Plenarprotokoll 17/221 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 221. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 20. Februar 2013 I n h a l t : Zur Geschäftsordnung Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung Nachträgliche Ausschussüberweisung Tagesordnungspunkt 1: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der beruflichen Aus- und Weiterbildung in der Altenpflege (Drucksache 17/12327) Tagesordnungspunkt 2: Befragung der Bundesregierung: Verordnung zur Markttransparenzstelle für Kraftstoffe; weitere Fragen Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Manfred Grund (CDU/CSU) Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Wolfgang Tiefensee (SPD) Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Ralph Lenkert (DIE LINKE) Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Ralph Lenkert (DIE LINKE) Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Tagesordnungspunkt 3: Fragestunde (Drucksache 17/12342) Mündliche Frage 1 Andrea Wicklein (SPD) Reduzierung des messbaren Erfüllungsaufwandes Antwort Eckart von Klaeden, Staatsminister BK Zusatzfragen Andrea Wicklein (SPD) Mündliche Frage 2 Ralph Lenkert (DIE LINKE) Behandlung der Konzessionsrichtlinie der EU im Trilogverfahren Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Zusatzfragen Ralph Lenkert (DIE LINKE) Andrej Hunko (DIE LINKE) Mündliche Frage 3 Ralph Lenkert (DIE LINKE) Abstimmungsverhalten der Bundesregierung in Rat und Kommission der EU zum vorliegenden Entwurf der Konzessionsrichtlinie Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Zusatzfragen Ralph Lenkert (DIE LINKE) Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Wolfgang Tiefensee (SPD) Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) Andrej Hunko (DIE LINKE) Mündliche Frage 4 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Veröffentlichung des Gutachtens der -Prognos AG zur Umsetzung von Art. 7 der EU-Energieeffizienzrichtlinie Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Zusatzfragen Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 5 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gesetzliche Regelungen bei der Förderung von unkonventionellem Erdgas (Fracking) Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Zusatzfragen Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ralph Lenkert (DIE LINKE) Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 6 Andrej Hunko (DIE LINKE) Verbot der Privatisierung der Trinkwasserversorgung auf EU-Ebene Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Zusatzfragen Andrej Hunko (DIE LINKE) Ralph Lenkert (DIE LINKE) Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Wolfgang Tiefensee (SPD) Mündliche Frage 7 Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) Umsetzung der Koalitionsvereinbarung zum Ausbau der Elektromobilität Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Zusatzfragen Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) Mündliche Frage 8 Wolfgang Tiefensee (SPD) Stärkung der KfW als Mittelstandsbank Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Zusatzfragen Wolfgang Tiefensee (SPD) Mündliche Frage 9 Wolfgang Tiefensee (SPD) Kürzung der Mittel der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftstruktur“ Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Zusatzfragen Wolfgang Tiefensee (SPD) Mündliche Fragen 26 und 27 Martin Dörmann (SPD) Auskunftspflicht der öffentlichen Behörden als prinzipielle Forderung aus Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Zusatzfragen Martin Dörmann (SPD) Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD: Haltung der Bundesregierung zum Missbrauch von Leiharbeit im Lichte der Berichte über Vorfälle bei Amazon Anette Kramme (SPD) Karl Schiewerling (CDU/CSU) Jutta Krellmann (DIE LINKE) Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gitta Connemann (CDU/CSU) Michael Roth (Heringen) (SPD) Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) Klaus Barthel (SPD) Paul Lehrieder (CDU/CSU) Zusatztagesordnungspunkt 2: a) Antrag der Bundesregierung: Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Beteiligung an der EU-geführten militärischen Ausbildungsmission EUTM Mali auf Grundlage des Ersuchens der Regierung von Mali sowie der Beschlüsse 2013/34/GASP des Rates der Europäischen Union (EU) vom 17. Januar 2013 und vom 18. Februar 2013 in Verbindung mit den Resolutionen 2071 (2012) und 2085 (2012) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Drucksache 17/12367) b) Antrag der Bundesregierung: Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Unterstützung der Internationalen Unterstützungsmission in Mali unter