Plenarprotokoll 17/194 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 194. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 26. September 2012 I n h a l t : Erweiterung der Tagesordnung Zusatztagesordnungspunkt 1: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Ratifizierung des Vertrages vom 2. Februar 2012 zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (Drucksache 17/10767) Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) Otto Fricke (FDP) Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) Dr. Norbert Lammert (CDU/CSU) Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) Dr. Peter Danckert (SPD) Dr. Rainer Stinner (FDP) Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2012; weitere Fragen Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister BMI Ralph Lenkert (DIE LINKE) Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister BMI Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister BMI Wolfgang Tiefensee (SPD) Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister BMI Frank Tempel (DIE LINKE) Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister BMI Arnold Vaatz (CDU/CSU) Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister BMI Tankred Schipanski (CDU/CSU) Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister BMI Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP) Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister BMI Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister BMI Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister BMI Steffen-Claudio Lemme (SPD) Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister BMI Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister BMI Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister BMI Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde (Drucksache 17/10736) Mündliche Frage 1 Gerd Bollmann (SPD) Trägerschaft für die geplante einheitliche Wertstofferfassung Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Zusatzfragen Gerd Bollmann (SPD) Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 2 Gerd Bollmann (SPD) Verpackungsverordnung als Grundlage des Wertstoffgesetzes Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Zusatzfragen Ralph Lenkert (DIE LINKE) Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 15 Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) Etwaige Übernahme variabler Vergütungen für Strom aus Biomasse gemäß § 64 f Nr. 2 Erneuerbare-Energien-Gesetz für das gesamte Vergütungssystem Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Zusatzfrage Ralph Lenkert (DIE LINKE) Mündliche Frage 16 Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) Förderung der Systemintegration erneuerbarer Energien durch Kombikraftwerke bzw. virtuelle Kraftwerke Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Mündliche Frage 18 Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einhaltung der von Bundesminister Altmaier angekündigten zeitnahen Einigung bei der steuerlichen Förderung der Gebäudesanierung Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Zusatzfragen Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 31 Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einflussnahme des BMZ auf Veröffentlichungen in geförderten Zeitschriften Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Zusatzfragen Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 34 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Pläne zu einem gesetzlichen Stilllegungsverbot von Kraftwerken und vorgesehene Entschädigungsregelung für Betreiber Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Zusatzfragen Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 35 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vereinfachung des Planungsrechts beim Stromnetzausbau Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Zusatzfragen Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 40 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auswirkungen einer Fusion von EADS und BAE Systems für den europäischen Rüstungsmarkt Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Zusatzfragen Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 41 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einbindung Israels bei Rüstungsexporten in die Nachbarländer Israels Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Zusatzfragen Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 77 Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vorgaben zur Reduktion des Antibiotikaeinsatzes in der Tierhaltung gemäß der Novelle des Arzneimittelgesetzes Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV Zusatzfragen Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 101 Johanna Voß (DIE LINKE) Einweihungsfeier des JadeWeserPorts am 21. September 2012 angesichts eines am Kai liegenden Chemiewrackfrachters mit unbekannten Gefahrstoffen Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Zusatzfrage Johanna Voß (DIE LINKE) Mündliche Frage 102 Johanna Voß (DIE LINKE) Art der Arbeitsverhältnisse der für die Entsorgung und Bergung der „MSC Flaminia“ eingesetzten Mitarbeiter Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Zusatzfrage Johanna Voß (DIE LINKE) Mündliche Frage 103 Jutta Krellmann (DIE LINKE) Prüfung ausreichender Sicherheitsbestimmungen des JadeWeserPorts vor Aufnahme der havarierten „MSC Flaminia“ Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Zusatzfrage Jutta Krellmann (DIE LINKE) Mündliche Frage 104 Jutta Krellmann (DIE LINKE) Erprobte Katastrophenschutzpläne für den JadeWeserPort Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Zusatzfrage Jutta Krellmann (DIE LINKE) Mündliche Frage 107 Herbert Behrens (DIE LINKE) Bergung, Lagerung und Entsorgung der auf der „MSC Flaminia“ befindlichen Gefahrgutcontainer Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Zusatzfrage Herbert Behrens (DIE LINKE) Mündliche Frage 108 Herbert Behrens (DIE LINKE) Fach- und umweltgerechte Entsorgung des Löschwassers von der „MSC Flaminia“ Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Zusatzfrage Herbert Behrens (DIE LINKE) Zusatztagesordnungspunkt 2: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP: Besorgnis über die Parlamentswahlen in Weißrussland Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP) Dr. Rolf Mützenich (SPD) Karl-Georg Wellmann (CDU/CSU) Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Manfred Grund (CDU/CSU) Dietmar Nietan (SPD) Marina Schuster (FDP) Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU) Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) Arnold Vaatz (CDU/CSU) Nächste Sitzung Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Mündliche Frage 3 Ute Vogt (SPD) Bilanz des Onlinebürgerdialogs zum BMU-Thesenpapier zur Fortentwicklung der haushaltsnahen Wertstofferfassung Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 3 Mündliche Frage 4 Ute Vogt (SPD) Gerichtliche Auseinandersetzungen rund um die Verpackungsverordnung Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 4 Mündliche Frage 5 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Regelmäßige Abteilungsleiterrunden und andere regelmäßige Besprechungen der Abteilung „Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen, Strahlenschutz, nukleare Ver- und Entsorgung“ im BMU in der 13. Wahlperiode Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 5 Mündliche Frage 6 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Regelmäßige Berichte an das BMU zum Endlagerprojekt Gorleben in der 13. Wahlperiode Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 6 Mündliche Frage 7 Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Regelung der Aktenablage der persönlichen Schreiben der vormaligen Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Dr. Angela Merkel Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 7 Mündliche Frage 8 Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Persönliche Schreiben der vormaligen Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und Sicherheit Dr. Angela Merkel zum Endlagerprojekt Gorleben aus der 13. Wahlperiode Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 8 Mündliche Frage 9 Frank Schwabe (SPD) Forderungen der Bundesregierung für das Klimaschutzziel der EU für das Jahr 2030 Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 9 Mündliche Frage 10 Frank Schwabe (SPD) Zählung der Projekte des Clean Development Mechanism (CDM) in Indien als nicht „zusätzlich“ Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 10 Mündliche Frage 11 Dr. Matthias Miersch (SPD) Instrumente der geplanten Bundeskompensationsverordnung Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 11 Mündliche Frage 12 Dr. Matthias Miersch (SPD) Konkretisierung des Begriffs „Rücksichtnahme auf agrarstrukturelle Belange“ in der geplanten Bundeskompensationsverordnung Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 12 Mündliche Frage 17 Dirk Becker (SPD) Bereinigte Darstellung der EEG-Umlage auf der Stromrechnung Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 13 Mündliche Frage 19 Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) Einbeziehung Geschädigter ziviler Einrichtungen in Ausgleichsmaßnahmen für Radargeschädigte der Bundeswehr und der ehemaligen NVA Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 14 Mündliche Frage 20 René Röspel (SPD) Ertüchtigung von Unternehmen für die Einwerbung von Aufträgen im Zusammenhang mit der Errichtung des ITER Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 15 Mündliche Frage 21 René Röspel (SPD) Zeitplan bezüglich der weiteren Entwicklungsschritte bis zur Inbetriebnahme des ITER sowie des Projekts „Wendelstein 7-X“ Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 16 Mündliche Frage 22 Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) Entwicklung von Fusionsreaktoren in China Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 17 Mündliche Frage 23 Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) Forderung nach Einstellung der Förderung für das Projekt „Wendelstein 7-X“ Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 18 Mündliche Frage 24 Klaus Hagemann (SPD) Verteuerung von Vorhaben mit Erwähnung im Titel für Stilllegung und Rückbau früherer Forschungsreaktoren Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 19 Mündliche Frage 25 Oliver Kaczmarek (SPD) Potenzialanalysen im Rahmen des Sonderprogramms Berufseinstiegsbegleitung seit 2010 Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 20 Mündliche Fragen 26 und 27 Michael Gerdes (SPD) Ablehnung bisher förderfähiger Projekte zum Berufsorientierungsprogramm des BMBF im Jahr 2012; etwaige Veränderungen im Auswahlverfahren Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 21 Mündliche Frage 28 Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Förderung weiterer Projekte für 2012 aus dem Berufsorientierungsprogramm des BMBF aus nicht benötigten Mitteln Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 22 Mündliche Frage 29 Swen Schulz (Spandau) (SPD) Gesamtkonzept zur Integration von Menschen ohne Berufsabschluss in den Arbeitsmarkt Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 23 Mündliche Frage 30 Swen Schulz (Spandau) (SPD) Zielerreichung im Programm „Jobstarter Connect“ Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 24 Mündliche Frage 32 Dr. Bärbel Kofler (SPD) Bildung als Schwerpunkt der Entwicklungszusammenarbeit Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Anlage 25 Mündliche Frage 33 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Steinkohlesubventionen seit 1950 Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 26 Mündliche Fragen 36 und 37 Martin Dörmann (SPD) Anzahl und Bearbeitungsdauer bei Anträgen auf Richtfunkgenehmigungen bei der Bundesnetzagentur und Maßnahmen zur fristgerechten Antragsbescheidung Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 27 Mündliche Fragen 38 und 39 Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Etwaige Nichtverlängerung des bilateralen Investitionsförderungs- und schutzvertrags durch Südafrika und Überarbeitungsbedarf Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 28 Mündliche Frage 42 Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Rüstungsexporte nach Indonesien Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 29 Mündliche Frage 43 Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Konsequenzen aus der Nichtzulassung einer Beobachtungsmission der Internationalen Arbeitsorganisation zur Baumwollernte in Usbekistan für die entwicklungspolitische Zusammenarbeit Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 30 Mündliche Frage 44 Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Folgen der wiederholten Absagen Usbekistans von Delegationsreisen des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe nach Usbekistan für das deutsche Regierungshandeln Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 31 Mündliche Frage 45 Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Weitere Nutzung des Lufttransportstützpunkts Termez in Usbekistan durch die Bundeswehr Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 32 Mündliche Frage 46 Ulla Jelpke (DIE LINKE) Strafverfahren gegen den nigerianischen Studenten Olaolu Sunkanmi Femi in der ostukrainischen Stadt Lugansk Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 33 Mündliche Frage 47 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Erhöhung der Truppenstärke bei gemeinsamen Patrouillen und Ausbildung mit afghanischen Sicherheitskräften laut Beschluss des Regionalkommandos von ISAF und NATO; Überdenken des deutschen Konzepts des Partnering für die Kriegsführung in Afghanistan Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 34 Mündliche Fragen 48 und 49 Klaus Brandner (SPD) Folter und Menschenrechtsverletzungen in georgischen Haftanstalten und Beseitigung dortiger Missstände Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 35 Mündliche Frage 50 Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Pilotphase bei Projektanleihen zur Mobilisierung von Investitionen Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 36 Mündliche Frage 51 Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Nutzung der Mittel der Connecting Europe Facility im Finanzrahmen 2014 bis 2020 Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 37 Mündliche Fragen 52 und 53 Gabriele Hiller-Ohm (SPD) Kosten der Verlagerung der bislang in Lübeck stationierten Technischen Einsatzhundertschaft der Bundespolizei zum Standort Ratzeburg; Zeitplan des Umzugs und Nachnutzung der Gebäude Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 38 Mündliche Frage 54 Andrej Hunko (DIE LINKE) Unterstützung ausländischer Polizeibehörden; EU-Standards und Best Practice Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 39 Mündliche Frage 55 Andrej Hunko (DIE LINKE) Vergabe von Aufträgen bei Einrichtung der Rechtsextremismus-Datei und Erhöhung des Informationsgehalts der dort bevorrateten Daten Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 40 Mündliche Frage 56 Memet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Etwaige Ermittlungen gegen den Polizisten K. A. wegen Unterstützung des NSU Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 41 Mündliche Frage 57 Memet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zusammenhang zwischen dem Aussetzen der Plakataktion „Vermisst“ und dem Mohammed-Schmähvideo Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 42 Mündliche Frage 58 Sevim Da?delen (DIE LINKE) Rechtliche und sonstige Maßnahmen zur Verhinderung der öffentlichen Aufführung des Films Innocence of Muslims Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 43 Mündliche Frage 59 Sevim Da?delen (DIE LINKE) Straftatbestand der Volksverhetzung durch den Film Innocence of Muslims Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Anlage 44 Mündliche Fragen 60 und 61 Dr. Sascha Raabe (SPD) Entwicklungspolitische Beurteilung der von der US-Börsenaufsicht vorgelegten Durchführungsbestimmungen zu Art. 1504 Dodd-Frank-Act und der Position des Rechtsausschusses des Europäischen Parlaments zu Kap. 9 der Bilanzrichtlinie Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Anlage 45 Mündliche Frage 62 Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Termin der schriftlichen Bitte der Bundesregierung gegenüber der EU-Kommission zur verstärkten Zusammenarbeit mit dem Ziel der Einführung einer Finanztransaktionsteuer Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 46 Mündliche Frage 63 Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Konsequenzen der Bundesregierung aus den Änderungen am wirtschaftlichen Anpassungsprogramm für Portugal und etwaige Befassung des Deutschen Bundestages Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 47 Mündliche Frage 64 Diana Golze (DIE LINKE) Auswirkung der Entscheidung des Bundesfinanzhofes zur Körperschaftsteuerpflicht für Kitas Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 48 Mündliche Frage 65 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Konsequenzen aus dem Urteil des Bundessozialgerichts zur Übernahme von Kosten bei im Haushalt der Eltern lebenden grundsicherungsberechtigen Kindern; Forderung nach einer Änderung des SGB XII Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 49 Mündliche Frage 66 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Untersuchung des Einflusses einer Behinderung auf Reichtum und Armut im Rahmen des 4. Armuts- und Reichtumsberichts Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 50 Mündliche Frage 67 Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Angemessenheit eines Entgegenwirkens der Tendenz der Konzentration des Vermögens bei den obersten 10 Prozent der Bevölkerung Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 51 Mündliche Frage 68 Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Nachhaltige Finanzierung öffentlicher Aufgaben aus privatem Reichtum Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 52 Mündliche Frage 69 Willi Brase (SPD) Erreichbarkeit der Fördermaßnahme Einstiegsqualifizierung auch für Auszubildende mit sozialer Benachteiligung und Lernbeeinträchtigung Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 53 Mündliche Frage 70 Willi Brase (SPD) Ermöglichung eines Berufsschulbesuchs für Teilnehmer an einer Einstiegsqualifizierung; Berücksichtigung von Qualifizierungsbausteinen aus dem Programm „Jobstarter Connect“ Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 54 Mündliche Frage 71 Oliver Kaczmarek (SPD) Übermittlung von Daten durch die Bundesagentur für Arbeit seit März 2011 gemäß SGB III Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 55 Mündliche Frage 72 Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Anzahl der nach SGB III finanzierten Berufseinstiegsbegleiter Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 56 Mündliche Frage 73 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Entwicklung der wöchentlichen Arbeitszeit geringfügig Beschäftigter und des Verdienstabstands zu sogenannten Normalarbeitnehmern in den letzten 20 Jahren Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 57 Mündliche Frage 74 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Vermittlung von Arbeitskräften in das Unternehmen S-Direkt durch die Arbeitsagentur Halle seit Beginn des dortigen Streiks am 9. Juli 2012 Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 58 Mündliche Frage 75 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Wachstumspotenzial beim Selbstversorgungsgrad mit Fleisch in Deutschland Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 59 Mündliche Frage 76 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Fleischexportkonzept der Bundesregierung und Annahmen über Steigerungsraten der Fleischproduktion in Deutschland; ökologische Grenzen bei den Mastplatzzahlen Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 60 Mündliche Frage 78 Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Risiken der Importzulassung der gentechnisch veränderten Maissorte NK603 Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 61 Mündliche Frage 79 Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verringerung der Belastung von Mensch und Umwelt mit Rückständen glyphosathaltiger Pestizide Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 62 Mündliche Frage 80 Dirk Becker (SPD) Änderung der Förderung des Maiseinsatzes im Rahmen der Biomasseverordnung Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 63 Mündliche Frage 81 Ulla Jelpke (DIE LINKE) Unterstützung der Produktion des Films Auslandseinsatz durch die Bundeswehr Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 64 Mündliche Frage 82 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Nachwuchsgewinnung der Bundeswehr über „Bw-Adventure Camps“ und Vereinbarkeit mit der UN-Kinderrechtskonvention Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 65 Mündliche Frage 83 Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Besitz und Verwendungszweck von Phosphorbomben in der Bundeswehr Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 66 Mündliche Frage 84 Gustav Herzog (SPD) Korridorstudie zur Entlastung des Mittelrheintals und zur ergebnisoffenen Prüfung von Neubaustrecken Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 67 Mündliche Frage 85 Gustav Herzog (SPD) Geplante Schließung von Wasser- und Schifffahrtsämtern im Jahr 2020 im Zuge der Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 68 Mündliche Fragen 86 und 87 Uwe Beckmeyer (SPD) Umsetzung der Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) vor Befassung des Deutschen Bundestages mit dem 5. Bericht des BMVBS zur Reform der WSV; Vorlage entsprechender Gesetze und Realisierbarkeit Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 69 Mündliche Frage 91 Ulrich Kelber (SPD) Auslastung der Güterverkehrskorridore „Rhein“ und „Ostfrankreich“ Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 70 Mündliche Frage 92 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Von der Alkali-Kieselsäure-Reaktion betroffene Abschnitte auf Bundesfernstraßen und bereits erfolgte Sanierungen Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 71 Mündliche Frage 93 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verhandlungsstand des Notifizierungsverfahrens für Beihilfen für den Flughafen Berlin Brandenburg Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 72 Mündliche Frage 94 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Aufgaben der „Soko Flughafen“ im BMVBS hinsichtlich der Bauverzögerungen am Flughafen Berlin Brandenburg und bisherige Ergebnisse Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 73 Mündliche Fragen 97 und 98 Ute Kumpf (SPD) Inhalt und Vorlage der Denkschrift zum Staatsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zu den Auswirkungen des Betriebs des Flughafens Zürich auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 74 Mündliche Fragen 99 und 100 Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) Verbotene Chemikalien in der Ladung der „MSC Flaminia“; Transport der Ladung als möglicher Verstoß gegen internationale Regelungen bzw. mögliche Lieferung von Kampfstoffen in Krisenländer Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS 194. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 26. September 2012 Beginn: 14.00 Uhr Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Interfraktionell ist vereinbart, die heutige Tages-ordnung um die Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung zur Ratifizierung des Vertrages vom 2. Februar 2012 zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus auf Drucksache 17/10767 zu erweitern und diese jetzt gleich als Zusatzpunkt 1 mit einer Debattendauer von einer halben Stunde aufzurufen. – Sind Sie damit einverstanden? – Ich sehe keinen Widerspruch. Dann können wir so verfahren. Ich rufe somit den soeben aufgesetzten Zusatzpunkt 1 auf: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Ratifizierung des Vertrages vom 2. Februar 2012 zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus – Drucksache 17/10767 – Es ist vereinbart, die Debattendauer auf eine halbe Stunde zu begrenzen. – Auch dazu gibt es keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Parlamentarischen Staatssekretär Steffen Kampeter das Wort. Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben heute einen wichtigen Schritt getan, um den ESM als einen robusten Krisenmechanismus schnellstmöglich in Gang zu setzen und damit ein wichtiges Instrument der Krisenbekämpfung zur Hand zu haben. Denn die Bundesregierung hat heute in ihrer Kabinettssitzung beschlossen, wie Deutschland zusammen mit unseren europäischen Partnern die Maßgaben erfüllen wird, die das Bundesverfassungsgericht uns in seinem Urteil zu ESM- und Fiskalvertrag vorgegeben hat, bevor Deutschland durch Hinterlegung der Ratifikationsurkunde den ESM-Vertrag nunmehr mit den anderen Partnern in Kraft setzen darf. Lassen Sie mich dazu kurz rekapitulieren: Das Bundesverfassungsgericht hatte im September über Anträge zu entscheiden, die den ESM-Vertrag wie auch den Fiskalvertrag endgültig stoppen wollten und damit Deutschland in dieser Krise hätten handlungsunfähig werden lassen. Das Bundesverfassungsgericht hat – nach intensiver mündlicher Verhandlung – in seinem Urteil vom 12. September 2012 sowohl den Fiskalvertrag als auch den ESM-Vertrag grundsätzlich gebilligt und für verfassungskonform erklärt. Dies ist ein gutes Signal für die europäische Integration. (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Entgegen der Auffassung der Kläger hat das Bundesverfassungsgericht – bei der im einstweiligen Verfahren erfolgten summarischen Prüfung – bestätigt, dass der ESM-Vertrag nach der gemeinsamen Lesart von Bundestag und Bundesregierung nicht die Budgetrechte verletzt. Lassen Sie mich auch betonen: Das Gericht hat auch das ESM-Finanzierungsgesetz bestätigt und festgestellt, dass die umfangreichen und europaweit sicherlich außergewöhnlichen, weil beispielhaften Beteiligungsrechte, die das deutsche Parlament beim laufenden Betrieb des ESM haben wird, ausreichende Einwirkungs- und Steuerungsmöglichkeiten des Bundestages garantieren. Entgegen allen Vorbehalten hat das Bundesverfassungsgericht auch die Ansicht der Bundesregierung und des Bundestages bestätigt, dass der ESM keine Haftungsautomatismen begründet und die Zahlungsverpflichtungen nach sinnvoller und wahrscheinlicher Auslegung des Vertragswerks stets auf den von Bundestag und Bundesrat in den Umsetzungsgesetzen genehmigten Anteil am Stammkapital begrenzt sind. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist sicherlich auch ein Signal für mehr Rechtsfrieden und mehr Entspanntheit in der Debatte um ESM und Fiskalpakt gewesen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) In den Hausaufgaben, die das Bundesverfassungsgericht uns als Gesetzgeber und Bundesregierung aufgegeben hat, bevor wir dann den ESM in Kraft setzen können, hat es uns weder vorgegeben, den ESM-Vertrag zu ändern, noch, die entsprechenden Vorschriften neu zu verhandeln. Es fordert lediglich in zwei Punkten interpretative bzw. Rechtssicherheit schaffende Erklärungen. Dass der Vertrag folgendermaßen interpretiert werden sollte, ist auch Auffassung der Bundesregierung, wie wir in diesem Verfahren betont haben: Erstens. Wir sollen sicherstellen, dass unsere Haftung stets auf unseren Anteil am genehmigten Stammkapital begrenzt ist. Dies gilt insbesondere für alle Fälle des Kapitalabrufs, und eine Änderung darf nur mit Zustimmung des deutschen Vertreters im ESM erfolgen. Wir haben zweitens sicherzustellen, dass die Regelungen des ESM-Vertrags zu Immunitäten, zur Unverletzlichkeit der Archive und zu den beruflichen Schweigepflichten – weder in Deutschland noch in irgendeinem anderen Land – der notwendigen und umfassenden parlamentarischen Kontrolle nicht entgegenstehen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, beides haben wir getan. Bereits bei der Euro-Gruppensitzung in Zypern am vorvergangenen Freitag haben wir über die Botschaft aus Karlsruhe gesprochen. Wie erwartet, -bestand und besteht zwischen den Signatarstaaten der Verträge inhaltlich ohnehin Einigkeit über die vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene Auslegung des Vertrags. Insofern wurde schnell Einvernehmen darüber hergestellt, dass wir die Vorgaben unseres Gerichts durch eine gemeinsame verbindliche Auslegungserklärung umsetzen. Wir haben dann in der vergangenen Woche den Text der Erklärung und das genaue Verfahren zügig ausverhandelt und natürlich umfassend rechtlich prüfen lassen. Heute Nachmittag werden wir nun die Botschafter bitten, die gemeinsame Erklärung, die exakt die inhaltlichen Punkte, die das Bundesverfassungsgericht vorgegeben hat, völkerrechtlich verbindlich festschreibt, für ihre Staaten rechtsverbindlich anzunehmen. Zusätzlich erklären wir – wie auch unsere Vertragspartner – eindeutig, dass diese Auslegung eine wesentliche Grundlage dafür darstellt, dass wir uns an diesen Vertrag gebunden fühlen. Diese Erklärung wird dann dem Ratssekretariat als Depositar, das heißt als Verwahrer des ESM-Vertrags, notifiziert. Zusätzlich wird Deutschland bei der erst im Anschluss daran erfolgenden Hinterlegung der Ratifikationsurkunde noch einmal explizit auf diese gemeinsame Erklärung Bezug nehmen und damit ihre Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland unterstreichen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Erklärung wird durch dieses Verfahren rechtsverbindlich – entgegen irgendwelchen anderen Auffassungen handelt es sich eben nicht nur um eine politische, sondern um eine rechtsverbindliche Erklärung – und ist zukünftig zwingend von den ESM-Vertragsparteien, von den ESM-Gremien und im etwaigen Streitfall auch vom EuGH als zum Vertrag zugehörig heranzuziehen. Es herrscht völliges Einvernehmen in der Bundesregierung, dass wir damit die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts vollumfänglich und rechtssicher umsetzen. Eine erneute Ratifizierung der Erklärung oder sonstige verfassungsrechtliche Zustimmungserfordernisse für Bundestag und Bundesrat löst diese Erklärung nicht aus. Denn sie ändert ja den ESM-Vertrag gerade nicht, sondern sie bestätigt das, was wir wollen, nämlich den Inhalt, den Bundestag und Bundesrat ihm ohnehin beim Gesetzgebungsverfahren durch Erklärung hier im Deutschen Bundestag, aber auch durch die Texte gegeben haben. Lassen Sie mich, Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, zum Abschluss auch darauf hinweisen, dass es uns damit zusammen mit unseren europäischen Partnern gelungen ist, Handlungsfähigkeit auf europäischer Ebene zu beweisen und besonders schnell grünes Licht für den ESM zu schaffen. Gerade angesichts der oftmals schwerfälligen, weil sehr förmlichen Prozesse im Bereich des Völkerrechts ist das ausdrücklich zu erwähnen. Wenn wir dann den ESM in den nächsten Tagen in Kraft setzen, haben wir ein wesentliches Instrument zur Überwindung der Krise im Euro-Raum eingerichtet und können damit in diesem nach wie vor unruhigen Markt-umfeld effektiv agieren. Ich freue mich über die breite Unterstützung für unser Vorgehen, nicht nur aus den eigenen Reihen, also seitens der Koalition, sondern auch aus den Reihen der Opposition. Dieses Miteinander war sicherlich auch ein wichtiges Moment gegenüber dem Verfassungsgericht. (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich glaube, wir tun gut daran, deutlich zu machen, dass der ESM nur ein Teil der Krisenbewältigungsstrategie ist, die wir in Europa umzusetzen haben, und zwar nur der Teil, der im Bereich der europäischen Gesamtverantwortung liegt. Die Staatsschuldenkrise kann und wird nur dadurch zu bekämpfen sein, dass wir für nationale Verantwortung für mehr fiskalische Disziplin, für ausgeglichene Haushalte und für die Steigerung von Wettbewerbsfähigkeit in allen Mitgliedsländern Europas werben. In diesem Sinne wird die Bundesregierung weiterhin daran arbeiten, das gemeinsame Haus Europa stabiler für Deutschland und für Europa zu machen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Den letzten Satz hätten Sie sich sparen können!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Kollege Carsten Schneider. (Beifall bei der SPD) Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal: Die von der Bundesregierung heute beschlossene Protokollerklärung tragen wir mit und nehmen sie zur Kenntnis. Sie entspricht den Vorgaben, die das Verfassungsgericht gemacht hat. Die SPD-Fraktion hat während der Rativizierungsverfahren zum ESM-Vertrag insbesondere darauf Wert gelegt, dass die Gremien des ESM gegenüber dem Bundestag auskunftspflichtig sind. Unseren Anträgen ist die Koalition gefolgt. Es ist gut, dass wir dies jetzt hier noch einmal klarstellen. Der entscheidende Punkt ist allerdings: Sie, sehr geehrter Herr Staatssekretär Kollege Kampeter, haben eben gesagt, die Haftungssumme Deutschlands sei damit klar begrenzt; der ESM sei nur ein Teil der Strategie zur Lösung der europäischen Krise. Ich sehe sie als Finanzkrise an; (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sie haben sie als Staatsschuldenkrise bezeichnet. Damit widersprechen Sie Ihrem Finanzminister; aber das Recht auf freie Meinung soll auch in der Bundesregierung gelten, selbst wenn Sie in diesem Fall falschliegen. Interessant ist bei diesem entscheidenden Punkt nun, worüber Sie nicht gesprochen haben. Es geht um einen Sachverhalt, der auch noch im Hauptsacheverfahren eine Rolle spielen wird, nämlich die unbegrenzten Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank. Wenn Sie hier den Eindruck erwecken, als wäre die Haftung Deutschlands auf die Summe begrenzt, die im ESM-Vertrag festgelegt ist, dann, sehr geehrter Kollege Kampeter, führen Sie die Öffentlichkeit an der Nase herum. Die Haftungssumme ist deutlich höher. Ich finde, dass der Deutsche Bundestag darüber reden muss, weil es wichtig ist, politische Akzeptanz dafür zu erreichen. Das Versteckspiel, auf der einen Seite hier im Bundestag möglichst geringe Haftungssummen zu beschließen, um die Öffentlichkeit nicht zu verunsichern und Ihre Koalition zusammenzuhalten, und auf der anderen Seite über die Bilanz der EZB die Verluste von Banken zu sozialisieren, ist nicht akzeptabel. Deswegen sage ich Ihnen ganz klar: Diese Entscheidungen gehören in den Deutschen Bundestag. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das steht im Gesetz!) Wenn es um die Haftungsrisiken geht, die zwischen den Steuerzahlern verteilt werden, muss der Deutsche Bundestag darüber entscheiden. Das ist in einer Demokratie grundsätzlich die Voraussetzung. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das steht so im Gesetz!) – Herr Kollege Barthle, vielleicht glauben Sie zwar nicht mir, aber dem Bundesbankpräsidenten, der Ihrer Regierung durchaus nahestand. In einem Interview in der Neuen Zürcher Zeitung von heute, in dem es um dieses Staatsanleihenaufkaufprogramm geht, das Sie hier mit keinem Wort erwähnt haben, sagte er: Es gibt aus meiner Sicht einige Gründe, die gegen das Programm sprechen. Dazu zählen einerseits sicher stabilitätspolitische Prinzipien und die Frage, ob die Notenbank hierzu demokratisch legitimiert ist. Das sehe ich in der Tat genauso. Dann führt er fort – das ist der entscheidende Punkt; passen Sie auf! –: Das Programm verteilt Haftungsrisiken zwischen den Steuerzahlern der Euro-Zone um. Das dürfen nur die Parlamente, und diese haben mit den Rettungsschirmen ja auch die passenden Instrumente zur Hand. Punkt. (Beifall bei der SPD) Herr Weidmann spricht Wahrheit; er ist der Chef der Deutschen Bundesbank. Ich frage mich nur: Was sagt die Koalition dazu? (Bettina Hagedorn [SPD]: Ja!) Alles, was ich mitbekommen habe, Herr Staatssekretär, ist, dass der Chef Ihres Hauses, der Bundesfinanzminister Schäuble, Herrn Weidmann einen Maulkorb verpasst hat, dass er in einem Interview mit der Bild am Sonntag dem Bundesbankpräsidenten angeraten hat, doch lieber zu schweigen, als in Deutschland die Wahrheit zu sagen. Das ist mittlerweile die Politik der Bundesregierung. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das war ein guter Rat von Herrn Schäuble!) – Herr Trittin, wir haben da eine grundsätzlich andere Auffassung; das ist richtig. (Otto Fricke [FDP]: Was hat das denn noch mit dem Thema zu tun?) – Das hat mit dem Thema Haftungssumme zu tun. Ich kann verstehen, lieber Kollege Fricke, dass Sie über das entscheidende Thema nicht sprechen wollen. Aber ich finde, dass der Deutsche Bundestag der richtige Ort ist, um über die Frage von Haftungsrisiken und über die Frage, wer hier was bezahlt, zu reden. Man muss darüber reden; das darf nicht totgeschwiegen werden. (Beifall bei der SPD) Sie drücken sich darum. Ich finde das nicht akzeptabel. Die entscheidende Frage ist: Wer kommt im Endeffekt für die Kosten auf? – Ja, wir sind für die Stabilisierung der Euro-Zone. Ja, wir sind als Sozialdemokraten bereit, dabei Verantwortung zu übernehmen. Ja, wir sind dazu bereit, auch zu sagen, was es kostet. Es darf aber nicht über die Bilanz der europäischen Notenbank laufen, die dazu gezwungen wird, weil Sie nicht bereit sind, zu handeln. Das ist sozial ungerecht; denn das führt dazu, dass diejenigen, die viel Geld haben, es letztendlich behalten, und die kleinen Leute alles bezahlen. Das ist nicht akzeptabel. (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]) Ich hätte mir gewünscht, dass der Bundestag in solch einer entscheidenden Frage eine klare Position hat. Eine Debatte darüber findet nicht statt. Deswegen nutze ich die heutige Gelegenheit, um es einmal deutlich zu sagen, entgegen den Äußerungen aus Ihrer Koalition zu diesem Punkt. (Zurufe von der FDP) – Wir werden ja bei den einzelnen Hilfsanträgen von Staaten darüber sprechen. Wissen Sie, ich finde es bemerkenswert, wenn der Präsident der Deutschen Bundesbank als die einzige Chance, die er noch hat, um Ihnen an dieser Stelle ein Warnzeichen zu geben – entgegen den Äußerungen, die Sie hier immer wieder machen –, die Neue Zürcher Zeitung nutzt. Ich zitiere als letztes noch eine Stelle, in der er auf den Aspekt der Haftungsrisiken eingeht, die Sie angeblich negieren. Ich zitiere: Zum Beispiel verteilt die SNB – das ist die Schweizerische Notenbank – mit ihrer Massnahme keine Risiken zwischen Steuerzahlern verschiedener Länder um, das Euro-System hingegen schon. Ich würde gerne wissen, ob Sie das so sehen oder nicht, sehr geehrter Herr Staatssekretär. Das ist eine relevante Frage, wenn es um die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages geht. Darauf müssen Sie einmal eine Antwort geben. Sie können das doch nicht totschweigen, als gäbe es das nicht. Dabei macht doch die EZB, weil Sie sich nicht einigen können, das Geschäft, und der Bundestag hat nichts zu sagen. Das ist undemokratisch, nicht legitimiert und führt letztendlich dazu, dass Haftungsrisiken vergemeinschaftet werden und diejenigen, die die Krise verursacht haben, eben nicht an den Kosten beteiligt werden. (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Die Schweizerische Zentralbank ist aber auch nicht für die 17 Länder zuständig!) Wir haben unsere Zustimmung im Bundestag zur Finanzierung dieser Lasten davon abhängig gemacht, dass eine Finanztransaktionsteuer eingeführt wird. Wir erwarten, dass dazu noch im Oktober ein klarer Fahrplan auf den Tisch kommt. (Beifall bei der SPD) Es ist entscheidend, dass die Zusagen, die die Regierung gegeben hat, auch tatsächlich umgesetzt werden. Nicht die kleinen Leute sollten die Kosten der Krise bezahlen, sondern diejenigen, die sie verursacht haben. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Für die FDP-Fraktion spricht jetzt der Kollege Otto Fricke. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Otto Fricke (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach einer solchen Rede muss man immer aufpassen, dass man sein Gemüt unter Kontrolle hält. Das will ich deutlich sagen, Kollege Schneider. (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Da sind Sie aber nichts Gutes gewohnt, Herr Fricke! – Weiterer Zuruf des Abg. Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) – Dazu gehört auch, dass man einfach einmal zuhört, so wie wir das eben leider tun mussten. Lieber Kollege Schneider, bei aller Kameradschaft, die wir im Haushaltsausschuss haben: (Dr. Peter Danckert [SPD]: Es gibt keine -Kameradschaft!) Was Sie hier gemacht haben, war europarechtlich und verfassungsrechtlich gesehen nichts anderes als weitere Brandstifterei; nichts anderes haben Sie hier gemacht. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Sie versuchen, Dinge nach vorne zu ziehen, die mit der Frage, über die wir hier eine Debatte zu führen vereinbart haben, nichts, aber auch gar nichts zu tun haben. (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Sie haben weniger als Ihr Gemüt unter Kontrolle!) Die Punkte, die Sie angesprochen haben, sind sicherlich diskussionswürdig, (Zurufe von der SPD: Aha!) aber unsere Aufgabe hier – und das wäre auch Ihre Aufgabe gewesen – ist es, für Entscheidungen, die dieses Parlament getroffen hat, für Entscheidungen, die das Bundesverfassungsgericht getroffen hat, Vertrauen beim Bürger zu erzeugen. Sie versuchen allerdings, durch Misstrauen plumpe, primitive Politik zu machen. Das kann ich am heutigen Tag nur ausdrücklich ablehnen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, ich will versuchen, es ein wenig klarzustellen: Der Weg, der jetzt von der Bundesregierung gewählt worden ist und den das Parlament zur Kenntnis nehmen wird, ist ein Weg, der nach meiner Meinung elegant dafür gesorgt hat, dass Gesamteuropa sagt: Was der Bundestag beschlossen hat und was die Fraktionen vorbereitet haben, ist genau das, was wir wollen. Es gibt keinen anderen Interpretationsraum. Ich muss ehrlich sagen – vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand –: Vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes habe ich angesichts der vorherigen Entscheidungen gedacht: Mal sehen, was an unserem Gesetz noch zu korrigieren ist. Ich finde es erstens gut und wichtig, festzuhalten, dass das Bundesverfassungsgericht in einer einmaligen Entscheidung, auch im Verfahren mit einer Anhörung usw., dafür gesorgt hat, schlichtweg klarzumachen: Das Gesetz, das der Gesetzgeber gemacht hat, ist so in Ordnung. – Das sollten wir auch für den Bürger festhalten. Wir sollten auch ein Zweites festhalten, Herr Kollege Schneider, nämlich dass es nicht, wie von vielen anderen behauptet – auch Sie haben eben versucht, das nebenbei so zu verkaufen –, irgendwie eine Obergrenze gibt, die l’art pour l’art, wie man will, aufgehoben werden kann, sondern dass dieses Gesetz eine feste Obergrenze vorsieht. Ich hätte von Ihnen erwartet, dass auch Sie sagen, dass das Gericht uns in dieser Auffassung bestätigt hat, und einmal feststellen, dass das eine gute Entscheidung war. Sie hingegen machen etwas anderes. Dazu möchte ich nun etwas sagen. Sie sagen nämlich: Jetzt sehe ich, die Koalition hat bei der Gesetzgebung, bei der Parlamentsbeteiligung ordentliche Arbeit geleistet, mit allen Schwierigkeiten, die wir hatten, weil wir Neuland betreten haben. (Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben wir Sie aber schon ziemlich stoßen müssen! Ohne uns hätten Sie es wieder verhunzt!) – Leute, ob ohne euch oder mit euch, (Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist der Unterschied!) ich sage ganz klar: Für mich als Europäer, der stabile Finanzen will und der die Risiken für den Euro begrenzen will, ist nachher nicht entscheidend, wer was wo wie gemacht hat, sondern für mich ist es entscheidend, dass wir am Ende Gesetze haben, auf die die Bürger vertrauen können. Wenn ihr daraus ein parteipolitisches Spiel machen wollt, dann macht es meinetwegen. Ihr werdet damit eurer Aufgabe und eurer Pflicht nicht gerecht. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Beim Umgang mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist aber noch etwas Weiteres ganz wichtig – Kollege Schneider, auch das zu sagen haben Sie vermieden –: die klare Absage an jegliche Möglichkeit der Einführung von Euro-Bonds oder Altschuldentilgungsfonds. Die ausdrückliche Aussage des Bundesverfassungsgerichts lautet – ich will sie gerne zitieren, auch, weil das einige nicht so gerne hören –: Es ist insoweit auch dem Bundestag als Gesetzgeber verwehrt, dauerhafte völkervertragsrechtliche Mechanismen zu etablieren, die auf eine Haftungsübernahme für Willensentscheidungen anderer Staaten hinauslaufen, vor allem wenn sie mit schwer kalkulierbaren Folgewirkungen verbunden sind. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist keine Absage für diese Instrumente!) Kurze Übersetzung: Euro-Bonds, die davon abhängen, dass andere Länder ihre Schulden tilgen, und ein Altschuldentilgungsfonds, der davon abhängt, dass andere Länder keine neuen Schulden machen, sind (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Damit erledigt! Beerdigt!) schlichtweg verfassungswidrig. Das sollten Sie sich ins Stammbuch schreiben und nicht versuchen, Dinge aufzubauen, die nicht möglich sind. Nächster Punkt: die Europäische Zentralbank. Herr Kollege Schneider, ich wollte das eigentlich nicht ansprechen, weil ich dachte, dass wir uns über die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum ESM-Vertrag unterhalten wollen. Aber unterhalten wir uns, nachdem Sie das in Ihrer Rede angesprochen haben, kurz über die Europäische Zentralbank. Eines ist bei Ihrer Rede klar geworden, und das muss man immer wieder nach draußen geben: Sie mögen Unabhängigkeit nicht. Sie mögen es nicht, wenn irgendjemand unabhängig ist. Sie mögen es nicht, wenn die Bundesbank unabhängig ist. Sie mögen es nicht, wenn die Europäische Zentralbank unabhängig ist. (Dr. Peter Danckert [SPD]: Nein! – Zurufe von der LINKEN) Ich sage das ausdrücklich. Sie haben hier erklärt: Es kann nicht sein, dass die Europäische Zentralbank eine Entscheidung trifft, und wir als Politiker können das nicht in eine andere Richtung bringen. Das war Ihre Aussage. Dieser Angriff gegen die Unabhängigkeit ist ein Angriff gegen eine Säule der Stabilität der Bundes-republik Deutschland und der Stabilität Europas. