie wären in einer bestimmten Funktion und bekämen weniger bezahlt, als es Ihrem Anspruch eigentlich entspräche. Bei Oberst Klein war dies schon im Jahr 2008 der Fall. Ich glaube, es ist nachvollziehbar, dass dieser Anspruch realisiert wird, ohne dass er in seinem Dienstgrad eine Veränderung erfahren hat. Er war Oberst und ist Oberst und bekommt Geld und hat Geld bekommen. Die Bundeswehr pflegt nämlich ihre Obersten zu besolden, und zwar korrekt nach dem Bundesbesoldungsgesetz. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Damit kommen wir zur Frage 61 der Kollegin Buchholz: Hält die Bundesregierung die Beförderung Georg Kleins angesichts seiner Rolle bei der Bombardierung vom 4. September 2009 für angemessen, und wie schätzt die Bundesregierung die Wirkung dieser Entscheidung auf die Soldaten im Einsatz ein? Herr Staatssekretär, bitte. Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Frau Kollegin, ich will festhalten: Diese Frage steht im Zusammenhang mit der Frage 60. Ich erlaube mir, dass ich sie in diesem Zusammenhang unter Bezug auf meine vorherige Antwort beantworte. Ich meine bei aller Diskussion über die Entscheidungen von Oberst i. G. Klein, die wir auch hier im Hause erlebt haben und die sich an die Ereignisse vom 4. September 2009 angeschlossen hat, dass, wenn sich weder eine strafrechtliche noch eine völkerstrafrechtliche noch eine disziplinarrechtliche Verfehlung ergeben hat, es Nobile Officium einer rechtsstaatlich orientierten Verwaltung, des öffentlichen Dienstes ist, nicht in irgendeiner Weise aus politischen Erwägungen weniger oder mehr Geld zu zahlen. Das muss der Rechtsstaat schon aushalten. Ich glaube, er hat auch den Anspruch, dass sich die obersten Verfassungsorgane diesem Denken entsprechend anschließen. Die Generalbundesanwaltschaft ist zwar kein oberstes Verfassungsorgan, aber sie ist beim obersten Gericht angesiedelt. Wir können daher zumindest in diesem Bereich von einer sehr nachhaltigen rechtlichen Klärung ausgehen. Wir haben keinerlei Veranlassung, anders zu handeln, als wir gehandelt haben. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Ihre Zusatzfrage. Christine Buchholz (DIE LINKE): Meine Frage bezog sich auf die Einschätzung der Bundesregierung in Bezug auf die Wirkung, die dieser Fakt auf die Soldatinnen und Soldaten im Einsatz hat. Nur um das noch einmal kurz auszuführen: Die öffentliche Wahrnehmung, aber auch die Wahrnehmung unter den Soldatinnen und Soldaten ist die, dass man, auch wenn man - wie Karl-Theodor zu Guttenberg gesagt hat - "militärisch nicht angemessen gehandelt" hat, trotzdem noch entsprechend behandelt wird. Das ist, glaube ich, in der öffentlichen Wahrnehmung tatsächlich ein Problem. Ich bitte Sie, auf den Punkt einzugehen. Vielleicht können Sie dann auch noch auf die Frage der Mehrbezahlung eingehen. Sie haben das jetzt hier korrigiert; in den Pressemitteilungen war ja von 600 Euro im Monat zusätzlich die Rede. Gleichzeitig wird den Opfern der Bombardierung von Kunduz pro Familie - nicht pro Fall - gerade mal eben 3 900 Euro gezahlt. Das ist doch eine Diskrepanz, die in der öffentlichen Wahrnehmung berechtigterweise zu Irritationen führt. Wie bewerten Sie die Auswirkungen auch auf die Bundeswehr und die Soldaten im Einsatz? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Vorneweg bitte ich um Nachsicht, dass ich in der Tat diesen Aspekt Ihrer Frage noch nicht beantwortet habe. Ich werde das gerne tun. Die Diskrepanz zwischen den von Ihnen in einen Zusammenhang gebrachten Zahlen will ich für mich so beantworten: Ich halte es für eine unwahrscheinlich große intellektuelle Diskrepanz, beide Themen überhaupt in einen näheren Zusammenhang zu bringen, und sehe keine Veranlassung, zu dieser eigenartigen Vermischung irgendwelche Antworten zu geben. Die Position der Bundesregierung ist hier klar und ist beantwortet worden. Zum Zweiten. Ich glaube, ich gebe - ohne dass ich das statistisch nachweisen kann, ohne dass es hierzu eine Position der Bundesregierung gibt - nur das wieder, was wir von dem Eindruck der Soldaten der Bundeswehr im Einsatz und ihrer Familien gewonnen haben: Ihre schwierige Tätigkeit bringt auch mit sich, dass man unter Umständen - Sie haben den Bundesminister zitiert - nicht angemessen handelt und doch schnell handeln muss. Wenn eine indirekte Bestrafung durch Gehaltsabzug möglich wäre, dann würden unsere Soldaten - diesen Eindruck habe ich - ein hohes Maß ihrer Motivation verlieren, den gefährlichen Dienst, in den wir sie stellen, dann nicht nur nach Auftrag und Recht, sondern auch mit einem inneren Engagement zu erledigen. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Die Fragen Nr. 62 und 63 des Kollegen Dr. h. c. Gernot Erler werden schriftlich beantwortet. Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Herr Staatssekretär, auch Ihnen danke ich herzlich für die Beantwortung der Fragen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Hier werden die Fragen 64 und 65 der Kollegin Petra Crone schriftlich beantwortet, ebenso die Fragen 66 und 67 der Kollegin Caren Marks. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Hier werden die Fragen 68 und 69 des Kollegen Harald Weinberg schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung. Die Fragen 70 und 71 der Kollegin Silvia Schmidt werden schriftlich beantwortet. Dann kommen wir zu den Fragen 72 und 73 des Kollegen Uwe Beckmeyer. Den sehe ich aber nicht. Dann wird nach unserer Geschäftsordnung verfahren. Die Frage 74 der Kollegin Marianne Schieder wird schriftlich beantwortet. Die Fragen 75 und 76 der Kollegin Birgitt Bender sowie die Frage 77 des Kollegen Peter Friedrich werden gemäß Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien schriftlich beantwortet. Die Fragen 78 und 79 der Kollegin Daniela Wagner und die Fragen 80 und 81 der Kollegin Bettina Herlitzius werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Für die Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Katherina Reiche zur Verfügung. Die Fragen 82 und 83 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl werden schriftlich beantwortet, ebenso die Frage 84 des Kollegen Hans-Josef Fell. Ich rufe die Frage 85 der Kollegin Bärbel Höhn auf: Besteht nach Auffassung des BMU nach geltender Gesetzeslage ein dynamischer Sicherheitsstandard für Atomkraftwerke, nach dem jeweils diejenige Vorsorge gegen Schäden getroffen werden muss, die nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen erforderlich ist? Frau Staatssekretärin, bitte. Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Frau Kollegin Höhn, ich beantworte Ihre Frage nach dem Sicherheitsstandard wie folgt: Die rechtlichen Pflichten des Betreibers ergeben sich aus Gesetz und Verordnungen. Sie werden durch Genehmigungen, nachträgliche Auflagen und aufsichtliche Anordnungen konkretisiert. Es ist bisher umstritten, ob nachträgliche Auflagen zur Anpassung der Kernkraftwerke an den sich dynamisch fortentwickelnden Stand von Wissenschaft und Technik erteilt werden können. Die Bundesregierung geht davon aus, dass sich diese Rechtsfrage durch die vorgesehene Änderung des Atomgesetzes erledigt. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Haben Sie eine Nachfrage, Frau Höhn? - Bitte. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herzlichen Dank. - Frau Staatssekretärin, Sie haben in der letzten Sitzung des Umweltausschusses gesagt, das kerntechnische Regelwerk sei ein dynamisches Instrument, weil man mit den Ländern verhandele, und natürlich verhandele man auch über den Stand der Technik, die sich weiterentwickelt. Können Sie die Aussage bestätigen, die Sie im Umweltausschuss getätigt haben, nämlich dass damit das kerntechnische Regelwerk natürlich etwas Dynamisches ist, das man mit den Ländern entwickelt. Dieses kerntechnische Regelwerk liegt bei Ihnen auf dem Tisch und muss nur noch in Kraft gesetzt werden. Wenn dies geschieht, dann haben wir einen dynamischen Sicherheitsstandard, der sich dem Stand der Technik anpasst. Können Sie das bestätigen? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Frau Kollegin Höhn, wir wollen einen neuen § 7 d in das Atomgesetz einfügen. In diesem § 7 d ist von weiterer Vorsorge gegen Risiken die Rede. Das sind zusätzliche Maßnahmen, die in das Atomgesetz eingebracht werden. Die Behauptung, da ändere sich nichts, es sei alles schon in Ordnung, ist also nicht richtig. Im bestehenden System kann eine Behörde Auflagen erteilen. Wir wollen jetzt die Verpflichtung für die Betreiber einführen, selber etwas zu tun, und das ist ein qualitativer Fortschritt. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Haben Sie eine weitere Frage? - Bitte. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin, dass ich auch diese zweite Frage noch stellen darf. - Frau Staatssekretärin, wie gehen Sie mit dem Vorwurf der Umweltverbände um? Dieser Vorwurf lautet: § 7 d ist nicht zusätzliche Sicherheit, sondern dynamische Unsicherheit. Im geltenden Gesetz steht der Begriff der größtmöglichen Sicherheit. Sie wollen das durch Ihren neuen Sicherheitsbegriff ersetzen und damit de facto den höchsten Standard, der jetzt gilt, absenken. Im Übrigen will ich noch kurz bemerken, dass Sie um meine erste Nachfrage geschickt herumgeschlittert sind. Die Frage war: Warum setzen Sie das kerntechnische Regelwerk nicht in Kraft? Das garantierte nämlich dynamisch mehr Sicherheit. Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Wir sind in einem permanenten Kontakt mit den Ländern, haben auf den Seiten des Bundesumweltministeriums auch eine ganze Liste von Vorschlägen veröffentlicht. Noch einmal: Neu ist, dass wir Pflichten für die Betreiber einführen wollen. Bisher können die Behörden Auflagen erteilen. Jetzt sollen die Unternehmen verpflichtet werden, selbst nach dem Stand von Wissenschaft und Technik nachzurüsten. Das ist ein qualitativer Fortschritt. Insofern teile ich die Kritik der Verbände nicht. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leider darf ich nicht mehr nachfragen!) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Frau Staatssekretärin, ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Die Fragen 86 und 87 des Kollegen René Röspel werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die Frage 88 wird nach unserer Geschäftsordnung behandelt. Damit rufe ich die Frage 89 der Kollegin Sabine Stüber auf: Welches sind die offenen Fragen, die den Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel, veranlassten, dem Dschungel-statt-Öl-Modellprojekt - Yasuní-ITT-Initiative - im Yasuní-Nationalpark in Ecuador zum Schutz der biologischen Vielfalt die Unterstützung zu entziehen? Für die Beantwortung der Fragen steht Frau Staatssekretärin Gudrun Kopp zur Verfügung. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Danke sehr, Frau Präsidentin. - Frau Kollegin Stüber, Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Bundestag und Bundesregierung haben die Yasuní-ITT-Initiative seit ihrer Vorstellung im Juni 2007 mit großem Interesse verfolgt, ohne sich jedoch auf einen konkreten Beitrag zum ITT-Fonds festzulegen. Die von der Bundesregierung und dem Bundestag gestellten Fragen, die wiederholt an die ecuadorianische Regierung herangetragen wurden, konnten bislang noch nicht zufriedenstellend und hinreichend beantwortet werden. Am 28. September hat die ecuadorianische Ministerin für Natur- und Kulturerbe dem BMZ ein Schreiben mit Einlassungen zu diesen Fragen überreicht. Das BMZ wird sorgfältig prüfen, ob damit die offenen Fragen beantwortet sind. Wesentlich erscheinen dabei folgende Punkte: Erhöhung des Einflusses der Zivilgesellschaft, Kohärenz mit international vereinbarten Konzepten zum Klimaschutz und zur Walderhaltung - das betrifft gerade das REDD-Programm -, Spezifizierung der Schätzungen über Ölvorkommen, Präzedenzwirkung für andere Länder und insbesondere die Einpassung des ITT-Projektes in eine Entwicklungsplanung, die nachhaltiges Wachstum ermöglicht. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Haben Sie eine Zusatzfrage, Frau Kollegin? - Nein. Aber eine Nachfrage hat die Frau Kollegin Höhn. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatssekretärin, es gibt eine Initiative aus den Reihen der Bundestagsabgeordneten, die sich sehr intensiv für genau diesen Fonds einsetzen, also dass Gelder gegeben werden, damit in Ecuador nicht nach Öl gebohrt wird und der Regenwald erhalten bleibt, damit etwas für den Klimaschutz getan wird. Diese Initiative ist ja von der letzten Regierung aufgegriffen worden. Es wäre weltweit ein einmaliger Vorgang, ein solches Projekt auf den Weg zu bringen. Das hätte hervorragende Präzedenzwirkung. Viele andere könnten sich dem anschließen. Warum will das Bundesentwicklungsministerium diese Initiative so weit hinauszögern? Damit steht Deutschland als ein Land da, das eine Zusage, die de facto schon gegeben worden ist, wieder zurückzieht. Damit verursacht die Bundesregierung letzten Endes Schaden für Deutschland in der ganzen Welt. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Frau Kollegin Höhn, die Bundesregierung hat bislang keine Zusage gegeben. Es handelt sich um einen Betrag von 650 Millionen Euro; über 13 Jahre sind 50 Millionen Euro jährlich anvisiert. Aber wohlgemerkt: Bisher liegen hierfür keine Zusagen vor. Zielsetzungen wie Erhalt des Nationalparks und mit Blick auf die Biodiversität insbesondere Erhalt des Waldes weiß auch das BMZ in besonderer Weise zu schätzen. Wir wollen aber - es ist notwendig, das genau zu prüfen -, dass vorher folgende Fragen beantwortet werden, nämlich ob eine solche Fondsfinanzierung wirklich verlässlich und seriös darstellbar ist und inwieweit wir hier möglicherweise einen Negativpräzedenzfall schaffen könnten. Bedenken Sie bitte, dass es in 13 weiteren Ländern ähnliche Situationen gibt und eine Unterstützung dieses Projektes damit Folgewirkungen haben könnte. Das heißt, wir als BMZ müssen dieses Projekt einschließlich der Fondsabsicherung im Detail prüfen. Nach dieser Prüfung werden wir unsere abschließende Entscheidung treffen. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Eine Zusatzfrage, bitte sehr. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatssekretärin, vielen Dank für Ihre Ausführungen. Diese führen mich zu der Frage, ob der Bundesregierung bewusst ist, welch labiler Zustand im Moment in dem sich doch auf einem demokratischen Weg befindlichen Land Ecuador herrscht. Wir haben ja in der letzten Woche mitbekommen, welche Konsequenzen Einschnitte bei den Sicherheitskräften in einem im Aufbau befindlichen demokratischen System haben. Ist der Bundesregierung bewusst, welche enorme Wirkung damit gerade in einem zum Schwellenland werdenden Land wie Ecuador verbunden ist? Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Herr Kollege, gerade weil wir uns bewusst sind, dass die gesamtpolitische Lage, aber auch die ökologische Lage in Ecuador in einem sehr fragilen Zustand sind, ist eine wirklich detaillierte Vorprüfung in Bezug auf dieses Projekt zum Schutze aller notwendig. Bitte geben Sie uns die Zeit, diese Prüfung vorzunehmen. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Nun rufe ich noch die Frage 90 der Kollegin Sabine Stüber zum gleichen Sachverhalt auf: Was will der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel, unternehmen, damit die Fragen geklärt und die Bedenken bezüglich einer Einzahlung in den Treuhandfonds für die Yasuní-ITT-Initiative ausgeräumt werden können? Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Frau Kollegin Stüber, die Antwort lautet wie folgt: Die Yasuní-ITT-Initiative ist eine interessante und wirklich innovative Idee Ecuadors und damit eine souveräne Entscheidung der dortigen Regierung. Das BMZ hat die ecuadorianische Regierung in der Anfangsphase bei der Formulierung der Initiative unterstützt, und die Bundesregierung wird auch weiterhin engagiert die Umstände und ihre Unterstützung der Initiative im Detail prüfen. Nach Abschluss der Prüfung wird Ihnen das BMZ das Ergebnis übermitteln. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Haben Sie eine Nachfrage? Sabine Stüber (DIE LINKE): Ja. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Bitte sehr. Sabine Stüber (DIE LINKE): Ich hätte gern gewusst, wie lange Sie brauchen, um die Antworten von Frau Espinosa zu prüfen, und wann wir über das Ergebnis informiert werden. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Frau Kollegin Stüber, das hängt davon ab, wie umfangreich die vorliegenden Antworten sind und ob weitere Nachfragen nötig sind. Ich verweise auch darauf, dass Staatspräsident Correa Anfang November nach Deutschland kommen wird. Bei diesem Besuch sind detaillierte Gespräche auch zu diesem Projekt geplant. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Damit haben wir den zeitlichen Rahmen der Fragestunde voll ausgeschöpft. Die restlichen Fragen werden schriftlich beantwortet. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde Projekt Stuttgart 21 Diese Aktuelle Stunde wurde von allen Fraktionen verlangt. Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat der Kollege Peter Friedrich für die SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD) Peter Friedrich (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am leichtesten wäre es jetzt, die aufgeheizte Stimmung um Stuttgart 21 in den Bundestag zu übertragen. Die Vorkommnisse der letzten Tage bieten genug Material für wechselseitige Anschuldigungen, um eine ganze Aktuelle Stunde zu füllen. Meine Bitte ist: Lassen wir das bleiben! Der Streit um Stuttgart 21 ist eine Herausforderung für die Demokratie. Es ist unsere parlamentarische Verantwortung, hier und heute kein Klischee von Parlament zu liefern, sondern einen vernünftigen Umgang mit diesem komplexen Thema. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Zu Beginn der Debatte möchte ich all denen, Polizisten wie Demonstranten, die letzten Donnerstag Schaden an Körper und Seele genommen haben, gute Besserung wünschen. Was ihnen widerfahren ist, bedauern wir alle zutiefst. Es gab Fehler auf beiden Seiten. Diese Fehler sind nicht rückgängig zu machen. Gerade deshalb muss die politische Verantwortung für die Vorkommnisse des letzten Donnerstags übernommen werden. Mit Verlaub: Ein Ministerpräsident, der, nachdem er in den letzten Wochen selbst den Konflikt verbal massiv angeheizt hat, jetzt bei sich selbst keinen Fehler sehen kann oder keinen Fehler sehen will, scheint mir dieser Verantwortung nicht gewachsen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es ist die Aufgabe der Politik - nicht der Polizei -, einen gesellschaftlichen Konflikt zu lösen. Deswegen bedauern wir außerordentlich, dass die Polizei genauso wie die Demonstranten zu den Leidtragenden der Unfähigkeit geworden sind, den Konflikt in Baden-Württemberg aufzulösen. Der Satz "Es ist doch nur ein Bahnhof" ist schon lange nicht mehr wahr. Stuttgart 21 ist durch das Verfahren und durch die Eskalation der letzten Woche für die Bürger zu einem Symbol dafür geworden, wie die Regierenden mit den Bürgern umgehen. Sie selbst - allen voran die Bundeskanzlerin - haben es zum Symbol über die Zukunftsfähigkeit des Landes, zumindest über Ihre Vorstellung von Zukunftsfähigkeit, erhoben. Diese Überhöhung wirkt wie ein Brandbeschleuniger für den Konflikt. Deswegen ist es der erste Schritt zur Beruhigung des Konfliktes, die Fragen in Ruhe auszudiskutieren und die Diskussion nicht weiter zu überfrachten. Schlagstöcke und Pfefferspray ersetzen keine Argumente, genauso wenig wie Sitzblockaden und Feuerwerkskörper. (Beifall bei der SPD) Um über die sachlichen Fragen und die Fragen der Legitimation diskutieren zu können, fordern wir, die SPD-Bundestagsfraktion, einen Baustopp und einen Vergabestopp für Stuttgart 21 bis zu einer Volksabstimmung. Man kann nicht dauernd neue Fakten schaffen und den Entscheidungsspielraum der Bürgerinnen und Bürger Tag für Tag einschränken. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das Versprechen, den Südflügel derzeit nicht abzureißen, ist eine hohle Geste. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hohl ist er sowieso schon! Entkernt!) Die Einsetzung des Bundesministers a. D. Heiner Geißler als Schlichter ist ein guter Vorschlag; aber wenn der Ministerpräsident zugleich erklärt, dass über alles geredet werden darf, nur nicht über das Projekt selbst, zeigt er, dass er den Konflikt in der Sache noch immer nicht verstanden hat. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Damit entwertet er seinen Vorschlag in dem Moment, in dem er ihn macht. Denk- und Sprechverbote sind genau die Zutaten, die in Stuttgart zu der Situation geführt haben, in der wir uns heute befinden. Ein demokratischer Beschluss enthebt uns nicht der Möglichkeit und auch nicht der Notwendigkeit, weiter darüber zu diskutieren. Ich war letzten Donnerstag nachts, als die Bäume fielen, im Schlossgarten in Stuttgart. Ich kann Ihnen sagen: Trotz der emotionalen Aufgewühltheit, trotz der Wut und der Betroffenheit der Menschen kann man weiterhin mit ihnen diskutieren. Kein Zweifel: Stuttgart 21 hat alle formalen Bedingungen demokratischer Legitimation erfüllt. Aber auch wenn alle notwendigen demokratischen Anforderungen erfüllt worden sind, kann man nicht darüber hinwegtäuschen, dass dies eben nicht ausreicht, um tatsächlich die Akzeptanz der Menschen für dieses Projekt zu gewinnen. Die stärkste Form demokratischer Legitimation, nämlich durch einen positiven Volksentscheid, hat Stuttgart 21 nicht. Es ist möglich, auf Landesebene nachzuholen, was damals durch OB Schuster in Stuttgart versäumt wurde. Das wäre nötig, um Frieden in diesen Konflikt zu bringen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wer hat ihm das denn abverhandelt?) Das ist für uns Parlamentarier keine unproblematische Wahrheit: Die Verfahren der parlamentarischen Demokratie allein reichen nicht mehr aus, um genug Akzeptanz für solch ein Projekt zu schaffen. Deswegen muss man seine Meinung in der Sache nicht ändern; aber gerade wenn man von der Sache überzeugt ist und Stuttgart 21 für die bessere Alternative hält, muss man für eine neue, eine breitere Legitimationsgrundlage streiten. Das geht nur mit einer Volksabstimmung. Wenn Sie von der Sache so überzeugt sind, warum haben Sie dann Angst, mit dieser Frage vor das Volk von Baden-Württemberg zu treten? (Christian Lindner [FDP]: Weil es verfassungswidrig ist!) Wenn Sie - wie auch wir - Ihrer Sache sicher sind, warum fürchten Sie sich dann vor dem Urteil der mündigen Bürger? Warum bauscht die Landesregierung juristische Scheinargumente auf, anstatt das Volk selbst seinen Willen bestimmen zu lassen? Eine Volksabstimmung macht das Parlament nicht überflüssig. Sie ist auch kein Angriff auf die Demokratie, im Gegenteil. Herr Kauder, Sie werden mir sicherlich zustimmen: Die Schweiz ist kein Land des Rückschritts und Österreich in keiner Weise wirtschaftsfeindlich, (Volker Kauder [CDU/CSU]: Die haben doch eine ganz andere Verfassung! Sie sollten mal rüberfahren!) obwohl es ihnen gelingt, mit direkter Demokratie die Akzeptanz zu schaffen, die man braucht, um ein solches Projekt durchzusetzen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deswegen ist es der Weg der Vernunft und der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass der Frieden in die Stadtgesellschaft Stuttgarts und das Land Baden-Württemberg zurückkehrt. Deswegen fordern wir Sie auf - Herr Ramsauer, Sie können das auf den Weg bringen -: Sorgen Sie für einen Baustopp! Sorgen Sie für einen Vergabestopp! Lassen Sie uns eine Volksabstimmung in Baden-Württemberg durchführen, damit die Menschen entscheiden können und nicht weiter über ihre Köpfe hinweg entschieden wird. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wofür sind Sie in der Sache? Dafür oder dagegen? - Gegenruf des Abg. Peter Friedrich [SPD]: Zuhören, Herr Trittin, schadet nie!) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Nächster Redner ist der Kollege Dr. Stefan Kaufmann für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dr. Stefan Kaufmann (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Stuttgarterinnen und Stuttgarter an den Bildschirmen! (Heiterkeit bei der LINKEN) Tief bestürzt habe ich die Bilder aus dem Stuttgarter Schlossgarten, Teil meines Wahlkreises, verfolgt, Bilder, die ich in dieser Form in meiner Heimatstadt noch nicht gesehen habe. Wie konnte es nach vielen Wochen des ganz überwiegend friedlichen Protestes gegen Stuttgart 21 dazu kommen? Zunächst geht es doch um nicht mehr als um einen Durchgangsbahnhof, eine neue Flughafenanbindung und eine neue Schnellbahnstrecke von Stuttgart nach Ulm als Teil der transeuropäischen Magistrale Paris-Wien. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Um Milliarden öffentliche Mittel geht's!) Alles zusammen birgt eine einmalige Zukunftschance für die international führende Wirtschaftsregion Stuttgart und den Industriestandort Baden-Württemberg - ein Infrastrukturprojekt von nationaler Bedeutung. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nee!) Zwischen dem Grundsatzbeschluss für das Projekt im Jahr 1995 und heute liegen 15 Jahre intensiver Diskussion und Planung. An der Legitimation des Projekts können angesichts zahlreicher parlamentarischer Entscheidungen mit deutlicher Mehrheit auf Ebene von Bund, Land, Region und Stadt keine Zweifel bestehen; (Zuruf von der LINKEN: Doch!) Herr Kollege Friedrich hat es eben gesagt. Die Notwendigkeit zur Neuordnung des Bahnknotens und zur Anbindung des Stuttgarter Bahnhofes an das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz war zudem über alle Parteien hinweg stets Konsens in diesem Hause. Noch 2005 haben Bündnis 90/Die Grünen und SPD im Bundestag einen Antrag gestellt, in dem Sie forderten, der Magistrale Paris-Budapest und somit der Neubaustrecke Stuttgart-Ulm höchste Priorität einzuräumen. (Beifall bei der CDU/CSU) Dies alles wurde nun auf dem Altar der grünen Verhinderungsstrategie geopfert. Eine Neubaustrecke soll es nicht mehr geben und damit auch keine Verlagerung des Individualverkehrs auf die Schiene. Als Gegenentwurf zu Stuttgart 21 bleibt eine milliardenteure Ertüchtigung des bestehenden Kopfbahnhofs samt marodem Gleisvorfeld und der Bestandsstrecke nach Ulm übrig. Das sogenannte Alternativkonzept K 21, das Grüne und Linke seit Jahren propagieren und das Tausende auf die Straße gelockt hat, existiert nur auf dem Papier. Es ist und bleibt nichts anderes als ein Phantom. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Sicherlich: Den Projektpartnern wie auch uns Befürwortern aus CDU/CSU, FDP und bis zuletzt auch SPD sind Fehler unterlaufen. Der Kardinalfehler war, nicht alle Bürger frühzeitig und ausreichend über die herausragenden Vorteile von Stuttgart 21 (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!) für die Zukunft unseres Landes informiert und für das Projekt begeistert zu haben. Somit wurde den bestens organisierten Projektgegnern lange Zeit und viel Raum gelassen, um die Bevölkerung mit immer neuen Meldungen und Halbwahrheiten zu verunsichern. (Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Unwahrheiten!) Der Protest ist dabei längst über das Projekt hinaus zu einer politisch instrumentalisierten Machtprobe zwischen "denen da unten" und "denen da oben" geworden (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) und stellt damit auch die Rolle von uns Parlamentariern als demokratisch gewählten Volksvertretern infrage. Das müssen wir ernst nehmen. Versuchen wir vor diesem Hintergrund eine Analyse der Vorkommnisse vom vergangenen Donnerstag: Nicht überraschen kann, dass die Polizei angesichts der Zahl der zu erwartenden Demonstranten und der Art der angekündigten Proteste - Sitzblockaden, Baumankettungen usw. - entsprechend vorbereitet und präsent war. Allerdings hat sich der Einsatz nach allem, was wir heute wissen, anders entwickelt als geplant. Dabei können wir die in der Öffentlichkeit teilweise unterstellte vorsätzlich angeordnete Gewaltausübung definitiv ausschließen. Die Polizei hat unser aller Vertrauen verdient. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Die dennoch bestehenden Zweifel, ob der Rechtsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Wahl der polizeilichen Mittel insbesondere gegenüber Kindern und Jugendlichen im Laufe des schwierigen Einsatzes hinreichend berücksichtigt wurde, werden gegebenenfalls gerichtlich überprüft. An Klarheit haben auch das Land und die Einsatzleitung der Polizei ein Interesse; denn es gibt fundierte Berichte und Bilder über das Verhalten von Demonstranten, die zur Eskalation beigetragen oder diese billigend in Kauf genommen haben. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo denn? Wo sind die Bilder?) Hinzu kommt, dass Schutzbefohlene möglicherweise bewusst großen Gefahren ausgesetzt wurden. Auch dieses Fehlverhalten muss aufgearbeitet werden. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sind die Eltern schuld, oder was?) Jedenfalls war die Parallelität von Schülerdemonstration und polizeilich geschützter Baumfällaktion höchst unglücklich. Wir sind uns einig, dass so etwas nicht noch einmal passieren darf. Zurück zum Projekt. Ich will in Erinnerung rufen, was ein Projektabbruch bedeuten würde: immens hohe Schadenersatzzahlungen und Rückabwicklungskosten, (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Billiger als Fertigbauen ist es schon!) erneute jahre- oder gar jahrzehntelange Planungen und Finanzierungsverhandlungen mit höchst ungewissem Ausgang und neuen Betroffenheiten. Angesichts dessen kann, Herr Kollege Friedrich, auch der von der SPD geforderte Volksentscheid über Stuttgart 21 mit Ausstiegsszenario kein probates Mittel sein; er ist im Übrigen - wie wir seit gestern aufgrund des Gutachtens von Professor Kirchhof wissen - auch verfassungswidrig. (Peter Friedrich [SPD]: Schmarren!) Stuttgart 21 ist ein komplexes Projekt. Deshalb müssen wir die Sorgen der Bürger ernst nehmen. Aber: Stutt-gart 21 macht Sinn. Deshalb steht die Union weiterhin geschlossen hinter dem Projekt, ohne Wenn und Aber. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Welche Schritte sind nun als Nächstes notwendig? Wir brauchen eine Deeskalation in Wort und Tat, und zwar auf beiden Seiten. In diesem Zusammenhang ist es das richtige Zeichen, dass der Südflügel des Bahnhofs zunächst nicht abgerissen und im Schlossgarten kein weiterer Baum gefällt wird. Lassen Sie uns in gegenseitigem Respekt vor der Meinung des anderen und ohne populistisch provozierende Begleittöne zunächst eine neue Verständigungs- und Gesprächsebene finden. Lassen Sie uns die Arbeit des von Ministerpräsident Mappus angeregten runden Tisches durch eine Art Bürgerbeirat begleiten. In ihm sollen Gegner und Befürworter des Projekts aus der Bürgerschaft an der konkreten Ausgestaltung von Stuttgart 21 (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir wollen doch nicht die Farbe der Halle bestimmen!) und insbesondere an der Planung des neu entstehenden Stadtteils auf den frei werdenden Gleisflächen direkt beteiligt werden. Lassen Sie uns dort, wo in zehn Jahren Tausende neue Arbeitsplätze, 20 Hektar zusätzlicher Park und bis zu 11 000 neue Wohnungen entstehen sollen, ein Stadtquartier der Zukunft planen, eine Mustersiedlung - wie schon die Weißenhofsiedlung in Stuttgart - für nachhaltiges Bauen und urbanes Wohnen. Stuttgart hat es verdient, dass wieder Vernunft, Besonnenheit und Mäßigung die Oberhand gewinnen. Das ist es nämlich, was uns Schwaben schon immer auszeichnet und über Jahrzehnte zu einem hohen Lebenswert und großer Geschlossenheit in unserer Stadt beigetragen hat. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Für die Fraktion Die Linke hat der Kollege Dr. Gregor Gysi das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch in Berlin interessiert man sich für Stuttgart. Man interessiert sich aber vor allen Dingen für dieses Land. Ich glaube, Sie haben überhaupt nicht begriffen, dass wir es mit einem neuen Zeitgeist zu tun haben. (Beifall bei der LINKEN) Ich will Ihnen beschreiben, woran das liegt und woran man das messen kann. Sie stellen sich hier hin und sagen: Alle Genehmigungen für Stuttgart 21 sind erteilt. Alle Verträge sind geschlossen. Es lässt sich juristisch nichts mehr machen. - Wenn man das früher unserer deutschen Bevölkerung gesagt hätte, wäre sie zu Hause geblieben. Da hätte ich stundenlang zu einer Protestdemo aufrufen können; es wären vielleicht 100 Leute gekommen. Diesmal interessiert die Bevölkerung nicht, was Sie sagen. Warum nicht? Was hat sich verändert? Weshalb werden es von Demo zu Demo mehr Menschen, obwohl Sie versuchen, das mit diesen Argumenten zu verhindern? Der Grund ist: Der Zeitgeist hat sich verändert. Sie haben recht: Es gibt eine neue Distanz zwischen der Regierung und den Regierten. Das spüren alle. Das liegt mitunter auch an dieser Bundesregierung; denn Sie stimmen die gesamte Politik in Bezug auf die Banken mit der Bankenlobby ab, (Beifall bei der LINKEN - Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP) Sie stimmen die gesamte Gesundheitspolitik mit den privaten Krankenversicherungen ab, Sie stimmen die gesamte Energiepolitik mit der Energielobby ab. Aber einen Friseurmeister, einen Hartz-IV-Empfänger oder Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer allgemein fragen Sie nie, welche Entscheidungen Sie in Bezug auf sie treffen sollen. Das merken die Leute. Deswegen entsteht ein neuer Zeitgeist, so etwas wie ein rebellischer Geist. (Beifall bei der LINKEN) Das ganze Projekt ist nicht zu erklären. Eine Strecke nach Ulm kann man bauen, eine Anbindung an den Flughafen kann man bauen. Deswegen braucht man keinen wahrscheinlich 10 Milliarden Euro kostenden unterirdischen Bahnhof. Das ist einfach Wahnsinn, was Sie vorhaben. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Auch so ein Schwachsinn!) Damit komme ich zu meinem nächsten Argument. Sie sagen der Hartz-IV-Empfängerin, Sie hätten kein Geld mehr, es gebe nicht mehr als 5 Euro. Sie sagen ihr, dass das Elterngeld gestrichen werden muss. Auf der einen Seite beschließen sie in großem Umfang Sozialkürzungen, und auf der anderen Seite sagen Sie: Natürlich haben wir 10 Milliarden für einen unterirdischen Bahnhof. - Das verstehen die Leute einfach nicht mehr. Ich glaube, das ist auch nachvollziehbar. (Beifall bei der LINKEN) Wir haben die Demonstrationen erlebt. Sie waren friedlich. Es gab ein gutes Einvernehmen zwischen den Demonstrantinnen und Demonstranten und der Polizei; aber plötzlich kommt diese völlig unverhältnismäßige Gewaltanwendung durch die Polizei. Ich sage Ihnen: Dafür gibt es politisch Verantwortliche. Wenn Sie nicht dafür sorgen, dass da aufgeräumt wird und die Verantwortlichen dafür verantwortlich gemacht werden, dann zerstören Sie das Vertrauensverhältnis zur Bevölkerung, und zwar nicht nur in Stuttgart. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich sage Ihnen noch etwas: Viele der Demonstrantinnen und Demonstranten haben die CDU gewählt. Sie leisten gerade den größten Beitrag dazu, dass sie es nie wieder tun werden. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das soll doch nicht deine Sorge sein!) Das ist das Einzige, was ich daran begrüße. (Beifall bei der LINKEN) Jetzt haben wir eine neue Situation. Die Bundeskanzlerin hat sich dieses Themas angenommen. Manchmal ist es eben auch falsch, wenn man sich eines Themas annimmt. (Ute Vogt [SPD]: Bei ihr immer!) Sie hat hier erklärt, die Landtagswahl sei der Volksentscheid über Stuttgart 21 - mal abgesehen davon, dass eine Landtagswahl kein Volksentscheid ist; das möchte ich jetzt aber gar nicht erklären. (Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: In der Bundesrepublik wählt das Volk! Sie sind noch nicht in dem Zeitalter!) - Warten Sie doch einmal! - Wenn es denn ein Volksentscheid sein soll, dann müssen Sie ein Minimum an Logik aufbringen. Ein Volksentscheid macht doch nur Sinn, wenn Sie einen sofortigen Baustopp verhängen. Dann ist noch etwas zu entscheiden. Wenn Sie einfach weiterbauen und sagen, dass im März entschieden werden soll, veralbern Sie das Volk. Das geht doch nicht zusammen. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie müssen einmal Zeitung lesen!) - Ich weiß, dass ein halbes Gebäude stehen bleiben soll. Aber ein Baustopp ist ein Baustopp. Ich kann dann nicht da weiterbauen und da weiterbauen und nur an diesem Stück nicht mehr weiterbauen. Sie schaffen Tatsachen, und wenn Sie neue Tatsachen geschaffen haben, ist darüber nicht mehr zu entscheiden. Das merken die Demonstrantinnen und Demonstranten, und das merkt auch die übrige Bevölkerung. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN - Volker Kauder [CDU/CSU]: Wir wollen doch gar keinen Volksentscheid, Herr Gysi! Regen Sie sich doch nicht so auf! - Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Wir leben in einem Verfassungsstaat! - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/ CSU]: Der Mann weiß gar nicht, wovon er redet!) Deshalb sage ich Ihnen: Sie gefährden damit die Demokratie. Heiner Geißler als Vermittler einzusetzen - der ist in Ordnung -, ist keine schlechte Idee, aber nicht, wenn Sie weiterbauen. Er kann doch nur vermitteln, wenn Sie einen Baustopp einlegen. Nur dann kann vermittelt werden und eine gemeinsame Lösung gefunden werden. (Beifall bei der LINKEN, dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und der SPD) Ich glaube, Sie haben eines nicht gemerkt: Die Bevölkerung wird täglich unzufriedener. Ich sage gar nicht, dass sie dadurch so wird, wie ich sie mir vorstelle, oder so, wie Sie sie sich vorstellen. Nein, es ist viel schlimmer. Es könnten unbeherrschbare Prozesse in Erscheinung treten. (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Die wünschen Sie sich doch herbei!) - Meinen Sie? (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Ja!) - Sie haben keine Ahnung von mir. Sie quatschen nur dummes Zeug, wenn ich Ihnen das einmal ganz deutlich sagen darf. (Beifall bei der LINKEN) Es geht um etwas ganz anderes. Ich sage Ihnen: Die Zeit ist reif; wir müssen etwas ändern. Es geht nicht mehr an, dass Sie sich einmal, bei der Bundestagswahl, wählen lassen und die Bevölkerung dann vier Jahre lang nicht befragen. Die Zeit ist reif für Volksentscheide. Geben Sie sich einen Ruck. Wir brauchen eine attraktivere Demokratie. Genau dafür streiten wir. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Nächster Redner ist der Kollege Patrick Döring für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Patrick Döring (FDP): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, wir brauchen eine lebhafte und intensive Auseinandersetzung mit der betroffenen Bevölkerung und den betroffenen Kommunen über das Projekt, und zwar auch in diesem Haus. Ja, man kann sich auch Volksentscheide zu Infrastrukturprojekten vorstellen, aber nicht, wenn die Planfeststellungsverfahren abgeschlossen sind. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind sie ja nicht!) Der Grundsatzbeschluss wird vorher gefällt. Das ist die Reihenfolge, in der man das machen kann. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Geschätzter Kollege Friedrich, Sie haben recht: Es geht um mehr als nur um einen Bahnhof. Nur, glaubt irgendjemand in diesem Hause ernsthaft, dass Planfeststellungsverfahren überhaupt noch in Gang gesetzt würden, wenn die Ergebnisse der Verfahren - es gab Tausende von Bürgereinwendungen, die ordentlich behandelt wurden, und mehrere Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichtsurteile in dieser Sache - am Ende durch einen von welcher politischen Richtung auch immer initiierten Volksentscheid vom Tisch gewischt werden können? Glauben Sie, dass das den Rechtsstaat stärkt? Ich nicht. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Der Gedanke zum Zeitgeist, den der geschätzte Kollege Gysi hier vorgetragen hat, ist gar nicht so falsch. Es ist aber nicht Zeitgeist, dass die Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt ihre Meinung kundtun wollen. Zeitgeist ist vielmehr, dass bewusst, in diesem Fall insbesondere von der politischen Linken und den Grünen, versucht wird, mit falschen Gutachten (Lachen bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und völlig aus der Luft gegriffenen Vorwürfen, durch eine Diskreditierung des Planfeststellungsverfahrens (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja noch gar nicht fertig! Was soll ich da diskreditieren?) und dadurch, dass Risiken aufgezeigt werden, die es gar nicht gibt, die Menschen zu verunsichern und einen Konflikt herbeizureden. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unglaublich! - Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Der Konflikt ist längst da!) Das ist auch nicht verantwortungsbewusst. Im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens sind 60 Alternativen geprüft worden. (Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht der Kopfbahnhof!) Im baden-württembergischen Landtag ist 150 Mal, im Rat der Stadt Stuttgart über 200 Mal seit Mitte der 90er-Jahre über diese Maßnahme strittig diskutiert worden. (Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Und öffentlich!) Es gibt kaum ein Infrastrukturprojekt, das in den dafür zuständigen Gremien und weit darüber hinaus größere Beachtung gefunden hat. Das gehört zur politischen Verantwortung. Ich sage, weil die Opposition von heute irgendwann einmal die Regierung von morgen sein wird: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Es gehört auch zur politischen Führung, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, dass man die rechtstaatlichen Prozesse verteidigt und nicht verballhornt. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Immer wieder - wir werden das im Laufe der Debatte noch hören - wird der Eindruck vermittelt, dieses Projekt sei eine gigantomanische Kopfgeburt früherer Bahnchefs oder früherer Bundesverkehrsminister. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!) Zur Erinnerung: Der Finanzierungsvertrag trägt die Unterschrift von Wolfgang Tiefensee, nicht die von Peter Ramsauer. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Wir waren dem SPD-Kollegen damals dankbar!) Das Gegenteil ist der Fall: Die sogenannten Alternativen, die sogenannte oberirdische Strecke K 21 mit Erhalt des Kopfbahnhofes ist schon 2006 vom Oberverwaltungsgericht als nicht planfeststellungsfähig eingestuft worden. Deshalb hat man das nicht weiter verfolgt. Auch daran muss man sich erinnern dürfen. Man sollte nicht den Eindruck erwecken, dass könne man von heute auf morgen umsetzen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Das Verhältnis zur direkten Demokratie ist bei einigen Kolleginnen und Kollegen ohnehin ambivalent. Der geschätzte Kollege Özdemir (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das ist der, der so gerne fliegt! Der Heli-Cem!) hat nach dem Volksentscheid der Bürgerinnen und Bürger in Hamburg zur Schulreform schwer beklagt, dass das Ergebnis so war, wie es war. In einem Zeitungsartikel beklagt er, es sei bedauerlich, dass immer die Falschen zur Abstimmung bei einem Volksentscheid gehen. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ja, so kann man das sehen. Man kann auch lieber einen Hubschrauber nehmen, der nur 8 Minuten in die Innenstadt braucht, statt eine S-Bahn-Strecke zu bauen, auf der man ebenfalls nur 8 Minuten brauchen würde. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Hört! Hört!) Das kann man machen, wenn man so durch die Welt gehen will. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Der fliegende Bahnfahrer Özdemir!) Wir haben eine Verantwortung dafür, dass wir Infrastrukturprojekte, politische Projekte mit dem Regelwerk, das wir haben und kennen, erklären und transportieren. Wir haben als Politik - das erwarte ich auch von der Opposition - die Verantwortung der politischen Führung. Man darf diese Instrumente, nur weil einem etwas nicht passt, nicht verballhornen und diskreditieren. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun die Kollegin Renate Künast. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Döring, über Demokratie haben Sie so Ihre Vorstellung, wir haben eine andere. Demokratie ist nicht etwas, das irgendwann einmal stattfindet und schon deshalb legitim ist, weil vor 15 Jahren eine Mehrheitsentscheidung dazu stattgefunden hat. (Patrick Döring [FDP]: Letztes Jahr!) Demokratie findet in diesem Land 365 Tage im Jahr statt. Jeden Tag darf man in diesem Land eine Meinung haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Jeden Tag eine andere!) Wenn die Menschen in Stuttgart, in ganz Baden-Württemberg von ihrer Meinung und von ihrem gesunden Menschenverstand öffentlich Gebrauch machen, dann sagen Sie, CDUler und FDPler, das seien alles Berufsdemonstranten, (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das hat niemand behauptet!) das seien Aufgehetzte, das seien Zukunftsverweigerer und das sei Wahlkampf. Ich sage an dieser Stelle: Demokratie heißt auch, ein wenig Respekt vorm Souverän und seiner Meinung zu haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Haben Sie doch auch nicht, Frau Künast!) Wenn die Geschäftsgrundlage einer Entscheidung, die man vielleicht einmal legal getroffen hat, abhanden kommt, dann kann es passieren, dass diese Entscheidung nicht mehr legitim ist. Wenn die Kosten nach oben gehen, wenn man im Haushalt gar keine Möglichkeiten mehr hat, zum Beispiel Bildung zu finanzieren, und jeden Cent dreimal umdrehen muss, dann gehört es zur Demokratie, einmal innezuhalten und sich zu fragen, ob diese einmal getroffene Entscheidung haushalterisch, verkehrspolitisch und städtebaulich im Jahr 2010 und den folgenden Jahren überhaupt zu verantworten ist. Das ist Demokratie, und darum geht es bei Stuttgart 21. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Haben Sie Respekt vor den Bürgerinnen und Bürgern! Nehmen Sie die Bürgerinnen und Bürger ernst! Sie können nicht beklagen, dass die Leute nicht wählen gehen, und fordern: "Engagiert euch doch politisch, habt doch eine Meinung!" - um sich danach zu wundern, dass die Leute Sie ernst nehmen -, gleichzeitig aber auch sagen: Macht das nur alle vier bis fünf Jahre! Das geht nicht. In meinem Grundgesetz steht: Erstens. Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Zweitens. Das Volk übt diese Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen aus. Nächster Punkt. Im Grundrechtekatalog des Grundgesetzes stehen die Meinungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit. Wenn in diesem Land gewünscht ist, dass sich die Bürger äußern, dann muss man auch respektvoll zur Kenntnis nehmen, dass Zehntausende, teilweise sogar 50 000 Menschen in Stuttgart auf dem Schlossplatz stehen und sagen: Wir wollen, dass diese Entscheidung überdacht wird. - Dann sind das Parlament, die Landesregierung und die Bundesregierung gefordert, dem respektvoll zu begegnen und darüber nachzudenken. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Sie sagen an dieser Stelle, das alles sei ganz neu. Nein. Ich weiß zum Beispiel, dass die Grünen in Baden-Württemberg 1995 ein Konzept mit Alternativen zur S-21-Planung vorgelegt haben. Wir haben immer gefragt: Ist das finanziell, verkehrspolitisch und städtebaulich zu verantworten? Wir haben immer gefordert: Legt die Konzepte komplett offen! Die Bürger wollen darüber diskutieren. Als Allererstes geht es um die Fragen: Ist es richtig? Ist es plausibel? Diskussion und Dialog sind keine Einbahnstraße, wo der Bund und Herr Mappus sagen: Wir können zwar miteinander reden; aber im Wesentlichen wird alles so bleiben, wie es ist. - Meine Damen und Herren, hier im Bundestag, an diesem Rednerpult, hat Angela Merkel angekündigt, man wird die Wahl in Baden-Württemberg zur Volksabstimmung machen. (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Ja! Und?) Das können Sie haben, das wird so sein. Anders als Gregor Gysi mache ich mir keine Sorgen darüber, wie viele Stimmen Sie bekommen; ich mache mir Sorgen um die gesamte Demokratie. (Siegfried Kauder [Villingen-Schwenningen] [CDU/CSU]: Ja, ja! Das ist aber ein seltsames Demokratieverständnis, das Sie haben!) Denn wenn Sie glauben, es geht an dieser Stelle um Macht und Gesichtswahrung, und deshalb Großprojekte auf Teufel komm raus durchdrücken, dann tun Sie der Demokratie in Deutschland keinen Gefallen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es ist gut, dass Herr Mappus nun Heiner Geißler als Moderator vorgeschlagen hat; wir halten eine ganze Menge von ihm. Aber es muss auch etwas zu moderieren geben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Eines ist ganz klar: Die Bürgerinnen und Bürger werden sich nicht damit abfinden, wenn man ihnen die Frage stellt, welche Farbe in Zukunft die Wände im S-21-Hauptbahnhof haben sollen. Nein, meine Damen und Herren, jetzt muss ein wirklicher Gesprächsprozess stattfinden. Heiner Geißler muss als Vermittler tätig werden, und es muss eine Öffnung vorgenommen werden. Wir brauchen einen gutachterlichen Prozess. Darüber, wer das macht, können sich Gegner und Befürworter einigen. Alle Zahlen, alle Fakten, alle verkehrspolitischen und städtebaulichen Fragen müssen auf den Tisch. Damit es auch etwas zu moderieren gibt, fordern wir einen Vergabe- und Baustopp; denn nur dann macht dieses Gespräch Sinn. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ich fordere nicht nur von Herrn Ramsauer, sondern auch von der Bundeskanzlerin: Sagen Sie Ja zu einem solchen Gesprächsprozess, der wirklich offen ist! Frau Bundeskanzlerin, sagen Sie als Chefin einer Regierung, die sozusagen Anteilseignerin, Eigentümerin der Deutschen Bahn AG ist, ganz klar: Die Deutsche Bahn AG wird dieses Projekt nicht auf Teufel komm raus durchdrücken. Sagen Sie klar: Der Satz von Herrn Grube, dass niemand sonst entscheidet, wird zurückgezogen. Sagen Sie: Auch die Deutsche Bahn AG wird unter dem Dach des Grundgesetzes mit den Bürgern reden. Sie haben die Chance, die Bürger ernst zu nehmen und ihnen den Inhalt des Projektes zu erläutern. Dazu gehört aber, dass Sie nicht nur sagen, der 27. März nächsten Jahres ist ein Volksentscheid, sondern dass Sie auch wirklich mit dem Volk ins Gespräch kommen. Deshalb fordern wir: Vergabestopp, Gutachten, Gespräche; nicht mehr, aber auch nicht weniger. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Nächste Rednerin ist die Kollegin Karin Maag für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Karin Maag (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Künast, ich will die Diskussion jetzt gern etwas versachlichen; Sie waren ja gerade sehr laut. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Meine Heimatstadt Stuttgart macht Schlagzeilen, die sich keiner wünscht. Es gab in Stuttgart Szenen, die sich nicht wiederholen dürfen. Unsere Polizei leistet gute und wichtige Arbeit. (Zuruf von der LINKEN) Aber Bilder können auch machtvoll sein und vor allen Dingen auch eine manipulierende Wirkung entfalten. Wer das Bild dieses älteren Mannes gesehen hat, der mit blutenden Augen weggeführt wurde, anschließend denselben Mann sieht, wie er sich offenbar absichtlich mit nackter Brust und ausgebreiteten Armen vor den Wasserwerfer stellt, und nun liest, er habe andere schützen wollen, lernt eines: auf eine saubere Aufarbeitung der Ereignisse zu warten. Ärger, Wut und vor allem Hass machen blind und sind schlechte Ratgeber. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit "blind" sollte man jetzt nicht argumentieren!) Ich habe Vertrauen in unseren Rechtsstaat. Der Polizeieinsatz muss und wird zügig aufgeklärt werden. Auch mir ist jeder Verletzte einer zu viel. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Wort "blind" sollten Sie jetzt nicht verwenden!) - Frau Künast, Sie haben gerade geredet, jetzt bin ich dran. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie durften doch Zwischenrufe machen!) Stuttgart 21 bedeutet die Anbindung meiner Stadt - ich komme aus Stuttgart - und meines Landes an eine europäische Schnellbahntrasse und zusätzlich die Ertüchtigung des Hauptbahnhofs. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Wie kann man nur so kalt sein!) Ich will den Stuttgartern einige ihrer Ängste nehmen. Stuttgart bleibt weiterhin eine grüne Stadt mit hoher Lebensqualität. Bisher stehen 35 Prozent der Gemarkung unter Natur- und Landschaftsschutz. Nach der Realisierung gibt es circa 20 Hektar mehr grünen Park mitten in Stuttgart. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich habe das Projekt seit 1995 persönlich begleitet. Ich habe damals wie heute Stuttgart 21 und die Neubaustrecke als Glücksgriff für das Land und für die Stadt empfunden. Europa, der Bund und das Land investieren bei uns die Milliarden. Kurz gesagt: Stuttgart und Baden-Württemberg erwecken Vertrauen und haben deshalb Zukunft. Stuttgart 21 geht nicht - das ist immer ein Vorwurf - auf Kosten anderer Projekte in Baden-Württemberg oder in Deutschland. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Rechnen Sie mal!) Weil das so ist, stehen auch die Kollegen im Land und beim Bund hinter diesem Projekt und hinter uns. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Die Gründe derjenigen, die auf die Straße gehen, sind unterschiedlich. Um den Hauptvorwurf vorwegzunehmen: Selbstverständlich wurden die Bürgerinnen und Bürger - Herr Döring hat es vorhin angesprochen - beteiligt. 200-mal war das Projekt im Gemeinderat. 10 000 Bürger haben sich schriftlich im Planfeststellungsverfahren beteiligt. 60 Alternativen wurden geprüft. Der Bürgerentscheid - auch das ist Wahrheit in einem Rechtsstaat - war aus Rechtsgründen nicht möglich. Jetzt kommt das dicke Aber für uns: In der Folgezeit haben wir, der Projektträger Bahn, Stadt und Land es versäumt, sich mit denjenigen auseinanderzusetzen, die nicht von Anfang an dabei waren. Für viele war das Projekt groß und vielleicht auch übermächtig. Es gibt Menschen, denen sich die Sinnhaftigkeit des Projekts nicht automatisch erschließt. Derjenige aber, der nicht gehört wird, wird wütend. Derjenige, der das Gespräch sucht und nicht findet, wird laut. Genau deshalb versammeln sich unter anderem die Bürger im Park. Das habe ich mittlerweile gelernt. Ich habe im August mit den demonstrierenden Menschen vor dem Hauptbahnhof gesprochen. Ich habe ihnen zugehört. Ich weiß nicht, wie viele von Ihnen nicht zum Demonstrieren, sondern zum Hören dort waren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich erkenne an, dass die überwiegende Mehrheit der Demonstranten ihrem Anliegen friedlich Ausdruck verleihen möchte. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, richtig ist aber auch eines: Wir sind an einem Punkt, an dem sich Ablehnung und Zustimmung nicht mehr nur auf das Projekt beziehen, sondern verselbstständigt haben. Einigen Menschen an der Spitze der Bewegung geht es um einen anderen Staat. Frau Künast, liebe Grüne, ich wende mich jetzt ausdrücklich an Sie. Ich bin ziemlich enttäuscht von der Spitze der Grünen im Bund; zum Land sage ich jetzt nichts. (Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir wollten Sie auch nicht glücklich machen! Das war nicht unser Ziel! - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihre Partei hat Fackelzüge gegen mich veranstaltet!) Es wäre aber schön, wenn Sie sich mit uns in einem normalen Stil auseinandersetzen würden. Sie sind gegen Stuttgart 21. Das ist eine politische Entscheidung, die ich respektiere. Ich kann sie nicht nachvollziehen, aber Respekt ist vorhanden. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihre Partei hat zusammen mit dem Bauernverband Fackelzüge gegen mich veranstaltet!) - Jetzt sehen Sie, wie wichtig Sie uns sind, Frau Künast. Frau Künast, Sie tragen die parlamentarische Auseinandersetzung jetzt, nach zehn Jahren, auf die Straße. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die war schon immer da!) Das ist schwierig, wenn nicht gar unverantwortlich. Selbstverständlich ist es das Recht jedes Einzelnen, zu demonstrieren. Versammlungs- und Meinungsfreiheit sind Grundrechte und Teil unseres Rechtsstaats. In Ihrem Aktionsbündnis haben Sie sich aber auch mit Menschen gemein gemacht, deren Ziel nicht die ernsthafte Auseinandersetzung ist. "Lügenpack" und "Mörder" als Ausdrucksweisen gehören nicht zu meinem Verständnis von Rechtsstaat. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich erwarte, dass Sie sich distanzieren, und ich erwarte, dass Sie konkret informieren. Frau Künast, zu Ihrem Thema Baustopp und zu Moratorien bzw. zu der Entscheidung, die Bautätigkeit zu verschieben: Es gehört zur Verantwortung eines Parlaments und der Parlamentarier, einmal getroffene Entscheidungen auch in Vollzug zu setzen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Atomkonsens!) Der Ministerpräsident dieses Landes hat Ihnen heute die Hand gereicht. Uns ist der Dialog wichtig. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Immer so, wie Sie es wollen! Mal hü, mal hott!) Ich setze auf uns, und ich setze auch auf Sie als gute Demokraten. Ich werde mich gerne einbringen, und ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie dasselbe auch tun würden. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Nächster Redner ist der Kollege Florian Pronold für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Florian Pronold (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man der Debatte hier aufmerksam folgt und versucht, zuzuhören, dann, glaube ich, wird deutlich, wo der Kern des Problems liegt. Die ganze Debatte hat sich nämlich von der eigentlichen Sachfrage entfernt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Es ist in Stuttgart und darüber hinaus eine Situation entstanden, durch die das Zuhören, das gegenseitige Verständnis und der verantwortungsvolle Umgang miteinander sehr schwierig gemacht werden. Die entscheidende Frage ist jetzt nicht - das bestreite ich auch überhaupt nicht -, ob Stuttgart 21 legitim ist. Niemand bestreitet, dass alle Beschlüsse zu Stuttgart 21 bisher legitim gefasst worden sind. Das alles ist rechtsstaatlich sauber und einwandfrei gelaufen. (Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Das ist schon einmal eine gute Erkenntnis!) Das ist so. Trotzdem haben wir in Stuttgart und darüber hinaus eine Situation, die einen schweren Schaden für die Demokratie bedeutet; denn man sagt einfach: Wir haben recht, mir san mir, und es bleibt so. - Das kenne ich aus 1986: Wackersdorf. - Das ist genau dieselbe Haltung, die es auch dort gab. Wenn man keinen Schaden für die Demokratie hervorrufen will, dann sollte man nicht, wie der Mappus das gemacht hat, (Clemens Binninger [CDU/CSU]: "Ministerpräsident Mappus"! So viel Zeit muss sein!) den strammen Max markieren, sondern dann sollte man vor allem kein Angsthase sein, wenn es darum geht, einen echten Volksentscheid zuzulassen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wenn die Argumente so gut sind, dann kann man damit auch überzeugen. Ich sehe in einem Volksentscheid die einzige Möglichkeit, dass es dort wieder ein Zusammenkommen gibt, weil der Volksentscheid die Voraussetzung dafür ist, dass man tatsächlich wieder über die Sache redet, dass Argumente ausgetauscht werden und dass zwei Seiten beleuchtet werden. Die eine Seite ist die Kostenentwicklung des aktuellen Projektes. Davor darf man sich nicht drücken, und für die haben auch wir als Bundestag - zumindest für die Strecke Ulm-Wendlingen - die Verantwortung. Dort müssen wir hinschauen. Es gibt hier eine ganze Menge Fragezeichen, die in der letzten Sitzung des Verkehrsausschusses nicht beantwortet worden sind. Auf der anderen Seite stellen sich aber auch die Fragen, was ein Ausstieg kostet, was Alternativszenarien sind und was sie bedeuten. Darüber wird doch viel zu wenig geredet. Beide Dinge müssen in einem Volksentscheid tatsächlich behandelt werden. (Volker Kauder [CDU/CSU]: In welchem Volksentscheid?) - Ich sage gleich etwas zum Volksentscheid, den die Frau Bundeskanzlerin an diesem Platz hier auch angesprochen hat. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Das hat sie ein bisschen anders gesagt!) - Ja, ich weiß das; ich gehe gleich darauf ein. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Jede Wahl ist ein Volksentscheid!) Wenn man will, dass es dort wieder zu einer Verständigung kommt, dann muss man auch eine echte Entscheidung in der Sache zulassen. Der Herr Ministerpräsident Mappus (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: So ist es anständig!) - gell? - (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Der Mann ist lernfähig! Er lernt hier noch Benehmen!) hat Law and Order bei den Demonstrationen mit Rambo-Mentalität durchgesetzt und ist politisch verantwortlich für den Einsatz. Wenn er jetzt auf Sozialpädagoge macht und sagt: "Wir reden mal miteinander. Es ist aber wurscht, was wir da besprechen. Wir bleiben dabei, Stuttgart 21 wird so und so gebaut", dann ist das doch kein echter Entscheid. Dann fühlen sich doch alle verhohnepiepelt, um keinen härteren Ausdruck dafür zu verwenden. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Der Kollege Peter Friedrich hat einen schweren Fehler begangen: Er hat die Bundeskanzlerin ernst genommen, als sie hier davon gesprochen hat, dass die Landtagswahlen zum Volksentscheid über Stuttgart 21 werden. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine gute Idee!) Dann hat er die Bundesregierung gefragt - die schriftliche Antwort ist heute gekommen -, was denn passiert, wenn der Volksentscheid, sprich: die Wahl, so aussieht, dass Schwarz-Gelb dort abgewählt wird. Die Antwort der Bundesregierung lautet: Die Projektbeteiligten streben nach wie vor an, die beiden Vorhaben 2019 in Betrieb gehen zu lassen. - Das ist doch kein echter Volksentscheid. Also, nicht einmal die Wahlen ändern etwas daran. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich kann nur an Sie appellieren: Machen Sie einen Bau- und Vergabestopp! Lassen Sie echte Demokratie zu! (Patrick Döring [FDP]: Sie definieren nicht, was echte Demokratie ist!) Herr Mappus hat davon gesprochen, dass Ruhe und Vernunft jetzt das Gebot der Stunde sind. Ruhe heißt: Bau- und Vergabestopp. Vernunft heißt: echte Volksabstimmung. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Dafür und dagegen, und dann ein Volksentscheid, den die Verfassung nicht vorsieht! Eine tolle SPD!) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Das Wort hat nun der Kollege Stephan Thomae für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Stephan Thomae (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es ist niemandem egal, es lässt niemanden kalt, niemand pfeift darauf, wenn Menschen zu Schaden kommen. Deswegen möchte ich an dieser Stelle zunächst einmal denen, die am Donnerstag verletzt worden sind, mein Bedauern ausdrücken. Verhältnismäßigkeit muss immer das oberste Gebot allen Handelns des Staates sein. Aber wir vertrauen sehr darauf, dass unsere Kollegen im Landtag von Baden-Württemberg in der Lage sind, die Verhältnismäßigkeit, die dort angewandt worden ist, zu prüfen. Das muss nicht unsere Aufgabe sein. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es sind noch viele Fragen offen, wie es zu den Ereignissen am letzten Donnerstag in Stuttgart gekommen ist. Deswegen ist es vorschnell, schon jetzt Schuldfragen zu klären, die Schuld abzuwälzen und sie anderen in die Schuhe schieben zu wollen. Aber es muss klar sein: Es ist Aufgabe der Behörden und der Veranstalter einer solchen Demonstration, schon bei der Veranstaltungsplanung darauf zu achten, dass Eskalation vermieden wird. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gilt das auch für den Innenminister, Herr Kollege?) Auch der Veranstalter ist dafür verantwortlich, dass er seine Verbündeten sorgfältig auswählt, und er muss immer die Kontrolle behalten, mit wem er sich verbündet. Es ist auch unser berechtigtes Interesse, zu wissen, wer alles am Donnerstag auf der Straße gewesen ist. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das müssen Sie den Verfassungsschutz fragen! Weiß er das nicht?) Nun ist es so, dass in Stuttgart die Dinge aus dem Ruder zu laufen drohen. Deswegen ist der Vorschlag unserer Fraktionsvorsitzenden Birgit Homburger, der auch schon von vielen anderen übernommen worden ist, völlig richtig, an ein Mediationsverfahren zu denken, wie es auch in Frankfurt erfolgreich angewandt worden ist. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: An das Ergebnis in Frankfurt haben Sie sich auch nicht gehalten! Wollen Sie das auch so machen, oder was?) Deswegen ist es jetzt völlig in Ordnung und geht auch weit genug, eine Einstellung der Abrissarbeiten am Bahnhofsgebäude und der Baumfällarbeiten anzubieten. Denn wenn nach 15 Jahren Planfeststellungsverfahren, Gerichtsverfahren und Anhörung von Bürgereinwendungen jetzt endlich einmal mit dem Bauvorhaben begonnen werden kann, dann muss es doch jedem Menschen einleuchten, dass man dann nicht erwarten kann, dass es gleich wieder von heute auf morgen ganz und gar auf unbestimmte Zeit unterbrochen wird. Es war wirklich jede Menge Zeit, Einwendungen vorzubringen, und sie sind auch vorgebracht worden. Über 10 000 Einwendungen wurden diskutiert und abgehandelt. Es ist bis zum Bundesverwaltungsgericht geklagt worden. Auch danach ist es natürlich das gute Recht eines jeden Menschen, auf der Straße für seine Meinung zu demonstrieren, aber man muss dabei eben auch Rücksicht auf die Rechte anderer nehmen, zum Beispiel auch auf das Baurecht eines Bauherrn wie hier der Deutschen Bahn. (Zuruf von der LINKEN: Heruntergeknüppelt!) Wenn nun Morddrohungen gegen den Bahnchef und seine Familie vorgebracht werden und deswegen die Familie an einen geheimen Ort verbracht werden muss, wenn der Eindruck entsteht, dass hier Kinder und Jugendliche instrumentalisiert werden, (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Verhauen werden sie, nicht instrumentalisiert!) dann muss sich auch der Veranstalter fragen lassen, ob ihm nicht die Kontrolle über seine Veranstaltung entgleitet. Wir dürfen fragen, ob sich der Protest gegen ein Bauvorhaben richtet oder gegen unseren demokratischen Rechtsstaat. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist eigentlich aus der Bürgerrechtspartei FDP geworden?) Wir fragen uns allerdings selbstkritisch - das machen wir als FDP ständig -, ob die Hürden für die Beteiligungsrechte der Bürger gesenkt werden müssen, ob wir sowohl parlamentarische Verfahrensweisen als auch direktdemokratische Instrumente weiterentwickeln müssen. Ein Volksentscheid lässt immer nur Spielraum zwischen Ja und Nein. Er enthält wenig Spielraum für deliberative Elemente. Im parlamentarischen Verfahren haben wir den Vorteil, die Kunst der Kompromissfindung anwenden zu können. Die Vorteile beider Verfahren stärker zu verbinden, sollte unser Anliegen sein. Dazu können wir die jetzigen Ereignisse zum Anlass nehmen. Im konkreten Fall, bei Stuttgart 21, ist es allerdings meines Erachtens für eine Volksabstimmung über die Grundsatzfrage, ob überhaupt gebaut werden soll, zu spät. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein Mediationsverfahren! Das Ergebnis steht schon fest! Das ist ein Witz!) Aus dem Gutachten von Professor Kirchhof geht hervor, dass es verfassungsrechtlich unklar ist, ob in einem Landesvolksentscheid über ein Bauvorhaben des Bundes überhaupt befunden werden kann; denn Bahnstrecken baut der Bund und nicht das Land. Des Weiteren ist zu beachten, dass ein Baustopp oder eine Rücknahme von Baugenehmigungen Schadensersatzansprüche gegen die öffentliche Hand auslösen kann und damit unmittelbar haushaltsrelevant werden kann. In einem solchen Fall kann eine solche Frage nicht Gegenstand einer Volksabstimmung sein. Alle Beteiligten sollten - ich knüpfe an das an, was Herr Kollege Friedrich eingangs sagte - zur Besonnenheit zurückkehren. Wenn es um berechtigte Interessen und sachliche Argumente der Bürger geht, sind wir immer gesprächsbereit. Aber Verächter des Rechtsstaats und Verächter mehrheitsdemokratischer Verfahren müssen mit unserem Widerstand rechnen. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Die Kollegin Heike Hänsel ist nun die nächste Rednerin für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Heike Hänsel (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Stuttgart ist seit letztem Donnerstag nicht mehr dieselbe Stadt. Wir haben einen der brutalsten Polizeieinsätze, die Stuttgart jemals gesehen hat, erlebt. Viele Menschen sind schlichtweg traumatisiert. Dass gerade die Bürgerrechtspartei FDP dazu gar nichts sagt, ist wirklich ein Skandal. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Es gibt laut Demo-Sanitäterdienst mehr als 400 Verletzte. Ich selbst zum Beispiel wurde beim Vermitteln mit Wasserwerfern angegriffen. Ein linker Stadtrat wurde mit Pfefferspray attackiert. Die Tochter meines Kollegen Michael Schlecht wurde ebenfalls mit Pfefferspray attackiert. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Die Polizisten wurden auch mit Pfefferspray attackiert!) Viele wurden verletzt. Einer meiner Freunde liegt mit einem Netzhautriss im Krankenhaus und musste operiert werden. Trotzdem spricht Innenminister Rech noch immer von einem verhältnismäßigen, angemessenen Polizeieinsatz. Das ist schlichtweg zynisch. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Herr Mappus spricht nun von Dialog. Ich muss sagen: Als seine schlagkräftigsten Argumente habe ich bislang nur Wasserwerfer und Pfefferspray erlebt, nichts anderes. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: So ein Quatsch!) Wenn er sich als Ministerpräsident an dem Tag, an dem er weiß, dass ein solcher Einsatz läuft und dass dabei Leute zusammengeknüppelt werden, in ein Bierzelt auf dem Cannstatter Volksfest setzt, dann hat er sich als Ministerpräsident völlig diskreditiert. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) Die Demonstranten im Nachhinein in die Gewaltecke zu stellen, wie es in den letzten Tagen und auch heute passiert ist, ist unglaublich. Das müssen wir zurückweisen. Wenn sich die Union gegen eine "richtige" Diskussion im Innenausschuss sperrt, dann brauchen wir eben einen Untersuchungsausschuss dafür; dann wird das geklärt. (Beifall bei der LINKEN - Widerspruch bei der CDU/CSU) Ich zitiere den Polizeiwissenschaftler Thomas Feltes, der in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung gesagt hat: Dass die Polizei gleich mit Wasserwerfern angerückt ist, war darauf angelegt, Stärke zu zeigen. ... Man hat das Gefühl, die Politik wollte diesen Konflikt. Dann ist das aber auch der Konflikt von Angela Merkel. Hierzu muss sich auch die Kanzlerin äußern. Es geht nicht, am 3. Oktober Bürgerrechte zu zelebrieren und keinen Satz dazu zu sagen, dass in Stuttgart die Bürgerrechte mit Füßen getreten werden. (Beifall bei der LINKEN - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Um Gottes willen!) Daran, wie Sie diese Leute diskreditieren, merkt man, wie weit weg Sie von den Menschen sind, die sich dort in dem Park engagieren, davon, dass Leute wochenlang in Kälte und bei schlechtem Wetter dort übernachten. Sie sehen nachts ältere Frauen, die vor ihren Bäumen sitzen, um sie zu beschützen. Dahinter steht viel Ernsthaftigkeit. Leute informieren sich, während sie von Ihnen nur manipuliert werden. Meinen Sie, das sei alles vergnügungssteuerpflichtig, monatelang jeden Tag in den Park und an den Bahnhof zu gehen? (Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist doch freiwillig!) Hier besteht ein ernsthaftes Engagement, das einmal gewürdigt werden muss. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) Dass jetzt auch noch die Kultusministerin gegen die Schüler und Schülerinnen disziplinarisch vorgehen will, die sich engagiert haben, ist ja wohl das Allerletzte. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich bin stolz, dass diese Schülerinnen und Schüler auf die Straße gegangen sind und sich einmischen, dass es ihnen nicht egal ist, was hier passiert. Das wollen Sie doch sonst immer. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Bei uns ist während der Schulzeit Unterricht!) Was Sie sich hier erlauben, ist unglaublich. Herr Brüderle spricht jetzt von der Beschädigung der Parlamente. Dazu muss ich aber einmal fragen: Wer beschädigt denn hier die Parlamente? Wenn hier Entscheidungen trotz fehlender Fakten getroffen werden, wenn hier Geheimakten vorliegen, wenn viele Parlamentarierinnen und Parlamentarier nicht einmal darüber informiert sind, worüber sie eigentlich abstimmen, und ihnen viele Informationen vorenthalten werden, dann beschädigt dies die Parlamente. Das ist eine Gefahr für die Demokratie. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) Deswegen verteidigen die Stuttgarterinnen und Stuttgarter diese Demokratie. Es ist ein Beitrag zur Demokratisierung des Landes, dass die Menschen in Stuttgart auf die Straße gehen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Insofern können wir auch nicht von einem demokratisch legitimierten Projekt sprechen. Mich wundert durchaus, dass hier überhaupt niemand von all den Papieren, die zum Beispiel im Stern auftauchen, spricht. Darauf gibt es keine Reaktion. (Patrick Döring [FDP]: Halbfertige Akten!) Ich möchte einmal einen Insider zitieren, der Stutt-gart 21 unterstützt hat. Er sagt: "Wir sind wie Fallschirmspringer bei diesem Projekt, aber wir haben keine Fallschirme dabei. In Stuttgart wird ein Bahnhof gebaut, ein riesiger Verkehrsknoten geschaffen, der nicht funktionieren wird, und die Verantwortlichen wissen das." (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Wen zitieren Sie? Namen!) Deswegen kommen wir gar nicht daran vorbei, eine Neubewertung vorzunehmen. Wir fordern, dass endlich alle Fakten auf den Tisch gelegt werden und dass neu über dieses Projekt diskutiert wird. Der Verkehrsausschuss führt dazu eine Anhörung durch. Ich fordere auch Angela Merkel auf: Stoppen Sie sofort das Projekt! Wir brauchen einen Baustopp; anders kann es gar nicht zu einer politischen Lösung kommen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich habe selber erlebt, wie nachts um halb zwei in dem Park bei starkem Scheinwerferlicht Bäume gefällt wurden; das war gespenstisch. Da muss man sich fragen, wo man eigentlich lebt. Aber die Menschen lassen sich davon nicht entmutigen. Es wird am 26. Oktober einen Sonderzug aus Stuttgart nach Berlin geben. Mit ihm werden viele der Leute hierherkommen und dieser Politik die rote Karte zeigen. (Beifall bei der LINKEN - Markus Grübel [CDU/CSU]: Die sollen mal den Berliner Hauptbahnhof angucken! Dann sehen sie, der Durchgangsbahnhof funktioniert!) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Nächster Redner ist der Kollege Clemens Binninger für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Clemens Binninger (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Bei dieser Debatte geht es um zwei Fragen, die grundsätzlicher Natur sind. Erstens: Wie zuverlässig sind Beschlüsse von Parlamenten zukünftig noch für Investoren und Unternehmer, wenn sie ständig wieder infrage gestellt werden? Zweitens: Wie gehen wir mit dem staatlichen Gewaltmonopol um? (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Wie gehen wir mit dem Bürger um? Darüber müssen wir auch mal nachdenken!) Es ist gar keine Frage, dass, als die Bilder vom Einsatz letzte Woche kamen, sie betroffen machten. Als ich am Donnerstagnachmittag die Bilder gesehen habe, die man auf Youtube betrachten konnte, wurde ich durchaus nachdenklich. Sicherlich wird man bei der Einsatznachbereitung und zum Teil auch auf gerichtlichem Wege die eine oder andere Frage noch zu klären haben; auch das wird kommen. Ich glaube, wir sind uns fast alle in diesem Hause einig - ich sage bewusst: fast alle -, dass sich solche Bilder nicht wiederholen dürfen (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN) und wir eine weitere Radikalisierung dieses Themas nicht zulassen dürfen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) - Warum die SPD jetzt nicht klatscht, muss sie selber wissen. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Die Linke hat auch nicht geklatscht!) Gemünzt war meine Botschaft eher auf die ganz linke Seite dieses Hauses. (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Totalverweigerer!) Der Beitrag meiner Vorrednerin war nämlich kein Beitrag zur Deeskalation, sondern das Gegenteil. Wir haben die Bilder mit Wasserwerfern gesehen. Diese Bilder können uns eigentlich nicht in Ruhe lassen. Wir wollen damit ehrlich umgehen, damit sich das Ganze nicht wiederholt. Zum Umgang mit diesem Thema gehört aber auch, dass wir uns die Frage stellen: Wie konnte es dazu kommen? Was ist in den zweieinhalb Stunden vor dem Wasserwerfereinsatz passiert, dass die Polizei sich entschieden hat, diese Mittel anzuwenden? Wir müssen uns diese Fragen auch deshalb stellen, weil die Stuttgarter Polizei seit Monaten bei großen Einsätzen im Zusammenhang mit diesem Projekt bewiesen hat, dass sie deeskalieren kann, dass sie große Demos mit 50 000 oder 60 000 Gegnern völlig harmonisch und friedlich abwickeln kann. (Dr. Stefan Kaufmann [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Es gab kaum einmal Ausschreitungen; es waren kaum einmal Festnahmen notwendig. Die Stuttgarter Polizei hat seit Monaten gezeigt, dass sie in der Lage ist, mit diesem Protest umzugehen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Heike Hänsel [DIE LINKE]: Und die Demons-tranten? Die Demonstranten genauso!) - Die Demonstranten natürlich auch, gar keine Frage. - Deshalb gilt, an dieser Stelle der Stuttgarter Polizei einmal unseren Respekt für die vielen Stunden Arbeit, die sie in den letzten Wochen und Monaten geleistet hat, zu zollen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir müssen schon den Mut und auch die Objektivität haben, zu fragen: "Was war in den zweieinhalb Stunden vor dem Wasserwerfereinsatz?", ohne zu verallgemeinern, ohne schnelle Pauschalurteile zu fällen. Die Demonstranten, diese Gruppe, gibt es nämlich nicht. Jede Demonstration ist sehr heterogen. Ganz unterschiedliche Menschen sind dabei, etwa ein Rentner, der vielleicht eine Sitzblockade macht und dann die Aktion für beendet erklärt. Aber es sind - leider - immer auch Leute dabei, die austesten, wie weit sie gehen können, die die rote Linie immer wieder bewusst überschreiten. Die Bilder, die die Polizei uns gestern gezeigt hat, sind schon hilfreich. Von 10.30 Uhr bis zum Wasserwerfereinsatz gab es verschiedene Formen einer zunehmenden Aggression, nicht aller Demonstranten, aber doch eines Teiles. Es gab Sitzblockaden. Es wurden Barrikaden gebaut. Es wurde auch gegen die Polizei Pfefferspray eingesetzt. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Hört! Hört!) Es wurden Gegenstände auf die Polizei geworfen. (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das stimmt überhaupt nicht!) Es gab eine Aggression, an deren Ende die Polizei sich in die Lage versetzt sah, diesen Einsatz nur noch mit unmittelbarem Zwang zu Ende zu bringen. Ich habe gesagt: Wir wollen ehrlich mit diesen Bildern umgehen. Zu einem ehrlichen Umgang gehört auch diese Vorgeschichte. Sie ist ganz entscheidend für die Bewertung dieses Einsatzes. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich glaube, wir müssen uns auch darüber klar werden, was wir wollen. Wenn wir wollen, dass sich solche Bilder nicht wiederholen, dann ist es mit schnellen, abfälligen Kommentaren zu der politischen Verantwortung nicht getan. Beispielsweise wurde unterstellt, man "wollte Blut sehen". Die SPD will den baden-württembergischen Innenminister zu Putin schicken, weil er dahin besser passt. (Joachim Poß [SPD]: Das war doch Özdemir und nicht die SPD!) Einmal abgesehen davon, dass es Ihr Bundeskanzler war, der Putin als lupenreinen Demokraten bezeichnet hat: Solche Beiträge sind allesamt nicht hilfreich. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) An die Adresse der Grünen, weil ich glaube, dass solche Dinge dort eher auf fruchtbaren Boden fallen: Wir sind unterschiedlicher Meinung bei diesem Projekt. Das gehört in einer Demokratie dazu. Auch Protest gehört dazu. Aber er muss friedlich in einem klaren Rahmen ablaufen. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er war friedlich!) Friedlich war er in der Vergangenheit. Vor kurzem war er es einmal nicht. Das festzustellen, gehört auch dazu. Unsere Verantwortung ist es, dass wir den richtigen Ton in dieser Debatte treffen, dass wir einen Ton treffen, der es ermöglicht, dass sich Befürworter und Gegner wieder treffen, dass nicht immer von "Lügenpack" die Rede ist - das ist ebenfalls kein Beitrag zur Deeskalation -, sondern dass wir in der Sache vernünftig miteinander reden. (Dr. Stefan Kaufmann [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Die Regierungserklärung von Ministerpräsident Mappus war ein guter, wichtiger Schritt. Heiner Geißler als Mediator, als Vermittler, wird ebenfalls einen guten Beitrag leisten. Dann sind wir gefordert, diese Debatte entsprechend zu begleiten. In diesem Sinne danke ich für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Der Kollege Winfried Hermann von Bündnis 90/Die Grünen ist der nächste Redner. Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollegin Maag hat in ihrer Rede gesagt: Wut und Hass machen blind. - Seit letzter Woche wissen wir, dass auch die Wasserwerfer der Polizei blind machen können. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Na ja!) Ich finde es schon etwas beschämend, wie Sie hier einerseits Betroffenheit signalisieren und auf der anderen Seite nicht bereit sind, wenigstens zu sagen, dass dieser Polizeieinsatz in jedem Fall unverhältnismäßig war. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Es ist absolut inakzeptabel, dass man auf friedlich auf dem Boden sitzende junge Menschen und ältere Menschen (Michael Schlecht [DIE LINKE]: Kinder!) Wasserwerfer wie Kanonen draufhält, weil völlig klar ist, dass das zu Verletzungen führt. Wer zu verantworten hat, dass diese Kanonen auf die Menschen gerichtet wurden, der hat billigend in Kauf genommen, dass sie sich schwer verletzen, dass sie unter Umständen ihr Augenlicht verlieren. Es wäre das Mindeste gewesen, was ich erwartet hätte, dass man auch dazu heute etwas sagt und dass die Verantwortlichen dafür zur Rechenschaft gezogen werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Ich habe heute von verschiedenen Leuten gehört: Ja, wir haben kommunikative Fehler gemacht. - Das stimmt; aber Sie haben immer noch nicht begriffen, welchen kommunikativen Fehler Sie gemacht haben. Ich habe vor kurzem beim Umzug eine ganze Kiste Propagandamaterial zu Stuttgart 21 entsorgt. Für kein anderes Projekt ist in den 90er-Jahren so viel Geld ausgegeben worden. Man hat versucht, die Leute mit Werbematerial sozusagen zu überreden und sie propagandistisch zu bearbeiten. Alle Stuttgarter Zeitungen waren Feuer und Flamme und immer für dieses Projekt. Man hat immer positivste Geschichten darüber geschrieben. Erstaunlich nur, dass das nicht verfangen hat. War das ein Kommunikationsproblem? Haben sie die falschen Broschüren geschrieben? Oder könnte es eventuell daran liegen, dass dieses Projekt so grundschlecht ist, dass man die besten Broschüren machen kann und trotzdem jeder merkt, dass es Mist ist? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Man muss kein Bahnexperte sein, um zu erkennen, dass dieses Projekt hochriskant ist und dass nicht besonders einleuchtend ist, dass man die Menschen unter die Erde führt, dass es nicht besonders intelligent ist, dass eine Stadt, die Mittelpunkt einer ganzen Region ist, alles tut und viel Geld dafür ausgibt, dass die Leute möglichst schnell unten durchfahren und nichts von der Stadt sehen. Was für eine absurde Form von Reise- und Bahnpolitik! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN - Widerspruch bei der CDU/CSU) Das ist die Logik der Geschwindigkeit unten durch. Sie haben nicht erkannt, dass ein Bahnhof wie der Stuttgarter Bahnhof das Zentrum eines integralen Taktfahrplans ist. Das ist das, was wir von einer guten Bahn erwarten: eine gut vernetzte Bahn, eine Bahn für Nahverkehr und für Regionalverkehr. Darum verteidigen die Leute diesen Bahnhof - und nicht, weil sie einfach blind gegen Fortschritt sind. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Immer wieder behaupten Sie, alle Entscheidungsprozesse wären korrekt abgelaufen. Tausend Debatten, tausend Entscheidungen in allen Parlamenten - alles formal korrekt. Und dann noch die Planfeststellung! Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Erstens reicht es heutzutage nicht aus, nur formal korrekt zu sein. Zweitens war es nicht einmal formal korrekt; denn in keinem dieser Parlamente lagen die ordentlichen Zahlen auf dem Tisch. Auch im Deutschen Bundestag lagen die entsprechenden Gutachten nicht auf dem Tisch. (Patrick Döring [FDP]: Ist doch schlicht gelogen! - Widerspruch bei der CDU/CSU) - Patrick Döring, du warst selber dabei, als vor zwei Jahren im Deutschen Bundestag mit falschen Zahlen diesem Projekt grünes Licht gegeben wurde. Stuttgart 21 und die Neubaustrecke mit falschen, tief gerechneten Zahlen! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN - Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP) Zum Planfeststellungsprozess behaupten Sie nach wie vor steif und fest, das wäre alles durch. Es ist nicht durch. Die Neubaustrecke ist überwiegend nicht rechtskräftig planfestgestellt. Nicht einmal Stuttgart 21 ist in allen Bereichen rechtskräftig planfestgestellt. Wenn Sie das Planfeststellungsverfahren wirklich ernst nehmen, dann muss es auch einen Punkt geben, wo es heißt: So geht es nicht. Heute hat Ministerpräsident Mappus in seiner Rede im Rahmen der Aktuellen Stunde im Landtag von Baden-Württemberg ein putziges Beispiel gebracht. Er hat gesagt: Wo kämen wir denn dahin, wenn einer eine Baugenehmigung hat, einen roten Punkt, in seinem Garten die Bäume fällt - interessant, wie er da den Eigentümer verwechselt -, anfangen will zu bauen, und dann kommt plötzlich eine Demonstration, die das verhindert? (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Ein gutes Beispiel!) Aber wie ist es denn hier? Wir haben keine Baugenehmigung für das ganze Projekt. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Wie bitte? - Patrick Döring [FDP]: Das ist gelogen!) Es ist doch ungefähr so, als ob jemand im mittleren Stock baut, aber der Keller noch nicht genau geplant ist, es noch keine rechtskräftige Planfeststellung gibt, die Zufahrt für die Tiefgarage noch nicht geklärt ist. Trotzdem fängt man an zu bauen. Das ist Ihre Logik. Die bringt die Leute wirklich so durcheinander, dass sie sagen: Es kann doch nicht wahr sein, dass Politik so denkt und dann noch behauptet, dass das Verfahren korrekt ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das ist das krasse Gegenteil der Fakten!) Es ist also für die Leute nicht nachvollziehbar. Patrick Döring, dieses Projekt ist nie offen diskutiert worden. Nie ist K 21 offen und alternativ diskutiert worden. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Ach du liebe Zeit, wo bist du denn gewesen? Das war ein jahrelanger Tiefschlaf! - Widerspruch bei der FDP) - Nein, dieselben Gutachter, die Stuttgart 21 gemacht haben, haben Sie beim Bund und beim Land als Berater gehabt. Die haben dann gesagt: Das geht nicht, das ist viel zu teuer, das funktioniert nicht. (Zurufe von der CDU/CSU und der FDP) - Warum schreien Sie durch die Gegend? Weil Sie es nicht ertragen können. (Patrick Döring [FDP]: Wir können das gut ertragen!) Das ist die Wahrheit, die in dieser Geschichte eine Rolle spielt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Du hast geschlafen all die Jahre!) Offene Debatten, transparente Strukturen, Transparenz der Gutachten, Transparenz der Kosten - wer das alles ausblendet, braucht sich nicht zu wundern, dass Tausende und Abertausende immer wieder auf die Straße gehen. (Markus Grübel [CDU/CSU]: Zur Transparenz: Können Sie auch mal sagen, welche Trasse Sie wollen?) Zu guter Letzt. Heute ist viel über die Verantwortung von Ministerpräsident Mappus gesprochen worden. Aber auch Sie haben hier eine Verantwortung als Koalitionsmehrheit; die Bundesregierung hat hier eine Verantwortung. Denn es geht im Wesentlichen um das Geld des Bundes und darum, was der Bund im Schienenbereich überhaupt noch leisten kann. Sie wissen so gut wie ich - jedenfalls diejenigen, die im Verkehrsausschuss sind, wissen es -, dass dieses Projekt zusammen mit der Neubaustrecke mit der Summe von 10, 11 oder noch mehr Milliarden Euro (Patrick Döring [FDP]: Das sind doch Fantasiebeträge!) den Schienenverkehrsetat in den nächsten zehn Jahren in unglaublicher Weise plündert, ruiniert, (Patrick Döring [FDP]: Fantasiebeträge!) sodass zahlreiche andere, vernünftige Projekte nicht möglich sind. Das ist doch der Grund, warum wir gegen dieses Projekt kämpfen: weil es unglaublich viel Geld kostet und nichts bringt. (Lebhafter Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Patrick Döring [FDP]: Fantasiebeträge!) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Nächster Redner ist der Kollege Werner Simmling für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Werner Simmling (FDP): Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir alle sollten uns dessen bewusst sein, dass wir den Ausnahmezustand, der in der Stuttgart-21-Debatte - wie auch jetzt wieder in diesem Hohen Hause - herrscht, unmittelbar beenden sollten. Er führt zu nichts. Auch solche Bilder, wie wir sie am vergangenen Donnerstag sehen mussten, darf es nicht mehr geben. Herr Hermann, vielleicht kann ich Ihr Erinnerungsvermögen etwas stärken. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das ist aber schwierig! Der hat jahrelang geschlafen!) Es war, glaube ich, im Mai 2005, als Ihre Fraktion noch mehr Geld und das Verfahren noch beschleunigen wollte. (Zurufe von der CDU/CSU: Aha! - Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, falsch!) - Das ist aber nachzulesen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Hört! Hört! Ist alles nachzulesen!) Der heutige Vorschlag von Ministerpräsident Mappus, einen Vermittler einzusetzen, ist ein wichtiger Schritt auf diesem Wege. Die baden-württembergische Landesregierung hat damit einmal mehr bewiesen, dass sie zum Dialog bereit ist. Die Landesregierung genießt dabei unser vollstes Vertrauen. Daher mein Appell an alle Demokraten, sich schnellstens wieder eines würdigen und respektvollen Diskussionsklimas zu befleißigen. Wir müssen die Diskussion und den Dialog fortführen. Es gibt im Rahmen von Stuttgart 21 noch viele Punkte, die gemeinsam ausgestaltet werden können. Gleichwohl dürfen wir nicht an den getroffenen Entscheidungen zweifeln. Ein Baustopp oder eine Volksabstimmung sind deswegen auch keine Voraussetzung für den Dialog. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Erst am 29. September, also vor wenigen Tagen, hat sich der Regionalverband Stuttgart mit 68 von 88 Stimmen gegen ein Moratorium entschieden. Na, was sagen Sie dazu? (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Kluge Entscheidung!) Meine Damen und Herren, über was reden wir denn hier? Wir reden über ein bedeutendes Infrastrukturprojekt für die nächste Generation. Nur zu Ihrer Information: Ich habe Jahrzehnte in Stuttgart gelebt. Seit einiger Zeit wohne ich auf der Schwäbischen Alb, genau da, wo die Schnellbahntrasse Wendlingen-Ulm nach Verlassen des Steinbühltunnels wieder ans Tageslicht kommt. Ich kenne die dortigen Voraussetzungen also sehr gut. Stuttgart 21 und die Schnellbahnstrecke Wendlingen-Ulm sind ein Verkehrsprojekt mit großer Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland, für das Land Baden-Württemberg, für Stuttgart selbst und für die Region. Dies ist eine Riesenchance für die städtische Entwicklung Stuttgarts und für eine Verkehrsinfrastruktur der Zukunft. Übrigens - nur zur Information -: Der Bahnhof ist planfestgestellt. Der heutige Kopfbahnhof in Stuttgart ist an der Grenze seiner Leistungsfähigkeit; dies ist auch bei den Grünen unstrittig. (Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Es sind schon vor 20 Jahren viel mehr Züge gefahren! - Weiterer Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Der neue hat noch weniger!) Der heutige Bahnhof, seit 1927 in Betrieb, wird außerdem in seiner Charakteristik als Wahrzeichen mit Bahnhofsturm und Schalterhalle erhalten bleiben. Wir reden auch über eine unzureichende Infrastruktur. Die Gleise sind teilweise 150 Jahre alt. Wir fahren heute noch mit 70 Kilometern pro Stunde über die Schwäbische Alb; ich habe das schon einmal gesagt: Das ist die Realität. Solche Situationen finden Sie auf dem gesamten TGV-Netz in Frankreich nicht. In der Zukunft wird Stuttgart einen modernen Durchgangsbahnhof haben, der den Bahnknoten Stuttgart fit für die Zukunft macht. Nur halb so viele Gleise, die hauptsächlich in Tunneln verlaufen, ermöglichen, dass hier künftig deutlich mehr Züge in den Bahnhof ein- und ausfahren können, ohne sich gegenseitig zu blockieren. Damit schaffen wir Kapazitätsreserven und eine größere Flexibilität. Verspätungen gehören damit der Vergangenheit an. Stuttgart ist dann nicht mehr Endstation, sondern Durchgangsstation, insbesondere auf der für Europa wichtigen Magistrale Paris-Budapest. Mit der Anbindung des Flughafens und der Messe an die Innenstadt wird regional eine in Deutschland einmalige Verkehrsinfrastruktur geschaffen, die Schiene, Straße und Luft optimal verbindet. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dies dient den Bürgerinnen und Bürgern und unserer Wirtschaft. Wirtschaft ist doch keine virtuelle Veranstaltung; das muss in dieser Debatte einmal gesagt werden. Wirtschaft bietet den Bürgern Arbeitsplätze. Gerade nach der überstandenen Finanz- und Wirtschaftskrise sind wir uns der Wichtigkeit von Arbeitsplätzen mehr denn je bewusst. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Mit Stuttgart 21 und der Neubaustrecke wollen wir das ökologische Verkehrsmittel Schiene stärken. Ich frage mich, was dagegenspricht. Diese Verkehrsinfrastruktur bringt erhebliche Vorteile. Wir haben doch schon heute den Verkehrskollaps in und um Stuttgart. Mit der Optimierung der Schiene entlasten wir die Straße. Außerdem werden auch die regionalen Verbindungen deutlich attraktiver, also - das wurde schon vorhin angesprochen - von Stuttgart-City zum Flughafen nur noch 8 Minuten statt 27 Minuten, von Tübingen nach Stuttgart 41 Minuten statt 61 Minuten und von Ulm nach Stuttgart 28 Minuten statt 54 Minuten, um nur einige Beispiele zu nennen. (Zurufe der Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] und Renate Künast [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]) Damit wird die Schiene attraktiver und eine wirkliche Alternative zu Pkw und Flugzeug. Wir rücken als Land näher zusammen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, die frei werdenden Gleisflächen - es ist wahrlich kein ansprechendes Bild, wenn Sie von der sogenannten bürgerlichen Stuttgarter Halbhöhe auf das riesige Gleiswirrwarr am Stuttgarter Hauptbahnhof blicken - ermöglichen ein einmaliges Wachstum innerhalb der bestehenden Stadtgrenzen. Wir können neue ökologische Quartiere im Herzen der Stadt entwickeln. Die Stadt wächst endlich zusammen. Urbanes Leben entsteht auf 100 Hektar frei werdender Gleisfläche. Es wird mehr Grün- und Parkflächen geben. Der Schlossgarten und der Rosensteinpark sind wichtige Naherholungsgebiete für die Stuttgarter Bürger. Wir schaffen mit der Erweiterung der Parkflächen um 20 Hektar eine deutliche Vergrößerung der grünen Lunge im Stuttgarter Talkessel. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss. Werner Simmling (FDP): Ja. - Zusammenfassend möchte ich noch einmal betonen: Stuttgart 21 ist ein Symbol für die Leistungsfähigkeit Deutschlands. Hier geht es nicht nur um Fahrzeiten und weniger Umsteigen. Es geht vielmehr darum, dass wir uns für die Zukunft fit machen. Deshalb bitte ich Sie, sich für die Verwirklichung dieses Projekts einzusetzen. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Nächste Rednerin ist die Kollegin Ute Vogt für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Ute Vogt (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Simmling und Herr Kollege Binninger, wenn es Ihnen so ernst ist mit der Verlässlichkeit in Bezug auf Unternehmen und Investoren, dann müssen Sie sich die Frage gefallen lassen, warum Sie den Atomkonsens der rot-grünen Bundesregierung aufkündigen und damit Arbeitsplätze vernichten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/ CSU]: Ojemine! Das ist so etwas von schief! Gleich am Anfang der Rede geht es schief! - Weiterer Zuruf des Abg. Markus Grübel [CDU/ CSU]) Ihrem Hinweis, Herr Kollege Binninger, dass Stutt-gart 21 den Unternehmen und den Investoren Verlässlichkeit bieten muss, halte ich entgegen: Eine Konzen-tration auf Unternehmen und Investoren bei solch einem Großprojekt mitten im Herzen einer Großstadt ist zu wenig. Es geht auch um das Vertrauen und die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger. Es geht auch um die Mitsprache der Bürgerinnen und Bürger, (Patrick Döring [FDP]: So ist es!) gerade jetzt in unserer weiterentwickelten Demokratie. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Herr Binninger, Sie fragen: Was ist passiert, dass es von dem fast freundschaftlichen Miteinander von Polizei und Demonstranten auf einmal zu solch gewalttätigen Bildern kommen konnte? Ich kann es Ihnen vielleicht ein Stück weit skizzieren, (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Waren Sie dabei?) indem ich Ihnen ein paar Zitate vor Augen halte. Am 20. September sagt Ministerpräsident Stefan Mappus den Gegnern des Bahnhofprojekts den Kampf an. Wörtlich: Mir ist der Fehdehandschuh hingeworfen worden, ich nehme ihn auf. Am 27. September verkündet er: Es gibt einen nicht unerheblichen Teil von Berufsdemons-tranten ... die der Polizei das Leben ... schwer machen. Er spricht davon, dass diese Berufsdemonstranten aggressiv sind und eine große Gewaltbereitschaft an den Tag legen. Das war zu einer Zeit, zu der noch überhaupt nichts an gewalttätigen Ausschreitungen im Schlosspark vorgefallen war. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das sehen die Polizisten ein bisschen anders!) Er wird begleitet von Herrn Strobl - einem Kollegen, der gleich noch zu Wort kommen wird -, der am 27. September, drei Tage vor dem harten Durchgreifen der Polizei, verkündet, einen Teil der Demonstranten brauche man nicht zu kriminalisieren, er sei bereits kriminell geworden - (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: So ist es!) zu einem Zeitpunkt, zu dem noch überhaupt keine Straftat verübt worden war, Herr Kollege Strobl. (Beifall bei der SPD - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Aber beschäftigen Sie sich doch mal mit den Fakten!) Ich denke, durch solcherlei Zuspitzung ist diese Eskalation bewusst politisch herbeigeredet worden, (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) zu einem Zeitpunkt, zu dem der Ministerpräsident gespürt hat, dass er zwar die Demonstrantinnen und Demonstranten nicht mehr auf seine Seite bekommt, dass er aber vielleicht die konservative Klientel noch erreichen kann, die an starke Führung und unnachgiebige Härte glaubt. (Zuruf von der CDU/CSU: So ein Blödsinn!) Den starken Mann machen, das war das Ziel. Der Ministerpräsident hat Verletzte in Kauf genommen und die Polizei missbraucht, um dieses Großprojekt durchzuprügeln. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das sollten Sie zurücknehmen! - Volker Kauder [CDU/CSU]: Aus Ihnen spricht die Enttäuschung, ihm unterlegen zu sein!) Er steht damit in einer schlechten Tradition konservativer Regierungen: Wenn bei Großprojekten die politischen Argumente ausgehen, dann muss die Polizei herhalten. Ich bin, Herr Kollege Kauder, für Stuttgart 21. Wir befürworten dieses Projekt; (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Wer in der SPD noch?) daran will ich keinen Zweifel lassen. Da streite ich mich auch. Aber ich streite mich mit Worten. Ich benutze nicht die Polizei, um meinen Argumenten Geltung zu verschaffen. (Beifall bei der SPD - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das ist eine Unverschämtheit!) Es geht darum, dass wir deutlich machen, dass Großprojekte in der heutigen Zeit so nicht mehr durchgesetzt werden können. Wir müssen doch sehen, was sich in der Stadt abspielt. Herr Mappus sagt selbst: Wir müssen uns fragen, ob Großprojekte nicht anders vermittelt werden müssen. Ich sage Ihnen: Das nehmen wir gerne auf. Wir brauchen in Stuttgart einen Ausweg. Es hilft doch nicht, die Zäune immer höher zu machen und immer mehr Polizei zusammenzuziehen. Wir merken, dass wir einen Neuanfang brauchen, auch was die Dialogfähigkeit angeht. (Beifall bei der SPD) Jetzt geht es um die Frage: Wie finden wir einen Kompromiss? Ich muss ehrlich sagen: Sosehr ich Herrn Geißler mit mancher Position auch schätze, ist mir nicht klar, wie er einen Kompromiss finden will. Die einen wollen, dass der Bahnhof oben bleibt, und die anderen wollen, dass er unterirdisch gebaut wird. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Was wollen Sie?) Wie soll da ein Kompromiss gefunden werden? (Volker Kauder [CDU/CSU]: Mittendrin halt! - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Was will die SPD?) Ich glaube, der Ausweg kann nur darin liegen, dass wir die Menschen in einer solchen Situation, in der sie sich so unversöhnlich gegenüberstehen, direkt und unmittelbar selbst entscheiden lassen. Wir sollten anerkennen, dass eine Volksabstimmung als einzig korrekte Möglichkeit bleibt. (Beifall bei der SPD - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Die SPD ist dafür und dagegen zugleich!) Eine Volksabstimmung brächte uns die Chance, Pro und Kontra tatsächlich wieder auf sachlicher Ebene zu diskutieren. Eine Volksabstimmung ergänzt die parlamentarische Demokratie. In der Landesverfassung wäre diese Möglichkeit doch überhaupt nicht vorgesehen, wenn wir nicht wollten, dass die Bevölkerung das Wort haben kann. Sie haben jetzt eine juristische Bewertung vornehmen lassen. Wie immer, wenn es schwierig wird, bezahlt man Herrn Kirchhof; der sagt dann schon, was die Regierung gerne hören möchte. (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Jetzt aber langsam!) Wenn der Herr Kirchhof recht hätte mit der Argumentation, dass das Land mangels Kompetenz in Bezug auf das Eisenbahnwesen nicht mehr aus der Teilfinanzierung aussteigen darf, dann würde das doch bedeuten, dass das Land am Anfang auch nicht die Kompetenz gehabt hätte, den Vertrag überhaupt abzuschließen. Das, was uns in diesem Gutachten vorgetragen wird, ist doch irrwitzig. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Frau Kollegin, achten Sie bitte auf die Redezeit. Ute Vogt (SPD): Es ist eine rein politische Argumentation. Ich denke, das, was Sie betreiben, ist obrigkeitsstaatliches Handeln von ganz alter Denke. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Für die neue Denke brauchen wir Sie, oder?) Das wird spürbar, wenn man sieht, wie Sie mit den Schülerinnen und Schülern umgehen, die an der Demonstration teilgenommen haben. Jemand, der Demokratie ernst nimmt, der Beteiligung will und erkennt, dass man in solch einer Stadt einen Schritt weiter gehen muss, der würde jetzt nicht die Schülerinnen und Schüler disziplinarrechtlich verfolgen und schauen, welcher Lehrer möglicherweise beteiligt war, sondern sich bei den Jugendlichen für die Verletzungen entschuldigen, die sie dort erlitten haben. (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen. Ute Vogt (SPD): Ich möchte mit einem aus meiner Sicht sehr treffenden Fazit schließen, das die Süddeutsche Zeitung gezogen hat. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Kommen Sie bitte zügig zum Schluss. Sie haben Ihre Redezeit weit überzogen. Ute Vogt (SPD): Dort hieß es: Für einen Dialog ist es jetzt viel zu spät, nicht aber für einen Baustopp und einen Volksentscheid. In diesem Sinne bitte ich Sie: (Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt ist aber Schluss hier!) Helfen Sie mit, dass man in Stuttgart wieder vernünftig miteinander reden kann, dass sich die Menschen nicht mehr unversöhnlich gegenüberstehen! Machen Sie den Weg frei für eine Volksabstimmung! (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Nächster Redner ist der Kollege Steffen Bilger für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Steffen Bilger (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte auch ich mein Bedauern über die Vorkommnisse am vergangenen Donnerstag zum Ausdruck bringen. Allen verletzten Demonstranten und Polizisten wünsche ich baldige und umfassende Genesung. Liebe Frau Kollegin Vogt, ich bin froh, dass wir diese Debatte heute führen anstatt am vergangenen Freitag, als wir hier ohne ausreichende Sachkenntnis eine kurze Diskussion geführt haben und als die SPD noch zu ganz anderen Ergebnissen gekommen ist als gestern die Abgeordneten der SPD-Landtagsfraktion im zuständigen Gremium, dem Innenausschuss des Landtags von Baden-Württemberg. (Peter Friedrich [SPD]: Das stimmt doch gar nicht!) Ich fordere die SPD auf, ihre Position zu klären. Die SPD-Fraktion in der Regionalversammlung des Verbands Region Stuttgart bringt einen Antrag gegen einen Baustopp ein, (Ute Vogt [SPD]: Die sind aber nicht zuständig!) die SPD-Landtagsfraktion äußert sich einmal so und einmal so, die Bundestagsfraktion genauso. Bitte klären Sie einmal Ihre Position! (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Peter Friedrich [SPD]: Hören Sie halt mal zu! Lesen bildet!) Am Wochenende war ich in der Region Stuttgart - Frau Hänsel, nicht in der letzten Woche, als hier Präsenzpflicht bestand - und habe dort mit vielen Menschen gesprochen, mit Befürwortern und Gegnern von Stuttgart 21, auch mit Demonstranten und mit Augenzeugen der Ereignisse vom Donnerstag. Nach all diesen Gesprächen ist für mich klar: Ja, es gab friedliche Demonstranten, die unbewusst in diese Auseinandersetzung geraten sind. Aber so einfach, wie es sich Linke und Grüne gerne machen würden, ist es nicht; es gab sehr wohl gezielte Provokationen, Beleidigungen und Angriffe gegen die Polizei. Dazu liegen uns seit gestern Videoaufnahmen vor. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, aber das rechtfertigt keinen Wasserwerferstrahl ins Gesicht! Es gilt doch nicht "Auge um Auge, Zahn um Zahn"! Wir sind doch nicht bei einer Wirtshausschlägerei!) Am Wochenende habe ich auch vielfach Berichte über den Umgang einiger Gegner von Stuttgart 21 mit politisch Andersdenkenden gehört. Es muss auch einmal gesagt werden, dass es mittlerweile an der Tagesordnung ist, dass Befürworter von Stuttgart 21 bedroht, angepöbelt und beleidigt werden, dass ihre Autos demoliert und sie teilweise verletzt werden. All das geschah auch am vergangenen Donnerstag am Rande der Demonstrationen. Es fällt auch einem interessierten Baden-Württemberger mittlerweile schwer, zu verstehen, was die Grünen eigentlich wollen. Wer spricht denn eigentlich für die Grünen: die Fraktion im Gemeinderat der Stadt Stuttgart, die Landtagsfraktion, Herr Hermann oder der in Tübingen offensichtlich gelangweilte Oberbürgermeister Palmer? Wenn ich beispielsweise an die unterschiedlichen Aussagen zu Ihrem Gutachten vor wenigen Wochen denke, komme ich zu dem Schluss: Sie scheinen sich untereinander nicht ganz grün zu sein. Sind die Grünen nun für die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm oder dagegen? Bis vor kurzem waren Sie noch dafür; jetzt sind Sie dagegen, weil es einfacher ist. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil es zu teuer ist!) Sind die Grünen für das Alternativkonzept K 21 oder dagegen? (Oliver Luksic [FDP]: Sie sind die Dagegenpartei!) Eigentlich sind sie dafür - Ihre Werbeagentur hat schon die K-21-Materialien farblich passend zum Landtagswahlkampf in grün gestaltet -, aber es lässt sich nur zusammen mit der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm umsetzen. Auch für K 21 müssten Platanen gefällt werden, und die Gleise müssten mitten durchs Neckartal zwischen der Wohnbebauung hindurchgeführt werden. (Zuruf von der CDU/CSU: Genau! Sehr richtig!) Mittlerweile sind die Grünen gegen jede Veränderung, weil es einfacher ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Stuttgart 21 ist ein Zukunftsprojekt. Besonders viele junge Menschen machen sich Sorgen um die Zukunft unseres Landes, gerade weil sie daran zweifeln, ob wir überhaupt noch in der Lage sind, wichtige Projekte auch gegen Proteste durchzusetzen. Stuttgart 21 ist daher ein Prüfstein für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann ist es um Deutschland schlecht bestellt!) Weil das alles viele junge Menschen wissen, sind es besonders die jungen Menschen, die sich für Stuttgart 21 stark machen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen: Viele von ihnen demonstrieren für dieses Projekt seit einigen Wochen jeden Donnerstag. (Florian Pronold [SPD]: Sie dürfen die jungen Menschen nicht mit der Jungen Union verwechseln!) Mittlerweile sind es mehrere Tausend. Viele bringen ihre Meinung im Internet zum Ausdruck. Über 60 000 Men-schen haben sich mittlerweile der Facebookseite "FÜR Stuttgart 21" angeschlossen. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Hört! Hört!) Auch das muss einmal gesagt werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das ist auch eine Volksabstimmung!) Daher: Auch und gerade im Interesse der jungen Generation lohnt sich der Einsatz für Stuttgart 21, und deshalb werben wir für dieses wichtige Zukunftsprojekt. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Nächster Redner ist der Kollege Uwe Beckmeyer für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber kein Hafen, Herr Beckmeyer!) Uwe Beckmeyer (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hier hat jemand sein Manuskript liegen lassen. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Dann nimm doch die Rede, die ist besser! - Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die CDU/CSU muss sich fragen, ob sie will, dass die Legitimation durch das Parlament hergestellt wird oder durch Facebook. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Was?) Diese Frage habe ich mir eben gestellt. Was die Legitimation durch Parlamente anbelangt - ich erinnere an die Ausführungen von Herrn Dr. Grube von der DB AG -, so muss man unsere Entscheidung, die wir im Jahre 2005 getroffen haben, erklären. Immer wieder wird das Argument angeführt, dass die andere Seite des Parlamentes Stuttgart 21 mit beschlossen hat. Der vorliegende Beschluss ist konditioniert, und zwar dergestalt, dass uns die Verantwortlichen die Wirtschaftlichkeit dieses Projektes erläutern. Diese Wirtschaftlichkeitsberechnung ist bis zum heutigen Tage nicht vorgelegt worden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG hat im Dezember letzten Jahres getagt und einen merkwürdigen Beschluss auf der Basis eines Aufsichtsratspapiers gefasst - zum damaligen Zeitpunkt war der Ausstieg der DB AG noch möglich -: Wir als Deutsche Bahn AG haben alle Preissteigerungen berücksichtigt. Die Kosten sind von 3 auf 4 Milliarden Euro gestiegen. Als Spitzenabdeckung haben wir noch 430 Millionen Euro obendrauf gepackt. - In der Öffentlichkeit denkt jeder: Wunderbar! Super! Klasse Ergebnis! Es ist noch eine Sicherheitsreserve für die Planer da. Was ist in Wirklichkeit passiert? Wir haben Hinweise, dass die eigenen Planer der Deutschen Bahn AG - ohne dass das das Eisenbahn-Bundesamt in irgendeiner Weise genehmigt hat - 900 Millionen Euro herausgerechnet haben. (Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nichts ist genehmigt!) - Nichts ist genehmigt! (Zurufe von Abgeordneten der CDU/CSU) - Lassen Sie mich ausreden, vielleicht werden Sie dadurch ein bisschen klüger, Herr Kauder. - 900 Mil-lionen Euro: 600 Millionen Euro kamen durch Planungsverbesserungen und 300 Millionen Euro dadurch zustande, dass man ein anderes Druckverhältnis im Gestein angenommen hat, ohne dass das Eisenbahn-Bundesamt einen Haken daran gemacht und dies gebilligt hätte. Das waren eigene, interne Berechnungen. Das korrespondiert mit der Aussage, die Herr Grube in der damaligen Zeit gemacht hat. Er hat gesagt: "Wir bauen Tunnels, keine Bunker". Aber wir alle wollen doch hoffentlich sichere Tunnel haben. Das ist der entscheidende Punkt. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir wollen in dieser Frage Klarheit und Transparenz; denn in dieser Frage sind Klarheit und Transparenz nötig. (Zuruf von der CDU/CSU: Nicht jeder, der einen Tunnelblick hat, ist ein Tunnelexperte!) Das Argument kann nicht der Wasserwerfer sein. Sie greifen hier und heute in die Streusandbüchse, um dem deutschen Volk Sand in die Augen zu streuen. Wir wollen Transparenz; das ist das Entscheidende. Bei Ihnen sollte Nachdenklichkeit einkehren. Sie sollten darüber nachdenken, wie das zustande gekommen ist. Die Fernsehbilder von unsäglichen Szenen haben dazu beigetragen, dass die Menschen in ganz Deutschland betroffen sind. Diese Bilder haben unsägliche Vorgänge und das Verhalten eines Staates gezeigt, wie ich ihn mir nicht vorstelle. Das kann nicht unser Verständnis eines demokratisch verfassten Staates sein, eines Staates, der demokratische Prinzipien hat, die wir in diesem Hause verteidigen und für die wir eintreten. So nicht! Sorgen Sie bitte schön dafür, dass die Verantwortlichen in Baden-Württemberg diese Vorgehensweise sein lassen. Das ist der erste entscheidende Punkt. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich komme zu meinem zweiten Punkt. Herr Hundt, der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, hat in der Stuttgarter Zeitung gesagt, die Kosten von S 21 könnten kein Kriterium sein. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind ja nicht seine Gelder!) Da frage ich mich: Wo leben wir eigentlich? Ist S 21 sakrosankt? Kann es kosten, was es wolle? (Volker Kauder [CDU/CSU]: Waren Sie nicht mal dafür in Stuttgart? Der Landtag hat das beschlossen!) Nein! Legitimation, Transparenz und vor allen Dingen Wirtschaftlichkeit sind bei diesem Projekt notwendig. In erster Linie ist die Bundesregierung gefordert; denn im Hinblick auf die DB AG ist sie dafür zuständig, dass die Kontrollfunktion des Bundes in dieser Angelegenheit wahrgenommen wird. (Patrick Döring [FDP]: Ja, sicher!) Das ist Aufgabe der Bundeskanzlerin, aber auch des Verkehrsministers und des Finanzministers. Sorgen Sie dafür, dass die Kriterien der Wirtschaftlichkeit und der Transparenz eingehalten werden! Dann werden wir uns mit Ihnen unterhalten. Hoffentlich werden uns, Herrn Geißler und all denen, die jetzt diskutieren, endlich die richtigen Zahlen genannt, damit wir uns mit dem Projekt ordentlich auseinandersetzen können. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Letzter Redner in dieser Debatte ist nun der Kollege Thomas Strobl für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt aber!) Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Projekt Stuttgart 21 ist zunächst ein Schienen- und Bahnhofsprojekt in Baden-Württemberg. Es ist aber gleichsam zu einer Chiffre geworden, die für Fragestellungen steht, die unsere parlamentarische Demokratie, unseren Rechtsstaat und die Zukunft unseres Landes betreffen. In einer parlamentarischen Demokratie entscheiden frei gewählte Parlamente, (Zuruf von der SPD: Und das Volk!) Gerichte überprüfen. Über Stuttgart 21 haben Parlamente hundertfach und Gerichte zigfach entschieden. Die Zahl der Einsprüche von Bürgerinnen und Bürgern, die behandelt worden sind, ist nicht vier-, sondern fünfstellig. Was aber ist, wenn demokratisch gefällte und gerichtlich überprüfte Entscheidungen bei nicht wenigen Menschen keine Akzeptanz finden, Demonstrationen eskalieren, die Fronten sich verhärten, ein Dialog unmöglich wird, die Stimmung zunehmend vergiftet wird? Ich möchte Ihnen ehrlich sagen: Auch ich habe keine Patentlösung. Was ist zu tun, wenn demokratische Entscheidungen bei vielen in der Bevölkerung nicht den hinreichenden Widerhall finden? Ich finde, die beste Antwort hat Joachim Gauck gegeben. Er hat gesagt: Und diese Entscheidungen jetzt nicht zu vollziehen, das wäre ja fast eine Straftat. Die Politiker, die jetzt sagen, ich baue einfach nicht weiter, die dürfen das gar nicht tun, wenn sie sich selbst ernst nehmen. Ich weiß keine bessere Antwort als Joachim Gauck. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zuruf von der LINKEN: Das ist bedauerlich!) Es muss bei dem, was tausendfach entschieden und gerichtlich überprüft worden ist, bleiben, und zwar nicht nur, weil es beschlossen worden ist, sondern auch, weil wir nach wie vor von der Richtigkeit des Projekts überzeugt sind. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Über die Sinnhaftigkeit des Projekts darf freilich gestritten werden - das ist keine Frage -, aber die Legitimation der gefundenen Entscheidung darf nicht infrage gestellt werden. Das wäre, um noch einmal mit Gauck zu sprechen, "eine Straftat", (Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und zwar nicht wegen der Schiene und des Bahnhofs, sondern weil das ein Angriff auf unsere parlamentarische Demokratie wäre. Wer sich über die Parlamente, wer sich über die Gerichte stellt, wer sozusagen eine höhere Wahrheit für sich in Anspruch nimmt, der hat nicht begriffen, dass eine Demokratie eine solche höhere Wahrheit schlichtweg nicht kennt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Florian Pronold [SPD]: Eine höhere Wahrheit gibt es auch nicht durch Wasserwerfer!) Weil die Demokratie letztlich davon lebt, müssen wir wieder zu einem Diskurs, zu Gesprächen zwischen Befürwortern und Gegnern kommen. Deswegen akzeptieren wir - das hat Ministerpräsident Mappus heute Mittag im Landtag von Baden-Württemberg gesagt - den vom Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Landtag von Baden-Württemberg vorgeschlagenen Vermittler Heiner Geißler. Der baden-württembergische Ministerpräsident und jener Fraktionsvorsitzende der Grünen haben übrigens schon einmal zu Gesprächen eingeladen - erfolglos. Es geht nämlich nicht, dass von einer Seite Vorbedingungen diktiert werden. (Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann müssen wir die Vorbedingung des Weiterbauens infrage stellen!) Diese Vorbedingungen werden diktiert, weil manche in Wahrheit gar keinen Dialog wollen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Heike Hänsel [DIE LINKE]: Einfach Fakten schaffen!) Nicht allen, aber manchen geht es nicht um Dialog und Auseinandersetzung. Einigen geht es um Krawall, um das Dagegensein, um das Diskreditieren von Parlamenten und das Brüskieren von gewählten Regierungen; aber das akzeptieren wir nicht. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir setzen auf die Kraft des Arguments. Lassen Sie uns alle mithelfen - ich spreche all diejenigen an, die gute Argumente nicht zu fürchten brauchen -, dass es zu einem Dialog kommt. Lassen wir die Kirche einmal im Dorf. Bei Stuttgart 21 geht es um die Modernisierung eines Eisenbahngleises aus dem vorletzten Jahrhundert. Um 1850 wurde diese Schiene verlegt. Heute sollen darauf Intercityzüge mit 10 000 PS fahren. Sie fahren zwischen Paris und Wien mit 300 Stundenkilometern, und die Schwäbische Alb hinauf schnaufen sie mit 50, 60 Stundenkilo-metern. Dazu kommt der Umbau eines 100 Jahre alten, heruntergekommenen Kopfbahnhofs. Wenn wir es in Deutschland nicht schaffen, so etwas zu modernisieren, dann ist es um die Zukunftsfähigkeit unseres Landes schlecht bestellt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Eine letzte Bemerkung, die zur Wahrheit gehört: Manche sind etwas früh in den Landtagswahlkampf eingestiegen. Für die SPD war das ein Fehlstart. Sie wissen jetzt gar nicht mehr, ob Sie für oder gegen das Projekt sind. Der Beitrag meines Vorredners hat das sehr deutlich gezeigt. Jetzt flüchten Sie sich in den Populismus und fordern eine Volksbefragung, (Ute Vogt [SPD]: Demokratisch!) die die Verfassung von Baden-Württemberg aber leider - das ist schade - nicht vorsieht. (Zuruf des Abg. Peter Friedrich [SPD]) Andere, die die Verfassung von Baden-Württemberg offensichtlich etwas besser kennen als Sie, Herr Friedrich, streben jetzt ein Volksbegehren zur Auflösung des Landtags an. Das lässt tief blicken. Das zeigt, dass es längst nicht mehr nur um Stuttgart 21 geht, sondern auch um die nächste Landtagswahl. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat doch Frau Merkel gesagt!) Es geht darum, eine bürgerliche Regierung zu schleifen, die seit Jahrzehnten so erfolgreich ist, dass das Land Baden-Württemberg nicht nur an der Spitze Deutschlands, sondern ganz Europas steht. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Sie missbrauchen und instrumentalisieren Stuttgart 21 für billige Wahlkampfzwecke. Das ist die Wahrheit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenden Sie sich an die Kanzlerin!) Im Übrigen verteidigen die Befürworter des Projekts eine Infrastrukturmaßnahme, die vor 20 Jahren auf den Weg gebracht wurde. Damals hatte noch niemand den 27. März 2011 auf dem Schirm. Die Befürworter könnten es sich einfach machen und einknicken; aber die Befürworter stehen zu ihren Überzeugungen. Lassen Sie uns alle, auch wenn wir in der Sache streiten, nicht so sehr an die nächste Landtagswahl denken, sondern lieber an die nächste Generation. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 7. Oktober, 9 Uhr, ein. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend und schließe die Sitzung. (Schluss: 17.20 Uhr) Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Binder, Karin DIE LINKE 06.10.2010 Bülow, Marco SPD 06.10.2010 Fischer (Karlsruhe-Land), Axel E. CDU/CSU 06.10.2010* Friedhoff, Paul K. FDP 06.10.2010 Fritz, Erich G. CDU/CSU 06.10.2010* Götz, Peter CDU/CSU 06.10.2010 Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 06.10.2010 Haibach, Holger CDU/CSU 06.10.2010* Hörster, Joachim CDU/CSU 06.10.2010* Klöckner, Julia CDU/CSU 06.10.2010 Krestel, Holger FDP 06.10.2010 Krüger-Leißner, Angelika SPD 06.10.2010** Marks, Caren SPD 06.10.2010 Meierhofer, Horst FDP 06.10.2010 Müller (Köln), Kerstin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 06.10.2010 Oswald, Eduard CDU/CSU 06.10.2010 Ploetz, Yvonne DIE LINKE 06.10.2010 Rupprecht (Tuchenbach), Marlene SPD 06.10.2010* Dr. Schäuble, Wolfgang CDU/CSU 06.10.2010 Scholz, Olaf SPD 06.10.2010 Schreiner, Ottmar SPD 06.10.2010 Dr. Seifert, Ilja DIE LINKE 06.10.2010 Senger-Schäfer, Kathrin DIE LINKE 06.10.2010 Dr. Solms, Hermann Otto FDP 06.10.2010 Dr. Steinmeier, Frank-Walter SPD 06.10.2010 Strässer, Christoph SPD 06.10.2010* Strenz, Karin CDU/CSU 06.10.2010* Toncar, Florian FDP 06.10.2010 Wagenknecht, Sahra DIE LINKE 06.10.2010 Werner, Katrin DIE LINKE 06.10.2010* Wieczorek-Zeul, Heidemarie SPD 06.10.2010 Zöller, Wolfgang CDU/CSU 06.10.2010 * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an der 123. Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Christoph Bergner auf die Frage des Abgeordneten Memet Kilic (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/3113, Frage 2): Wie beurteilt die Bundesregierung die von der UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay erhobenen schweren Vorwürfe gegen Deutschland, "die anhaltende Rückführung der Roma von Deutschland in das Kosovo habe verheerende Folgen für die Rechte der Kinder", sowie ihre Klage über eine "unglaubliche Diskriminierung", und beabsichtigt die Bundesregierung vor diesem Hintergrund, die Rückführungen der Roma in das Kosovo auszusetzen bzw. entsprechend dem Vorschlag der UN-Menschenrechtskommissarin ihnen einen verbesserten Zugang zu Bildung und anderen Leistungen wie medizinische Versorgung, angemessene Unterkünfte und Arbeitsmöglichkeiten einzuräumen? Die Bundesregierung hat eine eigene Einschätzung der Sicherheitslage in Kosovo unter Beiziehung von Berichten internationaler Organisationen vorgenommen und ist zu der Auffassung gelangt, dass keine unmittelbare Gefährdung nur aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie besteht. Im Übrigen sind wirtschaftliche oder soziale Aspekte im Zielstaat grundsätzlich nicht ausschlaggebend für die Frage der Rückführbarkeit einer Person. Vielmehr richten sich die Ausreisepflicht und der Vollzug von Rückführungen nach den Bestimmungen des deutschen Aufenthaltsgesetzes. Die Roma, die wegen des Balkankrieges 1999 und später nach Deutschland gekommen sind, waren seit jeher ausreisepflichtig. Aus Sicherheitsgründen konnten sie nicht so früh wie albanische Volkszugehörige nach Kosovo zurückkehren; daher wurden ihnen in den Folgejahren immer wieder Duldungen erteilt. Die Situation hat sich inzwischen verändert. Eine Rückkehr in das Kosovo ist unter dem Sicherheitsaspekt nunmehr vertretbar und zumutbar. Im Rahmen der geltenden landesrechtlichen Bestimmungen und der Organisation des Rückführungsvollzugs wird den Kindern der Schulbesuch in Deutschland ermöglicht und darauf geachtet, dass Familien mit schulpflichtigen Kindern möglichst erst nach Ende des Schuljahres bzw. Schulhalbjahres nach Kosovo zurückgeführt werden. In Kosovo gilt die allgemeine Schulpflicht; die Möglichkeit zum Besuch von Schulen und Bildungseinrichtungen ist grundsätzlich auch für die Minderheiten-Volksgruppen der Roma, Ashakli und Ägypter möglich; Einschränkungen können sich für sozial schlecht gestellte Personen - unabhängig von ihrer Ethnie - durch die Nebenkosten des Schulbesuches ergeben. Die kosovarische Regierung bemüht sich im Rahmen ihrer Strategie zur Integration der Roma Gemeinschaften unter anderem darum, Benachteiligungen beim Zugang zu Bildung weiter abzubauen. Zudem unterstützt das vom Bund und den Ländern Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt durchgeführte Rückkehrprojekt "URA 2" die Rückkehrer aller Ethnien und ohne Rücksicht auf die Umstände ihrer Rückkehr bei ihrer Wiedereingliederung mit vielfältigen Angeboten, die zum Beispiel auch Arbeits- und Wohnraumvermittlung beinhalten. Die Bundesregierung sieht daher keine Veranlassung, die Aussetzung der schrittweisen Rückführungen von Roma nach Kosovo gegenüber den Ländern anzuregen. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Christoph Bergner auf die Frage des Abgeordneten Winfried Hermann (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/3113, Frage 3): Trifft es zu, dass an dem Polizeieinsatz am Schlossgarten in Stuttgart am 30. September 2010 Kräfte der Bundespolizei beteiligt waren, und, wenn ja, welche Einsatzpläne lagen dafür vor? Die Bundespolizei hat das Land Baden-Württemberg auf der Grundlage des § 11 des Bundespolizeigesetzes mit einer Einsatzhundertschaft und einer Beweis- und Festnahmehundertschaft unterstützt. Die Bundespolizei wurde gemäß den polizeilichen Befehlen und Durchführungsplänen des Landes Baden-Württemberg im Rahmen des Unterstellungsverhältnisses eingesetzt. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Christoph Bergner auf die Frage des Abgeordneten Winfried Hermann (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/3113, Frage 4): Warum wurde gerade jetzt und so massiv gegen die seit Wochen friedlich gegen das Projekt Stuttgart 21 demonstrierenden Bürgerinnen und Bürger vorgegangen? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Britta Haßelmann (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/3113, Frage 7): Hält die Bundesregierung an ihrem Ziel fest, die Gewerbesteuer durch kommunale Zuschläge auf die Einkommen-, Körperschaft- und Abgeltungsteuer zu ersetzen, nachdem der bayerische Staatsminister der Finanzen, Georg Fahrenschon, am Montag, dem 27. September 2010, erklärt hat, dass der Freistaat Bayern allenfalls zu kleinen Korrekturen an der Gewerbesteuer bereit sei? Ziel der Bundesregierung ist, die kommunalen Finanzen zu stabilisieren, um die finanzielle Handlungsfähigkeit der Kommunen zu sichern. Zu diesem Zweck hat die Bundesregierung die Gemeindefinanzkommission eingesetzt. Die Gemeindefinanzkommission hat unter anderem den Auftrag, Vorschläge zur Zukunft der Gewerbesteuer unter Einbeziehung von Alternativmodellen zu unterbreiten. Das derzeit von der Gemeindefinanzreform vorrangig untersuchte Prüfmodell sieht die Abschaffung der Gewerbesteuer und kommunale Zuschläge auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer vor und würde zu einer deutlich stabileren Einnahmebasis der Gemeinden führen. Die von der Gemeindefinanzkommission eingesetzte Arbeitsgruppe "Kommunalfinanzen" prüft gegenwärtig Fortentwicklungsmöglichkeiten des ursprünglichen Prüfmodells und setzt sich dabei auch mit alternativen Modellvorschlägen auseinander. Die Bundesregierung sieht keinen Grund, warum die Gemeindefinanzkommission ihren Arbeitsauftrag nicht erfüllen sollte. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/3113, Frage 8): Um wie viele Punkte müssten die Umsatzsteueranteile der Kommunen erhöht werden, damit der von dem bayerischen Staatsminister der Finanzen, Georg Fahrenschon, vorgeschlagene Verzicht auf sogenannte Hinzurechnungen bei den Kommunen kompensiert werden kann, und ist diese Maßnahme geeignet, die Gemeindefinanzen zu stärken, insbesondere finanzschwachen Kommunen zu helfen? Ziel der Bundesregierung ist es, die kommunalen Finanzen zu stabilisieren, um die finanzielle Handlungsfähigkeit der Kommunen zu sichern. Zu diesem Zweck prüft die Gemeindefinanzkommission Vorschläge zur Zukunft der Gewerbesteuer unter Einbeziehung von Alternativmodellen. Die Bundesregierung sieht keinen Grund, warum die Gemeindefinanzkommission ihren Arbeitsauftrag nicht erfüllen sollte. Die Kommission lässt derzeit ein Prüfmodell untersuchen, das im Wesentlichen den Ersatz der Gewerbesteuer durch hebesatzbewährte Zuschläge zur Einkommen- und Körperschaftsteuer sowie einen höheren Anteil der Kommunen an der Umsatzsteuer vorsieht. Ziel ist eine Verstetigung und damit Stabilisierung und Stärkung der kommunalen Einnahmen bei gleichzeitig möglichst geringen interkommunalen Umverteilungswirkungen. Die Arbeiten hierzu dauern noch an. Ergebnisse liegen noch nicht vor. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Stefan Schwartze (SPD) (Drucksache 17/3113, Frage 9): Wie bringt die Bundesregierung die erneute Kostenbelastung für Kommunen in Einklang mit der Einsetzung der Gemeindefinanzkommission, die nach Möglichkeiten suchen soll, die Finanzsituation der Kommunen zu stärken? Die von der Bundesregierung eingesetzte Gemeindefinanzkommission erarbeitet gegenwärtig Vorschläge, die Finanzen der Kommunen auf eine stabile Grundlage zu stellen. Es besteht Einvernehmen bei allen Beteiligten, dass die aktuellen Probleme der Kommunen nicht allein über die Einnahmeseite zu lösen sind. Deswegen werden auch Entlastungsmöglichkeiten auf der Ausgabenseite geprüft, zum Beispiel durch Flexibilisierung von Standards. Auf der Basis der Ergebnisse der eingesetzten Arbeitsgruppen wird sich die Kommission im Rahmen eines Gesamtpaketes auf Maßnahmen zur Stärkung der Kommunalfinanzen verständigen. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Steffen Kampeter auf die Frage des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Drucksache 17/3113, Frage 10): In welchem Umfang haben im Hinblick auf Presseveröffentlichungen in der FAZ vom 29. September 2010 zum Haushaltsbericht 2009 der Europäischen Union - "8,1 Milliarden Euro netto für die EU" - jeweils im Einzelnen die Bundesregierung - nach Bundesministerien - und die Bundesländer - nach Ländern - Rückflüsse von EU-Mitteln erhalten? Insgesamt entfielen auf Deutschland im Jahr 2009 Rückflüsse in Höhe von 11,7 Milliarden Euro. Diese teilen sich wie folgt auf: Rubrik 1 a: Wettbewerbsfähigkeit: 1,44 Milliarden Euro; Rubrik 1 b: Kohäsion: 3,31 Milliarden Euro; Rubrik 2: Natürliche Ressourcen (Landwirtschaft): 6,68 Milliarden Euro; Rubrik 3 a: Freiheit, Sicherheit und Recht: 0,44 Milliarden Euro; Rubrik 3 b: Unionsbürgerschaft: 0,5 Milliarden Euro; Rubrik 4: Die EU als globaler Akteur: keine Rückflüsse für Deutschland, da diese Gelder an Länder außerhalb der EU fließen; Rubrik 5: Verwaltung: 0,18 Milliarden Euro. Über 85 Prozent der Rückflüsse nach Deutschland kamen in 2009 den Bereichen Kohäsionspolitik - Ru-brik 1 b - und Agrarpolitik - Rubrik 2 - zugute. Die Rückflüsse aus dem EU-Haushalt fließen zum größten Teil in die Bundesländer. Die Bundesministerien haben in 2009 aus Rückflüssen der EU nachfolgend dargestellte Einnahmen erzielt (in Millionen Euro): Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt 0,28 Auswärtiges Amt Bundesministerium des Innern 44,9 Bundesministerium der Justiz 0,06 Bundesministerium der Finanzen 0,43 Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie 0,18 Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz 11,8 Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) 254,9 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) 137,6 Bundesministerium für Gesundheit 0,65 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 0,2 Bundesministerium für Bildung und Forschung 0,19 Allgemeine Finanzverwaltung 0,6 Gesamt 451,12 In diesen Beträgen sind Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds, ESF, an das BMAS und der Transeuropäischen Netze, TEN, an das BMVBS enthalten. Eine Zuordnung der Rückflüsse aus der Rubrik 1 a - Wettbewerbsfähigkeit - auf den Bund und die Bundesländer ist aufgrund der Vielzahl der Programme nicht möglich. Zudem fließen diese teilweise auch an private Einrichtungen. Nach Mitteilung der Kommission flossen in der Rubrik 1 b - Kohäsion - 2009 insgesamt rund 3,3 Milliarden Euro zurück. Der überwiegende Teil dieser Rückflüsse entfiel auf die ostdeutschen Bundesländer. Aufteilung der Rückflüsse aus den Strukturfonds (Rubrik 1 b) auf die Bundesländer EFRE ESF EFRE + ESF Millionen Euro Millionen Euro Millionen Euro Baden-Württemberg 3,6 59,1 62,7 Bayern 32,9 9,3 42,2 Berlin 21,9 96,3 118,2 Bremen 10,6 17,2 27,8 Hamburg 0,9 10,1 11,0 Hessen 25,8 37,2 58,5 Niedersachsen 194,1 57,9 252,0 Nordrhein-Westfalen 84,9 78,5 163,4 Rheinland-Pfalz 19,2 23,8 43,0 Saarland 4,9 4,7 9,6 Schleswig-Holstein 39,5 22,4 61,9 Brandenburg 196,5 67,5 61,9 Mecklenburg-Vorpommern 392,6 24,5 417,1 Sachsen 286,3 69,9 356,2 Sachsen-Anhalt 391,1 52,3 394,1 Thüringen 183,4 92,6 235,7 Bundesprogramm ESF 242,9 141,9 Bundesprogramm Verkehr 38,0 38,0 Gesamt 1.926,1 966,2 2.892,3 Die Zahlungen aus dem EFRE (Bundesprogramm Verkehr) und dem ESF für die operationellen Bundesprogramme in Höhe von 38 Millionen Euro bzw. 242,9 Millionen Euro sind nicht weiter auf die Bundesländer aufteilbar. Die Abweichungen der von der EU-Kommission mitgeteilten Summe der Gesamtrückflüsse der Rubrik 1 b und der Gesamtsumme in der Aufteilung für die Bundesländer ist bedingt durch die Zeitspanne zwischen Zahlungsausgang, EU-KOM, und Zahlungseingang, Bundeskasse, zum Jahresende/Jahresanfang. In der Rubrik 2, Landwirtschaft und Fischerei, verteilen sich die Rückflüsse wie folgt: - Direktzahlungen und marktbezogene Ausgaben, EGFL,: 5,7 Milliarden Euro; - Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums, ELER,: 0,93 Milliarden Euro; - Fischereifonds, EFF,: 0,025 Milliarden Euro. Die Rückflüsse des EGFL auf die Bundesländer (im Wesentlichen landwirtschaftliche Direktzahlungen) teilen sich wie folgt auf: 2009 in Euro Anteil in % Baden-Württemberg 439.081.802 7,9 Bayern 1.115.440.421 20,0 Brandenburg und Berlin 379.137.188 6,8 Hamburg 108.600 0,0 Hessen 228.148.181 4,1 Mecklenburg-Vorpommern 421.442.061 7,6 Niedersachsen + Bremen 929.852.715 16,7 Nordrhein-Westfalen 541.780.705 9,7 Rheinland-Pfalz 196.890.728 3,5 Saarland 19.488.857 0,3 Sachsen 302.084.207 5,4 Sachsen-Anhalt 384.104.193 6,9 Schleswig-Holstein 359.522.466 6,5 Thüringen 254.016.364 4,6 Gesamt 5.571.098.489 Die ELER-Mittel verteilen sich wie folgt: Überweisungsbetrag 2009 inkl. Vorschuss in Euro Anteil in % Baden-Württemberg 81.938.633 8,8 Bayern 185.824.248 19,9 Brandenburg und Berlin 123.469.633 13,2 Hamburg 1.472.122 0,2 Hessen 33.312.523 3,6 Mecklenburg-Vorpommern 81.580.558 8,8 Niedersachsen und Bremen 122.126.553 13,1 Nordrhein-Westfalen 43.860.333 4,7 Rheinland-Pfalz 36.017.771 3,9 Schleswig-Holstein 28.058.432 3,0 Saarland 3.916.598 0,4 Sachsen 73.613.488 7,9 Sachsen-Anhalt 43.520.088 4,7 Thüringen 73.121.601 7,8 Deutsche Vernetzungsstelle (Bund) 454.566 0,0 Gesamt 932.287.147,26 Hinweis: Zahlendifferenzen durch Rundungen möglich. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Steffen Kampeter auf die Frage des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Drucksache 17/3113, Frage 11): Welche Projekte in Deutschland sollen bzw. werden mithilfe des europäischen Konjunkturprogramms - jeweils mit Angabe des Investitionsvolumens und der geplanten EU-Zuschüsse - finanziert? Die Verordnung über ein Programm zur Konjunkturbelebung für Vorhaben im Energiebereich (Verordnung (EG) Nr. 663/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009) hat ein geplantes Volumen von insgesamt 3,98 Milliarden Euro. Für Projekte, zu deren Standort auch Deutschland zählt, wurde ein Gemeinschaftsbeitrag von insgesamt 995 Millionen Euro eingeplant. Es handelt sich hierbei um Gas- und Strominfrastrukturvorhaben, Offshore-Windenergie und CO2-Abscheidung und -Speicherung. Bei einigen der Vorhaben sind mehrere EU-Mitgliedstaaten beteiligt. Die genaue Aufteilung der Summen hängt zum einen davon ab, wie die durchführenden Unternehmen diese beantragen, zum anderen, welcher Betrag nach Prüfung der Projektanträge zugestanden wird. Mit Datum 5. Oktober 2010 hat die EU-Kommission mitgeteilt, dass bei den folgenden Projekten, zu deren Standort auch Deutschland zählt, zum Stichtag 1. Oktober 2010 eine Förderungsentscheidung getroffen und eine entsprechende Förderungsvereinbarung unterzeichnet wurde: Gas- und Strominfrastrukturvorhaben Gas-Verbindungsleitungen Vorhaben Standort der unterstützten Vorhaben EU-Kofinanzierungsbeitrag in Euro NABUCCO Österreich, Ungarn, Bulgarien, Deutschland, Rumänien 200000000, Strom-Verbindungsleitungen Vorhaben Standort der unterstützten Vorhaben EU-Kofinanzierungsbeitrag in Euro Halle/SaaleSchweinfurt Deutschland 100000000, Offshore-Windenergie Vorhaben Kapazität Standort der unterstütz ten Vorhaben EU-Kofinanzierungs-beitrag in Euro Netzintegration der Offshore-Windenergie Nordseenetz 1 GW Vereinigtes Königreich, Niederlande, Deutschland, Irland, Dänemark, Belgien, Frankreich, Luxemburg 160640000, Neue Turbinen, Strukturen und Komponenten, Optimierung der Produktionskapazitäten Borkum West II Bard 1 Nordsee Ost Global Tech I 1,6 GW Deutschland 204340893, CO2-Abscheidung und Speicherung Name des Vor habens/Standort EU-Kofinanzie rungsbeitrag in Euro Brennstoff Kapazität Abscheidungs technik Speicherkonzept Jänschwalde/ Deutschland 180000000, Kohle 500 MW Oxyfuel Öl/Gasfelder Die EU-Kommission hat weiter mitgeteilt, dass EU-weit für elf weitere Vorhaben noch keine rechtlichen Verpflichtungen eingegangen wurden, dieses jedoch bis Ende des Jahres 2010 erwartet wird. Für das nachfolgende Vorhaben, zu dessen Standort auch Deutschland gehört, wurde nach den Ausführungen der EU-Kommission bislang noch keine rechtliche Verpflichtung eingegangen: Offshore-Windenergie Vorhaben Kapazität Standort der unterstütz ten Vorhaben Geplanter Gemein schaftsbeitrag in Euro ge mäß Verordnung (EG) Nr. 663/2009 1. Netzintegration der Offshore-Windenergie 1.1. Baltic Kriegers Flak I, II, III. 1,5 GW Dänemark, Schweden, Deutschland, Polen 150000000, Im Haushaltsjahr 2009 sind zudem 600 Millionen Euro an Verpflichtungen aus dem ersten Teil des EU-Konjunkturpakets dem ELER zur Verfügung gestellt worden; für 2010 sind Mittel in Höhe von 420 Millionen Euro beschlossen worden. Diese Mittel stehen für die Förderung des Breitbands in ländlichen Regionen sowie zur Finanzierung der neuen Herausforderungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (Klimawandel, erneuerbare Energien, Wasserwirtschaft, biologische Vielfalt) einschließlich Umstrukturierung des Milchsektors zur Verfügung. Deutschland hat in 2009 einen Betrag von rund 50,34 Millionen Euro aus dem EU-Haushalt erhalten (2010: 35 Millionen Euro). Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) (Drucksache 17/3113, Frage 12): Stimmt die Bundesregierung dem Ergebnis des aktuellen Berichts der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung - The Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes - zu, dass die mit den Caymen Islands und Monaco abgeschlossenen Doppelbesteuerungs- bzw. Informationsaustauschabkommen keinen effektiven Schutz gegen Steuerhinterziehung bieten, weil nicht sichergestellt ist, dass bestimmte Informationen über Anteilseigner und Identitätsnachweise vorliegen oder aktualisiert werden, ToR A.1, ToR A.2, und welche Position vertritt die Bundesregierung in der anstehenden Verhandlung des Doppelbesteuerungsabkommens mit Singapur hinsichtlich der Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung mittels Anrechnungs- oder Freistellungsmethode? Die von Ihnen angesprochenen Berichte zeigen in Bezug auf einige Grundelemente für einen effektiven Informationsaustausch gewisse Mängel und Unzulänglichkeiten auf. Die Bundesregierung hält diese Feststellungen für zutreffend und hat daher als Mitglied des Global Forums beiden Berichten zugestimmt. Die betroffenen Staaten bzw. Gebiete, die den Berichten nicht widersprochen haben, werden nach sechs Monaten bzw. zwölf Monaten über die Umsetzung der Empfehlungen zur Beseitigung der aufgezeigten Mängel berichten. Unabhängig davon bleibt die Implementierung und effektive Anwendung des OECD-Standards auf der Agenda der G20. Die kürzlich mit Monaco und den Kaimaninseln unterzeichneten Abkommen über den steuerlichen Informationsaustausch entsprechen dem OECD-Standard. Sie gewähren den deutschen Finanzbehörden Zugang zu allen Informationen, die zur Durchführung des deutschen Steuerrechts erforderlich sind. Dazu können auch Bankinformationen und Informationen über die Eigentumsverhältnisse an juristischen Personen und anderen Rechtsgebilden gehören. Die Unterzeichnung der Abkommen ist mit der Erwartung verbunden, dass Monaco bzw. die Kaimaninseln sicherstellen, ihren Verpflichtungen aus dem Abkommen nachkommen zu können. Beide Abkommen verbessern die Bekämpfung der Steuerhinterziehung; denn sie bieten nach ihrem Inkrafttreten die Möglichkeit, Sachverhalte durch entsprechende Ersuchen aufzuklären. In der Vergangenheit konnten die Verhältnisse in Monaco bzw. den Kaimaninseln genutzt werden, um Steuern weitgehend risikolos hinterziehen zu können. Nunmehr hat sich die Risikolage grundlegend verändert; denn Ermittlungen in Monaco bzw. den Kaimaninseln werden jetzt möglich. Dies ist ein erheblicher Fortschritt bei der Bekämpfung der Steuerhinterziehung. Die beabsichtigte Erweiterung des Informationsaustausches erfordert eine Revision des DBA-Singapur. Die Bundesregierung prüft gegenwärtig, ob aus Anlass der anstehenden Abkommensrevision von der partiellen Freistellungsmethode auf die Anrechnungsmethode gewechselt werden soll. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE LINKE) (Drucksache 17/3113, Frage 13): Wie hoch ist die Einkommensteuerbelastung der Gruppe von Beschäftigten, die etwa der Referenzgruppe für die Ermittlung der neuen Hartz-IV-Regelsätze entspricht - bitte Einzelbelastung absolut wie relativ nennen sowie das gesamte Steueraufkommen -, und wie viele Erwerbstätige - bitte jährliche Zahlen seit 2005 nennen und möglichst nach verschiedenen Erwerbsformen differenzieren - zahlen Einkommensteuer und erhalten zugleich aufstockende Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, SGB II? Die für die Ermittlung der Hartz-IV-Regelsätze herangezogene Gruppe von Haushalten lässt sich nicht ohne weiteres innerhalb der Einkommensteuerpflichtigen identifizieren. In etwa vergleichbar könnte die Gruppe der Einkommensteuerpflichtigen mit einem Gesamtbetrag der Einkünfte bis 12 000 Euro bei Grundtabellenfällen bzw. bis 24 000 Euro bei Splittingtabellenfällen sein. Nach einer Schätzung mit dem Einkommensteuermodell des Bundesministeriums der Finanzen gilt für diese Einkommensteuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum 2010 Folgendes: Es gibt in dieser Gruppe 13,2 Millionen Einkommensteuerpflichtige; das sind rund 36 Prozent aller Einkommensteuerpflichtigen. Davon sind rund 2,4 Millionen steuerbelastet; das sind rund 9,3 Prozent aller Steuerbelasteten. Die für diese Gruppe festgesetzte Einkommensteuer beträgt 1,1 Milliarden Euro; das sind lediglich 0,6 Prozent des Gesamtaufkommens bezogen auf die festgesetzte Einkommensteuer. Außerdem zahlen die sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmer rund 20 Prozent ihres Bruttolohns als Sozialabgaben (Arbeitnehmer-anteil). Zu den übrigen erfragten Sachverhalten liegen keine Angaben vor. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Hintze auf die Frage des Abgeordneten Heinz Paula (SPD) (Drucksache 17/3113, Frage 14): Ist die für diese Legislaturperiode angekündigte Tourismuskonzeption für den ländlichen Raum schon in Arbeit, und wann genau kann mit ihrer Veröffentlichung gerechnet werden? Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP sieht vor, eine Tourismuskonzeption für den ländlichen Raum zu erstellen. Die Bundesregierung hat mit der Vorbereitung der Tourismuskonzeption begonnen. Alle betroffenen Ressorts werden in die Materialsammlung eingebunden. Die Konzeption soll in dieser Legislaturperiode veröffentlicht werden. Ein konkreter Termin für die Veröffentlichung steht noch nicht fest. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Hintze auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/3113, Frage 15): Wie viele Urlaubsplätze stehen in den Ländern in Familienferienstätten zur Verfügung, und wie hoch sind die durchschnittlichen Kosten für einen 14-tägigen Urlaub in einer Familienferienstätte für eine Alleinerziehende mit zwei Kindern mit Hartz-IV-Bezug mit bzw. ohne zusätzliche Landesförderung (bitte nach Bundesländern aufschlüsseln)? Die bundesweit 112 gemeinnützigen Familienferienstätten bieten sowohl Quartiere für Selbstversorger als auch die Verpflegungsvarianten Übernachtung mit Frühstück, Halbpension und Vollpension an, was sich naturgemäß auch in der Preisgestaltung niederschlägt. Unterbringungs- und Verpflegungskosten sind ferner nach dem Alter der Kinder gestaffelt. Die Kosten für den 14-tägigen Familienurlaub einer alleinerziehenden ALG-II-Empfängerin mit zwei Kindern reichen von 476 Euro bei Zeltübernachtung mit Vollpension, über 588 Euro bei Ferienhausunterbringung mit Selbstversorgung bzw. 726 Euro für das Familienappartement mit Frühstück, bis hin zu 1 841 Euro für die Ferienhausunterbringung bei voller Verpflegung - wobei es sich auch hier nur um Beispiele handelt, die eine Preisspanne abbilden und über eine Stichprobe aus 30 Familienferienstätten ermittelt wurden. Familienferienstätten verfügen durchschnittlich über 130 Betten - die kleinste Einrichtungsgröße liegt bei circa 65 Betten und die maximale Einrichtungsgröße bei circa 400 Betten. Eine Aufstellung über die Anzahl der Familienferienstätten in den einzelnen Bundesländern sowie über Kostenreduktionen bei einem 14-tägigen Familienurlaub einer alleinerziehenden ALG-II-Empfängerin mit zwei Kindern, die sich aus der Individualbezuschussung durch Landesmittel ergeben, füge ich als Anlage bei. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Hintze auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/3113, Frage 16): Wie will die Bundesregierung ihre in ihren Tourismuspolitischen Leitlinien beschlossene Zielstellung: "Ziel der Bundesregierung ist die Teilhabe aller Bevölkerungskreise am Tourismus. Auch Menschen mit gesundheitlichen, sozialen oder finanziellen Einschränkungen sollen reisen können. Deshalb werden Ferienunterkünfte zu erschwinglichen Preisen gefördert." für auf Hartz IV angewiesene Familien mit Kindern realisieren, wenn für ein schulpflichtiges Kind für "Beherbergungs- und Gaststättenleistungen" im Jahr 42,12 Euro bzw. 57,36 Euro vorgesehen sind? Vorrangiges Ziel der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist nicht in erster Linie die Umsetzung der tourismuspolitischen Leitlinien, sondern die schnellstmögliche Eingliederung der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in den Arbeitsmarkt. Diejenigen, die trotz intensiver Bemühungen keinen Arbeitsplatz finden oder mit ihrem Erwerbseinkommen den Lebensunterhalt nicht sichern können, haben Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe des soziokulturellen Existenzminimums. Die Bundesregierung hat die Bemessung der Regelbedarfe nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 vorzunehmen und einen entsprechenden Referentenentwurf vorbereitet. Auf dieser Grundlage wird den Leistungsberechtigten das soziokulturelle Existenzminimum sichergestellt, das ein Konsumverhalten vergleichbar mit Haushalten im unteren Einkommensbereich ermöglicht. Die Bemessung der Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erfolgt auf der Datengrundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, EVS, die alle fünf Jahre durchgeführt wird. Das Bundesverfassungsgericht hat das Statistikmodell ausdrücklich als ein geeignetes Instrument zur realitätsgerechten Bemessung der zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums erforderlichen Leistungen bestätigt. Bei der Entscheidung, welche einzelnen Verbrauchspositionen als regelsatzrelevant einzustufen sind, wurde in der Abteilung 11 "Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen" die Position "Übernachtungen" nicht als regelbedarfsrelevant berücksichtigt. Diese Ausgaben sind dem Bereich Urlaub zuzuordnen, der als nicht existenzsichernd anzusehen ist und folglich für den Regelbedarf nicht zu berücksichtigen ist. Es muss davon ausgegangen werden, dass auch Familien mit niedrigem Einkommen, die keine Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende erhalten, nicht durchgängig Urlaube finanzieren können. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Hintze auf die Frage der Abgeordneten Lisa Paus (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/3113, Frage 17): Wie ist die im Energiekonzept der Bundesregierung erklärte Absicht zu verstehen, wonach "die Bundesregierung ab 2013 den im Haushaltsbegleitgesetz zu beschließenden Spitzenausgleich im Rahmen der Energie- und Stromsteuer nur noch gewähren wird, wenn die Betriebe einen Beitrag zu Energieeinsparungen leisten", wenn die Bundeskanzlerin nur wenige Tage später bezüglich des aktuell vom Bundeskabinett beschlossenen Haushaltsbegleitgesetzes zum Abbau von Ausnahmen bei der Ökosteuer gegenüber dem Bundesverband der Deutschen Industrie e. V., BDI, erklärt: "Ich sage Ihnen zu, dass wir über diese Regeln noch einmal sprechen"? Das Energiekonzept der Bundesregierung sieht vor, die beihilferechtliche Genehmigungsfähigkeit des Spitzenausgleichs im Rahmen des Energiesteuer- und Stromsteuergesetze ab 2013 durch einen Beitrag der Betriebe zur Energieeinsparung zu erreichen. Die Äußerung der Bundeskanzlerin bezieht sich auf die Höhe des Spitzenausgleichs 2011 und 2012. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Hintze auf die Frage des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/3113, Frage 20): Unterstützt die Bundesregierung den Multi-Stakeholder-Ansatz im Bereich der globalen Netzpolitik, und wird sie sich demnach während der nächsten Vollversammlung der Vereinten Nationen für eine Verlängerung des auslaufenden Mandats des im Rahmen des Weltgipfels der Informationsgesellschaft eingerichteten Internet-Governance-Forums einsetzen? Die Bundesregierung unterstützt den Multi-Stakeholder-Ansatz im Bereich der globalen Netzpolitik. Deshalb wird sie sich während der nächsten Vollversammlung der Vereinten Nationen für eine Verlängerung des auslaufenden Mandats des Internet-Governance-Forums einsetzen. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Hintze auf die Frage des Abgeordneten Garrelt Duin (SPD) (Drucksache 17/3113, Frage 21): Wann wird der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Rainer Brüderle, ein "umfassendes Gesamtkonzept" zur Industriepolitik vorlegen, wie es von ihm am 23. September 2010 im Handelsblatt angekündigt worden ist, und welche inhaltlichen Schwerpunkte wird das Konzept enthalten? Eine wettbewerbsfähige Industrie ist zentrale Voraussetzung für Wachstum und Beschäftigung in Deutschland. Die Bundesregierung ist deshalb kontinuierlich darum bemüht, gute Rahmenbedingungen für die industrielle Produktion zu schaffen. Dazu gehören etwa die Verfügbarkeit einer hinreichenden Zahl von Fachkräften, eine verlässliche Energie- und Rohstoffversorgung, eine hohe Innovationsfähigkeit, offene Weltmärkte und ein (kosten-)effizienter Umwelt- und Klimaschutz. Diese Punkte werden auch Schwerpunkte des Konzepts bilden, das im Bundeswirtschaftsministerium derzeit vorbereitet wird. Bundesminister Brüderle wird das Konzept in Kürze der Öffentlichkeit vorstellen. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Hintze auf die Frage des Abgeordneten Garrelt Duin (SPD) (Drucksache 17/3113, Frage 22): Wie bewertet die Bundesregierung den Beschluss der Wirtschaftsministerkonferenz vom 17./18. Juni 2010, mit dem festgestellt wird, dass dringend weiterer Verbesserungsbedarf am KfW-Sonderprogramm besteht, und welche Maßnahmen wird sie treffen? Das KfW-Sonderprogramm wurde ins Leben gerufen, um die Kreditversorgung der deutschen Wirtschaft vor dem Hintergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise sicherzustellen. Die gute konjunkturelle Erholung hat in der Zwischenzeit auch im Finanzierungsbereich für Entspannung gesorgt, sodass sich auch die Nachfrage nach Hilfen aus dem Sonderprogramm abschwächt. Das Sonderprogramm läuft planmäßig zum Ende des Jahres aus. Vor diesem Hintergrund beabsichtigt die Bundesregierung keine weiteren Maßnahmen im KfW-Sonderprogramm. Im Übrigen hat die Bundesregierung seit Einführung das KfW-Sonderprogramm intensiv begleitet. Dabei wurde insbesondere auf Zielgenauigkeit und Effizienz des Programms geachtet. Infolgedessen wurden die Programmbedingungen mehrmals modifiziert, so wurde zuletzt das Betriebsmittelangebot flexibilisiert. Die passgenaue Ausrichtung des Programms wurde auch durch die Evaluierung zum Zusageverhalten der KfW und der Geschäftsbanken bestätigt. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Hintze auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/3113, Frage 23): Welche Konditionen sind für die geplanten Kredite der KfW Bankengruppe für Offshore-Windparks vorgesehen, und sollen auch marktbeherrschende Energieversorgungsunternehmen wie Eon, RWE, Vattenfall und EnBW berechtigt sein, zinsverbilligte Kredite in Anspruch zu nehmen? Die Bundesregierung hat mit dem Energiekonzept beschlossen, dass die KfW 2011 ein Sonderprogramm "Offshore-Windenergie" mit einem Kreditvolumen von insgesamt 5 Milliarden Euro zu Marktzinsen auf den Wege bringen wird. Das geplante Kreditangebot der Kreditanstalt für Wiederaufbau für Offshore-Windparks soll marktmäßig ausgestaltet sein. Eine Zinsverbilligung ist nicht geplant. Als Antragsteller kommen Projektgesellschaften - unabhängig von ihrem Gesellschafterkreis - infrage. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE LINKE ) (Drucksache 17/3113, Frage 24): Wie gestaltet sich beim Eingliederungstitel im SGB II der Mittelabfluss bis zum Monat September 2010 - bitte absolut wie relativ angeben -, und was sind, gemessen an den Teilnehmerzahlen sowie dem Umfang der Mittel, die zehn größten Arbeitsmarktinstrumente? Zahlen zum monatlichen Bestand und Zugang von Personen in Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik können der Förderstatistik der Bundesagentur für Arbeit entnommen werden. Für den Zeitraum Januar bis September 2010 verzeichneten demnach die folgenden zehn Arbeitsmarktinstrumente die meisten Zugänge, kumuliert: Arbeitsmarktinstrumente mit den meisten kumulierten Zugängen Januar bis September 2010: Instrumente der Arbeitsmarktpolitik nachrichtlich: Teilnehmerzugang seit Jahresbeginn bis einschließlich September 2010 1 Förderungen aus dem Vermittlungsbudget 1105443 2 Teilnahmen an Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung 717478 3 Arbeitsgelegenheiten nach § 16 d SGB II darunter: Variante Mehraufwand 596861 530558 4 Berufliche Weiterbildung 165999 5 Eingliederungszuschüsse (einschließlich § 421 f, p SGB III) 103016 6 Kommunale Eingliederungsleistungen (flankierende Leistungen) nach § 16 a SGB II 58751 7 Freie Förderung nach § 16 f SGB II 40475 8 Eingelöste Vermittlungsgutscheine (bewilligt 1. Rate) 23629 9 Einstiegsgeld Variante: Beschäftigung 20920 10 Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen 18465 für August und September vorläufige und hochgerechnete Werte Bis Ende September 2010 wurden bundesweit insgesamt rund 4,3 Milliarden Euro für Leistungen zur Eingliederung in Arbeit einschließlich der beiden Sonderprogramme des Bundes, Beschäftigungspakte für Ältere und Kommunal-Kombi, verausgabt. Bezogen auf den Ansatz im Bundeshaushalt 2010 in Höhe von 6,6 Milliarden Euro sind damit rund 65 Prozent der veranschlagten Ausgabemittel abgeflossen. Detaillierte Ausgabeninformationen bezogen auf einzelne Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik liegen nur für den Bereich der Bundesagentur für Arbeit vor. Nach Angabe der Bundesagentur sind bis Ende September 2010 für Eingliederungsleistungen nach SGB II insgesamt rund 3,6 Milliarden Euro über die Finanzsysteme der BA ausgezahlt worden. Dies entspricht rund 67 Prozent des aktuellen Bewirtschaftungssolls, rund 5,4 Milliarden Euro; unter Berücksichtigung des aktuellen Umschichtungsbedarfs in das Verwaltungskostenbudget und der Einnahmen aus dem Forderungseinzug. Die Ausgaben für die zehn größten Arbeitsmarktinstrumente sind im Folgenden aufgelistet: Instrumente der Arbeitsmarktpolitik Ist-Ausgaben in 1000 Euro 1 Schaffung von Arbeitsgelegenheiten 1163679 2 Förderung der beruflichen Weiterbildung 620692 3 Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung 402635 4 Leistungen zur Beschäftigungsförderung (befristete) 371042 5 Förderung der Berufsausbildung Benachteiligter 263968 6 Eingliederungszuschüsse 211538 7 Förderung aus dem Vermittlungsbudget 128391 8 Eingliederungszuschüsse für Arbeitnehmer ab 50 Jahre 111848 9 Einstiegsgeld 36026 10 Zuschüsse an Arbeitgeber für besonders betroffene schwerbehinderte Menschen 33968 Detaillierte Ausgabeninformationen der zugelassenen kommunalen Träger liegen nicht vor. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Fragen der Abgeordneten Elke Ferner (SPD) (Drucksache 17/3113, Fragen 27 und 28): Warum hat die Bundesregierung darauf verzichtet, die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, EVS, 2008 um die Haushalte zu bereinigen, die lebensunterhaltssichernde Leistungen nach Kap. 3 Abschnitt 2 des SGB II, dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII, den §§ 2 und 3 des Asylbewerberleistungsgesetzes, AsylbLG, und dem Bundesausbildungsgesetz empfangen, um anschließend die verbleibenden Haushalte in Quintile einzuteilen und dann das unterste Quintil als Referenzgruppe zu betrachten? In welchem Umfang werden die nicht veröffentlichten Positionen aus der EVS 2008 jeweils als regelsatzrelevant anerkannt? Zu Frage 27: Wie bei allen vorhergehenden Neubemessungen wurden selbstverständlich zunächst die Haushalte aus der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe ausgeschlossen, für die die Ermittlung der Regelbedarfe erfolgt, und dann die Referenzgruppe festgelegt (siehe hierzu die Erläuterungen im konsolidierten Referentenentwurf auf der Seite 82 f. und der Seite 129 ff.). Bezieher von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz müssen nicht ausgeschlossen werden, weil sie in den Sonderauswertung nicht vertreten sind. Auch für den Bezug von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz gilt: Personen, die diese Leistungen beziehen, werden nur in der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe befragt, wenn sie einen eigenen Haushalt haben. Ferner lässt der Bezug von diesen Leistungen keine Rückschlüsse auf die Einkommenshöhe zu, sie decken ausbildungsspezifische Bedarfe ab. Bestehen darüber hinaus existenznotwendige Bedarfe vor, die nicht aus eigenen Mitteln gedeckt werden können, dann besteht ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB XII. In diesem Fall werden die betreffenden Haushalte aus den Referenzhaushalten ausgeschlossen. Zu Frage 28: Alle regelsatzrelevanten Positionen, für die keine Angaben zu den Ausgaben veröffentlicht werden, gehen selbstverständlich voll in den regelsatzrelevanten Verbrauch mit ein und sind in den für alle Abteilungen veröffentlichen Summen der regelbedarfsrelevanten Ausgaben enthalten (jeweils letzte Spalte der Tabellen ab Seite 84 des konsolidierten Referentenentwurfs). Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage des Abgeordneten Anton Schaaf (SPD) (Drucksache 17/3113, Frage 29): Mit welcher Begründung hat die Bundesregierung darauf verzichtet, bei der Bestimmung der Referenzhaushalte alle Haushalte herauszurechnen, die lebensunterhaltsichernde Leistungen nach dem Kap. 3 Abschnitt 2 des SGB II, dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII, den §§ 2 und 3 AsylbLG und dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, BAföG, erhalten, und wie rechtfertigt die Bundesregierung den Verzicht auf die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichtes, "bei der Auswertung künftiger Einkommens- und Verbrauchsstichproben darauf zu achten, dass Haushalte, deren Nettoeinkommen unter dem Niveau der Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch inklusive der Leistungen für Unterkunft und Heizung liegt, aus der Referenzgruppe ausgeschieden werden" (BVerfG, 1 BvL 1/09 vom 9. Februar 2010, Randnummer 169)? Nach der Begründung zu § 3 Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz werden bei den Referenzhaushalten nur Haushalte berücksichtigt, die von Einkünften oberhalb des Existenzminimums leben. Wer lediglich über Transferleistungen verfügt, die das Existenzminimum abdecken, wird nicht als Referenzhaushalt berücksichtigt. Dies stellt gegenüber der bei der Sonderauswertung zur Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003 verwendeten Abgrenzung, nach der Haushalte auszuschließen waren, die "überwiegend" von Sozialhilfe lebten, eine wesentlich trennschärfere Abgrenzung dar. Bezieher von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz müssen nicht ausgeschlossen werden, weil sie in der Sonderauswertung nicht vertreten sind. Befragt werden nur Personen, die in einem Haushalt leben. Dies bedeutet, dass Personen, die in einer Sammelunterkunft leben, nicht befragt werden. Auch für den Bezug von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz gilt: Personen, die diese Leistungen beziehen, werden nur in der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe befragt, wenn sie einen eigenen Haushalt haben. Ferner lässt der Bezug von diesen Leistungen keine Rückschlüsse auf die Einkommenshöhe zu, sie decken ausbildungsspezifische Bedarfe ab. Bestehen darüber hinaus existenznotwendige Bedarfe, die nicht aus eigenen Mitteln gedeckt werden können, besteht ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB XII. In diesem Fall werden die betreffenden Haushalte aus den Referenzhaushalten ausgeschlossen. Die im Referentenentwurf für das Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz vorgesehene Abgrenzung schließt damit zuverlässig Zirkelschlüsse aus. Es liegen keine Hinweise darauf vor, dass es in nennenswertem Umfang Personen gibt, die einen Anspruch auf Leistungen nach dem Zweiten und Zwölften Buch nicht geltend machen. Einzelne Haushalte, auf die dies möglicherweise nicht zutrifft, haben auf die statistische Durchschnittsbildung keinen nennenswerten Einfluss. Hierzu führt die Begründung des Referentenentwurfs ergänzend aus, dass zur Identifizierung einzelner Haushalte, die von Einkünften unterhalb des Existenzminimums leben, keine praktikablen Verfahren vorliegen. Deshalb müssten von Wissenschaftlern oder Statistischem Bundesamt Einzelfallprüfungen vorgenommen werden. Würden solche Haushalte identifiziert, müssten Träger nach dem SGB II oder nach dem SGB XII eine Einkommens- und Vermögensprüfung vornehmen, um festzustellen, ob tatsächlich Hilfebedürftigkeit vorliegt. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage des Abgeordneten Anton Schaaf (SPD) (Drucksache 17/3113, Frage 30): Wie begründet sich der Mischindex zur Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nach § 28 a SGB XII (in der Fassung des Art. 3 des Referentenentwurfes eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch), und sind auch andere Varianten - zum Beispiel mit einem anderen Verhältnis der Preise der regelsatzrelevanten Güter und Dienstleistungen zur Entwicklung der Nettolöhne - geprüft worden? Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil betont, dass das reale physische Existenzminimum - also vor allem Nahrung, Wohnen, Kleidung, Gesundheitsvorsorge - jederzeit gesichert werden muss. Gleichzeitig sollen die Regelbedarfe Veränderungen des gesamtgesellschaftlichen Wohlstandsniveaus berücksichtigen. Es liegt daher nahe, sowohl die Preisentwicklung als auch die Entwicklung der Nettolöhne pro Arbeitnehmer - als Indikator für Veränderungen des Wohlstandsniveaus - zu berücksichtigen. Da der Schwerpunkt der Grundsicherung auf der Sicherung des physischen Existenzminimums liegt, ist es gerechtfertigt, die Preisentwicklung stärker zu gewichten als die Lohnentwicklung. Da es für eine solche Gewichtung keine Vorgaben gibt, wurde für die Preisentwicklung ein Anteil von 70 Prozent und ein Anteil von 30 Prozent für die Lohnentwicklung gewählt. Zudem wird hinsichtlich der Preisentwicklung ein vom Statistischen Bundesamt speziell für die Struktur des regelsatzrelevanten Verbrauchs berechneter Preisindex genutzt. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage des Abgeordneten Sönke Rix (SPD) (Drucksache 17/3113, Frage 33): Hält die Bundesregierung die restriktive Regelung des § 4 Abs. 2 SGB II (Art. 1 Nr. 2 des Referentenentwurfes eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch), wonach für die gesellschaftliche Teilhabe im sozialen und kulturellen Bereich von Kindern kein Sicherstellungsauftrag für die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende vorgesehen ist, für angemessen? Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung vom 9. Februar 2010 deutlich gemacht, dass der Gesetzgeber Hilfebedürftige mit Rechtsansprüchen zur Sicherung des Existensminimums ausstatten muss. Zum Existenzminimum gehört die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben. Teilhabe bedeutet Partizipation, "Einbezogensein", und setzt damit Vorhandenes voraus. Aufgabe des Staates ist es damit, Hilfebedürftigen dieselben Möglichkeiten zur Inanspruchnahme vorhandener Angebote des Gemeinschaftslebens einzuräumen wie Nichthilfebedürftigen. Ein Sicherstellungsauftrag für die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende würde dagegen bedeuten, dass diese Angebote der sozialen und kulturellen Teilhabe für Hilfebedürftige dort schaffen müssten, wo sie auch der Allgemeinheit nicht oder in nicht ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen. Die angesprochene Regelung ist demnach angemessen, da sie von den Grundsicherungsträgern die Zusammenarbeit mit denjenigen verlangt, die soziale und kulturelle Teilhabe mit ihren Angeboten erst ermöglichen. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage des Abgeordneten Sönke Rix (SPD) (Drucksache 17/3113, Frage 34): Ist die Zuordnung der Verbrauchsausgaben für Kinder in Familienhaushalten auf Grundlage der Studie "Kosten eines Kindes" nach Ansicht der Bundesregierung ein Verteilungsschlüssel, der auch für die Zukunft angewendet werden kann, und wie bewertet die Bundesregierung zum Beispiel die Möglichkeit, die Verbrauchsausgaben für Kinder durch einen Vergleich der Verbrauchsausgaben von Paarhaushalten mit einem Kind zu Paarhaushalten ohne Kind zu ermitteln? Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hält die Methode der Verteilungsschlüssel für geeignet. Sie wird die jetzt bestehenden Verteilungsschlüssel wissenschaftlich überprüfen lassen, um bei deren Ermittlung künftig neueste verfügbare Daten und Erkenntnisse nutzen zu können. Hierzu müssen aber erst die Daten der EVS 2008 in einer für Wissenschaftler nutzbaren Form zur Verfügung stehen. Die Anwendung der Differenzmethode ist bei der Ermittlung des Bedarfs von Kindern im Sinne der Fragestellung nicht sachgerecht, da die Paare mit und ohne Kind bei formal gleich großer Referenzgruppe tendenziell unterschiedlich hohe Einkommen pro Kopf erzielen. Dabei sind die Einkommen der Paare ohne Kind höher als die Einkommen von Paaren mit Kind. Würde man hier die Differenzmethode anwenden, so wären die Regelsätze der Kinder daher tendenziell niedriger als es jetzt der Fall ist. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Fragen des Abgeordneten Swen Schulz (Spandau) (SPD) (Drucksache 17/3113, Fragen 37 und 38): Hält die Bundesregierung die restriktive Regelung des § 4 Abs. 2 SGB II (Art. 1 Nr. 2 des Referentenentwurfes eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch), wonach für die gesellschaftliche Teilhabe im sozialen und kulturellen Bereich von Kindern kein Sicherstellungsauftrag für die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende vorgesehen ist, für angemessen? Ist die Bundesregierung tatsächlich der Auffassung, dass die Abrechnung von Ausflügen, Kita- und Klassenfahrten, Lernförderung, Mittagessen und Teilhabebudget über einen Gutschein, wie es in § 29 SGB II bzw. § 34 a SGB XII in der Fassung des Referentenentwurfes eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vorgesehen ist, eine praktikable und effiziente Lösung darstellt, und mit welchem Verwaltungsaufwand und zusätzlichen Personalkosten bei den Trägern der Grundsicherung rechnet die Bundesregierung? Zu Frage 37: Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung vom 9. Februar 2010 deutlich gemacht, dass der Gesetzgeber Hilfebedürftige mit Rechtsansprüchen zur Sicherung des Existenzminimums ausstatten muss. Zum Existenzminimum gehört die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben. Teilhabe bedeutet Partizipation, "Einbezogensein" und setzt damit Vorhandenes voraus. Aufgabe des Staates ist es damit, Hilfebedürftigen dieselben Möglichkeiten zur Inanspruchnahme vorhandener Angebote des Gemeinschaftslebens einzuräumen wie Nichthilfebedürftigen. Ein Sicherstellungsauftrag für die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende würde dagegen bedeuten, dass diese Angebote der sozialen und kulturellen Teilhabe für Hilfebedürftige dort schaffen müssten, wo sie auch der Allgemeinheit bislang nicht oder nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen. Die angesprochene Regelung ist demnach angemessen, da sie von den Grundsicherungsträgern die Zusammenarbeit mit denjenigen verlangt, die soziale und kulturelle Teilhabe mit ihren Angeboten erst ermöglichen. Zu Frage 38: Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass unter der Prämisse, dass für einzelne Bedarfe keine Geldleistungen zur Bedarfsdeckung erbracht werden, die Leistungserbringung mittels Gutschein ein gangbarer Weg ist. Die Gutscheinlösung hat den Vorteil, dass Gutscheine nur zur Deckung der festgestellten Bedarfe und nur von Leistungsberechtigten eingelöst werden können. Eine zweckwidrige Verwendung der Gutscheine, die für die Deckung von Bildungs- und Teilhabebedarfen gewährt werden, ist damit ausgeschlossen. Andere Abrechnungssysteme über Anbieter von Bildungs- und Teilhabeleistungen setzen voraus, dass diese Kenntnis von der Leistungsberechtigung der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen haben. Zudem wäre eine Mehrfachinanspruchnahme von angebotenen Bildungsund Teilhabeleistungen bei verschiedenen Anbietern nur mit einem erheblichen Mehraufwand bei den Anbietern denkbar. Der für die Umsetzung der Leistungen für Bildung und Teilhabe erforderliche Verwaltungsaufwand sowie eventuell zusätzlicher Personalbedarf werden derzeit noch geprüft. Anlage 27 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage des Abgeordneten Stefan Schwartze (SPD) (Drucksache 17/3113, Frage 39): Wie hoch werden die zusätzliche Belastung für die Kommunen und die Einsparung für den Bund sein, wenn das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, wie im Referentenentwurf zur Änderung des SGB II vorgesehen, den Wohngeldvorrang für Kinder streicht, die aufgrund von Unterhaltszahlungen nicht auf Sozialgeld angewiesen waren, und sie stattdessen auf die Grundsicherung für Arbeitsuchende verweist? Mit der beabsichtigten Neufassung wird die Pflicht Leistungsberechtigter zur Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen dahingehend modifiziert, dass vorrangige Leistungen nur in Anspruch genommen werden sollen, wenn damit die Überwindung der Hilfebedürftigkeit für alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gelingt. Damit ist zunächst eine Lastenverschiebung vom Wohngeld, das hälftig von Bund und Ländern getragen wird, auf Grundsicherungsleistungen - insbesondere Kosten für Unterkunft und Heizung, die zu rund einem Viertel vom Bund und zu rund drei Vierteln von den Kommunen getragen werden -, verbunden. Dem stehen Entlastungen im Verwaltungsbereich gegenüber, von denen insbesondere die Kommunen profitieren werden, sowohl im Rahmen der Trägerschaft der Grundsicherung für Arbeitsuchende als auch im Verwaltungsbereich des Wohngeldes, der den Kommunen zugeordnet ist. Der Umfang der finanziellen Auswirkungen wird derzeit noch geprüft und wird im Rahmen der Kabinettbefassung mit dem Gesetzentwurf zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch feststehen. Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage der Abgeordneten Dr. Carola Reimann (SPD) (Drucksache 17/3113, Frage 40): Hält die Bundesregierung es mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes für vereinbar, dass einerseits nach § 28 Abs. 5 SGB II bzw. § 34 Abs. 5 SGB XII in der Fassung des Referentenentwurfes eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch ein gemeinsames Mittagessen in Schulen und Kindertagesstätten als zusätzlicher Bedarf anerkannt wird, andererseits keine Anstrengungen unternommen werden, um sicherzustellen, dass auch das Angebot deutlich erhöht wird, damit mehr als nur die bisherigen 20 Prozent der Kinder in dieser Altersgruppe davon profitieren können? Ja, die Bundesregierung hält die Regelungen im Referentenentwurf mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für vereinbar, zumal die Teilnahme am Mittagessen in der Schule oder in der Kindertageseinrichtung bedarfsauslösend ausgestaltet wurde. Dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 ist nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber beauftragt wurde, allen Kindern hilfebedürftiger Eltern einen Anspruch auf ein kostenfreies Schulmittagessen zu verschaffen. Im Gegenteil: Das Bundesverfassungsgericht hat die Methode zur Bestimmung der Bedarfe insofern bestätigt, als die Verbrauchsausgaben von Personen mit geringem Einkommen ohne Bezug von Fürsorgeleistungen als Maßstab für die Ermittlung des Existenzminimums geeignet sind. Daher sind in den ermittelten Verbrauchsausgaben auch solche für Schulmittagessen in dem Umfang enthalten, wie sie von der Referenzgruppe mit Kindern getätigt worden sind. Sofern die Bundesregierung über die Verbrauchsausgaben "Ernährung" hinaus unter dem Gesichtspunkt der sozialen Teilhabe einen Zuschuss zum Mittagessen für Schülerinnen und Schüler regelt, ist die Teilhabe nur dort zu ermöglichen, wo ein Schulmittagessen angeboten wird. Sollte perspektivisch die Zahl der Schulen mit angebotener Mittagsverpflegung zunehmen und sollten die hilfebedürftigen Schülerinnen und Schüler daran teilnehmen, steigt dementsprechend sogar die Inanspruchnahme dieser Leistung. Anlage 29 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Bas (SPD) (Drucksache 17/3113, Frage 43): Hält die Bundesregierung die in § 24 SGB II und § 31 SGB XII in der Fassung des Referentenentwurfes eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch abschließend definierten gesonderten Bedarfe für ausreichend, um die Versorgung mit Leistungen, die nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung enthalten sind, sicherzustellen, und wie steht sie insbesondere zu Überlegungen, zum Beispiel Brillen und Verhütungsmittel für Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfänger nach dem SGB II und SGB XII auf Antrag zu gewähren? Die Bundesregierung wird die Bemessung der Regelbedarfe nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 vornehmen und hat einen entsprechenden Referentenentwurf für ein parlamentarisches Gesetzgebungsverfahren erarbeitet. Auf dieser Grundlage wird das soziokulturelle Existenzminimum der Leistungsberechtigten sichergestellt, das ein Konsumverhalten vergleichbar mit Haushalten im unteren Einkommensbereich ermöglicht. Die Regelbedarfe umfassen auch die durchschnittlichen Aufwendungen für Gesundheitspflege einschließlich der durchschnittlichen Ausgaben für Verhütungsmittel und die Anschaffung einer Brille. Da die Regelbedarfe als pauschaler Gesamtbetrag gewährt werden, hat das Bundesverfassungsgericht es auch als zumutbar bewertet, einen höheren Bedarf in einem Lebensbereich durch geringere Ausgaben in einem anderen auszugleichen. Nur für besondere atypische und fortlaufende Bedarfslagen hat das Gericht entschieden, dass diese im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in seltenen, besonderen Härtefällen zu decken sind. Ob ein atypischer, laufender Bedarf vorliegt, ist im Einzelfall zu prüfen. Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Bas (SPD) (Drucksache 17/3113, Frage 44): Auf Grundlage welcher Rechengrößen errechnet sich der Wert von "0,55", der zur Fortschreibung der regelsatzrelevanten Verbrauchsausgaben nach § 7 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Referentenentwurf) dient und in § 28 a SGB XII (in der Fassung des Art. 3 des Referentenentwurfes eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch) als Mischindex aus der Veränderungsrate der regelsatzrelevanten Güter und Dienstleistungen und der Entwicklung der Nettolöhne definiert ist? Das Statistische Bundesamt hat für den regelsatzrelevanten Verbrauch im Auftrag des BMAS für das Jahr 2009 einen Preisanstieg von 0,5 Prozent ermittelt. Für die Nettolöhne pro Kopf nach der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ergibt sich für 2009 ein Anstieg der Nettolöhne von 0,67 Prozent. Dabei wurde der statistische Einmaleffekt des Abzugs der PKV-Beiträge vom Bruttolohn zuvor herausgerechnet. Mit der im Gesetz vorgesehenen Gewichtung ergibt sich hieraus zum 1. Januar 2011 ein Anpassungsfaktor von 0,55 Prozent, der auf die ungerundeten Ergebnisse für den regelsatzrelevanten Verbrauch aus der EVS 2008 bezogen wird. Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Fragen des Abgeordneten Thomas Oppermann (SPD) (Drucksache 17/3113, Fragen 49 und 50): Wie ist die Begründung zu den §§ 2 bis 4 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Referentenentwurf) zu verstehen, wonach für die Bestimmung der Referenzgruppe alle Haushalte ausgeschlossen sind, "die lediglich über ein Einkommen verfügen, das zur Sicherung des Lebensunterhalts notwendig ist"? Nach welchem methodischen Verfahren hat die Bundesregierung die Regelbedarfe weiterer erwachsener Leistungsberechtigter in den Regelbedarfsstufen 2 und 3 nach § 8 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Referentenentwurf) ermittelt, und warum hat sie darauf verzichtet, auch einen Haushalt mit zwei Erwachsenen ohne Kind als Referenzhaushalt zu bestimmen? Zu Frage 49: In der Begründung zu § 3 Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz wird hierzu weiter ausgeführt, dass bei den Referenzhaushalten nur Haushalte berücksichtigt werden, die von Einkünften oberhalb des Existenzminimums leben. Wer lediglich über Transferleistungen verfügt, die das Existenzminimum abdecken, wird nicht als Referenzhaushalt berücksichtigt. Dies stellt gegenüber der bei der Sonderauswertung zur Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003 verwendeten Abgrenzung, nach der Haushalte auszuschließen waren, die "überwiegend" von Sozialhilfe lebten, eine wesentlich trennschärfere Abgrenzung dar. Diese Abgrenzung schließt zuverlässig Zirkelschlüsse aus, weil es keine Hinweise darauf gibt, dass es in nennenswertem Umfang Personen gibt, die einen Anspruch auf Leistungen nach dem Zweiten und Zwölften Buch nicht geltend machen. Einzelne Haushalte, auf die dies möglicherweise nicht zutrifft, haben auf die statistische Durchschnittsbildung keinen Einfluss. Hierzu führt die Begründung des Referentenentwurfs ergänzend aus, dass zur Identifizierung einzelner Haushalte, die von Einkünften unterhalb des Existenzminimums leben, keine praktikablen Verfahren vorliegen. Deshalb müssten von Wissenschaftlern oder Statistischem Bundesamt Einzelfallprüfungen vorgenommen werden. Würden solche Haushalte identifiziert, müssten Träger nach dem SGB II oder nach dem SGB XII eine Einkommens- und Vermögensprüfung vornehmen, um festzustellen, ob tatsächlich Hilfebedürftigkeit vorliegt. Zu Frage 50: Der Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales sieht in § 8 des Artikels 1 (Entwurf eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch) für die Höhe der Regelbedarfsstufe 2 einen Betrag von 328 Euro vor, für die Regelbedarfsstufe 3 einen Betrag von 291 Euro. Aus der Begründung zu § 8, der für die Regelbedarfsstufe 2 die bisherige Regelung für Paare übernimmt, ergibt sich, dass beide Erwachsenen weiterhin jeweils 90 Prozent des Eckregelsatzes erhalten. Dies bedeutet, dass für beide Erwachsene jeweils 90 Prozent der Regelbedarfsstufe 1 vorgesehen sind. Die sich daraus ergebende Leistungshöhe für Erwachsene im Paarhaushalt (ohne Kind) wurde vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 ausdrücklich als verfassungskonform angesehen. Die Regelung geht davon aus, dass eine alleinstehende Person 100 Prozent erhält, eine zweite hinzukommende erwachsene Person 80 Prozent, sodass beide zusammen eine Leistung in Höhe von 180 Prozent erhalten. Mit der Regelbedarfsstufe 3 soll ebenfalls eine für das SGB XII geltende Regelung übernommen werden. Eine dritte erwachsene Person, die im Haushalt anderer Personen lebt und damit keinen eigenen Haushalt führt, erhält den im Paarhaushalt rechnerisch auf die zweite Person entfallenden Anteil von 80 Prozent. Hier wird davon ausgegangen, dass die Kosten für den Haushalt bereits gedeckt sind, die dritte erwachsene Person sich also nicht an der Bestreitung der haushaltsgebundenen Kosten beteiligt. Auf eine Sonderauswertung für Paarhaushalte ohne Kind (Paarhaushalt) wurde verzichtet, weil für diesen Haushaltstyp zu erwarten ist, dass dieser wegen eines hohen Anteils von Doppelverdienerhaushalten über höhere Einkünfte verfügt und damit auch höhere Verbrauchsausgaben aufweist. Dies hätte zur Folge, dass Erwachsene im Paarhaushalt höhere Leistungen erhalten als die übrigen Erwachsenen. Damit stellt sich die Frage, ob die Höhe des menschenwürdigen Existenzminimums von Erwachsenen im Paarhaushalt davon abhängig sein kann, wie viele Doppelverdienerhaushalte unter den Referenzhaushalten sind. Im Übrigen hätte diese Vorgehensweise konsequenterweise auch zur Folge, dass auch für Erwachsene im Familienhaushalt (Paarhaushalt mit einem Kind) die Leistungshöhe aus den Verbrauchsausgaben dieses Haushaltstyps ermittelt werden müsste. Dies hätte dann zur Folge, dass sich unterschiedlich hohe Regelbedarfe ergeben für alleinlebende Erwachsene, für die beiden Erwachsenen im Paarhaushalt und für die beiden Erwachsenen (Eltern) im Familienhaushalt. Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Fragen der Abgeordneten Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) (Drucksache 17/3113, Fragen 51 und 52): Werden aus der Gesamtheit der Haushalte, die zur Bestimmung der Referenzhaushalte herangezogen werden, nur die Haushalte herausgerechnet, die ausschließlich "Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel sowie nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch" (§ 28 Abs. 3 SGB XII in der Fassung des Referentenentwurfes eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch) beziehen oder alle Haushalte von SGB-II-Leistungsempfängerinnen und -empfängern, die Erwerbseinkommen erzielen, wie es der § 3 Abs. 2 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Referentenentwurf) nahelegt? Wie bewertet die Bundesregierung die Aussage von renommierten Armutsforschern, wonach das Statistikmodell möglichst ohne normative Vorgaben angewendet werden sollte, da ansonsten die Gefahr besteht, dass es Prinzipien eines "Warenkorbes" annimmt? Zu Frage 51: Es werden alle Haushalte herausgerechnet, die ausschließlich Regelleistungen nach dem SGB II und XII beziehen und darüber hinaus kein zusätzliches Einkommen erzielen. Dies ist auch dem konsolidierten Referentenentwurf auf den Seiten 82 f. und 129 ff. zu entnehmen. Zu Frage 52: Es ist gerechtfertigt, von den durchschnittlichen Konsumausgaben einzelne Positionen als nicht regelsatzrelevant unberücksichtigt zu lassen, damit die Leistungen nach dem SGB II und XII nicht ebenso hoch sind wie das Konsumniveau von Menschen, die solche Leistungen nicht erhalten. Diese normative Nichtberücksichtigung einzelner Positionen - wie zum Beispiel PKW-Nutzung und Pauschalreisen - hat das Bundesverfassungsgericht nicht kritisiert. Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage der Abgeordneten Dagmar Ziegler (SPD) (Drucksache 17/3113, Frage 53): Warum verzichtet die Bundesregierung darauf, einen unmittelbaren Rechtsanspruch auf Förderung und soziokulturelle Teilhabe zu schaffen und dies mit einer Offensive für Infrastruktur, bei der sich Bund, Länder und Kommunen auf einen Ausbau von frühen Hilfen, den Ausbau von Kindertagesstätten und den Ganztagsschulausbau und auf Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter verständigen müssen, zu verbinden, wobei selbstverständlich Ausbauziele, Qualitätsstandards und Finanzierung vereinbart werden müssen? Die Neuregelungen dienen der Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 im Bereich der Existenzsicherung für Hilfebedürftige. Die Bundesregierung schafft mit den Neuregelungen unmittelbare Rechtsansprüche für Hilfebedürftige, indem mit den Leistungen für Bildung und Teilhabe der Zugang zu vorhandenen kulturellen und sozialen Angeboten ermöglicht wird. Dabei wird auch ein Anspruch auf Lernförderung geregelt, sofern schulische Angebote nicht ausreichen, um die nach schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Unabhängig davon wird die Umsetzung des "Bildungspakets" unter Einbeziehung bestehender Strukturen vor Ort erfolgen; das heißt, es wird die für Bildung und Teilhabe von Kindern verantwortlichen Akteure (unter anderem die Jugendämter, Schulen und Kindertagesstätten) mit einbeziehen. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage der Abgeordneten Dagmar Ziegler (SPD) (Drucksache 17/3113, Frage 54): Hat die Bundesregierung zusätzlich zur Auswertung der EVS 2008 Untersuchungen angestellt, um sicherzustellen, dass die empirisch ermittelten Verbrauchsausgaben in zentralen Fragen - zum Beispiel der Ernährung und der kulturellen Teilhabe - einen notwendigen Mindeststandard garantieren? Deutschland ist ein wohlhabendes Land, in dem auch Personen mit niedrigen Einkommen genügend zum Leben haben und, wenn nötig, auf die Leistungen nach dem SGB II und XII zurückgreifen können. Haushalte, die diese Leistungen beziehen, wurden vor Abgrenzung der Referenzgruppe ausgeschlossen. Zur Vorbereitung der anstehenden Neubemessung der Regelbedarfe hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zahlreiche Gespräche mit Wissenschaftlern und Praktikern geführt. Die dort gewonnenen Erkenntnisse sind insbesondere in die Ausgestaltung des Bildungs- und Teilhabepaketes und die Abgrenzung der Altersstufen von Kindern eingeflossen. Zum Bereich Ernährung gab es keine gesonderten Auswertungen. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE ) (Drucksache 17/3113, Frage 57): Wie viele Antragstellerinnen und Antragsteller aus landwirtschaftlichen Betrieben sind der Bundesregierung bekannt - differenziert nach Bundesländern -, die im Jahr 2010 Leistungen nach dem SGB II beantragt haben und mit einer Erhöhung der Regelsätze nach dem Kabinettsbeschluss vom 26. September 2010 rechnen können? Aus der Statistik der Grundsicherung für Arbeitsuchende liegen keine Informationen darüber vor, wie viele der Leistungsbezieher nach dem SGB II vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit in einem landwirtschaftlichen Betrieb gearbeitet haben. Es gibt lediglich Informationen zur Anzahl der im Wirtschaftsabschnitt "Land- und Forstwirtschaft, Fischerei" sozialversicherungspflichtig oder ausschließlich geringfügig Beschäftigten, die gleichzeitig Leistungen aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende beziehen und die folglich von einer Erhöhung der Regelsätze profitieren können. Nach aktuellen Angaben erhielten im Dezember 2009 rund 6 100 sozialversicherungspflichtige und 6 300 ausschließlich geringfügig Beschäftigte in dem Wirtschaftabschnitt "Land-und Forstwirtschaft, Fischerei" gleichzeitig Leistungen aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende. In der Summe (sozialversicherungspflichtige und ausschließlich geringfügig Beschäftigte) verteilen sich die beschäftigten ALG-II-Bezieher im Wirtschaftsabschnitt "Land- und Forstwirtschaft, Fischerei" wie folgt auf die einzelnen Bundesländer: Dezember 2009 Bundesland Land-, Forstwirtschaft und Fischerei Beschäftigte ALG-II-Bezie her (sozialversicherungs pflichtig und ausschließlich geringfügig Beschäftigte) Insgesamt nachricht lich: Anteil beschäftigter Alg-II-Bezieher an allen Beschäftigten absolut in % Deutschland 12407 5,1 Westdeutschland 5986 4,0 Ostdeutschland 6422 6,7 Schleswig-Holstein 662 5,1 Hamburg 67 7,1 Niedersachsen 1735 4,9 Bremen 63 17,9 Nordrhein-Westfalen 1612 4,9 Hessen 363 3,8 Rheinland-Pfalz 399 3,3 Baden-Württemberg 495 2,7 Bayern 502 2,0 Saarland 87 7,9 Berlin 114 15,0 Brandenburg 1806 8,3 Mecklenburg-Vorpommern 1174 7,0 Sachsen 1255 5,6 Sachsen-Anhalt 1364 7,8 Thüringen 709 4,4 Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit Erwerbstätige Arbeitslosengeld-II-Bezieher sind erwerbsfähige Hilfebedürftige mit Leistungsanspruch vor Sanktionen in der Grundsicherung, die gleichzeitig Bruttoeinkommen aus Erwerbstätigkeit beziehen. Hochrechnung auf Basis von Daten der Arbeitsgemeinschaften, Agenturen mit getrennter Aufgabenwahrnehmung (ohne Saalekreis) und der zugelassenen kommunalen Träger. Anlage 36 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Gerd Mü ller auf die Frage der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/3113, Frage 58): Welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung aus der Kritik der Rechtsabteilung des Europäischen Parlaments am EU-Fischereiabkommen mit dem Königreich Marokko, welches Fangrechte vor der fischreichen Küste der Westsahara beinhaltet, und wird sie sich gegen eine Verlängerung des Fischereiabkommens unter Einbezug der Küste Westsaharas einsetzen? Das Fischereiabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Marokko bezieht sich auf das Gebiet Marokkos und die Gebiete unter der Gerichtsbarkeit Marokkos. Es enthält keine Definition des Rechtsstatus der Meeresgewässer der Westsahara und greift einer Festlegung des Status nicht vor. Das Gutachten des Europäischen Parlaments vertritt die Auffassung, dass Aktivitäten zur Ausbeutung natürlicher Ressourcen in Gebieten ohne Selbstregierung nur dann im Einklang mit dem Völkerrecht stehen, wenn diese Aktivitäten zum Wohle der Einwohner dieser Gebiete, für sie oder in Konsultation mit ihren Vertretern unternommen werden. Insoweit sieht die Bundesregierung keinen Widerspruch zu ihrer bisherigen Linie. Das Fischereiabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Marokko gilt bis zum 27. Februar 2011 und verlängert sich automatisch um vier Jahre, wenn es nicht vorher gekündigt wird. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Christian Schmidt auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/3113, Frage 59): Welche Angaben macht die Bundesregierung zur Anzahl von gemeinsamen Operationen mit dem Ziel der Festnahme von Aufständischen im Norden Afghanistans seit Juli 2009, die mit afghanischen Sicherheitskräften im Rahmen von "Partnering"-Einsätzen zwar verabredet waren, zu denen die Partner aber nicht erschienen - wie die Operationen "Weißer Adler" und "Taohid III", so der Spiegel, 39/2010, Seite 115 -, sowie zu den Gründen, die von afghanischer Seite für das Nichterscheinen angegeben wurden, und wurden diese Operationen dann gar nicht oder ohne afghanische Beteiligung von Soldaten der Bundeswehr allein durchgeführt? Über eine Operation "WEIßER ADLER" ist im Bundesministerium der Verteidigung nichts bekannt. Über die Operation "TAOHID III" sind Sie umfassend im Verteidigungsausschuss und mittels UdP unterrichtet worden. Die Operation "TAOHID III" im Schwerpunkt der Operationsführung des Kommandeurs Regionalkommando Nord wurde mit Rücksicht auf die afghanischen Einsatzkräfte vor Ort planmäßig zu Beginn des Fastenmonats Ramadan beendet. Der in dem von Ihnen zitierten Spiegel-Artikel behauptete Grund für eine Absage - afghanische Polizisten seien nicht erschienen - ist somit falsch. Am 15. und 16. September 2010 wurde eine Operation abgesagt, weil der Kommandeur der 2. Brigade der Afghan National Army den Einsatz seiner Kräfte anders priorisierte. Operationen des deutschen Einsatzkontingents ISAF im Rahmen des "Partnering", wie beispielsweise "TAOHID III", sind aber keine Operationen mit dem Ziel der Festnahme von Aufständischen. Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Christian Schmidt auf die Fragen des Abgeordneten Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) (Drucksache 17/3113, Fragen 62 und 63): Stimmen Informationen zu Plänen der Bundesregierung, den Standort des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes, MGFA, in Potsdam aufzulösen und das Amt der Führungsakademie der Bundeswehr anzugliedern, und welche Zeitpläne sind für diese Umstrukturierung vorgesehen? Welche konzeptionellen Vorstellungen verbinden sich mit den Verlagerungsplänen für das MGFA und für die gesamte militärgeschichtliche Forschung in Deutschland? Zu Frage 62: Die von Ihnen in Rede gestellten Informationen zu Plänen der Bundesregierung, den Standort des MGFA in Potsdam aufzulösen und das Amt der Führungsakademie der Bundeswehr anzugliedern, kann ich nicht bestätigen. Es ist die Absicht des Bundesministers der Verteidigung, mit der laufenden Reform Anpassungen dort vorzunehmen, wo die Bundeswehr effizienter und insbesondere einsatzorientierter ausgerichtet werden kann. Eingriffe in viele Bereiche der Bundeswehr - bis hin zur Stationierung - können notwendig sein. Aussagen zu konkreten Veränderungen in den Strukturen und an einzelnen Standorten werden erst möglich sein, wenn die erforderlichen Anpassungen sorgfältig geprüft und entschieden sind. Die Bundesregierung ist sich des Stellenwertes der Inneren Führung und der daraus abgeleiteten Bedeutung der Militärgeschichte vollauf bewusst. Die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr engagieren sich als Staatsbürger in Uniform und als Repräsentanten unserer Gesellschaft mit ihrer besondern Geschichte für die Sicherung von Frieden und Freiheit. Voraussetzung hierfür ist die Heranbildung von gefestigten Persönlichkeiten mit einer stark ausgeprägten interkulturellen Kompetenz, einer verinnerlichten Wertorientierung und einem zeitgemäßen Traditionsverständnis. Zu Frage 63: Wie in der Antwort zu Ihrer ersten Frage ausgeführt, kann ich Informationen zu Plänen der Bundesregierung, den Standort des MGFA in Potsdam aufzulösen und das Amt der Führungsakademie der Bundeswehr anzugliedern, nicht bestätigen. Insofern erübrigt sich eine Antwort auf die Frage nach den zugrunde liegenden konzeptionellen Vorstellungen. Anlage 39 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Hermann Kues auf die Fragen der Abgeordneten Petra Crone (SPD) (Drucksache 17/3113, Fragen 64 und 65): Wann genau ist mit dem vom Pressereferenten des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Hanno Schäfer, im Südkurier am 30. September 2010 angekündigten Anschlusskonzept zur Folgefinanzierung der Mehrgenerationenhäuser zu rechnen? Inwiefern sind andere Bundesressorts, Länder und Kommunen in die Ausarbeitung eines solchen Anschlusskonzepts zur Folgefinanzierung einbezogen? Zu Frage 64: Bei der Frage nach dem Zeitpunkt, in dem ein mögliches "Anschlusskonzept" vorgelegt wird, ist zu berücksichtigen, dass das Aktionsprogramm noch bis Ende 2012 läuft und dass für die ersten 45 Häuser die Förderung erst im Herbst 2011 endet. Aufgrund der gestaffelten Aufnahme von Einrichtungen ins aktuell laufende Programm endet der maximal mögliche fünfjährige Förderzeitraum für die ersten Häuser am 30. September 2011. Weitere Häuser folgen zum Jahresende 2011, im Verlauf des Jahres 2012 für und etwa die Hälfte der insgesamt 500 Mehrgenerationenhäuser endet die Förderung zum 31. Dezember 2012. Termin Förderende Anzahl MGH, deren Förderung ausläuft September 2011 45 Bis Dezember 2011 weitere 112 Bis Juli 2012 weitere 47 Bis Dezember 2012 weitere 296, davon 250 Ende Dezember 2012* * Ende Dezember 2012 werden 75 MGH, die erst im Verlauf des Jahres 2008 gestartet sind oder später nachgezogen wurden, noch nicht den max. Förderzeitraum von fünf Jahren erreicht haben. Für die Zeit nach Ablauf der fünfjährigen Förderung ist grundsätzlich keine unveränderte Weiterfinanzierung der Mehrgenerationenhäuser durch den Bund möglich. Dies ist von Anfang an so kommuniziert worden. Dies würde auf eine Dauerförderung hinauslaufen, die haushaltsrechtlich nicht zulässig wäre, weil der Bund für Projekte auf lokaler Ebene keine dauerhafte Förderkompetenz hat. Er kann hier lediglich neue Ideen modellhaft erproben und neue Entwicklungen anstoßen, wie es gerade mit dem Aktionsprogramm Mehrgenerationenhäuser geschieht. Im Bundesfamilienministerium hat sich in den vergangenen Wochen eine interne Arbeitsgruppe mit Überlegungen befasst, die insbesondere auf die Weiterentwicklung des Konzepts der Mehrgenerationenhäuser als Teil der lokalen Infrastruktur zielen. Diese Arbeitsgruppe hat inzwischen erste Ergebnisse vorgelegt. Sie werden zurzeit ausgewertet und werden gegebenenfalls in konzeptionelle Überlegungen zu den Mehrgenerationenhäusern einfließen. Zu Frage 65: Sobald dieser Prozess abgeschlossen ist, werden auch weiteren Akteure, die hier eine Rolle spielen, wie Länder und Kommunen, eingebunden werden. Selbstverständlich werden auch die Abgeordneten des Deutschen Bundestages zeitnah über die Vorstellungen der Bundesregierung zu einer möglichen Weiterentwicklung des Konzepts der Mehrgenerationenhäuser informiert werden. Es ist außerdem beabsichtigt, noch in diesem Jahr den Ländern die bisherigen Ergebnisse und Fortschritte der Mehrgenerationenhäuser zu präsentieren. Es geht darum, die Vielfalt der generationenübergreifenden Arbeit der Mehrgenerationenhäuser und die darin liegenden Chancen für die lokalen Akteure und Entscheidungsträger vor Augen zu führen. Anlage 40 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Hermann Kues auf die Frage der Abgeordneten Caren Marks (SPD) (Drucksache 17/3113, Frage 66): Trifft es zu, dass zum 1. Januar 2011 für alle bisherigen Elterngeldbezieherinnen und -bezieher neue Bescheide durch die Familienkassen erstellt werden müssen, und, wenn ja, wie groß ist die Zahl derjenigen, bei denen sich die laufende Elterngeldzahlung - bitte genaue Angaben differenziert nach Geschlecht, noch ausstehendem Bezugszeitraum der Zahlung und Einsparvolumen - verringern wird? Es trifft zu, dass zum 1. Januar 2011 für die Elterngeldbezieherinnen und -bezieher, deren Elterngeldanspruch sich durch die Gesetzesänderungen verringert, neue Bescheide durch die zuständigen Elterngeldstellen erstellt werden müssen. Nach den derzeitigen Plänen der Bundesregierung müssen schätzungsweise für rund 15 000 Männer und 75 000 Frauen, die bereits Elterngeld bezogen haben, neue Bescheide ausgestellt werden. Das Einsparvolumen für diese Fälle beträgt rund 40 Millionen Euro. Die restliche Bezugsdauer dieser Frauen beträgt schätzungsweise durchschnittlich rund 6 Monate, die restliche Bezugsdauer dieser Männer beträgt durchschnittlich rund 2 Monate. Anlage 41 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Hermann Kues auf die Frage der Abgeordneten Caren Marks (SPD) (Drucksache 17/3113, Frage 67): Wie soll die geplante Freibetragsregelung für Elterngeldempfängerinnen und -empfänger, die Kinderzuschlag und Leistungen nach dem SGB II - sogenannte Aufstocker - beziehen, konkret ausgestaltet werden, und wie viele Eltern/Kinder sind davon betroffen? Entsprechend der Ankündigung in dem Regierungsentwurf im Haushaltsbegleitgesetz 2011 wurde die genauere Ausgestaltung der Regelung geprüft, das Elterngeld bei der Berechnung von Grundsicherungsleistungen zu berücksichtigen, soweit das Elterngeld als Ausgleich für Einkommen vor der Geburt gezahlt wird. Die Bundesregierung hat entsprechende Änderungsvorschläge den Regierungskoalitionen übermittelt. Sollte es zu einer Umsetzung dieser Änderungsvorschläge kommen, hätte dies folgende Auswirkungen: Für die Elterngeldberechtigten, die vor der Geburt des Kindes erwerbstätig waren, nach der Geburt aber Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII oder den Kinderzuschlag erhalten, soll es eine Sonderregelung geben. Für sie soll das Elterngeld in Höhe des vorher erzielten Erwerbseinkommens, höchstens jedoch in Höhe von 300 Euro, anrechnungsfrei bleiben. So verbliebe diesen Eltern wirtschaftlich ein Teil des Elterngeldes. Von dieser Regelung würden gegenüber der Regelung im Regierungsentwurf etwa 50 000 Elterngeld berechtigte Bezieherinnen und Bezieher von Grundsicherungsleistungen profitieren, die vor der Geburt Erwerbseinkünfte erzielt haben. Anlage 42 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Daniel Bahr auf die Frage des Abgeordneten Harald Weinberg (DIE LINKE) (Drucksache 17/3113, Frage 68): Würde sich - gesetzt den Fall, das GKV-Finanzierungsgesetz tritt in der Fassung des Kabinettsbeschlusses in Kraft - § 32 Abs. 4 SGB XII wegen der darin enthaltenen Formulierung "in der ab dem 1. Januar 2009 geltenden Fassung" auf einen quasi konservierten, historischen § 242 SGB V beziehen oder auf den dann geltenden neuen § 242 SGB V nach GKV-Finanzierungsgesetz? Der Wortlaut von § 32 Abs. 4 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch, SGB XII, könnte grundsätzlich sowohl als statischer Verweis auf die bisherige Rechtslage mit der entsprechenden Begrenzung der Zusatzbeiträge wie auch als dynamischer Verweis auf die nach § 242 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, SGB V, jeweils gültigen Regelungen zu den Zusatzbeiträgen ausgelegt werden. Anlage 43 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Daniel Bahr auf die Frage des Abgeordneten Harald Weinberg (DIE LINKE) (Drucksache 17/3113, Frage 69): Wie hoch schätzt die Bundesregierung - unabhängig von der Erhöhung des allgemeinen Beitragssatzes oder sonstigen sich möglicherweise verändernden Randbedingungen, also ceteris paribus - die Einbußen der gesetzlichen Krankenversicherung durch die geplante, ab 2011 geltende niedrigere Beitragsbemessungs- und Pflichtversicherungsgrenze? Die Beitragsbemessungsgrenze, BBG, sowie die Jahresarbeitentgeltgrenze, JAE, passt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales alljährlich im Rahmen der Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung an. Diese Verordnung der Bundesregierung wird nach derzeitigem Stand Mitte Oktober 2010 im Kabinett behandelt und soll am 1. Januar 2011 in Kraft treten. Maßgeblich für die Anpassung der BBG und JAE ist dabei die Veränderungsrate der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer ohne Personen in Arbeitsgelegenheiten. Die maßgebende gesamtdeutsche Veränderungsrate im Jahr 2009 beträgt -0,24 Prozent. Daher wird - nach derzeitigem Stand - die Beitragsbemessungsgrenze im Jahr 2011 von aktuell 3 750 Euro/Monat auf 3 712,50 Euro/Monat sinken. Die Mindereinnahmen, die sich aus der sich daraus ergebenden Absenkung der Beitragsbemessungsgrenze ergeben, können auf circa 200 Millionen Euro beziffert werden. Für die davon betroffenen Beitragszahler wird die vorgesehene Anhebung des Beitragssatzes von 14,9 auf 15,5 Prozent zu Mehrbelastungen führen, die nicht durch die Absenkung der BBG kompensiert werden. Mit weiteren Mindereinnahmen aufgrund der Absenkung der Jahresarbeitsentgeltgrenze im Jahr 2011 ist nicht zu rechnen. Anlage 44 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Jan Mü cke auf die Fragen der Abgeordneten Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) (Drucksache 17/3113, Fragen 70 und 71): Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass die Kürzung des Haushaltsansatzes für das Programm der KfW Bankengruppe "Altersgerecht Umbauen" für das Jahr 2011 mit dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP nicht vereinbar ist und dass diese Kürzung die zugesagte Weiterentwicklung des Programms verhindert? Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass die Kürzung des Haushaltsansatzes 2011 für die Städtebauförderung sowie für das Programm der KfW Bankengruppe "Altersgerecht Umbauen" angesichts der Tatsache, dass ein Förder-Euro 7 bis 8 Euro Investitionen auslöst, eine Verminderung der Investitionen in den barrierefreien, barrierearmen und altengerechten Umbau des Wohnungsbestandes zur Folge haben wird, und ist die Bundesregierung der Ansicht, dass man das Programm "Altensgerecht Umbauen" angesichts der Erfordernisse des demografischen Wandels zusätzlich mit Haushaltsmitteln verstärken müsste? Der Entwurf der Bundesregierung zum Bundeshaushaltsplan 2011 beinhaltet keine Kürzung der Programmmittel für das KfW-Programm "Altersgerecht Umbauen". Über eine Verstetigung oder Verstärkung der Programmmittel über das Jahr 2011 hinaus ist im Rahmen der Haushaltsaufstellung 2012 zu entscheiden. Die Wirkungen der Kürzung der Städtebauförderungsmittel werden derzeit vom Bund mit den Ländern und kommunalen Spitzenverbänden diskutiert. Dies entspricht der guten partnerschaftlichen Tradition. Im Rahmen dieser Diskussion werden auch die Aufgaben und Ziele der Programme eine wichtige Rolle spielen, damit den Städten und Gemeinden auch in Zukunft wirkungsvolle Instrumente der Städtebauförderung für die Anpassung an den wirtschaftlichen, sozialen und demografischen Wandel zur Verfügung stehen. Anlage 45 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Jan Mü cke auf die Frage der Abgeordneten Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) (Drucksache 17/3113, Frage 74): Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung hinsichtlich angeblicher Finanzierungsprobleme bei der Elektrifizierung der Bahnstrecke Hof-Regensburg aufgrund zu erwartender hoher Kosten für Stuttgart 21, und welche weiteren Einschränkungen bei Bauvorhaben im Schienenverkehr sind durch das Stuttgarter Großprojekt zu erwarten? Die Kosten von Stuttgart 21 haben keine Auswirkungen auf andere Vorhaben des Bedarfsplans der Schienenwege des Bundes, da es sich hier um ein eigenwirtschaftliches Projekt der Deutsche Bahn AG handelt. Anlage 46 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Enak Ferlemann auf die Frage der Abgeordneten Birgitt Bender (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/3113, Frage 75): Wie beurteilt die Bundesregierung die Notwendigkeit der von der Deutschen Bahn AG angeordneten Rodung der Bäume im Stuttgarter Schlossgarten vor dem Hintergrund, dass die geplanten Baumaßnahmen für Stuttgart 21 Monate hinter dem Zeitplan liegen und noch keine Vergaben für wichtige Gewerke vorliegen? Bei Stuttgart 21 handelt es sich nicht um ein Projekt des Bedarfsplans für die Schienenwege des Bundes, sondern um ein eigenwirtschaftliches Projekt der Deutschen Bahn AG. Die Eisenbahninfrastrukturunternehmen sind Vorhabenträger und Bauherr. Die grundsätzlichen Eingriffsrechte regelt ein Planfeststellungsbeschluss; die Details der Zeit- und Ausführungsplanung der Bauarbeiten liegen indes im Wesentlichen in der Hand der Vorhabenträgerin. Anlage 47 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Enak Ferlemann auf die Frage der Abgeordneten Birgitt Bender (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/3113, Frage 76): Warum setzt sich die Bundeskanzlerin nicht höchstpersönlich für einen Baustopp ein, wenn sie doch erklärt, die Landtagswahl im März 2011 solle die Volksabstimmung über das Projekt werden? Die Bundeskanzlerin hat deutlich gemacht, dass aus ihrer Sicht die Landtagswahl im nächsten Jahr die Befragung der Bürger über die Zukunft Baden-Württembergs, über Stuttgart 21 und viele andere Projekte ist. In diesem Zusammenhang hat die Bundeskanzlerin betont, dass sie das Projekt Stuttgart 21 für sinnvoll hält und unterstützt. Anlage 48 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Peter Friedrich (SPD) (Drucksache 17/3113, Frage 77): Wie gedenkt die Bundesregierung das Projekt Stuttgart 21 bei einer Abwahl der derzeitigen Landesregierung bei der Landtagswahl, die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel in ihrer Haushaltsrede am 15. September 2010 zur Bürgerbefragung über das Projekt erklärt hat, zu beenden, und wie beurteilt die Bundesregierung die dem entgegenstehende Aussage der Deutschen Bahn AG und der Landesregierung, selbst durch eine verbindliche Volksabstimmung sei das Projekt nicht abzubrechen? Bei Stuttgart 21 handelt es sich nicht um ein Projekt des Bedarfsplans für die Schienenwege des Bundes, sondern um ein eigenwirtschaftliches Projekt der Deutsche Bahn AG. Die Eisenbahninfrastrukturunternehmen sind Vorhabenträger und Bauherr. Das Land Baden-Württemberg, die Stadt Stuttgart, der Verband Region Stuttgart und die Flughafen Stuttgart GmbH beteiligen sich als Aufgabenträger an der Finanzierung. Die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm ist Bestandteil des "Vordringlichen Bedarfs" des geltenden Bedarfsplans für die Bundesschienenwege. Einzelfinanzierungsvereinbarungen zum Bundesanteil an Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm wurden zwischen Bund und Deutsche Bahn AG am 2. April 2009 unterzeichnet. Die Projektbeteiligten streben nach wie vor an, dass beide Vorhaben 2019 in Betrieb gehen. Anlage 49 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Jan Mü cke auf die Fragen der Abgeordneten Daniela Wagner (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/3113, Fragen 78 und 79): Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Belastungen für die Mieter durch die Möglichkeit der Umlage der Kosten von energetischer Sanierung aktuell und im Falle der Erhöhung über 11 Prozent hinaus ein, wenn keine staatlichen Fördermittel in Anspruch genommen werden? Wie plant die Bundesregierung mögliche zusätzliche Belastungen für einkommensschwache Mieterinnen und Mieter abzufedern? Zu Frage 78: Für die Mieter hängt die Kostenbelastung nach einer energetischen Modernisierung von einer Vielzahl von Faktoren ab, sodass eine pauschale Antwort nicht möglich ist. Neben den tatsächlich entstandenen Kosten der energetischen Modernisierung und den damit verbundenen Einspareffekten bei den Heiz- und Warmwasserkosten gehören hierzu vor allem die Verhältnisse auf den lokal höchst unterschiedlichen Mietwohnungsmärkten. Zu Frage 79: Es greifen die geltenden Instrumente der sozialen Sicherung: Einkommensschwache Haushalte werden durch Wohngeld unterstützt. Das Wohngeld deckt durchschnittlich etwa 30 Prozent der Miete ab und dient der wirtschaftlichen Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens. Wohngeld ist ein Zuschuss zu den Wohnkosten und wird an Haushalte gezahlt, die nicht auf Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII angewiesen sind. Die Höhe des Wohngeldes richtet sich unter anderem nach der Bruttokaltmiete bis zu bestimmten, durch die Wohngeldreform 2009 deutlich erhöhten Höchstbeträgen. Eine Mieterhöhung führt zu einem höheren Wohngeld, sofern die Miete unter dem entsprechenden Höchstbetrag liegt. Bei Haushalten, die nicht durch Wohngeld unterstützt werden, weil sie Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII erhalten, werden die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft - sofern sie angemessen sind - und somit die erhöhten Mietkosten als notwendiger Bestandteil im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung berücksichtigt und durch den Sozialleistungsträger übernommen. Die Entscheidung über die Angemessenheit obliegt dem zuständigen Sozialleistungsträger. Anlage 50 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Jan Mü cke auf die Frage der Abgeordneten Bettina Herlitzius (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/3113, Frage 80): Warum berücksichtigt die Bundesregierung bei der Haushaltsetatisierung der Städtebaumittel nicht die von ihr selbst im Städtebaubericht 2008 empfohlene Höhe der Bundesmittel von 700 Millionen Euro jährlich, sondern senkt die Mittel der Städtebauförderung im Haushalt 2011 gravierend ab und bittet das Parlament, hier initiativ zu werden, wie der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Andreas Scheuer im Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung am 29. September 2010 äußerte? Die Bundesregierung bekennt sich zur Einhaltung der grundgesetzlich verankerten Schuldenbremse. Die Städtebauförderung leistet einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung. Über die Mittelausstattung der Städtebauförderung 2011 entscheidet der Deutsche Bundestag. Anlage 51 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Jan Mü cke auf die Frage der Abgeordneten Bettina Herlitzius (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/3113, Frage 81): Plant die Bundesregierung, Programme der Städtebauförderung zukünftig auslaufen zu lassen, und, wenn ja, aus welchen Gründen (bitte differenziert nach einzelnen Programmen)? Nein, entsprechende Planungen bestehen nicht. Die Festlegung der Mittelausstattung der einzelnen Programme erfolgt jedoch im parlamentarischen Haushaltsverfahren. Anlage 52 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/3113, Frage 82): Welche konkreten Erkenntnisse - insbesondere auch dazu, welche sicherheitstechnische Relevanz diese Funktionsstörung im Falle eines Störfalls oder Unfalls im Nachbarblock B gehabt hätte - hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BMU, bislang über die jüngst entdeckte Funktionsstörung der Notstandsanlage im Atomkraftwerk Biblis A (vergleiche Bericht in der taz vom 1. Oktober 2010), und hat die Bundesregierung vor ihrer Entscheidung über längere Laufzeiten für das Atomkraftwerk Biblis B alle sicherheitstechnisch relevanten Defizite, die in der vom BMU in Auftrag gegebenen Studie des Öko-Instituts festgehalten sind (vergleiche Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 28. September 2010 "Schwere Mängel in Biblis"), im Hinblick auf die Laufzeitverlängerung für Biblis B geprüft? Dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit liegen weitergehende Erkenntnisse zur sicherheitstechnischen Relevanz des genannten Ereignisses noch nicht vor. Die bundesaufsichtliche Bewertung erfolgt aufgrund der Berichterstattung der zuständigen hessischen Aufsichtsbehörde. Die Relevanzprüfung des Öko-Instituts, die in der letzten Legislaturperiode vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit in Auftrag gegeben wurde, beinhaltet keine gutachterliche Feststellung von Sicherheitsdefiziten. Das Öko-Institut hat ohne eine gutachterliche Untersuchung der Anlage, wie sie die Sachverständigen der zuständigen Aufsichtsbehörde vornehmen, geprüft, ob anhand der von der deutschen Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung e. V., kurz IPPNW, vorgetragenen Kritikpunkte eine Abweichung vom abstrakten Stand von Wissenschaft und Technik nachvollzogen werden kann. Derartige Abweichungen wurden weitgehend auch bereits in früheren Sicherheitsanalysen festgestellt oder bestehen lediglich in allgemeinen Unterschieden von Biblis B gegenüber neueren Anlagen. Aus dem Bericht des Öko-Instituts ergibt sich nicht, ob die Abweichungen heute noch vorhanden sind und ob die Abweichungen als zu beseitigende sicherheitstechnische Defizite einzustufen sind. Die Beurteilung, ob sicherheitstechnische Defizite vorliegen, die Handlungsbedarf auslösen, ist durch die zuständige Aufsichtsbehörde im Gesetzesvollzug erfolgt. Anlage 53 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/3113, Frage 83): Durch welche konkreten Maßnahmen - bitte mit Angabe des genauen Datums - hat das BMU damit begonnen, die Umsetzung der von der Bund-Länder-Arbeitsgruppe vorgesehenen Nachrüstmaßnahmen bei Atomkraftwerken zu begleiten und dabei auch den Umsetzungsstand zu verfolgen (vergleiche Antwort im Plenarprotokoll 17/61, Anlage 45, auf meine mündliche Frage 59 auf Bundestagsdrucksache 17/3007), und welche konkreten Erkenntnisse liegen dem BMU dadurch bzw. seitdem bereits vor? Nach der von der Bundesregierung am 5. September 2010 getroffenen Grundsatzentscheidung unter anderem zur Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke wurde am 8. September 2010 in einer Telefonkonferenz des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BMU, mit den Abteilungsleitern der zuständigen atomrechtlichen Behörden der Länder das weitere Vorgehen zur Umsetzung der von der Bund-Länder-Arbeitsgruppe vorgesehenen Maßnahmen abgestimmt. Angesichts anlagenspezifischer Unterschiede bedarf es vertiefter Prüfungen, inwieweit die mit den einzelnen Anforderungen/Maßnahmen konkretisierte zusätzliche Risikovorsorge in den jeweiligen Anlagen zu erreichen ist bzw. erreicht ist. Das BMU wird in den nächsten Wochen zu einer weiteren Sitzung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe einladen, in der der bis dahin erreichte Zwischenstand erörtert werden soll. Anlage 54 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/3113, Frage 84): Hat das BMU außer den auf Bundestagsdrucksache 17/3088 (Antwort auf die Kleine Anfrage zu den Fragen 18 und 19) genannten Sachverständigen der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit auch noch andere behördenexterne Sachverständige in die Erarbeitung der fünfseitigen Nachrüstliste mit dem Titel "Sicherheitstechnische Anforderungen/ Maßnahmen zur weiteren Vorsorge gegen Risiken" einbezogen - sei es im Rahmen der Arbeitsgruppe oder auf anderem Wege -, und, falls ja, inwiefern geschah dies (also welche Sachverständigen wurden wie einbezogen)? Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit hat während der Erarbeitung der "Sicherheitstechnischen Anforderungen/Maßnahmen" auch Gespräche mit einer Gruppe von Experten gesucht. Zu den Experten gehörten ein Mitarbeiter des TÜV (TÜV Nord), ein Mitarbeiter von AREVA (Hersteller), einem Vertreter des Öko-Instituts und der auch in der Bund-Länder-Gruppe vertretene Geschäftsführer der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit, GRS. Vorschläge der Expertengruppe hat das Bundesministerium in die Arbeit der Bund-Länder-Gruppe eingebracht. Zusätzlich hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit die GRS, das Physikerbüro Bremen, das Öko-Institut und SE-Engineering um Einschätzungen gebeten. Diese dienten dem Vertreter des Bundesministeriums in der Bund-Länder-Gruppe als Hintergrundinformation. Anlage 55 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten René Röspel (SPD) (Drucksache 17/3113, Frage 86): Plant die Bundesregierung angesichts der Kürzungspläne bzw. der bereits beschlossenen Kürzungen in den Etats für Wissenschaft und Forschung in anderen europäischen Staaten ein Programm oder Maßnahmen, um unter Verweis auf die steigenden Ausgaben für Wissenschaft und Forschung in Deutschland Forscherinnen und Forscher gezielt anzusprechen mit dem Ziel, dass sie zukünftig in Deutschland wissenschaftlich tätig sind? Die Bundesregierung verfolgt unabhängig von Etatentwicklungen in europäischen Nachbarstaaten mit ihrer Internationalisierungsstrategie unter anderem die Absicht, die besten internationalen Köpfe für Studium und Forschung für unser Land zu gewinnen, um den Wissenschaftsstandort Deutschland zu stärken und weiter wettbewerbsfähig zu halten. Dazu tragen vor allen die Förderprogramme der Alexander von Humboldt-Stiftung, AvH, bei, insbesondere die AvH-Preise für Nachwuchswissenschaftler und Spitzenforscher, Sofia-Kovalevskaja-Preis und Alexander von Humboldt-Professur. Auch über den Deutschen Akademischen Austausch Dienst, DAAD, werden ausländische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gefördert. Des Weiteren führt die Exzellenzinitiative zu einer zunehmenden Rekrutierung ausländischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Außerdem fördert die Bundesregierung die deutsche Beteiligung am Programm "Menschen" zur Forschermobilität im Rahmen des Marie-Curie-Programms der EU und am europäischen Forscherportal EuroAXESS, das für Deutschland - durch Mittel des BMBF - von der AvH betrieben wird. Es bietet umfassende Informations- und Beratungsmöglichkeiten zur Erstorientierung für mobile Forscher, die in ein europäisches Zielland gehen möchten, und trägt so zur Anwerbung ausländischer Forscherinnen und Forscher bei. Anlage 56 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten René Röspel (SPD) (Drucksache 17/3113, Frage 87): Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung im Entwurf des Bundeshaushalts 2011 im Einzelplan 30 (Titel 685 81 - Gesetzliche Endlageraufwendungen) eine Steigerung von rund 18 Millionen Euro eingeplant, und wie wird dieser Mehrbedarf innerhalb nur eines Jahres begründet? Die Frage betrifft die im Haushalt 2011 des BMBF eingeplanten Mittel für die gesetzlichen Endlageraufwendungen. Bei diesen Endlageraufwendungen handelt es sich um Gelder, die das BMBF über seine Einrichtungen dem Bundesamt für Strahlenschutz, BfS, aufgrund der Endlagervorausleistungsverordnung zur Verfügung stellen muss. Basis dieser Zahlungen sind die beim Rückbau nuklearer Altanlagen im Geschäftsbereich des BMBF anfallenden radioaktiven Abfälle. Mit den vom BfS vereinnahmten Geldern werden von diesem dann die Endlager des Bundes für radioaktiven Abfall errichtet. Neben dem BMBF sind innerhalb der Bundesregierung auch die Geschäftsbereiche des BMF und BMU betroffen sowie außerhalb der öffentlichen Hand die Energieversorgungsunternehmen der Privatwirtschaft, soweit sie Kernkraftwerke betreiben. Die in der Frage angesprochene Steigerung in Höhe von 18 Millionen Euro beruht insbesondere auf Kostensteigerungen, die durch Verzögerungen bei der Errichtung des Endlagers Konrad verursacht sind. Anlage 57 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Gudrun Kopp auf die Frage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) (Drucksache 17/3113, Frage 91): Wie wird die Bundesregierung als bislang drittgrößtes Geberland bei der Geberkonferenz in New York aktiv werden, um den internationalen Verpflichtungen insbesondere zur Bekämpfung von HIV/Aids nachzukommen, und wie will sie sicherstellen, dass der Global Fonds die 20 Milliarden US-Dollar bekommt, die dringend benötigt werden, um unter anderem HIV-positiven Menschen die lebensrettende antiretrovirale Therapie zukommen zu lassen? Die Bundesregierung kommt ihrer beim G-8-Gipfel in Heiligendamm eingegangenen Verpflichtung nach, von 2008 bis 2015 mindestens 4 Milliarden Euro zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose, Malaria und der dafür nötigen Gesundheitssystemstärkung bereitzustellen. Die internationale Zusammenarbeit im Bereich Gesundheit hat für Deutschland weiterhin eine hohe Priorität. Wie Sie der heutigen Presse entnehmen können, beabsichtigt Deutschland, sein Engagement für den Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria, GFATM, auf hohem Niveau fortzusetzen. Deutschland wird sich deshalb - vorbehaltlich der Zustimmung des Parlaments zum vom BMZ vorgelegten Haushaltsentwurf - 2011 mit 200 Millionen Euro an der Wiederauffüllung des GFATM beteiligen. Des Weiteren hat Deutschland gestern bei der Geberkonferenz in New York - vorbehaltlich der Schaffung der Haushaltsvoraussetzungen für 2012 und 2013 - jeweils weitere 200 Millionen Euro zugesagt. Darüber hinaus haben wir eine engere Verzahnung unserer bilateralen Entwicklungszusammenarbeit mit den Aktivitäten des GFATM angeboten. Anlage 58 Antwort des Staatsministers Dr. Werner Hoyer auf die Frage des Abgeordneten Dr. Rolf Mützenich (SPD) (Drucksache 17/3113, Frage 92): Welche Ergebnisse hinsichtlich des laufenden Nahostgesprächsprozesses hat die Bundeskanzlerin aufgrund ihrer auch öffentlich gemachten Telefonate mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erzielt? Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel war und ist laufend mit dem israelischen Ministerpräsidenten, Benjamin Netanyahu, und dem Präsidenten der palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmoud Abbas, im Kontakt. Ihr Ziel ist dabei, zu einer positiven Atmosphäre und konstruktiven Haltung bei den Gesprächen beizutragen und damit die amerikanischen Bemühungen um ein Rahmenabkommen zu unterstützen. Über die einzelnen Gesprächsinhalte wurde Vertraulichkeit vereinbart. Anlage 59 Antwort des Staatsministers Dr. Werner Hoyer auf die Frage des Abgeordneten Dr. Rolf Mützenich (SPD) (Drucksache 17/3113, Frage 93): Wie begründet die Bundesregierung ihre Bewerbung um einen nichtständigen und - im Falle einer Reform - sogar um einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen angesichts der Tatsache, dass die Leistungen Deutschlands auf dem Gebiet von Frieden und internationaler Sicherheit durch die Bereitstellung von Polizei- und Militärpersonal für VN-geführte Peacekeeping-Missionen laut den letzten VN-Angaben für den Monat August 2010 im Vergleich zu ähnlich großen Staaten wie Italien, Rang 16, Frankreich, Rang 18, oder Spanien, Rang 21, lediglich mit Rang 44 bemessen wird? Die Bundesregierung ist seit Jahren ein verlässlicher Partner der Vereinten Nationen. Dies gilt insbesondere auch für unsere Beteiligung an VN-geführten Missionen mit Soldaten und Polizisten. Im Schnitt waren seit 2002 zumeist um die 300 Soldaten und Polizisten im Einsatz für die von den VN geführten Missionen. Schwankungen beruhen ausschließlich auf operativen Anforderungen - wie etwa der Übernahme der Führung des UNIFIL-Flottenverbands - und können nicht als Indiz für steigendes oder sinkendes Engagement der deutschen VN-Politik gewertet werden. Dies wird durch einen Blick auf den seit 2002 höchsten und den tiefsten Stand der Beteiligung deutlich: Mit 248 Personen waren im Juni 2006 die wenigsten deutschen Soldaten und Polizisten eingesetzt. Nur sechs Monate später, im Dezember 2006, waren mehr als vier Mal so viel Soldaten und Polizisten im Einsatz, nämlich 1 143. Der Schluss, das Engagement der damaligen Bundesregierung für die VN-geführten Einsätze hätte sich in jenem halben Jahr vervierfacht, scheint mir zumindest gewagt. Die Beteiligung der anderen von Ihnen genannten Nationen bewegt sich grundsätzlich in ähnlichen Größenordnungen. Schwankungen sind auch hier durch besondere operative Anforderungen oder das Engagement für eine bestimmte Mission - für Frankreich, Italien und Spanien ist dies derzeit UNIFIL - begründet. An der Verlässlichkeit des Engagements dieser Partner für die VN besteht, unabhängig von der genauen Zahl der Soldaten und Polizisten, die sie stellen, kein Zweifel. Eines möchte ich hervorheben: Die Leistungen Deutschlands zur Wahrung des Friedens und der internationalen Sicherheit bemessen sich nicht nur an der deutschen Beteiligung an VN-geführten Einsätzen. Im Rahmen VN-mandatierter Missionen sind gegenwärtig etwa 7 200 deutsche Soldatinnen und Soldaten sowie etwa 300 Polizeivollzugsbeamte im Einsatz. Auch die VN-Charta spricht im Übrigen, völlig zu Recht, lediglich von den Beiträgen zur Wahrung des Friedens und der internationalen Sicherheit - und nicht von Beiträgen zu VN-geführten Missionen. Schließlich geht unser Engagement für die VN-geführten Missionen weit über die Beteiligung mit Personal hinaus. Deutschland trägt als viertgrößter Beitragszahler der VN - hinter den USA, Japan und Großbritannien - 2010 voraussichtlich mit 576,4 Millionen Euro zum VN-Haushalt der Friedensmissionen bei. Wir unterstützen die Arbeit der VN für Frieden und Sicherheit aber auch in vielen weiteren Bereichen, etwa als aktueller Vorsitz des Organisationskomitees der Peacebuliding Commission. Vor diesem Hintergrund sind wir überzeugt, dass wir im Sicherheitsrat einen wesentlichen Mehrwert zur Arbeit dieses nach wie vor zentralen Gremiums leisten können. Klar ist: Nur wer im Sicherheitsrat vertreten ist, kann die Entscheidungen des Rats in seinem Sinne mitbestimmen. Nur als Mitglied können wir deutsche Anliegen direkt einbringen und unseren Ideen Gehör verschaffen. Die Arbeit des VN-Sicherheitsrats beschränkt sich im Übrigen nicht auf den Einsatz von Soldaten oder das Verhängen von Sanktionen. Der Rat ist Diskussionsforum für viele Fragen von Frieden und Gerechtigkeit - von der Rolle der Frau bei Friedensmissionen über die Problematik von Kindern in bewaffneten Konflikten bis hin zur Rolle von Drogen bei der Destabilisierung einzelner Regionen, der Nahrungsmittelsicherheit oder dem Zugang zu Wasser. In all diesen Bereichen leistet die Bundesregierung, leistet Deutschland wichtige, weltweit anerkannte Beiträge. Die zentrale Rolle des Sicherheitsrats in der Weltpolitik liegt auf der Hand. Wir streben eine Reform des Sicherheitsrats an, weil wir ein fundamentales Interesse daran haben, dass dieses zentrale Gremium auch die Weltordnung von heute spiegelt. Nur wenn der Rat universell anerkannt wird, kann er seiner Rolle als Hüter und Wahrer des Friedens und der internationalen Sicherheit gerecht werden. Deswegen sind wir engagiert in der Debatte zur Reform des Sicherheitsrats: Wir wollen eine Reform, die die großen Länder des Südens an den Tisch bringt. Und wir glauben, dass wir als einer der größten Beitragszahler ebenfalls vertreten sein sollten. Denn auch die Interessen derjenigen, die für einen Großteil der Rechnung aufkommen, werden heute nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt. Anlage 60 Antwort des Staatsministers Dr. Werner Hoyer auf die Frage des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/3113, Frage 94): Wie gedenkt die Bundesregierung sich für den seit mehr als vier Wochen in Syrien verhafteten deutschen Menschenrechtsaktivisten Ismail Abdi gegenüber den syrischen Behörden einzusetzen, nachdem die bisherigen Bemühungen des Auswärtigen Amts - Bitte um konsularischen Zugang, um anwaltliche Vertretung, um Informationen zum Aufenthaltsort und Haftgrund sowie das Angebot der Versorgung mit notwendigen Medikamenten - ob der syrischen Auffassung, Ismail Abdi sei syrischer Staatsbürger, keine Reaktionen auf syrischer Seite erbracht haben, und wie rechtfertigt die Bundesregierung angesichts derartiger Vorgehensweisen der syrischen Behörden ihr Festhalten am Vollzug des am 14. Juli 2008 abgeschlossenen Abkommens zwischen den Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Arabischen Republik Syrien über die Rückführung von illegal aufhältigen Personen? Das Auswärtige Amt bemüht sich weiterhin hochrangig und mit Nachdruck um die konsularische Betreuung Herrn Abdis. Es trifft zu, dass der Deutschen Botschaft in Damaskus bislang kein konsularischer Zugang gewährt wurde. Andererseits hat die syrische Regierung die konsularische Betreuung durch die Deutsche Botschaft bislang auch nicht abgelehnt. Im vorliegenden Haftfall geht es um die konsularische Unterstützung für einen deutschen Staatsangehörigen in Syrien, der nach syrischer Auffassung syrischer Staatsangehöriger ist. Es besteht daher kein unmittelbarer Zusammenhang zu dem bilateralen Rückführungsabkommen mit Syrien. Das deutsch-syrische Abkommen über die Rückführung von illegal aufhältigen Personen regelt im Rahmen der Gegenseitigkeit die Voraussetzungen, unter denen ein Vertragspartner zur Rückübernahme ausreisepflichtiger Personen verpflichtet ist. Es wirkt sich in Deutschland nur auf Personen aus, deren Ausreisepflicht in einem rechtsstaatlichen Verfahren bereits festgestellt wurde. In diesem Zusammenhang beobachtet das Auswärtige Amt die Lage in Syrien sehr sorgfältig und erstellt in Amtshilfe halbjährlich einen Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage. Dieser dient als eine Grundlage für die ausländerrechtlichen Bewertungen seitens der zuständigen Innen- und Justizbehörden. Dabei werden auch Entwicklungen in der Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis berücksichtigt. Anlage 61 Antwort des Staatsministers Dr. Werner Hoyer auf die Frage der Abgeordneten Sevim Daðdelen (DIE LINKE) (Drucksache 17/3113, Frage 95): Inwieweit hält die Bundesregierung an ihrer Auffassung fest, dass die deutsche Beteiligung an der Mission EUTM Somalia - European Union Training Mission for Somalia - kein bewaffneter Einsatz im Sinne des Parlamentsbeteiligungsgesetzes ist, obwohl das Bundesministerium der Verteidigung die Bedrohungslage in Uganda "zurzeit als mittel eingestuft" hat, das heißt, ein/eine "Staat, Organisation oder Gruppe verfügt über die Fähigkeit und die Absicht, deutsche Streitkräfte und/oder verbündete Streitkräfte anzugreifen. Allgemeine, nicht spezifizierte Anzeichen deuten auf möglicherweise bevorstehende Angriffe hin" (Unterrichtung des Parlaments 39/10)? Die somalischen Al Shabaab führten am 11. Juli 2010 in Kampala erstmals gezielt Sprengstoffattentate auf ugandische Einrichtungen/Staatsbürger durch und kündigten für die Zukunft weitere Anschläge auf Uganda als Truppensteller für die Mission der Afrikanischen Union in Somalia, AMISOM, an. Dies machte mit Blick auf die Zusammenarbeit mit den ugandischen Streitkräften bei EUTM SOMALIA gemäß der Definition eine Hochstufung der Bedrohungslage in Uganda auf "mittel" notwendig, auch wenn nicht erkennbar war, dass deutsche oder andere an EUTM beteiligte europäische Soldaten Ziel der Anschläge waren oder werden könnten. Waffen werden von den teilnehmenden Soldatinnen oder Soldaten der Bundeswehr weiterhin nur zum Zwecke des Selbstschutzes und gegebenenfalls zu Ausbildungszwecken getragen. Es ist auch weiterhin nicht zu erwarten, dass Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr im Rahmen der Teilnahme an der EUTM Somalia in bewaffnete Unternehmungen im Sinne des Parlamentsbeteiligungsgesetzes einbezogen werden. Gemäß § 2 Abs. 1 des Parlamentsbeteiligungsgesetzes liegt ein Einsatz bewaffneter Streitkräfte vor, wenn Soldatinnen oder Soldaten der Bundeswehr in bewaffnete Unternehmungen einbezogen sind oder eine Einbeziehung in eine bewaffnete Unternehmung zu erwarten ist. Dies ist bei der Beteiligung von Soldatinnen oder Soldaten der Bundeswehr an EUTM SOMALIA nicht der Fall. Es besteht keine konkrete militärische Gefahrenlage, die eine qualifizierte Erwartung einer Einbeziehung in bewaffnete Auseinandersetzungen begründen würde. 6770 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 64. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 6. Oktober 2010 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 64. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 6. Oktober 2010 6771 Deutscher Bundestag - 15. Wahlperiode - 38. Sitzung - 4. April 2003 4 6798 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 64. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 6. Oktober 2010 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 64. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 6. Oktober 2010 6797