afrikanischer Führung (AFISMA) auf Grundlage der Resolution 2085 (2012) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Drucksache 17/12368) Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister BMVg Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Rainer Arnold (SPD) Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister AA Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Philipp Mißfelder (CDU/CSU) Christoph Strässer (SPD) Florian Hahn (CDU/CSU) Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU) Nächste Sitzung Berichtigung Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Mündliche Frage 10 Ingo Egloff (SPD) Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der maritimen Wirtschaft Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 3 Mündliche Frage 11 Ingo Egloff (SPD) Flächendeckende Breitbandversorgung der Privathaushalte Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 4 Mündliche Frage 12 Rolf Hempelmann (SPD) Maßnahmen der Bundesregierung zum Abschluss der Doha-Welthandelsrunde Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 5 Mündliche Frage 13 Klaus Barthel (SPD) Verantwortungsbewusste Genehmigungspolitik für die Ausfuhr von Rüstungsgütern Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 6 Mündliche Frage 14 Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verkauf von Rüstungsgütern an Usbekistan durch Großbritannien im Rahmen des ISAF-Abzugs und gemeinsame Absprachen unter den beteiligten Staaten Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 7 Mündliche Frage 15 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Aus Deutschland exportierte und in den USA für Privatpersonen käufliche Schusswaffen Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 8 Mündliche Frage 16 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Programme, Strategien und Neubauvorhaben betreffend Atomkraft in Europa Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 9 Mündliche Frage 17 Dr. Rolf Mützenich (SPD) Menschenrechtslage in Saudi-Arabien; Rolle Saudi-Arabiens bei der materiellen Unterstützung gewaltbereiter islamischen Gruppierungen Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 10 Mündliche Frage 18 Dr. Rolf Mützenich (SPD) Flugverbotszone über Syrien Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 11 Mündliche Frage 20 Niema Movassat (DIE LINKE) Kritik an Äußerungen des deutschen Botschafters in Namibia Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 12 Mündliche Frage 22 Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ausrichtung des EU-Haushalts auf wachstums- und beschäftigungsfördernde Investitionen Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 13 Mündliche Frage 23 Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zahlungsverpflichtungen Griechenlands an die EU in den Jahren 2014 bis 2020 Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 14 Mündliche Frage 28 Ulla Jelpke (DIE LINKE) Kontakte der ukrainischen Partei Swoboda zu anderen rechtsnationalistischen Parteien in Europa Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 15 Mündliche Frage 29 Andrej Hunko (DIE LINKE) Ergebnis der EU-Studie zum Europäischen Kriminalaktennachweissystem (EPRIS) und Eignung anderer Systeme Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 16 Mündliche Frage 30 Brigitte Zypries (SPD) Änderungsvorschläge für den Gesetzesentwurf gegen Abmahnmissbrauch und unseriöse Geschäftspraktiken in der Kulturwirtschaft Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Anlage 17 Mündliche Frage 31 Brigitte Zypries (SPD) Warnhinweismodell als Alternative gegen Bagatellisierung von Rechtsverletzungen in der Kulturwirtschaft Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Anlage 18 Mündliche Fragen 32 und 33 Gerold Reichenbach (SPD) Berücksichtigung des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) bei der Ressortabstimmung zum Gesetzentwurf gegen unseriöse Geschäftspraktiken und Handhabe des vorgesehenen Abmahndeckels Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Anlage 19 Mündliche Fragen 34 und 35 Kerstin Tack (SPD) Wirksame Begrenzung missbräuchlicher Abmahnungen Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Anlage 20 Mündliche Frage 36 Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zeitliche Begrenzung der Modernisierungsumlage nach § 559 BGB und Verlängerung des Zeitraums zur Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Anlage 21 Mündliche Frage 37 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Unterstützung des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Krefeld gegen Hartmut Hopp und Entschädigung der Opfer von Colonia