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei Abgeordneten der SPD) Wenn Sie meinen, hier die billige Geschichte von den Haftungsrisiken vortragen zu müssen, dann sage ich Ihnen: Meiner Fraktion gefällt das, was die Europäische Zentralbank da gemacht und beschlossen hat, nicht. Ausdrücklich sage ich: Es gefällt ihr nicht. (Bettina Hagedorn [SPD]: Das musste sie ja machen, weil Sie nicht aus dem Quark kommen!) – Frau Hagedorn, das ist der Unterschied. Wir können auf der einen Seite feststellen, dass uns etwas nicht passt, aber wir achten trotzdem sowohl die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts als auch die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank, auch wenn beides dafür sorgt, dass wir als Politiker manchmal Entscheidungen hinnehmen müssen, die wir nicht mögen. Sie dagegen nutzen Politik auf allen Ebenen der Gesellschaft und des Staates, um das zu korrigieren. Sie werden damit nach meiner Meinung gegen die Wand fahren. Vor allen Dingen werden Sie damit nicht das erreichen, was wir erreichen müssen: Sie sorgen nicht dafür, dass die Bürger wieder mehr Vertrauen in die Politik haben, (Bettina Hagedorn [SPD]: Dass sie kein Vertrauen haben, hat Gründe: Weil Sie sich nicht einigen können!) insbesondere dann nicht, wenn Sie auch in anderen Bereichen jegliche Form der Unabhängigkeit und der Argumentation gegen Politik nicht mehr zulassen. Überlegen Sie sich, ob das der richtige Kurs ist. Ich jedenfalls erwarte, dass es die Europäische Zen-tralbank trotz der Dinge, die sie beschlossen hat – (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Ich denke, die ist unabhängig!) diese Dinge passen mir nicht, und ich hätte sie so auch nicht beschlossen –, mit den Vorgaben, die sie sich selbst gegeben hat, und mit der Anbindung an die Frage, was wir im Parlament machen, sehr genau nimmt. Ich bin ausgesprochen dankbar dafür, dass wir darüber mit Herrn Draghi sprechen können. Ich hoffe, das geschieht in einer guten Form: nicht so, dass er nur ein paar Sätze sagt und wir zuhören dürfen, sondern so, dass uns in einem wirklichen Frage-und-Antwort-Spiel klar wird, (Bettina Hagedorn [SPD]: Genau!) wie er das gemeint hat. Eines wird es mit der FDP-Bundestagsfraktion nicht geben: einen Angriff auf die Unabhängigkeit von Zentralbanken, egal um welche es geht. Herzlichen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Für die Fraktion Die Linke hat jetzt das Wort der Kollege Diether Dehm. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Diether Dehm (DIE LINKE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Fricke, der Herr Kollege Schneider hat ausdrücklich die Aussagen des Herrn Weidmann in der Neuen Zürcher Zeitung zitiert, und Sie sprechen von Brandstifterei. Ich glaube, da hatten Sie nicht nur Ihr Gemüt, sondern auch Ihre Worte nicht unter Kontrolle. Ich würde mit diesen Worten etwas vorsichtiger sein. Bis gestern Abend wollten Sie hier überhaupt nicht diskutieren. Es ist unserer Drohung mit einer einstweiligen Verfügung zu verdanken, dass es überhaupt zu dieser Diskussion gekommen ist. Und es war unsere Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, die bewirkt hat, dass es überhaupt die beiden völkerrechtlich verbindlichen Vorbehalte zum ESM gibt. (Otto Fricke [FDP]: Sie haben doch verloren!) Angesichts der Tatsache, dass das Bundesverfassungsgericht vorletzte Woche die beiden entsprechenden Auflagen erteilt hat, erstaunt schon die Einschätzung der Bundesregierung, dass es sich hierbei um keine Vertragsänderung handelt. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts war eben nicht eindeutig geregelt, dass die Haftungsobergrenze von 190 Milliarden Euro nur nach Zustimmung des Bundestags überschritten werden darf. Genauso wenig war gewährleistet, dass der Bundestag als demokratisch legitimiertes Parlament unterrichtet wird, trotz der Schweigepflicht der lediglich ernannten und nicht gewählten ESM-Mitarbeiter. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Kollege Dehm, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lammert? Dr. Diether Dehm (DIE LINKE): Ja, natürlich. Dr. Norbert Lammert (CDU/CSU): Lieber Kollege Dehm, würden Sie liebenswürdigerweise zur Kenntnis nehmen, dass es zur Ansetzung dieses Tagesordnungspunktes nicht der Drohung mit einer einstweiligen Verfügung bedurft hat, sondern dass, nachdem ich jede einzelne Fraktion angeschrieben hatte, ob sie nach dem Verfahrensvorschlag, den die Bundesregierung zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemacht hat, noch zusätzlichen Diskus-sionsbedarf sieht, die Anmeldung dieses Diskussions-bedarfs durch Ihre Fraktion unverzüglich zu einem Einvernehmen aller Fraktionen zur sofortigen Ansetzung dieses heutigen Tagesordnungspunktes geführt hat, was Ihnen nun Gelegenheit zu dieser famosen Rede bietet? (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Dr. Diether Dehm (DIE LINKE): Herr Bundestagspräsident, ich präzisiere meine Aussage: Durch das Schreiben des Kollegen Gregor Gysi sind die Rechte dieses Bundestages, die natürlich bei Ihnen in den besten Händen liegen, gegenüber bestimmten Willkürmaßnahmen der Bundesregierung noch einmal aktiviert worden. Ich danke Ihnen sehr, ich glaube, auch im Namen des Kollegen Gysi, dass wir gemeinsam gestern zur Auffassung gekommen sind, diese Debatte zu führen. Erlauben Sie mir nur diese Spekulation: Ohne uns wäre es vielleicht nicht möglich gewesen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der LINKEN) Selbst wenn, wie der Herr Staatssekretär Kampeter in seinem Schreiben vom 21. September ausführt – ich zitiere –, „lediglich der Inhalt des ESM-Vertrags klar-gestellt wird“ und sich diese Neufassung – ich zitiere erneut – „vollständig im Rahmen der stets von Bundesregierung und Bundestag vertretenen Auslegung bewegt“, so ist und bleibt das Ihre subjektive Meinung, die man schätzen mag. Die Linke sieht dies allerdings so wie das Bundesverfassungsgericht, das die Geltendmachung dieser Vorbehalte ausdrücklich eingefordert hat. Damit haben wir es eindeutig mit einer Vertragsänderung zu tun, und sie erfordert sehr wohl die Zustimmung und Ratifizierung durch die Parlamente der vertragsschließenden Parteien, gegebenenfalls auch die Billigung durch Volksabstimmung. Glauben Sie nicht, dass mit Ihrem überhasteten und unsauberen Vorgehen den Auflagen des Bundesverfassungsgerichts nachgekommen werden kann! Und glauben Sie nicht, dass mit Ihrem Vorgehen das jetzt schon angeschlagene Vertrauen der Menschen in diese Europapolitik gestärkt würde! Die Umfragen zeigen: Die Menschen schütteln über solche EU-Winkelzüge nur noch den Kopf. Das Mindeste, was verlangt werden kann, ist eine ordnungsgemäße parlamentarische Behandlung im Bundestag und eine Überweisung an seine Ausschüsse, wie wir es als Linke in diesem Falle vergeblich gefordert haben. Wenn hier stattdessen wieder einmal der Bundestag unter unwürdigen Zeitdruck gesetzt wird und Trickserei an die Stelle eines nachvollziehbaren und fairen Verfahrens treten soll, dann sind Sie ein weiteres Mal an dem zunehmenden Misstrauen gegenüber der EU schuld. Ich bin ganz sicher, dass die Wählerinnen und Wähler Ihnen für Ihre Spekulantenpflege eine entsprechende Quittung bei Wahlen erteilen werden; denn dann, wenn es um Spekulanten geht, geht es holterdiepolter und schnell, und wenn es um die Interessen der sozial Betroffenen geht, gibt es ewige bürokratische Vorgänge, etwa die Schuldenbremse, unter der dann Länder und Kommunen, Krankenhäuser und Schulen leiden. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Endlich beim Thema!) Warum zwingen Sie, Frau Merkel – sie ist jetzt nicht da –, Länder in ganz Europa immer nur zu brutalen Regeln gegen Rentnerinnen und Lehrer und nie dazu, Steueroasen rechtsverbindlich auszutrocknen? Trocknen Sie diese aus! Gehen Sie einmal den griechischen Steuerhinterziehern an die Wäsche, die die 200 Milliarden in die Schweiz und nach Liechtenstein verbracht haben, die nötig wären, um die griechische Krise zu lösen! Und sorgen Sie dafür, dass Staaten und öffentliche Hand neue Einnahmen bekommen! Das ist die eigentliche Ursache der Krise: dass die Staaten in ihren Einnahmen gehemmt werden, und zwar auch durch diese Bundesregierung. (Beifall bei der LINKEN) Wenn Sie Rücksichtslosigkeit an den Tag legen wollen, Frau Merkel, dann tun Sie es gegenüber den Verursachern und Profiteuren der Krise, gegenüber Zockerbuden, Spekulanten und Finanzhaien, aber nicht gegenüber jenen, von denen Sie glauben, sie könnten sich nicht wehren. (Beifall bei der LINKEN) Denn sie werden sich wehren, und Sie werden sehen, dass sie sich auch in ganz Europa dagegen erheben werden. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Für Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt der Kollege Manuel Sarrazin. Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe jetzt ja die Aufgabe, nach dem Kollegen Dehm zu sprechen, und darum muss ich dazu doch zunächst etwas Qualifizierendes sagen. (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist aber schwer bei dieser Rede!) Ich habe das Gefühl, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei, dass Ihr Auftreten hier klassisch mit dem des schlechten Verlierers bzw. der schlechten Verliererin zu beschreiben ist. Das Verfassungsgericht hat die Interpretation einer eindeutigen Formulierung im ESM-Vertrag, die durch den Deutschen Bundestag noch einmal eindeutig interpretiert wurde, nämlich dass von einer klaren Höchstgrenze auszugehen ist, die vom Deutschen Bundestag so auch vor Gericht vorgetragen wurde, übernommen und noch einmal nach außen hin bestärkt. (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Einst-weilige Verfügung!) Daraufhin haben sich alle 17 Euro-Staaten dieser eindeutigen Interpretation des Deutschen Bundestages angeschlossen und eine eindeutige Erklärung unterschrieben, die dieses ganz klar zur wesentlichen Grundlage macht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Wir reden jetzt gerade über Vorgaben des Verfassungsgerichts!) – Sie können sich ja melden. Dass Sie europarechtlich nicht so richtig bewandert sind, merkt man an einigen Beispielen. Die Grünen -haben mit Verweis auf Art. 23 des Grundgesetzes gegen die Umgehung des Deutschen Bundestages beim ESM-Vertrag vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt. Wir haben hundertprozentig recht bekommen; das passiert Ihnen selten. Sie hatten sich der Klage nicht angeschlossen. Stattdessen haben Sie in Karlsruhe mit Ihren Prozessvertretern das parlamentarische Verfahren zum ESM falsch dargestellt. (Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär: Hört! Hört!) In Ihren Reihen haben Sie wenig Kompetenz zu den Themen Europarecht und Verfassungsrecht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sie sollten die Protokolle noch einmal nachlesen!) Ich kann Ihnen Randnummer 253 des Urteils vorlesen: Die Bundesrepublik Deutschland muss deutlich zum Ausdruck bringen, dass sie an den ESM--Vertrag insgesamt nicht gebunden sein kann, falls sich der von ihr geltend gemachte Vorbehalt als unwirksam erweisen sollte. Mit dieser Erklärung ist eindeutig eine Interpretation zur Voraussetzung des Vertragsabschlusses vorgenommen worden. Das heißt, wenn sich diese Interpretation als nicht mehr gültig erweisen sollte, besteht nach Wiener Vertragsrechtskonvention für die Bundesrepublik Deutschland ausdrücklich die Möglichkeit zur Kündigung. (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das war aber neu!) Das ist eindeutig. Sie sind einfach nur schlechte Verlierer, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Seien Sie froh, dass wir geklagt haben!) Ich möchte Ihnen noch etwas sagen: Sie glauben, dass Sie der Demokratie einen Gefallen tun, dass Sie nach Karlsruhe gehen, auch wenn Sie hier keine Mehrheit -haben. Sie wollen den Euro kippen. Dafür bräuchten Sie eine Mehrheit in diesem Haus. Die Mehrheit hier hält jedoch am Euro fest. Sehen Sie doch bitte ein, dass Sie hier keine Mehrheit für Ihr Vorhaben haben. Das ist nun einmal so. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-neten der SPD und der FDP – Dr. Dagmar -Enkelmann [DIE LINKE]: Die Rechte des Parlaments sind eindeutig gestärkt!) Wenn man daraus eine Lehre für die Demokratie ziehen kann, dann die, dass diese Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht eine legitimatorische Funktion haben. Ich glaube, dass der Ablauf der Verhandlungen gezeigt hat, dass das Gericht versucht, eine legitimatorische Funktion auszustrahlen. Sie werden letztlich auch das Bundesverfassungsgericht in seiner legitimatorischen Funktion beschädigen, wenn Sie weiterhin eindeutige Feststellungen infrage stellen. (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Warten Sie einmal das Hauptverfahren ab!) Daran sollte kein Demokrat in diesem Haus ein Interesse haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Jetzt reden Sie doch endlich einmal über die Vorgaben und Umsetzung!) – Wissen Sie, Frau Enkelmann, mir kann niemand in diesem Haus unterstellen, dass ich mich in dieser Frage nicht mit dem Europarecht beschäftigt hätte. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Bis jetzt haben Sie zu den Vorgaben nichts gesagt!) – Ich habe gerade die Randnummer 253 zitiert. Ich kann Ihnen auch die Randnummer 240 vorlesen. (Zuruf des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]) – Diether, du musst dich melden; meine Redezeit ist fast abgelaufen. Nachdem ich aufgezeigt habe, dass die Linkspartei ein schlechter Verlierer ist, wollte ich noch etwas zur Regierung sagen. Ich wollte der Regierungsseite noch eines sagen: Sie haben hier ausgeführt, dass es Ihnen nicht passt, welche Entscheidung die EZB getroffen hat. Ehrlich gesagt, da muss ich Ihnen ins Stammbuch schreiben: Das glaube ich Ihnen nicht. Sie sind doch heilfroh, dass es in Ihrer kaputten Koalition nicht dadurch zum Bruch kommt, dass sie irgendwann einmal eine Entscheidung treffen müsste, wohin es mit Europa geht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Das sieht man Ihnen doch an. Ich finde es schwach, wenn Sie nur bluffen und immer anderen die Schuld -dafür geben wollen, dass etwas nicht geht. Wir freuen uns über diese Erklärung der 17 Euro-Staaten. Allerdings ist der Auftritt der Regierung hier nicht viel besser als der der Linkspartei. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat jetzt der Kollege Bartholomäus Kalb das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf auf den Redebeitrag des Kollegen Carsten Schneider zurückkommen. Ich war verwundert, worüber er sich hier ausgelassen hat. Das hat mit dem Thema, das wir heute zu behandeln haben, wenig zu tun. Erstens. Gerade wir in der Bundesrepublik Deutschland – Kollege Fricke hat bereits zu Recht darauf hingewiesen; aber es kann ruhig noch einmal gesagt werden – haben den allergrößten Wert darauf gelegt, in Europa eine unabhängige Zentralbank zu bekommen. Es war kein Geringerer als der damalige Finanzminister Dr. Theo Waigel, der sich hier sehr ins Zeug gelegt hat, dass diese Vereinbarung in Europa getroffen werden konnte und dass die EZB nach dem Muster der Deutschen Bundesbank unabhängig ist. Es wäre kurzsichtig, die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank deswegen infrage zu stellen, weil man vielleicht die eine oder andere Entscheidung gerne anders treffen würde; dazu hat jeder von uns eine eigene Meinung. Ich glaube, wir werden im Laufe der Zeit noch sehr dankbar dafür sein, dass wir eine unabhängige Europäische Zentralbank haben. Zweitens. Ich begrüße es, dass die Bundesregierung den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sehr schnell nachkommt. Sie hat die Erklärungen, sowohl die gemeinsame als auch die einseitige Erklärung, beschlossen und wird sie völkerrechtlich verbindlich abgeben. Drittens. Ich will festhalten, was das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung festgestellt hat: Es hat die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Damit hat es den Kurs der Koalition zur Bewältigung der europäischen Finanzkrise und zur Lösung der Währungsprobleme bestätigt. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Kollege Kalb, entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche. Der Kollege Dr. Danckert würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Gerne. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Bitte. Dr. Peter Danckert (SPD): Herr Kollege Kalb, stimmen Sie mir in der Einschätzung zu, dass wir die heutige Debatte überhaupt nicht führen würden, wenn wir – da beziehe ich mich durchaus mit ein – nicht in Karlsruhe vorstellig geworden -wären? (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das ist es!) Glauben Sie im Ernst, dass das Bundesverfassungsgericht, wenn alles so klar gewesen wäre, wie Sie es hier und heute darzustellen versuchen, vor der Ratifizierung eine verpflichtende Erklärung verlangt hätte? (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Ihr habt doch in Karlsruhe verloren! Mit Pauken und Trompeten!) Wäre alles so sonnenklar, wäre das doch gar nicht notwendig gewesen, oder? (Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Ja! Das ist unsere Sichtweise!) Ich möchte an dieser Stelle meine Zweifel daran -anmelden, dass die Erklärung, die jetzt vorliegt, den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts wirklich entspricht; wir werden es sehen. Das, was Sie hier veranstaltet haben, war ein einziger Eiertanz. Wir haben ja -erlebt, dass es mehrere Fassungen gegeben hat, bis es schließlich zu der jetzt vorliegenden Erklärung gekommen ist. Unsere Parlamentarierkollegen in anderen Ländern betrachten dies als einen schweren Eingriff in den Vertrag. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!) Wir sollten zur Kenntnis nehmen, dass das keine Selbstverständlichkeit ist, wie Sie es von Anfang an dargestellt haben. Wir haben Sie zu einer Klarstellung zwingen müssen: (Beifall des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]) zur Haftung, zur Vertraulichkeit und zu weiteren Punkten, die in dem Urteil ausdrücklich erwähnt sind. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Peinlich! Da wollen sich die Verlierer zu Siegern machen!) Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Lieber geschätzter Kollege Danckert, ich will Folgendes festhalten: Erstens. Das Bundesverfassungsgericht hat Ihre -Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab-gelehnt; das habe ich gerade ausgeführt. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Und zwar klar und deutlich!) Zweitens. Das Bundesverfassungsgericht hat fest--gestellt, dass die von uns beschlossenen Maßnahmen mit der Verfassung in Einklang stehen. Drittens. Wir, die wir den ESM-Verträgen zugestimmt haben, fühlen uns in keiner Weise beschwert, sondern, ganz im Gegenteil, im Hinblick auf das, was wir im Rahmen des ESM-Finanzierungsgesetzes bereits beschlossen haben, durch das Bundesverfassungsgericht sogar bestätigt. Man kann es nur begrüßen, wenn das auf Anregung bzw. Anordnung des Bundesverfassungsgerichts sogar völkerrechtlich abgesichert wird. Wir haben im ESM-Finanzierungsgesetz festgelegt, was zu tun ist. Die Haftungssumme wurde auf 190 Milliarden Euro und ein paar Zerquetschte beschränkt, und sie darf nicht erhöht werden – das ist der feine Unterschied zu mancher Interpretation –, wenn nicht das -Parlament erneut darüber befindet. Wir haben im ESM-Finanzierungsgesetz auch festgelegt, dass der deutsche Vertreter an den jeweiligen Sitzungen teilnehmen muss, dass er sich nicht enthalten darf und folgerichtig mit Nein stimmen muss, wenn es im Hinblick auf Entscheidungen, die den Haftungsrahmen betreffen könnten, kein entsprechendes parlamentarisches Votum gibt. Ich denke, hier hat das Bundesverfassungsgericht uns voll und ganz recht gegeben. Es hat angeordnet, dass das, was wir hinsichtlich der Innenbindung festgelegt haben, auch den Vertragspartnern völkerrechtlich bindend mitgeteilt werden muss. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Genau! Dafür hätte es keine Klage gebraucht!) Nicht mehr und nicht weniger wird durch das, was hier und heute Gegenstand der Debatte ist, getan. Ich denke, damit ist das allermeiste zu dem ganzen Thema gesagt. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Kollege Kalb, auch der Herr Kollege Stinner würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen, wenn Sie möchten. Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Ja. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Bitte. (Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum nicht bei mir? – Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Die mögen mich mehr. Dr. Rainer Stinner (FDP): Vielen Dank, sehr geehrter Herr Kollege Kalb. – -Teilen Sie meinen Eindruck, dass die Einlassung des Kollegen Danckert, SPD, bezüglich des heute zu verhandelnden Themas völlig kontrovers zu der Einlassung des Kollegen Schneider, SPD, war? (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das ist aber eine tolle Frage!) Teilen Sie auch meinen Eindruck, dass damit ein -weiteres Mal bewiesen ist, dass die SPD offensichtlich gespalten und in dieser Situation nicht handlungsfähig ist? (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – -Lachen bei der SPD) Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Herr Kollege, ich bin Ihnen ausdrücklich dankbar für diesen Hinweis. Ich teile diesen Ihren Eindruck vollumfänglich, weil wir gerade bei all diesen Fragen immer wieder feststellen müssen, dass der Kollege Schneider hier so redet, wie er gelegentlich redet und wie wir ihn kennen, während seine Partei und seine Fraktion eine ganz andere Linie vertreten. (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: -Typisch!) Ich muss fast sagen: In den grundsätzlichen Dingen vertreten die Führungen seiner Partei und seiner Fraktion vielleicht sogar eine klarere Linie als der Kollege Schneider. (Beifall bei CDU/CSU und der FDP) Ich denke, damit ist das Wesentliche zu dem heute gegenständlichen Punkt gesagt. Die Fragen, die mir gestellt worden sind, haben mir Gelegenheit gegeben, all das unterzubringen, was ich ohnehin gerne angebracht hätte. Insofern darf ich mich beim Kollegen Stinner, aber auch beim Kollegen Danckert ganz herzlich bedanken. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Auch der Herr Kollege Sarrazin würde Ihnen gerne noch eine Frage stellen. Das ist dann aber die letzte. Danach sind wir am Schluss dieses Tagesordnungspunktes. Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Da er so viel Mitleid hat mit mir und meine Redezeit verlängern möchte, gerne. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Sie haben eigentlich noch zwei Minuten Redezeit. (Lachen bei der SPD und der LINKEN – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Er hat keinen Text mehr!) Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich kann mich ja schnell wieder setzen. – Verehrter Herr Kollege Kalb, teilen Sie meinen Eindruck, dass Herr Gauweiler, wenn er sich heute gemeldet hätte, hier eine Position vertreten hätte, die nicht derjenigen entspricht, die Sie vorgetragen haben, womit deutlich wird, dass die Koalition in dieser Frage zerstritten und nicht handlungsfähig ist? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Was ist mit Herrn Ströbele? Wollen wir doch einmal den Ströbele hören!) Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Letzteres nicht. Es gibt abweichende Meinungen. (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Die Einzigen, die einheitlich sind, sind wir!) Die Debatte hätte dann vielleicht länger gedauert, aber die Meinung der Mehrheit ist vollkommen klar. Die -Koalition ist nicht zerstritten. Wir müssen auch abweichende Meinungen akzeptieren. Kollege Gauweiler ist übrigens anwesend. Wir beide diskutieren sehr oft (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das ist gut!) und sehr gegensätzlich. Ich finde: Auch wenn man die Meinung nicht teilt, sollte man dem anderen den Respekt nicht versagen und anhören, was er zu sagen hat. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das gilt dann für den Kollegen Danckert erst recht!) Danach muss es im demokratischen Verfahren zu einer Meinungsbildung und zur Entscheidung kommen, so wie wir mit ganz großer Mehrheit hier in diesem Hause zu einer Entscheidung gekommen sind. Dass hier abweichende Meinungen bestehen bleiben, liegt in der Natur der Sache. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Vielen Dank. – Ich schließe die Aussprache. Die Fraktion Die Linke wünscht die Überweisung der Unterrichtung auf Drucksache 17/10767 zur federführenden Beratung an den Haushaltsausschuss und zur Mitberatung an den Innenausschuss, an den Rechtsausschuss, an den Finanzausschuss, an den Ausschuss für Wirtschaft und Technologie und an den Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union. Die Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen wünschen hingegen, die Behandlung der Unterrichtung heute durch Kenntnisnahme abzuschließen. Wer stimmt für den Antrag der Fraktion Die Linke auf Überweisung? – Wer stimmt dagegen? – Das ist offenkundig die Mehrheit. Enthaltungen? – Keine Enthaltungen. Damit ist der Überweisungsvorschlag abgelehnt. Die Unterrichtung ist somit zur Kenntnis genommen. Damit sind wir am Ende dieses Tagesordnungspunktes. Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Bericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2012. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Bundesminister des Innern, Herr Dr. Hans-Peter Friedrich. Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des Innern: Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Wir legen den Bericht, der heute im Bundeskabinett verabschiedet worden ist, dem Parlament vor. Wir haben uns dabei in diesem Jahr im Wesentlichen auf zwei Schwerpunkte konzentriert, nämlich auf die Konvergenz im Bereich der wirtschaftlichen Entwicklung und des Arbeitsmarktes sowie auf die Frage der demografischen Herausforderung, die nicht nur in den neuen Ländern, aber dort vor allem, schon seit längerer Zeit zu beobachten ist. Die erfreulichste Botschaft vorweg: Die Arbeitslosigkeit ist in den neuen Ländern auf einem historischen Tiefstand. Wir haben in Ostdeutschland eine Arbeits--losenquote von 10,3 Prozent. Das ist historisch niedrig. Aber das ist – das wissen wir alle – natürlich erheblich über der Marke von 6 Prozent, die wir in den alten Bundesländern, also in Westdeutschland, haben. Wir stellen als Herausforderung besonderer Art – das ist der erste Punkt – eine nach wie vor unterentwickelte Innovationsfähigkeit in den neuen Ländern im Bereich der Wirtschaft fest, die im Wesentlichen darauf zurückzuführen ist, dass wir es dort mit einer sehr kleinteiligen Wirtschaftsstruktur und mit zum Teil nicht nur mittelständischen, sondern auch sehr kleinen Unternehmen zu tun haben, die, was ihre Innovationskraft angeht, Unterstützung brauchen und durch staatliche Hilfen natürlich auch bekommen. Ein zweiter Punkt, der ebenfalls mit dieser Kleinteiligkeit zusammenhängt, ist die noch ausbaufähige Exporttätigkeit und Exportorientierung der Wirtschaft in den neuen Ländern. Auch hier versuchen wir, mit sehr gezielten Programmen dafür zu sorgen, dass dieser Nachteil für die Wirtschaft in den ostdeutschen Ländern ausgeglichen wird. Wir müssen insgesamt feststellen, dass wir im Grunde den Wirtschaftsraum neue Länder in dieser allgemeinen Form gar nicht mehr haben. Wir haben vielmehr sehr unterschiedliche Entwicklungen in den verschiedenen Regionen und auch sehr unterschiedliche Entwicklungen in den einzelnen Wirtschaftszentren. Es gibt Boomregionen und strukturschwache Gebiete, die eine einheitliche Beurteilung des Wirtschaftsraums Ost mit allgemeinen Aussagen gar nicht zulassen. Wir sehen aber einen Punkt, der gerade in den neuen Ländern flächendeckend sehr stark zum Tragen kommt, nämlich die demografische Entwicklung. Das Abnehmen der Geburtenrate – in den 90er-Jahren gab es eine Halbierung – und auch die Abwanderung haben in den neuen Ländern besondere Herausforderungen mit sich gebracht. Das ist auch der Grund dafür, dass sich der Beauftragte der Bundesregierung für die Neuen Bundesländer zusammen mit mir für eine Nachfolgeregelung bei der EU-Förderung für die neuen Länder mit sehr großer Kraft einsetzt. Wir wissen, dass das in der nächsten Förderperiode durchaus schwierig wird. Aber wir sind der Meinung, dass ein Sicherheitsnetz von zwei Dritteln des jetzigen Förderniveaus geschaffen werden muss. Ich kann sagen, dass die Verhandlungen des Beauftragten in Brüssel auf einem sehr guten Weg sind. Ich glaube, das ist wichtig, um diesen demografischen Herausforderungen Rechnung tragen zu können. Der letzte Punkt, den ich ansprechen möchte – das ist eine besondere Herausforderung, die sich in ganz Deutschland abzeichnet, aber in den neuen Ländern besonders stark zum Vorschein kommt –, ist der drohende Fachkräftemangel. Deswegen gibt es auch an dieser Stelle eine sehr gezielte Politik der Bundesregierung: Förderung der Ausbildung und Fachkräfteausbildung, gerade um die kleinen und mittelständischen Unternehmen flankierend zu unterstützen. Ich denke, auch mit dieser Offensive sind wir auf einem guten Weg. Das zunächst zur Einleitung, Herr Präsident. Ich stehe zur Beantwortung von Fragen ebenso wie der Beauftragte der Bundesregierung, der neben mir sitzt, zur Verfügung. Falls Sie unmittelbar Fragen an ihn haben, bitte ich, mir das dann, mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, zu signalisieren. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Vielen Dank, Herr Friedrich. – Die erste Frage hierzu stellt Herr Volker Beck von den Grünen. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, zur Kabinettssitzung!) – Entschuldigung, ich rufe Ihre Frage dann später auf. – Ralph Lenkert ist der erste Fragesteller. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Bundesminister, die Bundesrepublik ist noch Eigentümer von mehr als 11 000 Wohnungen in Ostdeutschland, die der TLG gehören. Diese soll jetzt privatisiert werden. Welche Aussagen macht der Jahresbericht zum Stand der deutschen Einheit zu dieser Privatisierung, und warum wurde die Bietergenossenschaft Fairwohnen vom Bundesministerium der Finanzen aus dem Bieterverfahren ausgeschlossen? Können Sie als Minister diese Privatisierung noch verhindern? Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des Innern: Zunächst einmal ist zu sagen, dass auch die Bundesregierung eine solche Privatisierung nicht verhindern kann. Ich habe vorhin gesagt, dass wir uns bei dem -Bericht im Wesentlichen auf die Fragen der wirtschaftlichen Konvergenz und des Arbeitsmarktes konzentriert haben. Die speziellen Fragen der Wohnungsbauentwicklung in den neuen Ländern, die Sie angesprochen haben, haben wir übrigens ebenso wie Fragen der Infrastruktur in einem Bericht gebündelt, den der Bauminister vorlegen wird. Insofern enthält der Bericht keine Antwort auf diese speziellen Fragen, die Sie gestellt haben. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Die nächste Frage stellt Dr. Martina Bunge. Dr. Martina Bunge (DIE LINKE): Danke, Herr Präsident. – Herr Minister, Sie haben über wirtschaftliche Fragen, den Arbeitsmarkt und die demografische Entwicklung gesprochen. Ich hoffe, der Bericht zur deutschen Einheit enthält auch etwas zum Stand der sozialen Einheit. In diesem Zusammenhang frage ich Sie, ob es bei den bisherigen Aussagen bleibt – der Ostbeauftragte Bergner hat sich gestern Abend dazu schon fast traditionell in den Medien geäußert –, dass die in der Koalitionsvereinbarung verabredete und als Wahlversprechen der Bundeskanzlerin auf dem Senio-rentag 2009 in Leipzig explizit angekündigte Angleichung von Ost- und Westrenten nicht mehr kommt, und ob das auch so in dem Bericht festgehalten ist. Ich frage Sie, welche Perspektive sich aus dem Umstand ergibt – dazu gibt es eine entsprechende Zeitungsmeldung –, dass die Renten den Löhnen wie bisher folgen sollen. 1991 hat man gedacht, die Angleichung dauert fünf Jahre; inzwischen sind es 20 Jahre. Die Differenz bei den Renten vergrößert sich immer weiter und beträgt jetzt 142 Euro. Das sind keine Peanuts. Es gibt Berechnungen, dass die Angleichung so 160 Jahre dauern würde. Sollen die Menschen in den neuen Ländern darauf vertrauen? Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des Innern: Frau Kollegin, der Ostbeauftragte hat sich gestern -geäußert, weil er gefragt worden ist. Es entspricht den Regeln der Höflichkeit, zu antworten, wenn eine Frage gestellt wird. Zu der Rentenproblematik allgemein: Wir wollen eine Angleichung des Rentensystems in Ost und West. Das ist nicht nur in der Koalitionsvereinbarung so festgehalten, sondern es ist auch unser fester Wille. Wir haben aber auch immer gesagt: Wir werden das nicht gegen den Willen und die Auffassung der Regierungen in den neuen Ländern tun. Es gibt bisher keine einheitliche Haltung der Landesregierungen in den neuen Ländern in der Frage der Angleichung des Rentensystems. Man sollte nicht den Eindruck erwecken, dass es automatisch eine Rentenerhöhung für alle wäre, wenn wir das Rentensystem angleichen würden. Es wäre für einige eine Rentenabsenkung, und das macht die Sache so kompliziert und so schwierig. Aber wir werden den besonderen Verhältnissen – Sie haben sie angesprochen – wie den immer noch relativ niedrigen Löhnen dadurch gerecht, dass wir eine Höherbewertung der Arbeitsverdienste vornehmen. Das würde bei einer Angleichung der Rentensysteme wegfallen. Ich glaube, das ist auch nicht in Ihrem Interesse. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Nächste Frage Wolfgang Tiefensee. (Zuruf von der FDP: Ach, den gibt es auch noch?) Wolfgang Tiefensee (SPD): Sehr verehrter Herr Minister, in den letzten 22 Jahren gab es eine positive Entwicklung im Osten; wir haben viel erreicht. Der Bericht belegt aber, dass der Trend stagniert und ein Negativtrend droht. Erstes Schlüsselthema: Wirtschaftskraft. Sind Sie mit mir einer Meinung, dass die Absenkung der Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur durch die Bundes-regierung kontraproduktiv ist? Zweites Schlüsselthema: Arbeitslosigkeit. Die Langzeitarbeitslosigkeit verfestigt sich. Sind Sie mit mir einer Meinung, dass die Kürzung der Gelder für die Arbeitsämter kontraproduktiv ist? Drittes Schlüsselthema: Lohn. Es gibt nach wie vor eine Schere zwischen Ost und West. Sind Sie mit mir -einer Meinung, dass wir bei vielen außertariflichen -Arbeitsverhältnissen dringend einen Mindestlohn brauchen? Viertes Schlüsselthema: Die Investitionen des Mittelstands in Forschung und Entwicklung liegen deutlich -unter Westniveau. Sind Sie mit mir einer Meinung, dass ein Nichtvollzug der steuerlichen Entlastung von Investitionen in Forschung und Entwicklung durch die Bundesrepublik für die Entwicklung Ostdeutschlands kon-traproduktiv ist? Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des Innern: Herr Tiefensee, zunächst einmal glaube ich, dass die Gefahr von Rückschlägen – das heißt, dass es zu einer Vergrößerung der Lücke zwischen Ost und West kommen wird – nicht gegeben ist. Es kam in den letzten -Monaten durchaus zu einer unterschiedlichen Entwicklung – allerdings in ganz Deutschland – in den strukturstarken Gebieten und den strukturschwachen -Regionen; das wirkt sich natürlich auch in den neuen Ländern aus. Was die Angleichung der Wirtschaftskraft angeht, so glaube ich allerdings, dass wir auf ganzer -Linie weiterhin auf einem guten Weg sind. Die Unterschiede bzw. die Schwankungen mögen auch dadurch zustande kommen, dass wir in 2008 in den alten Ländern einen stärkeren Einbruch der Wirtschaft hatten als in den neuen Ländern; der Aufholprozess dort ist entsprechend ausgeprägter. Das mag die Prozentzahlen im Einzelnen erklären. Zu Ihren Fragen: Erstens. Wir sind dabei, die Förderung des Arbeitsmarktes mit sehr gezielten Programmen weiter voranzutreiben. Zweitens. Ich bin nicht der Meinung, dass Mindestlöhne, wie Sie sie sich vorstellen – Sie fordern gesetzliche Mindestlöhne –, geeignet sind, irgendwelche wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Fragestellungen zu beantworten. Drittens. Wir werden weiterhin fünf Sechstel der Mittel, die für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ zur Verfügung stehen, in den neuen Ländern investieren. Ich glaube, dass das eine wichtige Investition ist. Viertens. Wir erhöhen die Innovationskraft in den neuen Ländern mit den Programmen, die zurzeit laufen. Es gibt ein neues, sehr umfangreiches Programm des Forschungsministeriums. Somit stärken wir Forschung und Entwicklung und fördern neue Investitionen in den neuen Ländern. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Vielen Dank. – Der nächste Fragesteller ist Frank Tempel. Frank Tempel (DIE LINKE): Herr Minister, inwiefern erachten Sie es als politische Kultur, dass ein solcher Bericht beispielsweise der Schweriner Zeitung früher vorliegt als den Berichterstattern im Deutschen Bundestag? Sie sprachen soeben von den großen Anstrengungen, die auf dem Arbeitsmarkt unternommen werden. Nach unserer Einschätzung wird eher viel Kraft darauf verwendet, möglichst viele Programme auslaufen zu lassen. Wie sinnvoll ist es, die Investitionszulage, von der gerade die Kommunen im Osten profitiert haben, bis 2013 auslaufen zu lassen? Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des Innern: Ich kann Ihnen zunächst einmal sagen, dass wir immer wieder sehr gezielt entsprechende Programme auf den Weg bringen. Natürlich kommt es auch vor, dass Programme auslaufen. Das gilt vor allem für die Bereiche, in denen wir keine originäre Zuständigkeit haben und wo wir befristete Pilotprojekte auf den Weg bringen. Das Auslaufen von solchen Programmen wird aber durch eine Vielzahl neuer Programme überkompensiert, die aufgrund neuer Herausforderungen und neuer Fragestellungen aufgelegt werden. Zur Herausgabe des Berichts oder von Teilen des Berichts an die Schweriner Zeitung kann ich Ihnen nichts sagen. Ich weiß nämlich nicht, wie diese Zeitung da rangekommen sein könnte. Ob das, was dort zitiert wird – mir liegt die Zeitungsmeldung leider nicht vor –, dem entspricht, was im Bericht steht, kann ich Ihnen auch nicht bestätigen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Vielen Dank, Herr Minister. – Die nächste Frage stellt der Kollege Arnold Vaatz. Arnold Vaatz (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Minister, ich bin erst einmal sehr dankbar, dass Sie klargestellt haben, dass der geringere Anteil der ostdeutschen Wirtschaft an der gesamtdeutschen Wirtschaft im Vergleich zum Vorjahr – der Anstieg betrug rund 2 Prozent – darauf zurückzuführen ist, dass der Einbruch bei der letzten Wirtschaftskrise in Ostdeutschland nicht so stark war und dass aus diesem Grund die Konsolidierung nicht mit der Geschwindigkeit vorangegangen ist wie im Westen. Alle Zahlen einschließlich der verbesserten Arbeitslosenstatistik zeigen, dass es in Ostdeutschland insgesamt ein Wachstum gegeben hat. Allerdings ist das Tempo unter Berücksichtigung des vorausgegangenen Einbruchs nicht so hoch wie das im Westen. Es ist gut, dass Sie das klargestellt haben. Ich habe zwei Fragen. Meine erste Frage lautet: Sie haben in Ihrem Bericht großen Wert darauf gelegt, die demografische Entwicklung darzulegen. Diese Entwicklung ist in der Tat sehr besorgniserregend. Können Sie sich Maßnahmen vorstellen, die auf Landes- und Gemeindeebene, aber auch auf Bundesebene ergriffen werden, um der demografischen Entwicklung entgegenzutreten? Meine zweite Frage lautet: Wie beurteilen Sie den infrastrukturellen Unterschied, also die Infrastrukturdichte im Osten im Vergleich zur Infrastrukturdichte im Westen? Ich meine damit nicht nur Verkehrswege, sondern auch die wirtschaftliche Infrastruktur. Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des Innern: Es gibt sicherlich bei der Infrastruktur nach wie vor Nachholbedarf. Da sind einige Projekte auf dem Weg, für die der Etat des Bundesverkehrsministers eine entsprechende Ausfinanzierung vorsieht. Was die Infrastruktur im Allgemeinen einschließlich der Forschungsinfrastruktur angeht, haben wir als Bundesregierung, glaube ich, sehr viel geleistet. Wir sorgen dafür, dass der Forschungsstandort in den neuen Ländern enorm gestärkt wird. Das ist ein sehr wichtiger und zentraler Punkt. Zur demografischen Entwicklung. Wir werden am 4. Oktober auf einem großen Demografiegipfel im Kanzleramt offiziell neun Arbeitsgruppen starten. In all diesen Arbeitsgruppen, die sich mit neun zentralen und unterschiedlichen Handlungsfeldern der Demografie-politik der Bundesregierung befassen, werden die Interessen der neuen Länder vertreten sein. Dies ist deswegen besonders sinnvoll und notwendig, weil es in den neuen Ländern viele Erfahrungen, kreative Ideen und eine enorme Innovationsfähigkeit gibt, wenn es um das Problem der demografischen Entwicklung geht. Wir wollen diese Erfahrungen einbeziehen und versuchen, zusammen mit den Landesregierungen und den Kommunen – es gab bereits einen ersten Onlinedemografiekongress – Antworten zu finden, die der spezifischen Lage vor Ort gerecht werden. (Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Vielen Dank!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Vielen Dank, Herr Minister. – Jetzt hat das Fragerecht der Kollege Tankred Schipanski. Tankred Schipanski (CDU/CSU): Vielen Dank, Herr Minister. – Sie haben die Innovationsfähigkeit der neuen Länder angesprochen. Wie wir alle wissen, haben wir gerade ein sehr effektives Programm zur Förderung der Innovationsfähigkeit in den neuen Ländern mit einem Volumen von 500 Millionen Euro aus dem Hause Ihrer Kabinettskollegin Schavan auf den Weg gebracht. Gestern wurde verkündet, dass das BMBF zusammen mit der Wirtschaft Magdeburg und Jena einen Forschungscampus faktisch sponsert. Dresden hat zudem eine Exzellenzuniversität. Es gibt ganz spannende Impulse in der deutschen Wissenschafts- und Universitätslandschaft. Mich interessiert, wie Sie, Herr Minister, die weitere Entwicklung Ostdeutschlands als Wissenschafts- und Universitätsstandort gerade im Hinblick auf die mannigfaltigen Aktivitäten, die der Bund hier entfaltet, beurteilen. Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des Innern: Sie haben sehr plastisch und zutreffend beschrieben, dass wir hier auch deswegen auf einem guten Weg sind, weil der Bund Investitionen tätigt. Wichtig ist, dass die Grundlage, die wir im Wissenschaftsbereich gelegt haben, auch zur Steigerung der Attraktivität der neuen Länder als Investitionsstandort beiträgt. Hinzu kommen müssen neben den staatlichen Investitionen, die wir reichlich getätigt haben, Investitionen der Privatwirtschaft. Je mehr es uns gelingt, mit Exzellenzinitiativen und einer hervorragenden wissenschaftlichen Ausbildung vor Ort die Attraktivität zu erhöhen, umso mehr wird es zu Investitionen von privaten Unternehmen kommen. Insofern glaube ich, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Die nächste Frage hat der Kollege Patrick Kurth. Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP): Herr Minister, wir haben das 23. Jahr nach der Wende. Das Thema Aufarbeitung ist seit der deutschen Einheit ein Thema, dem die Bundesregierung und auch das Parlament einen hohen Stellenwert einräumen. Meine erste Frage lautet: Wie schätzen Sie denn die Arbeit des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes ein? Inwiefern hat Roland Jahn bisher Akzente setzen können? Was erwarten Sie von ihm und seiner Arbeit in der Zukunft? Die zweite Frage: Im „Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit“ machen Sie auf die bestehenden Lohnunterschiede aufmerksam. Nun ist es so, dass vor allen Dingen der Nettobetrag, der bei den Menschen ankommt, entscheidend ist. Wir wissen, dass die kalte Progression innerhalb eines bestimmten Gehaltsrahmens ihre Wirkung entfaltet. Genau in diesem Rahmen bewegen sich überwiegend die Gehälter in Ostdeutschland, sodass sich die kalte Progression vor allen Dingen in Ostdeutschland auswirkt. Wie bewerten Sie im Zusammenhang mit dem Aufbau Ost die Haltung mancher Länder im Bundesrat zur Abschaffung der kalten Progression? Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des Innern: Das Thema kalte Progression, das Sie ansprechen, betrifft ganz Deutschland und ist seit vielen Jahren ein Problem. Deswegen habe ich es immer für richtig gehalten, dieses Thema ganz oben auf die steuerpolitische Agenda zu setzen. Ich bedaure es außerordentlich, dass wir gerade die sehr leistungsstarken Einkommensbezieher treffen und diesen durch die kalte Progression Kaufkraft -genommen wird. Deshalb kann ich es nicht nachvollziehen, dass man an dieser Stelle nicht gemeinsam und einmütig zu Korrekturen kommt. Was die Arbeit von Roland Jahn angeht, muss ich sagen: Wir haben regelmäßig Kontakt und tauschen uns aus. Ich glaube, dass er in ganz hervorragender Weise seine Arbeit erledigt. Das Thema Aufarbeitung wird uns beschäftigen. Ich glaube, dass er dieses Thema sachgerecht, mit Sorgfalt und auch mit der nötigen Leidenschaft behandelt. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Danke schön. – Die nächste Frage hat Stephan Kühn. Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Minister, Sie haben ein sehr fleißiges Ministerium, das in den letzten Monaten sehr viele Berichte und Gutachten erstellt hat, zum Beispiel einen Evaluationsbericht zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung, das Handlungskonzept „Daseinsvorsorge im demografischen Wandel zukunftsfest gestalten“ und das Gutachten „Wirtschaftlicher Stand und Perspektiven für Ostdeutschland“. Mich würde interessieren: Welche der Vorschläge aus den Handlungsempfehlungen wollen Sie bis zum Ende der Wahlperiode umsetzen? Die zweite Frage: Sie haben letztes Jahr den Innova-tionsstandort Ostdeutschland ausgerufen. Wie passt das damit zusammen, dass die Mittel aus dem Solidarpakt, Korb II, immer noch überproportional in Infrastrukturmaßnahmen fließen, obwohl Sie in den Berichten schreiben, die Infrastrukturlücke sei bis auf den Breitbandausbau geschlossen? Warum werden immer noch weniger Mittel, gemessen an den Infrastrukturmitteln, in den Bereichen Bildung, Innovation und Forschung verausgabt? Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des Innern: Ich kann Ihnen sagen, dass wir in allen Bereichen hohe und sachgerechte Ausgaben tätigen. Es ist wichtig, zu erkennen, dass eine der wichtigsten Bedingungen für die Attraktivität des Investitionsstandorts Deutschland insgesamt und insbesondere in den neuen Ländern ist, dass wir Infrastruktur zur Verfügung stellen. Wir betreiben die Pflege des Potenzials dadurch, dass wir in diesen Bereich investieren. Ich glaube, dass sich das mittel- und langfristig auszahlen wird. Mittel- und langfristig sind auch alle Vorschläge angelegt, die wir in unserem Gutachten erarbeitet haben. Manche lassen sich kurzfristig durch Programme, deren große Zahl Sie dem Bericht entnehmen können, umsetzen; andere müssen langfristig angegangen oder mittelfristig realisiert werden. Ich kann Ihnen sagen, dass wir an allen Vorschlägen, die gut und zielführend sind, mit voller Kraft arbeiten. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Die nächste Frage hat erneut Frau Dr. Martina Bunge. Dr. Martina Bunge (DIE LINKE): Herr Minister, ich habe mich gefreut über Ihr Bekenntnis zur Höherwertung, durch die gleiche Arbeit in Ost und West, die bisher unterschiedlich entlohnt wird, für die Rente gleichgestellt wird. Jetzt gehen wir einmal von zwei Menschen aus, die die gleiche Arbeit tun und über diesen Mechanismus 40 Entgeltpunkte haben. Bei demjenigen, der in den alten Bundesländern wohnt, wird mit 28,07 Euro malgenommen, während bei dem, der in den neuen Bundesländern wohnt, mit 24,92 Euro malgenommen wird. Das Ergebnis sind 1 122,80 Euro für den aus dem Westen und 996,80 Euro für den aus dem Osten. Halten Sie das für gerecht? Meinen Sie, es gibt keine Lösung dafür? Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des Innern: Sehen Sie, es gibt eine Höherwertung der Arbeitsverdienste im Osten. Das bedeutet: Jemand, der im Osten mit seinem Verdienst eigentlich 30 Entgeltpunkte hat, wird höhergewertet auf zum Beispiel 40 Entgeltpunkte, wie Sie es beschrieben haben. Das muss man dann mit dem Rentenwert multiplizieren. Zum Beispiel derjenige, der in Ostfriesland oder in einer anderen strukturschwachen Region in den alten Bundesländern lebt, bleibt bei 30 Entgeltpunkten. Multipliziert man das dann mit dem höheren Rentenwert, der im Westen anzusetzen ist, dann kommt man nicht ganz auf die Zahlen, die Sie genannt haben. (Zuruf der Abg. Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]) – Einer wird höhergewertet, während ein anderer, obwohl er ebenfalls in einer Region lebt, in der niedrige Löhne gezahlt werden, in der das gesamte Lohn-Preis-Gefüge niedrig ist, dann nicht hochgewertet wird. Insofern besteht da eine unterschiedliche Ausgangssituation. (Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Das ist ein generelles Problem! – Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Herzlichen Dank! Der Osten wird wirklich bevorzugt! Doll!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Jetzt hat das Wort der Kollege Steffen Lemme. Steffen-Claudio Lemme (SPD): Herr Minister, wir haben hier ein gesellschaftliches Problem. Ich bezeichne es als das Problem der Armut. Es gibt aber nicht nur die Altersarmut, wie Sie selbst als Vertreter der Regierungsseite festgestellt haben, sondern auch Kinder- und Jugendarmut sowie Armut im Osten durch prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Ich frage Sie: Was wollen Sie gegen die Armut im Osten tun? Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des Innern: Ich glaube, Sie sprechen einen ganz wichtigen Punkt an. Wir müssen dafür sorgen, dass insbesondere unsere Kinder sehr frühzeitig in all ihren Möglichkeiten ge-fördert werden. Das ist eine Aufgabe, die vom Kabinettsmitglied Kristina Schröder hervorragend wahr-genommen wird. Wir haben im Sozialbereich ein Bildungspaket auf den Weg gebracht. All das ist ein wesentlicher Beitrag, den der Bund leistet, um unseren Kindern überall im Land, in Ost wie in West, eine Chance zu geben. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Jetzt hat noch eine Frage der Kollege Stephan Kühn. Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Minister, Sie haben auf die Arbeitsmarktentwicklung hingewiesen. Was Sie aber nicht gesagt haben, ist, dass 22 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Ostdeutschland im Niedriglohnsektor beschäftigt sind. Sie haben gesagt, welche Maßnahmen Sie nicht für sinnvoll halten, um diesen Missstand zu beseitigen. Mich würde interessieren, für welche Maßnahmen Sie eintreten wollen, um diesen Missstand zu beseitigen. Die zweite Frage dreht sich um den Stadtumbau Ost. Der notwendige Rückbau von Wohnungen ist im letzten Jahr zum Erliegen gekommen. Halten Sie vor diesem Hintergrund an Ihrer Position fest, die Altschuldenhilfe nach 2013 nicht fortzusetzen? Wenn Sie diese Position weiterhin vertreten: Wie sollen die Instrumente aussehen, um den Wohnungsbestand in Ostdeutschland an den demografischen Wandel anzupassen? Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des Innern: Ich glaube, dass es auch aus den Reihen der Regierungen der neuen Länder nicht mehr die Forderung gibt, dass wir die Altschuldenhilfe fortsetzen. Sie wird 2013 auslaufen. Dabei bleibt es auch. Beim Stadtumbau Ost ist nach wie vor ein Teil der Mittel sicher auch für Abbrucharbeiten auszugeben. Aber man muss sich im Einzelfall vor Ort sehr genau anschauen, was da zu tun ist. Zum Niedriglohnsektor. Man muss erkennen, dass es wichtig ist, dass wir die Wirtschaftskraft in den neuen Ländern stärken, dass wir die Unternehmen stärken, dass wir ihre Exportfähigkeit und ihre Innovationskraft stärken. Damit haben wir mehr hochwertige Arbeitsplätze, was dazu führt, dass höhere Löhne gezahlt werden können. Das ist Ausdruck einer sich dynamisch entwickelnden Wirtschaft. Diese Idee treiben wir seit Jahren voran. Sie ist, wie wir sehen, sehr erfolgreich. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Jetzt gibt es noch eine Frage zu anderen Themen aus der Kabinettssitzung, und zwar vom Kollegen Volker Beck. Bitte schön. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Bundesinnenminister, ich habe zwei Fragen zu der sogenannten „vermisst“-Kampagne Ihres Hauses. Zur ersten Frage. Das Bundesinnenministerium hat am 20. September per Pressemitteilung erklärt: Aufgrund einer aktuellen Gefährdungsbewertung des Bundeskriminalamtes … verschiebt das Bundesinnenministerium … den Start der Plakataktion der Öffentlichkeitskampagne „vermisst“. Ich kann es nur begrüßen, wenn das gestoppt wird; ich finde, das gehört eingestampft. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Warum?) Wie erklären Sie sich, dass dann heute in Neukölln genau diese Plakate an Plakatwänden auftauchen? Haben Sie die Öffentlichkeit hier wahrheitsgemäß unterrichtet? Wie ist der Widerspruch zwischen Pressemitteilung und diesen an mehreren Stellen in Neukölln aufgestellten Plakaten zu erklären? Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des Innern: Ist das ein Großflächenplakat? Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist ein Großflächenplakat. Ich habe das, was ich Ihnen jetzt zeige, von der Website www.migazin.de he-runtergeladen. Dort hat man mehrere Exemplare davon dokumentiert. Dieses hier ist entsprechend verziert worden, weil es wohl auf erhebliche Irritationen in der Mi-grationscommunity stößt, was ich gut verstehen kann. Es gab zu dieser Frage auch Kritik aus der Koalition, insbesondere aus der FDP-Fraktion, die ich voll teile. Also: Wie kommt es dazu? Zur zweiten Frage. Gestern wurden die gleichen Motive als Postkarten in Geschäften und Lokalen der Kölner Keupstraße verteilt. – In der Keupstraße hatte der NSU eine Splitterbombe gezündet; es gab 20 Verletzte. – Das führt zu erheblicher Beunruhigung in Köln und wird als Stigmatisierung der Mordopfer des NSU gewertet. Ich bitte Sie, Herr Innenminister: Würden Sie sich entschuldigen bei den Opfern dieses NSU-Anschlags und bei den Anwohnern der Kölner Keupstraße, die sich durch diese Öffentlichkeitsaktion Ihres Ministeriums erheblich herabgesetzt fühlen? (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Eine bösartige Unterstellung ist das!) Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des Innern: Lieber Herr Beck, diese Aktion ist auf ein Gespräch zurückzuführen, das wir unter anderem mit Eltern von Kindern geführt hatten, die sich selbst radikalisiert haben, die Deutschland verlassen haben und in pakistanische Terrorcamps ausgereist sind. Die Eltern haben uns gesagt: Wir wussten nicht, wohin wir uns wenden sollen. Ich habe noch in derselben Woche, als dieses Gespräch im Rahmen unserer Sicherheitspartnerschaft stattgefunden hat, eine Hotline beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg schalten lassen, mit der wir den Menschen in deutscher Sprache, aber auch in jeder anderen Sprache Hilfe anbieten, bei der Eltern, Verwandte, Freunde, die Sorge haben, dass sich ein Kind radikalisiert, in Kreise gerät, wo es sozusagen radikalen Kräften zum Opfer fällt, Hilfe suchen können. Nun war es so, dass man gemeinsam überlegt hat: Wie können wir diese Telefonnummer, diese Hotline, bei all denen bekannt machen, die daran interessiert sind, also insbesondere bei den Eltern? Man hat sich zusammen mit den muslimischen Verbänden dafür entschieden, diese Kampagne zu machen. 50 Prozent der Plakate und auch 50 Prozent der Postkarten zeigen einen blonden Jungen, der insbesondere Eltern von Konvertiten ansprechen soll. Denn ein großes Problem des Homegrown Terrorism ist, dass es viele Menschen gibt, die zum Islam konvertieren und sich dann radikalisieren. Das ist also auch ein Hilfsangebot an deutsche Eltern, die das erleben. Wir wussten natürlich auch, dass es neben dem Konvertitenproblem ein Problem bei Familien arabischer Herkunft und türkischen Familien gibt. Deswegen zeigen 50 Prozent der Plakate und Postkarten einen blonden Jungen und 50 Prozent einen südländisch aussehenden Jungen und sind zum Teil in arabischer Sprache und zum Teil in türkischer Sprache. Da einige Kreise, die ich nicht näher definieren will, Interesse daran hatten, diese Plakataktion, die die Nummer der Hotline als Hilfe für Eltern bekannt machen soll, zu skandalisieren – der blonde Junge ist übrigens in keiner der Skandalisierungsmeldungen aufgetaucht –, (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch nicht auf den Plakaten in Neukölln!) da es nur darum ging, das zu skandalisieren, und das in Teilen gelungen ist, hat das dazu geführt, dass viele Menschen verunsichert sind. Das bedaure ich außerordentlich. Vorgesehen waren eine Anzeigenkampagne, eine Internetkampagne, die Postkartenkampagne und diese Plakataktion. Die drei erstgenannten Maßnahmen laufen weiter. Die Plakataktion musste ich allerdings am vergangenen Donnerstag aufgrund einer Gefährdungsbewertung des BKA im Zusammenhang mit den Drohvideos und zu befürchtenden Demonstrationen verschieben. Ich kann Ihnen jetzt nicht erklären, warum die Plakate trotzdem aufgehängt wurden, aber ich gehe der Sache nach. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und in der Keupstraße?) – Die Postkartenaktion läuft normal weiter. Die Postkarten werden nicht gezielt in einer Straße verteilt, sondern im ganzen Land. Ich füge hinzu: Die ganze Sache ist sehr erfolgreich, weil inzwischen jeder die Nummer kennt. Insofern ist ein wichtiges Ziel der Informationskampagne erreicht worden, nämlich dass Eltern, die sich Sorgen um ihre Kinder machen, wissen, wo sie anrufen können. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Bitte, eine Nachfrage. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben gerade die Kreise angesprochen, die diese Aktion kritisieren. Das sind offensichtlich die Kreise, mit denen Sie sie besprochen haben. Heute hat die -DITIB, die größte islamische Organisation in Deutschland, an die Bundeskanzlerin geschrieben und darauf hingewiesen, dass die DITIB, der VIKZ, der Zentralrat der Muslime und die IGBD aus der Sicherheitspartnerschaft mit dem Bundesinnenministerium wegen dieser Kampagne ausgetreten sind. Das heißt, kein islamischer Verband steht mehr oder stand je hinter Ihrer Kampagne, was auch verständlich ist; denn mit dem Bild von irgendwelchen südländisch aussehenden Menschen, das sich zwischen dem „Vermisst“ und dem Hinweis, dass jemand in den Islamismus abgedriftet ist, befindet, wird der Anschein erweckt, man dürfe hinter jedem südländischen Gesicht einen Islamisten vermuten. (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Das ist eine bösartige Unterstellung! Sie dürfen nicht von sich auf andere schließen!) Das ist die Botschaft Ihrer Kampagne. Deshalb führt sie nicht zu dem Ziel, das Sie verfolgen und das ich durchaus teile: Wir müssen uns mehr um diese Fragestellung kümmern. Dabei ist Ihre Kampagne aber kontraproduktiv. Sie wird von den Migranten und Muslimen zu Recht als beleidigend empfunden. Ich frage Sie wirklich: Halten Sie es für geeignet, diese Postkarte in der Kölner Keupstraße, am Tatort eines der NSU-Anschläge, zu verteilen, (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Warum denn dort nicht?) oder finden Sie nicht eher, da ist Ihnen etwas aus dem Ruder gelaufen, wofür sich das Ministerium bei den Menschen zu entschuldigen hätte? Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des Innern: Lieber Herr Beck, das Ministerium und ich werden uns nicht dafür entschuldigen, dass wir den radikalen Islamismus und Salafismus, die eine Gefahr (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht die Frage!) nicht nur für unser Land, sondern für ganz Europa darstellen, bekämpfen. Wir werden das mit aller Konsequenz tun. Ich bitte Sie, die Gefährlichkeit dieser radikalisierten Islamisten nicht zu unterschätzen. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dazu leisten Sie mit einem solchen Vorgehen wirklich einen Beitrag! – Michael Brand [CDU/CSU]: Herr Beck, das ist eine Verharmlosung des Islamismus!) Es wäre wirklich dramatisch, wenn man die Abwehrkraft des Staates in dieser Frage schwächen würde. Ich bin sehr dankbar, dass die muslimischen Verbände bei der Sicherheitspartnerschaft mitgemacht haben. Mir ist nicht klar, warum sie auf einmal eine Kehrtwende machen. Vielleicht gibt es – – Aber ich will da keine Details nennen. Ich kann Ihnen nur sagen, dass mich Berichte aus der Türkei sehr ärgern, die erkennen lassen, dass sich Leute überhaupt nicht mit den Fragen und Einzelheiten beschäftigen, sondern versuchen, in Deutschland Einfluss zu nehmen. Einem solchen Einfluss werde ich mich nicht beugen. (Zustimmung bei Abgeordneten der CDU/CSU – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein tapferer Held!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Gibt es jetzt noch Fragen über das Gebiet der heutigen Kabinettssitzung hinaus? – Das ist nicht der Fall. Dann beende ich die Befragung. Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde – Drucksache 17/10736 – Zunächst rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Katherina Reiche zur Verfügung. Ich rufe die Frage 1 des Kollegen Gerd Bollmann auf: Wer soll nach Auffassung der Bundesregierung die Trägerschaft für die geplante einheitliche Wertstofferfassung – Wertstofftonne – erhalten: öffentlich-rechtliche Entsorger, duale Systeme oder private Entsorger? Frau Staatssekretärin, bitte. Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Herr Präsident! Herr Kollege, Ihre Frage nach der Trägerschaft beantworte ich wie folgt: Entscheidend ist aus Sicht der Bundesregierung das Ziel, eine bürgerfreundliche, ökologisch anspruchsvolle und zugleich kosteneffiziente Erfassungsstruktur aufzubauen. Ausgehend von den Erfahrungen mit der Verpackungsverordnung haben sich Produktverantwortung und Wettbewerb als effektive Mittel zur Kostensenkung sowie zur Förderung von Innovationen erwiesen. Im Rahmen der geplanten einheitlichen Wertstofferfassung strebt die Bundesregierung an, alle relevanten Akteure in die Erarbeitung eines tragfähigen Konzeptes einzubeziehen. Dazu führt das Bundesumweltministerium derzeit Gespräche mit dem Ziel, eine Basis für eine politisch realisierbare Lösung zu erarbeiten. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Nachfrage? – Bitte schön, Herr Bollmann. Gerd Bollmann (SPD): Frau Staatssekretärin, da ich in dieser Antwort keine Position der Bundesregierung erkennen kann, will ich weiter nachfragen: Ist die Bundesregierung wirklich der Ansicht, dass ein Verzicht auf eine eigene Position, gerade im Hinblick auf die Unvereinbarkeit bisher vorgetragener Positionen, zu einem zügigen Ergebnis führt, oder handelt es sich vielmehr um einen Ausdruck der Zerstrittenheit der Koalition über die Frage der Privatisierung in der Abfallwirtschaft? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Herr Kollege, wir haben es hier mit einer komplexen Materie zu tun, die nicht nur durch den Bundestag, sondern auch durch den Bundesrat bestätigt werden muss. Die privaten Entsorger, die kommunalen Entsorger und die dualen Systeme müssen eine Lösung vereinbaren, die am Ende trägt. Insofern ist es angesichts der Erfahrungen, die wir im Zusammenhang mit dem Kreislaufwirtschaftsgesetz gemacht haben, zwingend erforderlich, politisch geboten und auch klug, wenn wir vorher mit allen Beteiligten sprechen und ausloten, welche Lösung am Ende realisierbar ist. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Weitere Nachfrage? Gerd Bollmann (SPD): Nein. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Nein. – Dann hat die Kollegin Dorothea Steiner eine Nachfrage. Bitte. Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Herr Präsident. – Vor dem Hintergrund, dass wir eine nette Diskussion führen, ob die öffentlich-rechtliche Hand oder die Privatwirtschaft die Sammlung der Wertstoffe federführend durchführt, frage ich die Bundesregierung: Haben Sie bei dem geplanten Wertstoffgesetz vor, die umweltpolitischen Ziele stärker zu verankern und zum Beispiel Standards zu formulieren? Was genau planen Sie in dieser Richtung? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Frau Kollegin, die Weiterentwicklung der Verpackungsverordnung hin zu einer noch besseren Wertstoff-erfassung umfasst bereits umweltpolitische Ziele; denn die Verpackungsverordnung hat sich alles in allem nicht nur bewährt, sondern sie hat in ihrer Geschichte dazu geführt, dass sich die wirtschaftliche Entwicklung vom Müllaufkommen, vom Verpackungsmaterial entkoppelt hat. Das ist nicht nur ein ganz wichtiges umweltpolitisches Ziel, sondern auch ein wichtiger umweltpolitischer Erfolg. Jetzt geht es darum, es zu schaffen, die Menge an zusätzlichem Abfall, die das UBA im Planspiel und in wissenschaftlichen Gutachten ermittelt hat, nämlich noch einmal 570 000 Tonnen, zu erfassen und ökologisch zu trennen, um die Erfolge, die wir in den letzten 10, 15 Jahren erreicht haben, weiter fortzusetzen. Die umweltpolitischen Ziele sind bereits mit darin beinhaltet. (Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe nur gar nicht nach der Verpackungsverordnung gefragt! Darf ich noch eine Frage stellen?) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Nein, leider nicht. Wir kommen jetzt zur Frage 2 des Kollegen Gerd Bollmann: Ist die Bundesregierung angesichts vielfältiger Kritik weiterhin der Ansicht, dass die Verpackungsverordnung ein Erfolg ist und Grundlage für das Wertstoffgesetz sein soll? Frau Staatssekretärin, bitte. Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Ja, gerne. – Herr Kollege, mit der Verpackungsverordnung von 1991 wurde die Rücknahme und Verwertung von Verpackungsabfällen in die Hände der Hersteller und Vertreiber von Verpackungen gelegt. Diese Regelung der abfallwirtschaftlichen Produktverantwortung durchbrach, übrigens auf ausdrücklichen Wunsch der Kommunen, erstmals die bis dahin übliche Aufgabenteilung, wonach die Wirtschaft für die Herstellung und den Vertrieb der Erzeugnisse und die öffentliche Hand für deren Entsorgung zuständig war. Mit dem Einbeziehen der produzierenden Wirtschaft in die Entsorgungsverantwortung ist es gelungen, die Entwicklung der Verpackungsmenge vom allgemeinen Wirtschaftswachstum zu entkoppeln. Zugleich waren die Verwertungsanforderungen der Verpackungsverordnung auch ein wesentlicher Treiber für den Aufbau fortschrittlicher Recyclingstrukturen in Deutschland. Das dabei entwickelte technische und logistische Know-how wird heute in aller Welt nachgefragt. Die haushaltsnahe Getrennterfassung von Verpackungsabfällen wird von den Bürgerinnen und Bürgern mit großem Engagement genutzt. Insgesamt wurden in Deutschland im Jahr 2009 fast 85 Prozent aller Verpackungs-abfälle einer Verwertung zugeführt. Dies ist – dies noch einmal an Sie, Frau Steiner – ganz eindeutig eine ökologische Erfolgsgeschichte. Die von Ihnen angeführte Kritik betrifft demgegenüber praktisch ausschließlich die Frage der Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Systembeteiligung von Verkaufsverpackungen, also wirtschaftliche Aspekte. Dazu hat das Planspiel Antworten aufgezeigt; hierzu gehört insbesondere der Aufbau einer mit hoheitlichen Befugnissen beliehenen zentralen Stelle. Aus Sicht der Bundesregierung gibt es mithin keine nachvollziehbaren Gründe, die einer Fortentwicklung der Verpackungsverordnung zu einem Wertstoffgesetz entgegenstehen würden. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich möchte die Kolleginnen und Kollegen auf die Lindhorster Trachtengruppe aus Schaumburg-Lippe aufmerksam machen, die oben auf der Tribüne in prächtigen Trachten Platz genommen hat. Würden Sie bitte einmal aufstehen, damit Sie gebührend bewundert werden können? (Beifall) Vielen Dank. Es gibt eine Nachfrage. Bitte, Herr Kollege Lenkert. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Staatssekretärin, ist Ihnen bekannt, dass die Kosten für die Erfassung und Sortierung von Verpackungsmüll im dualen System bei 400 Euro je Tonne liegen und dass darüber hinaus weitere 600 Euro pro Tonne an Overheadkosten anfallen? Ist Ihnen des Weiteren bekannt, dass bis zu 200 Prozent des lizensierten Verpackungsmaterials auftauchen, was eigentlich unverständlich ist? In diesem Zusammenhang frage ich mich, wie Sie dazu kommen, das Ganze als Erfolgsmodell zu propagieren und zur Fortentwicklung zu empfehlen. Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Herr Kollege, in der Vergangenheit haben sich Wirtschaftswachstum und das Aufkommen an Verpackungsmüll deutlich entkoppelt. Die Quoten für die Erfassung, die in den 90er-Jahren noch bei knapp 27 Prozent lagen, haben wir auf über 80 Prozent gesteigert. Es bedeutet, wie ich meine, einen erheblichen wirtschaftlichen und vor allem ökologischen Erfolg, diejenigen in die Verantwortung einbezogen zu haben, die für die Erzeugung dieses Abfalls zuständig sind. Der Hilferuf der Kommunen Anfang der 90er-Jahre war nämlich, dass diese für die Abfälle verantwortlich waren, weil die Produzenten nicht in die Verantwortung einbezogen waren. Die Umschichtung der Verantwortlichkeit hat keine andere Regierung – weder der damalige Umweltminister Trittin noch Sigmar Gabriel –, auch nicht Norbert Röttgen und schon gar nicht Peter Altmaier infrage gestellt, sondern ganz im Gegenteil. Wir wollen die Produktverantwortung fortschreiben und dafür sorgen, dass noch mehr recycelt werden kann, wir also hin zu einer echten Kreislaufwirtschaft gelangen. Diesem Ziel diente die Novelle des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes sowie alle weiteren Novellen, die wir im Zuge der großen Novelle noch vor uns haben. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Vielen Dank. Eine weitere Nachfrage hat der Kollege Oliver Krischer. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herzlichen Dank, Frau Staatssekretärin, für Ihre Ausführungen. Sie haben eben davon gesprochen, dass es eine Erfassungs- und Wiederverwertungsquote von 85 Prozent gebe. Das ist in der Tat eine imposante Zahl, damit nähern wir uns den 100 Prozent. Meine Frage lautet: Was beinhaltet diese Quote von 85 Prozent Wiederverwertung? Ist hierin die thermische Verwertung, sprich: die Verbrennung in Müllverbrennungsanlagen, enthalten? Oder handelt es sich bei diesen 85 Prozent um Recycling im Sinne von „Wiederverwendung des Produktes“? Könnten Sie diese Quote bitte aufschlüsseln, sodass ersichtlich wird, ob es sich hierbei um eine Wiederverwertung im klassischen Sinne handelt oder ob wir eher über eine Entsorgung in Form der energetischen Verwertung, also Verbrennung, reden? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Gerade die Kommunen haben sich auf die eben von Ihnen angesprochene Art der Verwertung spezialisiert; Müllverbrennungsanlagen gibt es in kommunaler Hand. Demgegenüber haben sich private Entsorger darum gekümmert, die Fraktionen möglichst trennscharf aufzuspalten, und sehr viel in intelligente Verwertung investiert. Wir wollen – das ist das Ziel der jüngsten Novelle – die energetische Verwertung reduzieren, um am Ende des Tages so viel wie möglich wiederzugewinnen. Gleichwohl ist es gelungen, die Verwertungsquoten zu steigern. Wir haben eine fünfstufige Abfallhierarchie eingeführt, um die Fraktionen noch besser zu trennen und einer geeigneten Verwertung zuzuführen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Jetzt hat die Kollegin Dorothea Steiner eine Frage. Bitte. Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Frau Staatssekretärin, für Ihre Ausführungen zur energetischen Verwertung, schlicht: zur Verbrennung. Sie verweisen dabei auf die Abfallhierarchie, die letztes Jahr mit dem geänderten Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz eingeführt worden ist. Wie werden Sie der Kritik gerecht, die schon damals geäußert wurde – beileibe nicht allein von der Opposition in diesem Haus –, dass die Grenze, ab der man energetisch verwerten, sprich: verbrennen, darf, so niedrig angesetzt ist, dass es möglich ist, sogar Altpapier – das ist eine abfallpolitische Sünde – oder Altholz in die Verbrennung zu geben? Eigentlich sollte es die Aufgabe eines Wertstoffgesetzes sein, ökologische Standards zu setzen, also die Grenze so hoch anzusetzen, dass ein ganz hoher Anteil des Abfalls stofflich verwertet wird. Wie werden Sie im vorgesehenen Wertstoffgesetz damit umgehen? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Wir haben den Grenzwert von 11 000 Kilojoule pro Kilogramm lange diskutiert, nicht nur mit dem Parlament, sondern auch mit allen beteiligten Kreisen. Wir haben neben diesem Grenzwert eine Abfallhierarchie mit fünf Stufen eingeführt. Wir hoffen und erwarten, dass hier noch trennschärfer vorgegangen wird. Ich meine jedenfalls, dass wir angesichts der Verwertungsquoten gerade auch im europäischen Vergleich einen ganz großen Erfolg verbuchen und verzeichnen können, wenn es darum geht, mit den Abfällen ökologisch umzugehen. Diesem Ziel wird sich auch ein potenzielles Wertstoffgesetz verschreiben. Wir wollen jedenfalls daran arbeiten, dass wir die Quoten weiter nach oben setzen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Jetzt kommt eine Reihe von Fragen, die schriftlich zu beantworten sind. Es handelt sich um die Fragen 3 und 4 der Kollegin Ute Vogt, die Fragen 5 und 6 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl, die Fragen 7 und 8 des Kollegen Dr. Hermann E. Ott, die Fragen 9 und 10 des Kollegen Frank Schwabe sowie die Fragen 11 und 12 des Kollegen Dr. Matthias Miersch. Wir kommen dann zur Frage 13 der Kollegin Dr. Bärbel Kofler. Ist sie anwesend? – Sie ist nicht anwesend. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Die Frage 14 des Kollegen Hans-Josef Fell soll schriftlich beantwortet werden. Dann kommen wir zur Frage 15 der Kollegin Waltraud Wolff: Wie bewertet die Bundesregierung die in § 64 f Nr. 2 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, EEG, beschriebenen varia-blen Vergütungen für Strom aus Biomasse, die sich etwa an Tageszeiten oder Börsenpreisen orientieren und somit eine bedarfsgerechte Einspeisung fördern, und gedenkt die Bundesregierung, das Vergütungssystem dahin gehend zu ändern? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Sehr geehrte Frau Kollegin Wolff, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Vergütungsregelungen für Strom aus Biomasse im Erneuerbare-Energien-Gesetz wurden zum 1. Januar 2012 umfassend novelliert. Mit der Marktprämie wurde ein neues Instrument zur Verbesserung der Marktintegration der erneuerbaren Energien sowie mit der Flexibilitätsprämie ein neues Instrument zur Förderung der bedarfsgerechten Einspeisung von Biogas eingeführt. Die Wirkung der neuen Regelungen wird nun im Rahmen des laufenden Vorhabens eines EEG-Erfahrungsberichts wissenschaftlich untersucht. In dem Zusammenhang wird auch geprüft, ob und inwieweit von der im EEG festgeschriebenen Verordnungsermächtigung Gebrauch gemacht werden soll. Kurzfristige Anpassungen der Vergütungsregeln für Energie aus Biomasse nach dem EEG sind derzeit nicht vorgesehen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Gibt es Nachfragen? – Bitte, Herr Lenkert. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Frau Staatssekretärin, was die Marktprämie angeht, kann ich Ihnen nicht so ganz folgen, weil dem Umweltausschuss gerade eine Verordnung zur Novellierung vorliegt. Ich möchte Sie trotzdem fragen: Sind Sie nicht der Meinung, dass es aufgrund der anderen fluktuierenden erneuerbaren Energien dringend notwendig wäre, die Nutzung der einzigen erneuerbaren Energie, die pro-blemlos zu beliebigen Zeiten abgerufen werden kann, dahin gehend zu optimieren, dass sie im Prinzip nicht dann erzeugt wird, wenn die Sonne scheint oder der Wind weht, sondern dann, wenn wir sie brauchen, also wenn nicht ausreichend Energie aus Sonne und Wind zur Verfügung steht? Sollte die Bundesregierung an dieser Stelle nicht endlich Vorschläge für die Gesetzgebung unterbreiten? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Herr Kollege, das Erneuerbare-Energien-Gesetz wird fortlaufend überprüft und fortgeschrieben. Allein in dieser Legislaturperiode haben wir das dreimal praktiziert. Ich meine schon, dass die Marktprämie, die in den Bereichen Wind, PV und Biomasse gezahlt wird, auch deshalb ein Erfolg ist, weil erstmals gezeigt werden konnte, dass Strom aus erneuerbaren Energien, auch wenn er fluktuierend ist, vermarktungsfähig ist. Ich meine, dass das ein Erfolg ist. Im Bereich Biomasse müssen wir hier auch nicht korrigieren. Sie sprechen an, was getan werden kann, um erneuerbare Energien grundlastfähig zu machen. Ich bin der Überzeugung, dass mit Blick auf den nächsten Erfahrungsbericht wissenschaftliche Gutachten in Auftrag geben werden, um herauszufinden, wie wir eine optimale Kombination aus stark fluktuierenden Energien, nämlich Wind und Sonne, und grundlastfähiger Biomasse hinbekommen. Eine der nächsten Fragen, die ich gleich zu beantworten habe, bezieht sich auf Kombikraftwerke. Auch das ist eine Möglichkeit, beide Dinge miteinander zu verbinden. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich rufe die Frage 16 der Kollegin Waltraud Wolff auf: Wie bewertet die Bundesregierung die Möglichkeit, mithilfe von Kombikraftwerken/virtuellen Kraftwerken die Systemintegration von erneuerbaren Energien voranzutreiben, und unterstützt sie entsprechende Projekte? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Frau Kollegin Wolff, Sie haben sich tatsächlich nach Kombikraftwerken und virtuellen Kraftwerken erkundigt; das korrespondiert insofern ganz schön. Kombikraftwerke bzw. virtuelle Kraftwerke bieten einerseits die Möglichkeit zur bedarfsgerechten Einspeisung erneuerbarer Energien und andererseits auch zur Erbringung von Systemdienstleistungen. Sie können dadurch wichtige Funktionen im Energieversorgungssystem wahrnehmen und zur Markt- und Systemintegration der erneuerbaren Energien beitragen. Vor diesem Hintergrund fördert das Bundesumweltministerium Forschungsprojekte in Bezug auf Technologieentwicklung und Demonstration von Kombikraftwerken und virtuellen Kraftwerken im Förderschwerpunkt „Integration erneuerbarer Energien und regenerative Energieversorgungssysteme“. Dieser Forschungsschwerpunkt wird kontinuierlich ausgebaut. Aktuell werden 20 Projekte im Bereich Kombikraftwerke/virtuelle Kraftwerke mit einem Gesamtvolumen von rund 13 Millionen Euro gefördert. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Keine Nachfrage? – Danke schön. Die Frage 17 des Kollegen Dirk Becker wird schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 18 der Kollegin Lisa Paus auf: Inwieweit kann sich die Bundesregierung der Ankündigung des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Peter Altmaier, am zweiten Tag der Energieeffizenz am 12. September 2012 in Berlin anschließen, nach der bei der steuerlichen Förderung der Gebäudesanierung in spätestens acht Wochen eine Einigung erzielt sein wird, und welche Schritte unternimmt die Bundesregierung, um die Verhandlungen im Vermittlungsausschuss erfolgreich abschließen zu können? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Sehr geehrte Frau Kollegin, Bundesminister Altmaier hat in seiner Rede am 12. September dieses Jahres seiner Hoffnung Ausdruck verliehen, dass es im Vermittlungsausschuss noch zu einer Einigung kommen wird. Mit diesem Ziel führt die Bundesregierung Gespräche mit den Ländern. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Nachfrage? Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Formulierung war ja doch etwas klarer. Herr Altmaier hat angekündigt – so ist es nicht nur von einem, sondern von verschiedenen Teilnehmern wahrgenommen worden –: Es wird in den nächsten sechs bis acht Wochen ein Ergebnis geben, die Förderung wird kommen. Da ich selber an entsprechenden Gesprächen be-teiligt war, kann ich mich sehr gut daran erinnern, dass das Kanzleramt uns zu Beginn der Sommerpause gesagt hat: Es wird gegen Ende der Sommerpause noch einmal eingeladen, um zu einer Einigung bei der steuerlichen Förderung energetischer Sanierung zu kommen. Diese Einladung ist bis heute ausgeblieben. Aber um einen Kompromiss zu finden, muss man doch vorher miteinander reden. Daher frage ich Sie noch einmal: Woher nimmt Herr Altmaier seinen Optimismus, dass es in acht Wochen zu einem Ergebnis kommt, wenn bisher nicht einmal eine Einladung an die Länder und die entsprechenden Fraktionen ergangen ist? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Zunächst ist festzuhalten: Der Herr Bundesminister ist ein grundsätzlich optimistischer Mensch, (Lachen der Abg. Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) und sein Optimismus gilt vor allem der Kompromissbereitschaft im Bundesrat, dessen Handeln momentan von SPD-geführten Ländern und auch von grünen Landes-regierungen maßgeblich bestimmt und beeinflusst wird. Insofern erwarten und hoffen wir – darauf richtet sich sein Optimismus –, dass am Ende des Tages die allgemeine Einsicht zustande kommt, dass die steuerliche Abschreibung energetischer Sanierungsmaßnahmen äußerst sinnvoll und eine wichtige Ergänzung zu anderen Förderprogrammen des Bundes ist. Wir haben im gesamten Vermittlungsverfahren viele Vorschläge gemacht, man ist aufeinander zugegangen; aber tatsächlich ist es schwierig, nachzuvollziehen, wieso die Hebelwirkung von eins zu zwölf – sprich: 1 vom Bund investierter Euro löst am Ende 12 Euro an privaten Investitionen aus – nicht auch durch den Bundesrat anerkannt wird. Ich finde das schade. Ich meine und hoffe – auch der -Minister ist, wie gesagt, optimistisch –, dass wir zu einer Einigung kommen können. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Weitere Nachfrage? – Bitte. Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Habe ich Sie jetzt richtig verstanden, dass es kein weiteres Angebot der Bundesregierung geben wird, sondern dass das, was auf dem Tisch liegt, für die Bundes-regierung das letzte Wort ist? Auf dieser Grundlage muss es einen Kompromiss geben, weil es sonst keinen gibt? Habe ich Sie richtig verstanden? Es gibt keine -weiteren Initiativen oder Angebote seitens der Bundes-regierung? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Wir führen derzeit Gespräche. Diese Gespräche führen wir so, dass wir am Ende des Tages hoffentlich zu einer gemeinsamen Lösung kommen werden. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Die Frage 19 der Abgeordneten Dr. Martina Bunge wird schriftlich beantwortet. – Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Die Fragen 20 bis 30 zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung werden schriftlich beantwortet. Es handelt sich um die Fragen 20 und 21 des Kollegen René Röspel, die Fragen 22 und 23 der Kollegin Marianne Schieder, die Frage 24 des Kollegen Klaus Hagemann, die Frage 25 des Kollegen Oliver Kaczmarek, die Fragen 26 und 27 des Kollegen Michael Gerdes, die Frage 28 des Kollegen Dr. Ernst Dieter Rossmann sowie die Fragen 29 und 30 des Kollegen Swen Schulz. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Gudrun Kopp zur Verfügung. Ich rufe die Frage 31 des Abgeordneten Uwe Kekeritz auf: Welche geförderten Zeitschriften lässt sich das Bundes-ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, BMZ, vor der Veröffentlichung zur Prüfung vorlegen, und, neben dem jetzt bekannt gewordenen Fall im Zusammenhang mit einem Artikel der Zeitschrift Südlink (vergleiche www.inkota.de/material/suedlink-inkota-brief/161-unternehmensverantwortung/christina-felschen-greenwashing), in welchen weiteren Fällen wurde auf die Veröffentlichung einzelner Artikel Einfluss genommen? Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege Kekeritz, über das Förderprogramm Entwicklungspolitische Bildung werden Mittel an staatliche und nichtstaatliche Organisationen für entwicklungspolitische Bildungsmaßnahmen im Inland zur Verfügung gestellt. Darunter fallen auch, wie in diesem Fall, Publikationen. Voraussetzung für die Förderung von Maßnahmen mit Mitteln aus diesem Programm ist, dass sie einem Bildungsanspruch, und zwar einem entwicklungspolitischen Bildungsanspruch genügen. Vor diesem Hintergrund wird der Zuschussempfänger laut Fördervertrag verpflichtet, im Falle von Publikationen eine Übersicht über die Inhalte von Drucklegungen vorzulegen. Von diesem Recht macht das BMZ Gebrauch, wenn es Anlass zu der -Befürchtung hat, dass die Förderkriterien nicht eingehalten werden. Insbesondere die Finanzierung von Kampagnenarbeit ist durch das genannte Programm nicht gedeckt. Das ist den Zuschussempfängern bekannt. Das wird in kritischen Fällen mit dem Zuschussempfänger regelmäßig und detailliert erörtert. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Nachfrage? – Bitte schön. Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke sehr, Frau Staatssekretärin. Ich muss mich jetzt etwas wundern. Die Antwort, die Sie mir eben gegeben haben, haben Sie mir bereits auf eine andere schriftliche Frage gegeben. Insofern hatte Ihre Antwort keinen neuen Gehalt. Es geht hier um die Frage, ob das BMZ Zensur ausübt oder nicht. Ich habe extra nachgelesen: Zensur ist ein politisches Verfahren, um Inhalte zu kontrollieren. Wenn das BMZ an einen Verleger oder Journalisten herantritt und sagt: „Wenn du das veröffentlichst, kürzen wir dir die Mittel“, ist das per Definition Zensur. Es stellt sich die Frage: Wie kommt das BMZ überhaupt dazu, einer Zeitschrift wie Südlink – es geht um die 161. Ausgabe; es gibt diese Zeitschrift also schon sehr lange – Gelder zu genehmigen, wenn Sie davon ausgehen, dass in dieser Zeitschrift bedenkliche Texte veröffentlicht werden? Ich denke, dass das nicht legitim ist. Gerade für Politiker der FDP, einer Partei, die das Liberale im Titel trägt, sollten die Meinungsfreiheit und die Pressefreiheit ganz hoch angesiedelt sein. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Herr Kollege Kekeritz, genau das ist unser Anspruch. Es geht nicht um eine Zensur, sondern es geht darum, dass wir staatliche Gelder, also Steuermittel, an einen Verein geben, der sich mit seiner Unterschrift und aufgrund der Tatsache, dass er Steuermittel erhält – 100 000 Euro und es gibt einen Antrag auf Aufstockung der Mittel –, verpflichtet, bestimmte Kriterien -einzuhalten. Das BMZ finanziert keine Polemik auf Staatskosten, sondern Publikationen, die einen Bildungsauftrag haben. Dafür gibt es Geld. Dieser Bildungsauftrag bedingt – davon gehen wir aus – eine ausgewogene und sachliche Berichterstattung, in der ein Problemfeld aus verschiedenen Blickwinkeln dargestellt wird. Es darf nicht einseitig berichtet werden. In der letzten Ausgabe war das aber so. Wir haben über „Engagement Global“ – das ist ja auch der direkte Ansprechpartner von Südlink – darauf hingewiesen, dass sie doch ihre eigene Sichtweise auf eigene Kosten veröffentlichen können, aber bitte nicht auf Staatskosten. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Der Fragesteller hat noch eine Nachfrage. – Bitte schön. Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Frau Staatssekretärin. Sie haben in der Begründung, warum Sie diesen Artikel nicht veröffentlicht haben wollen, den Begriff „Verunglimpfung Dritter“ verwendet. Ich habe diesen Artikel gelesen. Er ist sauber recherchiert und entspricht den normalen Anforderungen einer vernünftigen journalistischen Arbeit. Wenn Sie Zeitung lesen und Radio hören, dann werden Sie in den letzten sechs Monaten mindestens 100 solcher ähnlichen Berichte und Dokumentationen vernommen haben. Es ist für mich nicht begreiflich, warum sich das Entwicklungsministerium plötzlich auf die Füße stellt und sagt, das dürfe man in dieser Form nicht mehr machen. In dieser Form passiert es zurzeit hundertfach, nicht, weil es darum geht, irgendjemanden zu diffamieren, sondern weil damit einfach die Realität tatsächlich souverän und präzise abgebildet wird. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Herr Kollege Kekeritz, noch einmal: Die Gewährung von Steuermitteln für die Publikation ist an eine ausgewogene, sachlich differenziert dargestellte Problematik gebunden. Die Ausgabe, die Sie eben zitiert haben, enthält eben keine Ausgewogenheit, (Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch!) sondern eine sehr einseitige Darstellung. Dagegen verwahren wir uns. Wir unterstützen damit ja keine allgemeine Zeitung, sondern es geht hier um einen Bildungsauftrag. Bildung heißt, dass derjenige, der diesen Artikel liest, auch in die Lage versetzt wird, sich eine eigene Meinung zu bilden. Das kann man nicht, wenn letztlich eine einseitige Sichtweise dargestellt wird, noch dazu in einer Art und Weise, die ich als nicht ausgewogen empfinde. Sie mögen sämtliche Sachverhalte sehr genau kennen. Aber ich finde, da muss man wenigstens der Gegenseite die Chance geben, zu diesen Anschuldigungen oder angeblichen Tatsachen, die verbreitet werden, Stellung zu beziehen. Alles andere ist Verunglimpfung, und die wollen wir nicht mit Steuermitteln finanzieren. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Die Frage 32 der Kollegin Dr. Bärbel Kofler soll schriftlich beantwortet werden. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Zur Beantwortung steht zur Verfügung der Parlamentarische Staatssekretär Peter Hintze. Die Frage 33 des Kollegen Hans-Josef Fell soll schriftlich beantwortet werden. Wir kommen zur Frage 34 des Kollegen Oliver -Krischer. Welche konkreten Inhalte soll die von der Bundesregierung laut zahlreichen Medienberichten (vergleiche unter -anderem Spiegel Online vom 21. September 2012) geplante gesetzliche Regelung haben, mit der Stilllegungen von Kraftwerken verboten werden sollen, und welche Entschädigungsregelung ist für die Kraftwerksbetreiber an-gedacht? Peter Hintze, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Schönen Dank, Herr Präsident. – Der Herr Kollege Krischer hat von uns schon eine ausführliche Darlegung bekommen. Da die anderen sie nicht bekommen haben, möchte ich sie kurz skizzieren. Es geht bei diesem Gesetzgebungsvorhaben um die Sicherung der Versorgungssicherheit im Winter, damit wir eine Situation, wie wir sie im letzten Winter erlebt haben, nicht mehr erleben und zu jedem Zeitpunkt -sicherstellen können, dass wir an allen Stellen in Deutschland Strom zur Verfügung haben. Die einzelnen Eckpunkte der Neuregelung sind erstens verbindliche Meldepflichten für Kraftwerksstilllegungen, damit wir, wenn ein systemrelevantes Kraftwerk stillgelegt werden soll, einschreiten können, zweitens eine entsprechende Entschädigungsregelung, die dann bei einer solchen Stilllegungsabwendung fällig wird, drittens Transparenz bezüglich der Kontrahierung von Reservekraftwerken – Stichwort „Netzreserve“ –, viertens die Absicherung der Belieferung systemrelevanter Gaskraftwerke bei Engpässen und fünftens eine Evaluierung dieser Regelung. Ich kann dies im Einzelnen noch ausführen; aber Kollege Krischer hat das ja von uns zugesandt bekommen. Das hat sich mit seiner Anfrage überschnitten. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Haben Sie eine Nachfrage? – Bitte schön. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. In der Tat ist es so gewesen, dass Ihr Brief eingegangen ist, nachdem ich meine Frage gestellt hatte. Dennoch bleibt für mich einiges im Unklaren. Insbesondere interessiert mich die Frage, wie konkret Sie das andenken, ob die Regelungsinhalte, die Sie -gerade aufgezählt haben, im Energiewirtschaftsgesetz so verankert werden sollen oder ob dies über eine Verordnungsermächtigung geschehen soll. Es werden ja ins-besondere die Fragen zu klären sein, welche Kraftwerke das Ganze in welcher Höhe betrifft, welche Entschädigungen zu leisten sind und welche Berechnungsbasis -dabei zugrunde gelegt wird. Wir müssen uns ja darüber im Klaren sein, dass das, so vermute ich, am Ende über die Nutzungsentgelte finanziert werden soll; die Finanzierung müssten sie noch -darlegen. Deshalb die Frage: Werden diese Dinge im Parlament geregelt, oder beabsichtigt die Bundesregierung, eine Formulierungshilfe an die Koalitionsfraktionen zu -geben, die dann nur eine Verordnungsermächtigung enthält? Peter Hintze, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Weder noch. Ich erläutere es Ihnen gerne. Technisch ist der Weg eine Formulierungshilfe. Der Regelungsort soll in der Tat die Novelle zum Energiewirtschaftsgesetz werden. Das würde dann von den Fraktionen im Zuge der Gesetzesberatungen so eingebracht. Die von mir genannten Eckpunkte kommen ins Gesetz. Die Details kommen in eine Rechtsverordnung, und die Ermächtigung dazu findet sich im Gesetz. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Weitere Nachfrage? – Bitte. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der nächste Winter ist ja nicht mehr weit. Wir müssen also sehr schnell konkrete Entscheidungen treffen. Wenn die Gesetzesnovelle ansteht, muss geschaut werden, welche Kraftwerke und welche Betreiber davon betroffen sein werden. Können Sie schon heute Angaben zur Höhe der Kapazitäten machen und dazu, welche Kraftwerke und Betreiber in welchen Regionen von Deutschland davon betroffen sein werden? Peter Hintze, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Das Gesetz kann – das sehen wir, wenn wir uns den Gesetzgebungsfahrplan für die Novelle zum Energiewirtschaftsgesetz anschauen – frühestens im Januar 2013 in Kraft treten. Die volle Wirksamkeit ist also erst für den übernächsten Winter gegeben. Das heißt, die Maßnahmen für diesen Winter müssten im Wesentlichen so angedacht und vertraglich durchgeführt werden, wie es im letzten Winter geschehen ist. Allerdings würde die verbindliche Verpflichtung, Stilllegungen anzumelden und von der Anmeldung bis zur Stilllegung zwölf -Monate verstreichen zu lassen, um entsprechende administrative Eingriffsmöglichkeiten zu geben, ab Januar gelten. Die Sorge hinsichtlich der Versorgungssicherheit richtet sich stark auf Süddeutschland. Das gilt für die nächsten Jahre, bis die großen Stromleitungsprojekte, etwa die Thüringer Strombrücke, fertiggestellt sind, durch die die Versorgungslücke geschlossen und eine größere Sicherheit hergestellt werden soll. In diesem Winter sind wir darauf angewiesen, dass die Übertragungsnetzbetreiber ähnliche Vereinbarungen wie im letzten Winter treffen. Das Gebiet, auf das sich die Sorge im Wesentlichen richtet, ist Süddeutschland. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Vielen Dank. – Wir kommen zur Frage 35 des Kollegen Krischer, die sich mit der Vereinfachung des -Planungsrechts beim Stromnetzausbau befasst: Welche konkreten Überlegungen hat die Bundesregierung zur Vereinfachung des Planungsrechts beim Stromnetzausbau – so wie sie der Präsident der Bundesnetzagentur, Jochen -Homann, laut dpa am 20. September 2012 fordert –, und welche Gesetze, Verordnungen etc. müssten hierfür verändert werden? Peter Hintze, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Hier liegt, glaube ich, ein Missverständnis vor. Der Präsident der Bundesnetzagentur, auf den der Kollege abhebt, hat nicht vorgeschlagen, neue Gesetze oder -Vorschriften zu erlassen, sondern er hat sich dafür ausgesprochen – er teilt damit die Einschätzung der Bundesregierung bzw. wir teilen seine –, dass das Instrumentarium des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes möglichst schnell aktiviert werden sollte. In dem Sinne hat er sich geäußert. Wir planen also keine neuen Gesetze, sondern wir planen die Aktivierung dieses Instrumentariums. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Nachfrage? Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe das Zitat von Herrn Homann nur als Beispiel genommen. Wie gesagt, in der Meldung wird er etwas anders wiedergegeben. Gut, es mag sein, dass er missverstanden worden ist. Ich möchte nachfragen: Ihr Minister, Herr Rösler, hat mehrfach öffentlich geäußert, dass er Naturschutzrecht ändern möchte, um Netzausbau zu ermöglichen. Ich habe bereits schriftlich nachgefragt, welche Veränderungen die Bundesregierung konkret plant. Die Antwort war: Die Bundesregierung plant keine Veränderungen. Ich möchte Sie bitten, hier jetzt aus Sicht der Bundes-regierung klarzustellen: Wird es irgendwelche Veränderungen, zum Beispiel von Rechtsnormen, insbesondere im Hinblick auf Naturschutzrecht geben? Planen Sie da etwas, oder planen Sie nichts? Peter Hintze, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Solche Planungen gibt es derzeit nicht. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Weitere Nachfrage? Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das heißt, ich kann die Äußerungen von Herrn Minister Rösler, dass sich Naturschutzrecht ändern muss, als Dampfplauderei bezeichnen? Peter Hintze, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Das können Sie nicht, weil das erstens beleidigend wäre und zweitens den Sachverhalt verfehlt. Herr Minister Rösler hat darauf hingewiesen, dass wir in Deutschland in der erfreulichen Situation sind, dass große Teile des Bundesgebietes Naturschutzgebiete sind, und dass es zu Schwierigkeiten kommt, wenn wir im Rahmen der Umsetzung der Energiewende den Leitungsausbau vo-rantreiben. Hier besteht das Problem, dass Vorschriften kollidieren. Das ist ein ernsthafter Gedanke. Aber ich habe Ihnen ja auf Ihre Frage geantwortet, dass es keine derartigen Planungen gibt. Das ist die Auffassung der gesamten Bundesregierung, auch die von Herrn Bundesminister Rösler. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Jetzt gibt es eine Nachfrage der Kollegin Steiner. – Bitte. Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Herr Präsident. – Diese Frage fordert mich als Umweltpolitikerin natürlich zu folgender Überlegung heraus: Kann es sein, dass der Wirtschaftsminister, der Naturschutzbelangen ohnehin nicht besonders wohlwollend gegenübersteht, dies benutzt hat, um von den eigentlichen Problemen abzulenken, die darin bestehen, dass der Netzausbau gerade vonseiten des Wirtschaftsministeriums im ganzen letzten Jahr nicht mit Ernst und nicht sorgfältig betrieben worden ist, was uns in die Situation gebracht hat, in der wir uns jetzt befinden? Peter Hintze, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Geschätzte Frau Kollegin, da Sie, wie Sie eben selbst sagten, Ihren Schwerpunkt in der Umweltpolitik sehen, hatten Sie wahrscheinlich nicht genug Zeit, um mit Aufmerksamkeit zu verfolgen, wie engagiert das Bundeswirtschaftsministerium den Netzausbau betrieben und vorangetrieben hat. Ich könnte Ihnen das jetzt im Einzelnen vortragen; aber ich erspare es uns. Insofern: Ihre Vermutung ist in jeder Hinsicht falsch. Auch Ihre Vermutung, Bundesminister Rösler habe kein Herz für den Naturschutz und er sei ihm nicht wichtig, ist falsch. Er hat darauf hingewiesen, dass aufgrund des Reichtums an Naturschutzgebieten in Deutschland zwischen dem beschleunigten Netzausbau und einschlägigen Vorschriften ein Zielkonflikt besteht. Ich kann Ihnen aber sagen: Bundesminister Rösler ist ein Freund des Naturschutzes. Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke. Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Staatssekretär, es gibt eine weitere Nachfrage, und zwar von Frau Kollegin Britta Haßelmann. – Bitte schön, Frau Kollegin Haßelmann. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Hintze, ich habe eine Nachfrage. Herr Minister Rösler hat der Presse zum Thema Netzausbau öffentlich mitgeteilt, dass er, um den Netzausbau in Deutschland voranzubringen, unter anderem beabsichtigt, das Naturschutzgesetz zu ändern. Wir möchten von der Bundesregierung wissen: Plant die Bundesregierung, das Naturschutzgesetz zu ändern, oder nicht? Da Sie Staatssekretär im Wirtschaftsministerium sind, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie dazu eine präzise Aussage treffen könnten. Dann könnten wir sie bewerten, und dann könnte auch öffentlich bewertet werden, ob sie mit den vielen Ankündigungen, die der Wirtschaftsminister in dieser Frage gemacht hat, in Einklang zu bringen ist. Peter Hintze, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Ich möchte Ihnen nicht unterstellen, Frau Kollegin, dass Sie nicht sorgsam zuhören. Aber ich habe auf die klugen Fragen Ihres Kollegen Krischer und Ihrer Kollegin Steiner klar und präzise gesagt, dass eine solche Änderung nicht beabsichtigt ist. Vizepräsident Eduard Oswald: Ich sehe, dass es hierzu keine weiteren Nachfragen gibt. Die Fragen 36 und 37 des Kollegen Martin Dörmann und die Fragen 38 und 39 der Kollegin Beate Walter-Rosenheimer werden schriftlich beantwortet. Wir kommen nun zur Frage 40 der Kollegin Katja Keul: Welche Auswirkungen sieht die Bundesregierung durch eine Fusion von EADS und BAE Systems für den europäischen Rüstungsmarkt, und sieht sie die Notwendigkeit, hier marktregulierend einzugreifen? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Peter Hintze, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Die Bundesregierung prüft derzeit alle mit einer möglichen Fusion – sie ist ja noch nicht beschlossen, und es gibt auch noch keine politische Entscheidung der Bundesregierung, wie sie sich letztendlich dazu verhält – im Zusammenhang stehenden rechtlichen Fragen, die Standortfrage, die industriepolitischen Fragen und die technologiepolitischen Fragen. Derzeit liegen uns noch nicht alle Fakten zur genauen Struktur des zukünftigen Unternehmens vor. Das hat seine Ursache unter anderem im britischen Aktienrecht. Hier geht es ja um eine Joint Operating Company, die nach englischem und niederländischem Recht möglich ist und die, auch was die Struktur betrifft, bestimmte Informationsrestriktionen zur Folge hat, sodass wir Ihre Frage, welche Auswirkungen eine mögliche Fusion, wenn es zu ihr kommt, hätte, noch nicht abschließend beantworten können. Vizepräsident Eduard Oswald: Frau Kollegin Katja Keul, Ihre erste Nachfrage. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich habe eine Nachfrage. Das Wirtschaftsministerium hat uns ja in seinem schriftlichen Bericht informiert, auch über die geplante Fusion. Der Anlage konnten wir Folgendes entnehmen: BAE Systems und EADS betreiben hochsensible und stark gesicherte Rüstungsunternehmen – dann wird aufgezählt – in den USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Spanien, Saudi-Arabien … Da ich davon ausgehe, dass es an dieser Stelle nicht um EADS geht, lautet meine Frage: Was sind das für Rüstungsunternehmen, die BAE Systems in Saudi-Arabien betreibt, und wie bewertet die Bundesregierung die Tätigkeit dieser Unternehmen im Hinblick auf deutsche Rüstungskontrollstandards? Peter Hintze, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Erstens ist mir nicht bekannt, was in Saudi-Arabien betrieben wird. Zweitens kann ich, wie Sie meiner ersten Antwort entnehmen konnten – vielleicht auch nicht, dann muss ich es noch einmal genauer erläutern –, die Frage, welche Firmenteile überhaupt in diese Joint Operating Company aufgenommen werden, wenn sie gebildet wird, jetzt auch noch nicht beantworten. Insofern kann ich Ihnen Ihre Frage nicht beantworten. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre zweite Nachfrage, Frau Kollegin. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich hoffe, dass die Bundesregierung meine Sorge teilt. Ich will meine Frage etwas allgemeiner formulieren: Wird die Bundesregierung, bevor sie endgültig ihre Zustimmung zu dieser Fusion gibt, auch prüfen, inwiefern durch diesen weltweit operierenden Konzern deutsche Rüstungsexportkontrollvorschriften möglicherweise ins Leere laufen könnten? Peter Hintze, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Erstens ist die Haltung der Bundesregierung zur Fusion noch völlig offen; das habe ich gesagt. Zweitens werden wir, falls es zu einer solchen Fusion kommt, die von Ihnen angesprochenen Fragen gründlich prüfen – auch die rechtliche Frage, ob es hier überhaupt eine Genehmigungspflicht hinsichtlich der Fusion gibt oder nicht. Es gibt ja auch Standorte dieses gemeinsamen Unternehmens in Deutschland, weswegen wir durch diese Fusion möglicherweise betroffen sind. Das sind rechtliche Fragen, die zu prüfen sind. Denen werden wir auf alle Fälle nachgehen. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. Ich rufe jetzt die Frage 41 unserer Kollegin Frau Katja Keul auf: Inwiefern bindet die Bundesregierung die israelische Regierung in ihren Meinungsbildungsprozess zur Genehmigung von Kriegswaffenexporten in Länder in der Nachbarschaft Israels ein? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Peter Hintze, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Frau Kollegin Keul, wie Sie wissen und wie hier auch von allen immer wieder vorgetragen wird – auch von allen Vorgängerregierungen; ich will jetzt nicht auf die politische Farbenlehre eingehen –, treffen wir die Entscheidung über den Export von Kriegswaffen nach den „Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ aus dem Jahr 2000 und nach dem „Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP des Rates vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern“. Bei Entscheidungen über Kriegswaffenexporte in die Nachbarschaft Israels bezieht die Bundesregierung sicherheitspolitische Belange Israels stets in ihre Überlegungen mit ein. Vizepräsident Eduard Oswald: Jetzt kommt die erste Nachfrage. Bitte schön, Frau Kollegin Katja Keul. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. – Herr Staatssekretär, Sie werden nicht überrascht sein, dass ich sage, dass mich diese Antwort nicht überrascht. Peter Hintze, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Nein, das überrascht mich nicht. Ich wundere mich trotzdem immer wieder. Vizepräsident Eduard Oswald: Das war jetzt aber noch nicht die Frage. Peter Hintze, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Das hatte ich missverstanden, Herr Präsident. Ich bitte um Nachsicht. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Über das hinaus, was Sie gerade gesagt haben, hat die Bundesregierung ja schon immer deutlich gemacht, dass sie solche Dinge unter Freunden natürlich auch im Vorfeld bespricht, damit niemand überrascht ist. So frage ich Sie jetzt doch noch einmal, was im Falle der U-Boot-Lieferung an Ägypten schiefgelaufen ist, sodass sich namhafte Vertreter der israelischen Regierung und des näheren Umfelds sehr erstaunt darüber gezeigt haben, dass solche Konsultationen in diesem Fall offensichtlich nicht stattgefunden haben. Peter Hintze, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Das ist eine Suggestivfrage, Frau Kollegin, bei der Sie von verschiedenen Annahmen ausgehen, die nicht zutreffen. Insofern sehe ich mich in dieser paradoxen Fragesituation außerstande, mit einer Antwort auf Ihre Frage einzugehen. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich darf noch eine weitere Nachfrage stellen, Herr Präsident? Vizepräsident Eduard Oswald: Bitte schön, Frau Kollegin. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben gesagt – das war Ihrer nicht überraschenden Antwort jetzt auch zu entnehmen –, dass Sie israelische Sicherheitsbedenken durchaus einbeziehen. Auf wen bezieht sich das bei Entscheidungen über Rüstungsexporte in die Region noch? Würden Sie umgekehrt also beispielsweise auch Saudi-Arabien konsultieren, bevor Sie U-Boote an Israel liefern, und haben Sie Israel einbezogen, bevor Sie Panzer nach Saudi-Arabien geliefert haben? Nach welchen Kriterien bindet die Regierung Freunde in der Region in diese Entscheidungen ein, und wann tut sie das nicht? Peter Hintze, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Die Antwort auf die Frage, was die Bundesregierung in welcher Situation tut, richtet sich natürlich nach dem jeweiligen Einzelfall. Es ist jetzt bei diesem konstruierten Einzelfall sehr schwierig, die Sache durchzubuchstabieren. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Konstruiert?) – Sagen wir es so: eine von Ihnen liebevoll gestaltete Einzelfrage zu beantworten. Der Abwägungsprozess hängt jeweils vom Einzelfall und vom Kontext ab. Deswegen kann Ihre Frage so generell nicht beantwortet werden. Legitime Sicherheitsinteressen und insbesondere die Auswirkungen von möglichen Ausfuhr- oder Herstellungsgenehmigungen werden immer sorgfältig – sorgfältigst! – bedacht. Dabei lässt sich die Bundesregierung von niemandem übertreffen. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na wunderbar!) – Ich bitte darum, das zu Protokoll zu nehmen. Vizepräsident Eduard Oswald: Das wird alles aufgezeichnet und ist Inhalt des Protokolls. Zur Frage 41 gibt es keine Nachfrage mehr, Herr Staatssekretär. Die Frage 42 der Kollegin Viola von Cramon-Taubadel wird schriftlich beantwortet. Ich darf mich beim Herrn Staatssekretär herzlich bedanken. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Bei diesem Geschäftsbereich werden, so sehe ich, nach meinen Unterlagen die Frage 43 der Kollegin Viola von Cramon-Taubadel, die Fragen 44 und 45 des Kollegen Tom Koenigs, die Frage 46 der Kollegin Ulla Jelpke, die Frage 47 des Kollegen Hans-Christian Ströbele, die Fragen 48 und 49 des Kollegen Klaus Brandner und die Fragen 50 und 51 des Kollegen Manuel Sarrazin schriftlich beantwortet. Sind hier irgendwelche Kolleginnen oder Kollegen, die das anders sehen? – Das ist nicht der Fall. Dann werden die Fragen alle schriftlich beantwortet. Somit komme ich jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Hier ist ebenfalls die Situation, dass die Fragen 52 und 53 der Kollegin Gabriele Hiller-Ohm, die Fragen 54 und 55 des Kollegen Andrej Hunko, die Fragen 56 und 57 des Kollegen Mehmet Kilic und die Frage 58 der Kollegin Sevim Da?delen schriftlich beantwortet werden. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Die Frage 59 der Kollegin Sevim Da?delen sowie die Fragen 60 und 61 des Kollegen Dr. Sascha Raabe werden, so höre ich gerade, schriftlich beantwortet. Somit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Auch hier habe ich die Mitteilung, dass die Frage 62 der Kollegin Lisa Paus, die Frage 63 der Kollegin Priska Hinz und die Frage 64 der Kollegin Diana Golze schriftlich beantwortet werden. Wir gehen weiter in den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Hier werden die Fragen 65 und 66 des Kollegen Dr. Ilja Seifert, die Fragen 67 und 68 des Kollegen Markus Kurth, die Fragen 69 und 70 des Kollegen Willi Brase, die Frage 71 des Kollegen Oliver Kaczmarek, die Frage 72 des Kollegen Dr. Ernst Dieter Rossmann und die Fragen 73 und 74 der Kollegin Sabine Zimmermann schriftlich beantwortet. Ich komme jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Hier werden die Fragen 75 und 76 der Kollegin Bärbel Höhn schriftlich beantwortet. Wir kommen zur Frage 77 des Abgeordneten Friedrich Ostendorff. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Der ist auch nicht da!) Er hat mein Flehen gehört und die Telekommunikation unterbrochen. Da der Herr Staatssekretär auch gerade in den Saal kommt, wurden die Gespräche wahrscheinlich schon vor der Tür geführt. Trotzdem wird das Hohe Haus die Ehre haben, die Fragen und die Antworten insgesamt zu hören. Ich rufe also Frage 77 unseres Kollegen Friedrich Ostendorff auf: Welche über die heutige Gesetzeslage hinausgehenden Vorgaben zur Haltung von Tieren im Hinblick auf eine Reduktion des Antibiotikaeinsatzes können nach den Regelungen des Entwurfs eines 16. Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes verordnet werden? Sie wird vom Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Peter Bleser beantwortet. Ich bitte darum. Peter Bleser, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Danke schön, Herr Präsident. – Lieber Kollege Ostendorff, nach dem im neuen Entwurf des 16. Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes enthaltenen § 58 c Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 des Gesetzes kann die Behörde die dort beispielhaft angeführte Anforderung an die Haltung von Tieren anordnen, soweit es zur wirksamen Verringerung der Anwendung von Antibiotika erforderlich ist und Rechtsvorschriften dem nicht entgegenstehen. Die Anordnungsbefugnisse der zuständigen Behörde bewegen sich im Rahmen des Ermessensspielraums, dürfen geltende tierschutzrechtliche Vorgaben allerdings nicht beeinträchtigen. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Kollege Friedrich Ostendorff. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schönen Dank für die freundliche Unterstützung des Präsidenten. – Kollege Bleser, die Antwort führt mich zu einer weiteren Frage. Es geht hier – ich muss einen Satz erklärend anfügen – um das Zusammenspiel von Bund und Ländern. Die Länder müssen bei erkennbaren Missständen zusammen mit den Betrieben handeln. Wie, denken Sie, ist das durchführbar, zum Beispiel bei der Haltung von Puten? Hier gibt es keine Haltungsverordnung des Bundes. Auf welcher rechtlichen Grundlage würden dann Antibiotikaminimierungspläne mit den Ländern und den Betrieben zusammen erarbeitet werden? Da fehlt mir das Zwischenglied der Verordnung auf der Grundlage des Gesetzestextes. Peter Bleser, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Kollege Ostendorff, im Arzneimittelgesetz werden diese Dinge nicht geregelt. Sie werden in den entsprechenden Verordnungen, wenn es sie gibt, präzisiert. Ansonsten werden, wenn Missstände erkennbar sind, von den örtlichen Behörden entsprechende Maßnahmen eingeleitet bzw. in Kooperation mit dem Tierhalter und dem Tierarzt durchgeführt. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. – Kollege Ostendorff, Ihre zweite Nachfrage. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Einen Satz direkt dazu: Es fehlt die gesetzliche Grundlage, auf der die Behörden das tun können. Nun komme ich zu meiner zweiten Frage. Wenn 1 734 Tonnen Antibiotika in die Tierhaltung wandern, wie letzte Woche vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit festgestellt wurde, und davon 99 Prozent in die Nutztierhaltung, wie wir heute Morgen erfuhren, dann hängt das auch damit zusammen, dass nach Feststellung der Länder Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen 75 Prozent dieser Antibiotikamengen in der Großtierhaltung zur Prophylaxe eingesetzt werden. Prophylaktischer Einsatz ist aber verboten. Wie wollen Sie ihn eliminieren? Das ist kriminelles Handeln. Bisher wurde noch nichts dazu gesagt, wie man dem bestehenden Gesetz, mit dem wir seit 2006 den prophylaktischen Einsatz von Antibiotika verbieten, zur Geltung verhelfen will. Peter Bleser, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Herr Kollege Ostendorff, die Anwendung von Antibiotika unterliegt zunächst einmal der Verordnung durch den Tierarzt. Ohne die Verordnung darf niemand Antibiotika einsetzen. Dies ist eine entsprechende Entscheidung des Arztes, der die Notwendigkeit erkennen muss. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. – Es gibt jetzt eine Nachfrage unserer Kollegin Dorothea Steiner. Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär Bleser, als niedersächsische Abgeordnete ebenso wie Sie treibt mich in Anbetracht der Zahlen für Niedersachsen dieses Problem ganz besonders um. Weil jetzt mehrfach unterstrichen worden ist, dass die prophylaktische Gabe von Antibiotika verboten ist, Sie aber dieses Problem im Rahmen der Gesetzgebung nicht ausreichend berücksichtigen, frage ich Sie: Wie und in welcher Form wollen Sie gewährleisten, dass entsprechende Kontrollen zur Verhinderung prophylaktischer Gabe tatsächlich effektiv durchgeführt werden? Vizepräsident Eduard Oswald: Bitte schön. Peter Bleser, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Liebe Frau Kollegin, zunächst darf ich Sie darauf hinweisen, dass ich aus Rheinland-Pfalz komme. (Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Okay! Akzeptiert!) Ansonsten beantworte ich Ihre Frage in der Weise, dass wir mit dem neuen Arzneimittelgesetz gerade die Verpflichtung der Meldung von verabreichten Antibiotika durch die landwirtschaftlichen Betriebe vorsehen. Insofern werden dann auffällige Betriebe erkennbar, und die örtlichen Behörden können entsprechende Maßnahmen einleiten, falls Missstände auftreten sollten. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Die Fragen 78 und 79 des Kollegen Harald Ebner werden schriftlich beantwortet ebenso wie die Frage 80 des Abgeordneten Dirk Becker. Damit ist dieser Geschäftsbereich beendet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Anwesend ist der Parlamentarische Staatssekretär Christian Schmidt. Die Frage 81 der Kollegin Ulla Jelpke, die Frage 82 des Kollegen Hans-Christian Ströbele und die Frage 83 des Kollegen Omid Nouripour werden schriftlich beantwortet. Das waren alle Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich. Trotzdem vielen Dank für die Anwesenheit, was auch nicht immer selbstverständlich ist. Jetzt kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Jan Mücke zur Verfügung. Die Fragen 84 und 85 des Kollegen Gustav Herzog und die Fragen 86 und 87 des Kollegen Uwe Beckmeyer werden schriftlich beantwortet. Die Fragen 88 und 89 wurden von der Kollegin Karin Roth gestellt, die nicht im Saal ist. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Die Frage 90 wurde von dem Kollegen Thomas Jarzombek gestellt, der ebenfalls nicht anwesend ist. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Die Frage 91 des Kollegen Ulrich Kelber, die Fragen 92 und 93 des Kollegen Dr. Anton Hofreiter und die Frage 94 von der Kollegin Cornelia Behm werden schriftlich beantwortet. Die Fragen 95 und 96 wurden von der Kollegin Rita Schwarzelühr-Sutter gestellt. Sie ist nicht da. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Die Zuhörerinnen und Zuhörer sollten wissen, dass die Kolleginnen und Kollegen in Ausschuss- und Arbeitsgruppensitzungen sind, sodass es verständlich ist, dass sie nicht immer rechtzeitig hier sein können. Die Fragen 97 und 98 der Kollegin Ute Kumpf werden schriftlich beantwortet, ebenso wie die Fragen 99 und 100 des Kollegen Dr. Diether Dehm. Ich rufe die Frage 101 der Kollegin Voß auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die Einweihung des JadeWeserPorts am 21. September 2012 mit 1 000 Gästen vor dem Hintergrund eines gefährlichen Chemiewrackfrachters mit unbekannten Gefahrenstoffen am Kai? Die Frau Kollegin ist anwesend. – Bitte schön, Herr Staatssekretär. Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Herr Präsident! Frau Kollegin, die Antwort der Bundesregierung lautet: Der JadeWeserPort ist inzwischen wie erwartet ohne Zwischenfall eröffnet worden. Für die Feierlichkeiten wurde ein Ort auf dem Hafengelände gewählt, der einige Hundert Meter vom Sicherheitsbereich der „MSC Flaminia“ entfernt liegt. Alle Gefahrgüter, die sich an Bord befinden, sind bekannt. An Bord des Schiffes werden weiterhin fortlaufend Luft-, Wasser- und Wischproben genommen, um Gefährdungen von Menschen und Umwelt auszuschließen. Die Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft, das Gewerbeaufsichtsamt, das Wilhelmshavener Gesundheitsamt, die Behörde für Hafengesundheit, die Feuerwehr und eine Spezialfirma als Brandwache sind vor Ort und überwachen sämtliche Maßnahmen. Die „MSC Flaminia“ ist zwar an einigen Teilen schwer beschädigt, aber kein Wrack. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin Johanna Voß. Johanna Voß (DIE LINKE): Danke schön, Herr Präsident. – Dann möchte ich fragen: Wusste die Belegschaft der „MSC Flaminia“ über die Gefahren auf dem Schiff Bescheid? Waren alle Gefahrstoffe bekannt? Sind die Gefahrstoffe der Bundesregierung jetzt bekannt? Waren und sind die Leute, die dieses Schiff jetzt in Schach halten, im Umgang mit diesen Gefahrstoffen geschult? Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Frau Kollegin, die Frage habe ich bereits beantwortet. Natürlich sind alle Gefahrgüter, die sich an Bord befinden, bekannt. Die zuständigen Behörden habe ich aufgeführt. Johanna Voß (DIE LINKE): Hat die Reederei Niederelbe Schiffahrtsgesellschaft aus Buxtehude versucht, mit juristischen Mitteln zu verhindern, dass eine vollständige Gefahrgutliste der „MSC Flaminia“ der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird? Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus diesem Verhalten? Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Ich glaube, das ist eine Frage, die Sie später gestellt haben. Vizepräsident Eduard Oswald: Sie hatten eine Nachfrage zu Frage 101. Sie sind also vorgesprungen, sodass ich gerne aufgreife, was der Herr Staatssekretär sagt, und Ihre Frage 102 aufrufe: Handelt es sich bei den Mitarbeitern der Entsorgungs- und Bergungsfirmen, die bei der „MSC Flaminia“ eingesetzt werden, um Freiwillige oder um Mitarbeiter, denen Sanktionen angedroht worden sind, sollte die Arbeitsaufnahme verweigert werden, sowie um Leih- bzw. Zeitarbeiter? Der Staatssekretär beantwortet nun die Frage 102. Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Dazu lautet die Antwort der Bundesregierung: Der Bundesregierung liegen darüber keine Erkenntnisse vor. Die Mitarbeiter des Unternehmens, die die Entladung des Schiffes vornehmen werden, wurden im August 2012 auf einer Betriebsversammlung eingehend über die bevorstehende Aufgabe informiert. Die Personalvertretung war dabei anwesend. Die Mitarbeiter, die die Entsorgung vornehmen, sind ebenfalls durch das Unternehmen eingewiesen worden. Alle Maßnahmen werden unter den hohen Anforderungen des Unfall-, Arbeits- und Gesundheitsschutzes geplant, kontrolliert und durchgeführt. Eine Bergungsfirma ist – da nicht mehr notwendig – nicht eingesetzt. Vizepräsident Eduard Oswald: Erste Nachfrage, Frau Kollegin Johanna Voß. Johanna Voß (DIE LINKE): Dann noch einmal die Frage: Hat die Reederei Niederelbe Schiffahrtsgesellschaft aus Buxtehude versucht, mit juristischen Mitteln zu verhindern, dass eine vollständige Gefahrgutliste der „MSC Flaminia“ der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird? Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus? Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Darüber liegen mir keine Erkenntnisse vor. Johanna Voß (DIE LINKE): Danke. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. Ich rufe die Frage 103 der Kollegin Jutta Krellmann auf: In welcher Form wurde vor dem Einlaufen der „MSC Flaminia“ geprüft, ob die unfertige Infrastruktur, Brandschutz- und Sicherheitsversorgung des JadeWeserPorts für die Aufnahme des havarierten Schiffes ausreicht? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Frau Krellmann, die Antwort der Bundesregierung lautet: Der Zuweisung eines Notliegeplatzes geht in Deutschland eine umfangreiche Beurteilung, ein sogenanntes Assessment, voraus. Dabei werden unter anderem schnelle Erreichbarkeit und Infrastruktur, aber auch Umweltfragen bewertet sowie Gefährdungsbeurteilungen erstellt. In Wilhelmshaven finden als drittgrößtem Hafen Deutschlands mit einem hohen Anteil des Umschlags von Öl regelmäßig Übungen zur Bekämpfung von Umweltschäden statt. Mit der Aufstellung des Hafenmanagementplans, der auch TÜV-geprüfte Alarm- und Notfallpläne umfasst, waren die verantwortlichen Stellen bei der JadeWeserPort Realisierungsgesellschaft gut vorbereitet auf die Ankunft der „MSC Flaminia“. Es erfolgte selbstverständlich bereits vor der Ankunft des Schiffes eine intensive Zusammenarbeit mit allen maßgeblichen Behörden, Institutionen und Firmen. Diese wird noch fortgesetzt in täglichen Jour fixes unter Leitung des Havariekommandos. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. – Bevor ich Frau Kollegin Jutta Krellmann das Recht zur ersten Nachfrage gebe, muss ich die Parlamentarischen Geschäftsführer bitten, zu mir zu kommen. Es geht um die Frage der weiteren Gestaltung der Tagesordnung, da wir schneller sind, als es der geplante Zeitablauf vorsieht. Das müssen wir miteinander besprechen. Frau Kollegin Jutta Krellmann, Sie haben Ihre erste Nachfrage. Jutta Krellmann (DIE LINKE): Vielen Dank. – Als jemand, der einmal Chemielaborantin gelernt hat, habe ich bei Ihrer Beantwortung der Frage von Frau Voß zur Kenntnis genommen, dass der Bundesregierung die einzelnen Gefahrstoffe bekannt waren. Meine konkrete Nachfrage lautet: Über welche Gefahrstoffe reden wir eigentlich? Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Es handelt sich um eine ganze Reihe von Gefahrstoffen, die anhand eines Ladungsplans dem Havariekommando zugänglich sind. Ich habe diese Liste nicht dabei. Ich kann sie Ihnen aber gerne schriftlich zur Verfügung stellen. Jutta Krellmann (DIE LINKE): Das wäre sehr nett. Vielen Dank. Vizepräsident Eduard Oswald: Wie ich sehe, haben Sie dazu keine weitere Nachfrage. Wir kommen jetzt zu Frage 104 der Kollegin Jutta Krellmann: Was für erprobte Katastrophenschutzpläne gibt es für den JadeWeserPort, um auf unvorhergesehene chemische Reaktionen mit unbekannten Substanzen und Gasen in den Mengen der „MSC Flaminia“ zu reagieren? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Frau Kollegin Krellmann, die Antwort der Bundesregierung lautet: Für den Katastrophenschutz in Deutschland sind die Bundesländer – in diesem Fall das Land Niedersachsen – verantwortlich. Hier gibt es keine Zuständigkeit der Bundesregierung. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre Nachfrage, bitte schön, Frau Kollegin Jutta Krellmann. Jutta Krellmann (DIE LINKE): Meine Nachfrage lautet: Wo wurde die „MSC Flaminia“ mit den Gefahrstoffen beladen, und welches waren ihre Bestimmungsorte? Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Dazu liegen mir keine Erkenntnisse vor. Das werde ich Ihnen schriftlich nachliefern. Jutta Krellmann (DIE LINKE): Das wäre sehr nett von Ihnen. Vielen Dank. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Frau Kollegin Jutta Krellmann. Die Fragen 105 und 106 der Kollegin Dorothee Menzner werden nach der Geschäftsordnung behandelt, da die Kollegin nicht anwesend ist. Ich rufe die Frage 107 des Kollegen Herbert Behrens auf: Wie sollen nach Kenntnis der Bundesregierung die Gefahrgutcontainer von der „MSC Flaminia“ im JadeWeserPort in Wilhelmshaven von Bord geladen werden, und wo sollen sie ohne Gefährdung der Menschen, die in der Umgebung wohnen, sicher gelagert bzw. entsorgt werden? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Herr Kollege Behrens, darauf möchte ich Ihnen wie folgt antworten: Das Entladungskonzept des Germanischen Lloyd für die „MSC Flaminia“ sieht vor, Container und Löschwasser gleichermaßen zu entladen, um die Stabilität des Schiffes zu erhalten. Vorrang haben die Container, bei denen eine erhöhte Temperatur festgestellt wurde. Danach folgen die Gefahrgutcontainer. Die Container werden mithilfe einer Art Wanne entladen und bei Bedarf gereinigt. Unbeschädigte Container und Inhalte werden nach der Besichtigung durch die Versicherer an ihren ursprünglichen Bestimmungsort gebracht. Beschädigte Container und Inhalte werden fachgerecht entsorgt oder die Inhalte gereinigt und neu verpackt. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Kollege Herbert Behrens. Herbert Behrens (DIE LINKE): Vielen Dank für Ihre Antworten, Herr Staatssekretär. – Nun haben Sie erzählt, was mit den einzelnen Gefahrgutcontainern vorgesehen ist, Sie haben aber nicht gesagt, wie hafenintern mit diesen Containern umgegangen wird. Gibt es ein Zwischenlagerungskonzept, oder wird sofort abtransportiert? Wie muss ich mir das vorstellen, auch im Hinblick auf entsprechende Nachfragen aus der Wilhelmshavener Bevölkerung? Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Ich finde, ich habe Ihnen die Frage ausreichend beantwortet. Die Gefahrgutcontainer werden mit einer Art Wanne entladen; das habe ich Ihnen gesagt. Diese Wanne wird am Kai abgestellt. Dort erfolgt die fachgerechte Beurteilung und natürlich auch die Entsorgung für den Fall, dass diese notwendig ist. Aus meiner Sicht ist diese Frage eindeutig beantwortet worden. Es werden selbstverständlich alle Arbeitsschutzvorschriften und alle Umweltvorschriften eingehalten. Danach hatte die Kollegin vorhin schon gefragt. Insofern gibt es keinen Grund zur Sorge. Diese Sorgen können wir entkräften. Vizepräsident Eduard Oswald: Ich rufe die Frage 108 unseres Kollegen Herbert Behrens auf: Wie sieht der „erste Teil eines Konzeptes“ für die „fach- und umweltgerechte Entsorgung des Löschwassers“ (siehe Antwort auf meine schriftliche Frage auf Bundestagsdrucksache 17/10737) auf der „MSC Flaminia“ hinsichtlich der Zwischenlagerung des Löschwassers und des Abtransportes dieses Löschwassers aus? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Die Antwort der Bundesregierung lautet: Eine Zwischenlagerung ist nicht vorgesehen. Das Löschwasser wird in Spezialschiffe umgepumpt und in den dafür vorgesehenen Einrichtungen fachgerecht entsorgt. Die Entsorgungskonzepte werden vor der Durchführung von den zuständigen Fachbehörden geprüft sowie die durchzuführenden Maßnahmen kontrolliert. Über den Verbleib des Entsorgungsgutes erfolgt die dafür vorgesehene gesetzliche Nachweisführung und Dokumentation. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre Nachfrage, Kollege Behrens. Herbert Behrens (DIE LINKE): Ihrer Antwort entnehme ich, dass das Löschwasser ausschließlich auf ein anderes Schiff oder andere Schiffe umgepumpt wird. Es finden keinerlei Transporte über die Straße statt; denn auch die Schienenanbindung des JadeWeserPorts ist noch nicht realisiert. Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: So ist es. Herbert Behrens (DIE LINKE): Danke. Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Bitte. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Bei den Fragen 109 und 110 verfahren wir nach unserer Geschäftsordnung, weil die Fragestellerin, die Kollegin Heidrun Dittrich, nicht da ist. Es gibt keine weitere Fragen in diesem Geschäftsbereich. Wir sind auch am Ende der Fragestunde insgesamt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf den Fraktionen mitteilen, dass ich nach Abstimmung mit den Fraktionsgeschäftsführern die Sitzung bis 17 Uhr unterbreche. Wir treffen uns zu unserer Aktuellen Stunde hier um 17 Uhr wieder. Die Sitzung ist unterbrochen. (Unterbrechung von 16.33 Uhr bis 17.01 Uhr) Vizepräsident Eduard Oswald: Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir setzen die unterbrochene Sitzung fort. Ich rufe den Zusatzpunkt 2 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP Besorgnis über die Parlamentswahlen in Weißrussland Bevor wir mit dem ersten Redner beginnen, weise ich noch darauf hin, dass der Staatsminister im Auswärtigen Amt durch eine gegenwärtig stattfindende Ausschusssitzung verhindert ist. Ich glaube, wir haben angesichts des vorzeitigen Beginns unserer Sitzung Verständnis dafür. Er wird, wie ich höre, in zehn Minuten da sein. Ich rufe den ersten Redner auf. Für die Fraktion der FDP spricht unser Kollege Patrick Kurth. Bitte schön, Herr Kollege. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP): Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Übergang von einem autoritären Staat in eine Demokratie ist für jede Gesellschaft eine große Herausforderung. Das erleben übrigens wir Deutsche selbst auch 20 Jahre nach der deutschen Einheit. Obwohl wir – das muss man immer wieder deutlich sagen – westlich der Elbe sozusagen einen großen Bruder hatten, obwohl wir in Ostdeutschland Westfernsehen hatten, obwohl die gemeinsame Währung so schnell zu uns kam, obwohl wir sehr schnell wiedervereinigt worden sind, obwohl wir auf all das nach über 20 Jahren deutsche Einheit zurückblicken – vorhin haben wir über den Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit 2012 gesprochen –, gibt es noch erhebliche Differenzen. Eben weil wir das einzige Land in der westlichen Welt sind, das eine solche Transformationserfahrung hat, können wir mit besonderer Glaubwürdigkeit über die Situation im östlichen Europa sprechen. Dabei ist es zwingend notwendig – das machen wir immer wieder –, dass wir bei den Transformationsprozessen in den östlichen Partnerländern differenzieren. Einige Staaten sind gute Nachbarn geworden. Andere sind Partner und Freunde Deutschlands. Aber gerade weil wir differenzieren, verurteilen wir aufs Schärfste die Vorgänge in Weißrussland. Die Menschenrechtslage dort ist katastrophal. Die brutale Unterdrückung Andersdenkender ist bekannt. Die rechtsstaatlichen Grundsätze werden mit Füßen getreten. Gerade im Vorfeld der Wahlen haben wir dies gesehen. Präsident Lukaschenko unterstrich, dass Gewalt und Einschüchterung die Visitenkarte des Regimes sind. Die Wahl wurde so zur Farce: fairer Wettbewerb, Meinungsstreit, Akzeptanz der politischen Opposition – all dies haben wir in Weißrussland nicht gesehen. Stattdessen wurde gefälscht, was man bei Wahlen fälschen kann: die Höhe der Wahlbeteiligung, die Stimmzettelauszählung und letztlich auch das Ergebnis. Dies widerspricht allen erdenklichen Grundsätzen einer demokratischen und transparenten Wahl. Der Wahlboykott der Opposition war unter diesen Umständen folgerichtig. Angesichts der Brutalität des Regimes will ich ganz deutlich sagen: So viel Zivilcourage muss unsere Anerkennung finden. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wenn wir über Weißrussland reden, dann gilt aber auch: Die Länder, die mit Weißrussland zusammenarbeiten, müssen ihr Verhältnis zu Weißrussland prüfen. -Gerade Russland ist dazu aufgerufen, seine ideelle Unterstützung gegenüber dem weißrussischen Regime, die oftmals deutlich wird, zu hinterfragen. Auch andere Akteure müssen sich mit den Zuständen in Weißrussland auseinandersetzen. Taube Ohren sind keine Option. Das gilt nicht nur für die Länder in dieser Region, für den Kulturkreis, an den wir immer denken, sondern auch für die Demokratien im Westen. 2014 soll in Weißrussland die Eishockey-WM stattfinden. Wir haben hier im Plenum schon darüber ge-sprochen. Ich habe gemeinsam mit meinem Kollegen Djir-Sarai dem Präsidenten der Internationalen Eishockey-Föderation, Herrn Dr. Fasel, geschrieben. Wir wiesen auf die dramatische Lage in Weißrussland hin. Wir haben unsere Befürchtung geäußert, dass das belarussische Regime unter Lukaschenko die Eishockey-WM für seine eigenen Ziele und Zwecke propagandistisch missbraucht. In Anbetracht der anhaltenden Repression der eigenen Bevölkerung durch das Regime haben wir darauf hingewiesen, dass wir keine unangebrachte internationale Aufwertung für den weißrussischen Präsidenten wollen. Herr Dr. Fasel antwortete uns auf unseren Brief und erklärte, dass eine Einmischung der Politik in sportliche Veranstaltungen Schaden für die Athleten, für den Sport als solchen und auch für die friedlichen Ziele der olympischen Bewegung bedeuten würde. Ich fand die Antwort in diesem Zusammenhang unangemessen. In seiner Eröffnungsrede beim 134. Kongress der Eishockey-Föderation im Mai 2012 setzte er noch eins drauf. Er erklärte, mit einem Boykott der Eishockey-WM in Weißrussland würden sich die Verantwortlichen der Sportverbände zu Marionetten der Politik machen. (Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Schlimm!) Meine Damen und Herren, ich glaube, ich spreche hier für viele, wenn ich sage, dass wir diesen Marionettenvergleich entschieden zurückweisen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Der Wahlverlauf bestätigte die von uns damals gehegten Bedenken. Herr Fasel hat jetzt am Wochenende, nach der Wahl, erklärt, er habe von den politischen Zuständen in Belarus nichts mitbekommen. (Lachen des Abg. Karl-Georg Wellmann [CDU/CSU]) Meine Damen und Herren, das ist nun wirklich nicht mehr erklärbar. Man kann es „Zweckignoranz“ nennen, man kann es vielleicht auch „fragwürdige Verantwortung“ nennen; auf jeden Fall ist das ein Vorgehen, das wir so nicht mittragen. Gerade angesichts der bevorstehenden WM muss die Eishockey-Föderation fortan – wir fordern noch einmal dazu auf – gewissenhafter mit diesem Thema umgehen. Der Präsident eines der wichtigsten Sportweltverbände darf die Augen hier nicht verschließen; ebenso sind alle anderen dazu aufgerufen, hier die Augen nicht zu verschließen. Wir setzen uns für Weltoffenheit, für Werteorientiertheit und für die Einhaltung der Grundrechte ein. Wir unterstützen die Länder, die mit ihren Reformbestrebungen ihren guten Willen zur Umsetzung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie zeigen. Aber die völlige Ignoranz in Bezug auf Menschenrechte und internationale Standards bei Wahlen ist für uns völlig inakzeptabel. Die verhängten europäischen Sanktionen, unter anderem das Einreiseverbot für Lukaschenko, sind der richtige Weg; wir unterstreichen das. Es ist gerade für uns Deutsche nicht akzeptabel, dass massive Menschenrechtsverletzungen in unserer unmittelbaren Nachbarschaft noch immer stattfinden. Ich bedanke mich sehr herzlich. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Kurth. – Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der Sozialdemokraten unser Kollege Dr. Rolf Mützenich. Bitte schön, Kollege Rolf Mützenich. Dr. Rolf Mützenich (SPD): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist ausdrücklich keine Aktuelle Stunde, die sich gegen die Menschen in Weißrussland richtet; (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Karin Binder [DIE LINKE]) im Gegenteil: Wir wollen von dieser Stelle aus deutlich machen, dass viele in Weißrussland – mutige junge Menschen, Frauen, Oppositionelle – in den letzten Jahren versucht haben, dem Regime zu widerstehen. Wir wollen alle Aufmerksamkeit genau auf diese Menschen richten, die so viel Mut aufgebracht haben, diesen Machenschaften des Regimes zu widerstehen. Deswegen, glaube ich, ist diese Aktuelle Stunde heute angebracht. Ich will auch sehr deutlich sagen: Weißrussland gehört zum europäischen Kulturraum. Es hat große Beiträge zur Ideengeschichte geliefert; das gilt auch für die Menschen selbst. Weißrussland – das müssen wir deutlich machen – wollen wir sozusagen in unserer europäischen Familie wissen, und deswegen machen wir uns große Sorgen. In der Tat, Kollege Kurth: Der Weg zu demokratischen Verhältnissen, gerade auch nach diesen Erfahrungen einer gefälschten Parlamentswahl, wird wahrscheinlich lang sein, aber er ist nicht ohne Chance. Wir sollten den Menschen Mut machen, weiterhin alles dafür zu unternehmen, dass dieser demokratische Weg gelingt. Ich glaube, das können wir nur gemeinsam mit den Partnern in der Europäischen Union und mit Partnern, die an unserer Seite für demokratische Grundrechte eintreten. Mit dieser Aktuellen Stunde wollen wir aber auf die Machenschaften des Regimes und auf die gefälschten Wahlen hinweisen. Wir müssen daran erinnern, dass die Präsidentschaftswahlen vor zwei Jahren nicht nur gefälscht waren, sondern dass mutige Politiker, die zu diesen Wahlen angetreten sind, bis heute im Gefängnis sitzen. Wir wollen auch heute von dieser Stelle aus an das Regime appellieren, sofort alle politischen Gefangenen bzw. alle, die aus politischen Gründen verurteilt worden sind, freizulassen. Ich erinnere zum Beispiel an den sozialdemokratischen Präsidentschaftskandidaten Statkevich, dessen Familie in den letzten Wochen mehrmals bei uns, in den verschiedenen Fraktionen, war und auf die hu-manitären Bedingungen hingewiesen hat, unter denen Statkevich im Gefängnis sitzt. Er ist mit Inhaftierten zusammen, die an Tuberkulose leiden, und mit einem Gefangenen, der wegen Mordes verurteilt worden ist. Das sind Bedingungen, die nicht hinnehmbar sind. Wir vonseiten des Deutschen Bundestages fordern dieses Regime auf, Herrn Statkevich und andere, die mutig für ihre Rechte eingetreten sind, sofort freizulassen. (Beifall im ganzen Hause) Wir sollten auch an die Verantwortlichen außerhalb Weißrusslands appellieren, die Einfluss auf dieses Regime haben. Das ist in der Tat Russland, die russische Regierung. Wir sollten gerade den Verantwortlichen in Moskau gegenüber deutlich machen, dass man, wenn man auf diejenigen setzt, die von der Geschichte längst überholt sind, schnell selbst überholt werden kann. Instabilität an den Grenzen zu Russland ist weder in unserem Interesse, noch kann es im Interesse Russlands und der russischen Regierung sein. Deswegen wäre es klug, wenn die russische Regierung in den nächsten Wochen einsähe, dass die Unterstützung des Regimes Lukaschenko nicht weiterhin tragbar ist. Wir sollten das vonseiten des deutschen Parlaments, aber auch vonseiten der deutschen Regierung vorantreiben. Herr Kollege Kurth, Sie haben in diesem Zusammenhang auf die Eishockeyweltmeisterschaft hingewiesen. Wir sollten gerade den Funktionären gegenüber noch einmal deutlich machen, dass nicht nur nach den Präsidentschaftswahlen, sondern gerade nach den Parlamentswahlen ein neues Überlegen notwendig ist. Damit würden wir vielen Sportlern entgegenkommen; denn sie wollen sich vom Regime Lukaschenko, das von den Eishockeyweltmeisterschaften letztendlich auch profitiert, nicht missbrauchen lassen. Ich glaube, der Verband würde den Sportlern entgegenkommen, wenn er seine Position an dieser Stelle überdenkt. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP) Zum Schluss möchte ich sagen: Auch vonseiten der Bundesregierung wird, glaube ich, alles unternommen, um auf das Regime einzuwirken. Aber vielleicht – das ist meine Anregung – können wir noch etwas mehr tun. Wir sollten durchaus noch einmal erörtern, was im Rahmen von Visaerleichterungen möglich ist, (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]) insbesondere im Hinblick auf Stipendien für junge Menschen, die auf der einen Seite bereit sind, für Weißrussland einzutreten, die aber auf der anderen Seite eine gute Ausbildung wollen. All das kann vorangebracht werden. Ich hoffe, dass die Aktuelle Stunde mit dazu beiträgt. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Rolf Mützenich. – Nächster Redner für die Fraktion der CDU/CSU ist unser Kollege Karl-Georg Wellmann. Bitte schön, Kollege Wellmann. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Karl-Georg Wellmann (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Zustände in Belarus im Zusammenhang mit den Wahlen sind hinlänglich bekannt. Die OSZE hatte eine Wahlbeobachtermission dort. Die Wahl war weder fair noch frei. Ich habe bei den letzten Wahlen selbst erlebt, wie gefälscht wurde, wie Studentenkolonnen, Polizisten, Militärangehörige da hineingetrieben wurden. Auch das Umfeld war alles andere als demokratisch, wie man an der nicht vorhandenen Pressefreiheit und Meinungsfreiheit sieht. Die Führer der Opposition sind fast samt und sonders im Zuchthaus gelandet, in zum Teil beängstigenden Verhältnissen; einige kamen menschlich gebrochen zurück. Das ist furchtbar. Der Staatschef macht sich lustig über die Opposition: Er sagt, das seien Feiglinge. Ich empfinde das als zynisch und abstoßend, und das sollten wir hier noch einmal deutlich hervorheben. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Was bedeutet das Ganze für uns? Dieses Regime hat die Chance verpasst, das Land zu modernisieren. Es hat verpasst, die gesellschaftlichen Kräfte dieses sympathischen belarussischen Volkes zu mobilisieren. Und es hat verpasst, das Land in die europäische Moderne zu führen. Stattdessen haben wir eine Kommandowirtschaft sowjetischer Prägung mit all den Nachteilen wie Ineffizienz und fehlender Wettbewerbsfähigkeit. Statt politischer Teilhabe haben wir Unterdrückung und Bevormundung. In der Tat: Das ist eine Tragödie, wie es jemand von der Bundesregierung gesagt hat. – Das Gedränge auf der Regierungsbank nimmt ja beängstigte Ausmaße an. Ich finde es gut, dass wenigstens einer anwesend ist. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Unsere Fangemeinde ist auch nicht besonders groß!) Es ist eine europäische Tragödie, und das auch deshalb, weil die Besten, vor allem die guten jungen Leute, das Land in Scharen verlassen. Was bleibt zurück? Bei uns bleibt so etwas wie Ratlosigkeit zurück. Herr Mützenich, ich erinnere mich an unsere letzte Belarus-Debatte. Die Erkenntnis ist vorhanden, dass Sanktionen kaum noch etwas ausrichten bei einem Regime, das aus Gründen des blanken Machterhalts sagt: Das ist uns alles egal. – Es nimmt die Nachteile, die mit dieser Diktatur verbunden sind, in Kauf und schneidet das Land von der europäischen Wohlstandsentwicklung ab. Was können wir tun? Noch mehr Sanktionen? Ich habe Zweifel, ob dies Wirkungen hat, ob das wirklich Änderungen herbeiführt. Wir haben, Herr Mützenich, in diesem Kreis ganz richtig gesagt: Wir müssen mehr für Studenten tun; wir müssen mehr Geld für Stipendien aufbringen. Der DAAD muss zum Teil Studenten mit einem Notendurchschnitt von 1,2 zurückweisen, weil es nicht genug Studienplätze gibt. Ich danke dem Kanzleramtsminister, der leider nicht anwesend ist. Er hat mir neulich gesagt, dass sie, zusammen mit dem Auswärtigen Amt, darüber nachdenken, wenigstens ein paar Millionen Euro zu mobilisieren. Ein Stipendium kostet für einen Studenten im Jahr 10 000 Euro. Die Hochschulen in Deutschland nehmen uns die Studenten mit Kusshand ab. Über das Regime Lukaschenko wird die Geschichte hinweggehen, wie die Geschichte über all die -Honeckers, Breschnews und Ceausescus hinweggegangen ist. Ich habe keinen Zweifel daran, dass es irgendwann eine demokratische Entwicklung geben wird, früher oder später. Aber wir sollten auch etwas anderes bedenken. Ich empfehle sehr den Artikel von Konrad Schuller in der FAZ vom 10. September, der gesagt hat: Lasst uns aufpassen, dass wir über die Prinzipienreiterei nicht unsere strategischen Interessen vergessen und am Ende mit leeren Händen dastehen. – Dies hat er nicht in Bezug auf Belarus, sondern auf die Ukraine gesagt. (Viola von Cramon-Taubadel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ukraine! Genau! Das ist auch was anderes!) Das aber sollte für uns ein Ansporn sein, uns zum Beispiel mehr um die Ukraine zu kümmern und unsere strategischen Ziele nicht zu vernachlässigen. Zum Schluss möchte ich – das passt in die Zeit – Altbundeskanzler Kohl zitieren. Helmut Kohl hat seinerzeit mit Erich Honecker Verträge ausgehandelt. Er wurde wild kritisiert, dass er mit Diktaturen überhaupt verhandelt, anstatt Sanktionen zu erlassen. Er hat gesagt, das sei nicht wichtig. Wichtig ist, was den Menschen hilft. Daran sollten wir uns auch in dieser Sache orientieren. Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion Die Linke unser Kollege Wolfgang Gehrcke. Bitte schön, Kollege Wolfgang Gehrcke. (Beifall bei der LINKEN) Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Danke sehr. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man wäre versucht, zu spotten, wenn man sieht, wie Lukaschenko das Wahlergebnis in der Öffentlichkeit darstellt. Ich finde ein Parlament ohne einen einzigen Abgeordneten der Opposition völlig absurd. Darauf noch stolz zu sein, ließe auf eine gewisse Verwirrung im oberen Körperteil schließen. Trotzdem bleibt mir der Spott im Halse stecken. Ich schaue auf Belarus, auf Weißrussland, und weiß, welche Opfer dieses Land unter der deutschen Besatzung, also im Faschismus, gebracht hat. Ich weiß, dass wir für dieses Land eine Mitverantwortung haben. Das spüre ich auch. Ich möchte nicht von oben herab über dieses Land reden. Ich möchte, dass wir uns immer wieder in Erinnerung rufen: Das ist Europa und gehört zu Europa. Man muss einen Weg finden, wie man beides ausdrückt: Verachtung für Lukaschenko und Offenheit für die Bürgerinnen und Bürger des Landes. (Beifall bei der LINKEN) Die Bürgerinnen und Bürger Weißrusslands sind nicht Lukaschenko, ganz im Gegenteil. Ich möchte nicht, dass sie in diese Ecke gedrängt werden. Das hat bisher dankenswerterweise keiner gemacht. Wir sollten trotzdem festhalten: Es waren Wahlen der Ungleichheit und der Unfreiheit, ohne freie Presse, ohne öffentliche Veranstaltungen, die man, wenn man es möchte, hätte durchführen können. Es waren Wahlen mit großem Druck auf diejenigen, die kandidieren wollten oder die kandidiert haben. In diesem Zusammenhang ist mir ein Gedanke sehr wichtig: Sterben Freiheiten wie Freiheit der Presse oder Freiheit der Politik und werden Parlamente, die man so auch nur nennt, nur noch einberufen, um das zu bestätigen, was zuvor festgelegt wurde, dann stirbt die Demokratie, und dann stirbt das gesamte gesellschaftliche Leben. Dieser Weg ist in Belarus leider vorgezeichnet. Bei dieser Form von Politik erstirbt das gesellschaftliche Leben, eine Eiszeit kehrt ein. Das schlägt dann auf alle zurück. Der schöne Gedanke: „Sterben diese Freiheiten, dann stirbt das gesellschaftliche Leben“ stammt übrigens nicht von mir, sondern von Rosa Luxemburg. Bei ihr kann man das – in besserer Formulierung – noch einmal nachlesen. Für uns stellt sich nun die nicht einfach zu beantwortende Frage: Was tun? Nur die Tatbestände an sich zu beschreiben – vielleicht sind wir uns in der Beschreibung sogar einig –, hilft nicht weiter. Ich denke in ähnlicher Art und Weise wie der Kollege Wellmann: Man sollte einmal ausloten: Was ist bisher gelaufen, und was ist wirksam gewesen? Wir können ja nicht sagen: Wir machen immer weiter so. Ich finde, dass im Großen und Ganzen Sanktionen, der Druck auf das Regime etc. nicht das erbracht haben, was ich mir davon erhofft hatte. Es ist kein Wandel eingetreten – ganz im Gegenteil. Daher stelle ich mir die Frage: Muss man vielleicht die eigene Taktik, wie man an das Problem herangeht, verändern? Hier kann man zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen. Ich bin dafür, dass wir maximale Kontakte in das Land Belarus hinein entwickeln, inklusive der Eishockeyweltmeisterschaft, jedoch ohne dass wir so tun, als hätte Politik mit Sport nichts zu tun. Meine These heißt: Wenn an die Mumie Luft kommt, zerfällt die Mumie. Ich möchte, dass die Mumie Lukaschenko, der schon sein kleines Kind als seinen Nachfolger präsentiert, zerfällt. Deswegen schlage ich vor, etwa darüber nachzudenken: Wie kann man beispielsweise die Kontakte zu Belarus vervielfältigen? Das fängt bereits bei der Visafrage an. Wer nach Deutschland kommen möchte, soll kommen. Da müssen die Türen offenstehen, (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Karl-Georg Wellmann [CDU/CSU]) da muss es eine Willkommenskultur geben. Wir müssen auch überlegen, welche Möglichkeiten sich in beiden Ländern im kulturellen Bereich ergeben. Ich frage mich: Was passiert eigentlich mit den Städtepartnerschaften? Es gibt eine Menge Städtepartnerschaften zwischen Städten in Deutschland und in Weißrussland. Kann man diese Städtepartnerschaften nutzen, um auf eine andere Politik, einen anderen geistigen Atem hinzuwirken? Was können deutsche Abgeordnete bewirken, wenn sie vor Ort fordern: „Wir wollen Zugang zu den Gefängnissen haben!“? (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Die werden nicht reingelassen! Gehen Sie doch mal nach Weißrussland!) Wir wollen wissen, was mit unseren Kolleginnen und Kollegen, die kandidiert haben, in diesen Gefängnissen passiert. Das alles sind Möglichkeiten, wie die politischen Verhältnisse verändert werden können. Hierüber müssen wir nachdenken. Diese Fragen dürfen auch in den Gesprächen mit Russland nicht ausgespart werden, die für beide Seiten nicht immer ganz einfach sind. Russland kann Einfluss nehmen, und Russland muss Einfluss nehmen. Das bedeutet, dass Putin dazu gebracht werden muss, über sein eigenes Verhalten nachzudenken. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Auch das gehört zum Problem dazu. Ich kann nur vorschlagen, dass wir auf diese Art und Weise versuchen, eine andere Form der Politik in Belarus durchzusetzen. Ich wiederhole noch einmal: Weißrussland ist nicht Lukaschenko, und Lukaschenko spricht nicht für Weißrussland. Danke sehr. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Wolfgang Gehrcke. – Nächste Rednerin in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unsere Kollegin Frau Viola von Cramon-Taubadel. Bitte schön, Frau Kollegin. Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich vertrete heute Marieluise Beck, die auf einer besonderen Mission unterwegs war, leider erfolglos. Sie hat versucht, Herrn Chodorkowski im nordrussischen Strafgefangenenlager zu besuchen. Das ist ihr, wie man fast erwarten konnte, leider nicht geglückt. Aber ich glaube, es war trotzdem gut, dass sie sich auf die Reise gemacht hat. Zurück zur Bewertung der Wahl. Ich kann mich dem Kollegen Mützenich nur anschließen: Natürlich ist diese Aktuelle Stunde zur Unterstützung der Menschen, der Zivilgesellschaft in Belarus gedacht. Lukaschenko hat in einer Atmosphäre von Repression und Angst ein Theaterstück abgezogen. Das hatte mit einer Wahl überhaupt nichts zu tun. Von Anfang an wurde nichts dem Zufall überlassen. Die Opposition wurde aus den Wahlkommissionen herausgehalten; sie stellten 0,09 Prozent der Kommissionsmitglieder. Die Auszählung konnte deshalb unmöglich überprüft werden. So wurde ein dem Diktator genehmes Ergebnis garantiert. Wir haben es schon von Herrn Wellmann gehört: Bewohner von Studentenwohnheimen, Soldaten und Arbeitskollektive wurden wie in alter sowjetischer Zeit zur vorzeitigen Stimmabgabe genötigt. Hierbei ist die Manipulation der Urnen besonders einfach. Das gibt es in anderen postsowjetischen Staaten auch, aber – das muss man einfach sagen – nicht ganz so drastisch wie in Weißrussland. Oppositionelle wurden unter Druck gesetzt, festgenommen und zum Teil an Leib und Leben bedroht. Jetzt kommt der Punkt: Einzig eine Wahlbeteiligung unter 50 Prozent hätte die Wahl ungültig gemacht. Auch deshalb gab es Nötigungen von Wählern. Auch deshalb wurden Wurst und Alkohol in den Wahllokalen verkauft; vielleicht ist es eine Möglichkeit, um auch hier die Wahlbeteiligung zu erhöhen. (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Das sagen die Grünen? Also, was ist denn hier los?) – Scherz! – Auch deshalb reagierte das Regime gereizt auf Boykottaufrufe der Opposition. Was bedeutet die Wahl für die politische Entwicklung? Eigentlich sind solche Rituale wie diese Parlamentswahl in Weißrussland natürlich ein unnötiges Relikt; denn der Anschein demokratischer Legitimation funktioniert schon lange nicht mehr. Spätestens seit dem 19. Dezember 2010 kann das Regime seine Macht nur noch durch Repression und Angst sichern. Dennoch sage ich – vielleicht sieht das Herr Wellmann ähnlich –: Es war richtig, dass die Wahlbeobachter der OSZE im Land waren; denn so konnten unabhängige Beobachter dokumentieren und vor allen Dingen anschließend kommunizieren, dass diese Wahlen weder frei noch unparteiisch abliefen. Auch bei der Stimmenauszählung, und nicht nur da, wurden die Wahlbeobachter ganz massiv beeinträchtigt. Es ist richtig, dass die EU mit Sanktionen auf die schweren Menschenrechtsverletzungen in Belarus reagiert. Derzeit sind immer noch 15 politische Gefangene in den Straflagern. Sie werden seelisch und körperlich malträtiert, um sie nach stalinistischer Manier zu Schuldeingeständnissen zu zwingen. So sollen sie als Opponenten des Diktators unschädlich gemacht werden. Offensichtliche Wahlfälschungen und drakonische Bestrafungen der politischen Gegner zeugen aber auch von einer Nervosität des Regimes. Wo sonst steht das organisierte Nichtstun unter Strafe? Nur so konnten die stillen Proteste letzten Sommer unterbunden werden. Die Sanktionen laufen jedoch ins Leere – das haben hier schon einige Vorredner betont –, wenn sie von Russland ausgehebelt werden. Ohne Russland wäre Belarus längst bankrott. Aber Russland gibt Kredite und billiges Gas. So kann es sich die wenigen Filetstücke der belarussischen Industrie einverleiben. Belarus wurde zudem in eine Zollunion gezwungen und wieder eng an Russland gebunden. Das ist ganz im Interesse Russlands, den postsowjetischen Raum zurückzuerobern. Ich denke anders als Sie, Herr Gehrcke: Es gibt keine Alternative zur Sanktionspolitik. Wir können und wollen eine Diktatur mitten in Europa nicht dulden. Wir brauchen einen längeren Atem. Es wird sich zeigen, ob die Wirksamkeit der EU-Sanktionen am Ende nicht doch gegeben ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir werden sehen, ob Lukaschenko letztlich bereit ist, sich immer als Marionette Moskaus instrumentalisieren zu lassen. Ich möchte auf die Polizeihilfe zu sprechen kommen, die Deutschland geleistet hat. In der aktuellen Situation braucht die Zivilgesellschaft – das habe ich am Anfang gesagt – unsere Unterstützung. Stattdessen hören wir von Hilfen für die belarussische Prügelpolizei durch das Bundesinnenministerium. Es kann richtig sein, in Zeiten der Annäherung auch in autoritären Staaten für eine Zivilisierung der Polizei zu arbeiten; aber die Belarussen zum Castor-Transport oder zur Nazidemo in Dresden einzuladen, zeugt vom Fehlen jeglichen politischen Gespürs. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Auch die Fortsetzung dieser Kooperation über den 19. Dezember 2010 hinaus ist unverzeihlich. So etwas darf aus unserer Sicht nicht noch einmal passieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das Innenministerium braucht dringend mehr Kontrolle seiner außenpolitischen Aktivitäten. Erleichterungen bei der Visavergabe wurden häufig erwähnt. Ich würde sagen: Wir brauchen die Abschaffung der Visumpflicht. Die Prozedur der Visumvergabe ist bürokratisch, demütigend und für Belarussen dazu noch sehr teuer. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Durch die Visumpflicht ist kaum etwas gewonnen, aber sehr viel verloren. Wir geben ein wichtiges außenpolitisches Instrument aus der Hand, wenn wir das Feld den Innenpolitikern überlassen. Eine Zeit von durchschnittlich drei Minuten für die Bearbeitung eines Visumantrags garantiert jedenfalls keinen wirksamen Schutz vor organisierter Kriminalität. Zeigen wir also den Menschen in Weißrussland, dass sie zu Europa gehören! Laden wir sie ein, unsere demokratische Gesellschaft kennenzulernen! So können wir am besten eine Öffnung der Gesellschaft in Weißrussland fördern. Deshalb: Schaffen wir die Visummauer zwischen Deutschland und Weißrussland endlich ab! Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Frau Kollegin von Cramon-Taubadel. – Nächster Redner für die Fraktion der CDU/CSU ist unser Kollege Manfred Grund. Bitte schön, Kollege Manfred Grund. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Manfred Grund (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Parlamentswahlen in Belarus waren die Inszenierung einer Demokratie – und nicht mehr als das. Die Berichte der OSZE und auch von politischen Stiftungen sprechen im Kern alle dieselbe Sprache: Alle Oppositionskandidaten wurden massiv behindert, die Auszählung der Stimmen war intransparent und nicht überprüfbar, und von einer ausgewogenen Berichterstattung in den Medien konnte auch keine Rede sein. Es ist offensichtlich: Von der gegenwärtigen Führung in Belarus sind keine Reformen zu erwarten, die ihre Macht infrage stellen. Im Gegenteil: Mit der Parlamentswahl hat sich erneut die Verhärtung des autoritären Re-gimes manifestiert, die seit der Präsidentschaftswahl in Belarus im Dezember 2010 die Lage in Belarus kennzeichnet. Von den Demonstranten, die damals brutal niedergeschlagen wurden, sind noch immer etwas mehr als ein Dutzend Oppositionelle in Haft. Weder Sanktionen der Europäischen Union – die wir hatten und haben – noch eine sich verschlechternde Wirtschaftslage haben die Führung in Minsk bislang zum Einlenken veranlasst. Im Gegenteil: Unter zunehmendem Druck zeigt sich das Regime nur umso entschlossener, seine Kontrolle über das ganze Land weiter auszubauen. Die Lage in Belarus wird durch eine tiefe und systemische Wirtschaftskrise geprägt. Die Inflation galoppiert davon. Der IWF vergibt keine Kredite mehr an Belarus. Bei früheren Wahlen konnte sich das Regime noch die Loyalität vieler Wähler durch kostspieligere Geschenke als diesmal erkaufen und sichern. Dafür fehlten bei diesem Wahlgang offensichtlich die Mittel. Stattdessen verschärfen sich die politischen Pressionen. Mit dieser Entwicklung verbindet sich für uns und für die Politik der EU gegenüber Belarus aber ein Dilemma: Einerseits hat die Politik der Annäherung an Belarus, die die Europäische Union vor den Präsidentschaftswahlen 2010 verfolgt hat, nicht zu substanziellen Reformen geführt. Andererseits haben auch die verschärften Sanktionen, die wir nach den Präsidentschaftswahlen verhängt haben, kein Einlenken erzwingen können. Die weiteren Verhärtungen haben sie nicht aufgehalten. Zugleich haben diese Sanktionen – das ist von meinen Vorrednern gesagt worden – dazu beigetragen, Belarus stärker von Russland abhängig zu machen. Anders als die Europäische Union unterstützen Russland und die Eurasische Wirtschaftsgemeinschaft Belarus weiterhin finanziell; doch im Gegenzug hat Minsk im vergangenen Jahr den Gesamtbesitz am Pipelinenetz von Beltransgaz an -Gazprom verkaufen müssen. Bereits heute ist Belarus mit Russland und Kasach-stan in einer gemeinsamen Zollunion verbunden. Diese Zollunion soll künftig zu einer eurasischen Union ausgebaut werden. Den politischen Ansätzen der Europäischen Union gegenüber Belarus könnte damit auch langfristig ein Riegel vorgeschoben werden. Das betrifft die im Rahmen der Östlichen Partnerschaft vorgesehene Freihandelszone ebenso wie eine weitere Ausdehnung der europäischen Energiegemeinschaft. Die wirtschaftliche Lage in Belarus zeigt jedoch eindeutig, dass das gegenwärtige Regime nicht auf dauerhaften Fundamenten gebaut ist. Bei einer Verschärfung der Krise wäre selbst die Möglichkeit eines ökonomischen und politischen Zusammenbruchs nicht völlig auszuschließen. Ein solcher Zusammenbruch muss aber weder zu einer europäischen Orientierung noch zu einem demokratischen Neuanfang des Landes führen, und selbst wenn er das täte, würde er eine gewaltige, möglicherweise unüberwindbare Belastung darstellen. Die Wirtschaftskrise wird das bestehende Regime aber auch zu umfangreichen Privatisierungen zwingen. Damit verbinden sich Chancen für eine marktwirtschaftliche Öffnung, die eine gesellschaftliche und politische Öffnung nach sich ziehen könnte. Es besteht aber zugleich eine grundlegende Gefahr, nämlich dass infolge dieser Privatisierung auch in Belarus oligarchische Strukturen entstehen wie in den meisten anderen postsowjetischen Staaten, und wie in den meisten anderen postsowjetischen Staaten würden oligarchische Strukturen auch in Belarus die politischen und wirtschaftlichen Entwicklungschancen des Landes langfristig und über das gegenwärtige Regime hinaus einschränken. Je weniger aber europäische Politik in Belarus präsent ist, desto größer wird diese Gefahr. Wir sollten uns keine Illusionen über die eigenen Möglichkeiten machen. Das Bekenntnis zu unseren demokratischen Grundwerten muss die Ziele unserer Politik gegenüber Belarus bestimmen; aber das ist noch keine wirkungsvolle und auch keine wirkmächtige Politik. Als Deutschland wie als Europäische Union haben wir leider nur begrenzte Instrumente, um auf die innere Entwicklung von Belarus Einfluss zu nehmen. Bislang hatte weder eine Politik der Zusammenarbeit noch eine Politik der Sanktionen nachhaltige Reformen in Belarus zur Folge. Setzen wir allein auf Zusammenarbeit, dann laufen wir Gefahr, ausgenutzt zu werden. Setzen wir allein auf Sanktionen, spielen wir anderen in die Hände. Es wird nicht leicht sein, einen Ausweg aus diesem Dilemma zu finden. Wollen wir überhaupt noch einen konstruktiven Einfluss ausüben, werden wir auch angesichts der politischen Verhärtungen in Belarus Angebote zur Zusammenarbeit mit unserer Sanktionspolitik verbinden müssen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Manfred Grund. – Nächster Redner für die Fraktion der Sozialdemokraten ist unser Kollege Dietmar Nietan. Bitte schön, Kollege Dietmar Nietan. (Beifall der Abg. Dagmar Ziegler [SPD] – Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Ein Fan ist da!) Dietmar Nietan (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Parlamentswahlen in Belarus waren nicht nur eine Farce, sie waren und sind eine Schande. Sie sind eine Schande nicht nur für den Diktator Lukaschenko, sie sind letztlich auch eine Schande für Europa. Das ist ein Schandfleck mitten in Europa, in dem ein Diktator scheinbar machen kann, was er will. Ich stimme deshalb Martin Schulz, dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, ausdrücklich zu, der sagt, dass wir uns nicht länger der -Illusion hingeben dürfen, dass in diesem Regime -Lukaschenko auch nur ein Funken Willen besteht, sich auf den Weg zu Reformen zu machen. Das muss man jetzt selbstkritisch konzedieren. Systematisch hat der belarussische Diktator die Grundlagen für eine demokratische Ordnung in seinem Land zerstört. Wir müssen uns eingestehen, dass wir diese tragische Entwicklung nicht haben verhindern können. Aus meiner Sicht ist jetzt aber nicht die Zeit für Vorwürfe, wer was hätte besser machen können, sondern dies ist die Zeit, um uns grundsätzlich zu überlegen, wie wir uns neu aufstellen und wie wir das Volk auf seinem Weg, seine Geschicke selbst in die Hand zu nehmen, begleiten können. Dies wird nach allem, was wir jetzt sehen, ein sehr langer und steiniger Weg sein. Kollege Grund hat auf das Dilemma hingewiesen: Sanktionen oder Zusammenarbeit? Ich glaube, was hier deutlich wird, ist, dass wir in der Tat – auch das hat Martin Schulz in seiner Erklärung zu den Wahlen unterstrichen – eine abgestimmte, effektive, wirklich durchdringende gesamteuropäische Strategie brauchen, damit dieses Land beim Aufbau der Zivilgesellschaft vorankommt. Martin Schulz hat gesagt: Zentraler Punkt dieser Strategie muss die Frage sein, wie man das Volk in Weißrussland in seinem Kampf für eine Zivilgesellschaft unterstützen kann. Wenn das so ist und wir eine solche Strategie brauchen, dann muss es in der Union der 27 Staaten geben, die die Initiative ergreifen und die Verantwortung für einen solchen Weg übernehmen. Die polnische Regierung hat das eindrucksvoll getan, insbesondere während ihrer Ratspräsidentschaft. Es ist sehr zu begrüßen, dass sie dabei von Deutschland unterstützt wurde. Das reicht aber nicht aus. Es ist hier schon gesagt worden: Wir müssen den Druck erhöhen, und zwar mit Augenmaß; denn die Sanktionen und der Druck sollen die Richtigen treffen, nicht das Volk. Auch müssen wir, so schwierig das sein wird – Kollege Gehrcke hat das zu Recht gesagt; in dieser Hinsicht ist vieles sowieso schon sehr schwierig geworden –, mit unseren russischen Partnern sprechen und ihnen sagen, dass sie für das, was dort geschieht oder eben nicht geschieht, eine Mitverantwortung haben. Wenn wir langfristig Erfolg haben wollen, müssen wir die Zivilgesellschaft stärken. Es ist bedenklich, wenn ich lesen muss, dass Giselle Bosse vom European Policy Centre in Brüssel sagt, dass die Unterstützung für nichtstaatliche Akteure in der EU, wenn man alle Programme zusammennimmt, im Jahr 2011 6,4 Millionen Euro betrug, es in diesem Jahr letztlich aber nur noch 4,1 Millionen Euro sein werden. Bei allem Verständnis für die Haushaltssituation: An dieser Stelle zu sparen, ist kein gutes Signal für die Menschen in Belarus, die auf uns zählen. Eines ist auch wichtig: Wir brauchen neue Instrumente. Deshalb war es richtig, dass die polnische Ratspräsidentschaft sich so für ein Endowment for Democracy eingesetzt hat. Jetzt soll es eine Stiftung belgischen Rechts geben, und nun geht es auch um die Gretchenfrage: Mit welchen Ressourcen statten wir diese Stiftung aus? Die polnische Regierung bemüht sich da sehr. Wir wissen, dass nicht alle europäischen Partner hierbei auf ihrer Seite sind, leider auch nicht unsere französischen Freunde. Jetzt beginnt das Schwarze-Peter-Spiel: Alle schauen darauf, wie sich Deutschland auch finanziell bei dem Aufbau dieser Stiftung engagieren wird. Ich weiß, dass die Kolleginnen und Kollegen im Auswärtigen Amt sehr ambitionierte Vorstellungen haben. Ich weiß aber auch, dass es bisher in dieser Bundesregierung nicht möglich war, das Veto aus dem Finanzministerium zu überstimmen. Ich sage an dieser Stelle: Wenn wir es ernst damit meinen, dass wir für Belarus mehr tun wollen, dann brauchen wir ein neues Instrument, das vielleicht etwas anders agiert, als es den formalistischen Vorstellungen des Bundesverwaltungsamts entspricht; denn mit dessen Vorstellungen wird man die Demokratie nicht ans Laufen bringen können. Dafür brauchen wir dieses Endowment. Ich fordere die Bundesregierung auf, sich dort klar und unmissverständlich in einem Deutschland zustehenden Maße finanziell zu engagieren und nicht das Schwarze-Peter-Spiel weiter zu betreiben, das da heißt: Wer bewegt sich als Erster und gibt Geld in dieses Endowment? Was wir in diesem Moment erleben, halte ich für einen unwürdigen Akt. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Einen weiteren Punkt, der hier schon angesprochen worden ist, möchte ich unterstützen. Mittlerweile studieren mehr junge Weißrussen in Russland als in der Europäischen Union. Ich glaube nicht, dass dies daran liegt, dass alle Universitäten in Russland besser sind als die in der Europäischen Union, sondern ich glaube, dass das mit der Visapolitik der Europäischen Union zu tun hat. Auch ich würde mich freuen, wenn eine moderne, weltoffene Visapolitik, die genau diese junge Generation unterstützt und ihr Chancen gibt, hier bei uns zu studieren und Erfahrungen zu sammeln, in der EU umgesetzt würde und wenn Deutschland dabei nicht im Bremserhäuschen säße, sondern es vom Führerhäuschen aus möglich machte. Welche Rolle Deutschland in diesem Bereich in der Europäischen Union spielt, halte ich für unerträglich. (Beifall des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]) Vizepräsident Eduard Oswald: Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Kollege. Dietmar Nietan (SPD): Das mache ich sehr gerne. – Ich will zum Schluss -Folgendes deutlich unterstreichen: Wir erleben, wie -Lukaschenko sein Volk und uns Europäer verhöhnt. Ich bin mir ganz sicher, dass seine Zeit ablaufen wird, dass sie jetzt schon abläuft. Dass er so reagiert, hat etwas damit zu tun, dass er Angst vor seinem eigenen Volk hat. Ich weiß auch: Sein Volk wird ihm nie verzeihen, dass er gerade etwas tut, was er immer verhindern wollte, nämlich sein Volk schnurstracks in die bedingungslose Abhängigkeit von Russland zu führen. Deshalb wird seine Zeit zu Ende gehen. Aber die entscheidende Frage in der geschichtlichen Bewertung dieser Zeit wird sein, – Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Kollege, Versprechen sollte man einhalten. (Beifall des Abg. Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Dietmar Nietan (SPD): – ob wir als Europäerinnen und Europäer, ob wir als Bundesrepublik Deutschland, als Bundesregierung in den Geschichtsbüchern auch bestehen können, dass wir beim Niedergang dieses Systems das Volk unterstützt haben, oder ob wir uns weggeduckt haben. Dies wird die Frage sein, die wir selber durch Handeln beantworten können. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Kollege, gelegentlich kann man einmal die fünf Minuten üben. Nächste Rednerin in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der FDP unsere Kollegin Marina Schuster. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Marina Schuster (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, ich kann hier für das ganze Haus sprechen, wenn ich sage: Niemand von uns ist von den rechtswidrigen Umständen und dem diktierten Ausgang der Wahlen überrascht. Das heißt aber nicht, dass uns die Ereignisse kalt lassen, ganz im Gegenteil. Wir erlebten eine absurde Inszenierung. Lukaschenko hat verlauten lassen – ich zitiere –: Man sollte uns beneiden. Wahlen, die langweilig und ruhig verlaufen, sind ein Glück … sowohl für das Volk als auch für die Regierung. Diese Äußerungen sind zynisch und eine Ohrfeige für die Menschen in Belarus. Wir wissen alle: Belegschaften von Staatsbetrieben, Soldaten und Studenten wurden zum Wählen abkommandiert. Auch im künftigen Parlament wird es keine Abgeordneten der Opposition geben; der Wahlboykott war eine verzweifelte Reaktion auf die aussichtslose Lage der belarussischen Zivilgesellschaft. Belarus hat eine weitere Chance vertan, den Weg zurück zu Europa, zur Europäischen Menschenrechtskonvention, zum Europarat einzuschlagen. Ich denke, wir müssen die Probleme ganz nüchtern beim Namen nennen – viele Vorredner haben es bereits angesprochen –: Die OSZE-Verpflichtungen sind nicht eingehalten worden, darunter das Vereinigungsrecht, das passive Wahlrecht und auch das Recht auf freie Meinungsäußerung. Wir haben von Herrn Kollegen Mützenich und von Frau Kollegin von Cramon deutlich gehört, dass es Einschüchterungen und Inhaftierungen oppositioneller Kandidaten gab. Insofern ist vollkommen klar, dass die Wahlen nicht frei und fair waren. Es ist auch inakzeptabel, dass ein Mitglied des Deutschen Bundestages, nämlich Frau Beck, in ihrer Funktion als OSZE-Wahlbeobachterin nicht einreisen durfte. Das dürfen wir nicht tolerieren. (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich war besonders betroffen von der Nachricht, dass am Dienstag vergangener Woche eine Delegation der International Federation of Liberal Youth, darunter auch deutsche Teilnehmer, während eines Bildungsworkshops von belarussischen Behörden festgehalten und dann des Landes verwiesen wurden. Zu Recht hat Außenminister Westerwelle aufgrund der Vorfälle den Botschafter ins Auswärtige Amt einbestellt. Die Vorredner haben es angesprochen: Wir erleben eine traurige Chronologie von Ereignissen. Ich erinnere an unsere Debatten. Wir haben im März dieses Jahres erlebt, dass zwei junge Männer, Herr -Konowalow und Herr Kowaljow, hingerichtet wurden. Sie wurden beschuldigt, das verheerende Attentat in der Minsker U-Bahn begangen zu haben, und sie wurden nach einem fadenscheinigen Prozess hingerichtet. Zuvor, im Jahr 2010, erlebten wir die brutale Niederschlagung von friedlichen Demonstrationen und massenhafte Verletzungen der Menschenrechte und Inhaftierungen. Wir haben die belarussische Regierung mehrmals von diesem Hohen Haus aus aufgefordert, für Versammlungsfreiheit, für Meinungsfreiheit und für Pressefreiheit zu sorgen. Aber unsere Hoffnungen, dass Lukaschenko den Weg zurück zu Europa findet, haben sich nicht erfüllt. Es ist immer unser Ziel gewesen, dass sich unsere Nachbarn an Europa und die Werte, für die wir stehen, annähern; wir wollen sie heranführen. Dieses Ziel gilt nach wie vor. Deswegen ist es auch so wichtig, dass wir die Kontakte zur Zivilgesellschaft halten und dass wir dort aktiv sind. Das Auswärtige Amt führt zusammen mit anderen EU-Mitgliedstaaten einige Programme zur Unterstützung der belarussischen Zivilgesellschaft durch. Die Mittel hierfür sind in den letzten drei Jahren erhöht worden. Es geht um Programme des Goethe--Instituts und des DAAD sowie um das Förderprogramm Belarus des BMZ, das von der Begegnungsstätte „Johannes Rau“ in Minsk durchgeführt wird. Natürlich geht es auch um die wichtige Arbeit unserer politischen Stiftungen und die Kulturprogramme. Ich denke, dass das wichtige Bausteine sind, die dazu beitragen, dass der Gesprächskanal zur Zivilgesellschaft nicht abreißt. Die Rolle Russlands wurde mehrmals erwähnt. Russland ist aufgefordert, seine Verantwortung wahrzunehmen und seine Position zu ändern. Solange Putin schützend die Hand über das Regime hält, muss sich Herr Lukaschenko natürlich kaum bewegen. Die Situation ist für uns frustrierend. Dies darf uns aber nicht lähmen. Ich richte zum Abschluss einen Appell an uns alle: Es gibt das Programm „Parlamentarier schützen Parlamentarier“, in dem wir für Oppositionelle, für Menschenrechtsverteidiger Patenschaften übernehmen. Ich appelliere an alle Kolleginnen und Kollegen, die noch keine Patenschaft übernommen haben, sich aktiv in diesem Programm einzubringen. Es ist eine Perle. Wir sollten es nutzen und für die die Stimme erheben, die ihre Stimme nicht selbst erheben können. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Frau Kollegin Marina Schuster. – Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der Sozialdemokraten unser Kollege Dr. Gernot Erler. Bitte schön, Kollege Dr. Erler. Dr. h. c. Gernot Erler (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ganz offensichtlich haben wir in diesem Hohen Haus einen breiten Konsens darüber, dass die Wahlen in Belarus eine Farce und eine Provokation für ganz Europa waren. Die internationalen Standards für freie und faire Wahlen sind nicht nur nicht eingehalten worden. Präsident Lukaschenko hat sich auch gar keine Mühe mehr gegeben, den Anschein zu erwecken, dass sie eingehalten werden. Zu offensichtlich war es schon im Vorfeld zu gravierenden Verstößen gegen internationale Regeln gekommen. Die OSZE hat den Verlauf der Wahlen scharf kritisiert. Zahlreiche grundlegende demokratische Rechte wurden missachtet; zahlreiche Kandidaten wurden gar nicht erst zugelassen. Das Recht auf freie Meinungs-äußerung wurde stark eingeschränkt. Auch die Überprüfung der Ergebnisse durch unabhängige Wahlbeobachter geben Anlass zu „ernsthafter Sorge“; ich zitiere den Leiter der internationalen Wahlbeobachterkommission, Antonio Milososki. Darüber hinaus bestehen Zweifel, ob tatsächlich die behauptete Wahlbeteiligung von 74,2 Prozent -erreicht wurde. Einiges spricht dafür, dass noch nicht einmal eine Wahlbeteiligung von 50 Prozent erreicht wurde. Dann wären die Wahlen auch nach den Gesetzen von Belarus ungültig. Nach wie vor sitzen Vertreter der politischen Opposition im Gefängnis. Ich möchte den Fall von Nikolai Statkevich anführen, der bei den Präsidentschaftswahlen kandidiert hat. Jetzt befindet er sich für sechs Jahre im Arbeitslager, und im Januar dieses Jahres wurde das Strafmaß durch drei Jahre verschärfter Haft weiter zugespitzt. Ihm und allen anderen politischen Gefangenen, die in den Gefängnissen von Minsk sitzen, gilt unsere Solidarität. Wir fordern von diesem Hause aus die sofortige Freilassung von Nikolai Statkevich und allen anderen politischen Gefangenen. (Beifall im ganzen Hause) Aber auch die Repressalien gegenüber Medien, Vertretern der Zivilgesellschaft und Oppositionellen dürfen nicht weiter anhalten; sie müssen aufhören. Man muss sich das einmal vorstellen: Die Nervosität dieser Regierung geht mittlerweile so weit, dass sogar – ich zitiere – „das organisierte Nichtstun in Gruppen“ verboten wurde. Das Regime hat also Angst vor einer Ansammlung schweigender Menschen. Das ist eine weitere Steigerung, die man sich in der eigenen Fantasie eigentlich kaum vorstellen kann. Selbstisolierung, das ist offenbar die Praxis dieser Regierung. Wir wollen aber keine Isolierung der 10 Millionen Bürgerinnen und Bürger von Weißrussland. Insofern begrüßen wir den Beschluss der EU-Außenminister vom März dieses Jahres, wenigstens die Visagebühren von 60 auf 35 Euro zu senken. Aber selbst dies scheint an bürokratischen Hindernissen zu scheitern. Das können wir nicht hinnehmen. Das geht so nicht. Herr Link, hier müssen wir etwas tun, und das kann nur der erste Schritt sein. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Natürlich sind wir realistisch und wissen, dass wir nur begrenzte Hebel haben, um auf die Politik in Belarus einzuwirken. Deswegen ist es sehr wichtig, dass noch einmal untersucht wird, welche Möglichkeiten zur Unterstützung einer kritischen Zivilgesellschaft wir haben. Herr Staatsminister Link, ich möchte Ihnen sagen: Meine Fraktion ist bereit, über die Unterstützung des Minsker Forums, das durchaus seinen Sinn hat, hinaus zu überlegen, wie wir, die Erfahrungen anderer Nachbarländer nutzend, die Unterstützung der Zivilgesellschaft in Belarus verstärken können; wir haben da nämlich ein paar Erfahrungen. Ich glaube, das sollten wir gemeinsam versuchen. Schließlich haben wir auch hier eine gemeinsame Diskussion geführt. Auch ich habe große Zweifel daran, dass es sinnvoll ist, jetzt als einzige offizielle Reaktion die Sanktionen zu verschärfen und die Visabannlisten auszuweiten. Wie wir alle wissen, würde dies dazu führen, dass sich die weißrussische Politik immer mehr in Richtung Russland ausrichtet. Wir wissen auch, dass nur die großzügigen Kredite und die kostenlosen Lieferungen aus Russland verhindert haben, dass sich der Widerstand im Land angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung verstärkt. Nur so konnte das Regime am Leben gehalten werden. Ich finde, die Botschaft dieser Debatte sollte lauten: Der Weg in Richtung europäischer Annäherung steht den 10 Millionen Bürgerinnen und Bürgern von Belarus weiterhin offen. Wir wollen ihn gemeinsam gehen. Dabei spielt insbesondere die Östliche Partnerschaft eine wichtige Rolle. Unter dem jetzigen Regime können hier aber keine Fortschritte erzielt werden. Unsere Botschaft lautet: Wir suchen nach Wegen, um sicherzustellen, dass diese Tür offen bleibt, auch wenn Herr Lukaschenko und seine Nomenklatura sie mit aller Kraft zuzuziehen versuchen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Dr. Gernot Erler. – Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der CDU/CSU unser Kollege Dr. Wolfgang Götzer. Bitte schön, Kollege Dr. Wolfgang Götzer. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Weißrussland, die letzte kommunistische Diktatur in -Europa, hat gewählt. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Was ist denn daran kommunistisch?) – Das müssten Sie doch wissen; da kennen Sie sich doch aus, Herr Kollege Gehrcke. – Dabei stand der Wahlsieger, ähnlich wie bei den Kommunisten in der ehemaligen UdSSR, von vornherein fest, nämlich Lukaschenko. Er hat aus diesem Anlass gleich auch seinen Nachfolger vorgestellt, nämlich seinen Sohn. Immerhin hätte diese Erbdiktatur, die es nicht einmal in der Sowjetunion gab, den Vorteil, dass man sich eine solche Farce, wie es sie mit dieser sogenannten Wahl gab, künftig sparen kann. Laut Informationen des Auswärtigen Amts hat gemäß den bislang vorliegenden Wahlergebnissen in keinem einzigen der insgesamt 110 Wahlkreise ein Kandidat der Opposition gewonnen. Die Opposition hat es heute unter dem Lukaschenko-Regime wahrlich schwer genug. Vertreter der Opposition werden – oft samt ihren Familien – von Mitarbeitern des Geheimdienstes KGB – ja, den gibt es noch in Weißrussland – bedrängt, unter Druck gesetzt, eingeschüchtert, eingekerkert. Die Ausübung der Grund- und Menschenrechte, allen voran der Meinungsfreiheit, ist im ganzen Land nicht möglich. Wahlkampfveranstaltungen wurden behindert, Internetseiten blockiert, und möglichen Kandidaten wurde das Rederecht verwehrt. Zahlreiche aussichtsreiche Kandidaten der Opposition konnten gar nicht erst aufgestellt werden, da sie zurzeit im Gefängnis einsitzen oder aufgrund früherer Haftstrafen nicht mehr kandidieren durften oder da ihnen aus anderen halbseidenen Gründen das Recht verwehrt wurde, sich um ein Mandat zu bewerben. Die Tageszeitung Die Welt schrieb gestern dazu – ich zitiere –: … Opposition unter dem System Lukaschenko ist der Gesundheit abträglich und kann mit dem Tode enden. Ausländischen Journalisten wurde die Ausübung ihrer Arbeit verwehrt, teilweise wurden sie sogar verprügelt. Auch die Organisation für Sicherheit und Zusammen-arbeit in Europa, OSZE, konnte ihrer Aufgabe als Wahlbeobachterin nicht ungehindert nachkommen. Die weißrussische Wahlleitung verstieg sich zu der unglaublichen Behauptung, die OSZE sei nicht im Lande, um die Wahlen zu beobachten, sondern um Konflikte zu schaffen, und verweigerte den Zugang zu den Wahlurnen. Dabei sollte doch das Mindeste sein, was man selbst von einem Regime wie dem Lukaschenkos erwarten können sollte, dass eine neutrale Wahlbeobachtungsmission der OSZE ungehindert ihre Arbeit tun kann. Dementsprechend negativ fällt auch der Abschlussbericht der Wahlbeobachtungsmission der OSZE aus. Angesichts dieser Repressionen gegen die Opposition bei der Kandidatur und während des Wahlkampfs kritisiert sie die Wahlen als undemokratisch. Die Abstimmung sei in keinem Fall internationalen Standards gerecht geworden. Ferner mangelte es den Wahlbehörden an Neutralität und Unabhängigkeit. Fälschungen waren an der Tagesordnung. – Auch die Bundesregierung hat die Wahlen scharf verurteilt und spricht von einer Tragödie. Ich glaube, diese Kritik teilen wir alle uneingeschränkt. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir sollten diese Wahlen zum Anlass nehmen, unseren Kurs gegenüber dem Regime Lukaschenko zu überdenken. Der Kollege Manfred Grund hat auf das Dilemma hingewiesen: Was ist der richtige Weg? Sanktionen, das Angebot der Zusammenarbeit oder beides? Es ist schwer, hier die richtige Antwort zu finden. Ich denke, es wird nicht ohne weitere und schärfere Sanktionen gehen; das ist die eine Seite. Wir müssen die Sanktionsmaßnahmen gegen Weißrussland zusammen mit unseren europäischen Partnern und den USA verstärken. Eine Diktatur wie diese darf in Europa einfach keinen Platz haben. Wir wissen natürlich, dass die Gefahr besteht – das ist schon angesprochen worden –, dass wir das Regime in Weißrussland damit noch mehr an die Seite Russlands drängen. Ich denke aber, Russland kann seine Haltung, seinen Kurs nicht mehr lange aufrecht-erhalten. Allmählich muss das, was in seinem Nachbarland passiert, sogar Putin peinlich werden. Die Sowjetunion – – Entschuldigung, wenn ich an Weißrussland denke, dann denke ich noch immer an die Sowjetunion. Es ist ja eigentlich das letzte Überbleibsel der UdSSR. – Auch Russland ist jetzt gefordert und muss sich erklären, in welcher Weise es bereit ist, seinen unbestrittenen Einfluss – der größte Einfluss, den ein Land auf Weißrussland hat – geltend zu machen. Sanktionen allein werden aber sicherlich nicht reichen. Wir müssen auch vermehrt auf politischer und diplomatischer Ebene agieren, beispielsweise auf die Freilassung der politischen Gefangenen drängen, und die weißrussische Zivilgesellschaft so gut es geht stärken. Verstärkte Kontakte können hierbei hilfreich sein. Nur von der Zivilgesellschaft – es ist heute schon angesprochen worden – kann ein Wandel hin zu einem demokratischeren Weißrussland ausgehen, einem Weißrussland, das sich von seinem Diktator befreit, den Weg zu Demokratie und Rechtsstaat beschreitet und endlich den -Anschluss an Europa findet. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Dr. Wolfgang Götzer. – Nächster Redner, ebenfalls aus der Fraktion der CDU/CSU, ist unser Kollege Dr. Johann Wadephul. Bitte schön, -Kollege Dr. Wadephul. Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Debatte hier und heute ist ein Signal der Solidarität mit dem weißrussischen Volk. Wir fühlen uns den Menschen verbunden. Wir denken an sie. Wir fühlen mit ihnen, und wir tun alles in unserer politischen Macht Stehende, um sie von diesem Regime zu befreien. Wir sagen nach diesen Wahlen ganz eindeutig – ich will das im Einzelnen nicht wiederholen, weil das mehrere Redner betont haben –: Diese Wahlen waren unfrei. Sie haben die wesentlichen Regeln von demokratischen Wahlen in einem Rechtsstaat nicht befolgt. Herr -Lukaschenko und diejenigen, die sich jetzt gewählt fühlen, haben keine Legitimation. Sie stehen zu Unrecht an der Spitze des weißrussischen Volkes. Das ist unsere Auffassung, die wir hier klar und eindeutig miteinander artikulieren. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich glaube, die Einmütigkeit in unserem Rund sollte vielleicht einen Beitrag dazu leisten können, noch mehr Aufmerksamkeit für diese letzte Diktatur in Europa zu erwecken; denn das ist das, was helfen kann; das ist das, was wir jetzt brauchen. Das ist das Ausleuchten all dessen, was dort stattfindet. Deswegen ist es wichtig, das hier anzusprechen und dafür zu sorgen, dass das in die Öffentlichkeit gerät. Jeder, der dazu beiträgt, sei es durch die Debatte hier im Hohen Hause, sei es durch Besuche vor Ort, wie sie Kanzleramtsminister Ronald Pofalla häufig und regelmäßig durchgeführt hat und wie er sie jetzt im baltischen Nachbarraum durchführt oder die Kollegin Marieluise Beck, die jedenfalls den Versuch gestartet hat, eine Wahlbeobachtung durchzuführen. Dafür sagen wir Dank. Das hilft den Menschen; denn das, was Diktaturen erschüttert, und das, was sie nicht mögen und was sie scheuen, ist das Licht der Öffentlichkeit, welches die Untaten dort ausleuchtet. (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei -Abgeordneten der SPD) Deswegen hilft es auch, hier Kritik gegenüber denjenigen zu äußern, die Desinteresse zeigen oder die dieses System sogar unterstützen. Wir brauchen Aufmerksamkeit in der deutschen, in der europäischen Öffentlichkeit. Wir haben uns gefreut, dass die polnische Ratspräsidentschaft in der letzten Zeit auf EU-Ebene einen Versuch gestartet hat, Aufmerksamkeit für die östliche Partnerschaft und für unsere östlichen Nachbarn zu erwecken. Leider war das Interesse, nicht in Deutschland, aber in vielen anderen EU-Staaten, nicht besonders groß. So aufmerksam man beispielsweise die Entwicklung im nordafrikanischen Raum sicherlich beobachten soll: Es ist verkehrt, Osteuropa nicht zu betrachten oder ihm nicht genug Aufmerksamkeit zu schenken. Osteuropa braucht die Aufmerksamkeit der gesamten EU. Weißrussland ist genauso wie die Ukraine ein Teil Europas. Es ist schade, dass das weißrussische Volk nicht eine demokratische, rechtsstaatliche Vertretung im Europarat hat, sondern sich weiter so geriert, dass es gar keine Chance hat, dort aufgenommen zu werden. Wir sollten die Anwälte auch aller osteuropäischen Völker innerhalb der Europäischen Union sein. Wir alle miteinander sollten die Europäische Union gemeinsam auffordern, sich Osteuropa insgesamt zuzuwenden. Dazu gehört auch, dass wir ganz klar das ansprechen, was Russland zu verantworten hat. Ich habe gestern mit einigen Kolleginnen und Kollegen zusammengesessen, und wir haben über die Zusammenarbeit mit den Russen im Ostseeraum diskutiert. Die Russen haben große Hoffnungen und große Erwartungen und sind stolz darauf, dass es im Ostseeraum eine enge Kooperation gibt und dass wir dort einen verstärkten Warenaustausch haben. Sie verweisen nicht ohne Stolz auf die wirtschaftlichen Erfolge, auf die Erfolge im Umweltschutzbereich und auch in der Verkehrsinfrastruktur. Aber wir müssen -solche Gelegenheiten nutzen, Russland an seine Verantwortung zu erinnern. Wer nicht nur im eigenen Land, sondern auch mit uns eine Modernisierungspartnerschaft will, wer mit Europa kooperieren will und wer von einem Wirtschaftsraum von Wladiwostok bis Lissabon spricht, der muss wissen: Mit uns gibt es eine gemeinsame Partnerschaft und Zusammenarbeit nur dann, wenn grundlegende Regeln des Zusammenlebens, der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und der Menschenrechte eingehalten werden, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das gilt insbesondere auch für Russland. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich möchte abschließend auf einen Anfangspunkt zurückkommen, den schon der Kollege Kurth angesprochen hat, auch wenn es vielleicht ein Randthema ist – aber es wird wahrscheinlich in der Öffentlichkeit mehr Aufmerksamkeit wecken, wenn es so stattfindet wie -unsere Debatte hier –, nämlich die Eishockey-WM und die aus meiner Sicht schwer erträglichen Äußerungen auch des Präsidenten des Eishockeyverbandes, wir – diejenigen, die dazu aufforderten, das noch einmal zu überdenken – würden jetzt die Eishockeyspieler oder die Funktionäre zu Marionetten der Politik machen. Nein, die Gefahr ist umgekehrt, dass Sportler zu Marionetten dieses Regimes werden. (Marina Schuster [FDP]: Genau! So ist es!) Deswegen sind alle, die darüber zu entscheiden haben, aufzufordern, diese Entscheidung noch einmal zu überdenken. Man kann nicht einfach Eishockeyspiele stattfinden lassen und so tun, als wäre in Weißrussland alles in Ordnung, sondern man sollte jede Möglichkeit nutzen, darauf aufmerksam zu machen, dass es dort ein verbrecherisches Regime gibt und Menschen zu Tode kommen, gefoltert und eingesperrt werden, statt dazu überzugehen, sozusagen einfach nur den Puck einzuschießen. Wir fordern die Eishockeyverbände auf, diese Entscheidung grundlegend zu überdenken. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Dr. Wadephul. – Letzter Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der CDU/CSU unser Kollege Arnold Vaatz. Bitte schön, Kollege Arnold Vaatz. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Arnold Vaatz (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, so einig wie heute sind wir uns selten in einer aktuellen Debatte. Ich finde das gut. Ich glaube, wir alle stimmen in der Beobachtung überein, dass sich die Lage in Weißrussland verschlechtert hat. Vor einigen Jahren waren für die Opposition wenigstens noch öffentliche Meinungsäußerungen gefahrlos möglich, wenngleich man auch bespitzelt und an allen möglichen Ecken und Enden behindert wurde. Aber inzwischen ist sogar das gefährlich geworden. Uns ist gesagt worden, Oppositionelle würden zum Beispiel damit -erpresst, dass ihren Familien unter Umständen etwas -geschehen kann. Unterm Strich muss man wohl sagen: Die europäische Vorstellung von einem Wandel durch Annäherung war naiv. Sie haben die Polizeihilfe angesprochen, Frau -Cramon. Ich muss sagen: Das ist mir peinlich. Das ist eine peinliche Fehlleistung, die wir uns leider geleistet haben. Ich glaube, das sollten wir ruhig zugeben. Fehler muss man ansprechen, und man darf sie nicht wieder-holen. Leider ist Weißrussland nicht der einzige Staat, der die Menschenrechte missachtet. Es gibt innerhalb der GUS eine ganze Menge von Staaten, in denen die Dinge ganz ähnlich liegen. (Viola von Cramon-Taubadel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt! Das ist so!) Auch dass ein Land außerhalb Europas liegt, kann die Kritik nicht entschärfen, wenn dort die Menschenrechte nicht respektiert werden. Es ist aber auch so, dass wir in Deutschland mit unserer gut ausgestalteten Demokratie und dem Schutz der Menschenrechte zwar sehr weit gekommen sind, aber wir sind nicht die Oberlehrer in Sachen Demokratie. Die Ersten, die zu entscheiden haben, was in Belarus und anderen Ländern geschieht, sind die Menschen dort. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ja!) Demzufolge ist es nicht notwendig, dass wir hier perfekte Pläne machen, wie es in diesen Ländern weiter-gehen soll, sondern wir müssen zuerst auf die Menschen in diesen Ländern hören. Das ist das Entscheidende. Dafür ist es notwendig, dass wir uns eine Erkenntnis ganz klarmachen: Jemanden, der sich mit solchen Mitteln zum Präsidenten eines Landes gemacht hat, können wir nicht als den legitimen Sprecher des weißrussischen Volkes ansehen. Das ist nicht möglich. Wir müssen vielmehr in die Gesellschaft hineinhören, und das bedeutet insbesondere, dass wir auf die Menschen hören sollten, die unter enormen persönlichen Risiken dort für eine -Demokratisierung ihres Landes eintreten. Dazu gehören zum Beispiel all diejenigen, die von der weißrussischen Opposition jetzt in Haft sind. Wenn man hört, dass dort mit Mitteln wie Schlafentzug, mehrfachem Einweisen in Arrestzellen, ständigen Leibesvisitationen und ähnlichen Dingen gearbeitet wird und dass man Oppositionelle mit verurteilten Kriminellen in einer Zelle unterbringt, dann muss das angesprochen werden. Wir müssen die Namen dieser Menschen immer wieder nennen. Im Übrigen dürfen wir auch die Verbündeten von -Lukaschenko, die er auf der Welt hat, nicht aus der Verantwortung entlassen. Auch sie müssen wir ansprechen und fragen, weshalb sie mit einer solchen Regierung zusammenarbeiten. Aus diesem Grunde halte ich es für sehr wichtig, auch die Bundeskanzlerin zu unterstützen, die es bei keinem ihrer Besuche in einem Land, das nicht unserem Level von Demokratie entspricht, unterlässt, dieses Land -gerade auf diesen Zustand anzusprechen, sich immer wieder mit der Opposition trifft und diese Themen nicht unberührt lässt. Ich halte das für eine ganz wichtige -Sache, und dabei sollten wir sie alle gemeinsam unterstützen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Dies gilt natürlich auch für alle anderen Kollegen. Ich habe großen Respekt vor der Arbeit, die Ronald Pofalla und auch Marieluise Beck in den letzten Jahren in -Weißrussland geleistet haben; auch der Menschenrechtsausschuss war mehrmals dort. Wir müssen uns darauf einrichten, dass wir hier ein sehr dickes Brett bohren und dass sich die Dinge wahrscheinlich nicht von heute auf morgen zum Besseren wenden. Aber gerade deshalb ist es notwendig, dass wir auch dann, wenn es anscheinend nichts bringt, kontinuierlich auf diese Dinge hinweisen und nicht lockerlassen. In der Kontinuität liegt eine gewaltige Kraft. Ich glaube, eine einzige Voraussetzung ist maßgebend für eine positive Veränderung. Sie haben es schon gesagt, Herr Gehrcke: viele Kontakte. Da stimme ich Ihnen vollkommen zu. Das Wichtigste ist, dass unsere Lebensweise, unsere Demokratie hier in Deutschland und in der gesamten Europäischen Union für die Bürger in den Ländern, über die wir hier reden, so attraktiv sein müssen, dass ihren Herrschenden am Ende nichts anderes übrig bleibt, als den Willen des Volkes zu erfüllen und genau diesen Status, den sich alle wünschen, einzurichten. Wenn wir das schaffen, haben wir, glaube ich, sehr viel erreicht. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Arnold Vaatz. – Mein Dank gilt allen Rednerinnen und Rednern und allen, die an dieser Aktuellen Stunde teilgenommen haben. Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-tages auf morgen, Donnerstag, den 27. September 2012, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 18.13 Uhr) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bär, Dorothee CDU/CSU 26.09.2012 Beck (Bremen), Marieluise BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 26.09.2012 Bellmann, Veronika CDU/CSU 26.09.2012 Da?delen, Sevim DIE LINKE 26.09.2012 Deligöz, Ekin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 26.09.2012 Dr. Gebhart, Thomas CDU/CSU 26.09.2012 Kilic, Memet BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 26.09.2012 Kolbe (Leipzig), Daniela SPD 26.09.2012 Kolbe, Manfred CDU/CSU 26.09.2012 Kuhn, Fritz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 26.09.2012 Kurth (Quedlinburg), Undine BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 26.09.2012 Nahles, Andrea SPD 26.09.2012 Remmers, Ingrid DIE LINKE 26.09.2012 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 26.09.2012 Simmling, Werner FDP 26.09.2012 Vogler, Kathrin DIE LINKE 26.09.2012 Wellenreuther, Ingo CDU/CSU 26.09.2012 Dr. Westerwelle, Guido FDP 26.09.2012 Dr. Zimmer, Matthias CDU/CSU 26.09.2012 Anlage 2 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Ute Vogt (SPD) (Drucksache 17/10736, Frage 3): Wie bewertet das BMU den Onlinebürgerdialog zum BMU-Thesenpapier zur Fortentwicklung der haushaltsnahen Wertstofferfassung angesichts der Tatsache, dass nur 1 033 Bürgerinnen und Bürger teilgenommen haben und darunter überwiegend Interessenvertreter? Die im Bürgerdialog verfassten Beiträge und Kommentare haben breite Unterstützung für das Konzept -einer einheitlichen Wertstofferfassung unmittelbar am Haushalt gezeigt. Im relativ kurzen Zeitraum vom 30. Juli bis 31. August 2012 haben sich über 1 000 Teilnehmer registriert und aktiv eingebracht. Das ist ein -beachtlicher Erfolg, der den hohen Stellenwert deutlich macht, den viele Bürgerinnen und Bürger der Mülltrennung als ihrem persönlichen Beitrag zum Umweltschutz beimessen. Die Beteiligung einzelner Interessenvertreter am Dialog ist legitim und hat dazu beigetragen, Positionen und Argumente der betroffenen Kreise offen gegenüberzustellen und den Bürgerinnen und Bürgern eine Auseinandersetzung mit den jeweils vorgeschlagenen Konzepten und Ideen zu ermöglichen. Dieser Beitrag zu mehr Transparenz ist klar zu begrüßen. Insgesamt war der Bürgerdialog eine wertvolle Ergänzung zu dem im letzten Jahr durchgeführten Planspiel. Anlage 3 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Ute Vogt (SPD) (Drucksache 17/10736, Frage 4): Wie erklärt sich die Bundesregierung die zahlreichen -gerichtlichen Auseinandersetzungen rund um die Verpackungs-verordnung? Die ganz überwiegende Zahl aller jemals im Kontext der Verpackungsverordnung geführten gerichtlichen Auseinandersetzungen hatte die Einführung der Pfandpflicht für ökologisch nicht vorteilhafte Einweggetränkeverpackungen zum Gegenstand. Diese Verfahren sind zwischenzeitlich durchweg abgeschlossen. Im Übrigen liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor, die auf eine überdurchschnittliche Streitbefangenheit der Verpackungsverordnung hindeuten würden. Anlage 4 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10736, Frage 5): Seit wann gibt es im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BMU, die regelmäßigen Abteilungsleiterrunden mit der Hausspitze, Abteilungsleiter-besprechungen der Abteilung „Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen, Strahlenschutz, nukleare Ver- und Entsorgung“, RS, mit den drei RS-Unterabteilungsleitern und die anderen regelmäßigen Besprechungen der Abteilung RS unter Leitung des Abteilungsleiters RS – bitte möglichst auf Jahr und Monat genau –, und in welchen zeitlichen Abständen fanden diese in der 13. Wahlperiode jeweils statt? Seit der Amtszeit von Bundesumweltminister Klaus Töpfer ab 1987 fanden regelmäßig wöchentlich Abteilungsleiterrunden mit der Hausleitung statt. Unter Leitung des Abteilungsleiters RS hat es keine regelmäßigen, sondern flexible, anlassbezogene Gespräche mit den Unterabteilungsleitern der Abteilung RS gegeben. Wegen der Kürze der zur Beantwortung der mündlichen Frage zur Verfügung stehenden Zeit ist eine weitergehende Antwort nicht möglich. Anlage 5 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10736, Frage 6): Welche regelmäßigen Berichte zum Endlagerprojekt Gorleben des Bundesamts für Strahlenschutz, der Deutschen Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe mbH und der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe erhielt das BMU in der 13. Wahlperiode regelmäßig – die Frage zielt lediglich auf die unterschiedlichen Typen/Arten der regelmäßig zugegangenen Gorleben-Berichte ab, sie ist nicht berichtsscharf oder gar inhaltlich gemeint –, und welche davon erhielt in der Regel auch die BMU-Hausleitungsebene zur Kenntnis? Vom Bundesamt für Strahlenschutz wurden dem BMU Monats- bzw. Quartals- und Jahresberichte zum Erkundungsprojekt Gorleben übermittelt. Darüber hinaus erfolgten im Rahmen der Haushaltsaufstellung jährlich die Haushaltsanmeldung, Vorlagen für das Grüne Buch sowie diverse Berichte im Rahmen der Haushaltsaufstellung, die auch das Erkundungsprojekt Gorleben betrafen. Des Weiteren wurden die Monatsberichte der Deutschen Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe, DBE, dem BMU zugeleitet. Von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe wurden keine regelmäßigen Berichte an das BMU übermittelt. Die DBE hatte dem Vertreter des BMU im Aufsichtsrat der DBE die Protokolle der jeweiligen Aufsichtsratssitzungen einschließlich der Quartalsberichte und die jährlichen Geschäftsberichte übersandt. Darüber hinaus wurden den Vertretern des BMU in dem damals noch bestehenden Technisch-Wirtschaftlichen-Ausschuss die über die Sitzungen verfassten Protokolle übermittelt. Ob über die genannten Berichte hinaus noch weitere Berichte regelmäßig an das BMU übermittelt wurden, konnte wegen der Kürze der zur Beantwortung der mündlichen Frage zur Verfügung stehenden Zeit nicht ermittelt werden. Ob und welche Berichte in der Regel auch der BMU-Hausleitungsebene zur Kenntnis gegeben wurde, konnte wegen der Kürze der zur Beantwortung der mündlichen Frage zur Verfügung stehenden Zeit nicht ermittelt werden. Anlage 6 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10736, Frage 7): Auf welche Weise wurden in der Regel die persönlichen Schreiben der damaligen Bundesministerin für Umwelt, -Naturschutz und Reaktorsicherheit, Dr. Angela Merkel, vom Leitungsbereich, insbesondere vom Bundesministerbüro, zu den Akten gegeben – bitte vollständige Angabe, falls mehr--fache/unterschiedliche Ablage erfolgte –, und gab es -irgendwo im BMU eine Art von Korrespondenzablage oder -erfassung, in der ausgehende persönliche Schreiben der Bundesministerin konzentriert abgelegt bzw. erfasst wurden (gegebenenfalls bitte mit Erläuterung und Aktenzeichen etc.)? Persönliche Schreiben der damaligen Bundesministerin wurden als Kopie gesondert in der Leitungsregistratur abgelegt und ebenfalls in Kopie an das Referat, das die Vorlage erstellt hatte, zusammen mit der Vorlage zurückübersandt. Die Aufbewahrungsfrist für die Kopien in der Leitungsregistratur beträgt zehn Jahre. Anlage 7 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10736, Frage 8): Welche persönlichen Schreiben von der damaligen -Bundesministerin Dr. Angela Merkel gab es in der 13. Wahlperiode zum Endlagerprojekt Gorleben (bitte mit Angabe von Datum und Empfänger/-in)? Zunächst möchte ich auf die Beantwortung der schriftlichen Frage von Frau MdB Kotting-Uhl vom 20. September 2012 zu einer ähnlichen Fragestellung verweisen. In dem Antwortschreiben wurde darauf hingewiesen, dass im oben genannten Zeitraum von der -damaligen Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BMU, Dr. Angela Merkel gezeichnete Schreiben zu Endlagerprojekten nicht digital von der Leitungsregistratur erfasst worden sind. Wegen der Kürze der zur Beantwortung der mündlichen Frage zur Verfügung stehenden Zeit konnten die umfangreichen Fachakten aus der 13. Legislaturperiode nicht nach von der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BMU, Dr. Angela Merkel gezeichneten Schreiben durchsucht werden. Anlage 8 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Frank Schwabe (SPD) (Drucksache 17/10736, Frage 9): Welches Klimaschutzziel für das Jahr 2030 fordert die Bundesregierung für die Klimapolitik der EU? Die Bundesregierung setzt sich nach wie vor dafür ein, dass die sogenannten Meilensteine des von der EU-Kommission im März 2011 vorgelegten „Fahrplans für eine kohlenstoffarme Wirtschaft 2050“ von der EU anerkannt werden und die KOM gebeten wird, Vorschläge zur Operationalisierung vorzulegen. Die in dem Fahrplan vorgelegten Meilensteine sehen neben einer kosteneffizienten EU-internen Reduktion von 25 Prozent bis 2020, eine EU-interne Reduktion von 40 Prozent bis 2030, 60 Prozent bis 2040 und 80 Prozent bis 2050 vor. Anlage 9 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Frank Schwabe (SPD) (Drucksache 17/10736, Frage 10): Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den Berichten (www.co2-handel.de vom 14. September 2012), dass Projekte des Clean Development Mechanism, CDM, in Indien durchweg nicht „zusätzlich“ seien? Bei der Prüfung aller CDM-Projekte steht die sogenannte Zusätzlichkeit im Vordergrund und damit die Frage, ob das Projekt ohne den CDM auch durchgeführt würde. Die Bundesregierung verweist ausdrücklich darauf, dass selbst kritische Auseinandersetzungen – außer in verfälschend verkürzenden Zusammenfassungen und Stellungnahmen – keineswegs die Zusätzlichkeit sämtlicher indischer Projekte anzweifeln. Teilweise wird kritisiert, dass der Prüfungsstandard national zuständiger Behörden hinter den Standards des Sekretariats der UN-Klimarahmenkonvention zurückbleibe. Die Prüfungsstandards sind jeweils abhängig von der nationalen Gesetzgebung und ihrer Umsetzung im Einzelnen; hierüber hat die Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse. Die deutsche Genehmigungsbehörde für CDM-Projekte, das Umweltbundesamt, Deutsche Emissionshandelsstelle, prüft jedoch neben dem Sekretariat der UN-Klimarahmenkonvention eigenständig die Zusätzlichkeit der Projekte, die sich aus den validierten Projektunterlagen ergeben muss. Als Investorstaat hat Deutschland bislang 54 indischen CDM-Projekten zu-gestimmt, die zur internationalen Registrierung angemeldet wurden. Keines dieser Projekte wurde im Regis-trierungsprozess bei der UN-Klimarahmenkonvention aufgrund von Zweifeln an der Zusätzlichkeit der Emis-sionsminderungen zurückgewiesen. Hier besteht ein gewisser Zielkonflikt zwischen Transparenz und Verwaltungsvereinfachung. So wird beispielsweise in indischen Veröffentlichungen angemerkt, dass die strenger gewordenen Auflagen letztlich dazu führten, dass eindeutig zusätzliche Projekte nicht in jedem Fall genehmigungsfähig seien. Hier wird deutlich, dass Bürokratieabbau etwa durch Standardisierung von Genehmigungsverfahren gerade für Kleinprojekte mit hohem Zusatznutzen für die nachhaltige Entwicklung nötig ist. Die Bundesregierung beteiligt sich hier aktiv an Standardisierungsprozessen. Anlage 10 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Dr. Matthias Miersch (SPD) (Drucksache 17/10736, Frage 11): Welche konkreten Instrumente zur Kompensation sieht die Bundeskompensationsverordnung vor, und welche Rolle sollen die Flächenagenturen bzw. die Ersatzzahlungen in diesem Zusammenhang spielen? Die Schaffung einer neuen Bundeskompensationsverordnung auf der Grundlage des geltenden § 15 Abs. 7 BNatSchG ist Teil des 10-Punkte-Programms von Bundesminister Peter Altmaier. Die Verordnung beruht auf dem gesetzlich verankerten Prinzip der Realkompensation. Ausgleichs- und -Ersatzmaßnahmen sollen insbesondere auch über Flächenpools und Ökokonten erbracht werden. Die Bedingungen für die Realkompensation und das Ersatzgeld sollen so ausgestaltet werden, dass eine Verringerung der Inanspruchnahme land- und forstwirtschaftlicher Flächen für Kompensationsmaßnahmen unter Beachtung der naturschutzfachlichen Erfordernisse eintritt. Die Verordnung soll bundesweite Festlegungen zur Bemessung der Höhe des Ersatzgeldes enthalten. Anlage 11 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Dr. Matthias Miersch (SPD) (Drucksache 17/10736, Frage 12): Wie soll der unbestimmte Rechtsbegriff „Rücksichtnahme auf agrarstrukturelle Belange“ (§ 15 Abs. 3 des Bundesnaturschutzgesetzes, BNatSchG) in der geplanten Bundeskompensationsverordnung konkretisiert werden? In der Verordnung sollen die in § 15 Abs. 3 BNatSchG angesprochenen unbestimmten Rechtsbegriffe „agrarstrukturelle Belange“ und „besonders geeignete Böden“ definiert werden. Darüber hinaus soll die Verordnung eine rechtssichere Anwendung von landwirtschaftlichen Bewirtschaftungs- und Pflegemaßnahmen ermöglichen. Da die Ressortabstimmung noch bevorsteht, stehen die konkreten Formulierungen des Verordnungsentwurfs noch nicht fest. Anlage 12 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Dirk Becker (SPD) (Drucksache 17/10736, Frage 17): Wie steht die Bundesregierung zu dem Vorschlag, die EEG-Umlage künftig bereinigt darzustellen, das heißt, neben den Differenzkosten die Anteile der Direktvermarktung, der besonderen Ausgleichsregelung und des industriellen Eigenverbrauchs an der EEG-Umlage sowie die Auswirkungen -sinkender Börsenpreise auf die EEG-Umlage auf der Stromrechnung kenntlich zu machen und so mehr Transparenz für die nichtprivilegierten Stromverbraucher herzustellen? Die Übertragungsnetzbetreiber sind durch die Verordnung zur Weiterentwicklung des bundesweiten Ausgleichsmechanismus in Verbindung mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz verpflichtet, die von Ihnen angesprochenen Aspekte beziehungsweise die dafür relevanten Datengrundlagen zu veröffentlichen (http://www.eeg-kwk.net/de/EEG-Umlage.htm). Somit ist die von Ihnen geforderte Transparenz gewährleistet. Anlage 13 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) (Drucksache 17/10736, Frage 19): Welche Überlegungen gibt es seitens der Bundesregierung, um die auf Bundestagsdrucksache 17/7354 („Ausgleich für Radargeschädigte der Bundeswehr und der ehemaligen NVA“) vorgesehenen Maßnahmen zugunsten von Radargeschädigten des militärischen Bereichs auch auf Geschädigte ziviler Einrichtungen, zum Beispiel des Uranbergbaus der Wismut GmbH, zu übertragen? Radargeschädigte ziviler Einrichtungen sind der Bundesregierung nicht bekannt. Von 1946 bis 1990 wurde in Sachsen und Thüringen erst unter der Leitung der Sowjetarmee, später von der Wismut AG Uranbergbau betrieben. Die Arbeitsbedingungen waren insbesondere zu Beginn sehr schlecht und schon zu DDR-Zeiten wurden Erkrankungen durch das besondere Gesundheitssystem der Wismut erfasst, behandelt und daraufhin gegebenenfalls auch durch die zuständigen Stellen entschädigt. Bei der ehemaligen Sowjetisch-Deutschen Aktiengesellschaft, SDAG, Wismut wurde jedoch kein Radar eingesetzt, weder zur Prospektion noch zur Förderung von Uran. Insofern gibt es auch keine radargeschädigten Uranbergarbeiter der SDAG Wismut. Sollten Sie mit Ihrer Frage jedoch auf Beschäftigte der ehemaligen SDAG Wismut zielen, die aufgrund schlechter Arbeitsbedingungen gegenüber ionisierenden Strahlen exponiert wurden, so verweise ich auf die einschlägigen Regelungen zum beruflichen Arbeitsschutz. Danach werden auch jetzt noch die Arbeitnehmer, die durch die Exposition gegenüber ionisierenden Strahlen am Arbeitsplatz erkrankt sind, im Rahmen von Feststellungsverfahren zu Berufskrankheiten durch die zuständige Berufsgenossenschaft entschädigt. Für die Wismut-Beschäftigten ist das die Berufsgenossenschaft Rohstoffe und Chemische Industrie. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten René Röspel (SPD) (Drucksache 17/10736, Frage 20): An welche Firmensitzländer sind die Aufträge von etwa 1 Milliarde Euro für den Bau von ITER (International Thermonuclear Experimental Reactor) bisher vergeben worden – bitte nach Land und Gesamtsumme auflisten –, und aus welchen Gründen vertritt die Bundesregierung ungeachtet der Tatsache, dass ihr bisher noch keine Antworten von Fusion of Energy sowie der ITER International Organization bezüglich der Auftragsvergabe an deutsche Firmen vorliegen, die Auffassung, dass mit den bisher bewilligten Projekten die Aufgabe des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, BMBF, Unternehmen für die Einwerbung von Aufträgen im Zusammenhang mit der Errichtung des ITER zu ertüchtigen, erfüllt sei (vergleiche Antwort auf die schriftliche Frage 89 auf Bundestagsdrucksache 17/10696 des Abgeordneten Klaus Hagemann)? Zur Vergabe von Aufträgen an andere Länder als Deutschland liegen der Bundesregierung keine gesicherten Informationen vor. Bezüglich der an Deutschland vergebenen Aufträge und Zuwendungen von Fusion for Energy und der ITER Organisation hat die Bundesregierung in der Zwischenzeit amtlich Auskunft erhalten: Danach erhielten Empfänger in Deutschland (Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft, Forschungseinrichtungen und Universitäten) von Fusion for Energy 43,3 Millionen Euro und von der ITER Organisation 15,1 Millionen Euro. Darüber hinaus haben Unternehmen in Deutschland in relevantem Umfang Unteraufträge von ausländischen Auftragnehmern von Fusion for Energy und von der ITER Organisation erhalten. Zum genauen Umfang dieser Unteraufträge liegen keine gesicherten Informationen vor. Die Bundesregierung sieht ihre Aufgabe der Ertüchtigung von deutschen Unternehmen als erfüllt an, weil das Ende der großen Beschaffungsausschreibungen bei Fusion for Energy und ITER IO in den nächsten zwei Jahren absehbar ist. Die Ertüchtigung durch vorlaufende Projekte nimmt einen Zeitraum von mindestens einem Jahr in Anspruch, sodass der Beginn weiterer Projekte nicht zweckmäßig ist. Bewilligte Projekte werden durchgeführt, über beantragte Projekte wird gemäß Förderbedingungen entschieden, jedoch werden keine Anträge für neue Projekte mehr entgegengenommen. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten René Röspel (SPD) (Drucksache 17/10736, Frage 21): Welchen Zeitplan verfolgt die Bundesregierung bezüglich der weiteren Entwicklungsschritte bis zur Inbetriebnahme des ITER sowie des Projekts „Wendelstein 7-X“? Die Inbetriebnahme des „Wendelstein 7-X“ mit erstem Plasma ist weiterhin für August 2014 geplant. Bei ITER geht die Bundesregierung nach ihr vorliegenden Informationen von einer Inbetriebnahme 2020 aus. Der nächste wichtige Schritt ist die Verabschiedung des Euratom--Forschungsprogramms für das ITER-Projekt 2014 bis 2018 durch den Rat, die für das nächste Jahr vorgesehen ist. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage der Abgeordneten Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) (Drucksache 17/10736, Frage 22): Welche Aktivitäten der Volksrepublik China zur Entwicklung von Fusionsreaktoren sind der Bundesregierung bekannt, und welche Position bezieht die Bundesregierung zu diesen Plänen im Verhältnis zu den internationalen Bemühungen, das Projekt Kernfusionsreaktor ITER möglichst zügig zu einem Erfolg zu bringen? Aufgrund des Reaktorunfalls in Fukushima hat China beschlossen, die Fusionsforschung stark voranzutreiben mit dem Ziel, bis zum Jahr 2100 Fusionsenergie mit 100 Gigawatt Leistung zu nutzen. Um dies zu erreichen, wurde ein äußerst ehrgeiziges Programm entwickelt: So soll noch vor dem Jahr 2020 mit dem Bau eines Test-fusionskraftwerks begonnen werden. Im Jahr 2025 soll der Bau fertiggestellt sein, erster Betrieb mit Deuterium-Tritium (also der Versuch, Energie zu gewinnen) soll circa 2030 starten (bei ITER: 2027). China wird sich parallel dazu weiter am ITER-Projekt beteiligen. Mit seiner Initiative möchte China weltweit Technologieführer auf dem Gebiet der Kernfusion werden. Dazu wurde kürzlich ein großes Ausbildungsprogramm an den Universitäten Chinas gestartet. Es sollen etwa 2 000 Fusionsforscher an zehn Universitäten ausgebildet werden. Chinesische Institute suchen zurzeit verstärkt Kontakte ins Ausland, auch nach Deutschland. Man bemüht sich, internationale Spitzenforscher für einige Zeit nach China zu holen, insbesondere zu Ausbildungszwecken. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage der Abgeordneten Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) (Drucksache 17/10736, Frage 23): Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Aussage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, die trotz der Tatsache, dass das Projekt „Wendelstein 7-X“ bereits 2014 den Betrieb aufnehmen soll und die Basismaschine Ende 2011 fertiggestellt wurde, fordern, die Förderung für die – laut der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – „Geldvernichtungsmaschine in Greifswald“ einzustellen? Die Bundesregierung zieht aus dieser Aussage keine Schlussfolgerungen. „Wendelstein 7-X“ ist eine weltweit einzigartige Forschungsanlage, deren Aufbau seit -nunmehr fünf Jahren nach Plan verläuft. Es gibt für die Bundesregierung keinen Anlass, die Förderung für „Wendelstein 7-X“ einzustellen. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Druck--sache 17/10736, Frage 24): Aus welchen Gründen haben sich jeweils im Einzelnen die im Stilllegungs- und Rückbautitel für frühere Forschungs--reaktoren aufgeführten Vorhaben „Kompakte Natrium--gekühlte Kernreaktoranlage“, KNK 2, in Karlsruhe, „Arbeitsgemeinschaft Versuchsreaktor GmbH“, AVR, in Jülich sowie die „Entsorgung von Kernbrennstoffen“ – unter Angabe möglicher weiterer, der Bundesregierung bereits bekannter -Projektverzögerungen und Kostensteigerungen bei Vorhaben dieses Titels – verteuert, und wo sollen die im Zuge des Rückbaus anfallenden Kernbrennstoffe und kontaminierten Materialien der in diesem Titel aufgeführten Projekte jeweils im -Einzelnen zwischengelagert werden? KNK 2/MZFR: Wie im aktualisierten Bericht des Bundesministeriums für Bildung und Forschung über den mittel- und langfristigen Mittelbedarf für die Stilllegung und Entsorgung nuklearer Versuchsanlagen (Stand: Juli 2011) dargestellt, kommt es bei den Rückbauprojekten KNK 2 und MZFR zu Verlängerungen der Projektlaufzeit und Erhöhungen der Kosten. Eine ausführliche Darstellung der Gründe für die Kostenerhöhungen sowie des Ergebnisses der durch das BMBF veranlassten Prüfung der Projektkostenschätzungen findet sich im oben genannten Bericht. Für die Natriumkühlfallen des Forschungsreaktors KNK konnte zwischenzeitlich zur weiteren -Dekontamination eine Behandlungsmöglichkeit in Großbritannien realisiert werden. Mitte 2013 werden die Kostenberechnungen für beide Rückbauprojekte KNK und MZFR fortgeschrieben. AVR: Aufgrund der unerwartet hohen technischen Komplexität der sogenannten Materialschleuse-Aus-hubvorrichtung für den Reaktordruckbehälter ist es zu zeitlichen Verzögerungen und damit zu steigenden Personalkosten gekommen. Die AVR GmbH geht von einer Kostenerhöhung von insgesamt 39 Millionen Euro (Bund und Land NRW) für das Gesamtprojekt aus bei einer verlängerten Projektlaufzeit bis 2017. Für das kommende Jahr ist jetzt das Herausheben des Reaktordruckbehälters geplant; die Lagerhalle steht bereits zur Verfügung. Die vorgelegten Kostenschätzungen werden derzeit begutachtet. Entsorgung von Kernbrennstoffen, EKB: Ziel dieses Projektes ist die Entsorgung der Kernbrennstoffe und der bei der Wiederaufarbeitung im Ausland entstandenen radioaktiven Abfälle des ehemaligen Forschungszentrums Karlsruhe. Teilweise konnten die nuklearen Abfallstoffe bereits vertragsgemäß nach Deutschland zurückgeholt werden, größere Abfallmengen lagern beispielsweise noch in Dounreay/Schottland und werden ebenfalls zurückgeholt werden müssen, gegebenenfalls in Form eines Swaps, den es noch zu verhandeln gilt. Erfolgreich verhandelt werden konnte dieses Jahr ein derartiger Swap für in Marcoule/Frankreich lagernde bituminierte Abfälle aus der Wiederaufarbeitung, sodass anstelle vieler Abfalleinzelgebinde lediglich eine Kokille äquivalenter Strahlendosis zurückgeholt werden muss. Die Projektkostenschätzung wird unter Berücksichtigung des aktuellen Projektstands derzeit überarbeitet. Es zeichnet sich ab, dass die bis heute kalkulierten -Bundeshaushaltsmittel von 14,85 Millionen Euro nicht ausreichend sein werden, welche im aktualisierten -Bericht des Bundesministeriums für Bildung und Forschung über den mittel- und langfristigen Mittelbedarf für die Stilllegung und Entsorgung nuklearer Versuchsanlagen (Stand Juli 2011) angegeben sind. StiWAK: Die WAK teilte uns mit, dass die vorgefundenen -Kontaminationen in der Verglasungsanlage, VEK, nach Abschluss der Arbeiten im Herbst 2010 höher als erwartet sind. Dies wird Auswirkungen auf den Rückbauverlauf und die Rückbaukosten haben. Ein Termin- und Kostenplan wird zurzeit erstellt. Zwischenlagerung radioaktiver Abfälle aus den Forschungseinrichtungen: Radioaktive Abfälle aus den Forschungseinrichtungen werden in der Regel an ihrem -Entstehungsort konditioniert und zwischengelagert. Ausnahmen gibt es bei der Lagerung von Kernbrennstoffen und von hochradioaktiven Stoffen, die bei der Wiederaufarbeitung der Kernbrennstoffe erzeugt worden sind. Für die Lagerung dieser Stoffe wird eine Genehmigung nach § 6 des Atomgesetzes benötigt. So lagern beispielsweise im Zwischenlager Nord bei Greifswald derzeit neben Brennstäben aus dem KNK 2 und dem Nuklearschiff Otto Hahn auch hochradioaktive Glaskokillen aus der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe, WAK. Im Zwischenlager Jülich lagern die abgebrannten Brennelementkugeln aus dem Betrieb des AVR. Da die Genehmigung für die Lagerung der Brennelementkugeln am Standort Jülich am 30. Juni 2013 ausläuft, werden derzeit in Abstimmung mit der Landesregierung verschiedene Optionen für die weitere Zwischenlagerung geprüft. Ein Antrag auf befristete Verlängerung der Ende Juni 2013 endenden Genehmigung für das Zwischenlager im FZJ sowie ein -Antrag zur Aufbewahrung der Brennelemente im Zwischenlager Ahaus wurden beim Bundesamt für Strahlenschutz gestellt. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten Oliver Kaczmarek (SPD) (Druck-sache 17/10736, Frage 25): Wie viele Potenzialanalysen sind im Rahmen des Sonderprogramms Berufseinstiegsbegleitung seit 2010 durchgeführt worden, und welche Finanzmittel hat die Bundesregierung dafür aufgewendet (jeweils in Jahresscheiben und nach Ländern aufgeschlüsselt)? Eine offizielle Statistik zur Potenzialanalyse wird nach Mitteilung der Bundesagentur für Arbeit, BA, frühestens im ersten Quartal 2013 vorliegen. Anhand der IST-Ausgaben ist näherungsweise von etwa 420 Potenzialanalysen im Einstiegsjahr 2010 auszugehen. Im Jahr 2011 beläuft sich die geschätzte Anzahl auf 20 600 und in der ersten Jahreshälfte 2012 auf 7 800 Potenzialanalysen. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Fragen des Abgeordneten Michael Gerdes (SPD) (Drucksache 17/10736, Fragen 26 und 27): Ist der Bundesregierung bekannt, dass Projektanträge zum Berufsorientierungsprogramm des BMBF in 2012 nach teilweise mehrjähriger Förderung nicht mehr zum Zuge kamen, obwohl die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die schriftliche Frage 80 auf Bundestagsdrucksache 17/10535 des Abgeordneten Klaus Hagemann dargelegt hat, dass in 2012 keine förderfähigen Anträge abgelehnt worden seien? Inwiefern hat sich das Auswahlverfahren für die Projekte im Rahmen des Berufsorientierungsprogramms des BMBF in 2012 verändert, wenn man bedenkt, dass Projekte nach teilweise mehrjähriger Förderung als künftig nicht mehr förderfähig eingestuft werden konnten (insbesondere die Veränderung der erforderlichen Punktezahl für eine Förderung im Verlauf seit 2010)? Zu Frage 26: Anträge für das Jahr 2012 konnten bereits in Vorjahren und spätestens bis zum 31. Dezember 2011 nach den Richtlinien vom 16. Juni 2010 gestellt werden. Von diesen Anträgen sind keine förderfähigen Anträge abgelehnt worden, das heißt, alle Anträge für 2012 wurden bewilligt. Bis 30. Juni 2012 wurden diejenigen Antragsteller durch das Bundesinstitut für Berufsbildung, BIBB, benachrichtigt, deren förderfähigen Anträge sofort mit den aktuell noch für 2013 verfügbaren Mitteln bewilligt werden konnten. Die bisherigen Erfahrungen in der Programmadministration zeigen, dass es zwischen Antragstellung und der konkreten Durchführung der Maßnahmen immer wieder Abweichungen gibt. Erfahrungsgemäß geben die Antragsteller generell eine höhere Schülerzahl an, als tatsächlich in der Kooperation mit den Schulen realisiert werden kann. Hinzu kommen Veränderungen zum Beispiel aufgrund von Umzügen, Klassenwiederholern, der Zusammenlegung oder gar Schließung von Schulen. Die dadurch wieder frei werdenden Mittel werden kontinuierlich für die Bewilligung weiterer Anträge verwendet, die positiv bewertet wurden. Daher ist das derzeitige Antragsverfahren noch nicht abgeschlossen. Zu Frage 27: Am 1. Januar 2012 traten für das Berufsorientierungsprogramm des BMBF neue Richtlinien in Kraft (Richtlinien vom 6. Dezember 2011; Bundesanzeiger Nr. 190 vom 16. Dezember 2011). Danach erfolgt gemäß Nr. 7.3 eine regionale Verteilung der Mittel bezogen auf die Zahl der Schulabgänger/-innen ohne Hauptschulabschluss in den Ländern. Qualitätskriterien wurden eingeführt und dementsprechend wird unter den förderfähigen Anträgen eine Rangfolge erstellt. Dies war nach den alten Richtlinien nicht möglich, da es keinen einheitlichen Antragstermin gab und das BIBB daher alle Anträge entsprechend des Eingangs abarbeitete. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) (Drucksache 17/10736, Frage 28): Welche weiteren Projekte meint die Bundesregierung, wenn sie davon spricht, beim Berufsorientierungsprogramm des BMBF 2012 bewilligte, aber im Haushaltsjahr nicht benötigte Mittel in einem Nachverteilungsverfahren auf weitere positive Projekte verteilen zu wollen, zumal sie in ihrer Antwort auf die schriftliche Frage 80 auf Bundestagsdrucksache 17/10535 des Abgeordneten Klaus Hagemann dargelegt hat, dass in 2012 alle förderfähigen Anträge bewilligt werden konnten? Bis 30. Juni 2012 wurden diejenigen Antragsteller durch das Bundesinstitut für Berufsbildung, BIBB, benachrichtigt, deren förderfähigen Anträge sofort mit den aktuell noch für 2013 verfügbaren Mitteln bewilligt -werden konnten. Die bisherigen Erfahrungen in der -Programmadministration zeigen, dass es zwischen Antragstellung und der konkreten Durchführung der Maßnahmen immer wieder Abweichungen gibt. Erfahrungsgemäß geben die Antragsteller generell eine höhere Schülerzahl an, als tatsächlich in der Kooperation mit den Schulen realisiert werden kann. Hinzu kommen Veränderungen zum Beispiel aufgrund von Umzügen, Klassenwiederholern, der Zusammenlegung oder gar Schließung von Schulen. Die dadurch wieder frei werdenden Mittel werden kontinuierlich für die Bewilligung weiterer Anträge verwendet, die positiv bewertet wurden. Daher ist das derzeitige Antragsverfahren noch nicht abgeschlossen. Für das Jahr 2012 konnten alle förderfähigen Anträge bewilligt werden. Dies betraf Anträge, die in den Vorjahren bis zum 31. Dezember 2011 gestellt wurden. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten Swen Schulz (Spandau) (SPD) (Drucksache 17/10736, Frage 29): Wann wird die Bundesregierung ein strategisches Gesamtkonzept vorlegen, um den rund 2 Millionen Menschen im Alter zwischen 20 und 34 Jahren mit Schulabschluss, aber ohne Berufsschulabschluss durch Nachqualifizierung eine Integration auf dem Arbeitsmarkt zu ermöglichen, und welche Grundzüge wird ein solches Konzept haben? Die Gruppe der 2 Millionen Menschen im Alter von 20 bis 34 Jahren ohne Berufsabschluss ist eine sehr heterogene Gruppe. Sie umfasst zum Beispiel erwerbstätige Menschen mit einer Studienzugangsberechtigung und abgebrochenem Hochschulstudium oder Langzeitarbeitslose ohne Schulabschluss. Entsprechend der unterschiedlichen Gruppen setzt die Bundesregierung unterschiedliche Instrumente ein. Die wichtigsten sind: Das Programm „Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter Älterer in Unternehmen“, WeGebAU, der Bundesagentur für Arbeit, BA, zielt auf die Nachqualifizierung von Arbeitnehmern, die noch keinen Berufsabschluss haben. 2012 stehen hierfür 280 Millionen Euro zur Verfügung. Die Initiative zur Flankierung des Strukturwandels, IFLAS, der Bundesagentur für Arbeit richtet sich gezielt an Arbeitslose. Im Jahr 2011 sind mit einem Budget von 350 Millionen Euro rund 22 000 Förderungen über das Programm erzielt worden. Für 2012 sind 400 Millionen Euro eingestellt. Modellhaft werden auch Ausbildungsbausteine für bestimmte Berufe entwickelt, die Personen die Möglichkeit eröffnen sollen, einen Berufsabschluss in Einzelschritten zu erzielen. Der Anteil der Weiterbildungsförderungen mit einem anerkannten Abschluss steigt seit 2008 kontinuierlich an und hat sich in diesem Zeitraum beinahe verdoppelt (2008: 6 Prozent, 2011: 11,4 Prozent). Das Ziel, geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, um an- und ungelernten jungen Erwachsenen mit und ohne Beschäftigung einen nachträglichen Berufsabschluss zu ermöglichen, verfolgt die Förderinitiative „Abschluss-orientierte modulare Nachqualifizierung“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Generell verfolgt die Bundesregierung das Ziel „Prävention statt Reparatur“. Mit der Initiative „Bildungs-ketten“ unterstützt die sie mit unterschiedlichen Instrumenten Jugendliche, dabei, den Schulabschluss erreichen, den Einstig in eine Berufsausbildung zu schaffen und den Berufsabschluss zu erreichen. Ferner hat die BA ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt zur Optimierung der Qualifizierungsangebote für gering qualifizierte Arbeitslose initiiert. Ziel des Projektes ist es, arbeitsmarktverwertbare, standardisierte und individuell zertifizierte Teilqualifikationen zu entwickeln, die für Bildungswege bis zur Externenprüfung angeboten werden. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten Swen Schulz (Spandau) (SPD) (Drucksache 17/10736, Frage 30): Wie viele Auszubildende haben einen oder mehrere Ausbildungsbausteine – Programm Jobstarter Connect – durchlaufen, und wie viele von ihnen haben danach einen anerkannten Berufsabschluss in einer zweijährigen Ausbildung erworben? Die amtliche Statistik erhebt nicht, ob ein Auszubildender zuvor Ausbildungsbausteine absolviert hat. Daher sind hier nur Angaben zu den Teilnehmerzahler von -Jobstarter Connect möglich. Von insgesamt 3 322 Jugendlichen, die bis zum 30. April 2012 in eine Bausteinqualifizierung eingestiegen sind, haben bislang 1 934 Jugendliche (58 Prozent) insgesamt 3 022 Ausbildungsbausteine dokumentiert erhalten, das heißt diesen Jugendlichen wurde bescheinigt, die in den Ausbildungsbausteinen beschriebenen Kompetenzen erfolgreich erworben zu haben. Angaben zu späteren Berufsabschlüssen in einem zweijährigen Ausbildungsberuf liegen nicht vor. Anlage 24 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Frage der Abgeordneten Dr. Bärbel Kofler (SPD) (Drucksache 17/10736, Frage 32): Inwiefern schlägt sich die Zielsetzung der aktuellen Bildungsstrategie des BMZ in den Länderstrategien und Regionalkonzepten des BMZ, insbesondere dem Regionalkonzept für Afrika, nieder, und wurde dort Bildung, insbesondere Grundbildung, als Schwerpunkt der Entwicklungszusammenarbeit festgeschrieben? Die BMZ-Bildungsstrategie ist verbindlich für Regionalkonzepte und Länderstrategien. Alle Konzeptpapiere, die seit der Veröffentlichung der Bildungsstrategie erstellt wurden, berücksichtigen diese. Im auch für die Entwicklungszusammenarbeit maßgeblichen Afrikakonzept der Bundesregierung (2011) ist „Entwicklung, Bildung und Forschung“ als einer von sechs Schlüsselbereichen festgeschrieben. Dabei wird Grundbildung als besonders wichtiger Bereich genannt. Das BMZ-Asienkonzept (2011) weist Bildung als einen von fünf Schwerpunkten aus. Es greift die Ansätze des – bei Erstellung bereits vorliegenden – Entwurfs der BMZ-Bildungsstrategie auf. Das Regionalkonzept Lateinamerika und Karibik (2011) greift Bildung als Querschnittsthema auf. Die Ansätze der BMZ-Bildungsstrategie sind verankert. Bildung spielt auch eine wichtige Rolle im Regionalkonzept Südosteuropa (2010). Unter den Kooperationsländern mit Schwerpunkt Bildung sind ausschließlich im Falle Jemens (2010) und -Pakistans (2011) die geltenden Länderkonzepte in der aktuellen Legislaturperiode entstanden. Sie berücksichtigen Bildung entsprechend stark. Die Bildungsstrategie war zum Erstellungszeitpunkt allerdings noch nicht finalisiert. Sie sehen: Wir verankern die Bildungsstrategie selbstverständlich in unseren Regional- und Länderkonzepten. Allerdings kommt Ihre Frage etwas früh: Diese Papiere werden nicht jährlich erstellt – und die Bildungsstrategie wurde erst vor sieben Monaten vorgestellt. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10736, Frage 33): Wie viele Steinkohlesubventionen aus Bundesmitteln und dem Kohlepfennig sind seit 1950 in die Empfängerländer – Nordrhein-Westfalen, Saarland etc. – geflossen, und welcher prozentuale Anteil an den gesamten Steinkohlesubven-tionen aus Bundesmitteln und dem Kohlepfennig ist in diesem Zeitraum in die jeweiligen Bundesländer geflossen? Im Zeitraum von 1970 bis 1995 erhielten deutsche Kraftwerke – vorwiegend aus Mitteln des Kohlepfennigs – insgesamt (einschließlich Restzahlungen in nachfolgenden Jahren) Zuschüsse in Höhe von etwa 40 Milliarden Euro für den Einsatz der einheimischen Steinkohle. Daneben wurden in diesen Jahren Hilfen des Bundes in Höhe von etwa 24 Milliarden Euro für den Steinkohlenbergbau gewährt. In der Zeit davor dürften die Hilfen ein weitaus geringeres Ausmaß gehabt haben. Von 1996, das heißt nach Beendigung des Kohlepfennig-Systems, bis 2011 beliefen sich die Absatz- und Stilllegungshilfen des Bundes für den Steinkohlenbergbau auf insgesamt rund 43 Milliarden Euro. Absatz- und Stilllegungshilfen für den Steinkohlenbergbau sind vor allem in das Land Nordrhein-West-falen, NRW, geflossen, in geringerem Umfang auch in das Saarland sowie nach Hessen und Niedersachsen. Seit 1999 wurden die Absatzhilfen für die Steinkohle fast ausschließlich an die RAG AG gezahlt, die in Wahrnehmung ihrer unternehmerischen Verantwortung die Hilfen für ihre Bergwerke in NRW und im Saarland genutzt hat. Da die RAG ihren Sitz in NRW hat, werden die Hilfen rein formal diesem Bundesland zugeordnet, obwohl ein Teil davon für saarländische Bergwerke eingesetzt wurde. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Fragen des Abgeordneten Martin Dörmann (SPD) (Drucksache 17/10736, Fragen 36 und 37): Wie viele Anträge auf Richtfunkgenehmigungen liegen der Bundesnetzagentur derzeit insgesamt zur Bearbeitung und Genehmigung vor, und wie hoch ist die durchschnittliche Bearbeitungszeit eines Antrags? Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, damit die Bundesnetzagentur die Antragsbescheidung fristgerecht erfüllen kann, und bis wann soll der aktuelle Antragsstau mithilfe dieser Maßnahmen abgebaut sein? Zu Frage 36: Der Bundesnetzagentur, BNetzA, liegen zurzeit circa 9 600 Anträge auf Frequenzzuteilung im Richtfunk vor. Bei jeder neu geplanten Richtfunkstrecke müssen die Gegebenheiten der Standorte und die jeweiligen technischen Parameter überprüft werden. Der Prüfvorgang ist sehr komplex. Durchschnittszeiten sind nur im Nachhinein ermittelbar, da jede Genehmigung eine Einzelfallprüfung darstellt. Zu Frage 37: Die Bundesnetzagentur hat vielfältige Maßnahmen umgesetzt und weitere sind in Planung. Im Einzelnen sind dies: Konstruktiver Dialog mit den Mobilfunknetzbetreibern, MNB, zur Priorisierung der Anträge sowie konkrete Maßnahmen mit den MNB, um zeitintensive Nachfragen zu Genehmigungsparametern zu reduzieren, Personelle Umsetzungen bei der BNetzA und darüber hinaus Neugewinnung von Fachkräften. Allerdings bedarf es für den Tätigkeitsbereich einer umfassenden Einarbeitung und Einführung einer PC-gestützten Software. Das geplante IT-Werkzeug soll Arbeitsabläufe weiter optimieren helfen. Die Bundesnetzagentur lotet weitere Wege aus, die das gemeinsame Ziel der Breitbandstrategie vorantreiben. Insbesondere sollen die vier MNB die Qualität der Anträge erhöhen, Nachfragen zügiger beantworten und Einblick in absehbar geplante Anträge geben. Auch ein Infrastruktursharing ist angedacht. Anlage 27 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Fragen der Abgeordneten Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10736, Fragen 38 und 39): Gibt es Signale oder offizielle Schreiben der südafrikanischen Regierung, den bilateralen Investitionsförderungs- und schutzvertrag vom 11. September 1995 mit der Bundesrepublik Deutschland nicht zu erneuern, vor dem Hintergrund, dass Südafrika dies gerade gegenüber Belgien und Luxemburg verkündete, und wie bewertet die Bundesregierung das Anliegen Südafrikas, Investitionsförderungs- und schutzverträge nicht zu verlängern? Hält die Bundesregierung eine Überarbeitung ihres Investitionsförderungs- und -schutzvertrags mit Südafrika oder anderer Investitionsförderungs- und -schutzverträge für überlegenswert, um Empfehlungen des UNCTAD World Investment Report 2012 in ihre Abkommen mit aufzunehmen? Zu Frage 38: Der Bundesregierung ist nicht bekannt, dass die südafrikanische Regierung beabsichtigt, den bilateralen deutsch-südafrikanischen Investitionsförderungs- und -schutzvertrag vom 11. September 1995 zu kündigen, der am 10. April 1998 in Kraft getreten ist. Zu Frage 39: Die Kompetenz für den Abschluss von Investitionsförderungs- und -schutzverträgen mit Ländern außerhalb der EU ist mit dem Vertrag von Lissabon von den EUMitgliedstaaten weitgehend auf die EU übergegangen. Eine Überarbeitung der Investitionsförderungs- und -schutzverträge der Bundesrepublik Deutschland durch die Bundesregierung würde eine Rückermächtigung der Kommission voraussetzen. Die Entscheidung darüber stünde im Ermessen der Kommission. Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10736, Frage 42): Welche Ergebnisse hatten die Gespräche des indonesischen Vizeverteidigungsministers bei seinem letzten Deutschlandbesuch hinsichtlich möglicher Waffenlieferungen aus Deutschland, und treffen Berichte indonesischer Medien (Tageszeitungen wie Kompas, Suara Karya oder Jakarta Post vom 13. September 2012) zu, dass noch im September 2012 die Verträge mit der deutschen Firma Rheinmetall AG über den Kauf von 50 Schützenpanzern des Typs Marder 1A3 sowie 10 weiterer Supporting Tanks ungenannten Typs unterzeichnet werden? Die Ausgestaltung von Verträgen über Rüstungsgüter ist Sache der Unternehmen. Bei dem Besuch des indonesischen Vizeverteidigungsministers in Deutschland ging es um Unternehmensgespräche. Ob es dabei auch um den Kauf von 50 Schützenpanzern des Typs Marder 1A3 sowie 10 weiterer Supporting Tanks ungenannten Typs ging, ist der Bundesregierung nicht bekannt. Anlage 29 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10736, Frage 43): Welche konkreten Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der erneuten Nichtzulassung einer Beobachtungsmission der UNO-Sonderorganisation Internationale Arbeitsorganisation, IAO, zur Baumwollernte in Usbekistan in Bezug auf die deutsch-usbekischen Regierungsverhandlungen über die entwicklungspolitische Kooperation und in Bezug auf ihre weitere Strategie zur Beendigung von staatlich angeordneter Kinderzwangsarbeit in der usbekischen Baumwollernte im Rahmen der IAO? Die Bundesregierung ist über die Nichtzulassung -einer Beobachtungsmission der Internationalen Arbeitsorganisation, IAO, zur Baumwollernte in der Republik Usbekistan besorgt. Sie setzt sich regelmäßig und nachdrücklich bilateral – auch im Kontext von EZ-Regierungsgesprächen –, im Rahmen der Europäischen Union und in internationalen Gremien gegenüber der usbekischen Regierung für die Beseitigung von Kinderarbeit ein. Es ist davon auszugehen, dass die Lage in Usbekistan erneut während der -Internationalen Arbeitskonferenz der IAO im Juni 2013 vom IAO-Verwaltungsrat beraten wird. Die Regierung von Usbekistan ist aufgefordert, im Rahmen dieser Beratung zu den von der IAO geforderten Schritten zur -Umsetzung der Übereinkommen über Kinderarbeit konkret Stellung zu nehmen. Der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt, Markus Löning, hat sich im Juli 2012 mit einem Schreiben an den Vorsitzenden des IAO-Verwaltungs--rates gewandt und die IAO zu weiteren Schritten zur -Bekämpfung der Kinderarbeit bei der Baumwollernte in Usbekistan ermutigt. Anlage 30 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10736, Frage 44): Inwieweit haben wiederholte Absagen von Delegationsreisen des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe des Deutschen Bundestages nach Usbekistan durch die usbekische Regierung Folgen auf deutsches Regierungshandeln gegenüber Usbekistan? Die Bundesregierung hat sich nachdrücklich für ein Zustandekommen der Delegationsreise des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe des Deutschen Bundestages nach Usbekistan eingesetzt. Sie hat der -usbekischen Regierung ihr Unverständnis und ihr -Bedauern über die erneute Absage der Reise erklärt. Die Bundesregierung wird auch weiterhin gegenüber der usbekischen Regierung darauf hinweisen, dass eine Zusammenarbeit im Bereich der Menschenrechte und des Rechtsstaates auch im usbekischen Interesse liegt und dazu dienen soll, Usbekistan bei der Umsetzung seiner einzuhaltenden internationalen Verpflichtungen im Menschenrechtsbereich zu unterstützen. Dazu gehört auch der Dialog mit dem Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe des Deutschen Bundestages. Anlage 31 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10736, Frage 45): Inwieweit befindet sich die Bundesregierung in Verhandlungen mit der Regierung Usbekistans über die weitere Benutzung des Strategischen Lufttransportstützpunktes Termez (Usbekistan) durch die Bundeswehr, und ist gewährleistet, dass bis Ende des Einsatzes der Bundeswehr dieser Lufttransportstützpunkt genutzt werden kann? Die Bundesregierung misst der Nutzung des Flughafens Termez bei dem ISAF-Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan große Bedeutung bei. Die Grundlage dafür bildet das deutsch-usbekische Regierungsabkommen zur Nutzung von Termez und zum Transit durch das usbekische Hoheitsgebiet vom 13. April 2010. Das Regierungsabkommen gilt unbefristet. Anlage 32 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) (Drucksache 17/10736, Frage 46): Welche Position bezieht die Bundesregierung aus menschenrechtlicher Sicht zu dem Strafverfahren gegen den nigerianischen Studenten Olaolu Sunkanmi Femi in der ostukrainischen Stadt Lugansk, der wegen versuchten Mordes angeklagt ist, während Menschenrechtsorganisationen einen rassistischen Hintergrund des Verfahrens befürchten, und inwiefern steht sie mit den ukrainischen Behörden diesbezüglich in Verbindung? Der nigerianische Staatsangehörige Olaolu Femi befindet sich seit November 2011 in Lugansk im Osten der Ukraine in Untersuchungshaft. Ihm wird versuchter Mord vorgeworfen. Mehrere ukrainische Menschenrechtsorganisationen sind davon überzeugt, dass es sich um Notwehr gehandelt hat und engagieren sich für Olaolu Femi. Die Bundesregierung steht über die Deutsche Botschaft Kiew mit diesen Menschenrechtsorganisationen in engem Kontakt. Die Bundesregierung setzt sich sowohl im bilateralen als auch im multilateralen Rahmen gegenüber der Ukraine seit langem für den Schutz von Minderheiten und gegen Xenophobie und Diskriminierung ein und wird dies auch weiterhin mit Nachdruck tun. Die Bundesregierung wird auch die weitere Entwicklung im Fall Olaolu Femi genau beobachten und, sollte dies erforderlich werden, das Thema mit ihren ukrainischen Gesprächspartnern aufnehmen. Anlage 33 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10736, Frage 47): Wird die Bundesregierung den Beschluss des Regionalkommandos von ISAF und NATO, der von US-Verteidigungsminister Leon Panetta verteidigt wurde, in Afghanistan umsetzen, künftig gemeinsame Patrouillen und Ausbildung im Allgemeinen mit afghanischen Soldaten und Polizisten nur noch ab einer bestimmten Truppenstärke durchzuführen, nachdem in diesem Jahr bereits über 50 Soldaten der internationalen Truppen durch afghanische Soldaten und Polizisten getötet wurden (www.tagesschau.de, 18. September 2012), und sieht die Bundesregierung ihr Konzept des Partnering für die Kriegsführung in Afghanistan als gescheitert an und -nunmehr die Notwendigkeit, ihre bisherige Einschätzung zu korrigieren, dass die Sicherheitslage in Afghanistan sich zunehmend stabilisiert und der Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte weiter erfolgreich verläuft (so der letzte Fortschrittsbericht Afghanistan 2011)? Der Kommandeur des streitkräftegemeinsamen Kommandos der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe für Afghanistan, ISAF Joint Command, hat am 17. September 2012 aufgrund der Bedrohung von ISAF-Kräften durch Innentäter und einer möglichen Verschärfung der Sicherheitslage wegen der Reaktionen auf das „Mohammed-Video“, alle ISAF-Regionalkommandos angewiesen, Maßnahmen zu ergreifen, um diese Bedrohungen zu minimieren. Dazu können auch Maßnahmen zur vorübergehenden Einschränkung der Bewegungen in bestimmten Gebieten oder zu bestimmten Zeiten sowie die temporäre Begrenzung des Partnering bis einschließlich Kompanieebene mit bestimmten Verbänden der afghanischen Sicherheitskräfte, ANSF, gehören. Die Maßnahmen werden fortlaufend überprüft und lageabhängig angepasst. Die Umsetzung dieser Maßnahmen obliegt den ISAF-Regionalkommandeuren, die dem ISAF-Kommandeur unmittelbar unterstellt sind. Da in dem unter deutscher Führungsverantwortung stehenden Regionalkommando Nord das Partnering mit den afghanischen Sicherheitskräften grundsätzlich nur ab Bataillonsebene aufwärts durchgeführt wird, hat die aktuelle Befehlslage keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Partnering durch deutsche Kräfte. Nach Auffassung der Bundesregierung hat sich das Konzept des Partnering bewährt. Es gilt, in der jetzigen Phase eine Balance zu finden, in der die Sicherheit der eigenen Kräfte oberste Priorität hat und gleichzeitig die Aus- und Weiterbildung der afghanischen Sicherheitskräfte vorangetrieben werden kann. Der Schwerpunkt des Partnering wird der Sicherheitslage entsprechend vorerst nur noch dort stattfinden, wo ein angemessener Schutz der eigenen Kräfte gemeinsam mit unseren afghanischen Partnern bestmöglich gewährleistet werden kann. Dies bedeutet nicht, dass die grundsätzliche Ausrichtung des ISAF-Einsatzes mit den Schwerpunkten der Ausbildung, der Begleitung und der Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte, infrage gestellt wird. Vielmehr liegt es auch im Interesse der afghanischen Partner, dass Innentäter nicht zur Wirkung kommen. Darüber hinaus hat sich die Bewertung der Sicherheitslage in Afghanistan durch die Bundesregierung nicht geändert. Ausweislich des im Juni 2012 erschienenen Zwischenberichts zum Fortschrittsbericht der Bundesregierung stabilisiert sich die Sicherheitslage zunehmend, und die Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte verläuft planmäßig. Anlage 34 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Fragen des Abgeordneten Klaus Brandner (SPD) (Drucksache 17/10736, Fragen 48 und 49): Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung – Bezug nehmend auf die Meldung der dpa vom 19. September 2012 – zu den Menschenrechtsverletzungen und der Folter von Gefangenen in georgischen Haftanstalten vor? Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen bzw. gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um diesen Missständen in Georgien entgegenzuwirken und zu einer Verbesserung der Menschenrechtssituation in georgischen Haftanstalten beizutragen? Zu Frage 48: Die von den georgische Medien am 18. September 2012 ausgestrahlten Videoaufnahmen zeigen, dass es in Georgien nach wie vor zu Fällen von Misshandlung und erniedrigender Behandlung von Strafgefangenen kommt. Als Folge der „Null-Toleranz-Politik“ bei Straftaten gehört Georgien weltweit zu den Ländern mit dem höchsten Anteil an Strafgefangenen an der Wohnbevölkerung. Neben der Infrastruktur in den Haftanstalten sind auch Ausbildung und Motivation des Wachpersonals unzureichend. Als Ergebnis vielfältiger Reformbemühungen, die auch durch die internationale Gemeinschaft unterstützt wurden, hat sich die Situation in den Haftanstalten in den vergangenen Jahren zwar insgesamt deutlich verbessert; gravierende Defizite bestehen aber weiter. Eine Fortsetzung der Reformen ist daher dringlich. Zu Frage 49: Im bilateralen Dialog mit Georgien spricht die Bundesregierung rechtsstaatliche Defizite und auch die Lage in den Gefängnissen an. Sie wirkt bei der Vorbereitung des Menschenrechtsdialogs der Europäischen Union mit, bei dem die Lage in den georgischen Gefängnissen regelmäßig und ausführlich thematisiert wird. Dem letzten Menschenrechtsdialog am 26. Juni 2012 in Tiflis ging ein Seminar mit der Zivilgesellschaft voraus, bei dem auch die Situation im Strafvollzug behandelt wurde. Die Bundesregierung fördert Reformen in der Strafjustiz und im Strafvollzug Georgiens über die Deutsche Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit, IRZ. Die Verbesserung der Menschenrechtssituation im georgischen Strafvollzug bleibt ein wesentliches Ziel dieser Aktivitäten. Nach Veröffentlichung der Videoaufzeichnungen aus dem Gefängnis Tiflis/Gladni hat die Deutsche Botschaft Tiflis an der Erklärung des Leiters der Delegation der Europäischen Union in Georgien mitgewirkt, in der die EU ihre Bestürzung über die in den Videos gezeigten Misshandlungen von Strafgefangenen zum Ausdruck bringt. Die EU hat erklärt, dass sie auch künftig von der georgischen Regierung fordern wird, dass diese alle nötigen Anstrengungen unternimmt, derartige Menschenrechtsverletzungen wirksam zu bekämpfen. Die Bundesregierung wird die Umsetzung der von Staatspräsident Michail Saakaschwili angekündigten Maßnahmen, insbesondere die Verfolgung und Bestrafung der Täter und die Reform des georgischen Strafvollzugs, aufmerksam beobachten. Anlage 35 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10736, Frage 50): Wie hat sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene bisher dafür eingesetzt, dass die Pilotphase bei den Projekt-anleihen möglichst rasch in Gang gesetzt und eine Aufstockung über die vorgesehenen 230 Millionen Euro hinaus auf möglichst 1 Milliarde Euro bis Ende 2013 angestrebt wird (vergleiche Pressemitteilung der Bundesregierung vom 21. Juni 2012 212/12), und was konnte die Bundesregierung in dieser Frage erreichen? Die Bundesregierung hat sich beim Europäischen Rat am 28./29. Juni 2012 entsprechend der im Pakt für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung vom 21. Juni 2012 geschlossenen Vereinbarung dafür eingesetzt, dass die Pilotphase der Projektanleiheninitiative unverzüglich eingeleitet wird. Die Verordnung (EU) Nr. 670/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2012 zur Änderung des Beschlusses Nr. 1639/2006/EG zur Einrichtung eines Rahmenprogramms für Wett--bewerbsfähigkeit und Innovation (2007 bis 2013) sowie die Verordnung (EG) Nr. 680/2007 über die Grundregeln für die Gewährung von Gemeinschaftszuschüssen für transeuropäische Verkehrs- und Energienetze zur Implementierung der Pilotphase sind einen Tag nach ihrer -Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union am 31. Juli 2012 in Kraft getreten. Darüber hinaus hat mit deutscher Unterstützung -folgender Abschnitt in die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 28./29. Juni 2012 Eingang gefunden: „Wenn der Zwischenbericht und die Evaluierung der Pilotphase positiv ausfallen, könnte das Volumen derartiger Finanzierungsinstrumente – auch zugunsten der Fazilität ,Connecting Europe‘ – künftig in allen Ländern weiter aufgestockt werden.“ Anlage 36 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10736, Frage 51): Wie hat sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene bisher dafür eingesetzt, dass Mittel der Connecting Europe Facility im künftigen Finanzrahmen 2014 bis 2020 überwiegend für Netzinfrastrukturen – Energienetze, Bahninfrastruktur, Breitband – genutzt werden (vergleiche Pressemitteilung der Bundesregierung vom 21. Juni 2012 212/12), und was konnte die Bundesregierung in dieser Frage erreichen? Die Diskussionen über den künftigen EU-Finanz--rahmen 2014 bis 2020 werden im Ministerrat durch die sogenannten Verhandlungsbox strukturiert. Die „Verhandlungsbox“ ist ein Dokument, das die politischen Kernpunkte jeder Rubrik benennt. Der aktuell ausgehandelte und auch von Deutschland unterstützte Text der Verhandlungsbox hebt für die Connecting Europe Facility hervor, dass Verkehrs-, Energie- und digitale Netze wichtige Komponenten der Vollendung des europäischen Binnenmarktes darstellen. Für die Sektoren Verkehr, Energie und Telekommunikation sieht die Verhandlungsbox jeweils einen Platz-halter für die Mittelausstattung vor. In der Zusammenschau mit dem Kommissionsvorschlag werden diese Mittel – deren Höhe bisher nicht diskutiert wurde – überwiegend für Netzinfrastrukturen genutzt werden. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Fragen der Abgeordneten Gabriele Hiller-Ohm (SPD) (Drucksache 17/10736, Fragen 52 und 53): Welche Gesamtkosten entstehen im Bundeshaushalt durch die Verlagerung der bislang in Lübeck stationierten Technischen Einsatzhundertschaft der Bundespolizeiabteilung Ratzeburg zum Standort Ratzeburg – inklusive notwendiger neuer Einrichtungen in Ratzeburg –, und welche Mehrkosten entstehen damit gegenüber einem Verbleib der Technischen Einsatzhundertschaft in Lübeck? Welcher Zeitplan ist für den Umzug der Technischen Einsatzhundertschaft – unterteilt nach Personal und Gerätschaften/Fahrzeugen – vorgesehen, und welche Nachnutzung ist für die bisher genutzten Gebäude in Lübeck geplant? Zu Frage 52: Die Zusammenführung der Abteilung Ratzeburg an einem Standort ist aus polizeifachlichen- und Führungsgesichtspunkten angezeigt. Die technische Hundertschaft ist Teil der Bundespolizeiabteilung Ratzeburg und wird in der Regel mit den anderen Hundertschaften der Abteilung eingesetzt. Dabei werden die Beamtinnen und Beamten der technischen Hundertschaft mit und ohne technisches Gerät in die anderen Hundertschaften inte-griert. Mittelfristig werden durch die Zusammenführung die Kosten für den ständigen Transfer von Personal und Material zwischen Lübeck und Ratzeburg entfallen. Für den Abschluss des Umzuges müssen am Standort Ratzeburg Kraftfahrzeughallen errichtet und ein bestehendes Gebäude in Lager- und Werkstatträume umgebaut werden. Diesbezüglich werden gerade die erforderlichen Bauunterlagen erstellt, weshalb belastbare Aussagen zu Kosten und Terminen noch nicht möglich sind. Ein Gebäude für die Unterbringung der Hundertschaft ist in der Liegenschaft Ratzeburg vorhanden, auch auf die Ersatzbeschaffung von Büro- und Geschäftsausstattung kann verzichtet werden. Für den Umzug selbst wurden rund 30 000 Euro aufgewandt. Die energetische Sanierung der Gebäude auf dem Gelände in Ratzeburg ist dem Umzug nicht zuzurechnen, sondern stand ohnehin an. Zu Frage 53: Derzeit erfolgt der Umzug des Personals einschließlich der persönlichen Schutzausstattung und der Büroausstattung. Auch einiges Gerät kann schon jetzt in Ratzeburg untergestellt werden. Damit kann bereits eine Vielzahl von Einsätzen der Abteilung vollständig von Ratzeburg aus abgewickelt werden. Ein Zeitpunkt für die Verlagerung der übrigen Gerätschaften (Arbeitsräume/Werkstätten/Lagerflächen) und schwerem technischen Gerät ist abhängig von der Fertigstellung der erforderlichen Räumlichkeiten und kann derzeit nicht angegeben werden (siehe Antwort zur vorherigen Frage). An einer Nachnutzung des Geländes in Lübeck haben drei Dienststellen der Bundespolizei Interesse angemeldet. Hierbei zeichnet sich weiteres Einsparpotenzial bis zu zum möglichen Verzicht auf einen sonst erforderlichen Neubau an anderer Stelle ab. Über die Nachnutzung der Gebäude wird nach Freigabe durch die Abteilung Ratzeburg entschieden. Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/10736, Frage 54): Welche weiteren ausländischen Polizeibehörden wurden oder werden mit einer „Heranführung an die EU-Standards“ unterstützt, wie es kürzlich hinsichtlich der Unterstützung von Polizeien und Milizen in Belarus offenkundig wurde (zum Beispiel Süddeutsche Zeitung, 27. August 2012), und welche Standards bzw. Best Practices sind hiermit konkret gemeint (bitte Fundstelle angeben)? Zu dem in der Presse erwähnten Projekt „Heranführung der Polizeien Belarus an die EU-Standards am Beispiel der deutschen Polizei“ handelt es sich um ein Projekt, welches den Bereich der Bereitschaftspolizei betrifft. Bei den hier durchgeführten Seminaren/Hospitationen zum Thema „Heranführung an EU-Standards am Beispiel der deutschen Polizei“ standen insbesondere und ganz bewusst die Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit jeder polizeilichen Maßnahme als Grundvoraussetzung rechtstaatlichen Handelns im Vordergrund. Hierunter fallen schwerpunktmäßig auch Deeskala-tionsstrategien, Kommunikation und Transparenz der polizeilichen Maßnahmen in der Öffentlichkeit insbesondere durch eine transparente polizeiliche interne und externe Öffentlichkeitsarbeit. Vermittelt wurde in den Seminaren stets der Grundsatz der vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit eines jeden polizeilichen Agierens. Bestandteil der durchgeführten praxisorientierten Seminare waren auch Einsatzbeobachtungen. Organisation und Arbeitsweise der Bereitschaftspolizei insbesondere: Organisation und Gliederungspläne, Einsatz von Führungs- und Einsatzmitteln, Polizeiliche interne und externe Öffentlichkeitsarbeit und Aus- und Fortbildungsfragen. Aufgaben der Einsatzeinheiten wie: Einsatzhundertschaften, Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten, Beweissicherungs- und Dokumentationseinheiten, Antikonfliktteams oder Technische Einsatzeinheiten. Zu diesem Themenkomplex wurden auch die Länder Bulgarien, Rumänien, Kroatien, Serbien, Moldau, Türkei und Ukraine unterstützt. Aktuell werden zu diesem Themenkomplex Maßnahmen in Kroatien, Serbien, Moldau und der Türkei durchgeführt. Zur Vorbereitung der UEFA EM 2012 fanden mit der Ukraine insbesondere Veranstaltungen zum Austausch von Erfahrungen im Zusammenhang mit der polizeilichen Einsatzbewältigung von Sportgroßveranstaltungen statt. Anlage 39 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/10736, Frage 55): An welche Firmen wurden bei der Einrichtung der sogenannten Rechtsextremismusdatei Aufträge für Hard- und Software, Serversysteme und Netzwerke vergeben – bitte mit dem jeweils gekauften Produkt, der Lizenz oder den sonstigen Ausgaben angeben –, und mit welchen (technischen) Mitteln ist beabsichtigt, den dort bevorrateten Daten – etwa mittels Data Mining oder anderer Verfahren – einen Mehrwert hinsichtlich ihres Informationsgehalts zu verschaffen, wenn das Rechtsextremismus-Datei-Gesetz, RED-G, hierfür etwa die Einbeziehung „phonetischer oder unvollständiger Daten“, „der Suche über eine Mehrzahl von Datenfeldern“ oder „der Verknüpfung von Personen, Institutionen, Organisationen, Sachen“ vorsieht? Zur Realisierung der Rechtsextremismusdatei, RED, beim Bundeskriminalamt, BKA, wurde eine Vielzahl von Hard- und Softwarekomponenten – vom Netzwerkkabel bis zum Datenbankmanagementsystem – beschafft. Hierbei wurde – soweit möglich – auf vorhandene Rahmenverträge des Beschaffungsamtes zurückgegriffen. Unter anderem kommen folgende Produkte zum Einsatz: Serversysteme der Firma Hewlett-Packard, HP, Virtualisierungstechnik von VMWare zur optimalen Ressourcenausnutzung, Lizenzen für die RED Hat Enterprise-Distribution des Open Source- Betriebssystems Linux, Lizenzen für Oracle-Datenbanksysteme, Netzwerkkomponenten der Firma Cisco und Sicherheitsprodukte wie Verschlüsselungskomponenten und Firewallsysteme der Firmen Secunet und GeNUA. Die Anwendungssoftware wurde in Anlehnung an die analoge Antiterrordatei, ATD, auf Basis der polizeilichen Fallbearbeitungssoftware INPOL-Fall durch BKA-interne Mitarbeiter erstellt. Die in § 7 Abs. 2 des Rechtsextremismus-Datei-Gesetzes genannten Möglichkeiten zur Umsetzung einer erweiterten Datennutzung sind bisher in der RED noch nicht realisiert. Sie sind Gegenstand einer nun folgenden Projektphase. Als einer der ersten Schritte dieser Projektphase soll die Definition der notwendigen (technischen) Mittel erfolgen. Anlage 40 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10736, Frage 56): Hat ein Polizist namens K. A. an Beate Zschäpe die Garage in Jena (Stadtteil Burgau) vermietet, in der am 26. Januar 1998 Sprengstoff gefunden wurde, und, wenn ja, wird bzw. wurde gegen K. A. wegen Unterstützung des NSU ermittelt? Herr K. A. hat die besagte Garage in Jena an die Beschuldigte B. Zschäpe vermietet (vergleiche hierzu das Gutachten der „Schäfer-Kommission“ zum Verhalten der Thüringer Behörden und Staatsanwaltschaften bei der Verfolgung des „Zwickauer Trios“, Seite 62 ff.). Die Frage, ob gegen K. A. wegen Unterstützung des NSU ermittelt wird, betrifft den möglichen Beschuldigtenstatus eines Betroffenen in einem beim Generalbundesanwalt geführten Ermittlungsverfahren. Trotz der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, tritt hier nach konkreter Abwägung der betroffenen Belange das Informationsinteresse des Parlaments hinter den berechtigten Geheimhaltungsinteressen im laufenden Ermittlungsverfahren zurück, sodass die Bundesregierung hierzu keine Auskunft erteilen kann. Anlage 41 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10736, Frage 57): Inwiefern hat die Ausstrahlung des Mohammed-Schmähvideos dazu beigetragen, dass die Bundesregierung die Plakat-aktion mit dem Titel „Vermisst“ auf Eis gelegt hat? Aufgrund einer aktuellen Gefährdungsbewertung des Bundeskriminalamts hat das Bundesministerium des Innern den für 21. September 2012 geplanten Start der Plakataktion der Öffentlichkeitskampagne „Vermisst“ verschoben. Angesichts der angespannten Sicherheitslage in Teilen Nordafrikas und einigen islamisch geprägten Staaten aufgrund des Filmes Innocence of Muslims -sowie den in Frankreich veröffentlichten Mohammed-Karikaturen musste das berechtigte Anliegen der Plakat-aktion vorübergehend zurückstehen. Das Risiko einer Gefährdung deutscher Staatsbürger im Ausland durch eine denkbare gezielte islamistische Agitation auf der Grundlage dieser Plakate konnte nicht in Kauf genommen werden. Anlage 42 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage der Abgeordneten Sevim Da?delen (DIE LINKE) (Drucksache 17/10736, Frage 58): Welche rechtlichen bzw. sonstigen Schritte prüft die Bundesregierung bzw. unternimmt sie, um eine (weitere) öffentliche Aufführung des Films Innocence of Muslims (Unschuld der Muslime) bzw. des circa 14-minütigen Auszugs zu verhindern, und sind der Bundesregierung rechtliche bzw. sonstige Schritte Dritter gegen die Macher bzw. öffentliche Aufführungen in Deutschland bekannt? Eine öffentliche Aufführung des Films bzw. des Auszugs zu verhindern läge allein in der Zuständigkeit der Bundesländer. Daher müssten die zuständigen Landesbehörden rechtliche oder sonstige Möglichkeiten hierfür prüfen. Der Bundesregierung hat keine konkreten Kenntnisse über rechtliche bzw. sonstige Schritte Dritter gegen die Macher bzw. öffentliche Aufführungen des Films. Anlage 43 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Sevim Da?delen (DIE LINKE) (Drucksache 17/10736, Frage 59): Inwieweit erfüllt nach Auffassung der Bundesregierung der Film Innocence of Muslims (Unschuld der Muslime) bzw. der circa 14-minütige Auszug den Straftatbestand der Volksverhetzung (§ 130 des Strafgesetzbuchs, StGB), und welche Kriterien müssten erfüllt sein, damit ein Film den Straftatbestand der Volksverhetzung gemäß § 130 StGB erfüllt und deshalb strafrechtlich verfolgt werden kann? Die Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt, obliegt den Strafverfolgungsbehörden der Länder. Allgemein setzt der Straftatbestand der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 StGB Folgendes voraus: eine Aufstachelung zum Hass oder eine Aufforderung zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen unter anderem gegen eine religiöse Gruppe, oder einen Angriff auf die Menschenwürde anderer unter anderem durch Beschimpfung, böswilliges Verächtlichmachen oder Verleumdung einer religiösen Gruppe. Diese Handlungen müssen in einer Weise geschehen, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Ein Angriff auf die Menschenwürde setzt dabei voraus, dass das Recht der angegriffenen religiösen Gruppe, als gleichwertige Persönlichkeiten in der staatlichen Gemeinschaft zu leben, bestritten wird. Eine Eignung der Tathandlung zur Störung des öffentlichen Friedens setzt eine Eignung der Handlung voraus, das Vertrauen in die Rechtssicherheit zu erschüttern. Anlage 44 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Sascha Raabe (SPD) (Druck--sache 17/10736, Fragen 60 und 61): Wie beurteilt die Bundesregierung aus entwicklungspolitischer Sicht die von der US-Börsenaufsicht am 22. August 2012 vorgelegten Durchführungsbestimmungen zu Art. 1504 des Dodd-Frank Act und die am Dienstag, dem 18. September 2012, beschlossene Position des Rechtsausschusses des Europäischen Parlamentes zu Kap. 9 der Bilanzrichtlinie? Wird sich das BMZ bei der Neupositionierung der Bundesregierung im Vorfeld anstehender Trilogverhandlungen -dafür einsetzen, dass Deutschland im Einklang mit den in Frage 60 genannten Entscheidungen eine projektgenaue -Offenlegung, einen Schwellenwert von 80 000 Euro sowie die Abschaffung der Ausnahmeregelungen für intransparente -Regime unterstützt? Zu Frage 60: Die Bundesregierung unterstützt international abgestimmte Transparenzanforderungen im Rohstoffbereich und beteiligt sich konstruktiv an der Diskussion der Vorschläge der Europäischen Kommission, die sie am 25. Oktober 2011 im Rahmen der Reform der EU--Bilanzrichtlinien für Berichtspflichten der Unternehmen der Rohstoffwirtschaft gemacht hat. Ziel ist es, Entwicklungsländer dabei zu unterstützen, Einnahmen aus dem Rohstoffsektor gezielt für die soziale und ökonomische Entwicklung zu nutzen. Eine Offenlegung der Zahlungen von Unternehmen und der Einnahmen der Rohstoffländer durch die Regierungen trägt zur Herstellung von Transparenz und guter Regierungsführung bei der Rohstoffgewinnung bei. Die Vorschläge der EU-Kommission berufen sich -dabei auf ähnliche, allerdings nicht deckungsgleiche US-Regeln für Transparenz im Rohstoffsektor, die in Art. 1504 des sogenannten Dodd Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act 2010 enthalten sind. In der Zwischenzeit sind auch die notwendigen -Ausführungsbestimmungen der SEC zu Art. 1504 des Dodd Frank Act erlassen worden, die erst die Umsetzung der gesetzlichen Regeln ab dem 30. September 2013 ermöglichen. Die Bundesregierung begrüßt, dass die seit langem erwarteten Ausführungsbestimmungen der US-Börsenaufsicht nunmehr erlassen worden sind und damit die Vorgaben konkretisiert wurden. Der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments hat am 18. September 2012 seine Position zum -Vorschlag einer neuen Bilanzrichtlinie beschlossen. Nunmehr wird es an der zypriotischen Ratspräsidentschaft sein zu entscheiden, in welchem Zeitfenster Verhandlungen zwischen Rat, Kommission und Europäischem Parlament beginnen werden und in welcher Form über Kompromisse verhandelt wird. Die Bundesregierung wird sich konstruktiv an der Diskussion beteiligen und entsprechende Vorschläge sorgfältig prüfen. Für die Bundesregierung sind dabei neben der Stärkung von Transparenz die Auswirkungen auf die Wettbewerbs--fähigkeit europäischer Unternehmen und die Begrenzung bürokratischer Belastungen weiterhin wichtige -Anliegen. Darüber hinaus setzen sich die Bundesregierung und hier insbesondere das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, BMZ, dafür ein, die praktische Umsetzung zur Erreichung von mehr Transparenz im Rohstoffsektor zu fördern. Ich möchte an dieser Stelle beispielhaft auf das vom BMZ entwickelte entwicklungspolitische Strategiepapier „Extraktive Rohstoffe“ verweisen. In diesem Zusammenhang ist auch die freiwillige Transparenzinitiative EITI, die -Extractive Industries Transparency Initiative, zu nennen, die die Bundesregierung seit vielen Jahren fördert. Die Bundesregierung unterstützt EITI nicht nur politisch, vielmehr unterstützt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung die Implementierung der EITI über bilaterale und regionale -Projekte sowie finanziell. Zu Frage 61: Innerhalb der Bundesregierung ist das Bundesministerium der Justiz für Fragen der Rechnungslegung und damit auch für die Offenlegung finanzieller Verhältnisse von Unternehmen federführend. Dabei stimmt es sich eng mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche -Zusammenarbeit und Entwicklung ab. Entsprechend ist die bisherige Positionierung im Rat erfolgt. Bei möglichen Verhandlungen wird es darauf ankommen, ein ausgewogenes Paket zu erreichen, das die oben genannten Eckpunkte berücksichtigt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dabei auch die von Ihnen angesprochenen Einzelelemente zu diskutieren sein werden. Sobald entsprechende Vorschläge vorliegen, wird sich die Bundesregierung positionieren. Anlage 45 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10736, Frage 62): Wann hat die Bundesregierung der EU-Kommission die schriftliche Bitte um Eröffnung des Verfahrens der verstärkten Zusammenarbeit mit dem Ziel der Einführung einer Finanztransaktionsteuer zugeleitet, und welches weitere Vorgehen plant die Bundesregierung? Die Bundesregierung legte den Mitgliedstaaten umgehend nach dem ECOFIN-Rat am 22. Juni 2012 einen Entwurf für einen gemeinsamen Antrag auf verstärkte Zusammenarbeit mit dem Ziel der Einführung einer -Finanztransaktionsteuer vor. Nach Einarbeitung von -Änderungswünschen der beteiligten Regierungen wurde den Mitgliedstaaten am 3. August 2012 ein überarbeiteter Text übersandt. Nicht alle Mitgliedstaaten haben -bereits eine Rückmeldung gegeben, da zum Teil noch -interne Abstimmungsprozesse in den Ländern laufen. Anlage 46 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10736, Frage 63): Betrachtet die Bundesregierung eine Änderung der Defizit-grenze im Rahmen des Anpassungsprogramms für Portugal – laut der dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages am 12. September 2012 übermittelten Erklärung der Troika-Mission für Portugal – als wesentlich im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 2 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes, und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung für den Umfang der zu ändernden Vereinbarungen und einer Befassung des Deutschen Bundestages? Die Troika bestätigt nach der fünften Überprüfung, dass die Auflagen aus dem Portugal-Programm weiterhin planmäßig umgesetzt werden. Allerdings ergeben sich vor allem konjunkturbedingte Verzögerungen beim Abbau des Defizits: Die Regierung hält bei den Ausgaben einen klaren Kurs, allerdings fallen die Einnahmen geringer als geplant aus. Im Hinblick auf die ansonsten gute Programmumsetzung und die Wachstumsimplika-tionen hat die Troika daher vorgeschlagen, die 3-Prozent-Defizitmarke nun im Jahr 2014 – anstatt 2013 – zu unterschreiten. Die Troika hat ferner bestätigt, dass durch die Verschiebung keine zusätzlichen Finanzhilfen nötig sein werden und die Rückkehr an den Markt im kommenden Jahr nicht gefährdet ist. Die Eckwerte des Programms – Programmdauer und Programmvolumen – bleiben unberührt. Nach Auffassung der Bundesregierung liegt daher keine wesentliche Änderung der Vereinbarung über die Notmaßnahme zugunsten Portugals im Sinne des § 3 Abs. 2 Nr. 2 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes vor. Diese Auffassung begründet sich in der Einschätzung, dass Portugal aufgrund insgesamt guter Rahmendaten eine Rückkehr zur Kapitalmarktfinanzierung bereits im Verlauf des Jahres 2013 gelingen wird. Daher bedarf es trotz des angepassten Defizitpfades keiner zusätzlichen Hilfen durch die EFSF bzw. den ESM. Eine Entscheidung über die Auszahlung der nächsten Tranche und das aktualisierte Memorandum of Understanding mit den zwischen der Troika und der portugiesischen Regierung ausgehandelten neuen Defizitzielen ist für Oktober 2012 geplant. Der Deutsche Bundestag wird hierzu frühzeitig beteilig werden. Anlage 47 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Diana Golze (DIE LINKE) (Druck-sache 17/10736, Frage 64): Sieht die Bundesregierung angesichts der Entscheidung des Bundesfinanzhofes, dass Kitas der Körperschaftsteuer unterworfen werden müssen, konkreten Handlungsbedarf – bitte ausführlich darlegen –, und, wenn nein, bitte begründen? Die Bundesregierung sieht angesichts des aktuellen Urteils vom Bundesfinanzhof zur Körperschaftsteuerpflicht eines kommunalen Kindergartens keinen Handlungsbedarf. Das Gericht führt aus, dass kommunale Kindergärten im Wettbewerb zu Kindergärten anderer, nach allgemeinen Grundsätzen steuerpflichtigen Betreibern solcher Einrichtungen stehen. Es sieht keine Rechtfertigung, allein den kommunalen Betreiber von der Körperschaftsteuer auszunehmen. Im konkreten Fall wurde entschieden, dass der Betrieb eines kommunalen Kindergartens einen Betrieb gewerblicher Art, BgA, begründet und damit im Grundsatz körperschaftsteuerpflichtig ist. Das Urteil bestätigt die langjährige Verwaltungsauffassung. Seitens der Kommunalverbände wird befürchtet, dass das Urteil zu Mehrausgaben für die Kommunen führt, was deren Bemühen, ausreichend Kindergartenplätze zu Verfügung zu stellen, negativ beeinträchtigen könnte. Die Bundesregierung teilt diese Ansicht nicht. Körperschaftsteuer fällt nur an, wenn der Kindergarten Gewinne erwirtschaftet. Dies ist bei rein kostendeckenden Beiträgen zur Finanzierung des Betriebs allenfalls im Einzelfall denkbar. Im Übrigen ist der Betrieb eines Kindergartens – unabhängig vom Träger – mit seinen Leistungen umsatzsteuerfrei. Ist der Träger eine Körperschaft, kann sie auch gemeinnützig sein. In diesem Fall ist der Kindergarten ein Zweckbetrieb und damit auch körperschaftsteuerfrei. Auch öffentlich-rechtliche Körperschaften können mit ihren Betrieben gewerblicher Art als gemeinnützig anerkannt werden. Ein solcher Kindergartenbetrieb gewerblicher Art wäre dann ebenfalls steuerfreier Zweckbetrieb. Das Urteil bestätigt lediglich die langjährige Verwaltungsauffassung. Eine geänderte Rechtsauslegung ist mit dem Urteil nicht verbunden. Anlage 48 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/10736, Frage 65): Inwieweit teilt die Bundesregierung angesichts der aktuellen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, BSG, nach der Kosten für Unterkunft und Heizung bei im Haushalt der Eltern lebenden grundsicherungsberechtigten Kindern nur übernommen werden können, wenn zwischen den Eltern und ihrem Kind ein wirksamer Mietvertrag geschlossen wurde (BSG-Urteile vom 25. August 2011, Az.: B 8 SO 29/10 R sowie vom 14. April 2011, Az.: B 8 SO 18/09 R), die Forderung des Bundesverbandes für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e. V., BVKM, nach einer Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, SGB XII (siehe Pressemitteilung des BVKM vom September 2012)? Die Bundesregierung teilt die Auffassung des Bundessozialgerichts, BSG, in den genannten Urteilen, insbesondere in Anbetracht der dort getroffenen Feststellungen zum Abschluss eines Mietvertrages zwischen miteinander Verwandten und in einem Haushalt lebenden Personen mit dem Ziel, Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 42 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu erhalten. Das BSG stellt fest, dass für den Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung allein die tatsächliche Bedarfslage unabhängig von vertraglichen Verpflichtungen, denen in den Sachverhalten der Verfahren vor dem BSG der Bindungswille fehle, entscheidend sei. Sollten die tatsächlichen Umstände den Abschluss eines Mietvertrages zwischen den miteinander verwandten und in einem Haushalt lebenden Personen aus welchem Grund auch immer rechtfertigen oder notwendig machen, handelt es sich nach allgemeiner Betrachtung regelmäßig nicht um einen unverhältnismäßigen Mehraufwand. Eine Änderung des SGB XII ist daher insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Sozialhilferecht nach dem SGB XII auf dem Grundsatz der Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles (§ 9 SGB XII) beruht, nicht erforderlich. Anlage 49 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/10736, Frage 66): Inwieweit wurde mit dem 4. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung der Zusammenhang von Behinderung sowie Reichtum und Armut untersucht, und zu welchen diesbezüglichen Aussagen und Erkenntnissen kommt die Bundesregierung in dem Bericht? Die Teilhabechancen von Menschen mit Behinderungen werden im Entwurf des 4. Armuts- und Reichtumsberichts, ARB, als Querschnittsthema behandelt, soweit Daten dafür vorliegen. Zum Zusammenhang von Behinderung und materieller Armut bzw. Reichtum enthält der Entwurf keine Aussagen. Aktuellste Auswertungen zu den Lebenslagen von Menschen mit Behinderungen im Vergleich zu Menschen ohne Behinderungen sind erst im Teilhabebericht (Bericht über die Lebenslagen von Menschen mit Behinderungen) zu erwarten, auf den im Entwurf des 4. ARB hingewiesen wird. Anlage 50 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage des Abgeordneten Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10736, Frage 67): Hält die Bundesregierung es für angemessen, den Tendenzen zur Konzentration des Vermögens bei den obersten 10 Prozent der Bevölkerung entgegenzuwirken, und, wenn ja, welche Maßnahmen hält sie für angemessen? Die soziale Marktwirtschaft ist das beste Wirtschafts- und Sozialmodell, um eine angemessene Teilhabe aller am gesamtgesellschaftlichen Wohlstand zu erreichen. Aus diesem Grund gilt zum Beispiel ein progressiv verlaufender Einkommensteuertarif, der höhere Einkommen prozentual stärker belastet. Darüber hinaus werden bei entsprechendem Bedarf Menschen mit Transferleistungen unterstützt. Das Hauptaugenmerk der Bundesregierung liegt aber nicht auf einer Ausweitung von Umverteilungsmaßnahmen mit Blick auf die Einkommens- und Vermögensverteilung, sondern auf der Chancenlage: Bestehende -Ungleichheiten können dann zu Akzeptanzproblemen führen, wenn sie vorrangig nicht mehr die Folge persönlicher Fähigkeiten und individueller Leistungen sind. Wichtig ist es, dass Chancen zur sozialen Mobilität -eröffnet werden. Im Entwurf des 4. Armuts- und Reichtumsberichts wurde vor diesem Hintergrund ein besonderer Analyseschwerpunkt auf soziale Mobilität gelegt. Der Textentwurf trägt Erkenntnisse der wissenschaftlichen Forschung zusammen und benennt wesentliche Faktoren, die individuelle Abstiegsrisiken erhöhen und Aufstiegschancen befördern. Anlage 51 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage des Abgeordneten Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10736, Frage 68): Was genau ist darunter zu verstehen, wenn die Bundes--regierung im Entwurf zum 4. Armuts- und Reichtumsbericht schreibt, sie prüfe, „ob und wie über die Progression in der Einkommensteuer hinaus privater Reichtum für die nachhaltige Finanzierung öffentlicher Aufgaben herangezogen werden kann“? Der 4. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundes--regierung liegt gegenwärtig als Entwurf des Bundes--ministeriums für Arbeit und Soziales dem Ressortkreis zur Abstimmung vor. Im Textentwurf werden keinerlei neue Umverteilungsmaßnahmen über das Steuersystem vorgeschlagen. Ableitungen dieser Art werden an keiner Stelle vorgenommen. Die zitierten Passagen zielen ausschließlich auf das Thema der gesellschaftlichen Verantwortung und des Engagements Vermögender im Rahmen freiwilliger Spenden und Stiftertätigkeiten. Auch der Grundtenor des Entwurfs macht deutlich: Ziel kann es allenfalls sein zu prüfen, ob und gegebenenfalls welche noch besseren Möglichkeiten es gibt, durch geeignete Rahmenbedingungen weiteres freiwilliges, persönliches und finanzielles Engagement Vermögender in Deutschland für das Gemeinwohl einzuwerben. Es geht explizit nicht um Zwangsmaßnahmen. Anlage 52 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage des Abgeordneten Willi Brase (SPD) (Druck-sache 17/10736, Frage 69): Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass besonders die Teilzielgruppe von Auszubildenden, die noch nicht in vollem Maße über die sogenannte Ausbildungsreife verfügen bzw. sozial benachteiligt oder lernbeeinträchtigt sind, zukünftig im großen Maße von der Fördermaßnahme Einstiegsqualifizierung erreicht wird und alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer an einer Einstiegsqualifizierung eine Zertifizierung erhalten? In dem im Jahr 2010 verlängerten Ausbildungspakt haben sich die Paktpartner darauf verständigt, das gesamte Ausbildungspotenzial auszuschöpfen und dazu die Ausbildungsreife zu verbessern und insbesondere leistungsschwächere junge Menschen intensiver zu fördern. Die Wirtschaft stellte erstmals Einstiegsqualifizierungen speziell für förderungsbedürftige junge Menschen bereit und will dafür gezielte Unterstützungsangebote nutzen. Sie strebt an, jährlich 10 000 solcher sogenannter EQ-Plus-Angebote bereitzustellen. Im Jahr 2011 hat die Wirtschaft bereits 4 600 von insgesamt 25 600 Einstiegsqualifizierungsplätzen speziell für förderungsbedürftige Jugendliche bereitgestellt. Zur Zertifizierung der von den Betrieben erteilten Bescheinigungen über die erfolgreiche EQ-Teilnahme ist darauf hinzuweisen, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dies beantragen müssen. Häufigster Hinderungsgrund für eine Zertifizierung war aber nach der Evaluation die mangelnde Nachfrage der Teilnehmenden. Anlage 53 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage des Abgeordneten Willi Brase (SPD) (Druck-sache 17/10736, Frage 70): Wie wird die Bundesregierung dafür sorgen, dass zukünftig allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern an einer Einstiegsqualifizierung ein Berufsschulbesuch ermöglicht wird, und wie häufig finden Qualifizierungsbausteine aus dem Programm Jobstarter Connect Anwendung im Rahmen von Einstiegsqualifizierungen? Im Ausbildungspakt ist die stärkere Teilnahme am Berufsschulunterricht erörtert worden. Die Vertreter der Kultusministerkonferenz haben zugesagt, sich dafür einzusetzen und gleichzeitig auf die Regelungen zur Schulpflicht der einzelnen Bundesländer verwiesen, wonach die Schulpflicht mit dem 18. oder 21. Lebensjahr endet. Um einen möglichst erfolgreichen Verlauf der Einstiegsqualifizierung sicherzustellen, gibt die Bundesagentur für Arbeit in ihrer Geschäftsanweisung folgende Hinweise: „Auf die Einhaltung der Berufsschulpflicht ist hinzuwirken, es sei denn, es liegt eine Befreiung durch das zuständige Schulamt vor. Der Besuch der Berufsschule, und hier insbesondere einer entsprechenden Fachklasse, wirkt sich nach den Erkenntnissen der Begleitforschung günstig auf die Übernahme in eine Ausbildung aus. Es wird daher empfohlen, auf den Besuch einer Fachklasse hinzuwirken. In Ländern mit einer einjährigen beruflichen Vollzeitschulpflicht für junge Menschen ohne Ausbildungsvertrag (Berufsvorbereitungsjahr oder Ähnliches) sollte mit den zuständigen Schulbehörden Einvernehmen darüber hergestellt werden, dass junge Menschen mit EQ-Vertrag von der beruflichen Vollzeitschulpflicht befreit werden können und am Teilzeitberufsschulunterricht in der entsprechenden Fachklasse teilnehmen können, wenn dies ihre beruflichen Eingliederungschancen verbessert.“ 274 Jugendliche beendeten nach Angaben des zuständigen Bundesministeriums für Bildung und Forschung bis zum Ausbildungsjahr 2011/2012 eine auf Ausbildungsbausteinen ausgerichtete Einstiegsqualifizierung. Anlage 54 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage des Abgeordneten Oliver Kaczmarek (SPD) (Drucksache 17/10736, Frage 71): Welche Daten hat die Bundesagentur für Arbeit, BA, der Bundesregierung seit März 2011 auf Grundlage des Art. 2 Abs. 3 der Vereinbarung der BA und der Bundesregierung zur Durchführung des Sonderprogramms Berufseinstiegsbegleitung bisher vierteljährig übermittelt? Die Bundesagentur für Arbeit hat der Bundesregierung regelmäßig, zuletzt im Juli 2012, auf Grundlage von Art. 2 Abs. 3 der Vereinbarung über die Durchführung des Sonderprogramms Berufseinstiegsbegleitung statistische Daten zu dem Programm übermittelt. Diese umfassen den Eintritt, den Bestand und den Austritt von Teilnehmern, jeweils aufgeteilt nach Geschlecht, sowie eine Ausgabenstatistik. Zur Eingliederung konnten bislang keine Daten übermittelt werden, da das Sonderprogramm Berufseinstiegsbegleitung erst Ende 2010 begonnen hat und somit hierzu noch keine Erkenntnisse vorliegen. Anlage 55 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) (Drucksache 17/10736, Frage 72): Wie viele Berufseinstiegsbegleiter sind aus dem SGB III auf Basis des § 421 s SGB III, alte Fassung (letztmöglicher Maßnahmeeintritt 31. Dezember 2012), sowie nach der Novelle 2011 durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt auf Basis des § 49 SGB III, gültige Fassung, finanziert worden (in Jahresscheiben und in Vollzeitäquivalenten seit 2008)? Die Anzahl der Berufseinstiegsbegleiter wird von der Bundesagentur für Arbeit nicht erhoben. Der Bundesregierung ist die Anzahl somit nicht bekannt. Anlage 56 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE LINKE) (Drucksache 17/10736, Frage 73): Wie hat sich in den zurückliegenden 20 Jahren der durchschnittliche Umfang der je von geringfügig Beschäftigten geleisteten wöchentlichen Arbeitsstunden verändert (soweit möglich für die Jahre 1992, 2000, 2004 nennen sowie die aktuell verfügbarsten Daten), und wie hat sich im selben Zeitraum bezogen auf den Bruttostundenlohn der absolute und relative Verdienstabstand zu den sogenannten Normalarbeitnehmern/-arbeitnehmerinnen entwickelt (bitte auch hier in sinnvollen Jahresabschnitten angeben)? Die Bundesregierung hat mit der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der SPD (Bundestagsdrucksache 17/6986) ausführlich zur „Entwicklung der geringfügigen Beschäftigung in Deutschland“, auch bezogen auf Arbeitszeiten und Stundenlöhne, Stellung genommen. Darüber hinausgehende Daten zu Wochenarbeitszeiten (siehe dortige Tabelle 2) liegen nicht vor. Aktuell hat das Statistische Bundesamt Daten zu Verdiensten im Jahr 2010 auf Basis der Verdienststruktur-erhebung, VSE, veröffentlicht. Die VSE findet regelmäßig alle vier Jahre statt. Dabei werden allerdings nur Betriebe des produzierenden Gewerbes und des Dienstleistungsbereichs (Wirtschaftsabschnitte B bis S der Klassifikation der Wirtschaftszweige) und mit 10 beziehungsweise 5 und mehr Arbeitnehmern erfasst. Vergleichbare Angaben liegen aus der VSE nur für die Jahre 2006 und 2010 vor: So betrug im Jahr 2006 der durchschnittliche Bruttostundenverdienst für Normalarbeitnehmer 15,94 Euro, der für geringfügig Beschäftigte 7,85 Euro. Im Jahr 2010 betrug der durchschnittliche Bruttostundenverdienst für Normalarbeitnehmer 17,09 Euro, der für geringfügig Beschäftigte 8,19 Euro. Die angegebenen Durchschnittswerte bezeichnen den jeweiligen Median der Verteilung. Anlage 57 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE LINKE) (Drucksache 17/10736, Frage 74): Inwiefern kann die Bundesregierung ausschließen, dass durch die Vermittlung von Arbeitskräften seitens der Agentur für Arbeit in Halle in das Unternehmen S-Direkt GmbH & Co. KG Streikbruch betrieben wird, und wie viele Vermittlungen durch die örtliche Arbeitsagentur haben seit Beginn des Streikes bei der S-Direkt am 9. Juli 2012 stattgefunden (bitte für den gesamten angefragten Zeitraum antworten, nicht wie in der Antwort auf meine schriftliche Frage auf Bundestagsdrucksache 17/10737 nur den Zeitraum seit Anzeige des Arbeitskampfes)? Die Bundesagentur für Arbeit ist bei Arbeitskämpfen zur Neutralität gegenüber den am Arbeitskampf beteiligten Parteien verpflichtet. Das bedeutet unter anderem, dass sie von dem Zeitpunkt an, an dem sie Kenntnis von dem Arbeitskampf erlangt hat, grundsätzlich ihre Vermittlungsbemühungen in einem durch den Arbeitskampf unmittelbar betroffenen Bereich einzustellen hat. Etwas anderes gilt nur, wenn der bzw. die Arbeitsuchende und der Arbeitgeber die Durchführung der Arbeitsvermittlung trotz Hinweises auf den Arbeitskampf verlangen (§ 36 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III). Die Bundesagentur für Arbeit teilt mit, dass die Agentur für Arbeit Halle seit dem 9. Juli 2012 gegenüber dem Unternehmen S-Direkt-Marketing GmbH & Co. KG aus Halle fünf Vermittlungsvorschläge getätigt hat, die zu der Anstellung des bzw. der Arbeitsuchenden führten. Von den fünf Vermittlungen erfolgten nur zwei, nachdem die Agentur für Arbeit von dem Streik Kenntnis erlangt hatte. Der Agentur für Arbeit Halle ist der Streik am 2. August 2012 angezeigt worden. Die Bundesagentur für Arbeit hat mitgeteilt, dass die Arbeitsuchenden sowie die Arbeitgeberin die Arbeitsvermittlung in diesen Fällen ausdrücklich verlangt haben. Nach alldem hat die Bundesregierung keinen Anlass, anzunehmen, dass die Agentur für Arbeit in Halle Arbeitsvermittlung entgegen ihrer Neutralitätspflicht bei Arbeitskampfmaßnahmen in dem bestreikten Betrieb vorgenommen hat. Anlage 58 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Bleser auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10736, Frage 75): Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des Schlachthofunternehmers Clemens Tönnies, dass der Weltmarkt noch so viel Potenzial bietet, dass der Selbstversorgungsgrad mit Fleisch in Deutschland „ohne Weiteres von 110 auf 150 Prozent gesteigert werden könne“ (Rede auf der Veranstaltung Fokus Schwein Münsterland, zitiert nach der Handelszeitung Vieh und Fleisch, Nr. 37, Seite 4 vom 15. September 2012), und, wenn ja, in welchem Zeitraum sieht die Bundesregierung dieses Wachstumspotenzial? Mittel- und Langfristig ist insbesondere aufgrund -demografischer Faktoren und veränderter Ernährungs-gewohnheiten infolge wirtschaftlicher Entwicklung in Schwellen- und Entwicklungsländern von einer steigenden globalen Nachfrage nach Fleisch auszugehen (Quelle: OECD-FAO Agricultural Outlook 2012–2021). Auch die deutschen Anbieter sowie die Anbieter aus der EU insgesamt werden an dieser Entwicklung partizipieren. Umfang und Zeithorizont sind jedoch noch nicht abschätzbar. In der Vergangenheit haben sich in Deutschland im Sektor Fleisch die Produktion und die Selbstversorgungsgrade moderat entwickelt. Anlage 59 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Bleser auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10736, Frage 76): Welche Annahmen über Steigerungsraten bei der Fleischproduktion in Deutschland liegen dem Fleischexportkonzept der Bundesregierung zugrunde, das zuletzt öffentlich bei der China-Reise von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel durch den Parlamentarischen Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Dr. Gerd Müller, vertreten wurde, und wo sieht die Bundesregierung die ökologischen Grenzen bei den Mastplatzzahlen im Vergleich zum heutigen Niveau? Im Vordergrund des Besuchs einer Reisedelegation des BMELV unter Leitung des Parl. Staatssekretärs Dr. Müller nach Peking in der Zeit vom 27. bis 31. August 2012 standen Fragen der Weiterentwicklung der deutsch--chinesischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Lebensmittelsicherheit durch Unterzeichnung von Kooperationsabkommen zwischen dem Bundesinstitut für -Risikobewertung, BfR, und dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, BVL, mit ihrer chinesischen Partnerbehörde. Auch wurden Absichtserklärungen über die Vertiefung der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Biogasnutzung und über eine Zusammenarbeit in den Bereichen Verbraucherschutz und Onlinehandel unterschrieben. Weitere Themen waren Fragen des Exports von Fleisch und von Tiergenetik. In Bezug auf das in der Frage angesprochene „Fleischexportkonzept“ ist anzumerken, dass sich der Fleischmarkt im Wesentlichen nach Maßgabe von Angebot und Nachfrage entwickelt. Nach Auffassung der Bundesregierung besteht keine Notwendigkeit und kein Bedarf an staatlichen „Fleischexportkonzepten“. Dies ist Sache der Wirtschaft. Tierhaltungen erreichen hinsichtlich ihrer Dimensionierung ihre ökologischen Grenzen, wenn insbesondere auf den zur Verfügung stehenden landwirtschaftlichen Nutzflächen eine ordnungsgemäße pflanzenbauliche Verwertung der anfallenden organischen Dünger nach guter fachlicher Praxis entsprechend dem Düngemittelrecht nicht mehr gewährleistet werden kann. Auch ist die Nachbarschaft von Tierhaltungsanlagen vor übermäßigen Geruchs- und Schadstoffemissionen zu schützen. Insofern bilden das Umwelt- und Landwirtschaftsrecht sowie das Baurecht, bestehend aus UVP-Gesetz, Bundes-Immissionsschutzgesetz, Wasserhaushalts- und Bodenschutzgesetz, Naturschutzgesetz, Kreislaufwirtschafts-Abfallgesetz und dem Düngemittelgesetz sowie dem Baugesetzbuch hier den rechtlichen Rahmen. Anlage 60 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Bleser auf die Frage des Abgeordneten Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10736, Frage 78): Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der am 19. September 2012 veröffentlichten Studie zu Folgeschäden aus der Verfütterung der glyphosattoleranten gentechnisch veränderten Maissorte NK603 an Ratten, und inwieweit wird die Bundesregierung die Initiative Frankreichs unterstützen, bis zur endgültigen Klärung der in der Studie beobachteten Risiken die Importzulassung von NK603 europaweit auszusetzen? Die von einer französischen Forschergruppe veröffentlichten Ergebnisse einer mehrjährigen Fütterungsstudie mit gentechnisch verändertem Mais werden in der Wissenschaft kontrovers diskutiert. Auf europäischer Ebene hat die Europäische Behörde für die Lebensmittelsicherheit, EFSA, angekündigt, die Relevanz der Ergebnisse der Studie zu überprüfen. Auch in Frankreich wird die Studie auf Veranlassung der Regierung überprüft. In Deutschland hat das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, BMELV, unmittelbar nach Bekanntwerden der Studie das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, BVL, und das Bundesinstitut für Risikobewertung, BfR, mit einer raschen Überprüfung beauftragt. Eine Entscheidung über Schlussfolgerungen und Konsequenzen aus der Studie kann erst nach Abschluss dieser Prüfungen erfolgen. Anlage 61 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Bleser auf die Frage des Abgeordneten Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10736, Frage 79): Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den in der Zeitschrift Öko-Test vom 31. August 2012 veröffentlichten Belastungen verschiedener Getreideprodukte mit Rückständen des Pestizidwirkstoffs Glyphosat, und welche Maßnahmen plant die Bundesregierung zur Verringerung der Glyphosatbelastungen für Mensch und Umwelt, die aus Rückständen in Futter- und Lebensmitteln und aus dem Einsatz glyphosathaltiger Pestizide auf öffentlichen Flächen wie Spielplätzen, Bahngleisen etc. resultieren? Pflanzenschutzmittel werden strengen Prüfungen und einem umfassenden Zulassungsverfahren unterzogen. Sie erhalten nur dann eine Zulassung, wenn bei sachgerechter und bestimmungsgemäßer Anwendung keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier und keine unvertretbaren Auswirkungen auf den Naturhaushalt zu erwarten sind. Zugelassene glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel wurden im Hinblick auf diese Aspekte intensiv geprüft und bewertet. Die Testergebnisse der von Öko-Test veröffentlichten Untersuchungen von verschiedenen Getreideerzeugnissen auf Glyphosat ergaben, wie auch von Öko-Test selbst ausgeführt, dass Glyphosat nur in Spuren in den untersuchten Getreideprodukten nachweisbar war und die gefundenen Gehalte weit unter den gesetzlichen Rückstandshöchstgehalten lagen. Im Übrigen findet zurzeit eine erneute Bewertung des Wirkstoffs Glyphosat auf EU-Ebene statt. Dabei werden alle verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse berücksichtigt. Das Ergebnis der Neubewertung bleibt abzuwarten, bevor über weitergehende Maßnahmen entschieden werden kann. Anlage 62 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Bleser auf die Frage des Abgeordneten Dirk Becker (SPD) (Drucksache 17/10736, Frage 80): Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus Forderungen vonseiten der Umweltschutzverbände, die -Förderung des Maiseinsatzes im Rahmen der Einsatzstoffvergütungsklasse I nach Anlage 2 der Biomasseverordnung zu streichen, um so dem sich ausweitenden Flächenverbrauch des Maises Einhalt zu gebieten (bitte begründen)? Die Bundesregierung hat mit der EEG-Novelle 2012 und der Änderung der Biomasseverordnung bereits ein ganzes Maßnahmenbündel beschlossen, um dem wachsenden Einsatz von Mais entgegenzuwirken. Dazu zählen unter anderem die Abschaffung der Koppelung von NawaRo-Bonus und Güllebonus, die Begrenzung des Maiseinsatzes auf 60 Prozent im Gärsubstrat, die Aufhebung des Ausschließlichkeitsprinzips und die höhere Vergütung von wünschenswerten Einsatzstoffen nach Einsatzstoffvergütungsklasse 2 sowie die besondere Förderung kleiner Gülleanlagen. Zudem fördert die Bundesregierung umfangreich die Forschung im Bereich alternativer Energiepflanzen. Weitere Änderungen der Biomasseverordnung sind erst im Rahmen der nächsten Überprüfung des EEG vorgesehen. Anlage 63 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) (Druck-sache 17/10736, Frage 81): Welche Unterstützung hat die Bundeswehr, BW, der -Produktion des Films Auslandseinsatz (Regie Till Endemann) zukommen lassen, und welche Kosten sind dabei entstanden? Das Bundesministerium der Verteidigung hat eine Unterstützung dieses Projekts durch die Bundeswehr am 1. Juni 2011 abgelehnt. Die Inhalte und die Darstellung im damals zur Verfügung gestellten Exposé wurden als unrealistisch bewertet. Im Vorfeld der Ablehnung kam es zu Sondierungen der Produktionsfirma mit regional eingesetztem Bundeswehr-Fachpersonal der Informationsarbeit. Nachdem dieses Personal Einblicke in das Projekt erhalten und erste Hinweise auf dessen Überarbeitung gegeben hatte, wurde die Produktionsfirma an das Bundesministerium der Verteidigung verwiesen. Am 31. Mai 2012 konkretisierte die Produktionsfirma in einer E-Mail die Unterstützungsleistung und übermittelte das Exposé mit Stand April 2011. Aufgrund der -bereits genannten Bewertung konnte aus medien- und pressefachlicher Sicht eine Unterstützung nicht gewährt werden. Die in Interviews des Regisseurs Till Endemann erwähnte Unterstützung durch Militärberater in Deutschland und beim Dreh in Marokko wurde nicht durch die Bundeswehr geleistet. Hierzu liegen dem Bundesministerium der Verteidigung keine Kenntnisse vor. Der Regisseur weist zudem darauf hin, dass er mit einem WDR-Team eine einsatzvorbereitende Kontingent-ausbildung besucht habe. Dieser Besuch fand im Juli 2011 statt. In welchem Rahmen dieses Team die Ausbildung besucht hat, wird derzeit geprüft. Der Bundeswehr sind keine Kosten durch eine Unterstützung der Produktion des Films entstanden. Anlage 64 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10736, Frage 82): Wie rechtfertigt die Bundesregierung die Rekrutierungsmaßnahmen der Bundeswehr im Rahmen der Nachwuchsgewinnung über die sogenannten Bw-Adventure Camps, die die Bundeswehr in den Alpen und auf Sardinien veranstaltet und die mit „Beach-Event“ und „Party“ locken und über das Jugendmagazin Bravo beworben werden und sich gezielt an 16- bis 21-Jährige, folglich auch an Minderjährige, richten, und wie vereinbart die Bundesregierung dies mit den Prinzipien der UN-Kinderrechtskonvention und den Schutzpflichten des Staates gegenüber Kindern, insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich Deutschland durch ein Zusatzprotokoll zur Kinderrechtskonvention verpflichtet hat, keine Minderjäh-rigen für die Armee anzuwerben, wenn sie nicht mindestens 17 Jahre alt sind und „über die mit dem Militärdienst verbundenen Pflichten umfassend aufgeklärt“ wurden (siehe Spiegel Online vom 18. September 2012, „Palmen, Party, Panzerfahren“)? Die Bw-Adventure Camps sind Veranstaltungen der Bundeswehr und richten sich unter Berücksichtigung des elterlichen Sorgerechts für Minderjährige an Jugendliche im Alter ab 16 Jahre. Es handelt sich um ein Informa-tionsangebot für Jugendliche in Liegenschaften der Bundeswehr mit jugendgerechtem Programm wie sportlichen Wettkämpfen, aber auch geselligem Beisammensein und offenem persönlichen Dialog mit Soldatinnen und Soldaten. Dort werden auch sensible Themen wie Auslandseinsätze thematisiert. Die Werbung für die Bw-Adventure Camps sowie die Einladung zu diesen Veranstaltungen verstoßen nicht gegen das Fakultativprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention und sind keine Rekrutierungsmaßnahmen. Es soll grundsätzliches Interesse geweckt werden und interessierte Jugendliche und junge Erwachsene sollen sich ein eigenes Bild machen können. Dem besonderen Schutzerfordernis bezüglich der Aufklärung über das Berufsbild eines Soldaten wird unter anderem durch eine persönliche Beratung durch die Wehrdienstberatung im Vorfeld eines möglichen – aber hiervon unabhängigen – späteren Bewerbungsverfahrens Rechnung getragen. Im Rahmen dessen klärt die Bundeswehr selbstverständlich „über die mit dem Militärdienst verbundenen Pflichten“ in Übereinstimmung mit dem Fakultativprotokoll zur UN-Kinderrechtsonvention Art. 3 Abs. 3 Buchstabe c) umfassend auf. Anlage 65 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage des Abgeordneten Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10736, Frage 83): Inwiefern besitzt die Bundeswehr Phosphorbomben, und für welche Zwecke werden diese vorgehalten? Die Bundeswehr besitzt keine Phosphorbomben und beabsichtigt auch nicht, derartige Bomben zu beschaffen. Lediglich in den derzeit verwendeten Übungsbomben sind sehr geringe Mengen roten Phosphors enthalten, der aber nicht als Brand- oder Sprengwirkmittel dient, sondern eine Signalwirkung erzeugen soll, um damit den Ausbildungsstand der Piloten bewerten zu können. Anlage 66 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des Abgeordneten Gustav Herzog (SPD) (Drucksache 17/10736, Frage 84): Wem wurde die Korridorstudie zur Entlastung des Mittelrheintals und zur ergebnisoffenen Prüfung von Neubau-strecken sowie betrieblicher und kapazitiver Lösungen für den Güterverkehr im Westkorridor übertragen, und wann rechnet die Bundesregierung mit der Vorlage der Ergebnisse? Der Auftrag zur Durchführung der Studie „Entwicklung einer verkehrlichen Konzeption für den Eisenbahnkorridor Mittelrheinachse/Rhein/Main–Rhein/Neckar– Karlsruhe“ wurde an die Bietergemeinschaft Intraplan Consult GmbH (Bevollmächtigter), BVU Beratergruppe Verkehr + Umwelt GmbH, SMA und Partner AG, Orleansplatz 5 a in 81667 München vergeben. Die Vorlage der Ergebnisse der Studie wird voraussichtlich Ende 2013 erfolgen. Anlage 67 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des Abgeordneten Gustav Herzog (SPD) (Drucksache 17/10736, Frage 85): Kann die Bundesregierung bestätigen, dass die im Rahmen der Organisationsreform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, WSV, in Außenstellen umgewandelten Wasser- und Schifffahrtsdirektionen sowie die Außenstellen der Wasser- und Schifffahrtsämter zum 31. Dezember 2020 geschlossen werden sollen, und wie vereinbart die Bundesregierung das mit der Zusage des Bundesministers für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, dass alle Standorte erhalten bleiben sollen? Das BMVBS beabsichtigt, alle Außenstellen der Wasser- und Schifffahrtsämter und der Wasser- und Schifffahrtsdirektionen bis zum 31. Dezember 2020 aufzulösen. Davon sind aber andere Organisationseinheiten der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung an diesen Stand-orten nicht betroffen. Anlage 68 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Fragen des Abgeordneten Uwe Beckmeyer (SPD) (Drucksache 17/10736, Fragen 86 und 87): Wie begründet die Bundesregierung das Vorgehen, im Rahmen der geplanten Reform der WSV bereits konkrete Schritte umzusetzen, wie die Bildung eines Arbeitsstabes, die Erkundung von möglichen Liegenschaften in Bonn, die Bekanntgabe der Schließung aller geplanten Außenstellen sowie der Direktionen der WSV sowie weitere Personalentscheidungen, bevor sich die Ausschüsse des Deutschen Bundestages mit dem 5. Bericht des BMVBS zur Reform der WSV befasst haben, und welche Personalressourcen hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung seit Oktober 2011 für die Reform der WSV eingesetzt (bitte monatsweise aufschlüsseln nach Stellen und Organisationseinheit)? Wann wird die Bundesregierung die zur Umsetzung der WSV-Reform erforderlichen Gesetze vorlegen, und wie beurteilt sie die Zustimmungsbereitschaft der Bundesländer zu ihren Plänen für eine Reform der Verwaltung und die Kategorisierung der Bundeswasserstraßen? Zu Frage 86: Die bisherigen Maßnahmen und Entscheidungen des BMVBS (Einrichtung des Arbeitsstabes, Suchauftrag an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben) dienen der Vorbereitung der Arbeitsaufnahme der Generaldirektion. Mit Ausnahme der Bestellung der Leitung und Mitglieder der Arbeitsgruppe sowie der Mitglieder der Lenkungsgruppe sind keine Personalentscheidungen vollzogen worden. Seit dem 1. November 2010 hat das BMVBS 15 Beschäftigte des Ministeriums und der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, WSV, für die Untersuchungen und die Vorbereitung der Berichte an den Deutschen Bundestag eingesetzt. Weitere circa 50 Beschäftigte des Außenbereichs, der Ämter und der Wasser- und Schifffahrtsdirektionen, WSDen, wurden mit der Aufgabenerfassung und -bewertung (Aktualisierung des Kernaufgabengutachtens) beauftragt. Seit dem 7. September 2012 sind 39 Beschäftigte des BMVBS und der WSDen zu Mitgliedern der Arbeitsgruppe „Umsetzung der WSV-Reform“ bestellt worden. Zu Frage 87: Das Rechtsbereinigungsgesetz soll dem Deutschen Bundestag noch im Jahr 2012 vorgelegt werden. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Bundesländer die aufgrund der begrenzten Ressourcen notwendige Kategorisierung der Bundeswasserstraßen akzeptieren, nachdem die Ergebnisse des gemeinsam mit den Ländern beauftragten Gutachtens bei der Netzstruktur und der Priorisierung berücksichtigt wurden. Bei der Organisation der WSV handelt es sich um eine reine Bundesaufgabe. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Bundesländer bei entsprechenden Bewertungen die verfassungsrechtliche Kompetenzordnung beachten. Anlage 69 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des Abgeordneten Ulrich Kelber (SPD) (Drucksache 17/10736, Frage 91): Mit welcher Auslastung rechnen Bundesregierung und EU-Kommission auf den Güterverkehrskorridoren 2 (Rhein) und 1 (Ostfrankreich) in den kommenden fünf Jahren, und für welche Langfristprognose werden die Strecken ausgerichtet? Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, BMVBS, verfügt über Verkehrsprognosen für die Jahre 2015 und 2025. Da es sich um Punktprognosen handelt, kann über das Jahr 2017/18 keine Auskunft zur Auslastung der Schienenstrecken gegeben werden. Über entsprechende Prognosen der EU-Kommission ist dem BMVBS nichts bekannt. Über Informationen zum prognostizierten Grad der Auslastung der ostfranzösischen Parallelstrecke zur Rheintalbahn verfügt das BMVBS nicht. Nach den Erkenntnissen aus der Überprüfung des Bedarfsplans für die Bundesschienenwege im Jahre 2010 rechnet das BMVBS im Prognosejahr 2025 für den deutschen Teil des Schienengüterverkehrskorridors Rotterdam–Genua mit zahlreichen überlasteten Streckenabschnitten, sofern der weitere Ausbau dieses Korridors nicht fortgesetzt würde. Nach Umsetzung der in der Bedarfsplanüberprüfung untersuchten Schienenaus- und -neubauprojekte werden die meisten Engpässe aufgelöst. Es verbleiben allerdings einige Engpässe zwischen Köln und Karlsruhe, die mit aktuellen Bedarfs-planmaßnahmen nicht vollständig beseitigt werden können. Genaueres zu den Engpassanalysen des Prognosejahres 2025 kann dem Gutachterlichen Abschlussbericht der Überprüfung des Bedarfsplans für die Bundesschienenwege vom November 2010 (Engpassanalyse im Bezugsfall: Kap. 5.8, insbesondere Seiten 5-47, 5-48; Engpassanalyse im Zielnetz: Kap. 7.7, Seiten 7-38 bis 7-41) entnommen werden. Anlage 70 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10736, Frage 92): Welche Streckenabschnitte von Bundesfernstraßen – geordnet nach Bundesländern – sind nach aktuellem Stand von der Alkali-Kieselsäure-Reaktion betroffen, und welche Streckenabschnitte – ebenfalls nach Bundesländern geordnet – konnten bereits saniert werden? Meldungen über gutachterlich nachgewiesene Schadensfälle bedingt durch eine schädigende Alkali-Kieselsäure-Reaktion, AKR, sowie visuell festgestellte Verdachtsfälle, die auf eine mögliche AKR schließen lassen, liegen dem BMVBS aus Sachsen-Anhalt, ST, Brandenburg, BB, Hessen, HE, Sachsen, SN, und Berlin, BE, vor. Die nachfolgend aufgeführten Angaben beinhalten Strecken mit ersten charakteristischen Anzeichen einer möglichen AKR, laufenden gutachterlichen Untersuchungen sowie bestätigten AKR-Schäden. Im Bereich der Bundesfernstraßen sind in ST insgesamt 220 Kilometer Richtungsfahrbahn betroffen. -Davon sind bis Ende 2012 auf 160 Kilometern erhaltende oder instand setzende Maßnahmen durchgeführt worden. In BB wurden insgesamt 172 Kilometer Richtungsfahrbahn gemeldet, bis 2010 wurden davon 58 Kilometer saniert. In HE wurden 66 Kilometer Richtungsfahrbahn gemeldet, es ist beabsichtigt, in 2013 die letzten Abschnitte instand zu setzen. Der in Sachsen gutachterlich bestätigte Schaden auf der A 14 zwischen den AS Mutzschen und AS Leisnig wurde in 2011 instand gesetzt. Der Verdachtsfall auf der A113 in Berlin zwischen den Anschlussstellen Späthstraße und Adlershof muss noch weiterführend untersucht werden. Es sei hier nochmals darauf hingewiesen, dass der Nachweis einer schädigenden Reaktion an Betonfahrbahndecken durch AKR durch spezielle, zeitlich aufwändige Untersuchungen erbracht werden muss, da das charakteristische Rissbild einer AKR auch durch andere Schädigungsprozesse verursacht werden kann. Im Ergebnis haben sich in den letzten Jahren die Informationen über Streckenabschnitte, für die Verdacht auf Schädigung durch AKR besteht, für die diese Schadensursache nachgewiesen wurde und an denen Erhaltungsmaßnahmen durchgeführt wurden, zum Teil bereits auch an Verdachtsstrecken ohne diesen Nachweis, überschnitten. Aus diesem Grund können keine gesicherten Zahlen zur Länge der von AKR betroffenen Streckenabschnitte, geordnet nach Bundesländern, genannt werden. Anlage 71 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10736, Frage 93): Wie ist der Verhandlungsstand zum Notifizierungsverfahren für Beihilfen für den BER, und welcher Zeitplan zeichnet sich aus Sicht der Bundesregierung ab? Die Arbeitsebenen der Bundesregierung und der EU-Kommission erörtern derzeit die zweckmäßigste Herangehensweise an eine Notifizierung. Der Zeitbedarf für das förmliche Verfahren hängt im Wesentlichen von den hierbei zu erledigenden einzelnen Arbeitsschritten ab und kann daher derzeit noch nicht benannt werden. Anlage 72 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage der Abgeordneten Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10736, Frage 94): Mit welchen Aufgaben und Zielen ist die „Soko Flughafen“ im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung hinsichtlich der Bauverzögerungen am Flughafen Berlin Brandenburg, BER, versehen worden, und welche Ergebnisse hat ihre Arbeit bislang gezeitigt? Die Sonderkommission „Flughafen Berlin Brandenburg (BER)“ prüft, welche Maßnahmen durch die Verschiebung der Inbetriebnahme des Flughafens BER im Geschäftsbereich des BMVBS erforderlich sind und welche Auswirkungen sich für den Anteilseigner Bund an der Flughafengesellschaft (Land Berlin 37 Prozent, Land Brandenburg 37 Prozent, Bund 26 Prozent) ergeben. Dabei geht es um die Untersuchung von Auswirkungen und Lösungen zu den den Bund betreffenden Fragen im Hinblick auf einen reibungslosen interimistischen Flugbetrieb an den bisherigen Standorten Tegel und Schönefeld, die Inbetriebnahme des BER (insbesondere Vorliegen der verkehrlichen Voraussetzungen und der benötigten Infrastruktur) sowie die Finanzierungsproblematik. In den bisher 17 Sitzungen wurden zahlreiche Einzelfragen besprochen und erfolgreich abgestimmt, zuletzt zum Beispiel bezüglich der Gespräche mit der Europäischen Kommission, der haushälterischen Problematik, der Flugsicherung und der Zuganbindung. Zudem konnten alle das BMVBS betreffenden Maßnahmen für den einstweiligen Weiterbetrieb der Flughäfen Tegel und Schönefeld sichergestellt werden (Start- und Landezeiten, Slots, Flughafenkoordination, Deutsche Flugsicherung, Deutscher Wetterdienst). Anlage 73 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Fragen der Abgeordneten Ute Kumpf (SPD) (Drucksache 17/10736, Fragen 97 und 98): Hat der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, gegenüber Vertretern der Landesregierung Baden-Württemberg die Ergänzung des vorliegenden Staatsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Auswirkungen des Betriebs des Flughafens Zürich auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland durch eine sogenannte Denkschrift zugesagt, und, wenn ja, was wird der Inhalt sein? Wann wird die Bundesregierung einen Entwurf der Denkschrift als Ergänzung zum vorliegenden Staatsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Auswirkungen des Betriebs des Flughafens Zürich auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland vorlegen, und welche Institutionen im Bund, im Land Baden-Württemberg und in den betroffenen Landkreisen in Südbaden werden an der Erarbeitung beteiligt? Zu Frage 97: Der Vertrag bedarf der Ratifizierung durch ein Vertragsgesetz. Nach der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien, GGO, bedarf die Regierungsvorlage im Anschluss an die Begründung des Vertragsgesetzes und an die Wiedergabe des Vertragstextes einer sogenannten Denkschrift. In ihr sind Bedeutung, Zweck und Geschichte des Vertrages sowie die Gründe für den Vertragsschluss darzulegen. Des Weiteren sind die einzelnen Vertragsbestimmungen nach ihrem Inhalt, ihren Zusammenhang mit anderen Regelungen und in ihren Auswirkungen darzustellen. Es ist keinesfalls möglich, hiermit eine „Ergänzung“ des vorliegenden Staatsvertrages vorzunehmen. Zu Frage 98: Es ist beabsichtigt, Ländern und Verbänden den Entwurf des Vertragsgesetzes (einschließlich der „Denkschrift“) im Rahmen des Ratifizierungsverfahrens sobald als möglich zur Stellungnahme zuzuleiten. Ende des Jahres soll er dem Kabinett vorgelegt werden. Anschließend ist die Befassung von Bundestag und Bundesrat im ersten Halbjahr 2013 vorgesehen. Bei der Erarbeitung der „Denkschrift“ wurde dem Land Baden-Württemberg, den Landkreisen Waldshut, Konstanz und Schwarzwald-Baar Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Anlage 74 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) (Drucksache 17/10736, Fragen 99 und 100): Welche der nachfolgenden, in der Europäischen Union verbotenen Chemikalien enthält die Ladung der „MSC Flaminia“ in welchen Mengen: Kampfstoffe wie weißer Phosphor, Raketentreibmittel, verbotene Kältemittel wie Tetrafluorethan, Synthesestoffe für Pestizide oder andere in der Europäischen Union verbotene Substanzen? Schließt die Bundesregierung aus, dass der Transport der Ladung der „MSC Flaminia“ einen Verstoß gegen internationale Regelungen wie das Rotterdamer Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährlichen Chemikalien (PIC-Konvention) oder eine Lieferung von Kampfstoffen/Kampfstoffvorprodukten in Krisenländer darstellt (Begründung)? Dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung liegen hinsichtlich der angefragten Stoffe keine Erkenntnisse vor. Die Ladeliste wurde zur diesbezüglichen Überprüfung dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sowie dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie übersandt. Ergebnisse liegen noch nicht vor. Aus den genannten Gründen können zum derzeitigen Zeitpunkt auch keine Aussagen über eventuelle Verstöße gegen internationale Regelungen gemacht werden. 23310 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 194. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 26. September 2012 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 194. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 26. September 2012 23311 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung – 4. April 2003 4 23338 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 194. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 26. September 2012 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 194. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 26. September 2012 23337