Plenarprotokoll 17/116 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 116. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2011 I n h a l t : Wahl der Abgeordneten Claudia Bögel, Viola von Cramon-Taubadel, Harald Ebner und Tobias Lindner als Schriftführer Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes (Drucksache 17/6246) b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsrahmens für die Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien (Drucksachen 17/6247) c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften (Drucksache 17/6248) d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Beschleunigung des Netzausbaus Elektrizitätsnetze (Drucksache 17/6249) e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur steuerlichen Förderung von energetischen Sanierungsmaßnahmen an Wohngebäuden (Drucksache 17/6251) f) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens "Energie- und Klimafonds" (EKFG-ÄndG) (Drucksache 17/6252 (neu)) g) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der klimagerechten Entwicklung in den Städten und Gemeinden (Drucksache 17/6253) h) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung schifffahrtsrechtlicher Vorschriften (Drucksache 17/6254) Tagesordnungspunkt 2: Befragung der Bundesregierung: Ergebnisse der deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister AA Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister AA Manfred Grund (CDU/CSU) Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister AA Dr. Rolf Mützenich (SPD) Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister AA Stefan Liebich (DIE LINKE) Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister AA Kathrin Vogler (DIE LINKE) Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister AA Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister AA Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister AA Marina Schuster (FDP) Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister AA Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister AA Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister AA Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister AA Tagesordnungspunkt 3 Fragestunde (Drucksache 17/6273) Mündliche Frage 1 Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Steuerausfälle für die Kommunen aufgrund der geplanten Steuersenkungen Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Zusatzfragen Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Nicolette Kressl (SPD) Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Carsten Sieling (SPD) Mündliche Frage 2 Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kostenentlastungen der Kommunen durch die Übernahme der Grundsicherung im Alter durch den Bund in Relation zu erwarteten Steuermindereinnahmen Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Zusatzfragen Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (zur Geschäftsordnung) Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) Nicolette Kressl (SPD) Mündliche Frage 3 Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Entlastungswirkung von Steuersenkungen Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Mündliche Frage 4 Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auswirkung der sogenannten kalten Progression Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Zusatzfragen Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Nicolette Kressl (SPD) Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) Mündliche Frage 5 Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) Begründung für die erneute Ankündigung einer Steuersenkung durch die Bundesregierung Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Zusatzfrage Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) Mündliche Frage 6 Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) Einbringung eines Gesetzentwurfs zur Abgrenzung zwischen Betriebs- und Verwaltungsvermögen in der Erbschaft- und Schenkungsteuer Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Mündliche Frage 7 Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Überproportionale Entlastung oberer Einkommen bei Senkung oder Streichung des Solidaritätszuschlags Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Zusatzfragen Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 8 Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Voraussichtliche Höhe der Einnahmeausfälle bei einer Indexierung des Einkommensteuertarifs Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Zusatzfragen Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 14 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Etwaige Streichung eines Großteils der Schulden Griechenlands bei privaten Gläubigern Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Zusatzfragen Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Carsten Sieling (SPD) Mündliche Frage 29 Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Prüfung der Veröffentlichung des Gutachtens des BMELV zur Bewertung der Ehrwürdigkeit ehemaliger Mitarbeiter des Ministeriums auf die Zeit des Nationalsozialismus durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV Zusatzfragen Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 30 Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Konsequenzen aus dem russischen Importverbot für deutsche Fleisch- und Milchprodukte wegen angeblicher Ehec-Belastung Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV Zusatzfrage Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 67 Dr. h. c. Susanne Kastner (SPD) Schließung von Auslandsvertretungen in Rumänien Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Zusatzfragen Dr. h. c. Susanne Kastner (SPD) Mündliche Frage 68 Dr. h. c. Susanne Kastner (SPD) Konsularische Betreuung der deutschen Minderheit in Rumänien Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Zusatzfrage Dr. h. c. Susanne Kastner (SPD) Mündliche Frage 74 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vereinbarungen von nichtmilitärischen Organisationen mit Aufständischen über Aufbauprojekte im Norden Afghanistans seit 2009; Beendigung der Angriffe mit dem Ziel "capture or kill" im deutschen Verantwortungsbereich Afghanistans Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Zusatzfragen Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zusatztagesordnungspunkt 2: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gemäß Anlage 5 Nr. 1 Buchstabe b GO-BT: zu den Antworten der Bundesregierung auf die Fragen 1 und 2 auf Drucksache 17/6273 Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Norbert Barthle (CDU/CSU) Joachim Poß (SPD) Dr. Volker Wissing (FDP) Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Johannes Kahrs (SPD) Dr. Hermann Otto Solms (FDP) Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Andreas Mattfeldt (CDU/CSU) Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) Alois Karl (CDU/CSU) Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) Nächste Sitzung Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Mündliche Frage 9 Hilde Mattheis (SPD) Bearbeitungsstand der im Jahr 2010 zusätzlich angefallenen Steuerfälle aus Selbstanzeigen und Steuerdaten-CDs Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 3 Mündliche Frage 10 Hilde Mattheis (SPD) Anzahl der im Jahr 2010 durch Selbstanzeigen und Steuerdaten-CDs zusätzlich angefallenen Steuerfälle mit einem Hinterziehungsbetrag von mehr als 50 000 Euro Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 4 Mündliche Frage 11 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bisherige Steuereinnahmen aus der Brennelementesteuer Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 5 Mündliche Frage 12 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Abschluss der Verhandlungen mit der Schweiz über eine Regelung für nicht im Inland versteuerte Einkünfte sowie Übertragbarkeit auf andere Staaten Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 6 Mündliche Frage 13 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Vorliegen einer Schädlichkeit im neuen § 32 Abs. 4 Einkommensteuergesetz für ein volljähriges Kind bei Überschreiten einer bestimmten Zeitgrenze nach Abschluss einer Berufsausbildung und eines Erststudiums Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 7 Mündliche Frage 15 Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Handlungsbedarf beim Verkauf von Liegenschaften des Bundes an Kommunen oder Private Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 8 Mündliche Frage 16 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Berücksichtigung der Belange behinderter Menschen im Programm der Zusammenarbeit anlässlich des 20. Jahrestags der Unterzeichnung des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 9 Mündliche Frage 17 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Berücksichtigung der Belange behinderter Menschen bei den kommenden deutsch-russischen Regierungskonsultationen und beim anstehenden Petersburger Dialog Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 10 Mündliche Frage 18 Klaus Ernst (DIE LINKE) Entwicklung des Realwerts bzw. der Kaufkraft der Bruttostandardrente seit 2001 Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 11 Mündliche Frage 19 Anette Kramme (SPD) Verlängerung der Beschränkungen bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit für Bulgarien und Rumänien Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 12 Mündliche Frage 20 Anette Kramme (SPD) Anzahl an Beschäftigten in den Integrationsämtern und Bußgeldstellen mit Zuständigkeit für die Umsetzung der Bußgeldregelung in § 156 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 13 Mündliche Frage 21 Werner Dreibus (DIE LINKE) Missbrauch und Mitnahmeeffekte bei Vermittlungsgutscheinen Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 14 Mündliche Frage 22 Werner Dreibus (DIE LINKE) Benachteiligung bestimmter Gruppen unter den Erwerbslosen bei der Nutzung des Vermittlungsgutscheins Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 15 Mündliche Frage 23 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Entwicklung der Ausgaben für den Vermittlungsgutschein seit Einführung sowie Erfolge bei der Arbeitsmarkteingliederung Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 16 Mündliche Frage 24 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Entwicklung der Teilnehmerzahlen für den Vermittlungsgutschein Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 17 Mündliche Frage 25 Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Prüfung der angemessenen Mietkosten bei Wohnortwechsel von SGB-II-Leistungsbeziehern Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 18 Mündliche Frage 26 Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Probleme der Zuständigkeit bei Jobcentern im Fall von Wohnortwechseln von SGB-II-Leistungsbeziehern Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 19 Mündliche Frage 27 Gustav Herzog (SPD) Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Neuordnung des Pflanzenschutzrechts Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 20 Mündliche Frage 28 Gustav Herzog (SPD) Antragsstau in der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 21 Mündliche Fragen 31 und 32 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Krise der deutschen Krabbenfischerei; Fangmengenbegrenzung Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 22 Mündliche Frage 33 Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Aufnahme des Wolfs als bejagbare Art in die Jagdgesetzgebung Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 23 Mündliche Frage 34 Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Ganzjährig nicht bejagbare Tierarten Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 24 Mündliche Fragen 35 und 36 Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vorgaben der NATO für die Seenotrettung eines Bootes und Beteiligung von Frontex; deutsche Initiativen zur Verbesserung der Seenotrettung insbesondere im Mittelmeer Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 25 Mündliche Frage 37 Heidrun Dittrich (DIE LINKE) Termin für die Aussprache zum sechsten Altenbericht im Deutschen Bundestag Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Anlage 26 Mündliche Fragen 38 und 39 Caren Marks (SPD) Ausbaugeschwindigkeit und Finanzierungsplanung der Kinderbetreuung Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Anlage 27 Mündliche Frage 40 Dr. Marlies Volkmer (SPD) Zeitpunkt der erstmaligen Kenntnis des Robert Koch-Instituts über Ehec-Infektionen in Hamburg Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG Anlage 28 Mündliche Frage 41 Uwe Beckmeyer (SPD) Einführung der Lkw-Maut auf vierspurigen Bundesstraßen Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 29 Mündliche Frage 42 Uwe Beckmeyer (SPD) Seitens der Länder gemeldete Streckenabschnitte und Brückenbauwerke von Bundesfernstraßen für das Erhaltungsprogramm 2011 Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 30 Mündliche Fragen 43 und 44 Hans-Joachim Hacker (SPD) Neuregelung der Altschuldenhilfe für ostdeutsche Wohnungsunternehmen in Verbindung mit einer Sanierungsverpflichtung für Wohngebäude in Innenstädten Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 31 Mündliche Frage 45 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einführung lärmabhängiger Trassenpreise im Schienenverkehr; Zeitplan zur Abschaffung des Schienenbonus Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 32 Mündliche Frage 46 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Abschluss der Untersuchungen zum Zugunglück in Hordorf am 29. Januar 2011; Vorlage des Unfallprüfungsberichts Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 33 Mündliche Frage 47 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anfahren der vom Moratorium betroffenen Atomkraftwerke vor dem Auslaufen des Moratoriums Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 34 Mündliche Frage 48 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Umsetzung von Empfehlungen des Abteilungsleiters RS im BMU für eine spezifischere Begründung des der Anordnung zur vorübergehenden Betriebseinstellung zugrunde liegenden Gefahrenverdachts Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 35 Mündliche Frage 49 Dorothee Menzner (DIE LINKE) Zustand der Kernkraftwerke Fort Calhoun und Cooper Nuclear Station in USA Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 36 Mündliche Fragen 52 und 53 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Forderung des Bundesrates bezüglich Absenkung der Solarstromförderung; Local-Content-Regelung für eine differenzierte Einspeiseförderung bei Solarstromanlagen Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 37 Mündliche Fragen 54 und 55 Michael Gerdes (SPD) Planungsstand und Kosten für den Neubau des Forschungsschiffes "Polarstern II"; Weiternutzung des bisherigen Forschungsschiffs "Polarstern" Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 38 Mündliche Fragen 56 und 57 Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) Deutsche Position zur Zukunft und Finanzierung des EU-Projekts "Aurora Borealis" Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 39 Mündliche Fragen 58 und 59 Ulla Burchardt (SPD) Vergebene Stipendien zur Einführung des Nationalen Stipendienprogramms im laufenden Sommersemester; Umfang der Kofinanzierung durch Unternehmen Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 40 Mündliche Frage 60 Sabine Stüber (DIE LINKE) Beantwortung offener Fragen zur Yasuní-ITT-Initiative durch das BMZ Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Anlage 41 Mündliche Fragen 61 und 62 Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zubau von Kohle- und Gaskraftwerken; etwaige Förderung Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 42 Mündliche Frage 63 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Geplante Förderung fossiler Kraftwerke Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 43 Mündliche Frage 64 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vorlage einer Übersicht der in Kaltreserve stehenden Kraftwerke Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 44 Mündliche Frage 65 Dorothee Menzner (DIE LINKE) Verzögerungen in Planungsverfahren beim Ausbau der Elektrizitätsnetze Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 45 Mündliche Frage 66 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Senkung des Stromverbrauchs bis 2020 Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 46 Mündliche Fragen 69 und 70 Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Menschenrechtsklauseln in Abkommen der Europäischen Union mit Drittstaaten; Stellenwert der Menschenrechte im Rückübernahmeabkommen Italiens mit dem nationalen Übergangsrat in Bengasi Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 47 Mündliche Frage 71 Andrej Hunko (DIE LINKE) Auswirkungen des Abkommens Italiens mit der libyschen Opposition zur Verhinderung unerwünschter Einwanderung auf die Flüchtlings- und Asylpolitik der EU im Mittelmeer Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 48 Mündliche Frage 72 Andrej Hunko (DIE LINKE) Beschluss des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zu Libyen im Widerspruch zur Charta der Vereinten Nationen Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 49 Mündliche Frage 73 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Maßnahmen gegen die drohende Hinrichtung von Davinder Pal Singh in Indien und Konsequenzen aus der damals fehlerhaften Abschiebung Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 50 Mündliche Frage 75 Sevim Daðdelen (DIE LINKE) Pläne des Europäischen Auswärtigen Dienstes für eine GSVP-Mission im Südsudan Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 51 Mündliche Fragen 76 und 77 Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) Einreise des früheren thailändischen Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra sowie Treffen mit dem thailändischen Kronprinzen in München Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 52 Mündliche Fragen 80 und 81 Memet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Statistischer Nachweis und Ursachen für die höhere Kriminalitätsräte bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 53 Mündliche Frage 82 Sevim Daðdelen (DIE LINKE) Anordnung einer Funkzellenabfrage bei einer Demonstration in Dresden am 19. Februar 2011; Löschung der gespeicherten Daten anwesender Bundestagsabgeordneter Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 54 Mündliche Frage 83 Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zulässigkeit der Speicherung von Verkehrsdaten aus Funkzellenabfragen Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Anlage 55 Mündliche Frage 84 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vorlage des Gesetzentwurfs zur Ratifizierung des Protokolls Nr. 12 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten beim Deutschen Bundestag Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ 116. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2011 Beginn: 13.00 Uhr Vizepräsident Eduard Oswald: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Die Fraktion der FDP hat mitgeteilt, dass die Kollegin Christine Aschenberg-Dugnus als Schriftführerin ausscheidet. Als Nachfolgerin wird die Kollegin Claudia Bögel vorgeschlagen. Seitens der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen werden drei neue Schriftführerinnen und Schriftführer benannt. Die Kollegin Daniela Wagner sowie die Kollegen Uwe Kekeritz und Sven-Christian Kindler haben ihr Amt aufgegeben. Ihnen sollen die Kollegin Viola von Cramon-Taubadel sowie die Kollegen Harald Ebner und Tobias Lindner nachfolgen. Sind Sie damit einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann sind die genannten Kolleginnen und Kollegen hiermit Schriftführerinnen und Schriftführer in unserem Parlament. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 1 a bis h auf: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes - Drucksache 17/6246 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f) Innenausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsrahmens für die Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien - Drucksache 17/6247 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f) Innenausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Verteidigungsausschuss Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Haushaltsausschuss c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften - Drucksache 17/6248 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f) Innenausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Beschleunigung des Netzausbaus Elektrizitätsnetze - Drucksache 17/6249 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f) Finanzausschuss Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur steuerlichen Förderung von energetischen Sanierungsmaßnahmen an Wohngebäuden - Drucksache 17/6251 - Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss (f) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO f) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens "Energie- und Klimafonds" (EKFG-ÄndG) - Drucksache 17/6252 (neu) - Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss (f) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung g) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der klimagerechten Entwicklung in den Städten und Gemeinden - Drucksache 17/6253 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f) Innenausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit h) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung schifffahrtsrechtlicher Vorschriften - Drucksache 17/6254 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f) Auswärtiger Ausschuss Innenausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Verteidigungsausschuss Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Tourismus Haushaltsausschuss Eine Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt ist nicht vorgesehen. Wir kommen daher gleich zu den Überweisungen. Interfraktionell wird Überweisung der Gesetzentwürfe, die ich jetzt nicht eigens vorlese, auf den Drucksachen 17/6246, 17/6247, 17/6248, 17/6249, 17/6251, 17/6252 (neu), 17/6253 und 17/6254 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Ergebnisse der deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Bundesminister des Auswärtigen, Herr Dr. Guido Westerwelle. - Bitte schön. Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen: Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Wir haben am 27. und am 28. Juni dieses Jahres die ersten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen durchgeführt. Dass wir uns mit China auf Kabinettsebene treffen, ist keine Selbstverständlichkeit, sondern ein ganz außergewöhnlicher und auch bemerkenswerter Vorgang, der ein neues Kapitel in den Beziehungen zwischen Deutschland und China öffnet. Deswegen ist dies natürlich am heutigen Tag Thema im Kabinett gewesen. Ich freue mich darüber, dass es auch Ihr Interesse hier im Deutschen Bundestag, im Hohen Hause, findet. Die Entscheidung wurde getroffen, da sich unsere Beziehungen in vielen Bereichen nicht unproblematisch, aber doch so dicht gestaltet haben, dass es sinnvoll ist, sich regelmäßig in einem breiten Rahmen abzustimmen. Für China waren dies die ersten Regierungskonsultationen überhaupt, die durchgeführt worden sind. Gleich bei diesen ersten Regierungskonsultationen hat uns Premierminister Wen Jiabao mit elf Ministern und drei Vizeministern in den letzten beiden Tagen besucht. Das ist von chinesischer Seite ein Ausdruck der besonderen Wertschätzung der deutsch-chinesischen Beziehungen. China sieht in Deutschland auch einen wichtigen Partner für seine Beziehungen zur Europäischen Union und erwartet von uns, dass wir unsererseits die EU-China-Beziehungen gemeinsam mit anderen wichtigen Partnern voranbringen und mitgestalten. Das wollen wir natürlich auch tun. Wir haben viele globale Fragen, aber auch viele bilaterale Fragen miteinander besprechen können. Ich bin jetzt nicht in der Lage, in wenigen Minuten alles vorzutragen, was an zwei Tagen in zahlreichen Begegnungen ausführlich besprochen worden ist, und verweise deswegen auf die veröffentlichte gemeinsame Presseerklärung der Bundesregierung und der chinesischen Regierung. Wir haben unsererseits die EU-Positionen zu China im Zusammenhang mit wichtigen Fragen erläutert. Ich nenne zum Beispiel das Thema Marktwirtschaftsstatus. Interesse hat China vor allen Dingen daran gezeigt, wie die innereuropäische Situation sowie die Stabilität des Euros und die Finanzsituation in der Europäischen Union von uns beurteilt werden. Sie alle haben den Berichten entnehmen können, dass es nicht nur ein Investmentinteresse gegenseitiger Natur gibt, sondern dass es ganz augenscheinlich auch ein massives Interesse Chinas - das hat der Premierminister gestern noch einmal öffentlich unterstrichen - an einem starken Euro und an einer entsprechend positiven Entwicklung dieser gemeinsamen Währung gibt. Ich kann nicht verhehlen, dass diese Regierungskonsultationen im Vorfeld belastet gewesen sind, unter anderem durch die Verhaftungen von bekannten Persönlichkeiten. Wenn wir über so berühmte Persönlichkeiten sprechen wie beispielsweise über den Künstler Ai Weiwei - für den ich mich selbst, wie Sie wissen, sehr verwandt und eingesetzt habe -, bitte ich allerdings darum, dass wir nicht die anderen vergessen, die bei uns im Westen keine derartige Prominenz besitzen. Auch sie sind Teil unseres Menschenrechtsengagements. Das heißt: Wir wollen nicht nur auf die schauen, die derzeit im Westen einen großen Namen haben, für die es Ausstellungen, Sympathie- und Solidaritätsbekundungen gibt und bei denen sich Abgeordnete - oftmals aufgrund eigener persönlicher Beziehungen - einbringen. Daher haben wir selbstverständlich auch diesmal wieder eine Liste übergeben - wie es frühere Bundesregierungen bereits getan haben -, um ganz konkret Menschen in ihrer Not zu helfen und ihr Schicksal nicht zu vergessen. Wir haben uns ausdrücklich nicht nur über die Frage der wirtschaftlichen Beziehungen ausgetauscht, sondern auch über die ganze Palette der anderen Fragen zum Thema Menschenrechte und zum Rechtsstaatsdialog. Wir haben auch ein intensives Gespräch über die Tibet-Frage und die Haltung zum Dalai-Lama geführt. Ich habe für die Bundesregierung - ebenso wie die Bundeskanzlerin - die Erwartung deutlich gemacht, dass die anhaltend schwierige Menschenrechtslage unsere bilateralen Beziehungen nicht belasten darf, sondern dass das in einem Zusammenhang gesehen wird. Allerdings möchte ich hinzufügen: Ich bin unverändert der Überzeugung, dass das Prinzip "Wandel auch durch Handel" ausdrückt, worauf es wirklich ankommt. Wer nur die wirtschaftlichen Beziehungen sieht und meint, das habe mit der Gesellschaft nichts zu tun, wer nur die ökonomische Seite betrachtet und dabei die Seite der Werte und der Bürgerrechte gewissermaßen auf eine ganz andere Ebene stellt, der wird meiner Einschätzung nach der Komplexität der Entwicklung nicht gerecht. Es geht darum, dass wir auch durch wirtschaftlichen Austausch gesellschaftlichen Fortschritt bewegen wollen. Wir haben in unserer eigenen Geschichte selbst die Erfahrung gemacht, dass dieses Prinzip positiv wirken kann. Wir haben insgesamt 19 konkrete Vereinbarungen getroffen, die ich wiederum - Herr Präsident, mit Ihrer Erlaubnis - hier nicht alle einzeln aufführen möchte, es sei denn, sie würden von Ihnen einzeln nachgefragt. Dabei ging es nicht nur um Themen wie E-Mobilität oder um Wirtschaftsentwicklungen, sondern es ging zum Beispiel auch um die Entscheidung, in Shenyang ein weiteres Generalkonsulat zu eröffnen. Das sind ganz handfeste Fragen. Diejenigen, die als Experten in diesem Bereich tätig sind, wissen: Bis hin zum Visa-Dialog stehen eine Menge Fragen nicht nur hinsichtlich unserer Wissenschafts-, sondern auch unserer Wirtschaftsbeziehungen auf der Tagesordnung. Herausstreichen möchte ich die Vereinbarungen zur Hochschulzusammenarbeit und zur Kooperation bei der Berufsausbildung. Das tue ich nicht deswegen, weil Herr Kollege Burgbacher neben mir sitzt, sondern weil wir auf unseren Reisen - zum Beispiel nach China oder in andere Länder - merken, welch hohe Wertschätzung das Prinzip unserer beruflichen Bildung genießt. Das ist ausdrücklich auch bei unseren chinesischen Partnern der Fall. Es gibt auf beiden Seiten ein reges Interesse daran, sich auszutauschen. Wir haben uns vorgenommen, das Volumen des bilateralen Handels bis zum Jahre 2015 auf über 200 Milliarden Euro zu steigern. Zum Vergleich: 2010 wurde ein Handelsvolumen von 130 Milliarden Euro erreicht; schon das war ein Zuwachs gegenüber 2009 um etwa 35 Prozent. Das allein zeigt schon, in welch rasantem Tempo sich hier die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen entwickeln. Dies liegt im gegenseitigen Interesse. Die Regierungskonsultationen hatten eine sehr ausgeprägte globale, außenpolitische Komponente. Wir haben uns zum Beispiel ausführlich über die Umbrüche und die Lage in der Region südlich des Mittelmeers - im Norden Afrikas, aber auch in der arabischen Welt insgesamt - unterhalten. Ich möchte hier jetzt nicht alles wiedergeben, es sei denn, es wird von Ihnen speziell nachgefragt. Natürlich haben wir auch über das Thema Libyen gesprochen, über die Frage der Einhaltung des Rahmens der UN-Resolution 1973, die, wie Sie wissen, insbesondere von den BRIC-Staaten, also auch von China, immer wieder angesprochen wird und auch hier in unseren Gesprächen angesprochen wurde. Wir haben uns auch über die Frage unterhalten, wie wir in New York eine gemeinsame Sprache zum Thema Syrien finden. Sie wissen, dass die europäischen Partner, also Frankreich, Großbritannien, Portugal und Deutschland, eine Initiative gestartet haben, um eine klare, gemeinsame internationale Sprache bei den Vereinten Nationen zu finden. Sie wissen, dass wir hier noch eine Menge Überzeugungsarbeit leisten müssen; das betrifft übrigens ausdrücklich nicht nur China, aber auch China. Auch dies ist Thema unserer Beratungen gewesen. Das Ergebnis der Konsultationen bestätigt, dass es eine richtige Entscheidung war, die deutsch-chinesischen Beziehungen auf eine neue Ebene zu führen. Die Außenminister haben bereits einen strategischen Dialog vereinbart. Wir haben verabredet, dass die Regierungskonsultationen im nächsten Jahr fortgesetzt werden. Dann werden wir in China zu Gast sein. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Herr Minister Dr. Westerwelle. - Bevor ich die erste Frage aufrufe, möchte ich auf Folgendes hinweisen: Bei den beiden letzten Regierungsbefragungen hat der Präsident die Zustimmung des Plenums für seinen Vorschlag erhalten, dass sowohl die Fragen als auch die Antworten jeweils nur eine Minute dauern sollten. So können mehr Fragesteller zu Wort kommen. Die Regierungsbefragung wird durch diese Konzentration insgesamt lebendiger. Auch im Ältestenrat hat dies allgemeine Zustimmung gefunden. Nach Ablauf einer Minute wird also ein akustisches Signal ertönen, das daran erinnert, zum Schluss zu kommen. Ich weise darauf hin, dass man selbstverständlich immer auch unter einer Minute bleiben darf. Sie sind damit ganz sicher einverstanden. - Das ist der Fall. Dann verfahren wir so. Ich bitte, zunächst Fragen zu dem Themenbereich, den Herr Bundesminister Dr. Westerwelle dargestellt hat, zu stellen. Erste Fragestellerin ist Frau Kollegin von Cramon-Taubadel. Bitte schön, Frau Kollegin. Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Minister. - Sie haben die globale Bedeutung Chinas in der Welt betont. Sie haben auch betont, mit welcher Delegation die Chinesen hier angereist sind. Sie haben die Bedeutung der Beziehungen mit einem Kommuniqué unterstrichen. Ich denke, das findet unsere volle Zustimmung. Wir wissen, dass die Chinesen im Vorfeld dieses Besuches unter anderem ein Weißbuch für die bilaterale Zusammenarbeit mit Deutschland verfasst haben, das relativ detailliert auf die Zusammenarbeit eingeht. Wir dagegen haben mit Amtseinführung von Minister Niebel den genau gegensätzlichen Effekt erlebt: Seine erste Ankündigung war, die Mittel für die bilaterale Zusammenarbeit zusammenzustreichen, unter anderem die Mittel für den von Ihnen erwähnten Rechtsstaatsdialog mit den Chinesen, der seit über zehn Jahren läuft und, wie wir wissen, sehr erfolgreich abgehalten wird. All das soll jetzt eingestellt werden. Was ist dazu in den Gesprächen mit den Chinesen verabredet worden? Sie haben unter anderem gesagt und geschrieben, dass es eine neue Koordinationsstelle geben soll. Wo soll sie eingerichtet werden? Wie soll sie personell ausgestattet werden? Vielleicht können Sie das etwas genauer ausführen. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Herr Bundesminister. Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen: Frau Kollegin, ich bitte zunächst einmal um Verständnis dafür, dass ich einzelne Fragen zum Finanzrahmen, zum Beispiel die Frage, wie einzelne Stellen, die sich mit der Zusammenarbeit befassen, ausgestattet worden sind, als Bundesminister jetzt hier nur schwer beantworten kann. Ich bin natürlich bereit, Ihnen jede Zahl, die wir in der Haushaltsplanung schon kennen, zu übermitteln; aber Sie wissen, dass die Haushaltsplanungen derzeit stattfinden. Deswegen ist es für mich als Minister derzeit nicht möglich, zu sagen, wie die Situation konkret aussieht. Wir sind gerade dabei, den Haushalt aufzustellen. Wenn Sie den Haushalt im Hohen Hause beschlossen haben, dann sind wir in der Lage, Ihnen zu sagen, wie die von Ihnen uns zur Verfügung gestellten Mittel konkret eingesetzt werden; umgekehrt geht es nicht. Ansonsten müsste ich darauf verweisen, was im Antrag der Bundesregierung vorgeschlagen wird. Sie wissen, dass wir uns derzeit in den Beratungen befinden. Das zu der Frage nach den konkreten Zahlen. Frau Kollegin, ich teile Ihre Auffassung nicht, dass beispielsweise der Rechtsstaatsdialog eingeschränkt worden ist. (Signalton) - Ist das dieses Geräusch, Herr Präsident? Vizepräsident Eduard Oswald: Ja, das ist es, und daran sieht man auch, wie schnell eine Minute vergeht. (Heiterkeit) Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen: Aber was ist schon eine Minute in Anbetracht der globalen Herausforderungen, Herr Präsident. Ich will kurz anmerken: Dies scheint eine neue Sitte zu sein. Ich bin schon eineinhalb Jahrzehnte Mitglied des Deutschen Bundestages, aber solch neumodische Sitten im Deutschen Bundestag wie Gong und Ähnliches habe ich bis jetzt noch nicht mitbekommen. Vizepräsident Eduard Oswald: Das ist das lebendige Parlament, Herr Bundesminister. Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen: Ich bitte Sie deswegen beim ersten Mal um Nachsicht. Beim zweiten Mal werde ich mich genau an die 60 Sekunden halten. Wir werden den Rechtsstaatsdialog mit großer Kraft unverändert fortsetzen. Mein Kollege Niebel hat keineswegs die Zusammenarbeit mit China beendet, sondern er hat das getan, was das gemeinsame Ziel der Bundesregierung ist. Wir sind der Überzeugung: Ein Land wie China, das weltweit sehr viel Entwicklungshilfe leistet, ist nicht darauf angewiesen, klassische Entwicklungshilfe von uns zu bekommen. Deswegen ist die Politik gegenüber China zu Recht verändert worden. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Nächster Fragesteller ist unser Kollege Manfred Grund. Manfred Grund (CDU/CSU): Herr Präsident! Vorab möchte ich feststellen: Nicht jede Frage bzw. nicht jede Antwort lässt sich auf eine Minute verkürzen. In Anlage 7 unserer Geschäftsordnung, "Befragung der Bundesregierung", steht, dass mit einer einleitenden Bemerkung zu einer Frage hingeführt werden kann. Ich bitte deshalb um etwas mehr Großzügigkeit. Die bisherige Praxis war gar nicht schlecht. Herr Minister, die Konsultationen mit China fügen sich ein in Regierungskonsultationen, die wir mit Indien hatten, und Konsultationen, die wir mit Russland führen werden. Trotzdem sind die Konsultationen mit China etwas Besonderes, weil es kaum eine Volkswirtschaft gibt, die sich so dynamisch entwickelt hat und die so eng mit unserer verwachsen ist wie die chinesische Volkswirtschaft. Unsere Volkswirtschaft hätte ohne die starke Nachfrage aus der Volksrepublik die weltweite Finanzkrise bei weitem nicht so gut überstanden. Zu den Risiken wird sich gelegentlich - in den Zeitungen kann man das nachlesen - geäußert. Könnten Sie bitte etwas zu den großen Chancen, die sich gerade aus der Dynamik der Beziehung ergeben, im Vergleich zu möglichen Risiken sagen? Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Bundesminister. Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen: Ich werde versuchen, meine Antwort auf eine Minute zu beschränken. - Zunächst einmal möchte ich Ihnen ausdrücklich recht geben, dass die Diskussion, die wir in den letzten drei Tagen in Deutschland erlebt haben - das starke chinesische Wachstum und das internationale Engagement Chinas wurden auf nationaler Ebene erst einmal als Risiko betrachtet -, meines Erachtens in die falsche Richtung geht. Die Zusammenarbeit mit China ist eine enorme Chance, nicht nur in Bezug auf globale Herausforderungen, sondern auch für unsere wirtschaftlichen Beziehungen. Wir erleben, dass in China ein Mittelstand mit mehreren Hundert Millionen Menschen entsteht. Es besteht ein großes Interesse an deutschen Qualitätsprodukten. Die wollen wir veräußern. Im Übrigen: Mit wachsender Mittelschicht wachsen auch die Übersicht und die Intensität von Bildung, und damit wiederum wächst das bürgerrechtliche Engagement. Beides gehört zusammen. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. Sie haben gesehen, es hat keinen Ton gegeben. - Nächster Fragesteller ist unser Kollege Dr. Rolf Mützenich. Dr. Rolf Mützenich (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. - Mich erinnert das akustische Signal an einen chinesischen Gong, aber ich bezweifle, dass das möglicherweise mit der heutigen Befragung zusammenhängt. (Heiterkeit) Auch wir sehen in den Regierungskonsultationen ein bedeutendes Ereignis. Herr Bundesaußenminister, ich würdige ausdrücklich, dass die Philosophie "Wandel durch Annäherung", die von Ihnen nicht neu erfunden worden ist, durchaus Sinn macht. Ich erinnere aber auch an die Fragen, die Sie damals in der Opposition gestellt hatten. Auch wir hatten längere Diskussionen mit Vorgängerregierungen, wenn es um andere Länder gegangen ist. Meine konkrete Frage lautet: Ihr Kollege hat nicht nur das Thema Marktzugang in einer Erklärung erörtert, sondern insbesondere auch die Frage aufgeworfen, ob Deutschland helfen könnte, das Waffenembargo abzuschwächen. Haben Sie diese Fragen aufgenommen? Haben Sie im Rahmen der Regierungskonsultationen dazu eine neue Position entwickelt? Ich bitte Sie, dies dem Parlament mitzuteilen. Sie sprachen in diesem Zusammenhang Syrien an. Das finde ich sehr wichtig. Mich würde aber auch interessieren, ob der Iran in den Gesprächen eine Rolle gespielt hat, insbesondere angesichts der jüngsten Entwicklungen dort im Rüstungsbereich. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Herr Bundesminister. Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen: Herr Kollege Mützenich, das Prinzip "Wandel durch Annäherung" bzw. "Wandel durch Handel" ist weder von mir noch von Ihnen erfunden worden, sondern es wurde zu einem Zeitpunkt entwickelt, als wir beide uns eher für unsere Schultüte, aber bestimmt nicht für Politik interessiert haben, nämlich Mitte/Ende der 60er-Jahre. Dieses Prinzip ist Teil und Grundlage der neuen Ostpolitik gewesen und wurde, wie wir wissen, von der Regierung Brandt/Scheel vorgebracht. Die Frage zum Waffenembargo ist einfach zu beantworten. Wir haben immer gesagt, dass das alles mit der Entwicklung auch im Bereich der Menschenrechte zusammenhängt, also auch mit der Entwicklung der Zivilgesellschaft. Die Position dieser Bundesregierung dazu ist unverändert. Altbundeskanzler Gerhard Schröder hatte seinerzeit, wie Sie wissen, einen anderen Vorschlag dazu unterbreitet. Die Haltung dieser Bundesregierung ist, wie gesagt, unverändert. Sie ist hier bereits mehrfach erläutert worden. Ja, der Iran ist ein wichtiges Thema gewesen. Es ist richtig, dass es diesbezüglich unterschiedliche Betrachtungen gibt. Wir haben für die Bundesregierung noch einmal darauf hingewiesen, dass aus unserer Sicht nicht nur die Menschenrechtslage im Iran ein Thema sein sollte - dieses Thema wird in Anbetracht des Nuklearprogramms oft vergessen -, sondern auch die nukleare Bewaffnung des Iran, die wir in keiner Weise akzeptieren können. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Herr Bundesminister. - Nächster Fragesteller ist unser Kollege Stefan Liebich. Stefan Liebich (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr Außenminister, ich möchte Ihnen gerne eine weitere Minute schenken, um auf ein kleines Detail eingehen zu können. Mich würde interessieren, ob zu den außenpolitischen Themen auch die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel gehörten. China hat ja einen besonderen Zugang zur nordkoreanischen Regierung. Mich würde interessieren, ob Sie über die Situation dort sowie über die Sechs-Parteien-Gespräche und deren weiteren Verlauf geredet haben. Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Bundesminister. Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen: Ich kann Ihnen berichten, dass dieses Thema und die sehr konstruktive Haltung Chinas, was die in den letzten Monaten zum Teil gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Nord- und Südkorea angeht, Teil meiner Gespräche und meiner Konsultationen in China selbst waren. Ich habe Mitte bzw. Ende März - ich müsste das Datum nachsehen - in Peking mit Außenminister Yang gesprochen. Ich möchte noch einmal unterstreichen, dass ich die sehr verantwortungsvolle Haltung Chinas, die dadurch zum Ausdruck kommt, dass China auf Deeskalation setzt und niemanden ermutigt, bei unterschiedlichen Positionen zu gewalttätigen Aktionen zu greifen, unterstütze. Die Sechs-Parteien-Gespräche sind für uns entscheidend. China wiederum ist innerhalb der Gespräche - das ist jedem hier klar - aufgrund seiner besonderen Nähe zu Nordkorea - ich meine nicht nur die geografische Nähe - von allergrößter Bedeutung. Ich will nicht sagen, dass wir alles gutheißen, was zwischen China und Nordkorea stattfindet, aber ich möchte schon sagen: In den letzten Monaten hat sich China als ein konstruktiver und auch als ein sehr mäßigend wirkender Partner im Hinblick auf diese Situation eingebracht. Ich habe das öffentlich und nicht nur in den Gesprächen gewürdigt. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Nächste Fragestellerin ist unsere Kollegin Frau Kathrin Vogler. Kathrin Vogler (DIE LINKE): Herr Minister, ich möchte den Blick auf einen anderen Teil der Welt richten. China ist auch in Afrika ein großer Player. Sie selbst haben die Bedeutung Chinas für die Entwicklungszusammenarbeit angesprochen. Bei meinem Besuch im Sudan im letzten Jahr konnte ich sehen, welche Rolle China dort spielt. Deshalb möchte ich Sie fragen, ob Sie auch die aktuelle Entwicklung im Sudan besprochen haben. Die Unabhängigkeit des Südsudans steht ja unmittelbar bevor. Diesbezüglich gibt es aber immer noch offene und ungeklärte Fragen. Haben Sie darüber und über die Möglichkeit eines positiven Einwirkens auf die Konfliktparteien seitens der chinesischen und der deutschen Regierung gesprochen? Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Herr Bundesminister. Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen: Ein Land, eine Minute. - Ich kann Ihnen berichten, dass wir über dieses Thema ausführlich gesprochen haben, auch vor dem Hintergrund, dass ich letzte Woche meine Reisen in den Nordsudan, Südsudan und nach Darfur beendet habe. Ich habe letzte Woche Khartoum, Darfur und Juba besucht. Ich habe mich mit meinem chinesischen Amtskollegen ausführlich über diese Frage ausgetauscht. Denn China spielt hier, was viele in Europa nicht wissen, eine ganz bedeutende Rolle; darauf haben Sie bereits hingewiesen. Ich bin der Überzeugung, dass wir alle unsere Konzentration und Kräfte dafür nutzen sollten, den Nordsudan davon zu überzeugen, dass die Präsenz der Vereinten Nationen richtig ist und auch nach dem 9. Juli akzeptiert werden sollte. Ob uns das gelingt, bleibt abzuwarten. Ich habe in meinen Gesprächen mit dem Vizepräsidenten in Khartoum und mit meinem nordsudanesischen Amtskollegen, dem Außenminister, noch einmal deutlich gemacht, dass wir hier Wege finden sollten. Am 9. Juli - Herr Präsident, ich erlaube mir, dies noch zu sagen - gelingt uns hoffentlich, wenn es auf den letzten Metern nicht noch Probleme gibt, der erfolgreiche Abschluss eines Referendums, dessen Durchführung und Akzeptanz viele von uns vor einem Dreivierteljahr nicht für möglich gehalten haben. Aber damit sind die Fragen der Stabilität zwischen Nord und Süd und der inneren Stabilität des dann neu ausgerufenen Staates Südsudan - es gibt dort viele ethnische Unterschiede; viele kleine Gruppen und Stämme stehen sich dort zum Teil gewaltbereit gegenüber - noch nicht ausreichend beantwortet. Ich selbst werde am 13. Juli im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen den Vorsitz führen, wenn der Südsudan in die internationale Völkergemeinschaft aufgenommen werden soll. Ich hoffe und setze darauf, dass die Entwicklung stabil bleibt. Durch den erfolgreichen Vermittlungsversuch von Präsident Mbeki ist die Entwicklung in der Region Abyei positiv beeinflusst worden. Allerdings wissen wir, dass Abyei nur eine der noch offenen Fragen ist. Es gibt weitere Fragen bezüglich Südkurdufan und - dieses Problem ist unverändert - Darfur. Es geht auch um die Altschulden und vieles mehr. Diese Haltung habe ich gegenüber dem chinesischen Amtskollegen deutlich gemacht, und wir werden sie auch weiterhin in der Sudanpolitik verfolgen. Wir werden im Auswärtigen Ausschuss hoffentlich bald nach dem 9. Juli die Gelegenheit haben, darüber zu reden, welche Konsequenzen das für unser Verhältnis zum Nordsudan hat. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Nächste Fragestellerin ist unsere Kollegin von Cramon-Taubadel. Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Minister, ich möchte noch einmal auf die Zusammenarbeit im Finanzsektor zurückkommen. Am 30. März hat das BMF mit China einen Vertrag abgeschlossen, in dem man sich auf eine Modernisierung des chinesischen Finanzsektors verständigt hat. Man braucht China in der internationalen Zusammenarbeit bei der Regulierung der Finanzmärkte als maßgeblichen Unterstützer. Wie kann es dann sein, dass in dem Kommuniqué am Ende der Beratungen genau dieses wichtige Transformprojekt gar nicht mehr erwähnt wird? Ist es im Sinne der Bundesregierung, entsprechend Mittel einzustellen, um an dieser Stelle im nächsten Jahr enger mit China zusammenzuarbeiten? Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Herr Bundesminister. Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen: Warum dieses Projekt, diese Zusammenarbeit in der Abschlusspresseerklärung nicht erwähnt worden ist, kann ich Ihnen als Außenminister nicht sagen. Ich müsste zunächst einmal die entsprechenden Kollegen in der Bundesregierung, sprich die Kollegen aus dem BMF, konsultieren, die dieses vorbereitet haben. Ich bitte, mir zu erlauben, Ihnen die Antwort auf diese Frage nachzuliefern. Ich weiß schlichtweg nicht, welchen Hintergrund das hat. Sie wissen, dass wir diese Kooperation wollen. Sie wissen auch, dass sie absolut notwendig ist. Ich habe in meinem Eingangsstatement auf die Notwendigkeit dieser Kooperation ausdrücklich hingewiesen. Warum das jetzt in dieser Abschlusspresseerklärung nicht erwähnt wird - sie umfasst, wenn ich es richtig im Kopf habe, neun Seiten -, kann ich Ihnen nicht beantworten. Da müsste ich erst bei den Kollegen im Finanzministerium nachfragen. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen herzlichen Dank. - Nächste Fragestellerin ist unsere Kollegin Kerstin Müller. Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Minister, ich habe eine Nachfrage zum Thema Sudan. Parallel zu den Konsultationen hier hält sich Staatschef Umar al-Baschir in China auf. Er wird mit internationalem Haftbefehl gesucht. Haben Sie auch angesprochen, wie Deutschlands Position in dieser Frage ist? Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Bundesminister. Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen: Frau Kollegin, selbstverständlich ist dies von mir angesprochen worden. Es lag auch auf der Hand, dass es angesprochen wird. Sie wissen, dass es die Position der deutschen Bundesregierung ist, dass alles zu unterlassen ist, was die Autorität des internationalen Rechts und des Internationalen Strafgerichtshofs schmälern könnte. Diese Position ist auch zum Ausdruck gebracht worden. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Nächste Fragestellerin ist unsere Kollegin Marina Schuster. Marina Schuster (FDP): Vielen Dank. - Herr Minister, der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, war in China und hat vor Ort mit Bloggern gesprochen. Auch hat er Gespräche zum Thema "Abschaffung der Todesstrafe" geführt. Des Weiteren hat er im Rahmen der jetzigen Konsultationen Gespräche geführt. Können Sie uns sagen, was Bestandteil der Gespräche des Menschenrechtsbeauftragten war? Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Bundesminister. Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen: Frau Kollegin Schuster, der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung hat - ausdrücklich und absichtlich - an einem bilateralen Gespräch, das ich gestern Morgen mit Außenminister Yang geführt habe, teilgenommen. Das allein ist, denke ich, eine Aussage, die von allen Experten hier verstanden wird; denn das ist nicht die normale, übliche Delegationszusammensetzung bei derartigen Gesprächen. Jedenfalls ist das nicht immer so in dieser Weise der Fall. Ich habe das absichtlich entschieden, weil ich der Überzeugung bin, dass es, wenn man mit China bzw. mit der chinesischen Regierung respektvoll umgeht, nicht als Lehrmeister auftritt, sondern auf gleicher Augenhöhe spricht, möglich ist, schwierige Fragen wie die Frage der Menschenrechte anzusprechen. Ich denke, dass die Beziehungen zwischen unseren Ländern mittlerweile so intensiv und so tragfähig sind, dass dies erlaubt, auch aus chinesischer Sicht sehr heikle Fragen ausdrücklich zu erwähnen. Ich will noch etwas hinzufügen: Die Tatsache, dass sowohl von mir als auch von der Bundeskanzlerin - übrigens auch öffentlich in der Pressekonferenz - das Schicksal zum Beispiel des Künstlers Ai Weiwei namentlich erwähnt worden ist, sagt etwas aus. Die Tatsache, dass wir uns beide auch öffentlich für bessere Arbeitsbedingungen der internationalen - sprich: auch der deutschen - Journalisten in China eingesetzt haben, ist aussagekräftig und belegt, denke ich, dass wir es ernst meinen, wenn wir sagen: Interessengeleitete und wertegeleitete Außenpolitik sind zwei Seiten derselben Medaille. Umgekehrt muss ich sagen, dass das Thema Kunstfreiheit bzw. die Freiheit der Kunst in den letzten Monaten ohnehin eine große Rolle gespielt hat. Für mich ist das Teil der Menschenrechte; um auch das zu sagen. Für mich ist das wichtig. Ich möchte mich auch bei den Kolleginnen und Kollegen hier im Deutschen Bundestag bedanken, die nicht dem leichten Reflex gefolgt sind und die Schließung der Ausstellung "Kunst der Aufklärung" gefordert haben, sondern genau wussten, dass ein solches Projekt eine enorme Chance für viele Hunderttausend Menschen ist, mit dem Gedankengut der Aufklärung ganz persönlich in Kontakt und in Berührung zu kommen. Genau das ist die Idee: Wandel durch Annäherung. Derzeit gehen etwa 1 500 Menschen täglich in diese Ausstellung. Am Wochenende sind es mehr als 4 000 Menschen. Es war eine richtige Entscheidung der Bundesregierung, diese Ausstellung zu eröffnen, und es war ebenso eine richtige Entscheidung der Bundesregierung, sie auch in schwieriger Zeit nicht zu schließen. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Nächster Fragesteller ist unser Kollege Dr. Frithjof Schmidt. Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Minister, Deutschland hat angekündigt, sich dafür einzusetzen, dass China von der Europäischen Union der sogenannte Marktwirtschaftsstatus eingeräumt wird. Wenn China dieser Status eingeräumt wird, bedeutet dies praktisch, dass Dumpingverfahren im Hinblick auf chinesische Produkte durch die Europäische Union massiv erschwert werden. Dumping ist in der Regel mit massiven Verletzungen sozialer und ökologischer Standards verbunden und führt zu unlauterem Wettbewerb. Die EU-Kommission berichtet seit vielen Jahren, dass in China auch die chinesischen Gesetze auf breiter Front nicht eingehalten werden. Sie vertritt deshalb die Auffassung, dass man solche Dumpingverfahren braucht; die letzten gab es in großem Umfang in der Schuhindustrie. Meine Frage in diesem Zusammenhang: Wieso vertritt Deutschland hier eine gegenteilige Position zu den Berichten der EU-Kommission? Wurden China in den Verhandlungen entsprechende Zusagen und Versprechen gegeben, dass sich Deutschland dafür in der Europäischen Union einsetzt? Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen: Ja, wir setzen uns dafür ein, dass China der Marktwirtschaftsstatus gewährt wird, aber erst dann, wenn die Kriterien erfüllt werden. So ist unsere Haltung. Deswegen kann ich hier keinen Gegensatz zwischen der deutschen Politik und der Haltung der Europäischen Kommission erkennen. Wir haben das immer klar konditioniert. Sie haben auch etwas anderes angesprochen, nämlich die Frage des Schutzes des geistigen Eigentums. Die Bundesregierung - nicht nur die Justizministerin, sondern auch ich selbst - hat immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass dieses Thema für uns essenziell ist; übrigens ist es auch Teil des Rechtsstaatsdialogs. Einen Gegensatz zwischen der Auffassung der EU und unserer Haltung kann ich in der Frage des Marktwirtschaftsstatus nicht erkennen. Aber es ist richtig: Wir wollen, dass China den Marktwirtschaftsstatus erhält, wenn die objektiven Kriterien dafür erfüllt sind. Dazu gehört auch der Komplex, den Sie beschrieben haben. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Nächste Fragestellerin ist unsere Kollegin Marieluise Beck. Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Minister, Sie sagten, dass Sie mit Ihrem Kollegen einen strategischen Dialog auf Außenministerebene vereinbart haben. Nun gibt es ja in China das Prinzip der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten. Es wird dort immer wieder sehr bemüht und tritt in Gegensatz zu einem strategischen Dialog und zu Gemeinsamkeiten, die auf Institutionen, denen man beigetreten ist und deren Werte zu teilen sind, gründen. Ich denke, ein Lackmustest wird ganz konkret sein, wie offensiv sich die deutsche Seite weiterhin im Hinblick auf die Freundschaft zu Tibet und seine Unterstützung verhält. Können Sie sich zum Beispiel vorstellen, dass der Dalai-Lama trotzdem offiziell in Deutschland empfangen wird, wie es die Kanzlerin vor einigen Jahren getan hat? Oder umgekehrt: Muss man fürchten, dass solche Begegnungen für diese strategischen Dialoge und Partnerschaften geopfert werden? Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Bundesminister. Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen: Frau Kollegin Beck, ich habe bereits in meinem einführenden Bericht zum Ausdruck gebracht, dass Tibet und der Umgang mit dem Dalai-Lama Themen unserer Gespräche und unseres Austausches gewesen sind. Es ist bekannt, dass China und Deutschland hierzu unterschiedliche Auffassungen vertreten. Das ändert aber nichts daran, dass die deutschen Bundesregierungen seit Aufnahme der diplomatischen Beziehungen im Jahre 1972 der Überzeugung sind, dass die Ein-China-Politik nicht infrage gestellt werden darf. Ich kenne niemanden, jedenfalls keine Fraktion in diesem Hause, der anderer Auffassung ist. Die Ein-China-Politik bleibt Richtlinie unserer China-Politik. Sie ist für uns wichtig, damit die andere Seite das nötige Vertrauen für weitere Schritte hat. Der Dalai-Lama ist meines Wissens zum ersten Mal von Außenminister Klaus Kinkel persönlich empfangen worden; dies ist in den 90er-Jahren geschehen. Es hat weitere offizielle oder quasioffizielle Begegnungen gegeben. Ich kann Ihnen nicht berichten, ob es seitens der Bundesregierung oder einzelner Bundesminister zurzeit konkrete Planungen in dieser Richtung gibt; ich weiß es nicht und kann deswegen keine Stellungnahme dazu abgeben. Ich weiß, dass der Dalai-Lama als religiöser Führer bei einigen Persönlichkeiten der Landespolitik hohes Ansehen hat und dass zu einzelnen Bundesländern traditionell engere Beziehungen herrschen; auch dazu kann ich derzeit aber keine detaillierte Einschätzung abgeben. Es hat Begegnungen mit dem Dalai-Lama gegeben, und es wird sie, wenn es sich ergibt und wenn es richtig und angemessen ist, weiterhin geben. Hier sind keinerlei Zurückhaltung oder Zögerlichkeiten zu erkennen. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Jetzt stellt noch unsere Kollegin von Cramon-Taubadel eine Frage. Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich wollte noch eine Frage bezüglich des Airbus-Deals stellen. Es war ja geplant, zwei Airbus-Verträge mit den Chinesen abschließen zu lassen. Am Ende ist nur einer unterzeichnet worden. Womit genau hängt das zusammen? Ist die Bundesregierung bei dem einen unterzeichneten Vertrag den Chinesen in puncto Klimaschutz - Stichwort: Minderung des Engagements für den Klimaschutz - und in puncto Emissionshandel entgegengekommen? Vielleicht können Sie das noch ein bisschen erläutern. Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Bundesminister. Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen: Es ist ein privatwirtschaftlicher Vertrag abgeschlossen worden. Mit Vertrag vom 28. Juni 2011 wurden 88 Airbus-Flugzeuge gekauft oder geleast. Natürlich wünscht sich der europäische Hersteller noch mehr; das hat der Vertreter des Unternehmens bei dem Mittagessen, das gestern mit Repräsentanten der Wirtschaft stattgefunden hat, in meiner Anwesenheit auch zum Ausdruck gebracht. Aber 88 Airbus-Flugzeuge: Das ist ja schon einmal etwas. Das ist ja wohl sehr bemerkenswert für das Unternehmen und auch für die europäische Wirtschaft. Das ist ein enormes Volumen. Dies ist uns auch durch die politische Unterstützung seitens der Bundesregierung gelungen. Dass wir deswegen von irgendwelchen anderen Punkten Abstand genommen haben, wie zum Beispiel unserem gemeinsamen Engagement für globalen Klimaschutz, kann ich nicht erkennen. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich frage, ob es Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung gibt. - Da das nicht der Fall ist, beende ich nun die Fragen zu dem Themenbereich der heutigen Kabinettssitzung. Gibt es darüber hinaus sonstige Fragen an die Bundesregierung? - Das ist nicht der Fall. Dann beende ich die Regierungsbefragung. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf: Fragestunde - Drucksache 17/6273 - Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Als Beantworter steht der Parlamentarische Staatssekretär Hartmut Koschyk zur Verfügung. Ich rufe die Frage 1 der Frau Kollegin Britta Haßelmann auf: Wie hoch werden die Steuerausfälle aufgrund der geplanten Steuersenkungen für 2012, gegebenenfalls auch ab 2013, von bis zu 10 Milliarden Euro für die Kommunen sein, und wie beurteilt die Bundesregierung die zu erwartenden Steuerausfälle für die Kommunen vor dem Hintergrund ihrer Erklärung anlässlich der abschließenden Sitzung der Gemeindefinanzkommission am 15. Juli 2011, einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Verbesserung der kommunalen Finanzsituation leisten zu wollen? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Präsident! Frau Kollegin Haßelmann, auf Ihre Frage antworte ich Ihnen, dass die Bundesregierung bislang keine Entscheidung über Zeitpunkt, Art und Umfang möglicher Steuerentlastungen getroffen hat. Daher können auch keine Aussagen über Auswirkungen auf das kommunale Steueraufkommen gemacht werden. Die Lage und die Perspektiven der Kommunalfinanzen - das möchte ich deutlich machen - haben sich grundlegend verbessert. Hierzu trägt neben dem allgemeinen Wirtschaftsaufschwung auch das von der Bundesregierung jetzt auf den Weg gebrachte Paket zur Entlastung der Kommunen bei, das auch ein Ergebnis der Gemeindefinanzkommission ist und bis zum Jahr 2014 die vollständige Übernahme der Kosten für die Grundsicherung im Alter vorsieht. Das ist eine der größten Entlastungen, die es im letzten Jahrzehnt für die Kommunen auf der Ausgabenseite gegeben hat. Auch durch die jüngsten Steuerschätzungen, Frau Kollegin, wird deutlich, dass die Kommunen gesamtstaatlich bereits im Jahr 2012 wieder zu einem ausgeglichenen Ergebnis kommen und damit wieder das Niveau von vor der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise erreichen werden. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin Britta Haßelmann. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, in der veröffentlichten Meinung - durch Einlassung sowohl der Bundesregierung als auch von Mitgliedern der Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und FDP - ist ja von Steuersenkungen in Höhe von 8 bis 10 Milliarden Euro als nächstem Schritt die Rede. Nach meinen Berechnungen würde sich das auf die Kommunen mit einem Minus von mindestens 1,5 Milliarden Euro auswirken. Von daher kann ich nicht verstehen, dass Sie mir nicht geantwortet haben. Auch der Vorschlag von Herrn Kirchhof, der in Ihren Reihen begrüßt wird, hat negative Auswirkungen auf die kommunale Finanzsituation. Meine Frage ist: Teilen Sie die Einschätzung des hessischen CDU-Finanzministers - ähnliche Auswirkungen weisen auch Berechnungen aus Baden-Württemberg aus dem Jahre 2003 aus -, dass wir dann, wenn wir diese Pläne realisieren würden, mit Steuermindereinnahmen in Höhe von 40 Milliarden Euro zu rechnen hätten? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Verehrte Frau Kollegin, ich kann nur noch einmal darauf hinweisen, dass die Bundesregierung bisher keinerlei Entscheidung über Zeitpunkt, Art und Umfang möglicher Steuerentlastungen getroffen hat. Sie haben der öffentlichen Diskussion entnommen, dass das auch kurzfristig nicht der Fall sein wird. Deshalb verbieten sich aus Sicht der Bundesregierung öffentliche Diskussionen über damit auf allen staatlichen Ebenen einhergehende Steuermindereinnahmen. Vizepräsident Eduard Oswald: Die zweite Nachfrage von der Frau Kollegin Britta Haßelmann. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das heißt, ich kann Ihre Antwort so interpretieren, dass die Bundesregierung nicht mehr beabsichtigt, in dieser Legislaturperiode eine Steuersenkung vorzunehmen? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Nein, so können Sie meine Antwort nicht interpretieren. Sie wissen, dass wir uns in unserem Koalitionsvertrag das Ziel gesetzt haben, Bezieher von kleinen und mittleren Einkommen im steuerlichen Bereich zu entlasten, wenn dies die Haushaltslage zulässt. Deshalb wird sicher im Hinblick auf steuerliche Maßnahmen der Bundesregierung zu prüfen sein, ob und wann haushalterisch, auch im Hinblick auf die in unserem Grundgesetz verankerte Schuldenbremse, Spielräume vorhanden sind, die zum Beispiel eine Entlastung der Bezieher von kleinen und mittleren Einkommen im steuerlichen Bereich zulassen würden. Aber ich wiederhole noch einmal: Die Bundesregierung hat über Zeitpunkt, Umfang und Art steuerlicher Maßnahmen keinerlei Entscheidung getroffen. Vizepräsident Eduard Oswald: Eine weitere Zusatzfrage unserer Frau Kollegin Nicolette Kressl. Nicolette Kressl (SPD): Vielen Dank. - Nachdem mehrere CDU-geführte Bundesländer mit Blick auf die Finanzlage ihrer Kommunen deutlich gemacht haben, dass sie eine Steuersenkungspolitik und damit verbundene Steuermindereinnahmen in dieser Legislaturperiode nicht mittragen würden: Gibt es, um für dieses Vorhaben überhaupt eine Mehrheit zu bekommen, in der Bundesregierung Überlegungen, dass der Bund die Kosten dafür wie beim Steuervereinfachungsgesetz alleine trägt? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Verehrte Frau Kollegin, alle Aspekte, auch die Frage von Auswirkungen auf andere staatliche Ebenen in Form von Steuermindereinnahmen, werden sicher Gegenstand der steuerlichen Überlegungen der Bundesregierung sein. Vizepräsident Eduard Oswald: Eine weitere Zusatzfrage? - Frau Kollegin Lisa Paus. Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Koschyk, ich frage die Bundesregierung: Teilt die Bundesregierung die Auffassung von Frau Angela Merkel, dass die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode zwar Steuererleichterungen für kleine und mittlere Unternehmen beschließen wird, dies aber nicht vor dem 1. Januar 2012 in Kraft treten wird, oder teilt die Bundesregierung die Auffassung von Horst Seehofer, der gesagt hat, Steuern sollten nur gesenkt werden, wenn dies nachhaltig und langfristig möglich sei - beides Zitate der vergangenen Woche -, oder teilt die Bundesregierung die Auffassung von Volker Kauder - auch ein Zitat aus der vergangenen Woche -, dass stattdessen die Sozialabgaben gesenkt werden sollten, oder teilt die Bundesregierung die Auffassung des Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble, der gesagt hat, dass wir nicht im Geld schwimmen, sondern in Schulden ertrinken und dass eine Minisenkung politischer Unsinn ist, weil sie bei den Bürgern nur Enttäuschung hervorruft? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Verehrte Frau Kollegin, ich erlaube mir, zu sagen, dass Sie aus mehreren Aussagen sehr einseitig und sehr pointiert zitiert haben. (Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr plural war das!) Alle genannten Äußerungen bedeuten, dass die Bundesregierung in ihre Entscheidungsfindung bezüglich der Frage, ob, wann und wie es unter Vorrang der Haushaltskonsolidierung und unter strikter Beachtung der Schuldenregelung möglich sein wird, Bezieher von unteren und mittleren Einkommen steuerlich zu entlasten - Sie haben in Ihrer Frage von "Unternehmen" gesprochen, ich darf deutlich machen, dass im Koalitionsvertrag von Beziehern unterer und mittlerer Einkommen die Rede ist -, eine Fülle von Sachverhalten wird einbeziehen müssen. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Nächster Fragesteller ist der Kollege Lothar Binding. Dann kommt der Kollege Volker Beck, der jetzt wieder anwesend ist. Er hatte wegen eines Parlamentsgesprächs kurz den Saal verlassen. Bitte schön, Kollege Lothar Binding. Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Herr Koschyk, können Sie definieren, was untere und mittlere Einkommen sind? Denn wir haben einen Steuerfreibetrag, der dann in einen zunächst relativ niedrigen Grenzsteuersatz übergeht. In diesem Zusammenhang frage ich Sie, was unter niedrigen und mittleren Einkommen zu verstehen ist. Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Wir werden im Laufe der Fragestunde noch auf Sachverhalte zurückkommen, die die Wirkung der sogenannten kalten Progression betreffen. Ich erinnere mich, Herr Kollege Binding, dass es in der letzten Legislaturperiode ein gemeinsames Papier des damaligen Finanzministers Steinbrück und des damaligen SPD-Vorsitzenden und Ministerpräsidenten Beck über steuerpolitische Vorstellungen gegeben hat. Darin war auch davon die Rede, dass die kalte Progression zwar kein dringendes, aber nicht zu vernachlässigendes Problem in der Steuerpolitik ist. Deshalb könnte man zum Beispiel, wie es auch im Koalitionsvertrag angelegt ist, kleine und mittlere Einkommen, die von der sogenannten kalten Progression besonders betroffen sind, ein Stück weit entlasten, wenn entsprechende Haushaltsspielräume vorhanden sind und dies mit der Schuldenregel in Einklang steht. Wie das im Einzelnen konkret zu gestalten wäre, muss den Überlegungen und der Entscheidungsfindung der Bundesregierung vorbehalten bleiben. Vizepräsident Eduard Oswald: Die nächste Frage stellt unser Kollege Volker Beck. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Darf ich nicht nachfragen?) - Nein, das ist nicht vorgesehen. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Auch wenn das keine Antwort war?) - Es melden sich noch viele weitere Kollegen zu Wort, die dies sicher aufgreifen werden. - Schon ist der Kollege Volker Beck am Zug. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das ist ja enttäuschend!) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege Binding, melden Sie sich einfach bei der nächsten Frage der Kollegin Haßelmann noch einmal. Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin gesagt, die Bundesregierung habe zu den Steuersenkungsplänen noch keine konkreten Vorstellungen, auch wenn der Blätterwald voll mit Berichten zu diesem Thema ist. Wenn Sie die kleinen und mittleren Einkommen adressieren wollen, was nicht ohne Rückwirkungen auf die höheren Einkommen möglich ist - so ist das im Steuerrecht nun einmal -, dann verstehe ich nicht, warum Sie nicht die für die kleinen und mittleren Einkommen wesentlich schwerere Last der Sozialabgaben angehen, wenn Sie schon meinen, Sie hätten zu viel Geld in der Kasse. Denn damit erzielen Sie eine deutliche Entlastung, die tatsächlich nur die Beschäftigten in normalen Arbeitsverhältnissen betrifft. By the way, Sie hätten dann auch kein Problem mit dem Bundesrat, weil Sie dann nichts von den Kommunal- und Länderfinanzen klauen müssten. Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich bin sicher, Herr Kollege Beck, dass auch derartige Überlegungen, die Sie gerade geäußert haben, in Überlegungen der Bundesregierung bzw. in ein von ihr zu gestaltendes Maßnahmenpaket entsprechend einbezogen werden. Vizepräsident Eduard Oswald: Die nächste Frage stellt Frau Kollegin Brigitte Pothmer. Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, es war zu lesen, dass zur Finanzierung nicht der Steuersenkung, sondern zur Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen, wie Sie sagen, auch die arbeitsmarktpolitischen Instrumente noch einmal auf den Prüfstand gestellt werden und dass an dieser Stelle noch weiter eingespart werden soll. Wie stellen Sie sich das vor dem Hintergrund des bereits eingeplanten Einsparvolumens von 8 Milliarden Euro bis 2015 vor? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin, derartige Überlegungen, die Sie gerade erwähnt haben, sind mir im Zusammenhang mit den noch nicht abgeschlossenen steuerlichen Überlegungen der Bundesregierung nicht bekannt. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre Nachfrage, Kollege Carsten Sieling. Dr. Carsten Sieling (SPD): Vielen Dank. - Herr Staatssekretär, meine Freude über das Lob für das Papier von Herrn Beck und Herrn Steinbrück ist kaum einzufangen. Trotzdem würde ich gerne, wenn Sie schon nichts zu den kleinen und mittleren Einkommen und ihrer Entlastung sagen, wissen, welche Vorstellungen und Pläne Sie haben, um diejenigen zu entlasten, die gar keine Steuern zahlen, obwohl sie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind. Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Alle am Steuer- und Sozialgeschehen in unserem Land Beteiligten werden bei den von der Bundesregierung zu treffenden Maßnahmen entsprechend in den Blick genommen werden. Ich sage noch einmal: Im Moment gibt es keine konkreten Entscheidungen der Bundesregierung über Art, Umfang und Zeitpunkt von steuerlichen Maßnahmen. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Wir kommen zu Frage 2 der Kollegin Britta Haßelmann: Wie reduziert sich die Kostenentlastung der Kommunen aus der Übernahme der Grundsicherung im Alter durch den Bund in der Zeit von 2012 bis 2015, wenn die neuen Belastungen der Kommunen durch die zu erwartenden Steuermindereinnahmen durch eine mögliche Steuersenkung und die im Bildungspaket vereinbarte Übernahme der Kosten für die Neueinstellung von 3 000 Sozialarbeitern und die Mittagsverpflegung ab 2014 in Abzug gebracht werden? Bitte, Herr Staatssekretär. Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin Haßelmann, es bleibt in jedem Fall bei der zugesagten Kostenentlastung der Kommunen infolge der schrittweisen Erhöhung der Erstattung der Nettoausgaben des Vorvorjahres für die Grundsicherung im Alter und die Erwerbsminderung durch den Bund. Ich sage noch einmal: Die Bundesregierung hat bisher keine Entscheidung über Zeitpunkt, Art und Umfang möglicher Steuerentlastungen getroffen. Aussagen über die finanziellen Auswirkungen von Steuerrechtsänderungen auf die Haushalte der Kommunen können daher nicht gemacht werden. Vizepräsident Eduard Oswald: Erste Nachfrage, Kollegin Britta Haßelmann. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatsekretär, Sie stimmen aber sicherlich mit mir darin überein, dass jede Veränderung bei der Einkommensteuer durch Ihr Steuerkonzept, das Sie zum dritten Mal angekündigt und mit konkreten Zahlen unterlegt haben - zumindest in der Presse, wenn auch nicht hier im Parlament -, auch negative Auswirkungen auf die kommunalen Haushalte hat, da ein bestimmter Prozentsatz der Einkommensteuereinnahmen den Kommunen zufließt, nämlich 15 Prozent. Wenn wir von 8 Milliarden bis 10 Milliarden Euro ausgehen - diese Zahlen kann man der Presse entnehmen -, können wir ausrechnen, zu welchen Defiziten das allein auf kommunaler Ebene führt. Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Verehrte Frau Kollegin, Sie werden keine Aussage eines Mitglieds der Bundesregierung über eventuelle Volumina von steuerlichen Veränderungen finden. Dass es hierzu Aussagen von Vertretern der Koalitionsfraktionen gibt, ist in einem öffentlichen Diskurs über ein so wichtiges Thema verständlich. Ich kann nur wiederholen, dass die Bundesregierung keine Entscheidung über Art, Umfang und Zeitpunkt steuerlicher Veränderungen getroffen hat. Selbstverständlich ist es richtig, dass Veränderungen im Bereich der Einkommensteuer zu Auswirkungen auf die Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen führen würden und dass dies bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden müsste. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre zweite Nachfrage, Frau Kollegin Haßelmann. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, Ihre jetzige Antwort verunklart die Situation erneut. Vorhin haben Sie gesagt, dass Sie in dieser Legislaturperiode eine Steuersenkung vornehmen werden. Also wird es doch zu Mindereinnahmen bei den Kommunen und den Ländern sowie beim Bund kommen. Meine Frage lautet: Werden Sie in Ihrem Steuerentlastungskonzept die Pläne von Herrn Kirchhof - diese will ich hier im Einzelnen nicht erläutern - berücksichtigen? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin, Sie wissen, dass, wenn man über steuerliche Veränderungen nachdenkt, nicht nur Überlegungen aus dem entsprechenden Fachministerium, dem Bundesministerium der Finanzen, sondern auch die fachpolitische Ebene in den Koalitionsfraktionen und all das, was aus dem Wissenschaftsbereich zu diesem Sachverhalt gesagt wird, einbezogen werden. Insofern kann man niemals ausschließen, dass man auch Anregungen aus der Wissenschaft in steuerpolitische Entscheidungsfindungen einbezieht. Da Sie mir unterstellt haben, dass ich bestätigt hätte, dass das Koalitionsvertragsziel, untere und mittlere Einkommen zu entlasten, nur durch Maßnahmen im Einkommensteuerbereich zu erreichen sei, möchte ich richtigstellen: Der Kollege Beck hat darauf hingewiesen, dass man sich theoretisch durchaus auch vorstellen kann, untere und mittlere Einkommen im Bereich der Sozialversicherungsbeiträge zu entlasten. Die Entlastung unterer und mittlerer Einkommen als Ziel des Koalitionsvertrages ist also auf vielfältige Weise möglich. Die Bundesregierung wird Entscheidungen treffen, entsprechende Vorschläge machen und diese dann einem geordneten parlamentarischen Verfahren zuführen. Bislang ist über Zeitpunkt, Umfang und Art von steuerlichen Veränderungen in der Bundesregierung noch in keiner Weise entschieden. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Kanzlerin hat das doch angekündigt!) Vizepräsident Eduard Oswald: Jetzt gibt es eine Wortmeldung unseres Kollegen Volker Beck. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich melde mich zur Geschäftsordnung. Nachdem die Kanzlerin großspurig angekündigt hat, dass es jetzt Steuersenkungen gebe, und es dann den Aufstand im Bundesrat - auch aus den Reihen der Ministerpräsidenten der Union - gab, scheint sich das Finanzministerium in ein "Nichts Genaues weiß man nicht" zu flüchten. Ich denke, dass es vor diesem Hintergrund wichtig ist, dass die Öffentlichkeit erfährt, wie die Koalition genau denkt. Deshalb beantragen wir im Zusammenhang mit den Steuersenkungsplänen der Bundesregierung eine Aktuelle Stunde zu den Steuerausfällen für Bund, Länder und Kommunen und zu den Auswirkungen auf die Schuldenbremse. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Volker Beck. - Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat eben zu der Antwort der Bundesregierung auf eine mündliche Anfrage - Druck-sache 17/6273 - eine Aktuelle Stunde verlangt. Dies entspricht der Nr. 1 b der Richtlinien für die Aktuelle Stunde. Somit findet im Anschluss an die Fragestunde diese Aktuelle Stunde statt. Die ursprünglich vorgesehene Aktuelle Stunde wird auf morgen verschoben. Es gibt noch weitere Nachfragen an den Herrn Staatssekretär. Zunächst hat Frau Kollegin Paus das Wort. (Zuruf von der CDU/CSU: Das könnten wir uns jetzt sparen!) Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich will zum Thema Schuldenbremse nachfragen. Teilt die Bundesregierung im Hinblick auf die Debatte über die Schuldenbremse noch die grundsätzliche Ansicht, dass in Phasen der Hochkonjunktur Überschüsse gebildet werden sollten, um in Phasen einer niedrigen Konjunktur eine Unterdeckung des Haushalts ausgleichen zu können? Wie passt das mit den anhaltenden Diskussionen darüber zusammen, dass es in der aktuellen Phase der Hochkonjunktur zwar steigende Steuereinnahmen gibt, jedoch noch keine Überschüsse und nach wie vor eine Lücke im zweistelligen Milliardenbereich klafft? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Die Bundesregierung wird genau dies bei der Entscheidungsfindung über mögliche steuerliche Maßnahmen berücksichtigen. Vizepräsident Eduard Oswald: Es gibt zwei weitere Fragen. Zunächst Kollege Lothar Binding. Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Herr Koschyk, zunächst vielen Dank für die Antwort auf eine von mir überhaupt nicht gestellte Frage. Die kalte Progression wäre auf meine Frage die falsche Antwort gewesen; denn die kalte Progression betrifft alle Einkommen. Deshalb eine ganz einfache Frage: Sie benutzen den Begriff "untere und mittlere Einkommen". Ich frage: Was ist das? Wie definieren Sie ein unteres, wie ein mittleres Einkommen? Das findet sich auch in der Koalitionsvereinbarung. Es muss irgendwo eine Definition dieses Begriffs geben. Ansonsten würden Sie auf unscharfer Basis Gesetze machen, und das kann ich mir einfach nicht vorstellen. Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Sie werden die Antwort dann finden, Herr Kollege Binding, wenn wir unsere Überlegungen darüber abgeschlossen haben, welche Einkommensschichten wir durch entsprechende Maßnahmen - welche auch immer - entlasten werden. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das war doch eine klare Antwort! Vielen Dank!) Vizepräsident Eduard Oswald: Die nächste Fragestellerin ist Frau Kollegin Nicolette Kressl. Nicolette Kressl (SPD): Vielen Dank. - Herr Staatssekretär, ich möchte auf die Steuermindereinnahmen, die auch die Kommunen belasten würden, eingehen. Es gäbe einen Weg, die Kommunen nicht zu belasten. Auch in den Zeitungen wurde diese Diskussion geführt; es geht um den Solidaritätszuschlag. Sind Sie im Hinblick auf eine Steuerentlastung in diesem Bereich der Ansicht, dass damit untere und mittlere Einkommen entlastet werden? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin, Überlegungen auch im Bereich des Solidaritätszuschlags sind in der öffentlichen Diskussion; sie werden sicher auch bei der weiter gehenden Diskussion eine Rolle spielen. Aber ich darf noch einmal sagen: Es wird der Entscheidung der Bundesregierung vorbehalten bleiben, wie sie das genannte Ziel aus dem Koalitionsvertrag umsetzt. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Es gibt zu der Frage keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Dr. Gerhard Schick auf: Inwiefern sind die Ankündigungen der Bundesregierung, kleine und mittlere Einkommen durch eine Steuersenkung zu entlasten, aus Sicht der Bundesregierung vereinbar mit einer Senkung der Einkommensteuer, bei der eine Tarifsenkung im unteren Einkommensbereich stets eine höhere Entlastung im oberen Einkommensbereich bewirkt - vergleiche beispielsweise "Wer von Steuersenkungen profitieren würde", Spiegel Online vom 23. Juni 2011 - und erwägt die Bundesregierung vor diesem Hintergrund, die Entlastungswirkung für obere Einkommen über eine Erhöhung der Grenzsteuersätze im oberen Einkommensbereich auszugleichen? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Schick, ich wiederhole, dass es keine Entscheidung über Umfang, Zeitpunkt und konkrete Ausgestaltung von Steueränderungen gibt. Eine aussagefähige Beurteilung von Tarifsenkungen allein auf Grundlage von absoluten Entlastungsbeiträgen ist nicht möglich. Zu berücksichtigen wären sicher auch bisherige und die nach einer möglichen Steueränderung verbleibenden Belastungen. Es sind bei einer theoretischen Diskussion dieser Art keine sachlichen Gründe erkennbar, bestimmte Gruppen von Steuerzahlern von möglichen Steueränderungen auszuschließen. Vizepräsident Eduard Oswald: Wie ich sehe, haben Sie, Kollege Dr. Schick, keine Nachfrage. Auch keine andere Kollegin und kein anderer Kollege möchte eine Zusatzfrage stellen. Wir kommen zur Frage 4 des Kollegen Dr. Gerhard Schick: Wie hat sich im Zeitraum seit 1990 die sogenannte kalte Progression tatsächlich auf die Steuerzahlung von Bürgerinnen und Bürgern mit kleinen und mittleren Einkommen ausgewirkt, und wie stark wurde dies von den Einkommensteuersenkungen in diesem Zeitraum kompensiert? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Die Wirkung der kalten Progression besteht darin, dass infolge der Progression des Einkommensteuertarifs die tarifliche Durchschnittsbelastung auch dann steigt, wenn das zu versteuernde Einkommen lediglich im Umfang der Preiserhöhung zugenommen hat. Die kalte Progression trifft grundsätzlich alle Steuerzahler. Sie wirkt sich bei Beziehern kleiner und mittlerer Einkommen allerdings besonders stark aus. Die Bundesregierung hat keine Berechnung zur Auswirkung der sogenannten kalten Progression seit 1990 durchgeführt. Derartige Bezifferungen über einen so langen Zeitraum stoßen auf erhebliche methodische und datenmäßige Probleme und erlauben daher keine belastbaren Schussfolgerungen. Vizepräsident Eduard Oswald: Nachfrage des Kollegen Dr. Schick. Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Hat die Bundesregierung angesichts der Beschäftigung mit diesem Thema, bei dem die kalte Progression eine große Rolle spielt, vor, quantitative Erhebungen durchzuführen? Oder lösen Sie sozusagen ein Problem, das Sie überhaupt nicht kennen, und werden Sie dann auf der Grundlage von Nichtkenntnis Vorschläge machen? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Selbstverständlich werden bei allen angestellten Überlegungen und daraus zu ziehenden Konsequenzen für die Entscheidungsfindung Erhebungen und Untersuchungen - je nachdem, für welchen Lösungsweg man sich entscheidet - notwendig sein. Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Dr. Schick, Sie haben das Wort zu einer weiteren Zusatzfrage. Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Werden Sie diese Untersuchungen dann auch dem Parlament für die Beratungen zur Verfügung stellen? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Schick, wenn die Bundesregierung eine Entscheidung getroffen hat und ein entsprechender Gesetzgebungsvorgang eingeleitet wird, dann stellt sie, wie Sie wissen, dem Parlament für die Ausschussberatungen immer ergänzende Unterlagen zur Verfügung. Das ist die gute Praxis eines offenen, transparenten Umgangs zwischen Regierung und Parlament. Vizepräsident Eduard Oswald: Das Wort zu einer weiteren Nachfrage hat Frau Kollegin Nicolette Kressl. Nicolette Kressl (SPD): Sehr geehrter Herr Staatssekretär, Sie haben gerade ausgeführt, dass es für den langen Zeitraum seit 1990 keine Analysen zur Auswirkung der kalten Progression gibt. Da vonseiten der Koalitionsfraktionen und von Regierungsmitgliedern immer wieder auf die kalte Progression verwiesen wird, möchte ich gerne fragen: In welchem der letzten fünf Jahre hat die kalte Progression in welchem Umfang bei Arbeitnehmern tatsächlich eine Auswirkung gehabt? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin, diese Frage kann ich Ihnen aus dem Stegreif nicht beantworten. Aber ich würde Ihnen die Beantwortung dieser Frage gerne nachreichen. Sollten keine Aufzeichnungen oder Untersuchungen dazu da sein, würden wir versuchen, diese Frage zu klären. Aus dem Stand heraus kann ich sie Ihnen nicht beantworten. Vizepräsident Eduard Oswald: Die nächste Nachfrage stellt der Kollege Lothar Binding. Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Eine kurze Bemerkung zu Ihrer Bemerkung zur Durchschnittssteuerbelastung. Die Durchschnittssteuerbelastung steigt bei zunehmendem Einkommen immer; eine Ausnahme ist der Bereich des Existenzminimums. Insofern war Ihre Antwort wohl nicht ganz exakt. Ich habe eine Frage zur kalten Progression. Was Sie vorhaben, bedeutet eine komplette Rechtsverschiebung der Grenzsteuersatzkurve. Wenn Sie Ihre Pläne bezogen auf die kalte Progression vollständig umsetzen, dann wollen Sie damit einen Inflationsausgleich schaffen; das ist verständlich. Wie wollen Sie aber einen Treibsatz für die Inflation in zukünftigen Jahren vermeiden? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Binding, eine stabilitätsorientierte Wachstumspolitik ist die beste Prävention gegen inflationäre Tendenzen. Dieser Politik fühlt sich die Bundesregierung verpflichtet. Das, was Sie jetzt als mögliche Lösung des Problems andiskutiert haben, dürfte Ihnen als jemandem, der schon in der Großen Koalition in der Finanzpolitik eine Rolle gespielt hat, nicht unbekannt sein; denn eine erste Maßnahme zur Verschiebung der Kurve nach rechts und damit zur Abmilderung der kalten Progression hat es bereits in einem der Konjunkturpakete der Großen Koalition gegeben. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Okay!) Vizepräsident Eduard Oswald: Wir kommen zur nächsten Frage. Die Frage 5 stellt unser Kollege Lothar Binding: Wie begründet die Bundesregierung - mit Blick auf ihre Verpflichtung zur Einhaltung der Schuldenbremse, die infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise stark gestiegene Nettoneuverschuldung und die Lücke zwischen Steuereinnahmen und nicht nur kriseninduzierten Haushaltsbelastungen - ihre erneute Ankündigung einer Steuersenkung, die Menschen mit hohen Einkommen begünstigt und Menschen mit niedrigem Einkommen benachteiligt? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Selbstverständlich, Herr Kollege Binding, müssten mögliche Steueränderungen im Rahmen eines tragfähigen stabilitäts- und finanzpolitischen Gesamtkonzepts umgesetzt werden. Von daher ist es selbstverständlich, dass die Bundesregierung bei steuerlichen Überlegungen und Entscheidungen die Einhaltung der Schuldenbremse strikt beachten muss. Vizepräsident Eduard Oswald: Erste Nachfrage, Kollege Lothar Binding. Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Wie verträgt sich Ihre Antwort mit Ihrer Aussage, dass Sie zuerst an die Haushaltskonsolidierung gehen wollen? Zur Erinnerung: Wir hatten 1 700 Milliarden Euro Schulden, nach der Krise haben wir 2 000 Milliarden Euro Schulden, wir haben eine Neuverschuldung von 80 Milliarden Euro erwartet, sind aber jetzt froh, dass es nur 40 Milliarden Euro sind. Meinen Sie, in dieser Phase könne man unter Einhaltung des Gedankens der Konsolidierung des Haushalts Steuern senken? Diese Rechnung - das ist ein einfacher Dreisatz - leuchtet mir nicht ein. Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich lege noch einmal Wert auf die Feststellung, Herr Kollege Binding - das habe ich in jeder der Antworten gesagt, die ich in dieser Fragestunde bislang gegeben habe -, dass steuerliche Maßnahmen nur unter dem absoluten Vorrang der Verträglichkeit mit dem Ziel der Haushaltskonsolidierung und unter strikter Beachtung der Schuldenregel möglich sind. Dies wird der Vorbehalt bei allen steuerlichen Überlegungen der Bundesregierung sein. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Keine weiteren Fragen!) Vizepräsident Eduard Oswald: Gut. - Dann gibt es dazu keine weiteren Nachfragen. So kommen wir zur Frage 6, die ebenfalls vom Kollegen Lothar Binding gestellt wird: Wann plant die Bundesregierung, einen Gesetzentwurf zur Verhinderung steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten bei der Abgrenzung zwischen Betriebs- und Verwaltungsvermögen in der Erbschaft- und Schenkungsteuer vorzulegen (vergleiche etwa Financial Times Deutschland vom 25. Mai 2011)? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Binding, die Abgrenzung zwischen Betriebs- und Verwaltungsvermögen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer, die die Regierung der Großen Koalition im Erbschaftsteuerreformgesetz beschlossen hat, soll einerseits missbräuchliche Gestaltung durch Verlagerung von Privatvermögen in Betriebsvermögen verhindern und andererseits die Betriebe in ihrer Finanzierungsfähigkeit und Anlageflexibilität nicht übermäßig beschränken, um das Ziel einer gesicherten Unternehmensfortführung nicht zu gefährden. Dieses Ziel wurde mit dem seinerzeit beschlossenen Gesetz - ich glaube, auch Sie haben zugestimmt - erreicht. Die Bundesregierung plant in dieser Frage keinen Gesetzentwurf. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Vielen Dank!) Vizepräsident Eduard Oswald: Keine weitere Nachfrage. So kommen wir jetzt zur Frage 7 der Frau Kollegin Lisa Paus: Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass eine Senkung oder Streichung des Solidaritätszuschlags die oberen Einkommen überproportional gegenüber den unteren und mittleren Einkommen entlasten würde, und hält die Bundesregierung vor diesem Hintergrund an ihren Überlegungen zur Senkung oder Abschaffung des Solidaritätszuschlags fest? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin Paus, weil Sie in Ihrer Frage davon ausgehen, dass es innerhalb der Bundesregierung bereits Entscheidungen über eine Senkung oder Streichung des Solidaritätszuschlags gibt, darf ich wiederholen, dass es vonseiten der Bundesregierung keinerlei Entscheidungen über Art, Umfang und Zeitpunkt von steuerlichen Maßnahmen gibt. Zum Solidaritätszuschlag noch einmal eine deutliche Anmerkung der Bundesregierung: Der Solidaritätszuschlag wurde als Zuschlag zur progressiven Einkommensteuer festgesetzt und belastet daher Bezieher höherer Einkommen überproportional. Er ist sozial ausgewogen, weil alle Steuerpflichtigen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit belastet und niedrigere Einkommen verschont werden. Für die Bundesregierung ist und bleibt der Solidaritätszuschlag ein wichtiges Element, um den Finanztransfer zugunsten der ostdeutschen Bundesländer zu gewährleisten. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage. Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär Koschyk, könnten Sie, auch wenn Sie der Auffassung sind, dass der Soli, so wie er existiert, sozial ausgewogen ist, den ersten Teil meiner Frage beantworten, nämlich ob Sie die Ansicht teilen, dass eine Abschaffung des Soli vor allen Dingen den oberen Einkommen zugutekäme? Würden Sie also bestätigen, dass seine Abschaffung vor allen Dingen den oberen Einkommen zugutekäme? Würden Sie ebenfalls bestätigen, dass seine Abschaffung den unteren und mittleren Einkommen nicht zugutekäme? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich darf noch einmal sagen, dass die Bundesregierung in keiner Weise Überlegungen anstellt, die auf eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags hinauslaufen. Vizepräsident Eduard Oswald: Sie haben eine weitere Zusatzfrage. Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das freut mich. Ich würde trotzdem gerne eine Antwort auf die Frage bekommen: Teilen Sie meine Einschätzung, dass eine Abschaffung des Soli vor allen Dingen den oberen Einkommen zugutekäme und deswegen ungeeignet wäre, mittlere und untere Einkommen zu entlasten? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich glaube, das ist eine eher theoretische Betrachtung. Ich werde auch von Beziehern unterer und mittlerer Einkommen gefragt, ob der Solidaritätszuschlag weiterhin und wie lange er noch erhoben wird. Ich glaube, jeder empfindet den Solidaritätszuschlag als steuerliche Belastung und sähe ihn lieber heute als morgen abgeschafft. Aber auch im Hinblick auf die gesamtstaatlichen Finanzierungsverpflichtungen muss man den Menschen immer wieder erklären, dass dies nicht möglich ist. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Wir kommen nun zur Frage 8, ebenfalls von unserer Kollegin Lisa Paus: Mit jährlichen Einnahmeausfällen in welcher Höhe rechnet die Bundesregierung, wenn eine an der jährlichen Inflationsrate orientierte Indexierung des Einkommensteuertarifs stattfände? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin Paus, die Bundesregierung beabsichtigt keine Indexierung des Einkommensteuertarifs. Dies schließt nicht aus, dass zukünftig bei einer möglichen Weiterentwicklung des Einkommensteuertarifs die Veränderung verschiedener wirtschaftlicher Größen wie zum Beispiel der Inflationsrate berücksichtigt wird. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage. Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Welche Schätzung liegt denn der Haushaltsplanung der Bundesregierung in Bezug auf die Inflationsrate aktuell zugrunde, und welche Wirkung hätte die Indexierung der Einkommensteuer entsprechend der Inflationsrate? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich kann Ihnen aus dem Stegreif nicht beantworten, welche Wirkung das hätte. Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Würden Sie das schriftlich nachreichen? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Das kann ich Ihnen gerne schriftlich nachreichen. Vizepräsident Eduard Oswald: Eine Nachfrage des Kollegen Dr. Gerhard Schick. Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Würden Sie denn sagen, Herr Staatssekretär, dass dieses Thema der Indexierung, bei dem es auch um die kalte Progression geht, angesichts der derzeitigen Inflationsrate besonders gravierend ist? Halten Sie die Inflationsrate in diesem Zusammenhang für hoch und deswegen durch die kalte Progression für eine hohe Belastung für die Bürger, oder wie ist Ihre Einschätzung? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich möchte dazu keine subjektive Einschätzung abgeben. Die Bundesregierung wird diese Frage im Zusammenhang mit allen steuerlichen Maßnahmen im Bereich des Einkommensteuertarifs insgesamt fundiert beantworten müssen. Ich bitte um Verständnis, dass ich einer entsprechenden Entscheidungsfindung der Bundesregierung mit einer subjektiven Einschätzung in keiner Weise vorgreifen möchte. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Die Fragen 9 und 10 der Kollegin Hilde Mattheis, die Frage 11 der Kollegin Bärbel Höhn und die Fragen 12 und 13 der Kollegin Dr. Barbara Höll werden schriftlich beantwortet. Damit kommen wir zur Frage 14 des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele: Warum setzt sich die Bundesregierung für weitere einschneidende Sparmaßgaben Griechenlands als Voraussetzung für die Gewährung weiterer Garantien und anderer Hilfen ein und nicht für die Streichung eines Großteils der Schulden Griechenlands bei privaten Gläubigern, um dem Land eine realistische Chance zu verschaffen, durch Investitions- und Konjunkturprogramme der Bevölkerung Arbeit und Einkommen zu geben und aus der Krise zu kommen? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Lieber Herr Kollege Ströbele, nicht nur die Bundesrepublik Deutschland, sondern alle, die zurzeit bemüht sind, durch internationale Solidarität im Rahmen des IWF und der Europäischen Union Griechenland zu unterstützen, erwarten, dass im Hinblick auf weitere Hilfsmaßnahmen in Griechenland entsprechende Einsparungen vorgenommen werden. Das ist auch die Erwartung der griechischen Regierung selbst. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten die Süddeutsche Zeitung von gestern zitieren. Dort wird berichtet, dass Vizepremierminister Pangalos in einer leidenschaftlichen Rede die griechische Öffentlichkeit daran erinnert hat, dass alle miteinander für den Bankrott des alten Systems verantwortlich seien. Der Vizepremierminister sagte wörtlich: "Der größte Teil des Defizits geht auf Ausgaben für Beamtengehälter und Renten zurück" ... Jahrelang hätten die Wähler den Parteien "ihre Stimme verkauft", im Tausch gegen einen Job im Staatsdienst. Sie sehen also, Herr Kollege Ströbele, dass die griechische Regierung selbst im Hinblick auf die Verschuldungssituation Griechenlands Handlungsbedarf sieht. Sie wissen, Herr Kollege Ströbele, dass die Bundesregierung die Beteiligung privater Gläubiger im Falle eines neuen Hilfsprogramms für Griechenland als Voraussetzung für einen deutschen Beitrag genannt hat. Mit dieser Position war die Bundesregierung anfangs innerhalb der Europäischen Union, der Euro-Gruppe, aber auch der entsprechenden internationalen Institutionen sehr isoliert. Inzwischen haben wir erreicht, dass eine private Gläubigerbeteiligung zur Voraussetzung für ein neues Programm für Griechenland geworden ist. Unser Haus und auch Bundesfinanzminister Schäuble persönlich stehen mit den Spitzen der deutschen Finanzwirtschaft in Kontakt, um diesbezüglich einen entsprechenden Beitrag der deutschen Finanzwirtschaft zu erreichen. Sie fragten, warum die Bundesregierung nichts unternimmt, um den Griechen mittels Investitions- und Konjunkturprogrammen aus der Krise herauszuhelfen. Ich darf darauf hinweisen, dass gerade Bundesminister Schäuble gegenüber der Europäischen Kommission, der Euro-Gruppe und der Europäischen Union sehr darauf drängt, dass Griechenland durch entsprechende Wirtschaftsfördermaßnahmen - zum Beispiel soll durch die Erzeugung von Solarstrom und durch Solartechnik Wertschöpfung erfolgen - Wachstumsperspektiven gegeben werden. Diese Position der Bundesregierung hat dazu geführt, dass der Präsident der Europäischen Kommission Barroso inzwischen angekündigt hat, dass eine Beschleunigung der Auszahlung und eine Bündelung von Maßnahmen zur Förderung der griechischen Volkswirtschaft auf den Weg gebracht werden sollen. Auf diese Weise sollen die Wachstumsperspektiven verbessert werden. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Zusatzfrage, Herr Kollege Ströbele. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, ich weiß nicht, wie es der Bundesregierung geht, aber wenn ich sehe, was in Griechenland jetzt passiert und was dort beschlossen werden soll, dann bin ich nicht nur erschrocken, sondern ich will auch solidarisch sein. Nachdem bereits insbesondere im Gesundheits- und Sozialbereich ganz erhebliche Sparmaßnahmen beschlossen wurden, werden den Griechen nun noch zusätzliche erhebliche Einsparungen aufgedrückt. Man kann fast sagen, dass sie damit erpresst werden. Nach den letzten Nachrichten aus Griechenland von dieser Stunde ist das Volk in großer Unruhe. In Athen herrscht fast Ausnahmezustand. Es fahren keine Bahnen. Es ist zu einem Generalstreik gekommen. Es kommt vor dem Parlament zu schweren Tumulten. Ich kann das angesichts dessen, was der Bevölkerung dort zugemutet wird, verstehen. Wenn ich solche Nachrichten sehe, frage ich mich schon, ob die Europäische Gemeinschaft - also auch Deutschland und die Bundesregierung - nicht eine erhebliche Verantwortung dafür trägt, was sich derzeit im Urland unserer Demokratie abspielt. Ich frage mich, ob man allein mit zusätzlichen einschneidenden Sparmaßnahmen in Griechenland etwas erreichen kann. Ich frage mich auch, ob wir den Griechen nicht falsche Hoffnungen machen. Wir sollten uns an diejenigen halten, die nach wie vor Gewinne machen. Dabei handelt es sich um die großen Gläubiger und die Reichen in Griechenland. Nach allem, was ich aus Griechenland gehört habe, werden ebendiese nicht zur Steuer herangezogen bzw. nicht in dem Maße, wie das in anderen europäischen Ländern der Fall ist. Ich frage mich daher, ob die Bundesregierung nicht eher eine andere Linie fahren und sagen sollte: Wir versuchen, euch wieder auf die Beine zu helfen. Dann kann man über vieles andere reden. Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Ströbele, niemanden lassen die Bilder aus Griechenland unberührt. Ich sage aber noch einmal: Es geht um eine Kombination von Maßnahmen der Haushaltskonsolidierung, die unerlässlich sind. Das ist nicht nur die Einschätzung der Bundesregierung, sondern auch die Einschätzung der Troika aus IWF, Europäischer Kommission und Europäischer Zentralbank. Sie sollten in diesen Tagen einmal das Gespräch mit Menschen aus anderen Ländern und Regionen der Welt führen, die in den letzten Jahren von starken Veränderungen ihrer Wirtschaft und von einem starken Reformdruck geprägt wurden, gerade auch im Hinblick auf Hilfsmaßnahmen. In Gesprächen mit Vertretern asiatischer oder lateinamerikanischer Staaten werden Sie hören, dass auch diese einem harten Anpassungsprozess ausgesetzt waren, um Hilfen des IWF zu bekommen. Am Schluss hat sich gezeigt, dass diese Maßnahmen erfolgreich waren. Wenn man sich verschiedene Staaten Asiens und Lateinamerikas anschaut, die in den letzten Jahren von ähnlichen Anpassungsprogrammen des IWF betroffen waren und die sich heute durch Prosperität, gesundes Wachstum und soziale Stabilität auszeichnen, dann wird man, glaube ich, sagen können, dass dieses Bündel von Maßnahmen - jetzt den Griechen durch ein angepasstes Programm mehr Zeit zu geben, die privaten Gläubiger zu beteiligen, aber auch wachstumsfördernde Maßnahmen mit Unterstützung der Europäischen Union auf den Weg zu bringen - richtig ist, um Griechenland neue Perspektiven zu geben. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre zweite Zusatzfrage, Kollege Ströbele. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, ich will mich jetzt nicht mit Ihnen auf eine Diskussion einlassen - das darf ich laut Geschäftsordnung gar nicht - über das, was in Afrika oder Lateinamerika tatsächlich angerichtet worden ist. Wir befinden uns in Europa; auch Griechenland gehört zu Europa und zur Europäischen Union. Wir haben immer großen Wert darauf gelegt, dass wir zu einer weitgehenden Anpassung der Lebensverhältnisse in Europa kommen - so habe ich das immer verstanden - und dass wir auf längere Frist gesehen immer enger zusammenwachsen wollen. Ich weiß nicht, ob es dann richtig ist, ein ganzes Volk in dieser Weise in Haftung zu nehmen und unter Druck zu setzen. Ich kann mir vorstellen, dass diese Vorgehensweise die Sympathien und die Begeisterung für Europa in Griechenland erheblich dämpft, um das einmal milde auszudrücken. Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Ströbele, es ist die griechische Regierung selbst, die jetzt in einer sehr mutigen, bewundernswerten Art und Weise Versäumnisse früherer griechischer Regierungen - gleich welcher politischen Zuordnung - aufarbeiten muss. Es sind auch eindrucksvolle Persönlichkeiten griechischer Herkunft wie mehrere Nobelpreisträger, die international als Wissenschaftler anerkannt sind, die der griechischen Gesellschaft sagen, dass dieser harte Weg, die Krise zu überwinden - nämlich durch Konsolidierung, verbunden mit Wachstumsperspektiven -, unerlässlich ist. Dass es an deutscher oder gesamteuropäischer Solidarität fehlt, Herr Kollege Ströbele, das kann man, glaube ich, nicht ernsthaft behaupten angesichts des Garantierahmens im Milliardenbereich, den Deutschland und die Europäische Union zur Absicherung der griechischen Finanzprobleme bereits auf den Weg gebracht haben. Vizepräsident Eduard Oswald: Eine Nachfrage unseres Kollegen Dr. Gerhard Schick. Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, ich will hinsichtlich der Gläubigerbeteiligung nachhaken. Wir hatten im Ausschuss bereits kurz darüber gesprochen. Bei den Gläubigern gibt es drei Gruppen: Die eine Gruppe sind die neu hinzugekommenen Gläubiger wie KfW oder Staaten, die in der derzeitigen Situation Hilfskredite bereitstellen. Dann gibt es die rein privaten Gläubiger. Es gibt noch eine dritte Gruppe von Gläubigern privatrechtlicher Natur, hinter denen aber de facto der Staat steht, zum Beispiel Landesbanken oder die Bad Bank der HRE. Bei den rein Privaten kann es sich wiederum um Banken, Versicherungen oder Fonds handeln. Zum einen würde mich interessieren: Wer sitzt wirklich am Tisch, vor allem, wenn es um die Bad Bank der HRE geht, aber auch bei Versicherungen und Fonds? Zum anderen würde mich interessieren: Was meint die Bundesregierung, wenn sie von der Beteiligung privater Gläubiger redet, in Bezug auf diese einzelnen Gruppen? Wie gestaltet sich der Wille der Bundesregierung hinsichtlich einer Beteiligung? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Schick, ich hatte Ihnen heute im Ausschuss bereits ausführlich erklärt, dass für uns die Grundlage das sogenannte französische Modell ist, das von der französischen Finanzwirtschaft entwickelt und der französischen Politik unterstützt worden ist. Wir überlegen zurzeit gemeinsam mit allen genannten Beteiligten der Finanzwirtschaft, welchen Beitrag die Finanzwirtschaft in Deutschland hierzu leisten kann. Wir werden Parlament und Öffentlichkeit unverzüglich über das Ergebnis unterrichten, sobald diese Gespräche abgeschlossen sind. Vizepräsident Eduard Oswald: Es gibt eine weitere Nachfrage des Kollegen Carsten Sieling. Dr. Carsten Sieling (SPD): Genau an dem Punkt möchte ich nachsetzen. Darf ich Ihre Antwort so verstehen, dass dann auf der Seite der privaten Gläubiger beispielsweise auch die Bad Bank der HRE sitzt? Führen Sie Verhandlungen darüber, inwieweit sie sich beteiligen kann? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Sieling, ich habe es heute schon im Ausschuss gesagt: Wenn klar ist, dass es trotz der vereinbarten Vertraulichkeit möglich ist, Beteiligte dieser Gespräche zu nennen, werde ich dies entsprechend tun. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Die Frage 15 der Kollegin Daniela Wagner wird schriftlich beantwortet. Wir kommen somit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Alle Fragen zu diesem Geschäftsbereich werden schriftlich beantwortet. Es handelt sich um die Fragen 16 und 17 des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, die Frage 18 des Abgeordneten Klaus Ernst, die Fragen 19 und 20 der Abgeordneten Anette Kramme, die Fragen 21 und 22 des Abgeordneten Werner Dreibus, die Fragen 23 und 24 der Abgeordneten Sabine Zimmermann sowie die Fragen 25 und 26 des Abgeordneten Markus Kurth. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Die Fragen 27 und 28 des Abgeordneten Gustav Herzog werden ebenfalls schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 29 des Kollegen Ostendorff auf: Hat der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, BfDI, nach Kenntnis der Bundesregierung bereits geprüft, ob das Gutachten des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, BMELV, zur Bewertung der Ehrwürdigkeit ehemaliger Mitarbeiter des Bundesministeriums bzw. der Vorgängerbundesministerien im Hinblick auf die Zeit des Nationalsozialismus aus Datenschutzgründen veröffentlicht werden kann, und, wenn ja, zu welchem Ergebnis kommt der BfDI? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Peter Bleser, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Herr Kollege Ostendorff, die Stellungnahme des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit liegt dem BMELV seit dem 7. Juni 2011 vor. Der Bundesdatenschutzbeauftragte kommt darin zu dem Ergebnis, dass ein Informationsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz hinsichtlich der im Gutachten enthaltenen personenbezogenen Daten von ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des damaligen BML und des BMVEL wegen des Personalaktengeheimnisses, von einem Einzelfall abgesehen, nicht besteht. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Herr Kollege. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schönen Dank, Herr Staatssekretär Bleser. Nach unseren Informationen hat der Datenschutzbeauftragte sehr wohl gesagt - meine Frage ist, ob Sie diesen Vorschlag kennen -, dass man ein Splitting zwischen den Mitarbeitern, die in öffentlicher Funktion tätig waren, und - ich sage es jetzt einmal stark vereinfacht, weil wir nicht zu tief in die Materie einsteigen wollen - dem Hausmeister vornehmen sollte. Wenn Sie bestätigen können, dass Sie den Vorschlag kennen: Wie bewerten Sie grundsätzlich den Vorschlag, eine Aufteilung zwischen den uns interessierenden Personen der Zeitgeschichte und den Mitarbeitern des Hauses in unteren Funktionen vorzunehmen? Peter Bleser, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Wir sind diesem Vorschlag gefolgt. Das betrifft den genannten Einzelfall. Hier handelt es sich um den beamteten Staatssekretär Dr. Walther Florian, der 1984 im Amt war und inzwischen verstorben ist. Vizepräsident Eduard Oswald: Eine weitere Frage, Herr Kollege. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wurde dem Staatssekretär, Herrn Dr. Florian, die Ehrwürdigkeit aberkannt, wie es bei ähnlichen zeitgeschichtlichen Prüfungen bei anderen Ministerien geschehen ist? Wie gedenken Sie dort vorzugehen? Peter Bleser, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Das kann ich Ihnen jetzt nicht beantworten. Ich werde Ihnen aber eine schriftliche Antwort auf Ihre Frage zukommen lassen. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Nun rufe ich die Frage 30 ebenfalls unseres Kollegen Friedrich Ostendorff auf: Welche Konsequenzen haben die deutschen Behörden aus den Hinweisen seitens des russischen Chefveterinärs Sergej Dankwert gezogen, der mit Hinweis auf eine angebliche Ehec-Belastung deutscher Fleisch- und Milchprodukte ab 27. Juni 2011 für bestimmte deutsche Lieferanten ein Importverbot erlassen hat? Bitte schön. Peter Bleser, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Kollege Ostendorff, der Föderale Dienst für veterinärrechtliche und phytosanitäre Überwachung der Russischen Föderation, Rosselchosnadsor, hat mit Wirkung vom 27. Juni temporäre Beschränkungen für die Lieferung tierischer Erzeugnisse in die Russische Föderation von zehn Milch- und drei Fleischverarbeitungsbetrieben angeordnet. Der Leiter des russischen Veterinärdienstes, Dr. Nikolai Wlassow, hat gegenüber dem ELV-Referenten der Botschaft in Moskau bestätigt, dass die Sperre nicht im Zusammenhang mit dem in Deutschland seit Mai 2011 beobachteten Ehec-Ausbruchsgeschehen beim Menschen steht. Sie ist vielmehr Ergebnis einer von Ehec unabhängigen Inspektion durch Vertreter von Rosselchosnadsor in der Zeit vom 10. bis zum 22. April dieses Jahres. Dabei wurde die Einhaltung der veterinärrechtlichen Anforderungen und Normen der Zollunion und der Russischen Föderation überprüft. Vizepräsident Eduard Oswald: Sie haben eine Nachfrage? - Bitte schön, Herr Kollege. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich möchte meine Frage gerne erweitern. Das hängt mit der Tatsache zusammen, dass es hier um einen Wirtschaftsbereich geht, der sehr stark von dritten Märkten abhängig ist. Die nachgelagerte Wirtschaft, die deutsche Fleisch-, Gemüse- und Milchwirtschaft, ist heftig betroffen. Das zur Erklärung. Zur Debatte über Ehec. Uns liegt eine Expertise von amerikanischen Wissenschaftlern vor, die schon 1998 darauf hingewiesen haben, dass bei sehr starkem Kraftfuttereinsatz bei Milchkühen das Aufkommen von Ehec sehr viel häufiger zu verzeichnen ist, als bei Kühen, die weniger mit Kraftfutter, dafür mehr mit Heu gefüttert werden. Kennt die Bundesregierung diese wissenschaftlichen Ergebnisse? Wenn Ja, was schließen Sie daraus? Peter Bleser, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Diese Frage steht nicht im Zusammenhang mit der Ursprungsfrage. Insofern konnte ich keine Antwort vorbereiten. Ich werde Ihnen dazu eine schriftliche Antwort zukommen lassen. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schönen Dank!) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. Die weiteren Fragen zu diesem Geschäftsbereich werden schriftlich beantwortet. Das betrifft die Fragen 31 und 32 der Kollegin Cornelia Behm sowie die Fragen 33 und 34 der Kollegin Dr. Kirsten Tackmann. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Die Fragen 35 und 36 des Kollegen Omid Nouripour werden ebenfalls schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Nach meinen Unterlagen ist zwischenzeitlich die schriftliche Beantwortung aller Fragen zu diesem Geschäftsbereich erbeten worden. Das betrifft die Frage 37 der Kollegin Heidrun Dittrich sowie die Fragen 38 und 39 der Kollegin Caren Marks. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Die Frage 40 der Kollegin Dr. Marlies Volkmer wird ebenfalls schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Die Fragen 41 und 42 des Kollegen Uwe Beckmeyer sowie die Fragen 43 und 44 des Kollegen Hans-Joachim Hacker werden schriftlich beantwortet. Das gilt ebenfalls für die Fragen 45 und 46 des Kollegin Dr. Anton Hofreiter. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Die Fragen 47 und 48 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl und die Frage 49 der Kollegin Dorothee Menzner werden schriftlich beantwortet. Ist der Kollege Dr. Hermann Ott zur Beantwortung der Fragen 50 und 51 anwesend? - Das ist nicht der Fall. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Die Fragen 52 und 53 des Kollegen Hans-Josef Fell werden ebenfalls schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Die Fragen 54 und 55 des Kollegen Michael Gerdes, die Fragen 56 und 57 der Kollegin Marianne Schieder sowie die Fragen 58 und 59 der Kollegin Ulla Burchardt werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die Frage 60 der Kollegin Sabine Stüber wird schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Die Fra-gen 61 und 62 der Kollegin Ingrid Nestle, die Fragen 63 und 64 des Kollegen Oliver Krischer, die Frage 65 der Kollegin Dorothee Menzner sowie die Frage 66 der Kollegin Bärbel Höhn werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Ich rufe die Frage 67 unserer Kollegin Dr. Susanne Kastner auf: Welche Kriterien und Maßstäbe werden vom Auswärtigen Amt bei der jährlichen Ressourcenplanung angesetzt hinsichtlich der Entscheidung über die Schließung bzw. den Erhalt von konsularischen Vertretungen in Rumänien, und wie erfolgen deren Evaluation und Gewichtung? Bitte schön, Frau Staatsministerin Cornelia Pieper. Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Frau Kastner, im Rahmen der jährlichen Ressourcenplanung hat das Auswärtige Amt entschieden, in Rumänien neben der Deutschen Botschaft in Bukarest weiterhin an zwei Standorten, in Temeswar und in Hermannstadt, konsularisch vertreten zu sein. Das Berufskonsulat Temeswar wird allerdings in ein Honorarkonsulat umgewandelt. Diese Entscheidung war Teil eines Pakets von Veränderungen im Netz der Auslandsvertretungen, die erforderlich wurden, um das Netz unserer Auslandsvertretungen an neue außenpolitische Rahmenbedingungen anzupassen. Für die Veränderungen in Rumänien, insbesondere in Temeswar, sprechen folgende Gründe: Erstens. Der Beitritt Rumäniens zur EU und zur NATO hat neue Rahmenbedingungen geschaffen. Beziehungen können nun mit schlankeren organisatorischen Strukturen gepflegt werden. Zweitens. Der Bedarf an rechtskonsularischen Dienstleistungen ist rückläufig. Drittens. Unser Netz in Rumänien ist angesichts der andernorts bereits erfolgten Verschlankung unserer Konsularpräsenz im EU-Raum immer noch vergleichsweise dicht. Viertens. Mit der Vertretung in Temeswar haben wir die im Vergleich mit Hermannstadt kleinere Vertretung zur Umwandlung in ein Honorarkonsulat vorgesehen. Auch ist das Aufkommen an Konsularfällen in Temeswar geringer als in Hermannstadt. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin. Dr. h. c. Susanne Kastner (SPD): Frau Kollegin Pieper, geben Sie mir recht, wenn ich sage, dass ein Honorarkonsulat längst nicht die Ausstattung hat, die ein Generalkonsulat hat, und dass ein Honorarkonsul nicht die gleichen Interessen verfolgt wie ein hauptamtlicher Konsul? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Ich muss Ihnen widersprechen, weil ich in meinem Amt weltweit die Erfahrung gemacht habe, dass Honorarkonsulate sehr gut arbeiten können, wenn sie vom Auswärtigen Amt eine entsprechende Unterstützung erhalten. Diese Unterstützung werden wir natürlich weiterhin gewähren. In Temeswar geht es nicht um eine Umwandlung von heute auf morgen, sondern es geht um einen geordneten und unter Partnern von Anfang an transparent kommunizierten Übergang, bei dem gewährleistet ist, dass die Betreuungsfunktion des Konsulats in die neue Organisationsform überführt werden kann. Der Termin wird maßgeblich davon abhängen, wann ein geeigneter Honorarkonsul zur Verfügung steht. Auch diesbezüglich ist noch keine Entscheidung gefallen. Dr. h. c. Susanne Kastner (SPD): Frau Staatsministerin, Temeswar ist von drei Hauptstädten umgeben. In Temeswar lebt im Vergleich zu Hermannstadt die größere deutsche Minderheit. In Hermannstadt leben ausweislich der Volkszählung nicht so viele Angehörige von Minderheiten. Sie machen das Ganze ja aus Einspargründen. Warum haben Sie vor diesem Hintergrund nicht überlegt, einen halbwegs normalen Ausgleich zu schaffen, sprich, das Generalkonsulat in Hermannstadt als normales Konsulat beizubehalten, um unter dieser Prämisse das Konsulat in Temeswar weiter als normales Konsulat betreiben zu können? Warum haben Sie über so eine Möglichkeit nicht nachgedacht? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Wir haben über diese Möglichkeit nachgedacht, Frau Abgeordnete. Wir sind nach der Überprüfung aber zu der Erkenntnis gelangt, dass es - das sagte ich schon - in Hermannstadt das größere Konsularaufkommen gibt und eben nicht in Temeswar. Wir gehen aber davon aus und legen auch großen Wert darauf, dass wir weiterhin mit der deutschen Minderheit in Temeswar auf gleichem Niveau zusammenarbeiten werden. Das Auswärtige Amt beabsichtigt nicht, das Ausmaß der Zusammenarbeit und der Unterstützung für die deutsche Minderheit zu minimieren oder herabzusetzen. Wenn Sie erlauben, gebe ich Ihnen noch die Information, dass kein anderes Land außer Rumänien - Ungarn ausgenommen - neben einer Botschaft über zwei berufskonsularische Vertretungen verfügt. Im Vergleich mit der konsularischen Präsenz anderer Staaten in Rumänien bleiben wir selbst nach den geplanten Änderungen in Temeswar an vorderer Stelle. Das gilt auch für die Präsenz von Auslandsvertretungen des Auswärtigen Amtes. Ich kann Ihnen das gerne in Zahlen darstellen: Die Gesamtkosten des Auswärtigen Amtes für die Vertretungen - Botschaften und Konsulate - in Rumänien betragen 7 Millionen Euro. Im Vergleich dazu betragen sie in Bulgarien 4,3 Millionen Euro, in Tschechien 3,5 Millionen Euro und in Ungarn 4,7 Millionen Euro. Daran sieht man, dass wir eine sehr starke Präsenz in Rumänien haben. Diese wollen wir natürlich behalten. (Dr. h. c. Susanne Kastner [SPD]: Ich wollte eigentlich noch mal nachfragen!) Vizepräsident Eduard Oswald: Wir können das mit der Frage 68 verbinden. Sie können Ihre Frage dann einbauen. Ich rufe die Frage 68 der Kollegin Dr. Kastner auf: Aus welchen Gründen strebt das Auswärtige Amt bei den Einsparungen in der Globalplanung keine paritätische Lastenverteilung bei den Auslandsvertretungen in Rumänien an, und wie sollen die Präsenz in der Fläche sowie die Betreuung der deutschen Minderheiten künftig gewährleistet werden? Bitte schön, Frau Staatsministerin. Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Frau Abgeordnete, eine paritätische Lastenverteilung, also eine gleichmäßige Personalreduzierung, in den drei Vertretungen in Rumänien ist unter dem Gesichtspunkt der Ressourceneinsparung keine Alternative zur Umwandlung des Berufskonsulats Temeswar in eine honorarkonsularische Präsenz. Denn Sachkosten wie zum Beispiel Mieten, Kosten für Dienstwagen und Personalkosten für Ortskräfte würden in unveränderter Höhe anfallen. In Rumänien erfolgt kein Rückzug auf der Fläche. Ich sage es noch einmal: Die Präsenz in der Fläche wird durch Einsetzung eines Honorarkonsuls in Temeswar gewährleistet bleiben. Der Standort Temeswar wird nicht aufgegeben. Nach wie vor werden wir an drei Dienstorten in Rumänien präsent sein: mit der Botschaft in Bukarest, mit dem Generalkonsulat in Hermannstadt und - zukünftig - mit dem Honorarkonsulat in Temeswar. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage. Dr. h. c. Susanne Kastner (SPD): Frau Staatsministerin, ich hätte dann gerne eine Übersicht über die Aufgliederung der Kosten für Botschaft, Generalkonsulat und Konsulat in Rumänien. Ich glaube, dass ein Rückzug auf der Fläche durchaus gegeben ist; denn der Westen des Landes wird durch die Auflösung des Konsulats in Temeswar völlig entvölkert. Ich stelle gleich meine zweite Nachfrage. Ich möchte gerne wissen, welche Ausstattung ein Honorarkonsul hat. Ich glaube, es ist eindeutig Augenwischerei, wenn Sie sagen, dass ein Honorarkonsul dasselbe leisten kann wie ein Konsulat. Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Ich möchte ergänzen, dass das geplante Honorarkonsulat, also der Honorarkonsul, weiterhin bestimmte konsularische Dienstleistungen anbieten wird, auch für die deutsche Minderheit, und in Zusammenarbeit mit der Botschaft natürlich unsere Interessen in der Region um Temeswar wahren wird. Es wird Konsularsprechtage geben. Vieles - das sagte ich schon - soll beibehalten werden. Selbstverständlich bekommen Sie einen Einblick in die Details. Ich werde Ihnen eine Darstellung der Haushaltsmittel und deren Aufteilung für die Botschaft und die Konsulate und auch eine Darstellung der Kosten der zukünftigen Ausstattung des Honorarkonsulats - da sind wir noch in der Planung - gerne zusenden. (Dr. h. c. Susanne Kastner [SPD]: Gut! Danke schön!) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Die Fragen 69 und 70 des Abgeordneten Tom Koenigs, die Fragen 71 und 72 des Abgeordneten Andrej Hunko und die Frage 73 des Abgeordneten Volker Beck werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 74 des Kollegen Hans-Christian Ströbele auf: Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über bereits getroffene Vereinbarungen von nichtmilitärischen Organisationen im Norden Afghanistans seit 2009 mit Taliban und anderen Aufständischen über Aufbauprojekte wie die Anlegung und den Betrieb von neuen Brunnen, Straßen und Brücken sowie Schulen insbesondere für Mädchen und über die Einhaltung solcher Zusagen, und welche Bemühungen hat die Bundesregierung veranlasst, um in ihrem Verantwortungsbereich in Afghanistan Angriffe mit dem Ziel "capture or kill" auf gelistete Zielpersonen durch Spezialeinheiten und Drohnen zu beenden, durch die immer neuer Hass geschürt und die Bevölkerung aufgebracht wird, und um Gespräche sowie konkrete Verhandlungen mit den Aufständischen zu fördern mit dem Ziel, das Töten zu beenden, Waffenstillstand zu erreichen und den Abzug der ausländischen Truppen einzuleiten? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Herr Präsident! Lieber Herr Kollege Ströbele, der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über Vereinbarungen von nichtmilitärischen Organisationen mit regierungsfeindlichen Kräften über zivile Aufbauprojekte im Norden Afghanistans vor. Die Fortsetzung der bisherigen Operationsführung auf der Grundlage des Operationsplanes und der Einsatzregeln der NATO, die im Rahmen der Vorgaben des humanitären Völkerrechts erstellt wurden, hängt von der Entwicklung der Sicherheitslage ab. Die Bundesregierung ist der Auffassung - das ist Ihnen sicherlich bekannt -, dass der Konflikt in Afghanistan nicht allein mit militärischen Mitteln zu lösen ist. Wir unterstützen daher den Versöhnungsprozess der afghanischen Regierung mit dem Ziel, das Land zu befrieden und den Abzug ausländischer Truppen zu ermöglichen. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Herr Kollege Ströbele. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke. - Frau Staatsministerin, ich bedauere außerordentlich, dass Sie den ersten Teil meiner Frage mit Nichtwissen beantwortet haben. Mir liegt eine ganze Reihe von Beispielen vor - vielleicht lasse ich Ihnen diese einmal zukommen -, die zeigen, dass deutsche, aber auch anderen NGOs, die in Afghanistan beispielsweise Schulen, Mädchenschulen aufbauen, Brunnen bauen - einen hat mein Büro mitfinanziert - oder Krankenhäuser aufbauen, zwar in der Regel nicht direkt mit Aufständischen verhandeln, aber über Dorfälteste und ähnliche Wege Kontakt aufnehmen, um Vereinbarungen zu treffen, dass ihre guten Werke Bestand haben und nicht beschädigt werden und die Menschen, die dort arbeiten oder zur Schule gehen, nicht angegriffen werden. Da gibt es viele Beispiele. Das konnten Sie auch im Fernsehen sehen. Herr Willemsen zum Beispiel ist jemand, der mit solchen Projekten zu tun hat und uns das auch schon im Fernsehen erklärt hat. Ich bitte das Auswärtige Amt, sich da vielleicht einmal kundig zu machen. Ich komme jetzt zum zweiten Teil meiner Frage, die Sie allgemein mit dem Bezug auf humanitäre Verantwortung, welche die Bundesregierung sicher auch hat, beantwortet haben. Darauf kann ich nur immer wieder zurückkommen: Nach meinen Informationen sind im Norden Afghanistans - in dem Bereich, in dem die Bundeswehr bzw. Deutschland die Verantwortung hat - über 1 400 solcher "capture or kill"-Aktionen - meist nachts - durchgeführt worden, die dann jeweils zu Opfern in erheblicher Zahl geführt haben. Das geschah teils mittels Drohnen, teils durch Spezialkommandos. Ist die Bundesregierung nicht mit mir der Meinung, dass damit jeglicher Versöhnungs- und Verhandlungsprozess konterkariert wird und dass man viel mehr auf flächendeckende - meinetwegen auch kleinteilige - Verhandlungen als auf solche "capture or kill"-Aktionen setzen sollte? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Ich gebe Ihnen zumindest unter dem Gesichtspunkt recht, Herr Abgeordneter, dass die Situation in Afghanistan weitaus komplizierter ist, als man sie hier in der Kürze der Zeit wiedergeben kann. Sie haben dort selbst beim zivilen Aufbau bzw. bei der humanitären Hilfe sehr viele Erfahrungen gesammelt. Ich bin durchaus auch an Ihren Beiträgen und Vorschlägen sowie an den Dingen interessiert, die Sie dort erlebt haben. Ich bitte um Informationen. Wir werden sie gerne prüfen und sehen, ob sich das bestätigen lässt oder nicht. Darüber hinaus kann ich Ihnen, was "capture or kill" anbelangt, nur antworten, dass alle in Afghanistan tätig werdenden Staaten den einschlägigen Regeln des Völkerrechts - einschließlich des humanitären Völkerrechts - unterliegen. In einem nicht internationalen, bewaffneten Konflikt dürfen die Regierungstruppen und die sie unterstützenden Truppen feindliche Kämpfer gegebenenfalls auch außerhalb der Teilnahme an konkreten Feindseligkeiten auf der Grundlage des humanitären Völkerrechts gezielt bekämpfen, was auch den Einsatz tödlich wirkender Gewalt einschließen kann. Das ist aus meiner Sicht - dies ist aber schon öfter hier im Parlament diskutiert worden - sicher immer eine Gratwanderung. Weil Sie das Thema "capture or kill" auch in Bezug auf die Amerikaner kritisch aufgegriffen haben, will ich in diesem Zusammenhang noch Folgendes sagen: Im Rahmen der NATO-Gremien wird unter Beteiligung der Bundesregierung das militärische Vorgehen bei ISAF ständig im Lichte der allgemeinen Entwicklung der Operationen und auch im Hinblick auf mögliche Folgewirkungen für den politischen Gesamtprozess in Afghanistan überprüft. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre weitere Nachfrage, Herr Kollege Ströbele. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatsministerin, darf ich daraus schließen, dass die Zurückhaltung der Bundesregierung in diesem Bereich, die jedenfalls immer wieder erklärt wird, gilt? Ist es so, dass sich die Bundeswehr und andere Sicherheitsorgane Deutschlands in Afghanistan nicht an gezielten Tötungsaktionen beteiligen und in keiner Weise unterstützend tätig sind? Das wurde mir von der Bundesregierung schon mehrfach versichert. Ich hoffe, es stimmt. Ich weiß es nicht. Und darf ich daraus schließen, dass sich die Bundeswehr an solch gezielten Tötungsmaßnahmen - ich meine nicht den Einsatz tödlicher Waffen oder so, sondern gezielte Tötungsmaßnahmen in dem Sinne, dass man eine Person mittels Drohnen bzw. von Drohnen abgeschossener Raketen gezielt tötet - nicht beteiligt? (Manfred Grund [CDU/CSU]: Kann man mal eine Frage kriegen und nicht ständig dieses Gelaber?) Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Herr Abgeordneter, ich weiß, dass Sie sehr an diesem Thema interessiert sind; denn Sie haben schon mehrmals Fragen dazu gestellt. Ich will Ihnen noch einmal ganz klar sagen, dass sich die Bundesregierung natürlich an die Regeln des Völkerrechts und insbesondere des humanitären Völkerrechts hält. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Sehr gut!) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. Die Frage 75 der Abgeordneten Sevim Daðdelen und die Fragen 76 und 77 des Abgeordneten Dr. h. c. Jürgen Koppelin werden schriftlich beantwortet. Die Abgeordnete Heike Hänsel hat die Fragen 78 und 79 gestellt. Sie ist nicht anwesend. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Die Fragen 80 und 81 des Kollegen Memet Kilic und die Frage 82 der Kollegin Sevim Daðdelen werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Die Frage 83 des Kollegen Dr. Konstantin von Notz und die Frage 84 des Kollegen Volker Beck werden schriftlich beantwortet. Mir liegen keine weiteren Fragen vor. Es ist vereinbart, dass wir die Sitzung nun unterbrechen und sie um 15.35 Uhr mit der Aktuellen Stunde, beantragt von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, fortsetzen. Die Sitzung ist bis 15.35 Uhr unterbrochen. (Unterbrechung von 14.55 bis 15.35 Uhr) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat zu den Antworten der Bundesregierung auf die mündlichen Fra-gen 1 und 2 auf Drucksache 17/6273 eine Aktuelle Stunde verlangt. Das entspricht den Richtlinien für die Aktuelle Stunde - Anlage 5 1 b - in unserer Geschäftsordnung. Damit kommen wir zu Zusatzpunkt 2: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gemäß Anlage 5 Nr. 1 Buchstabe b GO-BT zu den Antworten der Bundesregierung auf die Fragen 1 und 2 auf Drucksache 17/6273 Ich rufe als Erstes den Kollegen Fritz Kuhn für Bündnis 90/Die Grünen auf. (Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat Geburtstag!) Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als wir gehört haben, dass die FDP jetzt wieder Steuersenkungen will, haben wir nur gedacht: Der Wahnsinn geht systematisch weiter. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Was heißt "wieder"? Immer noch!) Nachdem Sie mehrmals an die Wand gelaufen sind, probieren Sie es erneut. Ich will Ihnen sagen, dass wir davon überzeugt sind, dass das, was Sie hier vorhaben, nicht geht, und zwar aus folgenden Gründen nicht: Erstens. Für 2012 haben wir noch ein Defizit von 30 Milliarden Euro im Haushalt zu erwarten. Zweitens. Die Steuereinnahmen liegen noch um 60 Milliarden Euro unter den bei der Steuerschätzung vor der Finanzkrise prognostizierten Einnahmen. Das heißt, wir befinden uns noch nicht einmal auf dem alten geplanten Niveau von vor der Banken- und Finanzkrise. Drittens. Es gibt gigantische Haushaltsrisiken: Einige in der mittelfristigen Finanzplanung berücksichtigten Maßnahmen wie die Finanzmarkttransaktionsteuer und viele andere sind nicht umgesetzt. Der ESM, der neue europäische Schutzschirm, wird uns in den nächsten Jahren 22 Milliarden Euro zusätzlich kosten. Wir beschließen gerade - morgen werden wir das erneut tun - hohe Investitionen zur Umsetzung der Energiewende, die der Staat mit unterstützen muss, und letztlich haben wir auch ein Bildungsdefizit. Im Klartext heißt das: Es gibt enorm viele Notwendigkeiten für staatliches Handeln, und Sie greifen in die Kasse des Staates. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Herr Brüderle, wir finden es spannend und bemerkenswert, dass Sie die Schuldenbremse nicht kapiert haben. Sie haben nicht verstanden, was zur Schuldenbremse jetzt in unserer Finanzverfassung steht. Ich darf einmal Art. 115 Abs. 2 des Grundgesetzes zitieren. Dort heißt es: Zusätzlich sind bei einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung die Auswirkungen auf den Haushalt im Auf- und Abschwung symmetrisch zu berücksichtigen. Das heißt, durch die Schuldenbremse werden wir dazu verpflichtet, Schulden zu tilgen, Geld zurückzulegen und vorsichtig zu sein, wenn konjunkturell bedingt mehr Geld in der Staatskasse ist, um in der Krise investieren oder Steuern senken zu können. Wir haben also eine antizyklisch zu verstehende Schuldenbremse im Grundgesetz. Was macht die FDP? (Dr. Birgit Reinemund [FDP]: Genau das Richtige!) Sie sagt: "Nein, da gehen wir lieber prozyklisch dran, wir senken jetzt die Steuern", obwohl Sie Geld zurücklegen und die Schulden senken müssten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Ich werfe Ihnen vor, dass Sie gar nicht verstanden haben, was dieses Haus in die Verfassung geschrieben hat. (Dr. Volker Wissing [FDP]: Ohne Ihre Zustimmung, Herr Kuhn!) Verstanden hat das der Ministerpräsident von Sachsen, der ja nicht an uns, sondern an die CDU und die FDP adressiert gesagt hat - ich zitiere Herrn Tillich -: "In guten Zeiten werden die Haushalte versaut." Im Klartext heißt das: Was Sie hier vorschlagen und diskutieren (Parl. Staatssekretär Steffen Kampeter betritt den Plenarsaal) - guten Tag, Herr Kampeter, schön, dass Sie eingetroffen sind -, funktioniert nicht, sondern damit zerstören Sie die Möglichkeit, die Schuldenbremse tatsächlich umzusetzen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Unsolide! So sind sie halt!) Denn das Geld, das Sie jetzt aufgrund der Konjunktur glauben als Steuersenkung verausgaben zu können, wird in den Krisenzeiten fehlen. Das führt zu einem strukturellen Defizit, aufgrund dessen in der Krise Mittel für staatliches Handeln fehlen werden. Herr Brüderle, eines kommt hinzu - das sage ich auch an Herrn Rösler gerichtet; er ist ja jetzt der Vorsitzende, wenn ich das richtig sehe -: (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Amtierender Vorsitzender!) Können tut ihr es immer noch nicht. Ihr seid mit eurer Steuersenkungsdiskussion jetzt fünfmal - ganz vornehm formuliert - auf die Fresse geflogen. Und was macht ihr? Ihr ruft wieder aus - dabei könnt ihr euch kaum brem-sen -: Hurra, wir machen eine Steuersenkung! - Ihr habt noch nicht kapiert, wie das geht, aber sagt der staunenden Bevölkerung schon, dass das geht. Da hilft, Herr Brüderle, eine alte Weisheit aus dem Turnsport. Sie heißt: Schwung ersetzt die Technik nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Was euch fehlt, ist einfache und schlichte Regierungstechnik: Wenn ich etwas machen will, dann erkundige ich mich vorher, wie das geht. In der FDP müsste man eigentlich wissen - da könnte man Herrn Solms fragen -, dass man bei einer Senkung der Einkommensteuer die Länder fragen muss. Sie sind mit 42,5 Prozent und die Kommunen mit 15 Prozent an den Einnahmen aus dieser Steuer beteiligt. Das heißt, ehe so etwas verkündet wird, muss man schauen, was die Ministerpräsidenten der Länder dazu sagen. Interessant ist: Mit Ausnahme Bayerns haben auch die unionsregierten Länder, auch die wenigen, in denen die FDP noch mitregiert, erklärt, dass Steuersenkungen nicht möglich sind. Auch die Bundesländer haben eine Schuldenbremse. Sie ist sogar noch rigider als die des Bundes. Ich komme zum Schluss. Manche haben gesagt, das sei ein Rettungsschirm für die FDP. Es gibt die schöne Frage: Was ist der Unterschied zwischen Griechenland und der FDP? Die Antwort ist ganz einfach: Griechenland ist mit Sicherheit - das gilt für den Euro sowieso - die 180 Milliarden Euro wert, die die beiden Rettungsschirme kosten. Aber ich habe noch keinen getroffen, der gesagt hat, die FDP sei jährlich 7 Milliarden Euro wert. Ich glaube, Sie finden niemanden, der diese Aussage bejahen würde. Denken Sie noch einmal über Ihre Idee nach. Vielleicht kommen Sie auf eine bessere Lösung. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Patrick Döring [FDP]: Da hat sich der Referent aber viel Mühe gegeben!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kuhn, Sie haben heute Geburtstag. Es ist natürlich eine würdige Form, ihn mit einer Rede in der Aktuellen Stunde zu begehen. Wir wünschen einen schwungvollen Geburtstag, das kann man sicher sagen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Das Wort hat der Kollege Norbert Barthle für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Norbert Barthle (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Kuhn, ich will zum Anfang meiner Rede klarstellen: Erstens. Steuersenkungen sind kein Griff in die Kasse des Staates. Steuererhöhungen sind ein Griff in die Taschen der Bürger. So herum wird ein Schuh daraus. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das sollten Sie immer richtig sehen, Ihre Sichtweise ist da etwas verquer. Zweitens. Meiner Ansicht nach war es keine glückliche Entscheidung der Grünen, diese Aktuelle Stunde zu beantragen; denn die Absicht ist doch klar. Sie wollen zwei Dinge erreichen: Erstens. Sie wollen die Glaubwürdigkeit dieser Koalition hinsichtlich der Einhaltung der Schuldenregel infrage stellen. Zweitens. Sie wollen auf diese Weise einen Keil zwischen CDU/CSU und FDP treiben. Beides wird Ihnen mit dieser Aktuellen Stunde nicht gelingen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich will Ihnen auch ganz genau sagen, warum. Erstens. Wir sind uns vollkommen darin einig - darüber habe ich noch gestern Abend mit Herrn Brüderle ge-redet -, dass wir beide, CDU/CSU und FDP, an die kalte Progression herangehen wollen. Diese kalte Progression in unserem Steuersystem bedeutet - das sage ich für die Bürger außerhalb dieses Saales - im Gegensatz zum linear-progressiv ansteigenden Tarif einen Tarif mit einem Buckel, dem sogenannten Mittelstandsbauch. Der Tarif steigt in den unteren und mittleren Einkommensgruppierungen, bis etwa über 50 000 Euro Jahreseinkommen, schneller an als in den anderen Einkommensgruppierungen. Das führt dazu, dass der normale Arbeitnehmer, die normale Arbeitnehmerin, bedingt durch Inflationsrate und Lohnerhöhungen, netto nicht mehr in der Tasche haben, sondern dass dieser Lohnzuwachs durch die kalte Progression wegbesteuert wird. Dieses Stück Ungerechtigkeit wollen wir gemeinsam bereinigen. Darin sind wir uns vollkommen einig, da gibt es keinen Dissens. Zweitens. Beim Einhalten der Schuldenregel gibt es erst recht keinen Dissens. Im Gegenteil: Wenn eine Koalition in diesem Hohen Hause in der Lage ist, den Haushalt zu konsolidieren, dann ist es diese bürgerliche Koalition und niemand anderes. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Lachen bei der SPD) - Das Gelächter auf der einen Seite dieses Hauses ist hier wirklich demaskierend. Ich erlaube mir einen kleinen Blick in die Geschichte. Herr Kuhn, Sie hatten während der rot-grünen Regierungszeit in Ihrer Fraktion eine entscheidende Position inne. 2005 hat die Regierung Schröder vorzeitig das Handtuch geworfen, und zwar unter anderem deshalb, weil eine Verschuldung von 50 Milliarden Euro - damals eine gigantische Summe - gedroht hat. 2005 sind CDU und CSU in die Regierung eingetreten. Wir haben dann sehr schnell die exorbitante Nettokreditaufnahme auf damals 38 Milliarden Euro reduziert und sie dann sukzessive zurückgeführt. (Widerspruch bei der SPD) - Okay, ihr ward dabei. Aber jetzt habe ich gerade mit Herrn Kuhn geredet. - Wir waren bei Ausbruch der Finanz- und Schuldenkrise nahe an ausgeglichenen Haushalten. Wir hätten ausgeglichene Haushalte erreicht. Das wissen Sie genau. Dann kam die Schuldenkrise. 2009 hat diese Koalition die Regierung übernommen. Wir mussten zunächst die von Peer Steinbrück übernommene Nettokreditaufnahme von 86 Milliarden Euro abbauen. 86 Milliarden Euro waren im Entwurf von Peer Steinbrück - in Klammern: SPD - vorgesehen. Im kommenden Jahr wird die Neuverschuldung voraussichtlich unter 30 Milliarden Euro sinken. Attestieren Sie uns doch, dass wir diejenigen sind, die sukzessive konsequent die Neuverschuldung zurückführen, den Bundeshaushalt konsolidieren und ihn wieder auf eine solide Basis stellen. Dazu zwingt uns auch die Schuldenregel. Eine der großen Leistungen der Großen Koalition - aus meiner Sicht eine historische Leistung - war die Einführung dieser Schuldenregel im Grundgesetz. Wenn Sie auf die bisher zwei Jahre unserer jetzigen Regierung zurückblicken, dann werden Sie feststellen, dass wir die Vorgaben der Schuldenregel sogar unterschreiten. Wir machen weniger neue Schulden, als wir dürfen. Das zeigt, dass wir nicht nur wild entschlossen sind, die Schuldenregel einzuhalten, sondern sie sogar unterbieten. Das ist unser fester Wille. Denn oberste Priorität - so steht es im Koalitionsvertrag - hat die Konsolidierung des Haushalts. Das steht über allen politischen Zielsetzungen. Dabei bleibt es auch nach dieser Aktuellen Stunde. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Joachim Poß hat das Wort für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Joachim Poß (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Barthle, ich weiß nicht, in welcher Welt Sie sich befinden, (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Hier im Bundestag!) oder ob Sie sozusagen automatisch die Realität ausschalten, wenn Sie an das Rednerpult treten. Das hörte sich so an und war offenkundig Ausdruck Ihrer Verlegenheit. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Sie wissen es doch besser. Sie wissen auch, dass wir im Jahr 2008 für den gesamtstaatlichen Ausgleich gesorgt hatten, der erstrebenswert ist, um auf Bundesebene ohne Neuverschuldung auszukommen. Sie wissen, was angesagt ist. Jeder in Deutschland, auch die Mitglieder Ihrer Parteien, sind sehr unglücklich über den Klamauk in dem Laden, der sich Koalition nennt. Das ist doch jeden Tag spürbar. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ich bin etwas unglücklich über die öffentliche Debatte, die den Eindruck erweckt, wir hätten große Spielräume für Steuersenkungen. Die haben wir nicht ... So Wolfgang Schäuble. (Zuruf von der SPD: Da hat er recht!) Es hat zwar eine Woche gedauert, bis der Bundesfinanzminister auf die schuldenfinanzierten FDP-Steuersenkungsforderungen reagiert hat, dann aber hat er sich unmissverständlich geäußert. Schäuble weiter: Grundsätzlich kann ich aber nur feststellen: Die Steuerbelastung in Deutschland liegt unter dem Durchschnitt der anderen Industriestaaten, und die Herausforderungen, die auf uns und die Haushalte warten, sind groß. Damit hat Minister Schäuble höflich, aber eindeutig seinen jungen Koalitionskollegen gesagt, was Sache ist: Trotz guter Wirtschaftslage und Steuerschätzung ist kein Geld für Steuersenkungen da. Erst muss konsolidiert werden, und erst gilt es, die anstehenden Aufgaben wie die Energiewende und die Bundeswehrreform zu finanzieren. Auch seien, so Schäuble weiter, die Steuerlasten in Deutschland längst nicht so hoch, wie es uns die Röslers, Lindners und gelegentlich auch CSU-Politiker weismachen wollen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Wo der Bundesfinanzminister recht hat, muss ihm auch die Opposition recht geben. Diese klare Aussage Schäubles entlarvt das, was hier seit zwei Wochen gespielt wird, als reine Polittaktik. Es geht um nichts anderes als um die Rettung der FDP, allerdings mit untauglichen Mitteln. (Patrick Döring [FDP]: Wenn Sie sich so viele Sorgen um uns machen!) Hier gibt uns diese Koalition erneut eine ganz erbärmliche Vorstellung: eine von vielen. Auch fast zwei Jahre nach der Übernahme der Regierungsverantwortung kann es nur ein Urteil über diese Regierung geben: Die können es nicht. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das hätten Sie gerne!) Offenbar ist die Verzweiflung und Ratlosigkeit bei der FDP so groß, dass als alleiniges vermeintliches politisches Erfolgsrezept erneut eine irrationale Steuersenkungsdebatte angestimmt wird. Statt Neuanfang ein jugendlicher Rösler als jüngere Kopie von Westerwelle! Zukunft und Erfolg, Herr Kollege Brüderle, sind hier allerdings nicht zu sehen. Ihre Fixierung auf Steuersenkungen hat Sie doch in die Niederungen geführt, in denen Sie sich jetzt schon seit langem befinden. Es ist nicht mehr überraschend, dass auch die Bundeskanzlerin aus reinem Machtkalkül offenkundig bereit war, hier mitzuspielen und dafür wieder einmal eine 180-Grad-Drehung in der Sache zu machen. So kennen wir sie, die Kanzlerin: eine Kanzlerin ohne klare Orientierung, ohne Leidenschaft in der Sache, bestimmt ausschließlich vom Machterhalt. Das ist die Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland. (Patrick Döring [FDP]: Die haben Sie auch mal gewählt!) - Ja, sicher, und die Kanzlerin hat hervorragend von den Arbeitsergebnissen der SPD gelebt. Das ist ja das Traurige daran. (Beifall bei der SPD - Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Angeber!) Ein Jahr lang standen Haushaltskonsolidierung und Sparsamkeit über allem. Jetzt auf einmal soll das nicht mehr gelten. Auf einmal spielen die verschiedenen Haushaltsrisiken und die Schuldenbremse keine Rolle mehr und werden von der Koalitionsspitze einfach ignoriert. Das wird Herr Schäuble nicht mitmachen können. Mal sehen, was sein Parlamentarischer Staatssekretär dazu sagt! Die Meinungsverschiedenheiten zwischen Merkel und Schäuble zum Beispiel in der Europapolitik haben uns schon genug geschadet. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Die Fortsetzung in der Innenpolitik ist höchst überflüssig. Im Übrigen finde ich es bemerkenswert, Herr Brüderle, (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Reden Sie mal zur Sache!) dass Sie alle im krampfhaften Bemühen um Steuersenkungen auf einmal zu Keynesianern mutiert sind. Jetzt auf einmal seien Steuerentlastungen zwingend, um im kommenden konjunkturellen Abschwung positive finanzielle Impulse zu setzen. Da wird an keiner Stelle fachlich sauber argumentiert. Deshalb fordere ich Herrn Schäuble oder Herrn Kampeter auf: Legen Sie uns belastbare Zahlen darüber vor, wie hoch die kalte Progression gegenwärtig und voraussichtlich in nächster Zeit sein wird! (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Der Umstand, dass Begriffe wie "kalte Progression" und "Mittelstandsbauch" flugs durcheinandergeworfen werden, zeigt: Sie haben meistens von den Sachen, über die Sie reden, keine Ahnung. Das muss man wirklich konstatieren. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ich wüsste auch gerne einmal, - Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege Poß. Joachim Poß (SPD): - was Herr Rösler oder Herr Lindner unter kleinen und mittleren Einkommen verstehen. Das alles erinnert an eine Gespensterdebatte. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Poß. Joachim Poß (SPD): Mit solchen Debatten kennen Sie sich allerdings schon seit zwei Jahren gut aus. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Der Kollege Dr. Volker Wissing hat das Wort für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP) Dr. Volker Wissing (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuerst ein Satz zu Ihnen, Herr Kuhn. Ich finde, es ist schon fast scheinheilig, (Joachim Poß [SPD]: Das müssen Sie gerade sagen! Sie sind doch der Hohepriester der Scheinheiligkeit!) dass Sie sich in jeder Debatte hierhin stellen und das Hohelied auf die Schuldenbremse anstimmen. Es gibt zwei Fraktionen in diesem Haus, die die Schuldenbremse nicht wollten: Die eine ist die Linke, und die andere sind Sie. Da Sie der Schuldenbremse nicht zugestimmt haben, sollten Sie in der Öffentlichkeit nicht den Eindruck erwecken, als wären Sie eine der Fraktionen, die sich um einen soliden Haushalt bemühen. Das ist scheinheilig. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Verfassung gilt auch für uns!) Sie wollten die Schuldenbremse nicht und haben ihr nicht zugestimmt. Deswegen sind Sie nicht eine Fraktion der Haushaltskonsolidierung, sondern das glatte Gegenteil. Sie sollten uns daher keine Vorwürfe machen. Sie sollten besser in den Spiegel schauen. Wir kämpfen für eine gerechtere Besteuerung der Beschäftigten. Und was ist vom linken Parteienspektrum zu hören? - Ich darf zitieren: Das sei dreist; das sei finanzpolitisches Abenteurertum - ich glaube, das ist der Quatsch der Grünen -, und das sei finanzpolitischer Suizid. Man kann mit einer solchen Verachtung über die Leistung der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sprechen. Sie mögen das tun. Aber das wird bei den Menschen, die den Aufschwung erarbeitet und Leistungen erbracht haben, nicht ungehört bleiben. Dafür werden wir sorgen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Was insbesondere die Sozialdemokraten und die Grünen hier veranstalten, spottet jeder Beschreibung. In Rheinland-Pfalz versenken die Sozialdemokraten unter Kurt Beck Hunderte Millionen in einen Vergnügungspark. Aber Sie erklären uns, man könne die Bürgerinnen und Bürger nicht entlasten. Rot-Grün bedient sich in Mainz und Stuttgart an der Staatskasse, um zusätzliche Ministerpöstchen zu schaffen. (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das machen Sie in Stuttgart mit der SPD, Sie machen das in Rheinland-Pfalz, und Sie erklären der Öffentlichkeit, man könne die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit unteren und mittleren Einkommen nicht entlasten. Meine Damen und Herren, wenn Sie von finanzpolitischem Suizid sprechen, dann ist das eine Dreistigkeit sondergleichen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP - Zuruf von der SPD: Aber wahr!) Wir haben die Haushaltskonsolidierung erfolgreich vorangetrieben. Wir haben mit dem Sparpaket die Weichen für die Einhaltung der Schuldenbremse gestellt, die wir erkämpft haben. Wir haben mit unserer Wirtschaftspolitik dazu beigetragen, dass die Arbeitslosigkeit deutlich zurückgegangen ist und die Sozialkassen entlastet worden sind. Jetzt zeitigt unsere Wachstums- und Konsolidierungspolitik Erfolge, jetzt wollen wir an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer denken. Die Menschen sollen von ihrer Leistung stärker profitieren. Das mögen Sie unverantwortlich nennen, für uns ist und bleibt das aber eine Frage der Gerechtigkeit. Deswegen kämpfen wir leidenschaftlich und auch mit Stolz für die Menschen, die diese Leistungen erbracht haben. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich sage Ihnen: Unverantwortlich ist etwas ganz anderes, nämlich die Art und Weise, wie Sie den Bürgerinnen und Bürgern die Teilhabe am Aufschwung verweigern wollen. (Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Unverantwortlich ist es auch, dass Sie von Einsparungen reden und dann, wenn Sie Verantwortung tragen - wie in Nordrhein-Westfalen - verfassungswidrige Schuldenhaushalte vorlegen. Sie kann doch nur ein Verfassungsgericht vom Schuldenmachen abhalten. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU) Deswegen sollten Sie nicht davon reden, dass man die Menschen nicht entlasten kann. Man muss die Menschen vor Ihrer Ausgabenpolitik schützen (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dummes Zeug!) und diejenigen am Wohlstand dieses Landes teilhaben lassen, die ihn erarbeiten wollen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU - Nicolette Kressl [SPD]: Was war mit den Hotels?) Parteien wie die Sozialdemokraten und die Grünen, die mithilfe der Justiz nur mit Müh' und Not vom Schuldenetat ferngehalten werden können, sind nun wirklich keine objektive und glaubwürdige Instanz, um über Steuerentlastungen zu urteilen. Die Bürgerinnen und Bürger werden das Geld niemals so schnell erarbeiten können, wie Sie von Rot-Grün es ausgeben. Deswegen ist Ihre Kritik unseriös. Sie wissen das am besten. Sie wissen schon, dass jede Form der steuerlichen Entlastung von Menschen mit unteren und mittleren Einkommen strikt abzulehnen ist, ohne dass Sie die konkreten Vorschläge dieser Koalition kennen. (Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie kennen sie offensichtlich auch nicht! Das sind ja 20 verschiedene!) Wer so vorgeht, der handelt aus Prinzip. Sie wollen die Bürgerinnen und Bürger nicht entlasten, weil Sie glauben, deren Geld gehöre dem Staat; Herr Kuhn hat das ja sehr entlarvend heute hier ausgeführt. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU) Franz Müntefering hat ganz deutlich gesagt, wie sich die SPD die Verteilung der Einkommen vorstellt - ich darf ihn zitieren -: Weniger für den privaten Konsum und dem Staat das Geld geben, damit Bund, Länder und Gemeinden ihre Aufgaben erfüllen können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das wollen wir auch. Deswegen haben wir die kommunale Ebene entlastet. Wir haben die Weichen für eine kommunale Finanzreform gestellt; wir werden den Kommunen helfen. Aber etwas für die staatliche Seite zu tun und die Menschen völlig zu vergessen, die mit ihrer Hände Arbeit all das erwirtschaften, was verteilt werden kann, ist keine seriöse Politik. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Die FDP ist die Partei der Armen! Das glaubt jeder sofort!) Deswegen müssen wir uns nicht rechtfertigen, wenn wir nach erfolgreicher Haushaltskonsolidierung die Bürgerinnen und Bürger am Aufschwung beteiligen wollen. Sie müssen sich rechtfertigen, wenn Sie den Menschen die Früchte ihrer Arbeit vorenthalten. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU) Ein Arbeitnehmer mit durchschnittlichem Einkommen, der heute einen Euro mehr erarbeitet, wird vom Staat mit 54 Cent abkassiert. SPD, Grüne und Linke wollen, dass das so bleibt. Union und FDP, meine Damen und Herren in der Öffentlichkeit, wollen, dass sich das ändert, weil das kein gerechtes Steuersystem mehr ist. Das unterscheidet die Opposition von der Koalition. (Johannes Kahrs [SPD]: Sie regieren doch schon zwei Jahre! Das ist doch Ihre Politik!) Sie mögen Ihre Verweigerungshaltung noch aufrechterhalten. Wir arbeiten an einer Lösung. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege. Dr. Volker Wissing (FDP): Wir wollen ein gerechteres Steuersystem in Deutschland haben. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege, Sie kommen bitte zum Ende. Dr. Volker Wissing (FDP): - Ja, ich komme zum Ende. - Ihre Vorstellungen sind weder modern, noch sind sie besonders geistreich. Wir werden unser Ziel der Haushaltskonsolidierung nicht aufgeben. Wir werden einen Vorschlag für mehr Steuergerechtigkeit vorlegen, und dann können Sie noch einmal darüber nachdenken, ob Ihnen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wirklich gleichgültig sind. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege. Dr. Volker Wissing (FDP): Ich lade Sie ein, an einer Lösung des Problems mitzuarbeiten. (Beifall bei Abgeordneten der FDP - Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie erst mal mit Herrn Schäuble!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Kollege Dr. Dietmar Bartsch hat jetzt das Wort für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Barthle, Sie haben Ihre Rede damit begonnen, zu behaupten, dass die Grünen versuchen, einen Keil in die Koalition zu treiben. Das ist wirklich nicht mehr möglich, weil in dieser Frage der Abstand bereits so groß ist, dass alle Keile dort durchfallen würden. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich bedauere Sie da wirklich ein bisschen; schließlich müssen Sie sich so vorkommen, als wenn Sie hier permanent irgendwie mit der Schüler-Union agierten. Etwa so ist nämlich das Niveau der Auseinandersetzung auf finanzpolitischem Gebiet. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Noch sieht der ganz glücklich aus!) Ich will noch einmal festhalten: Diese Koalition will in dieser Legislatur - das ist ihr Eckwertebeschluss - 117 Milliarden Euro neue Schulden machen - 117 Milliarden Euro! Keine einzige Koalition der Bundesrepublik Deutschland hat in einer Legislatur jemals einen solchen Schuldenberg angehäuft. Das ist die Realität. Das ist Ihre Politik. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Damit müssen Sie uns nicht kommen! Da war mal was! Die Finanzkrise!) Der Haushalt birgt diverse Risiken, was wir alle miteinander wissen. Wir haben es mit dem Thema Griechenland zu tun, mit der EU insgesamt - Portugal, Irland -, das alles wissen Sie. Wir haben es mit der Tatsache zu tun, dass die Finanztransaktionsteuer im Moment, auch dank Ihrer Inaktivität, vermutlich nicht kommen wird. Wir haben es mit dem Thema "Ausfall der Brennelementesteuer" zu tun. Außerdem haben wir es mit einer Energiewende zu tun, die selbstverständlich Geld kosten wird. Das alles sind einfach Wahrheiten. Ich sage noch einmal: Die 117 Milliarden Euro sind Ihre Zahl. Dennoch reden Sie in dieser Situation über Steuersenkungen. Ich will klar und eindeutig sagen: Niemand hier im Hause, so hoffe ich, hätte etwas dagegen, bei kleinen und mittleren Einkommen Entlastungen vorzunehmen. Das ist selbstverständlich möglich. Es ist doch Fakt, dass die Normalverdiener in den letzten zehn Jahren Einkommensverluste mit all den Folgen für die Altersvorsorge und für die Konjunktur gehabt haben. Das ist die Realität. (Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Was? Da müsste die SPD jetzt aufschreien!) Niemand hat grundsätzlich etwas gegen Steuersenkungen. Ich will noch auf die Themen "Mittelstandsbauch" und "kalte Progression" eingehen. Natürlich können wir sie gemeinsam angehen. Legen Sie die Zahlen auf den Tisch, präsentieren Sie einen Gesetzentwurf! Und dann können wir handeln. Schon die damalige Partei PDS hat einen Vorschlag zur Abschaffung des Mittelstandsbauchs gemacht. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Genau!) Legen Sie etwas vor! Dann können wir hier gern in der Sache diskutieren. (Beifall bei der LINKEN) Jetzt kommt das Entscheidende: Wenn Sie das machen wollen, müssen Sie über Steuerpolitik als Einnahmepolitik nachdenken. Ihr Vorgehen muss doch dazu führen, dass die Einnahmen des Bundes, der Länder und der Kommunen erhöht werden. Warum ist es in dieser Situation nicht möglich, einmal darüber nachzudenken, bei den Vermögenden etwas abzuholen, um bei kleinen und mittleren Einkommen zu entlasten? In dem schwierigen Jahr der Krise ist das Bruttoinlandsprodukt zwar um 4,7 Prozent zurückgegangen, allerdings ist die Zahl der Vermögensmillionäre um 6,4 Prozent gestiegen. Das ist die Wahrheit. Es gibt 861 700 Vermögensmillionäre. Warum haben Sie nicht den Mut, hier etwas abzuholen, (Beifall bei der LINKEN) um gegebenenfalls bei denjenigen in dieser Gesellschaft, die wenig haben, etwas zu finanzieren? Warum ist das nicht so? Als die FDP an der Regierung war, lag der Spitzensteuersatz bei 53 Prozent; Rot-Grün hat ihn gesenkt. Warum haben Sie nicht den Mut, in der Spitze etwas draufzulegen? Wenn man unten entlasten will, dann könnte man über diese Dinge doch wirklich reden. Aber das alles machen Sie nicht. Genauso ist es beim Thema Erbschaftsteuer. Wir brauchen für die öffentlichen Haushalte - Bund, Kommune, Land - eindeutig mehr Einnahmen, um gegebenenfalls entlasten zu können. Jeder andere Weg - der wirklich nur eine Hilfe für die FDP ist - wird letztlich scheitern müssen, und er wird auch bei den Menschen in diesem Land kaum anerkannt werden. (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Wer hilft Ihnen eigentlich?) - Um uns, Herr Lindner, machen Sie sich keine Sorgen. Sie machen Ihre Politik doch vor allem mit Blick auf die Wahlen in Berlin und in Mecklenburg-Vorpommern. Wir wollen einmal sehen, welche Partei in die dortigen Parlamente einzieht und welche nicht. (Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Das sieht für Sie aber schlecht in Schwerin aus!) Wir wollen einmal ganz in Ruhe schauen, wer was schafft. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es gibt sogar Menschen, die davon reden, dass diese Steuerentlastung von 10 Milliarden Euro nur Symbolcharakter hat, wie Herr Bräuninger, der Konjunkturexperte des HWWI. Er sagt: Diese Politik hat nur einen Symbolwert. Ich sage: Das ist nicht so. Es gibt nämlich viel zu viel, was durch den Bundeshaushalt derzeit nicht finanziert wird. Ich will nur ein Stichwort anführen - ich könnte viele nennen -: Städtebauförderung. Da haben Sie grandios gestrichen. Das war eine Fehlentscheidung; das sagen auch die Kommunalpolitiker von FDP und CDU. Dennoch wollen Sie entlasten und auch an dieser Stelle vielleicht noch mehr streichen. Das ist eine falsche Politik. Ich will Sie einmal daran erinnern, wie der FDP-Slogan vor der Wahl hieß: Steuersystem - einfach, niedrig und gerecht. Jetzt gilt: (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Jetzt kommt ein Kalauer, oder?) Umfragewerte der FDP - einfach, niedrig und gerecht. Schönen Dank. (Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Vor einem halben Jahr wäre der ganz lustig gewesen! - Johannes Kahrs [SPD]: Der war gut! - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Der Gag ist immer wieder gut!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Steffen Kampeter hat jetzt das Wort für die Bundesregierung. Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute eigentlich über den Haushalt. Das ist vom Ablauf zwischen Parlament und Regierung her etwas ungewöhnlich, weil der Haushalt und die mittelfristige Finanzplanung erst in der Mitte der nächsten Woche vom Kabinett beschlossen und unmittelbar darauf in einer Haushaltsausschusssitzung bekannt gegeben und erstmals erörtert werden. Ich will und kann den Beschlüssen des Kabinetts nicht vorgreifen, aber eines ist schon jetzt erkennbar: Mit dem Beschluss zum Bundeshaushalt und zur mittelfristigen Finanzplanung wird die christlich-liberale Koalition ihre wachstumsfreundliche Konsolidierungspolitik fortsetzen. Dies ist ein großer Erfolg für unser Land; darauf können wir zufrieden und stolz schauen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben keine Überschüsse erwirtschaftet!) Die Nettokreditaufnahme ist das, was vielen Bürgerinnen und Bürgern Sorge macht. Vor wenigen Minuten hat das griechische Parlament eine der umfangreichsten Sparaktionen in der Geschichte dieses Landes, (Klaus Hagemann [SPD]: Wie haben denn die Konservativen gestimmt?) wahrscheinlich die umfangreichste Sparaktion in der Geschichte dieses Landes, beschlossen. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Konservativen haben sich verdrückt in zehn Jahren! - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Was haben denn Ihre Schwesterparteien gemacht?) Auch wir werden unsere Nettokreditaufnahme in den nächsten Jahren erfreulicherweise zurückfahren. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Sie müssen Ihre Schwesterparteien ins Gebet nehmen!) In der mittelfristigen Finanzplanung wird das abgebildet. Wir halten die Schuldenbremse ein. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weniger Schulden sind immer noch Schulden! Wo sind die Überschüsse?) Dabei - das scheint mir der Anlass dieser Debatte zu sein - sind wir erfolgreicher, als wir selbst geglaubt haben. (Lachen des Abg. Johannes Kahrs [SPD]) Ein Kern christlich-liberaler Regierungspolitik ist: Halte in der Haushalts- und Finanzpolitik lieber ein bisschen mehr, als du versprochen hast. - Wir stellen im Augenblick fest, dass auf der Einnahmeseite durch die Dynamik des wirtschaftlichen Wachstums, die die Menschen in unserem Land durch ihren Fleiß tragen und die zu einem guten Steuerfluss führt, aber auch auf der Ausgabenseite wahrscheinlich eine so positive Entwicklung eintritt, dass man die für dieses Jahr und vielleicht auch für das nächste Jahr ursprünglich geplante Nettokreditaufnahme nicht vollumfänglich in Anspruch nehmen will. Auch dies ist ein Erfolg der christlich-liberalen Koalition. Wir halten mehr, als wir zusagen. Das ist ein gutes Signal für die Haushaltspolitik. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) In diesem Zusammenhang ist gelegentlich schon darauf hingewiesen worden, dass die Schuldenbremse eine große Rolle spielt. Manchmal zucke ich zusammen, wenn gesagt wird, die Schuldenbremse zwinge uns zu dieser oder jener Maßnahme. Für mich und für die Bundesregierung ist die Schuldenbremse kein Zwang, sondern ein gesetzlicher Auftrag, ein grundgesetzlicher Auftrag, dafür Sorge zu tragen, dass auch in der Haushaltspolitik in diesem Land nicht auf Dauer auf Kosten der nachfolgenden Generationen gelebt wird. Das ist eine Verpflichtung; das ist kein Zwang. Dass die Grünen, die sich Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!) auf ihre Fahnen geschrieben haben, dieser fiskalpolitischen Regelung, dieser grundgesetzlichen Ausgestaltung der Schuldenbremse, nicht zugestimmt haben, entlarvt, dass bei ihnen Tun und Reden nicht übereinstimmen. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Überhaupt nicht! Wir wollten eine bessere Schuldenbremse! Das wissen Sie doch! Du warst doch dabei! Tu nicht so scheinheilig!) Wir tun etwas für Nachhaltigkeit. Wir tun etwas für eine generationengerechte Finanzpolitik. Die Grünen reden nur, und dann, wenn es konkret wird, machen sie sich vom Acker. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir tun dies auch im Konzert mit unseren europäischen Partnern. Wenn Deutschland von anderen in Europa oder auch transatlantisch mehr Stabilität in den öffentlichen Finanzen verlangt, dann müssen wir für das Ausland auch vorbildlich sein. (Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Bei einem Schuldenstand von 80 Prozent heißt das nicht zusätzliche Schulden, sondern den Abbau von Schulden!) Wir haben im Jahr 2011 in der Haushalts- und Finanzpolitik zum ersten Mal das Europäische Semester. Das heißt, wir haben bereits mit unseren europäischen Partnern diskutiert, wie wir unsere Politik koordinieren wollen - im Interesse von Wettbewerbsfähigkeit und fiskalpolitisch konservativer Nachhaltigkeit. Dieses Verständnis von Haushaltspolitik ist unser Beitrag zu mehr Stabilität in Europa. In diesem Zusammenhang ist ein Begriff, nämlich "Wachstumsorientierung", ganz wichtig. Ein Teil des Erfolgs, den wir haben, ist lediglich konjunktureller und nicht struktureller Natur. Wir müssen uns um ein nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum kümmern. Wir müssen auch außerhalb der Haushalts- und Steuerpolitik unsere Reformen fortsetzen, damit das erfreuliche wirtschaftliche Wachstum und die Stabilität in den öffentlichen Finanzen nicht eine vorübergehende Entwicklung bleiben. Zur Steuerpolitik ist festzustellen, dass in der Vergangenheit viel zu oft konjunkturelle, sprich: vorübergehende, Aufhellungen dazu geführt haben, den Haushalt strukturell zu verschlechtern. Vor diesem Hintergrund verstehe ich die Debatte und auch die Beiträge aus der Koalition so, dass es eine Zweiteilung in diesem Hause gibt - die Bundesregierung nimmt das gerne zur Kenntnis -: Der eine Teil des Hauses denkt, wenn er den Begriff "Steuerpolitik" hört, an die Belastung der Bürger und daran, wie man die Belastung möglicherweise erhöhen kann. Der andere Teil denkt zum einen an den Haushalt, aber er denkt auch an die Entlastung der Bürgerinnen und Bürger. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und an die Hoteliers denkt er auch! - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Die Frage ist: Zu welchem Teil gehören Sie? Das ist die eigentliche Frage!) Eine Haushalts- und Finanzpolitik, die zuerst an die Belastung der Bürger denkt, ist nicht klug, nachhaltig oder vernünftig. Deswegen nehmen wir die Signale aus dem Parlament gerne zur Kenntnis. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Herr Kampeter hat alle Meinungen dazu! - Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Halten Sie eigentlich zu Schäuble oder zur FDP?) Wenn, Herr Kollege, Schulden die Steuererhöhungen von morgen sind, wie Finanzpolitiker wissen, dann bedeutet die Fortsetzung der Konsolidierungspolitik die Chance auf steuerpolitische Freiräume in der Zukunft. Deswegen hat die Regierungskoalition festgelegt - das gilt auch für Wolfgang Schäuble -, dass wir uns zu gegebener Zeit darüber verständigen, was in dieser Legislaturperiode steuerpolitisch noch geht. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch alles schon verkündet!) Mit der Entscheidung zum Haushalt und zur mittelfristigen Finanzplanung und mit der Festlegung innerhalb der Koalition wird deutlich, wer für dieses Land das richtige Konzept in der Haushalts- und Steuerpolitik hat, wer für mehr Freiheit, für mehr Nachhaltigkeit und für mehr Verlässlichkeit steht: (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das glaubt er selber nicht, was er da erzählt! - Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieso werden Sie gar nicht rot? - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Aber lachen muss er!) Es sind die christlich-liberale Koalition und die Bundesregierung, die von dieser Koalition getragen wird. Deshalb sollte die SPD jetzt nicht von dem ablenken, was ich vor ein paar Tagen gelesen habe, nämlich die SPD fordere zwar, dass diese oder jene steuerpolitische Entscheidung der Bundesregierung, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt gar nicht getroffen werde, erläutert werde, (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Oktober, oder?) mache sich aber gleichzeitig damit, dass sie ihre steuerpolitischen Festlegungen auf die zweite Jahreshälfte oder den Winter verschiebe, erst einmal aus dem Staub. Auch da zeigt sich ein Mangel an Seriosität in der derzeitigen Opposition. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schwere Regierungskrise! - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Scheidungsunfähig seid ihr!) Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Fortsetzung der Konsolidierung schafft die Freiräume, die wir brauchen, um dauerhaft handlungsfähig und gestaltungsfähig zu sein. In diesem Sinne freuen wir uns über die Unterstützung durch eine breite Mehrheit in diesem Hause und appellieren an diejenigen, die bei der Schuldenbremse noch zögern und die bei Konsolidierung oder Steuerpolitik immer nur an die Belastung der Bürger denken, den Blick auch auf Freiheit und Leistungsbereitschaft zu richten, ohne die Konsolidierung und Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen dabei aus dem Auge zu verlieren. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war Ihre drittbeste Rede! - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das war ja wieder ein Rumgeeiere!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Johannes Kahrs hat das Wort für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Johannes Kahrs (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle kennen und schätzen den Kollegen Steffen Kampeter. (Joachim Poß [SPD]: Kennen schon!) Wenn man ihn heute hier gehört hat, dann hat man gemerkt, dass er erstens deutlich unter seinen Möglichkeiten geblieben ist, (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Absolut! - Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Finde ich nicht!) dass er zweitens seine eigene Überzeugung tapfer unterdrückt hat (Beifall bei der SPD) und dass er drittens alles getan hat, um in dieser Koalition etwas zu heilen, was in den letzten Tagen sichtlich in die Brüche gegangen ist. Wenn man sich mit diesem Thema beschäftigt, kann man als Sozialdemokrat kaum das Grinsen aus dem Gesicht bekommen. Immer wenn man über Steuersenkungen redet, stellt man Pleiten, Pech und Pannen fest. Für die Bürger und Steuerzahler dieses Landes ist das allerdings eher peinlich. Beim Thema Steuersenkungen muss man sich, finde ich, von der FDP und der CDU/CSU nichts erzählen lassen. SPD und Grüne haben in diesem Bereich 2003/2004 relativ viel getan. Es gibt viele Bürger, viele Niedrigverdiener, die heute gar keine Steuern zahlen müssen. Das war damals die größte Steuersenkung, die wir je hatten. Daran sind Sie mit Ihren Konzepten nicht einmal im Ansatz herangekommen. (Beifall bei der SPD) Jetzt unterhalten wir uns wieder über das Thema Steuersenkungen. Schauen wir einmal, was die geneigte Presse zu diesem Thema zu sagen hat. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Die einen Steuersenkungen sind richtig, die anderen sind falsch! Na ja! - Gegenruf der Abg. Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alles zu seiner Zeit!) Der SPD wurde gerade vorgeworfen, dass wir unser Konzept nicht sofort vorlegen - und das machen wir deshalb nicht, weil wir es sauber und vernünftig durchdeklinieren wollen, da wir nicht die Fehler machen wollen, die Sie machen. Das Hamburger Abendblatt titelt gerade: Entscheidung über Steuersenkungen auf Herbst vertagt Spitzentreffen der Koalition abgesagt. Schäuble beharrt auf Abbau der Neuverschuldung. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Wenn man findet, dass das Hamburger Abendblatt ein Linksaußen in der deutschen Presselandschaft ist, dann empfehle ich die Lektüre der Welt am Sonntag. Sie ist zwar für Sozialdemokraten normalerweise nicht gerade das Leib- und Magenblatt, aber manchmal kann man sich das ja antun. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Ist in letzter Zeit Pflichtlektüre geworden!) Die Welt am Sonntag titelte am 12. Juni 2011: 10 Mal versprochen, 10 Mal gebrochen. Was wurde nicht alles verkündet im Wahlkampf und im Koalitionsvertrag? Ein ernüchternder Blick auf zehn schwarz-gelbe Baustellen. Wenn man diesen Artikel liest, stellt man fest: So etwas bekommt selbst das Willy-Brandt-Haus nicht hin. Ich war schwer beeindruckt. Außerdem heißt es: Steuern: Einfacher? Niedriger? Gerechter? Von wegen! Der Artikel in der Welt am Sonntag dürfte Ihnen den Sonntag nicht gerade verschönert haben. Er zeigt aber, in welchem Zustand sich Ihr Laden befindet. Ich glaube, dieses Land hat deutlich Besseres verdient. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir haben eben sehr salbungsvolle Reden darüber gehört, dass man hart arbeitende Bürger entlasten muss. Wir haben das getan. Rot-Grün hat das getan, und zwar 2002, 2003 und 2004. (Dr. Volker Wissing [FDP]: Oberlehrer!) Wenn man sich die jetzige Situation anschaut, dann stellt man fest, dass wir keine Steuermehreinnahmen haben, die wir an das zahlende Volk zurückgeben können. Selbst wenn diese Regierung ihre optimistischsten Ziele erreicht, schafft sie es vielleicht gerade einmal, die Neuverschuldung auf unter 30 Milliarden Euro zu drücken. Dann sind es aber immer noch 30 Milliarden Euro neue Schulden. (Beifall bei der SPD) Man will jetzt neue Schulden machen, um den Bürger zu entlasten. Das heißt, die Steuerschuld wird ständig größer. Das ist doch absurd. Worüber reden wir denn hier alles? Wir reden über Griechenland, über den Euro und über Atombelastung. Dann aber kommt die Regierung, die mit Solidität protzen will, um die Kurve und macht genau das Gegenteil. Das ist Entlastung auf Pump. Die zukünftigen Generationen werden dies zahlen müssen. Das ist weder seriös, noch ist es gerecht, noch ist es eine Entlastung. Denn der Bereich der Entlastung ist dürftig. Wir reden über gerade einmal 6 oder 7 Milliarden Euro. Rot-Grün hat deutlich mehr geliefert. Das, was Sie hier veranstalten, ist peinlich. Vor kurzem erklärte uns die FDP noch: Man muss die Steuern senken, um die Wirtschaft anzukurbeln. - Jetzt brummt die Wirtschaft. Man kann sich übrigens auch fragen, warum sie brummt. Weil es diese hervorragende Agenda 2010 gegeben hat, (Lachen bei der CDU/CSU und der FDP) weil es die Rente mit 67 gegeben hat und weil wir als Sozialdemokraten dieses Land anständig und sauber reformiert haben. Wir haben regiert. Wir hatten einen Plan. (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Matter Beifall bei der SPD! - Dr. Volker Wissing [FDP]: Davon ist doch nichts mehr übrig!) Was ist das Problem dieser Regierung? Sie haben keinen Plan, Sie haben keinen Kompass, und Sie haben keine innere Richtung. Der Fisch stinkt immer vom Kopf zuerst. (Beifall bei der SPD) Hier ist es auch so. Hier kann man das erleben. Das ist das Ergebnis. Die Bürger dieses Landes werden es ertragen müssen. Sie werden es so lange ertragen müssen, bis sie die Chance haben, darüber abzustimmen. Bei den Landtagswahlen können sie schon einmal üben. Ich glaube, dass das, was Sie hier veranstalten, weder seriös noch gerecht noch anständig ist. Ich bin froh, dass wir als Sozialdemokraten die Schuldenbremse durchgesetzt haben, damit das Elend mit Ihnen nicht noch schlimmer wird. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD - Lachen bei der CDU/ CSU und der FDP - Andreas Mattfeldt [CDU/ CSU]: Das war wenig glaubwürdig! - Dr. Volker Wissing [FDP]: Bei einigen fängt der Karneval schon im Juni an!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Der Kollege Dr. Hermann Otto Solms hat das Wort für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP) Dr. Hermann Otto Solms (FDP): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wäre ganz gut, jede Parteisprecherin und jeder Parteisprecher würde sich um die Belange der eigenen Partei kümmern. Dann wüssten Sie, wer bei Ihnen angefangen hat, am Kopf zu stinken, Herr Kahrs. Wir haben damit keine Probleme. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 3 Prozent und keine Probleme!) Es handelt sich hier um eine Debatte der Glaubwürdigkeit. Herr Clement, Ihr früherer Superminister, hat im Handelsblatt gesagt: Was wundert ihr euch eigentlich? Die FDP tut genau das, was sie im Wahlkampf angekündigt hat. - Genau das tun wir. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Wo denn? Wo tut sie denn was?) Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit. Wir haben im Wahlkampf gesagt: Haushaltskonsolidierung und Steuerreform sind zwei Seiten ein und derselben Medaille. Das muss Hand in Hand gehen. - Das ist genau das, was wir jetzt tun. Wir haben am Anfang der Legislaturperiode die Bürger und insbesondere die Familien um 24 Milliarden Euro entlastet (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Hoteliers! - Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie nehmen weiter Schulden auf! Das tun Sie! Das ist Steuersenkung auf Pump!) und die Konjunktur damit unterstützt. Das trägt nun auch seine Früchte. Wir haben inzwischen das Steuersystem zwar nur leicht vereinfacht, aber immerhin. Das ist ein wichtiger Schritt. Mehr haben die Bundesländer nicht zugelassen. Weitere Schritte werden aber folgen. Jetzt zeigt es sich, dass wir aufgrund der positiven Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt die besten Zahlen seit der deutschen Einheit verzeichnen können. Das führt zu sehr viel höheren Steuereinnahmen, sehr viel höheren Abgaben an die Sozialsysteme und dazu, dass wir Spielräume haben. Das sind keine Spielräume gegen die Konsolidierung, sondern das sind Spielräume und Konsolidierung. (Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber noch immer im Minus! - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Auf Pump!) - Nein. - Über die Beachtung der Schuldenbremse hinaus haben wir Spielräume, um bei den Steuern zu entlasten. Die Grundfrage in der Steuerpolitik lautet: Ist es das Geld des Staates oder das Geld der Bürger, von dem wir hier reden? (Johannes Kahrs [SPD]: Zurzeit sind es die Schulden des Staates!) Sie tun immer so, als wäre es das Geld des Staates und die Bürger hätten nur zu liefern. (Johannes Kahrs [SPD]: Das sind die Schulden des Staates!) Es ist aber das Geld der braven, fleißigen Bürger, die es tagtäglich erarbeiten und die einen Anspruch darauf haben, dass sie nicht überproportional belastet werden. Unser Tarif ist ungerecht. Der Kollege Poß - wir kennen uns schon lange - weiß genau, dass der Tarif im unteren Bereich stärker ansteigt als im oberen Bereich. (Joachim Poß [SPD]: Das ist im Prinzip unbestritten!) Es geht darum, genau diese Ungerechtigkeit zu beseitigen. (Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wissen wir alle!) Wir tun das, was wir im Wahlkampf angekündigt haben - die CDU übrigens genauso. Sie hat in ihrem Wahlprogramm geschrieben: Leistung und Einsatzbereitschaft müssen sich wieder mehr lohnen. Durch eine Korrektur des Tarifverlaufs (Abbau des "Mittelstandsbauches") sorgen wir dafür, dass Lohnerhöhungen auch wirklich bei denjenigen ankommen, die sie erarbeitet haben. Respekt. Das ist eine richtige Aussage. So handeln wir jetzt. (Beifall bei der FDP) Was hat denn die SPD dazu gesagt? Das ist jetzt spannend. Die SPD hat geschrieben: Entlastung der Normalverdienenden ... Wir wollen die Entlastungen daher auf die Bezieher niedriger und mittlerer Einkommen sowie die Familien konzentrieren. Wir wollen doch nichts anderes. Warum wehren Sie sich dagegen? (Joachim Poß [SPD]: Wir wollen nur wissen, was Sie unter kleinen und mittleren Einkommen verstehen!) Sie müssen doch nur das tun, was Sie vor der Wahl angekündigt haben. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Was sind denn Ihre kleinen und mittleren Einkommen? Sagen Sie das doch mal!) Dann sind wir schon im Konsens. Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit. (Beifall bei der FDP - Zurufe von der SPD) Um diese Glaubwürdigkeit geht es uns. Wir tun das, was wir vorher gesagt haben. (Joachim Poß [SPD]: Dafür sollten Sie sich zu schade sein, Zitate aus dem Zusammenhang zu reißen! Von Steuersenkung auf Pump haben wir nichts geschrieben!) Wenn wir auf dem Weg dorthin etwas warten mussten, weil die Haushaltskonsolidierung noch nicht so weit war, dann ist das kein Fehler dieser Politik, sondern zeigt vielmehr ihre Vernunft. Jetzt befinden wir uns in der Situation, in der die nötigen Spielräume erarbeitet worden sind, in der wir die beste Arbeitsmarktlage und die höchste Beschäftigtenzahl seit den 90er-Jahren haben. Das verschafft uns auch im finanziellen Bereich die nötige Luft. Wenn wir jetzt nicht entsprechend handeln - das will ich Ihnen als letztes Argument auf den Weg geben -, dann wäre es so, dass die Lohnerhöhungen, die die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände mühsam ausgehandelt haben, zum Schluss alle beim Staat landen. Das war doch nicht die Absicht der Tarifvertragsparteien. Diese wollten ihren Arbeitnehmern etwas Gutes tun und dafür sorgen, dass auch sie an dem Aufschwung beteiligt werden. Es ist nun aber so, dass von diesen Lohnerhöhungen über 50 Prozent beim Staat und in den Sozialkassen landen und der Rest durch die Inflationsrate aufgezehrt wird. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die kleinen Handwerksbetriebe und die kleinen Selbstständigen haben davon überhaupt nichts. Das kann so nicht weitergehen. Es ist unsere Aufgabe, für eine gerechte Besteuerung zu sorgen, bei der im Ergebnis alle, die für den Aufschwung gearbeitet haben, ihren Anteil erhalten. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Steuerentlastung auf Pump!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Lisa Paus hat das Wort für Bündnis 90/Die Grünen. Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Solms, da Sie ja Leser des Handelsblattes sind, wird Ihnen nicht verborgen geblieben sein, was das Handelsblatt am Montag titelte. Das Handelsblatt ist nun wahrlich kein Kampfblatt von Bündnis 90/Die Grünen. (Zuruf des Abg. Otto Fricke [FDP]) Dort fand man zur Steuersenkung die Überschrift: "Der große Selbstbetrug". Dann schreibt Gabor Steingart weiter: Die FDP will die Milliarden, die sie an die Bürger verteilen möchte, bei den Banken leihen. Deshalb ist das Steuergeschenk von heute die Steuererhöhung von morgen. Wir sollten die Annahme dieses Geschenks verweigern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Meine Damen und Herren, das Handelsblatt hat recht. Bei einer Schuldenstandsquote von aktuell über 80 Pro-zent des Bruttoinlandsprodukts - der Vertrag von Maastricht sieht eine Obergrenze von 60 Prozent vor -, bei einem Bundeshaushalt, der auch 2012 - Herr Kampeter hat es indirekt bestätigt - keine Überschüsse erwirtschaften, sondern weiterhin ein Minus ausweisen wird, und zwar von bis zu 30 Milliarden Euro - trotz guter Konjunktur -, wollen Sie Steuersenkungen auf Pump finanzieren. Das ist verantwortungslos. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Wenn Sie schon uns nicht glauben, dann hören Sie wenigstens auf die mahnenden Stimmen aus den eigenen Reihen, auf Ihren eigenen Bundesfinanzminister oder auf Herrn Tillich, Ministerpräsident von Sachsen, der warnte: In guten Zeiten werden die Haushalte versaut. Das ist das, was Sie gerade zu tun drohen. Frau Lieberknecht, Ministerpräsidentin von Thüringen, bezeichnete die ganze Debatte als "irgendwie irre"; ich muss ihr zustimmen. McAllister, Ministerpräsident von Niedersachsen, sagte: Das ist doch alles im Moment eine virtuelle Debatte! Hören Sie auf Ihre Kolleginnen und Kollegen in den Ländern! Denn sie haben schlichtweg recht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Wenn Sie trotzdem weiter über Steuersenkungen diskutieren wollen, muss ich Ihnen sagen: Es gibt zwar die Hoffnung, damit die FDP zu retten; aber dieses Rettungspaket wird nicht wirken. Die Bürgerinnen und Bürger werden nämlich merken, dass Sie das Versprechen, das Sie geben, am Ende gar nicht einhalten werden, weil Sie es nicht einhalten können. (Zuruf von der CDU/CSU: Wie bei euch in Stuttgart!) Ich wiederhole das Versprechen, das Sie wie ein Mantra formulieren: Wir entlasten vor allem die unteren und mittleren Einkommen. - In der Diskussion über Vorschläge dazu hört man - auch wenn das noch eher schwammig ist - das Stichwort "Mittelstandsbauch". Es heißt: Der muss weg. - Diese Debatte ist grundsätzlich richtig. Es geht darum, dass das schnellere Ansteigen der Steuern im unteren Einkommensteuerbereich - die Grenzsteuersätze sind dort höher - abgemildert wird, sodass die Einkommen zwischen 8 004 und knapp 14 000 Euro entlastet werden. Wenn Sie aber beim Tarifverlauf im oberen Bereich nichts tun, dann wird die Schere zwischen Arm und Reich, wenn man die absoluten Entlastungen in den Blick nimmt, im Endeffekt nicht kleiner, sondern deutlich größer. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Überdies würde das 23 Milliarden Euro kosten. Das können Sie gar nicht finanzieren; der Betrag ist auch gar nicht im Gespräch. Wenn Sie den Mittelstandsbauch nur zur Hälfte aufheben wollen, dann braucht man dafür nach Schätzung der CSU ungefähr 12 Milliarden Euro. Um es den Bürgerinnen und Bürgern zu erklären: Das heißt, man würde bei einem Einkommen von 12 000 Euro pro Jahr um ganze 50 Euro pro Jahr entlastet, bei einem Einkommen von 30 000 Euro aber schon um 550 Euro, bei einem Einkommen ab 52 000 Euro um 780 Euro. Das unterstreicht: Es geht hier nicht um eine Entlastung für die unteren und mittleren Einkommen; Sie geben wie immer denen, die schon haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Klaus Hagemann [SPD] - Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Wer hat denn den Spitzensteuersatz gesenkt? - Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Da hat er recht!) - Die Grünen haben ihn gesenkt; das ist richtig. (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Wir kümmern uns um die Mitte!) - Wir haben auch in den unteren Einkommensbereichen die Steuern gesenkt; das war ausgewogen. Wenn Sie an die Einkommensteuern herangehen wollen, schlagen wir vor, gerecht vorzugehen. Die Vorschläge, die bisher auf dem Tisch liegen, leisten das jedenfalls nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Weil Sie wissen, dass Sie für Ihre Pläne im Bundesrat keine Mehrheit bekommen, ist im Gespräch, stattdessen den Soli abzuschaffen. Da wird es natürlich völlig absurd; das passt natürlich überhaupt nicht zu dem Versprechen, vor allen Dingen die unteren und mittleren Einkommen zu entlasten. Dazu nenne ich entsprechende Zahlen: Für die unteren Einkommen bis 12 000 Euro würde das eine Entlastung von 0 Euro - ich wiederhole: 0 Euro - bedeuten; bei einem Einkommen von 30 000 Euro sind es 936 Euro, bei einem Einkommen von 53 000 Euro sind es 2 000 Euro - da lohnt es sich schon richtig -, bei den Spitzenverdienern sind es 5 300 Euro pro Jahr. Das nenne ich eine Entlastung der unteren und mittleren Einkommen à la Schwarz-Gelb. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Ihr könnt ja zustimmen! Rot und Grün, stimmt der Abschaffung des Mittelstandsbauches zu!) Ich ziehe das Fazit. Dieser Rettungsschirm für die FDP wird einfach nicht aufgehen. Deswegen: Bitte, lassen Sie es! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Warum seid ihr denn dann so hysterisch?) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Andreas Mattfeldt hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Andreas Mattfeldt (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie, dass ich meine Besuchergruppe auf der Tribüne begrüße; das mache ich sonst selten. Ich freue mich, dass Sie da sind. Herr Kuhn, einen Gefallen haben Sie sich mit der heutigen Debatte nicht getan. Vielleicht haben Sie es noch nicht gemerkt, aber in Deutschland geht es uns so gut wie seit langem nicht mehr: (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind zufrieden!) Die Wirtschaft boomt, die Steuereinnahmen stimmen mehr als optimistisch, und die Arbeitslosigkeit hat einen nicht für möglich gehaltenen Tiefpunkt erreicht. Ich sage deutlich: Die christlich-liberale Koalition arbeitet ihren Koalitionsvertrag Punkt für Punkt ab. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vieles ist in den vergangenen zwei Jahren bereits erreicht worden, (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das ist doch einmal eine Meldung!) einiges ist in der Umsetzung begriffen. In den kommenden zwei Jahren werden wir die verbleibenden Punkte angehen. Hierzu gehört auch eine Diskussion über anstehende Steuererleichterungen, wenn die Finanzlage es zulässt. Die aktuelle Situation ist an Erfolg, aber gleichzeitig an Normalität nicht zu überbieten. Meine lieben Kollegen von der Opposition, natürlich ist es immer bequemer, gegen alles zu sein, als konstruktive Vorschläge zu unterbreiten, (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Wir sind für Schäuble! Da haben Sie etwas missverstanden!) um dafür zu sorgen, dass es den Menschen in unserem Lande besser geht. Von den Grünen, der Dagegen-Partei, sind wir nichts anderes gewohnt, aber von der Sozialdemokratie hätte ich heute mehr erwartet, Herr Poß. (Joachim Poß [SPD]: Ich habe doch nur Schäuble zitiert!) Hier schreien Sie, aber in Ihrer eigenen Partei können Sie sich noch nicht einmal auf ein Steuerkonzept einigen, (Rainer Brüderle [FDP]: So ist es!) und voller gespielter Empörung kritisieren Sie die Überlegungen der christlich-liberalen Koalition. So geht das nicht. (Joachim Poß [SPD]: Sie haben doch heute gesagt, es gebe keine Überlegungen!) Sie sprechen derzeit parteiintern heimlich über Steuererhöhungen. Gleichzeitig kritisieren Sie uns, dass wir nur darüber diskutieren, ob wir die unteren und mittleren Einkommen entlasten können. (Joachim Poß [SPD]: Wir wollen die höheren Vermögen stärker belasten und die Niedrigverdiener entlasten! Vollkommen richtig!) - Herr Poß, mit einer Neiddebatte gönnen Sie einem Familienvater, der morgens früh aufsteht, nicht die Butter auf dem Brot; denn Sie fordern gleichzeitig höhere Regelsätze für diejenigen, die nicht arbeiten, für Hartz-IV-Empfänger. Ich sage Ihnen deutlich: Wo Sie Gerechtigkeit draufkleben wollen, ist noch lange keine Gerechtigkeit drin. (Johannes Kahrs [SPD]: "Frechheit siegt" ist kein Motto! - Heiterkeit bei der SPD) Es ist doch völlig normal, dass innerhalb einer Koalition auch kontroverse Debatten über das eine oder andere Thema geführt werden. In einer Demokratie gehören Diskussionen innerhalb einer Regierungskoalition dazu. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Irgendwann müssen Sie mal etwas machen! - Johannes Kahrs [SPD]: Wie wäre es denn mal mit Ergebnissen!) Sie von Grün-Rot kennen das doch zur Genüge. Für uns ist es selbstverständlich, Johannes Kahrs, dass wir das, was wir im Koalitionsvertrag niedergeschrieben haben, auch umsetzen wollen. Das mag für Sie vielleicht neu sein, meine Damen und Herren von der Opposition; denn Sie halten die Versprechen, die Sie machen, mitnichten ein. Als Stichwort möchte ich nur Stuttgart 21 und den Umgang der Grünen mit diesem Thema vor und nach der Landtagswahl nennen. Wir als christlich-liberale Koalition haben uns im Koalitionsvertrag Steuervereinfachungen und Steuersenkungen zur Entlastung der unteren und mittleren Einkommen zum Ziel gesetzt. (Johannes Kahrs [SPD]: Nichts geschieht!) Steuervereinfachungen haben wir mit dem eben beschlossenen Steuervereinfachungsgesetz bereits umgesetzt. Wir prüfen jetzt, ob wir Spielräume für Steuersenkungen haben. (Johannes Kahrs [SPD]: Haben wir nicht, sagt Schäuble!) Dazu gönnen wir uns eine gewisse Ruhe. (Joachim Poß [SPD]: Lesen Sie Schäuble!) Selbstverständlich gilt für uns weiterhin, dass die Konsolidierung des Haushaltes Vorrang haben muss. Ich sage ergebnisoffen: Beides schließt sich nicht aus. (Johannes Kahrs [SPD]: Hören Sie auf Herrn Schäuble!) Wir stehen am Beginn eines Prozesses. Es ist heute völlig offen, wie die Steuersenkungen aussehen werden und wie sie finanziert werden. (Joachim Poß [SPD]: Sie sind doch noch gar nicht aus den Startlöchern gekommen!) Erst nach dem Prozess kann man seriös sagen, welche Auswirkungen diese Pläne auf Bundes-, Länder- und vor allem Kommunalhaushalte haben werden. Die positivsten Auswirkungen des wirtschaftlichen Aufschwungs verzeichnen in diesen Tagen die Haushalte von Bund, Ländern und insbesondere Kommunen. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Saustarke Rede bisher! - Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Diesen Aufschwung hätte es ohne intensive Diskussionen und die daraus folgenden klugen Entscheidungen nicht gegeben. Dazu gehört auch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz, das diese Koalition beschlossen hat. (Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Oh!) Deutschland stünde ohne dieses Gesetz heute nicht so gut da. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das waren doch die Hotels!) Sie haben dieses Gesetz bekämpft. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Die positive wirtschaftliche Entwicklung lässt die Steuereinnahmen sprudeln. Möglicherweise entsteht dadurch Spielraum für Steuersenkungen. Diesen Spielraum gilt es nun in Ruhe und mit Besonnenheit auszuloten. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie eine Besuchergruppe da oben, oder was?) Bislang wurde jede Bundesregierung daran gemessen, ob sie das Problem in den Griff bekam, das die Menschen am meisten beschäftigte: die Arbeitslosenzahlen. Wir können mit Stolz sagen, dass wir in diesen Tagen in vielen Regionen Vollbeschäftigung haben. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege. Andreas Mattfeldt (CDU/CSU): Wenn Gerhard Schröder in diesen Tagen noch Bundeskanzler wäre, (Johannes Kahrs [SPD]: Guter Mann!) würde er - da bin ich mir sicher - jeden Tag ein Feuerwerk in Deutschland abfeuern und mit seinen guten Leistungen prahlen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege, bevor das Feuerwerk gezündet wird, müssen Sie zum Ende Ihrer Rede kommen. Andreas Mattfeldt (CDU/CSU): Wir sind sachlicher und arbeiten anständig mit. Wir fordern Sie auf, das ebenfalls zu tun. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Der Kollege Lothar Binding hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Manchmal sagen Reden auch etwas über die psychische Konstitution des Redners aus. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das kann man wohl sagen!) Ich habe mich gefragt, warum der erste Redner der FDP, Volker Wissing, den Ausdruck "finanzpolitischer Suizid" in den Mund genommen hat. "Suizid" heißt Selbstmord. Wieso fällt einem FDP-Politiker dieses Wort heute hier ein? Dieses Wort scheint gar nicht zu passen. (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Er hat Sie halt angeschaut! Er hat sich mit der SPD beschäftigt!) Ich habe vorhin den Parlamentarischen Staatssekretär Koschyk gefragt, wie er untere und mittlere Einkommen definiert. Er hat geantwortet, man wolle die kalte Progression abschaffen. Die kalte Progression hat mit der Beantwortung meiner Frage aber überhaupt nichts zu tun. Joachim Poß hat das erläutert und gesagt: Oft wird kalte Progression mit dem Mittelstandsbauch, dem steilen Anstieg der Grenzsteuerbelastung im unteren Bereich, verwechselt. Das ist leider auch Herrn Koschyk passiert. Deshalb hat er fälschlicherweise im Zusammenhang mit kalter Progression vom stark ansteigenden Durchschnittssteuersatz gesprochen. Die Antwort ist aber: Der steigt immer, mit Ausnahme unterhalb des Existenzminimums, und das bleibt auch so, wenn man die kalte Progression abschafft. (Dr. Volker Wissing [FDP]: Worüber redet der denn?) Ich glaube, wer auf diesem Niveau Politik macht, wird ein größeres Problem bekommen. Herr Solms hat gesagt, dass es um Glaubwürdigkeit geht. (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: So ist es!) Ich würde Sie gerne fragen, wie Sie es rechtfertigen, dass Sie die Finanzdienstleister trotz eines exorbitant gestiegenen Verschuldungsgrades der öffentlichen Haushalte nur auf freiwilliger Basis an den Kosten der Krise beteiligen wollen, ihnen aber gleichzeitig die Zinseinnahmen überlassen wollen, die im Zusammenhang mit den Krediten fließen, die der Staat aufnehmen muss, um Ihre Steuersenkung bezahlen zu können. Das heißt, Sie schenken den Finanzdienstleistern die Zinseinnahmen, beteiligen sie aber nicht an der Krise. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Diese Finanzierung auf Pump ist lebensgefährlich für unseren Staat. Außerdem basiert Ihr System auf einem Denkfehler: Wir haben 300 Milliarden Euro mehr Schulden als vor der Krise. Wir haben mit einer Neuverschuldung in Höhe von 80 Milliarden Euro gerechnet. Jetzt sind es nur 40 Milliarden Euro. Wir haben aber noch immer eine Neuverschuldung. Von diesen nicht erwarteten Mehreinnahmen, durch die die Neuverschuldung ein wenig gesenkt wird, wollen Sie Steuerentlastungen bezahlen? Wie wollen Sie das eigentlich machen? Durch Kreditaufnahme! Das ist die Logik, die diesen Staat an den Rand führt. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Otto Fricke [FDP]: Das würdet ihr nie machen!) - In dieser Weise würden wir das nie machen. (Otto Fricke [FDP]: Ihr habt es 2004 und 2005 gemacht! Ihr habt es selber gemacht!) Ihr seid Herrn Steinbrück heute noch dankbar dafür, dass er das so nicht gemacht hat, sondern vernünftig gehandelt hat. Mit der Phasentheorie lässt sich das erklären. Ich rufe in Erinnerung, was ich hier schon einmal gemacht habe. (Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Jetzt holt er wieder das Holzspielzeug heraus!) - Das ist eine gute Idee. Ich habe auch ein Holzspielzeug dabei, um die Verschuldung darzustellen. Ich glaube aber, dieses Bild hat noch jeder im Kopf. Nein, ich meine die Art, wie die Koalition hier agiert. Vorhin sagte jemand, diese Aktuelle Stunde mache gar keinen Sinn. (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Das ist eher eine Phrasentheorie, oder?) Ich will Volker Wissing zitieren: Deswegen freuen wir uns. Beantragen Sie die nächste Aktuelle Stunde. Das ist eine gute Sache. Wir werden Ihnen immer wieder vorhalten, dass Sie Wahlbetrug begehen, wenn Sie unsere Politik nicht unterstützen; denn sie ist in Wahrheit sozial gerecht. Sie führt zu einem gerechten Ausgleich. Frage: Was sollen wir eigentlich unterstützen? (Dr. Volker Wissing [FDP]: Wir machen das, was bei Ihnen im Wahlprogramm steht! Überlegen Sie, was Sie sagen!) Es gibt kein Modell. Es gibt keine Idee. Zuletzt haben Sie mit der Gewerbesteuer ein Desaster erlebt. Da habe ich auch ein schönes Zitat. Sie haben gesagt, dass Sie die Gewerbesteuer mit einem konkreten Vorschlag unterfüttern und als Gesetz einbringen würden. Was ist passiert? Eine Kommission wurde eingerichtet. Zu welchem Ergebnis kam diese Kommission? Zu keinem. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ich will erklären, warum eine gewisse Nervosität bei den Bürgern und natürlich auch bei der Opposition, die sich für diesen Staat verantwortlich fühlt, aufkommt. Diese Erklärung von mir kennen Sie schon; Sie erinnern sich. Phase eins: Gurkentruppe, spätrömische Dekadenz. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) Phase zwei war die Phase der Ruhe. Europa wartete auf Deutschland. Dann kam Phase drei, der Herbst der Entscheidungen. Die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke wurde beschlossen. In Phase vier kam es zur Energiewende. Da wurde alles rückgängig gemacht. Jetzt kommt Phase fünf, die Phase der Steuerentlastungen. Sollen wir das ernsthaft glauben? (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Glauben Sie wirklich, dass wir das glauben? Nein, Sie wissen, dass wir das nicht glauben. Ich meine, man sollte ein bisschen in das Volk hineinhören. Umfragen zeigen, dass mehr als 40 Prozent der Menschen keine Steuersenkungen wollen, weil sie wissen, dass das nicht funktioniert. (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Die zahlen auch keine Steuern! Das ist ganz einfach!) Herr Schäuble - so weit ich weiß, zahlt er Steuern; er wird auch aus Steuern bezahlt, das ist die andere Seite - sagt: Steuersenkungen gehen nicht. Die Bundesländer sagen: Steuersenkungen gehen nicht. Die Haushälter der Koalition sagen: Steuersenkungen gehen nicht. Aufgrund von Schuldenbremse und Maastricht-Kriterien sind Steuersenkungen nicht möglich. Aber die FDP meint, man bräuchte jetzt Steuersenkungen. Dies ist nicht zum Wohle dieses Staates, sondern zu seinem Schaden. Deshalb machen wir da nicht mit. Wir warnen Sie vor dieser Art der öffentlichen Debatte. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Ihr habt doch diese Aktuelle Stunde beantragt!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Alois Karl hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Alois Karl (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die von den Grünen beantragte Aktuelle Stunde über die Steuersenkungspläne der Koalition und mögliche Auswirkungen auf Bund, Länder und Gemeinden ist eine unkontrollierte Debatte, weil ihr die Grundlagen fehlen. Wir haben keine konkreten Zahlen, über die wir diskutieren könnten. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das liegt doch an euch!) Herr Kuhn, eines aber ist gewiss: Wir werden die Bürgerinnen und Bürger noch in dieser Legislaturperiode entlasten. Darüber sollten Sie sich freuen und nicht ärgern. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Diese Aktuelle Stunde gibt uns zumindest Gelegenheit, die Kernpunkte der Finanz- und Steuerpolitik dieser Koalition darzustellen. Es ist schon verschiedentlich gesagt worden: Kernpunkt unserer Koalitionsvereinbarung ist - dies werden wir einhalten -, die Generationengerechtigkeit in der Haushalts- und Finanzpolitik in ganz besonderer Weise darzustellen. Mit der Finanzwirtschaft der letzten Jahrzehnte, die oft eher eine Finanzmisswirtschaft war - der Staat hat dauerhaft mehr Geld ausgegeben, als er eingenommen hat -, muss Schluss sein. (Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig! Genau!) Wir leben auf Pump, wir leben auf Kosten der nächsten Generation, (Johannes Kahrs [SPD]: Und dann Steuersenkungen!) und das ist unethisch, Herr Kahrs. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Johannes Kahrs [SPD]: Eben!) Dazu haben Sie in Ihrer Regierungszeit mit beigetragen. Mehr als 250 Milliarden Euro Schulden haben Sie allein in der Zeit der rot-grünen Regierung von 1998 an gemacht und hatten dabei noch die Erlöse aus den Versteigerungen der UMTS-Lizenzen, diesen Einmaleffekt, in Höhe von etwa 50 Milliarden Euro. Sie haben dieses Geld allerdings nicht zur Reduzierung der Schulden eingesetzt, sondern Sie haben das Geld eingesetzt, um die Haushalte weiter aufzublähen, frei nach dem Motto: Wie gewonnen, so zerronnen. Nichts davon war nachhaltig und dauerhaft. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Stimmt doch gar nicht!) Aus diesem Grunde sollten Sie sich heute nicht zu sehr echauffieren. Wir sanieren die Haushalte ernsthaft und dauerhaft, damit diese entsprechend der Schuldenbremse bis zum Jahr 2016 neuverschuldungsfrei sind. Die Festsetzung der Schuldenbremse war eine große Leistung, die wir mit den Sozialdemokraten in der Großen Koalition erreicht haben. Wir werden diesen harten und steinigen Weg zusammen mit der FDP gehen. Minister Schäuble ist ein guter Garant, dass dieser Weg erfolgreich beschritten wird. Ich möchte ihm an dieser Stelle unseren Respekt ausdrücken. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Joachim Poß [SPD]: Sie sind der erste Redner der Koalition, der Schäuble lobt!) - Das ist der Unterschied zu Ihnen, Herr Poß. Sie sind von niemandem gelobt worden, aber Schäuble wird selbstverständlich gelobt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Unser finanzpolitisches Credo ist damit dargestellt. Wir möchten mit der konsequenten Verfolgung der Strategie der Entschuldung des Haushaltes bis 2016 Vertrauen schaffen. (Johannes Kahrs [SPD]: Bravo!) Daran sollten Sie sich beteiligen. (Johannes Kahrs [SPD]: Machen wir!) Auch dort, wo sich Ihre Partei in der Regierungskoalition befindet, in Nordrhein-Westfalen, können Sie mit gutem Beispiel vorangehen. Bis dato sehe ich das nicht sehr optimistisch. Ein Haushalt, der gleich am Anfang vom Verfassungsgericht niedergebürstet wurde, ist kein gutes Renommee, Herr Kahrs. Auch da sollten Sie vielleicht Ihren Einfluss geltend machen. (Johannes Kahrs [SPD]: Ich komme aus Hamburg!) Natürlich gibt es einen Zusammenhang zwischen der Konsolidierung des Haushaltes und der Steuergesetzgebung. Wir müssen wieder das richtige Maß einkehren lassen. Das ist in unserem Steuerrecht - ganz unzweifelhaft - verloren gegangen. Wer heute das Doppelte von dem verdient, was der Nachbar bekommt, zahlt nicht das Doppelte, sondern das Dreifache an Steuern. Wer das Vierfache des Einkommens des Nachbarn verdient, zahlt nicht das Vierfache, sondern das Zehnfache an Steuern. Das ist es, was unkorrekt und unehrlich ist und was wir in der Tat - natürlich im Rahmen der Haushaltsmöglichkeiten, die wir haben - angehen müssen. Bedenken Sie, dass 1958, als dieses Steuersystem etabliert wurde, jemand das 20-fache des normalen bzw. mittleren Einkommens verdienen musste, um mit dem Spitzensteuersatzes besteuert zu werden. Das war eigentlich für die Direktoren, die Generaldirektoren und die Chefärzte bestimmt. Heute muss jemand nicht mehr das 20-fache, sondern nur noch das 1,7-fache des mittleren Einkommens verdienen, um den Spitzensteuersatz zu erreichen. Der Würgeengel des Spitzensteuersatzes ist in die Mitte der Steuergesellschaft eingedrungen. Wir müssen deshalb in der Tat - ich bin der FDP dankbar, dass sie dieses Thema aufgegriffen hat - angreifen und dieses Gespenst wieder verscheuchen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Es gibt einen weiteren Punkt, der uns schon hoffnungsfroh stimmt. Die Zahl der Arbeitslosen ist seit dem Regierungsantritt von Frau Merkel (Johannes Kahrs [SPD]: Peer Steinbrück und Olaf Scholz!) von 4,8 Millionen auf etwa 2,8 Millionen heruntergegangen. Das bewirkt, dass wir 32 Milliarden Euro mehr an Einnahmen in den öffentlichen Kassen bzw. in den Sozialkassen haben. Wenn wir diesen Betrag heute für die hohe Zahl der Arbeitslosen ausgeben müssten - das muss doch auch Ihnen einleuchten -, könnten wir weder den Haushalt konsolidieren noch darangehen, Steuern in irgendeiner Art und Weise zu senken. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege, würden Sie bitte zum Ende kommen? Alois Karl (CDU/CSU): Ich komme zum Schluss und möchte Ihnen sagen, dass eines sicher ist: Wir werden uns daranmachen, die Belastungen der Bürger schon in dieser Legislaturperiode zu senken. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege! Alois Karl (CDU/CSU): Wir werden den Haushalt konsolidieren, und wir haben damit unsere Aufgabe erfüllt. Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Der Kollege Eckhardt Rehberg hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich habe den Eindruck, Kollege Kahrs, dass hier einige unter einem hohen Maß an Gedächtnisverlust leiden. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das stimmt! Viele sogar!) Es ist relativ einfach, wie Sie das 1998/1999 gemacht haben. Sie haben 1997 die Steuerreform, das Petersberger Modell, im Bundesrat blockiert, es danach aber aufgenommen und - das ist löblich gewesen - den Spitzensteuersatz von 53 Prozent auf 42 Prozent gesenkt. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den Eingangssteuersatz auch!) - Sie haben den Eingangssteuersatz von rund 24 Prozent auf 15 Prozent gesenkt. (Joachim Poß [SPD]: Von rund 26 Prozent!) Das ist sehr löblich gewesen. Herr Kuhn und Herr Poß, Sie haben aber mit der Reform der Körperschaftsteuer im Jahr 2000 Murks gemacht. Im Jahr 2000 hatten wir noch ein Körperschaftsteueraufkommen von 23,6 Milliarden Euro. Nach Ihrer Murks-Reform hatten wir im nächsten Jahr ein Defizit von 400 Millionen Euro. In Ihrer Regierungszeit sind knapp 80 Milliarden Euro an Körperschaftsteuer verloren gegangen, weil Sie es den großen Kapitalgesellschaften ermöglicht haben, Veräußerungen zu tätigen, die steuerfrei geblieben sind. Sie haben Bund, Länder und Gemeinden in dieser Zeit mit einer völlig vermurksten und unsoliden Steuerreform an den Rande des Ruins gebracht. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Genau! Aber jetzt den kleinen Leuten noch nicht mal die Steuerreform gönnen!) Wer sich hier hinstellt und behauptet, dass andere etwas Unsolides und Unseriöses machen, der muss erst einmal selbst solide Arbeit leisten. Wissen Sie, Herr Kollege Kahrs: Ich verstehe Ihre Partei überhaupt nicht mehr. Erstens. Beim Thema Hartz IV schlagen sich die meisten in die Büsche. (Johannes Kahrs [SPD]: Na, na, na! - Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Ja! So ist es!) Zweitens. Steuerpolitik sollte kontinuierliche Politik sein. (Dr. Volker Wissing [FDP]: Sehr richtig!) Sie haben den Spitzensteuersatz auf 42 Prozent gesenkt. (Joachim Poß [SPD]: Das waren wir doch nicht alleine! Zu dem Zeitpunkt wollten Sie 36 Prozent Spitzensteuersatz!) Heute fabulieren Sie darüber, den Spitzensteuersatz wieder anzuheben; die Effekte, die dies hätte, hat der Kollege Karl beschrieben. Das träfe doch nicht in erster Linie Chefärzte und Großverdiener. Davon wären insbesondere qualifizierte Facharbeiter und der Mittelstand betroffen. (Joachim Poß [SPD]: Noch mal: Sie haben damals 36 Prozent Spitzensteuersatz gefordert!) Das heißt: Wer den Spitzensteuersatz erhöht, der belastet die Leistungsträger in Deutschland. Das ist die falsche Politik. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Laut Mai-Steuerschätzung kommt es zu einem deutlichen Zuwachs bei den Steuereinnahmen, insbesondere für Gemeinden und Länder. Wir werden, was das Volumen der Steuereinnahmen betrifft, aller Voraussicht nach schon Ende 2011/Anfang 2012 wieder das Niveau des Jahres 2008 erreichen. Außerdem - das ist ein Erfolg der Politik unter Bundeskanzlerin Merkel - hat sich die Zahl der Beschäftigten, die Sozialbeiträge und Steuern zahlen, zwischen 2006 und 2010 um 1,5 Millionen erhöht. (Zuruf des Abg. Johannes Kahrs [SPD]) - Herr Kollege Kahrs, wissen Sie: Die Aufrufe, die Sie hier starten, sollten Sie in Ihrer Fraktionssitzung starten (Johannes Kahrs [SPD]: Das muss ich nicht! Da kennt das jeder!) und die SPD-Fraktion dazu bringen, dass sie zu der Politik, die Gerhard Schröder gemacht hat und die ich für richtig halte, steht. Uns brauchen Sie an dieser Stelle nicht katholisch zu machen. Wir sind katholisch genug. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Lassen Sie mich zum Schluss ein weiteres Thema ansprechen. (Johannes Kahrs [SPD]: Schäuble loben!) Herr Kollege Poß, ich meine die Aussage, wir hätten keine Ahnung, was die kalte Progression und den Mittelstandsbauch anbetrifft. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das haben Sie heute bewiesen! Das kann man nachlesen!) Herr Poß, auch Sie scheinen unter Gedächtnisschwund zu leiden. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, na! Jetzt mach die Leute hier mal nicht so runter!) In der Großen Koalition haben wir die Bürger um insgesamt fast 43 Milliarden Euro entlastet. (Johannes Kahrs [SPD]: Ja! Guter Mann, der Peer Steinbrück!) - Nein, das hat mit Peer Steinbrück nichts zu tun. Es waren die Finanzpolitiker der Union - daran kann ich mich noch sehr gut erinnern -, die darauf gedrungen haben, dass wir den Grundfreibetrag in zwei Stufen anheben und eine Rechtsverschiebung des Tarifes vornehmen. Das war, wie gesagt, eine Forderung der Finanzpolitiker der Union. Sie haben dabei zum Glück mitgemacht. (Joachim Poß [SPD]: Ja!) Das ist der richtige Weg, gegen Mittelstandsbauch und kalte Progression vorzugehen. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Nein! Das ist falsch!) - Nein, Herr Kollege Binding, das ist nicht falsch. - Wer gegen die kalte Progression und den Mittelstandsbauch vorgeht, der tut etwas für die unteren und mittleren Einkommen. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Machen wir doch mal ein bisschen Mathematik zusammen! - Joachim Poß [SPD]: Der Grundfreibetrag hat mit dem Mittelstandsbauch nichts zu tun!) Wir können es den Bürgerinnen und Bürgern nicht vermitteln, meine Damen und Herren von der linken Seite des Hauses, dass die Hartz-IV-Regelsätze aufgrund gesetzlicher Vorgaben im nächsten Jahr um 2,7 Prozent steigen werden, dass bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die Hartz IV mit ihren Steuern bezahlen, aber nichts ankommt. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Joachim Poß [SPD]: Was den Spitzensteuersatz betrifft, müssen Sie den Kollegen Brüderle fragen! Er ist jetzt nicht da! Er kann Ihnen Aufklärung geben!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Die nächste Sitzung berufe ich auf morgen, Donnerstag, den 30. Juni 2011, 9 Uhr, ein. Genießen Sie den Abend und die gewonnenen Einsichten. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 16.54 Uhr) Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Daðdelen, Sevim DIE LINKE 29.06.2011 Dr. Danckert, Peter SPD 29.06.2011 Gleicke, Iris SPD 29.06.2011 Höger, Inge DIE LINKE 29.06.2011 Homburger, Birgit FDP 29.06.2011 Kolbe, Manfred CDU/CSU 29.06.2011 Meinhardt, Patrick FDP 29.06.2011 Nink, Manfred SPD 29.06.2011 Nord, Thomas DIE LINKE 29.06.2011 Pfeiffer, Sibylle CDU/CSU 29.06.2011 Schäfer (Bochum), Axel SPD 29.06.2011 Wieczorek-Zeul, Heidemarie SPD 29.06.2011 Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Hilde Mattheis (SPD) (Drucksache 17/6273, Frage 9): Wie viele der im Jahr 2010 durch Selbstanzeigen und Steuerdaten-CDs zusätzlich angefallenen Steuerfälle sind durch die zuständigen Steuerfahndungs- sowie die Bußgeld- und Strafsachenstellen bereits bearbeitet worden, und auf welche Höhe belaufen sich die entsprechenden Steuernachzahlungen? Wie den Medien zu entnehmen war, sind im Jahr 2010 drei Steuerdaten-CDs angekauft worden. Zur Anzahl der in Deutschland eingegangenen Selbstanzeigen und deren Bearbeitung gibt es kein bundeseinheitliches Zählverfahren. Jedes Land ermittelt die Zahlen in eigener Zuständigkeit. In einer einfachen Addition aller Länderzahlen dürfte eine Anzahl von circa 30 000 Selbstanzeigen seit Anfang 2010 realistisch sein. Gesichert ist allerdings die Erkenntnis, dass seit Ankauf der Steuer-CDs eine deutliche Steigerung der Zahl der Selbstanzeigen zu verzeichnen ist. Dies dürfte auf das durch den Datenankauf deutlich gestiegene und für Steuerhinterzieher nicht mehr kalkulierbare Risiko der Entdeckung zurückzuführen sein. Tatsache ist auch, dass in die Steuerschätzung knapp 2 Milliarden Euro an Mehreinnahmen eingestellt wurden. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Hilde Mattheis (SPD) (Drucksa-che 17/6273, Frage 10): Wie viele der im Jahr 2010 durch Selbstanzeigen und Steuerdaten-CDs zusätzlich angefallenen Steuerfälle belaufen sich auf einen Hinterziehungsbetrag, der 50 000 Euro übersteigt? Zur Anzahl der in Deutschland durch Selbstanzeigen und Steuerdaten-CDs zusätzlich angefallenen Steuerfälle und zur Höhe des jeweiligen Hinterziehungsbetrages gibt es kein bundeseinheitliches Zählverfahren. Jedes Land ermittelt die Zahlen in eigener Zuständigkeit. In Wiederholung meiner Antwort zu Ihrer Frage Nr. 9: In die Steuerschätzung wurden 2010 dafür jedenfalls insgesamt rund 2 Milliarden Euro an Mehreinnahmen eingestellt. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6273, Frage 11): Wie hoch sind bis jetzt die Steuereinnahmen aus der Brennelementesteuer, und welches Atomkraftwerk hat dabei welchen Teil beigesteuert? Ich kann bestätigen, dass entsprechend der von den Betreibern des Kernkraftwerkes Gundremmingen B selbst publizierten Angaben am 14. Juni 2011 für die Kernbrennstoffsteuer ein hoher zweistelliger Millionenbetrag angemeldet wurde. Weitere Steueranmeldungen liegen derzeit noch nicht vor. Ich bitte Sie um Verständnis, dass ich keine spekulativen Zahlen im Zusammenhang mit anderen Kernkraftwerken nennen möchte. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) (Drucksache 17/6273, Frage 12): Wie wahrscheinlich ist ein Abschluss der Verhandlungen mit der Schweiz über eine Regelung für bisher nicht im Inland versteuerte Einkünfte noch im Sommer 2011, und erwägt die Bundesregierung eine derartige Lösung auch mit anderen Staaten, wie zum Beispiel Luxemburg oder Österreich, umzusetzen? Ob mit einem Abschluss der Verhandlungen noch im Sommer 2011 gerechnet werden kann, lässt sich gegenwärtig nicht prognostizieren. Auch ist derzeit nicht absehbar, ob sich eine mit der Schweiz gefundene Lösung auch auf andere Staaten übertragen lässt. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) (Drucksache 17/6273, Frage 13): Wie ist die Änderung durch das Steuervereinfachungsgesetz in § 32 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes, EStG, zu verstehen, wonach eine Schädlichkeit dann vorliegt, wenn das volljährige Kind nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung und eines Erststudiums eine bestimmte Zeitgrenze überschreitet, im Hinblick auf die Verbindung der beiden Voraussetzungen mit dem Wort "und", was sprachlich andeutet, dass beide Aspekte kumulativ erfüllt sein müssen, und wie ist die wöchentliche Arbeitszeit gemäß dem geänderten § 32 Abs. 4 EStG zu berechnen, auch vor dem Hintergrund von schwankenden oder unregelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeiten bzw. kurzfristigen Überschreitungen dieser Grenze? Mit der Änderung sollte die Formulierung wortgleich an die Regelung zu den Berufsausbildungskosten in § 12 Nr. 5 EStG angepasst werden. Die von Ihnen dargestellte Rechtsfolge, dass die Restriktion - keine Berücksichtigung bei Erwerbstätigkeit - nur greift, wenn beide Voraussetzungen kumulativ vorliegen, ist nicht Sinn und Zweck dieser Regelung. Denn aus dem Regelungszusammenhang und der Bezugnahme auf § 12 Nr. 5 EStG in der Gesetzesbegründung wird deutlich, dass die Restriktion in beiden Fällen - sowohl bei Berufsausbildung als auch bei Erststudium - greifen soll. Dies kann auch durch ein "und" ausgedrückt werden. Ferner bewirkt die Regelung, dass die Erwerbstätigkeit nur dann schädlich sein soll, wenn sie den Umfang einer Halbtagstätigkeit überschreitet. Deshalb wurde im Steuervereinfachungsgesetz 2011 eine 20-Stunden-Grenze eingeführt. Dass geringfügige Überschreitungen dieser Grenze nicht zum Ausschluss des Kindergeldes führen, wird durch die Formulierung "20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit" zum Ausdruck gebracht. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Daniela Wagner (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6273, Frage 15): Sieht die Bundesregierung aufgrund der öffentlich im Hamburger Abendblatt erhobenen Forderungen, beim Verkauf von Liegenschaften des Bundes die frei werdenden Liegenschaften möglichst schnell den Kommunen oder Privaten zu vertretbaren Preisen zur Verfügung zu stellen und nicht auf steigende Immobilienpreise zu spekulieren, Handlungsbedarf, und inwiefern teilt der Bund die Auffassung, dass er hier in einer besonderen Verantwortung steht? Nach dem gesetzlichen Auftrag des Gesetzes über die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, BImAG, und der Bundeshaushaltsordnung ist die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben verpflichtet, nicht betriebsnotwendiges Vermögen des Bundes wirtschaftlich, das heißt zum vollen Wert, zu veräußern, zum Verkehrswert. Mit der Gründung der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben sind die bis Ende 2004 bestehenden Verbilligungsrichtlinien für Bundesgrundstücke abgeschafft worden. Eine Wiedereinführung ist nicht beabsichtigt. Nach der grundgesetzlichen Aufgabenverteilung sind für die regionale Wirtschaftsförderung die Länder zuständig. Aus seiner gesamtstaatlichen Verantwortung kam der Bund den Ländern bei der Bewältigung der Konversionsprobleme bereits in der Vergangenheit entgegen. So profitieren die Länder seit 1993 von der damaligen Erhöhung des Umsatzsteueranteils um 2 Prozent-punkte, die anstelle eines verbindlich zugesagten Konversionsprogramms gewährt worden war. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/6273, Frage 16): In welchen der zahlreichen Aktivitäten und Maßnahmen im Programm der Zusammenarbeit anlässlich des 20. Jahres-tags der Unterzeichnung des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit, zwischen den Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen vereinbart, welches am 21. Juni 2011 zwischen beiden Regierungen beschlossen wurde, sind - auch mit Blick auf die UN-Behindertenrechtskonvention und den Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung zu deren Umsetzung - die Belange von Menschen mit Behinderung berücksichtigt, und wie wurden sie und deren Organisationen bei der Erarbeitung des Programms einbezogen? Anlässlich der diesjährigen deutsch-polnischen Regierungskonsultationen am 21. Juni 2011 in Warschau ging es vor allem, was den beschäftigungs- und sozialpolitischen Teil betrifft, um Fragen im Zusammenhang mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit, insbesondere um ein neues Beratungs- und Betreuungsprojekt von polnischen Arbeitnehmern, die in Deutschland eine Beschäftigung aufnehmen. Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention war am 21. Juni 2011 kein eigenes Thema. Gleichwohl findet auf bilateraler Ebene und auf EU-Ebene, unter anderem im Rahmen der regelmäßig stattfindenden Treffen der Beschäftigungs- und Sozialminister, ein Austausch zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention statt. Das schließt Gespräche zwischen der deutschen und polnischen Seite ein. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/6273, Frage 17): Wie werden bei den kommenden deutsch-russischen Regierungskonsultationen sowie bei dem unter Schirmherrschaft der Bundeskanzlerin vom 17. bis 19. Juli 2011 stattfindenden Petersburger Dialog in Niedersachsen - auch mit Blick auf die UN-Behindertenrechtskonvention und den Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung zu deren Umsetzung - die Belange von Menschen mit Behinderung berücksichtigt, und wie werden sie und deren Organisationen dabei selbst einbezogen? Die Behindertenpolitik und die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ist ein grundsätzliches Anliegen in der bilateralen Zusammenarbeit des BMAS mit Russland. Russland befindet sich gegenwärtig im Ratifizierungsverfahren der UN-Behindertenrechtskonvention und ist an einem Austausch über Erfahrungen zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention interessiert. Deshalb ist auch geplant, dieses Thema zeitnah im Rahmen eines bilateralen arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Austausches aufzugreifen. Zudem finden vom 18. bis 19. Juli 2011 deutsch-russische Regierungskonsultationen statt, bei der das Thema "Politik für Menschen mit Behinderungen" eine Rolle spielen könnte. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Fuchtel auf die Fragen des Abgeordneten Klaus Ernst (DIE LINKE) (Drucksache 17/6273, Frage 18): Wie hat sich der Realwert bzw. die Kaufkraft der Bruttostandardrente seit 2001 entwickelt (bitte Entwicklung der Bruttostandardrente in Verhältnis zur Entwicklung des Verbraucherpreisindexes setzen, jeweils 1991 = 100, bitte auch Rentenerhöhung zum 1. Juli 2011 berücksichtigen und Jahreswerte angeben)? Um den Realwert der gesetzlichen Renten berechnen zu können, sind Angaben über die Entwicklung des Verbraucherpreisindex erforderlich. Diese liegen derzeit nur bis zum Jahr 2010 vor. Im Zeitraum von 2001 bis zum Jahr 2010 betrug die durchschnittliche Preissteigerung rund 1,36 Prozent pro Jahr. Im gleichen Zeitraum wurden die Renten jahresdurchschnittlich mit rund 0,82 Prozent pro Jahr angepasst. Berücksichtigt man hierzu noch die von den Rentnerinnen und Rentnern zu zahlenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, so waren es rund 0,56 Prozent pro Jahr. Der in der Frage unterstellte Zusammenhang verkennt aber vollständig Aufgabe und Systematik der gesetzlichen Rente: Die Rente ist eine Lohnersatzleistung. Ihre jährliche Anpassung orientiert sich an der Entwicklung der Löhne und nicht an der Preisentwicklung. Auch die Löhne der Beschäftigten genießen keinen Schutz vor Inflation. So sind zum Beispiel im Jahr 2009 die Löhne um 0,24 Prozent gesunken, während die Preise um 0,38 Prozent gestiegen sind. Bei der Rentenanpassung 2010 kam aber die Schutzklausel zur Anwendung. Zum Schutz des Vertrauens der Rentenbezieher konnten hierdurch Kürzungen der Rente vermieden werden, obwohl die zugrundeliegende Lohnentwicklung des Jahres 2009 negativ war. Den Rentnerinnen und Rentnern sind also Kaufkraftverluste, wie sie die Beschäftigten infolge der Wirtschafts- und Finanzkrise besonders stark trafen, erspart geblieben. Die Renten sind daher momentan höher, als sie es ohne Schutzklausel wären. Dieser Effekt - der sogenannte Ausgleichsbedarf - wird in den kommenden Jahren abgebaut, indem ab diesem Jahr positive Rentenanpassungen halbiert werden. Der Abbau des Ausgleichsbedarfs ist aus Gründen der Generationengerechtigkeit erforderlich, damit die Jüngeren nicht durch ihre Beiträge zur Alterssicherung überfordert werden. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage der Abgeordneten Anette Kramme (SPD) (Drucksache 17/6273, Frage 19): Wie verläuft die derzeitige Diskussion in der Bundesregierung über die Frage, ob sie sich bei der Europäischen Kommission für eine Verlängerung der vorerst bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit für bulgarische und rumänische Staatsangehörige einsetzen will, und wann ist mit einer offiziellen Entscheidung zu rechnen? Nach dem Beitrittsvertrag mit den zum 1. Januar 2007 der EU beigetretenen Mitgliedstaaten Bulgarien und Rumänien kann der Arbeitsmarktzugang von Staatsangehörigen der beiden genannten Mitgliedstaaten während einer dreiphasigen, insgesamt siebenjährigen Übergangsfrist weiterhin nach nationalem Recht gesteuert werden. Gegenwärtig machen neben Deutschland neun weitere Mitgliedstaaten hiervon Gebrauch. In der am 1. Januar 2012 beginnenden 3. Phase können die Übergangsbestimmungen nach dem Beitrittsvertrag im Falle schwerwiegender Störungen des Arbeitsmarktes oder der Gefahr derartiger Störungen nach entsprechender Mitteilung an die Kommission für zwei weitere Jahre in Anspruch genommen werden. Diese Mitteilungspflicht ändert nichts daran, dass es sich um eine autonome Entscheidung der Mitgliedstaaten handelt, es keiner Genehmigung und damit auch keines "Einsatzes" bei der Europäischen Kommission bedarf. Die Bundesregierung wird eine Verlängerung sorgfältig prüfen, die Sozialpartner in gewohnter Weise vorab konsultieren und gegebenenfalls rechtzeitig vor Ablauf der 2. Phase zum 31. Dezember 2011 die Kommission über eine etwaige Verlängerung und ihre Begründung unterrichten. Im Falle einer Verlängerung wird entsprechend der Praxis bei früheren Verlängerungen die Mitteilung an die Europäische Kommission im Anschluss an ihre Übermittlung im Bundesanzeiger veröffentlicht werden. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage der Abgeordneten Anette Kramme (SPD) (Drucksache 17/6273, Frage 20): Wie viele Beschäftigte arbeiten in den Integrationsämtern und Bußgeldstellen, die für die Umsetzung der Bußgeldregelung nach § 156 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX zuständig sind - aufgeschlüsselt nach Region und Jahr -, und hält die Bundesregierung diese Beschäftigtenzahl für ausreichend, um angesichts von über 38 000 pflichtwidrig keinen Schwerbehinderten beschäftigenden Arbeitgebern die Durchsetzung der Pflicht der Beschäftigung von Schwerbehinderten wirksam zu kontrollieren? Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 des Ordnungswidrigkeitengesetzes ist nach § 156 Abs. 3 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, SGB IX, die Bundesagentur für Arbeit. Die Integrationsämter haben hier keine Zuständigkeiten, so dass sie kein Personal für die Durchführung von Ordnungswidrigkeitsverfahren beschäftigen. Lediglich die Geldbuße ist an das Integrationsamt abzuführen. Die für die Umsetzung der Bußgeldregelung in der Bundesagentur für Arbeit eingesetzten Personalressourcen werden nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit dort nicht gesondert erfasst, das heißt es wird kein Personal ausschließlich für diese Aufgabe eingesetzt. Deshalb ist hierzu keine Aussage möglich. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage des Abgeordneten Werner Dreibus (DIE LINKE) (Drucksache 17/6273, Frage 21): Welche Erkenntnisse gibt es über Missbrauch und Mitnahmeeffekte beim Vermittlungsgutschein etwa dahin gehend, dass der Gutschein vom privaten Vermittler eingelöst wurde, obwohl der Arbeitsplatz vom Erwerbslosen selbst gesucht wurde, und wie viele Strafverfahren gegen private Arbeitsvermittler wurden in der Vergangenheit mit welchen Rückzahlungsforderungen eingeleitet? Liegen der Agentur für Arbeit oder dem Jobcenter Hinweise auf einen Missbrauchsverdacht vor, werden entsprechende Recherchen eingeleitet. Erhärtet sich der Verdacht, wird Strafanzeige bei der zuständigen Ermittlungsbehörde erstattet. Die Ermittlungsergebnisse werden der Bundesagentur für Arbeit in der Regel nicht mitgeteilt. Bis einschließlich 2010 wurden die eingeleiteten Ermittlungsverfahren nicht erhoben. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit wurden im Jahr 2011 in 27 Fällen Strafanzeige erstattet. Daten über Rückzahlungsforderungen liegen nicht vor. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage des Abgeordneten Werner Dreibus (DIE LINKE) (Drucksache 17/6273, Frage 22): Inwiefern sind nach vorliegenden Evaluierungsergebnissen bestimmte Gruppen von Erwerbslosen bei der Nutzung des Vermittlungsgutscheins benachteiligt - wenn möglich, bitte entsprechende Merkmale nennen -, und wie hat sich die Zahl der privaten Arbeitsvermittler seit 2002 entwickelt? Die Ausgabe eines Vermittlungsgutscheines ist an den Leistungsanspruch geknüpft. Im Rechtskreis SGB III besteht auf die Ausgabe eines Vermittlungsgutscheins bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Rechtsanspruch. Im SGB II hingegen ist er als Ermessensleistung ausgestaltet. Eine Auswertung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, IAB, ergab, dass Jüngere, Männer und Personen mit kurzer Arbeitslosigkeit und langer Beschäftigungsdauer mit besseren Beschäftigungschancen einen Vermittlungsgutschein nutzen (vergleiche IAB-Kurzbericht 21/2010). Die Bundesregierung kann keine Angaben zur Entwicklung der Zahl der privaten Arbeitsvermittler seit dem Jahr 2002 machen. In der zentralen Betriebedatenbank der Bundesagentur für Arbeit waren im Juli 2010 14 383 aktive Betriebsstätten mit dem Haupt-Wirtschaftszweig 781** (Vermittlung von Arbeitskräften) erfasst. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE LINKE ) (Drucksache 17/6273, Frage 23): Wie haben sich die Ausgaben für den Vermittlungsgutschein seit seiner Einführung entwickelt - bitte jeweils die jährlichen Aufwendungen aufführen, insgesamt sowie seit 2005 nach SGB II und SGB III -, und wie nachhaltig ist die Arbeitsmarkteingliederung über einen Vermittlungsgutschein, bitte entsprechende Daten über den langfristigen Verbleib in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung nennen? Die Teilnehmerzahlen und Ausgaben für den Vermittlungsgutschein, VGS, sind beiliegender Tabelle zu entnehmen: Jahr SGB III (Pflichtleistung) SGB II (Ermessensleistung) eingelöste VGS (1.Rate) Ausgaben in Millionen Euro eingelöste VGS (1.Rate) Ausgaben in Millionen Euro 2002 12 950 13,6 2003 35 409 47,0 2004 54 221 74,7 2005 36 504 61,4 13 798 18,9 2006 34 624 58,3 28 423 44,0 2007 33 463 54,7 35 008 51,1 2008 29 741 49,4 31 946 49,3 2009 27 841 45,1 22 237 38,0 2010 29 666 50,8 29 305 43,0 Beschäftigungsverhältnisse, deren Zustandekommen ab 2010 durch eingelöste Vermittlungsgutscheine gefördert wurden, können im Rahmen des Statistikverfahrens danach untersucht werden, wie viele geförderte Personen 6, 9 oder 12 Monate nach dem Förderzeitpunkt, der 6 Wochen nach Beschäftigungsaufnahme liegt, sich in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung befanden oder nicht arbeitslos waren. Um zur Ermittlung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung und damit zur Eingliederungsquote belastbare statistische Ergebnisse zu erlangen, ist es erforderlich für einen Förderzeitraum von 12 Monaten neben dem Untersuchungsintervall auch eine Zeit von 6 Monaten abzuwarten, bis die Beschäftigungsmeldungen an die Sozialversicherung in den statistischen Daten verarbeitet sind. Durch die Betrachtung der Gesamtzahl von Förderungen eines Jahres werden saisonale Schwankungen und eventuelle Sondereffekte ausgeglichen. Somit liegen die entsprechenden Ergebnisse für alle Förderungen im Jahr 2010 erst zum Jahresende 2011 vor. Zu Förderungen durch Vermittlungsgutscheine bis einschließlich 2009 liegen entsprechende statistische Daten zur Beschäftigung 6 Monate nach dem Förderzeitpunkt nicht vor. Zur Beurteilung der Nachhaltigkeit von durch Vermittlungsgutscheine geförderten Beschäftigungsaufnahmen kann auch untersucht werden, wie oft die 2. Rate der Vergütung nach einer sechsmonatigen Beschäftigung bewilligt werden konnte. Im überwiegenden Teil der Fälle, bei denen es nicht zu einer Zahlung der 2. Rate gekommen ist, ist davon auszugehen, dass das Beschäftigungsverhältnis vor Ablauf von 6 Monaten beendet wurde. Von allen zwischen Januar und November 2010 eingelösten 54 700 Vermittlungsgutscheinen wurde in 28 730 Fällen die 2. Rate bewilligt, 52,5 Prozent. Die Ergebnisse seit 2006 können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. Deutschland Zeitreihe, Datenstand: Januar 2010 Merkmale Auszahlungsrate 2006 2007 2008 2009 1 2 3 4 SGB II (VGS neu, Ausgabe ab 2005) nach 6-wöchiger Beschäftigung insgesamt 28 423 35 008 31 946 22 237 nach 6-monatiger Beschäftigung insgesamt 8 677 12 988 15 319 11 843 SGB III (VGS neu; Ausgabe ab 2005) nach 6-wöchiger Beschäftigung insgesamt 33 817 33 033 29 741 27 841 nach 6-monatiger Beschäftigung insgesamt 20 400 19 054 18 228 15 258 SGB III (VGS alt; Ausgabe bis 2004)1) bei Beginn einer Beschäftigung insgesamt 807 430 nach 6-monatiger Beschäftigung insgesamt 596 26 (c) Statistik der Bundesagentur für Arbeit 1) in den Jahren 2005 bis 2007 kam es noch zu Auszahlungen der Restbestände nach altem Recht (gültig bis 2004) Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE LINKE ) (Drucksache 17/6273, Frage 24): Wie haben sich die Teilnehmerzahlen für den Vermittlungsgutschein seit seiner Einführung entwickelt - bitte jeweils Jahreszahlen insgesamt sowie seit 2005 nach SGB II und SGB III nennen -, und wie häufig wird bei der Vermittlung über den Vermittlungsschein in Leiharbeit, Minijobs und nicht bedarfsdeckende Beschäftigung, die mit Hartz IV aufgestockt werden muss, vermittelt (bitte entsprechende absolute und relative Daten nennen)? Die Teilnehmerzahlen können den Tabellen zu Frage Nr. 23 entnommen werden. Weil die Datenbasis und das Messkonzept zur Auswertung der eingelösten Vermittlungsgutscheine, bewilligt 1. Rate, ab Berichtsmonat Januar 2010 umgestellt worden sind, kann die angefragte Auswertung zum Vermittlungsgutschein erst ab dem Jahr 2010 ausgewiesen werden. Die Angaben zu eingelösten Vermittlungsgutscheinen in die Branche der Arbeitnehmerüberlassung können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. Der Vermittlungsgutschein kann nur für eine voll sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich eingelöst werden. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, wie viele der mit einem Vermittlungsgutschein begonnenen Beschäftigungsverhältnisse nicht bedarfsdeckend sind. Eingelöste Vermittlungsgutscheine (bewilligt 1. Rate)1 nach Wirtschaftszweigen der Einstellungsbetriebe Ohne Förderinformationen zugelassener kommunaler Träger (zkT), da Daten an die Statistik der BA nicht übermittelt werden. Deutschland Berichtsjahr 2010 Wirtschaftszweige Deutschland darunter Westdeutschland Ostdeutschland absolut in % absolut in % absolut in % 1 2 3 4 5 6 Insgesamt 58971 100,0 24467 100,0 34494 100,0 davon A Land- und Forstwirtschaft, Fischerei 180 0,3 42 0,2 138 0,4 B Bergbau u. Gewinnung v. Steinen u. Erden 15 0,0 9 0,0 6 0,0 C Verarbeitendes Gewerbe 3452 5,9 1654 6,8 1798 5,2 D Energieversorgung 26 0,0 18 0,1 8 0,0 E WassVers, Abwasser/AbfaN, Umwelt verschm. 302 0,5 124 0,5 178 0,5 F Baugewerbe 4032 6,8 920 3,8 3111 9,0 G Handel; Instandhalt. u. Rep. v. Kfz 5079 8,6 2908 11,9 2171 6,3 H Verkehr und Lagerei 3507 5,9 1733 7,1 1774 5,1 I Gastgewerbe 2532 4,3 983 4,0 1549 4,5 J Information und Kommunikation 415 0,7 233 1,0 182 0,5 K Finanz- u. Versicherungs-DL 186 0,3 86 0,4 100 0,3 L Grundstücks- und Wohnungswesen 299 0,5 98 0,4 201 0,6 M Freiberufl., wissensch. u. techn. DL 1391 2,4 737 3,0 654 1,9 N Sonstige wirtschaftliche DL 30596 51,9 12302 50,3 18293 53,0 darunter 78 Vermittl. u. Überlassung v. Arbeits kräften 22649 38,4 8529 34,9 14119 40,9 O Öffentl.Verwalt.,Verteidigung; Soz.vers. 101 0,2 60 0,2 41 0,1 P Erziehung und Unterricht 351 0,6 123 0,5 228 0,7 Q Gesundheits- und Sozialwesen 2019 3,4 697 2,8 1322 3,8 R Kunst, Unterhaltung und Erholung 371 0,6 219 0,9 152 0,4 S Erbringung v. sonstigen Dienstleistungen 1259 2,1 355 1,5 904 2,6 T PH m. Hauspers.; DL+Herst. v. Waren d. PH 97 0,2 74 0,3 23 0,1 7 Keine Angabe 2760 4,7 1.091 4,5 1661 4,8 9 Keine Zuordnung möglich * * * * Zitierhinweis: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Vermittlungsgutschein (VGS), Berichtsjahr 2010 (c) Statistik der Bundesagentur für Arbeit 1 Ein eingelöster Vermittlungsgutschein (bewilligt 1. Rate) wird in dem Berichtsmonat gezählt, in dem die Voraussetzung für die Zahlung der ersten Rate erfüllt ist, das heißt, eine mindestens sechswöchige Beschäftigung bestanden hat. Hierzu werden zu dem in coSachNT (AV) erfassten Beschäftigungsbeginn 6 Wochen = 42 Tage addiert. * Die erhobenen Daten unterliegen grundsätzlich der Geheimhaltung nach § 16 BStatG. Eine Übermittlung von Einzelangaben ist daher ausgeschlossen. Aus diesem Grund werden bei den Ihnen zur Verfügung gestellten Daten auch Zahlenwerte kleiner 3 und Daten, aus denen sich rechnerisch eine Differenz ermitteln lässt, anonymisiert oder zu Gruppen zusammengefasst. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage des Abgeordneten Markus Kurth (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6273, Frage 25): Wen sollte nach Ansicht der Bundesregierung der nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, SGB II, Leistungsbeziehende bei einem Wohnungswechsel mit der Prüfung der angemessenen Mietkosten des vorgelegten Mietangebotes sowie dem Antrag auf Übernahme ebendieser Mietkosten anschreiben, wenn es aufgrund eines Wohnortwechsels nicht nur zu einem Wechsel des Jobcenters, sondern auch des SGB-II-Trägers kommt? Der Gesetzgeber hat hierzu eindeutig geregelt, dass vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die Leistungserbringung bisher örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen soll. Hierbei ist der für den Ort der neuen Unterkunft örtlich zuständige Träger zu beteiligen (§ 22 Abs. 4 SGB II). Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II sind die kreisfreien Städte und die Kreise Träger der Leistungen, die im Rahmen von Arbeitslosengeld II und Sozialgeld für den Bedarf für Heizung und Träger erbracht werden, soweit nicht durch Landesrecht andere Träger bestimmt sind (kommunale Träger). Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage des Abgeordneten Markus Kurth (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6273, Frage 26): Ist der Bundesregierung bekannt, dass es bei der Bearbeitung ebendieser Mietsachen beim Wohnungswechsel regelmäßig immer dann zu Problemen bezüglich der Zuständigkeiten zwischen den Jobcentern kommt, wenn auch Optionskommunen als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende involviert sind, und wie will die Bundesregierung Sorge dafür tragen, dass die SGB-II-Leistungsbeziehenden wissen, bei welchem Träger sie entsprechende Unterlagen einreichen müssen? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über Probleme bezüglich der Bewilligung von Umzügen vor. Insbesondere liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse darüber vor, dass "regelmäßig immer dann" Probleme auftreten, wenn Optionskommunen beteiligt sind. Soweit das Verwaltungshandeln der Optionskommunen Anlass zu Beanstandungen gibt, sind gegebenenfalls die Länder anzusprechen, denn diese führen die Aufsicht über die kommunalen Träger. Die Bundesregierung wird deshalb den Hinweis auf mögliche Probleme der Erbringung kommunaler Leistungen nach einem Zuständigkeitswechsel zur Erörterung im Bund-Länder-Ausschuss nach § 18 c SGB II vorschlagen. Im Übrigen wird auf die Antwort zur Frage 25 hingewiesen. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Bleser auf die Frage des Abgeordneten Gustav Herzog (SPD) (Drucksache 17/6273, Frage 27): Wann wird die Bundesregierung einen abgestimmten Entwurf des bereits überfälligen Gesetzes zur Neuordnung des Pflanzenschutzrechts vorlegen, und wann rechnet sie mit dem Inkrafttreten der rechtlichen Umsetzung verbindlicher Rechtsakte der Europäischen Union? Die neuen EU-Regelungen im Pflanzenschutzrecht, das sogenannte EU-Pflanzenschutzpaket, werden von der Bundesregierung ausdrücklich begrüßt, insbesondere da sie deutliche Verfahrensvereinfachungen und eine Erhöhung des Schutzniveaus für Mensch und Umwelt vorsehen. Die EU-Zulassungsverordnung gilt unmittelbar in allen EU-Mitgliedstaaten ab dem 14. Juni 2011. National festzulegen sind aber die Zuständigkeiten für die Durchführung der Verfahren, die den Mitgliedstaaten zugewiesen werden. Die sogenannte Pflanzenschutz-Rahmenrichtlinie zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln muss rechtlich umgesetzt werden. Umsetzungsfrist ist der 26. November 2011. Teilweise sind für Regelungsgegenstände der Rahmenrichtlinie bereits im geltenden Pflanzenschutzrecht Regelungen enthalten; Anpassungen sind erforderlich. Der Gesetzentwurf zur Neuordnung des Pflanzenschutzrechts ist somit äußerst umfangreich und dient im Wesentlichen der Umsetzung des "EU-Pflanzenschutzpaketes". In naher Zukunft sollen die Beteiligung der Länder und Verbände sowie die Unterrichtung der Fraktionen erfolgen. Der Entwurf des weiterentwickelten nationalen Aktionsplans zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln wird bis Ende 2011 weiter mit betroffenen Kreisen, Ländern und Bundesbehörden diskutiert werden. Danach wird die Bundesregierung den nationalen Aktionsplan unter Mitwirkung der Länder und nach einer abschließenden Öffentlichkeitsbeteiligung beschließen und bis Ende 2012 der Europäischen Kommission übersenden, wie es die Rahmenrichtlinie vorsieht. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Bleser auf die Frage des Abgeordneten Gustav Herzog (SPD) (Drucksache 17/6273, Frage 28): Wie entwickelt sich der Antragsstau in der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln infolge der derzeit für die Antragsteller unsicheren Rechtssituation, und können die beteiligten Behörden die gesetzten Fristen einhalten? Für die Antragsteller besteht keine unsichere Rechtssituation, da am 14. Juni 2011 zeitgleich mit der EU-weiten Anwendung der "EU-Zulassungsverordnung" als Übergangsregelung das "Gesetz über die vorläufige Durchführung unmittelbar geltender Vorschriften der Europäischen Union über die Zulassung oder Genehmigung des Inverkehrbringens von Pflanzenschutzmitteln" in Kraft getreten ist. Mit diesem Gesetz wird sichergestellt, dass die bisherigen Zuständigkeiten der Bundesbehörden bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln über den 14. Juni 2011 hinaus bestehen bleiben und der bisherigen Rechtslage entsprechen und somit die Kontinuität bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln bis zum Inkrafttreten des neuen Pflanzenschutzgesetzes gewahrt sind. Das Übergangsgesetz soll neben dem derzeitigen Pflanzenschutzgesetz gelten und zusammen mit diesem durch das Gesetz zur Neuordnung des Pflanzenschutzrechtes abgelöst werden. Während zwischenzeitlich in Deutschland eine deutliche Reduktion der Fristüberschreitungen bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln erreicht werden konnte, hat sich dieser Trend in den vergangenen Monaten wieder umgekehrt. Wesentlicher Grund für diese Verfristungen ist die außergewöhnlich starke Zunahme der Zulassungsanträge seit Anfang 2011. Es lagen Anfang Juni bereits mehr Zulassungsanträge vor als im gesamten vergangenen Jahr. Offensichtlich wollten zahlreiche Unternehmen noch Zulassungsanträge stellen, bevor die neue Zulassungsverordnung anzuwenden ist. Es zeichnet sich jedoch bereits ab, dass die Zahl der Zulassungsanträge nun wieder deutlich abnimmt. Ich gehe deshalb davon aus, dass der Antragsstau in den kommenden Monaten wieder reduziert werden kann. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Bleser auf die Fragen der Abgeordneten Cornelia Behm (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6273, Fragen 31 und 32): Welche bundes-, landes- und europapolitischen Maßnahmen können und sollten aus Sicht der Bundesregierung ergriffen werden, um der Krise der deutschen Krabbenfischerei effektiv zu begegnen? Wie bewertet die Bundesregierung in dem Zusammenhang die Forderung, auch für die Krabben eine Fangmengenbegrenzung einzuführen, und wie sollte eine solche gegebenenfalls ausgestaltet werden? Zu Frage 31: Der Krabbenmarkt in Deutschland, wie auch in den Niederlande, Dänemark und Belgien als weitere Krabben produzierende Mitgliedstaaten der EU, ist schon seit Jahren geprägt durch ein Überangebot an Krabben bei gleichbleibender Nachfrage, das sich aus verschiedenen Gründen in den letzten Wintermonaten deutlich erhöht hat. Es ist vornehmlich Aufgabe der Erzeugerorganisationen, das Überangebot marktgerecht zu steuern. Gefordert ist insoweit insbesondere die Transnationale Erzeugerorganisation, denn nur eine gemeinsame, für alle geltende Regelung kann faire und gerechte Preise sicherstellen. Schon im Jahre 2008 hat das BMELV versucht, durch einen Gesetzentwurf zur Durchführung der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft über die Ausdehnung bestimmter von Erzeugerorganisationen des Fischereisektors festgelegter Regeln auf Nichtmitglieder (Allgemeinverbindlichkeitsgesetz) eine Regelung zu schaffen, die von den Erzeugerorganisationen festgelegte Produktions- und Vermarktungsregelungen auf Nichtmitglieder auszudehnen. Dieser vollständig ausgearbeitete Gesetzentwurf stieß jedoch bereits im Vorfeld auf den massiven Widerstand der Küstenländer, die die Folgen einer solchen Ausdehnung der Regelungen auf Nichtmitglieder scheuten. Da die Länder für die Anerkennung der Erzeugerorganisationen zuständig sind, wären sie auch für die Durchführung - einschließlich der notwendigen Sanktionierungen - dieses Gesetzes verantwortlich. Ob die Länder aufgrund der derzeitigen Entwicklung bereit sind, diesen Widerstand inzwischen aufzugeben, ist gegenwärtig noch offen. Zu Frage 32: Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Fangmengenregulierungen nach dem EU-Recht nur aus Gründen der Bestandserhaltung und Nachhaltigkeit vorgenommen werden können, nicht jedoch aus Marktgründen. Des Weiteren muss bedacht werden, dass gerade die Krabbenfischerei als Fischerei auf eine unquotierte Art eine Vielzahl von Ausnahmetatbeständen im Rahmen der technischen Maßnahmen, Beifangregelungen, Seetageregelungen etc. in Anspruch nehmen kann. Mit Einführung einer Quotenregelung auf EU-Ebene muss deshalb davon ausgegangen werden, dass sämtliche Ausnahmetatbestände für die Nordseekrabbenfischerei entfallen würden. Zudem schlägt die EU-KOM derzeit eine Anlandeverpflichtung ab 2013 vor, die dann auch für die Krabbenfischer gelten würde. Es wäre mehr als bedenklich und fachlich nicht zu vertreten, wegen eines kurzzeitigen Zusammenbruches des Marktes eine solche gravierende Änderung der Fischereiregelungen auf Nordseekrabben in Kauf zu nehmen. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Bleser auf die Frage der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/6273, Frage 33): Welche Konsequenzen hätte aus Sicht der Bundesregierung die Aufnahme des Wolfs als bejagbare Art in das Bundes- oder in einzelne Landesjagdgesetze? Der Wolf ist eine nach FFH-Richtlinie streng zu schützende Art, deren Bejagung grundsätzlich verboten ist - Art. 12 in Verbindung mit Anhang IV FFH-Richtlinie. Dieser Schutzstatus müsste bei Aufnahme des Wolfes als jagdbare Tierart ins Jagdrecht auch jagdrechtlich gewährleistet werden. Aus Sicht der Bundesregierung besteht jedoch kein Anlass, den Wolf nach § 2 Abs. 1 des Bundesjagdgesetzes, BJagdG, dem Jagdrecht zu unterstellen. Auch eine Aufnahme des Wolfs ins Landesjagdrecht hätte die Vorgaben der FFH-Richtlinie zu beachten, die ein grundsätzliches Jagdverbot vorsieht. Durch die Aufnahme des Wolfes in das Jagdrecht würden für den Wolf außerdem die speziellen Hege- und Schutzbestimmungen des Jagdrechtes gelten. Beispielsweise ist zu nennen: Nach § 1 Abs. 1 Bundesjagdgesetz ist das Jagdrecht mit der Pflicht zur Hege verbunden, das heißt der Jagdausübungsberechtigte hat sich um einen gesunden Wildbestand und die Pflege und Sicherung der Lebensgrundlagen des Wildbestandes zu bemühen. Nach § 19 a Bundesjagdgesetz ist es verboten, Wild, insbesondere soweit es in seinem Bestand gefährdet oder bedroht ist, unbefugt an seinen Zufluchts-, Nist-, Brut- oder Wohnstätten durch Aufsuchen, Fotografieren, Filmen oder ähnliche Handlungen zu stören. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Peter Bleser auf die Frage der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/6273, Frage 34): Welche bejagbaren Tierarten sind momentan im Bundesjagdgesetz aufgeführt, die ganzjährig nicht bejagt werden dürfen, und wie schätzt die Bundesregierung die Entwicklung der Bestände dieser Arten in den kommenden Jahren unter dem Gesichtspunkt einer Bejagbarkeit ein? Tierarten, die dem Bundesjagdgesetz unterliegen und ganzjährig nicht bejagt werden, sind gegenwärtig: 1. Haarwild: Wisent (Bison bonasus L.) Elchwild (Alces alces L.) Steinwild (Capra ibex L.) Schneehase (Lepus timidus L.) Murmeltier (Marmota marmota L.) Wildkatze (Felis silvestris SCHREBER) Luchs (Lynx lynx L.) Fischotter (Lutra lutra L.) Seehund (Phoca vitulina L.) 2. Federwild: Wachtel (Coturnix coturnix L.) Auerwild (Tetrao urogallus L.) Birkwild (Lyrurus tetrix L.) Rackelwild (Lyrus tetrix x Tetrao urogallus) Haselwild (Tetrastes bonasia L.) Alpenschneehuhn (Lagopus mutus MONTIN) Wildtauben (Columbidae) Wildgänse (Gattungen Anser BRISSON und Branta SCOPOLI) Wildenten (Anatinae) Säger (Gattung Mergus L.) Möwen (Laridae) Haubentaucher (Podiceps cristatus L.) Großtrappe (Otis tarda L.) Graureiher (Ardea cinerea L.) Greife (Accipitridae) Falken (Falconidae) Kolkrabe (Corvus corax L.) Die artenscharfe Konkretisierung der im Bundesjagdgesetz oben genannten Gattungen "Wildtauben", "Wildgänse", "Wildenten" und "Möwen" ergibt sich in Verbindung mit der Bundeswildschutzverordnung. Die Bundesregierung geht gegenwärtig davon aus, dass sich die Bestände von Wildarten mit ganzjähriger Schonzeit in den kommenden Jahren nicht in einem Maße positiv entwickeln werden, dass eine Bejagung in Erwägung gezogen werden könnte. Im Übrigen bedürfte es hierzu einer Änderung von FFH- und Vogelschutzrichtlinie, die gegenwärtig bei vielen dieser Arten ein Jagdverbot vorsehen. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Christian Schmidt auf die Fragen des Abgeordneten Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/6273, Fragen 35 und 36): Wann erklärt die NATO ein Boot für in Seenot geraten und geht zur Rettung über, und inwiefern arbeitet die NATO dabei mit der Europäischen Grenzschutzagentur Frontex zusammen? Welche Maßnahmen unternimmt die Bundesregierung, um die Seenotrettung insbesondere im Mittelmeer und vor dem Hintergrund des Libyen-Krieges zu verbessern, und welche Initiativen hat die Bundesregierung hierzu auf NATO- und EU-Ebene bisher ergriffen? Zu Frage 35: Ein "Seenotfall" ist anzunehmen, wenn der Kapitän eines in Not geratenen Bootes oder Schiffes einen entsprechenden Notruf absetzt bzw. wenn erkennbar ist, dass sich Personen auf See in Lebensgefahr bzw. in Seenot befinden. Für einen Notruf können alle dazu zur Verfügung stehenden Mittel - automatische Systeme, Funk, Leuchtsignale etc. - genutzt werden. Völkerrechtlich besteht für die Schifffahrt die Pflicht zur Hilfeleistung - Art. 98 (1) UN-Seerechtsübereinkommen - United Nations Convention on the Law of the Sea/UNCLOS. Im Falle von Seenot auf der hohen See ist der Kommandant oder Kapitän eines Schiffes, das sich vor Ort befindet, verpflichtet, alles Notwendige zur Rettung von Schiffbrüchigen oder sonst auf See angetroffenen in Lebensgefahr befindlichen Personen zu veranlassen, soweit keine unvertretbare Gefährdung eigener Kräfte besteht. Wenn er in sonstiger Weise von einem Hilfsbedürfnis Kenntnis erhält, eilt er Personen in Seenot zu Hilfe, wenn dies vernünftigerweise von ihm erwartet werden kann. Dies gilt auch für die Kommandanten und Einheiten der Deutschen Marine. Die NATO unterhält keine eigene "Search and Rescue" (SAR)-Organisation im Frieden. Vielmehr werden die durch die Internationale Seeschifffahrtsorganisation - Internationale Maritime Organisation, IMO - festgelegten Standards auch für Kriegsschiffe übernommen. Ein Arbeitsübereinkommen zur Zusammenarbeit zwischen der NATO und Frontex besteht nicht. Bei den im Rahmen der Frontex Joint Operation "Hermes" eingesetzten Schiffen zur Seegrenzüberwachung handelt es sich bis dato ausschließlich um Schiffe der italienischen Behörden. Diese unterliegen in Fällen von Seenot ebenfalls dem UN-Seerechtsübereinkommen. Darüber hinaus gilt die Ergänzung des Schengener Grenzkodexes vom 26. April 2010 sogenannte Frontex Leitlinien. Diese enthält verbindliche Vorschriften für das Abfangen und den Aufgriff von Schiffen bzw. Booten sowie Leitlinien für die Durchführung von Such- und Rettungsmaßnahmen an den Seegrenzen. Im Rahmen der Frontex Joint Operation "Hermes" wurden seit Ende Februar über 9 000 Personen aus Seenot gerettet. Zu Frage 36: Neben der Beachtung der Pflicht zur Hilfeleistung auf See unterliegt die Bundesregierung als Nichtanrainer-Staat im Mittelmeer keinen weitergehenden Pflichten zur Verbesserung der Seenotrettung. Da sich die Bundesrepublik Deutschland im Mittelmeer nicht an der NATO geführten Operation UNIFIED PROTECTOR mit Seekriegsmitteln, Schiffen, Booten beteiligt, wurden seitens der Bundesregierung insoweit keine speziellen Maßnahmen initiiert. Da weder NATO noch Europäischer Union - außerhalb der Pflicht der jeweiligen Schiffe zur Hilfeleistung - eine Rolle für den Fall von Seenotrettungsmaßnahmen zufällt, wurden seitens der Bundesregierung keine Initiativen hierzu ergriffen. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Hermann Kues auf die Frage der Abgeordneten Heidrun Dittrich (DIE LINKE ) (Drucksache 17/6273, Frage 37): Wann wird im Deutschen Bundestag der sechste Altenbericht der Bundesregierung debattiert? Das Bundeskabinett hat am 17. November 2010 den Sechsten Altenbericht behandelt und die dazu unter Federführung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erarbeitete Stellungnahme der Bundesregierung beschlossen. Im Anschluss an die Kabinettbefassung wurde der Sechste Altenbericht ebenfalls am 17. November 2010 dem Bundestag zugeleitet. Mit Interesse erwartet die Bundesregierung die parlamentarische Behandlung des Berichts. Nach § 75 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages können Vorlagen wie Berichte zur Unterrichtung des Bundestages als Verhandlungsgegenstand auf die Tagesordnung des Deutschen Bundestages gesetzt werden. Termin und Tagesordnung jeder Sitzung des Bundestages werden im Ältestenrat vereinbart. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Hermann Kues auf die Fragen der Abgeordneten Caren Marks (SPD) (Drucksache 17/6273, Fragen 38 und 39): Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Zwischenevaluierung des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts an der Universität in Köln "Föderale Finanzierung des Kinderbetreuungsausbaus: Ermittlung der Lastenverteilung", wonach für Gesamtdeutschland die bisherige Ausbaugeschwindigkeit nicht ausreiche und gesteigert werden müsse, um das bundesweite Ausbauziel zu erreichen, und welche Initiativen plant bzw. ergreift die Bundesregierung anlässlich dieses Gutachtens? Welche Initiativen ergreift die Bundesregierung bezüglich der Länder, die ihr landeseigenes Ausbauziel nur schwerlich erreichen, weil sowohl die bisherige Ausbaugeschwindigkeit als auch die Finanzierungsplanung nicht ausreichend sind, um das anvisierte Ausbauziel zu erreichen? Sinn und Zweck der Zwischenevaluierung nach Art. 5 Abs. 3 der Verwaltungsvereinbarung zum Investitionsprogramm "Kinderbetreuungsfinanzierung" 2008 bis 2013 ist die Überprüfung der Erreichung des bundesweit durchschnittlichen Ausbauziels von 35 Prozent - rund 750 000 Betreuungsplätze. Die Bundesregierung hat ihre Finanzierungsbeiträge für die Investitionen in den Ausbau der Kinderbetreuung nachvollziehbar erbracht. Die Mittel des Bundes stehen im Rahmen des Sondervermögens "Kinderbetreuungsausbau" für die Länder bereit. Die Mehrzahl der Länder hat bisher überwiegend die Bundesmittel für die Investitionen eingesetzt. Die Verantwortung liegt damit nun bei den Ländern, zur Erreichung des Ausbauziels verlässliche Finanzierungsanteile am Kinderbetreuungsausbau zu erbringen und damit die Kommunen beim Ausbau zu unterstützen. Die Bundesregierung hat darüber hinaus nach Art. 3 Abs. 3 der Verwaltungsvereinbarung die Möglichkeit, von einzelnen Ländern nicht benötigte Bundesmittel zugunsten anderer Länder zu verteilen. Anlage 27 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Annette Widmann-Mauz auf die Frage der Abgeordneten Dr. Marlies Volkmer (SPD) (Drucksache 17/6273, Frage 40): Wie erklärt und bewertet die Bundesregierung, dass das Robert Koch-Institut, RKI, laut einer offiziellen Stellungnahme erst am 19. Mai 2011 von den Ehec-Infektionen in Hamburg erfahren hat, jedoch in einem Report auf Eurosurveillance.org, der am 2. Juni 2011 erschien und an dessen Erarbeitung mehrere Mitarbeiter des RKI beteiligt waren, davon die Rede ist, dass vom 9. Mai 2011 an eine stetig steigende Zahl von Ehec-Fällen beobachtet wurde, mit einem Maximum von HUS-Fällen am 16. Mai 2011? Die in dem Artikel in der Zeitschrift Eurosurveillance beschriebene stetig wachsende Zahl von Ehec-Fällen ab dem 9. Mai 2011 bezieht sich auf das Datum des Erkrankungsbeginns, nicht auf das Datum der Meldung an das RKI. Beim gegenwärtigen Ehec-Ausbruchsgeschehen wurden im Rahmen der epidemiologischen Analysen retrospektiv alle Erkrankungsfälle, die seit dem 1. Mai 2011 erkrankt waren, aber in der Regel erst später gemeldet wurden, mit einbezogen. Hierbei muss zwischen dem Datum des Erkrankungsbeginns, dem Datum der Diagnose (und gegebenenfalls Krankenhausaufnahme) und dem Datum der Meldung an das Gesundheitsamt unterschieden werden. Nach den Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes, IfSG, muss ein Fall durch den diagnostizierenden Arzt und ein Erregernachweis durch das Labor innerhalb von 24 Stunden an das Gesundheitsamt gemeldet werden. Das Gesundheitsamt überprüft die Information und gibt sie in eine elektronische Datenbank ein. Spätestens am dritten Arbeitstag der folgenden Woche wird die Information an die zuständige Landesbehörde elektronisch übermittelt und von dort spätestens innerhalb einer weiteren Woche elektronisch an das RKI. In der Praxis vergeht vom Beginn der Erkrankung bis zum Arztbesuch bzw. bis zur Krankenhauseinweisung und anschließend bis zur Meldung an das Gesundheitsamt und elektronischen Weiterübermittlung der Daten über die zuständigen Landesstellen an das RKI ein unterschiedlich langer Zeitraum von wenigen Tagen bis zu einigen Wochen. Ehec- und HUS-Fälle treten in geringer Anzahl das ganze Jahr über auf, ohne dass diese einer außergewöhnlichen Häufung oder einem anderen außergewöhnlichem Geschehen zuzuordnen sind. Ein Anstieg der den Gesundheitsämtern gemeldeten und von dort über die zuständigen Landesbehörden an das RKI übermittelten Ehec- und HUS-Fälle über die zu erwartende Zahl hinaus konnte erst ab der 20. Kalenderwoche - Woche vom 16. Mai 2011 - erkannt werden. Das RKI hat erstmalig am 19. Mai 2011 von einer erhöhten Anzahl von HUS-Erkrankungsfällen in Hamburg erfahren. Seit dem 20. Mai 2011 untersucht das RKI in enger Zusammenarbeit mit Gesundheits- und Lebensmittelbehörden des Bundes und der Länder den Ausbruch in Norddeutschland. Die Ursache des Ausbruchs konnte durch die epidemiologischen Studien des RKI, die aufeinander aufbauten, zunehmend eingegrenzt werden. Weitere Informationen hierzu sind unter www.rki.de und www.bmg.bund.de abrufbar. Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Uwe Beckmeyer (SPD) (Drucksache 17/6273, Frage 41): Welches sind die Gründe dafür, dass die für den 1. Juli 2011 geplante Einführung der Lkw-Maut auf vierspurigen Bundesstraßen verschoben werden muss, und warum geht die Bundesregierung davon aus, dass sie trotz einer von der Toll Collect GmbH bereits öffentlich angekündigten Vorlaufzeit von acht Monaten ab Vertragsabschluss im Jahr 2011 50 Millionen Euro an Einnahmen erzielen wird? Eine Aussage hierzu ist der Bundesregierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht möglich, da die Vertragsverhandlungen mit dem Mautbetreiber Toll Collect intensiv geführt werden und andauern. Zum Zeitpunkt der Einstellung von Mautmehreinnahmen in Höhe von 50 Millionen Euro aus der Einführung der Maut auf vierstreifigen Bundesstraßen in den Bundeshaushalt 2011 wurde entsprechend der Erfahrungen in der Vergangenheit bei Vertragsanpassungen davon ausgegangen, dass die Vertragsverhandlungen schneller zum Abschluss kommen. Anlage 29 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Uwe Beckmeyer (SPD) (Drucksache 17/6273, Frage 42): Welche Streckenabschnitte und Brückenbauwerke von Bundesfernstraßen haben die einzelnen Bundesländer im jährlich einzureichenden Erhaltungsprogramm 2011 an das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung gemeldet (bitte in tabellarischer Übersicht nach Bundesländern, Bundesfernstraßen und Maßnahmen unter Bezug auf das finanzielle Volumen und den Beginn der Maßnahme untergliedert darstellen)? Eine zusammenfassende Aufstellung sämtlicher in 2011 geplanten Erhaltungsmaßnahmen mit Angabe der Streckenabschnitte und Brückenbauwerke sowie Maßnahmebeginn liegt der Bundesregierung nicht vor. Eine Übersicht über das finanzielle Volumen des aktuellen Erhaltungsprogramms für 2011 sowie der finanzielle Anteil für Brücken und andere Ingenieurbauwerke für die einzelnen Bundesländer lasse ich Ihnen gerne schriftlich zukommen. Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Andreas Scheuer auf die Fragen des Abgeordneten Hans-Joachim Hacker (SPD) (Drucksache 17/6273, Fragen 43 und 44): Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus dem Beschluss des Bundesrates in der 884. Sitzung vom 17. Juni 2011 mit der Forderung nach einer neuen Regelung der Altschuldenhilfe für ostdeutsche Wohnungsunternehmen, und welche konkreten Schritte der Umsetzung dieses Beschlusses wird die Bundesregierung unternehmen? Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, eine Anschlussregelung für die Altschuldenproblematik ostdeutscher Wohnungsunternehmen an eine Sanierungsverpflichtung für Wohngebäude in Innenstädten zu knüpfen, und ist die Bundesregierung dazu bereit, dies zu unterstützen? Entsprechend dem Kabinettbeschluss vom 22. Juni 2011 zur Gegenäußerung der Bundesregierung werden wir den Vorschlag prüfen. Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6273, Frage 45): Wie steht die Bundesregierung zur Einführung lärmabhängiger Trassenpreise im Schienenverkehr, und welchen konkreten Fahrplan zur Abschaffung des Schienenbonus hat die Bundesregierung? Die Bundesregierung befürwortet eine lärmabhängige Trassenpreisgestaltung bei der Bahn. Die DB Netz AG wurde gebeten, eine lärmabhängige Preiskomponente zum Fahrplanwechsel 2012 einzuführen. Die Koalitionsvereinbarung sieht vor, den Schienenbonus schrittweise zu reduzieren mit dem Ziel, ihn ganz abzuschaffen. Vor diesem Hintergrund werden derzeit differenzierte Aspekte der Lärmcharakteristik, der konkreten schutzbedürftigen Situation, der Wirkung auf den Menschen und der finanziellen Rahmenbedingungen betrachtet. Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6273, Frage 46): Wann ist nach Erkenntnisstand der Bundesregierung mit dem Abschluss der Untersuchungen zum Zugunglück in Hordorf am 29. Januar 2011 auf der Bahnstrecke Magdeburg-Thale zu rechnen, und wann wird der Unfallprüfungsbericht dem Parlament bzw. der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt? Die Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle des Bundes hat die Untersuchungen zum Unfall bei Hordorf vom 29. Januar 2011 abgeschlossen und erstellt zurzeit den Entwurf des Untersuchungsberichts. Gemäß § 5 Abs. 4 Eisenbahn-Unfalluntersuchungsverordnung können sich anschließend die betroffenen Eisenbahnen, Halter, Hersteller, die Sicherheitsbehörde sowie die beteiligten Rettungsdienste innerhalb einer festgelegten angemessenen Frist schriftlich zu diesem Entwurf äußern. Begründete Stellungnahmen, die von den genannten Parteien übermittelt werden, sind im Untersuchungsbericht zu berücksichtigen. Danach wird der Untersuchungsbericht fertiggestellt und veröffentlicht. Zum jetzigen Zeitpunkt ist nicht absehbar, ob und in welchem Umfang Stellungnahmen zum Entwurf des Untersuchungsberichts eingehen werden. Der Untersuchungsbericht soll gemäß § 5 Abs. 5 Eisenbahn-Unfalluntersuchungsverordnung innerhalb eines Jahres nach dem gefährlichen Ereignis fertiggestellt werden. Anlage 33 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6273, Frage 47): Ist die am 9. Juni 2011 bei einem Treffen mit Bundestagsabgeordneten der Oppositionsfraktionen SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag getroffene Aussage des Abteilungsleiters RS im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BMU, Gerald Hennenhöfer, er sehe keine rechtlichen Instrumente, um zu verhindern, dass die vom dreimonatigen Moratorium betroffenen Atomkraftwerke, AKW, nicht "jetzt schon" - also am 9. Juni 2011 und damit vor Ablauf des dreimonatigen Moratoriums - wieder anfahren könnten, so zu verstehen, dass für den BMU-Abteilungsleiter Gerald Hennenhöfer der dem Moratorium zugrundeliegende Gefahrenverdacht mit Vorlage des ersten Berichts der Reaktor-Sicherheitskommission zum "AKW-Stresstest" am 17. Mai 2011 ausgeräumt ist, und, falls ja, warum hat das BMU dann meine diesbezügliche mündliche Frage in der Fragestunde vom 8. Juni 2011 nicht entsprechend bejaht, Plenarprotokoll 17/113, Anlage 32? Unmittelbar mit Vorlage des Berichts der Reaktor-Sicherheitskommission konnte ein Verdacht im Hinblick auf § 19 Abs. 3 Satz 1 des Atomgesetzes, AtG, noch nicht als ausgeräumt angesehen werden, da allein mit der Entgegennahme eines Expertenberichts die zuständigen atomrechtlichen Behörden ihre aufsichtliche Beurteilung noch nicht abgeschlossen haben. Die zitierte Aussage am 9. Juni 2011 bezog sich auf die bevorstehende Situation nach Ablauf der in den Anordnungen nach § 19 Abs. 3 AtG genannten Frist von drei Monaten. Anlage 34 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6273, Frage 48): Ist es zutreffend, dass sich der Abteilungsleiter RS im BMU im Rahmen der vom BMU für die Landesatomaufsichtsbehörden erstellten Vorlage einer Anordnung zur vorübergehenden Betriebseinstellung nach § 19 des Atomgesetzes - sogenanntes dreimonatiges Atommoratorium - für eine spezifischere bzw. bessere Begründung des der Anordnung zugrundeliegenden Gefahrenverdachts einsetzte - gegebenenfalls bitte mit Angabe der von ihm vorgeschlagenen Formulierung -, und, falls ja, weshalb wurden seine Empfehlungen nicht umgesetzt? Die Bundesregierung nimmt die in der Frage zum Ausdruck kommende Besorgnis der Fragestellerin, die zuständigen Abteilungsleiter könnten ihre Auffassungen im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BMU, nicht in ausreichendem Maße zur Geltung bringen, zur Kenntnis. Sie teilt diese Besorgnis nicht. Anlage 35 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Dorothee Menzner (DIE LINKE) (Drucksache 17/6273, Frage 49): Welche Informationen hat die Bundesregierung über den Zustand der Atomkraftwerke Fort Calhoun und Cooper Nuclear Station in Nebraska, USA, die nach Medienberich-ten - junge Welt, 21. Juni 2011 - durch das gegenwärtige Missouri-Hochwasser überschwemmt wurden, und den von ihnen ausgehenden Gefahren für Menschen und Umwelt? In den USA hat der Fluss Missouri zurzeit Hochwasser. Das Hochwasser ist bedingt durch Schneeschmelze in den Rocky Mountains in Montana und Wyoming zusammen mit ergiebigen Regenfällen in Montana und Ablassen hoher Wassermengen aus Talsperren. Von dem Hochwasser sind die Kernkraftwerksstandorte in Fort Calhoun und Cooper in Nebraska betroffen. Die Kernkraftwerksstandorte sind nicht überschwemmt. Nach den Informationen, die der Bundesregierung durch eine Meldung der Aufsichtsbehörde der USA (US NRC), dem Power Reaktor Information System (PRIS) der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) und nach Meldungen der Presse vorliegen, stellt sich die Situation an den Standorten der Kernkraftwerke Fort Calhoun und Cooper in den USA momentan wie folgt dar: Das Kernkraftwerk Fort Calhoun befindet sich zurzeit im kalt abgeschalteten Zustand und ist seit dem 9. April 2011 in Revision. Die Anlage war auf den Anstieg des Missouri vorbereitet und es wurden unter anderem Schutzwälle gegen das Hochwasser errichtet, zusätzliche Dieselvorräte für Notstromdiesel angelegt und Stromleitung auf einem höheren Niveau verlegt. Der Missouri hatte am 19. Juni 2011 einen Pegel von circa 306,5 m über Meeresniveau erreicht. Die Anlage Fort Calhoun ist nach Betreiberaussage bis auf eine Höhe von 308,5 m Meeresniveau geschützt. Das Kernkraftwerk Cooper befindet sich zurzeit im Leistungsbetrieb. Seit dem 30. Mai 2011 wurden Maßnahmen zur Vorsorge gegen Hochwasser getroffen. Es wurden unter anderem Sandsäcke bereitgestellt, Schutzwälle errichtet und die Zufahrtsstraße verstärkt. Sollte der Pegel weiter ansteigen, wird die Anlage abgefahren. Nach Presseangaben lag der Pegel am Montagmorgen, dem 20. Juni 2011, circa 0,46 m unterhalb des Grenzwertes zum Abfahren der Anlage. Am Montagmittag war ein leichtes Abfallen des Pegels sichtbar. Die Bundesregierung geht momentan davon aus, dass von den Kernkraftwerken keine Gefahren für Menschen und Umwelt ausgehen. Anlage 36 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Katherina Reiche auf die Fragen des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6273, Fragen 52 und 53): Unterstützt die Bundesregierung die Forderung des Bundesrates vom 17. Juni 2011 (Bundesratsdrucksache 341/11 (Beschluss)), die Vergütung bzw. Absenkung der Vergütung von Strom aus solarer Strahlungsenergie im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens nicht dahin gehend zu verändern, dass es zu einer weiteren Absenkung der Solarstromförderung über das bisherige Maß des Kabinettsbeschlusses hinaus kommt? Kann sich die Bundesregierung vorstellen, zu erwägen, die kürzlich eingeführte sogenannte Local-Content-Regelung der italienischen Regierung zu übernehmen, mit der eine differenzierte Einspeiseförderung zwischen solchen Solarstromanlagen ermöglicht wird, die zu mindestens 60 Prozent aus inländischer Wertschöpfung stammen, und solchen, die diesen Anteil nicht einhalten, oder denkt die Bundesregierung darüber nach, andere gesetzliche Instrumente zu prüfen, die zwischen Herkunftsländern bzw. Regionen differenzieren, in denen Märkte für Solartechnik geschaffen werden, und jenen, die eine rein exportorientierte Solarförderung betreiben? Zu Frage 52: Der Regierungsentwurf vom 6. Juni 2011 enthält die Position der Bundesregierung. Ob es zu Veränderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, EEG, in Bezug auf die Degression kommt, wird am 30. Juni 2011 im Deutschen Bundestag entschieden. Zu Frage 53: Nein. Es ist mit den WTO-Regelungen nicht vereinbar, den Marktzugang aus industriepolitischen Gründen zu beschränken. Zudem sind Marktzugangsbeschränkungen, die sich gegen andere Mitgliedstaaten der EU richten, vor dem Hintergrund der europarechtlichen Grundfreiheiten grundsätzlich unzulässig. Deutschland würde sich zudem als Exportnation unglaubwürdig machen: Handelsbeschränkungen führen zu Nachteilen bei eigenen Exportanstrengungen. Die Bundesregierung hat sich im Gegenteil das Regierungsziel gesetzt, für die Abschaffung von Zöllen im Rahmen der WTO-Verhandlungen zu Umweltgütern einzutreten. Dies würde sowohl den Entwicklungs- als auch Industrieländern Vorteile bringen und den Handel von Umweltgütern befördern. Die deutsche Solarbranche ist auch selbst auf Export angewiesen: Zellen werden in großem Maße exportiert und Module wieder reimportiert. Auch der Anlagenbau exportiert Produktionsmaschinen für Solarmodule. Vor diesem Hintergrund werden Handelsbeschränkungen nicht erwogen. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Helge Braun auf die Fragen des Abgeordneten Michael Gerdes (SPD) (Drucksache 17/6273, Fragen 54 und 55): In welchem Stadium befinden sich die Pläne für den Bau des Forschungsschiffes "Polarstern II", und welche Kosten werden durch den Neubau voraussichtlich entstehen? Plant die Bundesregierung, die "Polarstern" bis zum Ende des Jahrzehnts weiter als Forschungsschiff zu nutzen, und welche Kosten werden entstehen, um die "Polarstern" entsprechend zu modernisieren? Zu Frage 54: Basierend auf den Empfehlungen des Wissenschaftsrates vom 12. November 2010 zur künftigen Entwicklung der deutschen marinen Forschungsflotte erarbeitet das Bundesministerium für Bildung und Forschung, BMBF, derzeit eine Gesamtschiffsstrategie. Diese Gesamtschiffsstrategie des BMBF beinhaltet unter anderem auch die notwendige Erneuerung der deutschen Forschungsflotte. Hierfür wird das positive Votum des Wissenschaftsrates für einen Neubau des Forschungsschiffes "POLARSTERN" seitens des BMBF als hilfreich für die Realisierung dieses neuen Forschungseisbrechers aufgenommen. Zum jetzigen Verfahrensstand ist eine belastbare Kostenschätzung für einen Nachfolgebau noch nicht möglich. Zu Frage 55: Der Wissenschaftsrat votierte in seinen Empfehlungen vom 12. November 2010 zur zukünftigen Entwicklung der deutschen marinen Forschungsflotte für einen Parallelbetrieb von "FS POLARSTERN I" und "FS POLAR-STERN II" für drei bis fünf Jahre bis zum Ende dieses Jahrzehnts. Bei einer Entscheidung für einen Parallelbetrieb müssen jedoch unter anderem Kostengesichtspunkte und die Frage, wie nachhaltig die wissenschaftliche Arbeit bei zeitlich befristetem Betrieb sein kann, berücksichtigt werden. Auch sind Zweifel hinsichtlich einer europäischen Wissenschafts- und Organisationslösung für die Gestaltung des Parallelbetriebs angebracht. Die Kosten für die Ertüchtigung von "FS POLARSTERN" für einen Weiterbetrieb bis zum Ende des Jahrzehntes werden seitens des Bundesministeriums für Bildung und Forschung auf etwa 30 Millionen Euro geschätzt. Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Helge Braun auf die Fragen der Abgeordneten Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) (Drucksache 17/6273, Fragen 56 und 57): Welche Optionen zur Zukunft des Projekts "Aurora Borealis" werden derzeit auf EU-Ebene diskutiert, und welche Haltung vertritt die Bundesregierung in dieser Frage? Ist es zutreffend, dass, nachdem sich die europäischen Partner nicht auf eine Finanzierung für die "Aurora Borealis" haben einigen können, nunmehr über eine "abgespeckte Variante" des Projekts diskutiert wird, und wie soll diese aussehen? Zu Frage 56: Das ERICON-AURORA-BOREALIS-Projekt wurde aktuell von der ESFRI-Roadmap gestrichen. Das BMBF begrüßt dennoch weiterhin die Ausarbeitung eines Projektplanes zum Bau und Betrieb eines paneuropäischen Forschungsschiffes durch das European Research Icebreaker Consortium/ERICON-AURORA BOREALIS. Dies wird im Rahmen der "Preparatory Phase" für ESFRI-Projekte durch die EU-Kommission finanziert. Die im Frühsommer 2012 zu erwartenden Ergebnisse liefern wichtige und weitreichende Grundlagen für den Bau und Betrieb internationaler Infrastrukturen in der Meeres- und Polarforschung. Zu Frage 57: Im Rahmen der durch die EU-Kommission finanzierten "Preparatory Phase" für ESFRI-Projekte werden die wissenschaftlichen und organisatorischen Voraussetzungen für den Bau und Betrieb eines paneuropäischen Forschungsschiffes durch das European Research Icebreaker Consortium/ERICON-AURORA BOREALIS grundsätzlich geprüft. Zu welchem Ergebnis die Projektplanungen bis Frühsommer 2012 kommen werden, kann derzeit nicht vorweggenommen werden. Auf Basis der derzeitigen Gegebenheiten sind mittelfristig seitens des BMBF keinerlei finanzielle Zusagen für ein paneuropäisches Forschungsschiff möglich. Anlage 39 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Helge Braun auf die Frage der Abgeordneten Ulla Burchardt (SPD) (Drucksache 17/6273, Fragen 58 und 59): Wie viele Stipendien wurden zur Einführung des nationalen Stipendienprogramms im laufenden Sommersemester vergeben - aufgeschlüsselt nach Hochschulen -, und wie bewertet die Bundesregierung die vorliegenden Stipendienzahlen? Wie hoch ist der Umfang der Kofinanzierung durch Unternehmen (aufgeschlüsselt nach Unternehmen)? Die Vergabe der Deutschlandstipendien und die Einwerbung privater Stipendienmittel sind Aufgabe der Hochschulen. Einen verlässlichen Überblick über die Zahl der vergebenen Stipendien bietet die jährliche Bundesstatistik, die erstmals nach Ablauf des Kalenderjahres 2011 erstellt werden wird. Die bislang von den Ländern mitgeteilten Prognosen erlauben weder verlässliche Rückschlüsse hinsichtlich der Stipendienzahlen noch hinsichtlich der privaten Mittelgeber. Anlage 40 Antwort der Parl. Staatssekretä rin Gudrun Kopp auf die Frage der Abgeordneten Sabine Stüber (DIE LINKE) (Drucksache 17/6273, Frage 60): Wann ist mit der Beendigung der Prüfung der offenen Fragen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und damit mit der mir zugesagten Antwort auf meine mündliche Frage vom 6. Oktober 2010 (Plenarprotokoll 17/64, Seite 6741 D) zur Yasuní-ITT-Initiative zu rechnen? Die ecuadorianische Regierung hat ernsthaftes Bemühen gezeigt, auf die Fragen, die vom Deutschen Bundestag und der Bundesregierung gestellt worden sind, einzugehen und eine Klärung herbeizuführen. Die Bundesregierung hat sorgfältig geprüft, ob grundsätzliche Vorbehalte aus dem Weg geräumt werden konnten, und hat sich hierzu intensiv mit der ecuadorianischen Regierung ausgetauscht. Unter anderem bleibt für die Bundesregierung das Problem der fehlenden Abgrenzung der Initiative zu den Forderungen einiger ölfördernder Länder bestehen, die für unterlassene Ölförderung im Rahmen der internationalen Klimaverhandlungen Kompensationen verlangen. Eine Vereinbarung, im Rahmen der ITT-Initiative Kompensationen für den Verzicht auf Ölförderungen zu leisten, könnte als Präjudiz für die Zustimmung der Bundesregierung zu derartigen Forderungen einiger öl- und gegebenenfalls auch gasfördernder Länder in den Klimaverhandlungen missverstanden werden. Solche - im Vergleich zu den im Rahmen von Waldschutzmaßnahmen, REDD - Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation, diskutierten - ungleich teureren Kompensationszahlungen würden daher ein falsches Signal darstellen. Weiterhin bleibt die fehlende Einbettung des Schutzes des Yasuní-Gebietes in einen nationalen REDD-Ansatz mit den international diskutierten Auflagen im Hinblick auf soziale und ökologische Mindeststandards, die Beteiligung zivilgesellschaftlicher Gruppen/Indigener und das notwendige Monitoring von nachzuweisenden Emissionseinsparungen durch Waldschutz bestehen. Die Bundesregierung fördert in Lateinamerika im Rahmen des bestehenden EZ-Engagements Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität, zum Klimaschutz, zum Schutz der indigenen Bevölkerung, zur Förderung erneuerbarer Energien sowie zur sozialen Entwicklung. Mit Blick auf die ITT-Initiative in Ecuador hat die Bundesregierung der ecuadorianischen Regierung eine Anpassung der laufenden Programme an die Ziele der Initiative sowie eine Ausweitung des EZ-Engagements auf den Yasuní-Nationalpark vorgeschlagen. Die Bundesregierung hofft, dass der Dialog über diese Vorschläge im Rahmen der voraussichtlich im Oktober 2011 stattfindenden deutsch-ecuadorianischen Regierungsverhandlungen konkretisiert werden kann. Darüber hinaus hat die Bundesregierung mit UNEP einen Dialog initiiert, um die Frage der Kohärenz der ITT-Initiative mit dem entstehenden REDD-Ansatz in Ecuador zu erörtern. UNEP ist wie Deutschland Partner der ecuadorianischen Regierung bei der Ausgestaltung von REDD in Ecuador. Anlage 41 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Otto auf die Fragen der Abgeordneten Ingrid Nestle (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6273, Fragen 61 und 62): Aufbauend auf welchen Untersuchungen sollen bis 2020 neue Kohle- und Gaskraftwerke in einer Größenordnung von 10 000 MW Leistung gefördert werden, Aussage des Staatssekretärs im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Jochen Homann, bei der Diskussion der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am 20. Juni 2011 - Energate-Meldung vom 20. Juni 2011, und von welchen sonstigen Rahmenbedingungen - Entwicklung der Erzeugung aus erneuerbaren Energien, Verbrauch, Jahreshöchstlast - gehen diese Untersuchungen aus, die einen notwendigen Zubau von Kohle- und Gaskraftwerken in einer Größenordnung von 10 000 MW ermitteln? Welche Bedingungen stellt die Bundesregierung für eine eventuelle Förderung von Kohle- oder Gaskraftwerken, und welche "Anforderungen an die technische und betriebliche Flexibilität neuer Anlagen zur Erzeugung von Energie" plant die Bundesregierung vor einer Förderung aufzustellen, wie es mit der aktuellen Änderung des § 49 Abs. 4 des Energiewirtschaftsgesetzes durch Rechtsverordnung ermöglicht wird? Zu Frage 61: Die Bundesregierung strebt mit ihren energiepolitischen Beschlüssen vom 6. Juni 2011 die Steigerung des Anteils der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch in Deutschland von 17 Pro-zent auf 35 Prozent bis 2020 an. Aufgrund der angestrebten Abschaltung aller Kernkraftwerke bis Ende des Jahres 2022 sowie der Außerbetriebnahme weiterer alter dargebotsunabhängiger Erzeugungskapazitäten in den nächsten Jahren werden für die Integration dieses zunehmenden Anteils erneuerbarer Energien in das Netz aus Gründen der Versorgungssicherheit und Netzstabilität flexible konventionelle Kraftwerke zum Ausgleich der Schwankungen benötigt. Nach Ansicht der Bundesregierung ist hierfür eine schnelle Fertigstellung der derzeit im Bau befindlichen Gas- und Kohlekraftwerke und bis zum Jahr 2020 ein weiterer Zubau von bis zu 10 Gigawatt gesicherter Kraftwerksleistung notwendig. Hierzu soll das angesprochene Kraftwerksförderprogramm einen Beitrag leisten. Zu Frage 62: Die Bundesregierung hat mit ihren Beschlüssen vom 6. Juni 2011 das bereits im Energiekonzept vom September 2010 enthaltene Vorhaben bekräftigt, in den Jahren 2013 bis 2016 den Neubau hocheffizienter und CCS-fähiger fossiler Kraftwerke, vorrangig mit Kraft-Wärme-Kopplung, mit 5 Prozent der jährlichen Ausgaben des Energie- und Klimafonds zu fördern. Dabei sollen nur Betreiber mit einem Anteil von weniger als 5 Prozent der deutschen Erzeugungskapazitäten gefördert werden. Die konkretere Ausgestaltung des deutschen Förderprogramms wird stark von den EU-Vorgaben abhängen. Die Europäische Kommission hatte in einer Erklärung im Energie- und Klimapaket 2008 eine entsprechende beihilferechtliche Möglichkeit grundsätzlich zugesagt. Die Kommission hat nunmehr angekündigt, dass sie diese Option bis spätestens Anfang nächsten Jahres näher kodifizieren will. Das deutsche Programm wird parallel zu diesem Prozess vorbereitet. Ob und gegebenenfalls wie eine Verknüpfung mit den Möglichkeiten zur Regelung der Anforderungen an die technische und betriebliche Flexibilität neuer Anlagen gemäß § 49 Abs. 4 EnWG-E erfolgt, wird in diesem Kontext zu entscheiden sein. Anlage 42 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Otto auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/6273, Frage 63): Welche fossilen Kraftwerke - Brennstoffe, Leistung, Wirkungsgrad etc. - plant die Bundesregierung ausweislich einer Äußerung des Staatssekretärs Jochen Homann bei der Diskussion der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am 20. Juni 2011 (Energate-Meldung vom 21. Juni 2011) zu fördern, und mit welchen Mitteln soll das geschehen? Die von der Bundesnetzagentur durchgeführte Datenabfrage zur Verfügbarkeit von Reservekapazitäten (sogenannte Kaltreserve) ist zurzeit noch nicht abgeschlossen. Belastbare Ergebnisse sind nicht vor August 2011 zu erwarten. Die Ergebnisse der Abfrage werden in die Bewertung der Versorgungssicherheit sowie in die Entscheidung der Bundesnetzagentur über den in § 7 Abs. 1 e der AtomG-Novelle vorgesehenen Reservebetrieb einfließen. Mit den zur Abstimmung stehenden Energiegesetzen sollen den Übertragungsnetzbetreibern Instrumente in die Hand gegeben werden, die es ihnen ermöglichen, aus Versorgungssicherheitsgründen auf verfügbare Reservekapazitäten zurückzugreifen. Anlage 43 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Otto auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/6273, Frage 64): Ab wann wird eine Übersicht der in Kaltreserve stehenden Kraftwerke in Deutschland vorliegen, welche momentan von der Bundesnetzagentur überhaupt erst zusammengestellt wird, und wie passt dieses Vorgehen zur Tatsache, dass bereits in der 26. Kalenderwoche im Deutschen Bundestag gesetzliche Regelungen zur Kaltreserve bei den zur Abstimmung stehenden Energiegesetzen geschaffen werden sollen, ohne dass die hierfür erforderlichen Fakten bekannt sind (siehe Antwort der Bundesregierung zu Frage 58 auf Bundestagsdrucksache 17/6164)? Die Bundesregierung hat mit ihren Beschlüssen vom 6. Juni 2011 das bereits im Energiekonzept vom September 2010 enthaltene Vorhaben bekräftigt, in den Jahren 2013 bis 2016 den Neubau hocheffizienter und CCS-fähiger fossiler Kraftwerke, vorrangig mit Kraft-Wärme-Kopplung, mit 5 Prozent der jährlichen Ausgaben des Energie- und Klimafonds zu fördern. Dabei sollen nur Betreiber mit einem Anteil von weniger als 5 Prozent der deutschen Erzeugungskapazitäten gefördert werden. Die konkrete Ausgestaltung des deutschen Förderprogramms wird stark von den EU-Vorgaben abhängen. Die Europäische Kommission hatte in einer Erklärung im Energie- und Klimapaket 2008 eine entsprechende beihilferechtliche Möglichkeit grundsätzlich zugesagt. Die Kommission hat nunmehr angekündigt, dass sie diese Option bis spätestens Anfang nächsten Jahres näher kodifizieren will. Das deutsche Programm wird parallel zu diesem Prozess vorbereitet. Anlage 44 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Otto auf die Frage der Abgeordneten Dorothee Menzner (DIE LINKE ) (Drucksache 17/6273, Frage 65): Auf welche Informationen stützt die Bundesregierung die Feststellung: "Trotz der Beschleunigungselemente im Infra-strukturplanungsbeschleunigungsgesetz vom 9. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2833) konnten Verzögerungen auf Ebene der Planungs- und Genehmigungsverfahren und bei der Realisierung des Leitungsausbaus nicht verhindert werden und sind weiterhin - auch unter Berücksichtigung des sich noch im Entwurf befindlichen Planungsvereinheitlichungsgesetzes - zu erwarten" in der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Beschleunigung des Netzausbaus Elektrizitätsnetze, Bundestagsdrucksache 17/6073? Die Bundesregierung stützt diese Aussage im Wesentlichen auf die Ergebnisse des Monitoringberichts der Bundesnetzagentur zum Energiewirtschaftsgesetz. Die Bundesnetzagentur lässt sich gemäß § 12 Abs. 3 a des Energiewirtschaftsgesetzes alle zwei Jahre von den Übertragungsnetzbetreibern einen Bericht über die Netzzustands- und Netzausbauplanung vorlegen, um so die Ausbauverpflichtung der Netzbetreiber überprüfen zu können. Daneben hat die Bundesnetzagentur die Übertragungsnetzbetreiber dazu verpflichtet, quartalsweise Statusberichte über den Stand der in den Netzausbauberichten aufgeführten wesentlichen Netzausbauvorhaben zu übermitteln - sogenannte Quartalsberichte. In ihrem letzten Monitoringbericht für das Jahr 2010 hat die Bundesnetzagentur festgestellt, dass es gerade bei Ländergrenzen überschreitenden Leitungsprojekten zu größeren Verzögerungen kommt. Nach ihrem Monitoringbericht sind 15 der im Anhang zum Energieleitungsausbaugesetz aufgeführten Projekte zeitlich dringend und noch nicht abgeschlossen, darunter fünf Ländergrenzen überschreitende Projekte. Zwölf der im Anhang aufgeführten Projekte sind - gemessen am jeweiligen Zieldatum - verzögert. Anlage 45 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Hans-Joachim Otto auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6273, Frage 66): Wie viel Strom will die Bundesregierung mit welchen Maßnahmen bis 2020 einsparen? Die Bundesregierung strebt an, bis 2020 den Stromverbrauch gegenüber 2008 in einer Größenordnung von 10 Prozent zu vermindern. Dazu sollen folgende Maßnahmen beitragen: - der neu geschaffene Energieeffizienzfonds mit seinen vielfältigen Fördermaßnahmen zur rationellen und sparsamen Energieverwendung - die qualifizierte Information und Beratung privater Verbraucher - die transparente Verbrauchskennzeichnung von Pkws und von energieverbrauchsrelevanten Produkten (Umsetzung der Durchführungsmaßnahmen der Ökodesign- und Energieverbrauchskennzeichnungsrichtlinie) - die Förderung von intelligenten Stromzählern ("Smart meter") - die Unterstützung von Eigeninitiativen der Wirtschaft - die Verknüpfung des Spitzenausgleichs im Rahmen der Energie- und Stromsteuer mit Energiemanagementsystemen oder anderen gleichwertigen Maßnahmen ab 2013 - die Berücksichtigung von Energieeffizienz als wichtiges Kriterium bei öffentlichen Aufträgen (zum Beispiel Beschaffung hocheffizienter IT-Technik) - der Ausbau des Energiedienstleistungsmarkts Anlage 46 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Fragen des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6273, Fragen 69 und 70): Inwieweit betrachtet es die Bundesregierung als notwendig, die Formulierung von Menschenrechtsklauseln in Abkommen der Europäischen Union oder Deutschlands mit Drittstaaten weiterzuentwickeln, und inwieweit ist es nach Einschätzung der Bundesregierung erforderlich, die Verfahren und Mechanismen zu verbessern, mit denen die Klauseln umgesetzt werden? Ist das Rückübernahmeabkommen zwischen Italien und dem nationalen Übergangsrat in Bengasi nach Kenntnis der Bundesregierung identisch mit dem Rückübernahmeabkommen zwischen Italien und der Regierung Gaddafis, und, wenn nein, inwieweit unterscheiden sich diese Abkommen in Bezug auf den Stellenwert der Menschenrechte? Zu Frage 69: Aus Sicht der Bundesregierung ist es notwendig, die Menschenrechtsklausel als wesentlichen Vertragsbestandteil in Partnerschafts- und Kooperationsabkommen, PKAs, politischen Rahmenabkommen und Assoziierungsabkommen zu verteidigen, verbunden mit der Möglichkeit, den Vertrag einseitig zu suspendieren, wenn die Menschenrechtsklausel verletzt wird. Darüber hinaus sieht die Bundesregierung Möglichkeiten für den Ausbau und die Stärkung der Mechanismen der Umsetzung der Menschenrechtsklausel: In künftigen Verhandlungen wird die Bundesregierung in den Fällen, in denen über die allgemeine Menschenrechtsklausel hinaus der Menschenrechtsschutz in Vorgängerabkommen nicht erwähnt wird, darauf drängen, dass der Menschenrechtsschutz als Element des politischen Dialogs ausdrücklich aufgenommen wird. Ferner wird sie sich dafür einsetzen, dass der Menschenrechtsschutz in den vertraglich vereinbarten Strukturen der Zusammenarbeit auf die Tagesordnung gesetzt wird und Gegenstand einer echten Erörterung wird. Dies würde die Menschenrechtsklausel besser zur Geltung bringen. Zu Frage 70: Die Bundesregierung hat keine Kenntnis von einem Rückübernahmeabkommen zwischen Italien und dem Nationalen Übergangsrat in Bengasi. Bei dem der Bundesregierung vorliegenden, auf den 17. Juni 2011 datierten "Memorandum of Understanding", MoU, zwischen der italienischen Regierung und dem Nationalen Übergangsrat handelt es sich lediglich um eine Absichtserklärung, mittels Konsultationen zu Vereinbarungen zu gelangen. Nebenabreden gibt es nach Aussage der italienischen Seite nicht. Das MoU nimmt auf das Dokument "A vision of a democratic Libya" Bezug, welches von der libyschen Übergangsregierung am 29. März 2011 veröffentlicht wurde. In diesem wird das Bemühen zur Schaffung eines libyschen Staates unterstrichen, in welchem die Menschenrechte eingehalten und Migrationsfragen unter voller Einhaltung des Asylrechts und der Grundfreiheiten angegangen werden. Anlage 47 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/6273, Frage 71): Welche Inhalte des am 17. Juni 2011 während heftiger militärischer Auseinandersetzungen unterzeichneten "Abkommens" zwischen Italien und der libyschen Opposition zur Verhinderung unerwünschter Einwanderung sind der Bundesregierung bekannt, für das laut italienischem Außenministerium "Ausrüstung" an nicht näher bezeichnete Empfänger geliefert werden soll und in dessen Rahmen auch Flüchtlinge nach Libyen zurückgeschoben werden sollen (dapd, 17. Juni 2011), und welche Auswirkungen hat das Regelwerk, das offensichtlich eine seit 2000 bestehende Vereinbarung zwischen Italien und Libyen formaljuristisch übernimmt und dafür unter anderem vom Hohen UN-Flüchtlingskommissar in Italien wie auch von "Ärzte ohne Grenzen" heftig kritisiert wird, aus Sicht der Bundesregierung auf die Flüchtlings- und Asylpolitik der EU im Mittelmeer bzw. die neue EU-Strategie gegenüber Nordafrika? Die italienische Regierung und der libysche Nationale Übergangsrat haben am 17. Juni 2011 in einem "Memorandum of Understanding", MoU, italienisch "memorando d'intesa", also einer Absichtserklärung, ihren Willen bekundet, auf verschiedenen Politikfeldern zusammenzuarbeiten, unter anderem bei der Bekämpfung der illegalen Einwanderung und der Rückführung von illegalen Einwanderern, und dabei Bezug genommen auf frühere Vereinbarungen zwischen Italien und Libyen. Nach Informationen der italienischen Seite gibt es derzeit noch keine konkreten Vereinbarungen. In Konsultationen soll die Ausgestaltung der Zusammenarbeit geregelt werden. Das Vorgehen der italienischen Regierung beruht auf einer nationalen Entscheidung und steht somit nicht in direktem Zusammenhang mit migrationspolitischen Schritten der EU. Das Interesse Italiens an derartigen Vereinbarungen verdeutlicht aber, welche Herausforderungen mit den derzeitigen Bootsanlandungen aus Nordafrika einhergehen. Die EU engagiert sich daher zum einen für ein besseres Migrationsmanagement in der EU und bietet Unterstützung für EU-Mittelmeeranrainer wie Italien und Malta an (zum Beispiel beim Grenzschutz, finanzielle Hilfen für Befreiung von Flüchtlingen und Migranten). Gleichzeitig strebt die EU den Migrationsdialog und die Zusammenarbeit mit den südlichen Mittelmeeranrainern an, um Migrationsursachen zu beseitigen und ein Migrationsmanagement zum Vorteil beider Seiten zu stärken. Dabei ist die Wahrung des Flüchtlingsschutzes ein zentrales Anliegen der EU. Anlage 48 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/6273, Frage 72): Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Fragestellers, dass der Sicherheitsratsbeschluss zu Libyen (VN-Sicherheitsratsresolution 1973) nicht im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen von 1968 steht, da der Sicherheitsrat nach Art. 39 nur Maßnahmen nach den Art. 41 und 42 empfehlen oder beschließen kann, "um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren oder wiederherzustellen", und der Sicherheitsrat es versäumt hat, im Entschließungsteil der Resolution zu beschließen, dass die vorgeschlagenen militärischen Maßnahmen zur Sicherung des Weltfriedens oder der internationalen Sicherheit ergriffen werden sollen, und welche Anstrengungen unternimmt die Bundesregierung im VN-Sicherheitsrat, um den Krieg in Libyen, der nach Ansicht des Fragestellers im Widerspruch zu Art. 2 Abs. 4 und 7 der Charta der Vereinten Nationen steht, zu beenden? Die Bundesregierung teilt die Auffassung des Fragestellers weder in rechtsförmlicher noch in inhaltlicher Hinsicht. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat den operativen Teil seiner Resolution 1973 (2011) vom 17. März 2011 ausdrücklich unter Kapitel VII der VN-Charta gestellt. Die Art. 41 und 42, auf die Sie Bezug nehmen, sind in diesem Kapitel enthalten. Wenn der Sicherheitsrat unter Kapitel VII handelt, tut er das mit dem Ziel, "den Weltfrieden und die internationale Sicherheit" zu wahren. Der Sicherheitsrat ist in der Formulierung seiner Resolutionen frei. Resolution 1973 stellt den Schutz von Zivilisten in den Vordergrund des Handelns der Staaten. Der Sicherheitsrat, und ich zitiere, "ermächtigt die Mitgliedstaaten ... alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen ..., um von Angriffen bedrohte Zivilpersonen und von der Zivilbevölkerung bewohnte Gebiete ... zu schützen". Die Bundesregierung beteiligt sich inner- wie außerhalb des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen aktiv an den internationalen Bemühungen, den Bürgerkrieg in Libyen zu beenden. Die Voraussetzungen für den politischen Prozess, der hierfür erforderlich ist, müssen allerdings in Libyen selbst geschaffen werden. Anlage 49 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6273, Frage 73): In welcher Form engagiert sich die Bundesregierung - angesichts ihrer besonderen Verantwortung in dem Fall - ergänzend zu der Initiative der EU - vergleiche www.indian express.com/news/eu-opposes-execution-of-deathrow-convict-bhullar-writes-to-chidambaram/805174/ - gegen die Hinrichtung Davinder Pal Singhs in Indien, und welche Konsequenzen zog bzw. zieht die Bundesregierung aus der damals fehlerhaften Abschiebung - vergleiche Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 6. Oktober 1997, Geschäftsnummer E 50399 194.A (1) - von Davinder Pal Singh für Flughafenverfahren und bezüglich der Feststellung von Abschiebungshindernissen insbesondere bei drohender Folter oder Todesstrafe? Der Asylantrag von Herrn Davinder Pal Singh Bhullar wurde am 21. Dezember 1994 vom damaligen Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, BAFI, als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Die Entscheidung wurde getroffen, nachdem Herr Singh Bhullar sowohl widersprüchliche Angaben während des Asylverfahrens gemacht als auch wiederholt falsche Personalien angegeben hatte. Drei aufeinanderfolgende Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz lehnte das zuständige Verwaltungsgericht ab. Auch eine Verfassungsbeschwerde blieb erfolglos. Aufgrund der genannten gerichtlichen Entscheidungen wurde Herr Singh Bhullar am 18. Januar 1995 nach Indien zurückgeschoben. Das Hauptsacheverfahren blieb anhängig. Das Verwaltungsgericht Frankfurt/Main wies mit Urteil vom 6. Oktober 1997 die Klage hinsichtlich der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung ab, stellte aber fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 Ausländergesetz vorlagen. Aus Sicht der Bundesregierung bietet der Fall keine Veranlassung, die Regelungen des Flughafenverfahrens - § 18a des Asylverfahrensgesetzes, AsylVfG - infrage zu stellen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungskonformität dieser Regelungen ausdrücklich bestätigt - vgl. BVerfGE 94, 166, 195 ff. Unabhängig davon hat sich die Bundesregierung - auch gestützt auf die allgemein bekannte Haltung Deutschlands für eine weltweite Abschaffung der Todesstrafe - gegenüber den indischen Behörden wiederholt und nachdrücklich dafür eingesetzt, von der Vollstreckung der Todesstrafe abzusehen, und wird dies auch weiterhin tun. Anlage 50 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Sevim Daðdelen (DIE LINKE) (Drucksache 17/6273, Frage 75): Welche Kenntnisse besitzt die Bundesregierung über die Pläne des Europäischen Auswärtigen Dienstes, EAD, für eine Gemeinsame-Sicherheits-und-Verteidigungspolitik-Mission, GSVP-Mission, im Südsudan, und wie hat bzw. wird sie sich zu diesen Plänen weiter verhalten? Die EU-Sonderbeauftragte für den Sudan, Rosalind Marsden, legte am 8. Juni 2011 ein Strategiepapier zum umfassenden Ansatz der EU gegenüber Sudan und Süd-Sudan vor. Auf dem Gebiet des zivilen GSVP-Engagements werden - mit jeweils unterschiedlichen zeitlichen Perspektiven für ihre Umsetzung - vier mögliche Einsatzszenarien vorgestellt: - Unterstützung beim Aufbau von Sicherheitsstrukturen am Flughafen Juba, Flugsicherung, Grenzschutz, Zoll, - Grenzsicherheit bzw. Grenzschutz im Rahmen des VN-Engagements, - Beitrag zum Aufbau einer Wasserschutzpolizei sowie - Stärkung der südsudanesischen Strafermittlungs- und Strafverfolgungskapazitäten durch Aufbau der Kriminalpolizei. Die Vorschläge der EU-Sonderbeauftragten Marsden erlauben einen guten Einstieg in erste Überlegungen zur Unterstützung eines unabhängigen Süd-Sudan durch die EU. Die Bundesregierung befürwortet ein Engagement im Südsudan, das Instrumente der zivilen GSVP einschliesst, und wird sich an der Diskussion um deren weitere Ausarbeitung und spätere Umsetzung weiter aktiv beteiligen. Anlage 51 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Fragen des Abgeordneten Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) (Drucksache 17/6273, Fragen 76 und 77): In welcher Form hat sich die Bundesregierung bemüht, Erkenntnisse über eine eventuelle Einreise des früheren thailändischen Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra zu erhalten, um meine schriftlichen Fragen auf Bundestagsdrucksache 17/6272 zu beantworten? Ist die Bundesregierung der Darstellung der Badischen Zeitung vom 14. Juni 2011 nachgegangen, dass der frühere thailändische Ministerpräsident Thaksin Shinawatra den thailändischen Kronprinzen in München getroffen haben soll? Zu Frage 76: Das Auswärtige Amt hat am 21. Juni 2011 das Bundesministerium des Innern, das Bundesministerium der Justiz sowie den Deutschen Botschafter in Bangkok um Mitteilung zu etwaigen Erkenntnissen über eine eventuelle Einreise und Aufenthalt von Herrn Thaksin Shinawatra im Bundesgebiet in den vergangenen 12 Monaten gebeten. Die befassten Stellen haben mitgeteilt, dass keine Erkenntnisse über eine Einreise nach Deutschland in diesem Zeitraum vorlägen. Das Auswärtige Amt hat außerdem informell bei der Botschaft des Königreichs Thailand in der Bundesrepublik Deutschland nachgefragt. Auch dort lagen keine Erkenntnisse über einen Aufenthalt in Deutschland vor. Zu Frage 77: Ich verweise auf meine Antwort zu Ihrer ersten Frage. Erkenntnisse über ein angebliches Treffen von Herrn Thaksin mit dem thailändischen Kronprinzen in München liegen der Bundesregierung nicht vor. Anlage 52 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ole Schrö der auf die Fragen des Abgeordneten Memet Kilic (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6273, Fragen 80 und 81): Mit welchen Statistiken kann die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel belegen, dass die Kriminalität von jungen Migranten höher ist als die der Jugendlichen ohne Migrationshintergrund? Sind nach Ansicht der Bundeskanzlerin die mangelnde Chancengleichheit im Bildungssystem und die Perspektivlosigkeit aufgrund finanzieller Schwierigkeiten ursächlich für das angebliche Kriminalitätsproblem, und, wenn nein, wie begründet dies die Bundeskanzlerin? Zu Frage 80: Die Polizeiliche Kriminalstatistik des Bundes erfasst nicht den Migrationshintergrund der Tatverdächtigen, TV, sondern unterscheidet nur nach deutschen und nichtdeutschen TV. Danach ist die Gewaltkriminalität bei deutschen und nichtdeutschen Jugendlichen - 14 bis unter 18 Jahre - zwischen 2007 und 2010 zurückgegangen. Nichtdeutsche Jugendliche - 14 bis unter 18 Jahre - sind beim Anteil der TV an den Gewaltdelikten jedoch statistisch deutlich überrepräsentiert: konkret betrug ihr Anteil in 2010 23,14 Prozent - 2007: 22,6 Prozent - am Gesamttatverdächtigenaufkommen. Demgegenüber betrug der Anteil der jugendlichen deutschen Tatverdächtigen in diesem Deliktsfeld 18,6 Prozent (2007: 22,3 Prozent). Da Aussiedler und eingebürgerte Deutsche bei den deutschen Tatverdächtigen mitgezählt werden, dürfte bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund sogar von einem noch höheren tatsächlichen Anteil am Gesamttatverdächtigenaufkommen bei Gewalttaten auszugehen sein. Getragen wird diese Bewertung zur tatsächlichen Kriminalitätsbelastung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund bei Gewalttaten auch von der Dunkelfeldforschung. Das BMI hat von 2007 bis 2010 gemeinsam mit dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen e. V. das Forschungsprojekt "Jugendliche in Deutschland als Opfer und Täter von Gewalt" durchgeführt. Auch nach diesen Forschungsergebnissen zur selbstberichteten Jugendgewalt begehen Jugendliche mit Migrationshintergrund deutlich häufiger Gewalttaten als Jugendliche ohne Migrationshintergrund. Zu Frage 81: Kriminalität ist in ihren Ursachen komplex und multikausal. Eine Beschränkung auf isolierte Ursachen verbietet sich. Auch nach den Ergebnissen des oben genannten gemeinsamen Forschungsprojekts beruht die insgesamt deutlich höhere Gewalttäterquote von jungen Migranten auf einem Bündel von Belastungsfaktoren, die bei ihnen stärker ausgeprägt sind als bei deutschen Jugendlichen. Von zentraler Bedeutung ist dabei, dass junge Migranten weit häufiger als deutsche Jugendliche Opfer innerfamiliärer Gewalt werden und dass sie öfter Gewalt zwischen den eigenen Eltern beobachten müssen. Anlage 53 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Ole Schrö der auf die Frage der Abgeordneten Sevim Daðdelen (DIE LINKE) (Drucksache 17/6273, Frage 82): Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass im Zusammenhang mit den Antinaziprotesten am 19. Februar 2011 in Dresden eine Funkzellenabfrage angeordnet wurde, obwohl bekannt war, dass sich dort auch viele Mitglieder des Deutschen Bundestages aufgehalten haben und diese einen besonderen grundrechtlichen Schutz genießen, und wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass nach Auffassung der Fragestellerin rechtswidrig erlangte und gespeicherte Daten der betroffenen Bundestagsabgeordneten gelöscht werden? Die Bundesregierung hat bereits im Rahmen der Antwort auf Ihre Schriftliche Frage vom 20. Juni 2011 darauf hingewiesen, keine amtlichen Informationen über die Anordnung von Funkzellenabfragen im Zusammenhang mit den Protesten am 19. Februar 2011 in Dresden zu haben. Unabhängig davon enthält sich die Bundesregierung grundsätzlich einer Bewertung von Maßnahmen, die ein Land im Rahmen seiner Zuständigkeit getroffen hat. Anlage 54 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6273, Frage 83): Wie bewertet die Bundesregierung vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2010 (Az. 1 BvR 256/08; 1 BvR 263/08; 1 BvR 586/08) die Zulässigkeit der Speicherung von Verkehrsdaten aus Funkzellenabfragen für die Dauer von bis zu sechs Monaten? Das geltende Recht sieht eine bestimmte Frist für die Aufbewahrung von Verkehrsdaten, die aus einer Funkzellenabfrage gewonnen wurden, nicht vor. Verkehrsdaten dürfen unter den Voraussetzungen des § 100 g Abs. 2 Satz 2 der Strafprozessordnung, StPO, aufgrund richterlicher Anordnung, nach § 100 g Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 100 b Abs. 1 und 2 StPO, durch eine Funkzellenabfrage erhoben werden. Sind die durch diese Maßnahme erlangten personenbezogenen Daten zur Strafverfolgung und für eine etwaige gerichtliche Überprüfung der Maßnahme nicht mehr erforderlich, sind sie nach § 101 Abs. 8 Satz 1 StPO unverzüglich zu löschen. Das von Ihnen in Bezug genommene Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2010 betrifft die Vorratsdatenspeicherung. Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit unter anderem ausgeführt, dass eine Speicherungsdauer von sechs Monaten angesichts des Umfangs und der Aussagekraft der gespeicherten Vorratsdaten sehr lang ist und an der Obergrenze dessen liegt, was unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten rechtfertigungsfähig ist, Absatz-Nr. 215. Dies bezieht sich indessen auf anlasslos gespeicherte Vorratsdaten. Bei der Funkzellenabfrage werden die Daten hingegen nicht anlasslos, sondern anlassbezogen aufgrund des konkreten Verdachts einer erheblichen Straftat während eines bestimmten Zeitraums erhoben und für Strafverfolgungszwecke ausgewertet und gegebenenfalls verwertet. Hierfür gilt keine Sechsmonatsfrist, sondern die bereits dargestellte Vorgabe des § 101 Abs. 8 StPO, dass die Daten unverzüglich zu löschen sind, sobald sie zur Strafverfolgung sowie für eine etwaige gerichtliche Überprüfung der Maßnahme nicht mehr benötigt werden. Anlage 55 Antwort des Parl. Staatssekretä rs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/6273, Frage 84): Wann genau - angesichts der Absichtserklärung "in Kürze" auf Bundestagsdrucksache 17/5315 - beabsichtigt die Bundesregierung, dem Deutschen Bundestag einen Gesetzentwurf zur Ratifizierung des Protokolls Nr. 12 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten SEV Nr. 177, gezeichnet am 4. November 2000, vorzulegen, und welche Ergebnisse der mehr als zehnjährigen Beobachtung des weiteren Fortgangs der Ratifizierung durch andere Staaten und der Entwicklung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nach dem Inkrafttreten des Protokolls (vergleiche Bundestagsdrucksache 17/5315) führten die Bundesregierung dazu, das Protokoll nun in Kürze ratifizieren lassen zu wollen? Der Bericht der Bundesregierung über den Stand der Zeichnung und Ratifikation europäischer Konventionen ist traditionell in drei Gruppen gegliedert: Abkommen, die ratifiziert sind oder ratifiziert werden sollen, solche, bei denen noch eine längere Prüfung bevorsteht und solche, bei denen keine Ratifikation beabsichtigt ist. Das 12. Protokoll zur EMRK war von Anfang an in Gruppe 1 eingegliedert, da die Bundesregierung davon ausging, dass relativ bald Rechtsprechung des EGMR dazu vorliegen würde, die eine Entscheidung über die Ratifikation ermöglicht hätte. Solche Rechtsprechung lässt aber immer noch auf sich warten. Insofern hat sich mit dem aktuellen Bericht keine veränderte Situation ergeben. Eine Verschiebung in Gruppe 2 hätte als Signal dafür missgedeutet werden können, dass die Bundesregierung der Ratifikation des Protokolls nunmehr skeptischer gegenübersteht. Das ist nicht der Fall; die Haltung der Bundesregierung ist unverändert. II Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 116. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2011 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 116. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2011 III Deutscher Bundestag - 15. Wahlperiode - 38. Sitzung - 4. April 2003 4 13352 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 116. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2011 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 116. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2011 13347