Dignidad Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Anlage 22 Mündliche Frage 38 Andrea Wicklein (SPD) Einführung steuerlicher Forschungsförderung in der 17. Legislaturperiode Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 23 Mündliche Frage 39 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Berücksichtigung der unecht rückwirkenden Anhebung des Grundfreibetrags bei bereits festgesetzten Einkommensteuervo-rauszahlungen und Ermessensspielraum der Finanzbehörden Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 24 Mündliche Frage 40 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Zusätzliche Bürokratiekosten für die Verwaltung bzw. Wirtschaft bei Anwendung der Einkommensteuer-Änderungsrichtlinien 2012 und Änderungsvorschlag des Bundesrates bzgl. der steuerlichen Bewertung nach Rückstellungen Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 25 Mündliche Frage 41 Dr. Axel Troost (DIE LINKE) Aktuelles System des Länderfinanzausgleichs Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 26 Mündliche Frage 42 Dr. Axel Troost (DIE LINKE) Einhaltung von Mindeststandards für verantwortungsvolles Handeln im Steuerbereich gemäß OECD-Standard durch Drittländer Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 27 Mündliche Frage 43 Veronika Bellmann (CDU/CSU) Leistungen nach dem SGB II über die Dauer einer dreijährigen schulischen Ausbildung Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 28 Mündliche Frage 44 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zeitplan und Finanzierung der Forschung zur Verringerung der Wettbewerbsnachteile heimischer Eiweißpflanzen im Rahmen der Eiweißpflanzenstrategie Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 29 Mündliche Fragen 45 und 46 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Wirtschaftlicher Schaden durch den Pferdefleischskandal und weitergehende Deklarationspflichten für Zutaten in Fertigprodukten Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 30 Mündliche Frage 47 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Pläne und Erfolgsaussichten der militärischen Ausbildungshilfe in Mali Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 31 Mündliche Frage 48 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Aufbau einer funktionsfähigen Luftwaffe der afghanischen Streitkräfte Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 32 Mündliche Frage 49 Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) Schweizer Modellprodukt zur Erlaubnis für Physiotherapeuten zur Abweichung von der Verordnung des behandelnden Arztes Antwort Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin BMG Anlage 33 Mündliche Frage 50 Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) Entscheidung über die Erbringung von Heilmitteln durch den Arzt anstatt durch den Heilmittelerbringer Antwort Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin BMG Anlage 34 Mündliche Fragen 51 und 52 Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kostenexplosion beim Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 und Konsequenzen Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 35 Mündliche Frage 53 Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Nutzung von Dossiers und Sprechzetteln der untersten Ebene des BMVBS durch Bundesminister Dr. Peter Ramsauer; Einrichtung einer Sonderkommission „Stuttgart 21“ Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 36 Mündliche Frage 54 Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zuwendungen für Projekte im Rahmen der Schaufenster Elektromobilität Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 37 Mündliche Fragen 55 und 56 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Barrierefreiheit im nationalen und grenzüberschreitenden Fernbuslinienverkehrs Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 38 Mündliche Frage 57 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Festsetzung von Standards zur Barrierefreiheit für die Verkehrsinfrastruktur des Bundes Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 39 Mündliche Frage 58 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Projektanmeldungen von Ländern und Institutionen für den Bundesverkehrswegeplan 2015 Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 40 Mündliche Frage 59 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Notifizierung über die in Europa laufenden Programme, Strategien und Neubauvorhaben zu Atomkraft und Verfahrensbeteiligung Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 41 Mündliche Fragen 60 und 61 Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Transport von Brennelementen des russischen Kernkraftwerks Baltijskaja Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 42 Mündliche Frage 62 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Wassermanagement im Flusssystem von Spree und Dahme Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 43 Mündliche Fragen 63 und 64 Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Stützung des europäischen Emissionshandels Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 44 Mündliche Frage 65 Niema Movassat (DIE LINKE) Entwicklungszusammenarbeit mit Ruanda Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Inhaltsverzeichnis 221. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 20. Februar 2013 Beginn: 13.00 Uhr Vizepräsident Eduard Oswald: Ich grüße Sie sehr herzlich und wünsche uns gemeinsam einen schönen Nachmittag. Die Sitzung ist eröffnet. Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, müssen wir einen Geschäftsordnungsantrag behandeln. Die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP haben fristgerecht beantragt, die heutige Tagesordnung um die erste Beratung der Anträge der Bundesregierung zur Entsendung deutscher Streitkräfte nach Mali – das sind die Drucksachen 17/12367 und 17/12368 – zu erweitern. Die Vorlagen sollen heute als letzter Punkt mit einer Debattenzeit von einer Stunde beraten werden. Wortmeldungen zu diesem Geschäftsordnungsantrag liegen mir nicht vor. Wir kommen daher gleich zur Abstimmung. Wer stimmt für den Aufsetzungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP? – Das sind die Koalitionsfraktionen, die Fraktion der Sozialdemokraten und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Gegenprobe! – Das ist die Fraktion Die Linke. Vorsichtshalber: Enthaltungen? – Keine. Der Aufsetzungsantrag ist angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der beruflichen Aus- und Weiterbildung in der Altenpflege – Drucksache 17/12327 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f) Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO Eine Aussprache ist für heute nicht vorgesehen. Wir kommen daher gleich zur Überweisung. Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 17/12327 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann haben wir gemeinsam die Überweisung so beschlossen. Wir kommen noch zu einer nachträglichen Ausschussüberweisung: Zwischen den Fraktionen ist vereinbart, den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf Drucksache 17/12179, der bereits am 31. Januar 2013 (219. Sitzung) an die Ausschüsse überwiesen wurde, nachträglich an den Haushaltsausschuss (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann haben wir gemeinsam die Überweisung so beschlossen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 2 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Verordnung zur Markttransparenzstelle für Kraftstoffe. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Kollege Hans-Joachim Otto. Bitte schön, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 12. Dezember vergangenen Jahres ist eine Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in Kraft getreten, wonach künftig jede Preisänderung an den Tankstellen der Markttransparenzstelle für Kraftstoffe gemeldet werden muss. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hat zur Umsetzung dieses Gesetzes gestern die Verordnung zur Markttransparenzstelle für Kraftstoffe vorgelegt. Die Markttransparenzstelle stärkt den Wettbewerb auf den Kraftstoffmärkten in zweierlei Hinsicht: Zum einen wird der Autofahrer auf der Basis von aktuellen, flächendeckenden und zuverlässigen Informationen über die Preise an den umliegenden Tankstellen künftig in der Lage sein, gezielt die günstigste Tankstelle anzusteuern. Das erhöht natürlich den Wettbewerbsdruck und hoffentlich auch die Preise. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Was? Das erhöht die Preise? – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Freud lässt grüßen!) – Nein, das erhöht nicht die Preise; das erhöht den Wettbewerbsdruck und verhindert weitere Preiserhöhungen. Zum anderen werden es die von der Markttransparenzstelle erhobenen Daten dem Bundeskartellamt künftig leichter ermöglichen, effektiv gegen missbräuchliche Praktiken der Mineralölkonzerne am Kraftstoffmarkt vorzugehen, zum Beispiel gegen die sogenannte Preis-Kosten-Schere bei der Belieferung freier Tankstellen. In diesem Zusammenhang muss ich allerdings darauf hinweisen, dass die Preis-Kosten-Schere im Moment deshalb nicht wirksam vom Bundeskartellamt bekämpft werden kann, weil der Bundesrat bisher noch die achte Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen blockiert. Namens der Bundesregierung kann ich nur dazu aufrufen, hier sehr schnell zu einer Lösung zu kommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Verordnung schafft die technischen Voraussetzungen, damit das Bundeskartellamt die Markttransparenzstelle einrichten kann. Aktuelle Preise von Kraftstoffen der Sorten Super E5, Super E10 und Diesel sind künftig innerhalb von fünf Minuten nach ihrer Änderung elektronisch zu melden. Die Markttransparenzstelle stellt die Daten dann kostenlos und elektronisch Verbraucherinformationsdiensten zur Verfügung. Das können der ADAC und andere Automobilklubs sein, das können Hersteller von Navigationsgeräten, Anbieter von Smartphone-Apps oder Anbieter von Internetseiten sein. Diese Anbieter können wiederum geeignete Programme und Applikationen anbieten, die den Autofahrern aktuelle und standortbezogene Auskünfte über die Kraftstoffpreise ermöglichen. Um die Betreiber ganz kleiner Tankstellen nicht übermäßig mit Bürokratie zu belasten, kann die Markttransparenzstelle diese von der Meldepflicht befreien. Die Verordnung bedarf nunmehr noch der Zustimmung des Bundestages. Angesichts der Bedeutung der Markttransparenzstelle für die Verbraucherinnern und Verbraucher geht die Bundesregierung davon aus, dass der Bundestag sehr rasch der Verordnung zustimmen wird. Ich bin deshalb zuversichtlich, dass die neue Markttransparenzstelle für Kraftstoffe noch vor Beginn der Sommerferien ihre Arbeit aufnehmen kann. Ich kann Ihnen jedenfalls versichern, dass beim Bundeskartellamt bereits mit Hochdruck an der technischen Umsetzung gearbeitet wird. Herr Präsident, das war mein knapper Bericht. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. Jetzt schauen wir einmal, ob die Fragestellungen auch knapp sind. – Als Erstes gebe ich Frau Kollegin Schwarzelühr-Sutter das Wort zur Fragestellung. Bitte schön, Frau Kollegin. Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD): Sehr geehrter Herr Staatssekretär, ich möchte an das anknüpfen, was Sie am Ende Ihrer Rede gesagt haben. Bis wann rechnen Sie mit der technischen Umsetzung? Kann der Verbraucher zum Beispiel damit rechnen, dass bis Ostern Transparenz geschaffen wird und er einen Überblick über die Benzinpreise erhält? Worin liegt für den Verbraucher tatsächlich der Vorteil? Sie verfügen jetzt vielleicht über aktuelle Informationen und sehen, wie flächendeckend die Preise steigen; aber damit wird nicht vermittelt, ob eine Manipulation vorliegt und eine Absprache der Preise stattfindet. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Frau Kollegin, Sie haben mir mehrere Fragen gestellt. Zur ersten Frage, bis wann das technisch möglich sein wird: Wir gehen davon aus – das habe ich schon gesagt –, dass wir bis zum Beginn der Sommerferien alles hinbekommen werden. Es liegt allerdings in der gemeinsamen Verantwortung von uns Abgeordneten, dass der Bundestag dieser Verordnung zustimmt. Die Markttransparenzstelle wird dann ihre Arbeit aufnehmen. Wie schnell die jeweiligen Anbieter – also die Anbieter von Apps wie „clever-tanken“, der ADAC, die Anbieter von Naviga-tionsgeräten – es technisch umsetzen, liegt natürlich nicht in der Hand der Bundesregierung; aber da Vorarbeiten geleistet wurden, sind wir zuversichtlich, dass wir es jedenfalls noch vor den Sommerferien hinbekommen. Ihre zweite Frage war, welchen Nutzen die Verbraucher haben. Ich glaube schon, dass der Nutzen für die Verbraucher deutlich ansteigen wird, weil jetzt gewährleistet ist, dass alle Tankstellenbetreiber flächendeckend innerhalb von fünf Minuten Preisänderungen anzeigen. Das hat es bisher nicht gegeben. Bisher mussten erst die Daten eingepflegt werden. Nun gibt es auch wesentlich zuverlässigere Informationen. Wir gehen davon aus, dass dadurch die Transparenz für die Verbraucherinnen und Verbraucher, also für die Autofahrer, wesentlich verbessert wird. Zu Ihrer dritten Frage: Lassen die von SPD und Grünen regierten Bundesländer die 8. GWB-Novelle im Bundesrat passieren, dann ist das Bundeskartellamt in der Tat in der Lage, missbräuchliche Praktiken der Mineralölkonzerne schneller zu erkennen, weil es die Daten schneller erhält. Daher mein Appell an Sie – Sie kommen ja aus Baden-Württemberg –: Sie können auf Ihre Landesregierung sicherlich segensreich einwirken. Der Landeswirtschaftsminister ist aus Ihrer Partei. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Das schmerzt!) – Nein, das ist Ihre Aufgabe, nicht meine. – Er wird sicherlich wissen, dass es sehr vorteilhaft wäre, wenn die 8. GWB-Novelle bald in Kraft treten kann. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. – Nächster Fragesteller ist unser Kollege Stephan Kühn. Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herzlichen Dank. – Der Minister hat eine Benzinpreisbremse angekündigt, aber herausgekommen ist eine Benzinpreis-App. Das ist nichts Revolutionäres; denn es gibt – Sie haben es schon angesprochen – bereits -mehrere Apps und Portale wie „clever-tanken“ oder TankCheck.de, die dem Verbraucher die Preise anzeigen. Herr Staatssekretär, dazu habe ich folgende Frage. Sie haben das Thema „flächendeckende Information für den Verbraucher“ angesprochen. Sie haben nun eine Bagatell- und Härtefallklausel eingeführt, die vorsieht, dass bestimmte Tankstellen von der Pflicht befreit werden, die Preise zu nennen. Die Grenze dafür soll bei 1 000 Kubikmeter Kraftstoffabsatz pro Jahr liegen. -Experten sagen, das würde insbesondere im ländlichen Raum dazu führen, dass für den Verbraucher weiße Flecken entstehen, weil das Netz dort bekanntlich weniger dicht ist und die Absatzmengen bei Tankstellen im ländlichen Raum ebenfalls geringer sind. Können Sie mir den Grund dafür nennen, dass bei genau 1 000 Kubikmetern die Grenze gezogen wurde? Wie beurteilen Sie die Auswirkung dieser Grenze insbesondere auf den ländlichen Raum? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Lieber Kollege Kühn, die Bundesregierung ist sich der Tatsache bewusst, dass die elektronische Meldung jeder Kraftstoffpreisänderung gerade für kleinste Tankstellen eine gewisse bürokratische Erschwernis darstellt. Deswegen haben wir uns nach vielfältigen Rücksprachen und Anhörungen dafür entschieden, eine solche Bagatellgrenze einzuführen. Alle Informationen, über die wir bisher verfügen, insbesondere vom Verband der Freien Tankstellen, deuten darauf hin, dass sich selbst die kleinsten Tankstellen freiwillig an der Meldung beteiligen werden, weil es von Vorteil ist, wenn man für die Verbraucher sichtbar ist. Wenn eine Tankstelle in einer App oder auf den entsprechenden Portalen nicht zu sehen ist, dann werden die Autofahrerinnen und Autofahrer diese Tankstelle nicht ansteuern. Ich möchte Ihnen auch noch sagen, lieber Kollege: Es ist nicht nur eine App. Es geht um eine erhöhte Transparenz für alle Marktteilnehmer. Das wird zu einem Wettbewerbsdruck führen. Deswegen sollten Sie das nicht so geringschätzen, sondern mit uns dafür streiten, dass mit dieser erhöhten Transparenz für die Verbraucherinnen und Verbraucher und für das Preisniveau einiges Positive bewirkt werden wird. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. – Nächste Fragestellerin Frau Kollegin Dagmar Enkelmann. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, das war offenkundig die zentrale Frage, mit der sich das Kabinett heute beschäftigt hat. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Gestern. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Oder gestern. – Das Problem ist doch nicht die Information. Der Kollege hat bereits darauf hingewiesen – sozusagen als Werbeblock –, wo man im Internet beispielsweise günstige Tankstellen finden kann. Das Hauptproblem sind doch die Preisabsprachen zwischen den Konzernen, wodurch zwischen den Tankstellen kaum Preisunterschiede bestehen. Ich frage Sie: Was wollen Sie konkret gegen die Preisabsprachen der Konzerne machen? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Liebe Frau Kollegin Enkelmann, wie Sie wissen, ist das Bundeskartellamt beauftragt, solche Preisabsprachen zu bekämpfen. Das Bundeskartellamt ist in dieser Frage äußerst engagiert. Es hat große Untersuchungen vorgenommen, die ergeben haben: Solche Preisabsprachen, wie Sie sie hier behaupten, konnten nicht festgestellt werden. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ach Gott! So naiv kann man nicht sein!) Die Maßnahmen für mehr Transparenz, die wir jetzt ergreifen, sind jedenfalls durchaus geeignet, dass das Bundeskartellamt missbräuchliche Preisabsprachen bekämpfen kann, da es ja zusätzliche Informationen und Hinweise erhält. Sie nehmen bitte auch zur Kenntnis, dass es auf dem deutschen Mineralölmarkt nicht nur die großen Konzerne gibt, sondern auch andere, konzernunabhängige Tankstellen. Wir wollen mit unserer Markttransparenzstelle dazu beitragen, dass die Tankstellen, die die günstigsten Preise anbieten – das werden in vielen Fällen freie Tankstellen sein –, zusätzlichen Umsatz machen und damit an Markteinfluss gewinnen. Ich meine, liebe Frau Kollegin Enkelmann, das müsste auch im Sinne Ihrer Fraktion und in Ihrem eigenen Sinne sein. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Wenn es denn einmal so wäre!) – So wird es sein, liebe Frau Kollegin. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächster Fragesteller Kollege Manfred Grund. Manfred Grund (CDU/CSU): Sie sprachen davon, dass Belastungen auf die Tankstellenpächter, die Tankstellenbetreiber zukommen werden und es Ausnahmen für kleinere Tankstellen geben wird. In welcher Größenordnung werden denn durch die Anschaffung von zusätzlichem Equipment und zusätzlichen Terminals im Zusammenhang mit der elektronischen Meldepflicht Kosten für die Tankstellenpächter, die Tankstellenbetreiber entstehen? Wer trägt diese Kosten? Der Tankstellenbetreiber, der Tankstellenpächter? Wie wird das geregelt? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Danke für die Frage. Das gibt mir Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass die Meldepflicht jeweils denjenigen trifft, der die Preissetzungshoheit hat. Bei den großen Mineralölkonzernen ist es so, dass die Meldung immer von der Zentrale erfolgt und nicht von der einzelnen Tankstelle. Das heißt, das Equipment, nach dem Sie fragen, muss in der Zentrale des Mineralölunternehmens angeschafft werden, sodass der einzelne Pächter einer Tankstelle, der von der Zentrale einen Preis diktiert bzw. vorgegeben bekommt, gar nichts machen muss. Das ist – jetzt komme ich noch einmal auf die Frage des Kollegen Kühn zurück – bei den kleinen Tankstellen, die konzernunabhängig sind, anders. Diese Tankstellen müssen das entsprechende Equipment, die entsprechenden Geräte für die elektronische Übermittlung selbst anschaffen. Für diese kleinen Tankstellen haben wir deshalb eine Bagatellgrenze vorgesehen. Das alles macht, glaube ich, Sinn. Für 95 Prozent aller Tankstellen wird die Regelung keine zusätzliche Kostenbelastung mit sich bringen, weil die Meldung seitens der großen Konzerne erfolgt. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächster Fragesteller unser Kollege Uwe Beckmeyer. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Ich habe keine Frage!) – Gut, dann natürlich die Lady. Bitte schön, Frau Kollegin Rita Schwarzelühr-Sutter. Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, wie stellt dieser Verordnungsentwurf sicher, dass die App-Entwickler nicht eine willkürliche Auswahl bestimmter Tankstellen vornehmen? Dieses Verfahren birgt schließlich ein gewisses Manipulationspotenzial. Werden in die Auswahl auch rabattierte Preise für bestimmte Verbrauchergruppen aufgenommen, oder wie wird mit diesem Sachverhalt umgegangen? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Auch für diese Frage möchte ich mich ausdrücklich bedanken, weil mir das Gelegenheit gibt, ein weiteres Detail dieser Verordnung zu erläutern. Der Markttransparenzstelle werden in der Verordnung bestimmte Kriterien genannt, denen die Informationsportale genügen müssen, um die Daten kostenlos zu erhalten. Die Informationsportale müssen also bestimmten Zuverlässigkeitskriterien genügen. Nur dann werden sie zugelassen. Nur dann erhalten sie die Daten im Rahmen des Informationsflusses kostenlos. Ganz klar ist natürlich, dass eine zuverlässige, flächendeckende und zeitnahe Zurverfügungstellung der Informationen gewährleistet sein muss. Wer gegen seine Pflichten verstößt, unterliegt den Bußgeldvorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Diese Bußgelder sind ganz beträchtlich, sodass wir keinen Anlass haben, daran zu zweifeln, dass diese Meldungen den Verbraucher letztlich zuverlässig und präzise erreichen werden. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. – Nächster Fragesteller Kollege Oliver Krischer. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Staatssekretär Otto, es ist schon interessant – ich glaube, das ist ein Novum –, dass das Ergebnis einer Kabinettssitzung eine App ist und wir hier im Hohen Hause darüber diskutieren. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Lieber Herr Krischer! Vizepräsident Eduard Oswald: Moment, wir sind immer noch bei der Frage, und das Recht zur Fragestellung hat der Kollege Krischer. – Bitte schön. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Herr Präsident. – Ich möchte darauf zu sprechen kommen, dass das Thema „Kraftstoffe und Benzinpreis-App“ von der Bundesregierung sozusagen im Nachhinein in die Aufgabenliste der Markttransparenzstelle geschoben wurde. Die Markttransparenzstelle sollte sich eigentlich mit Fragen des Wettbewerbs auf dem Markt der leitungsgebundenen Energieversorgung – Strom und Gas – beschäftigen. Vor diesem Hintergrund wären meine Fragen an Sie: Wie ist der Stand hier? Wie weit ist die Einrichtung der Markttransparenzstelle in diesen Bereichen gediehen? Vor allen Dingen geht es mir um Folgendes: Wir diskutieren im Moment sehr intensiv die stark fallenden Börsenpreise, nicht nur im Spotmarkt, sondern auch im Terminmarkt. Diese Preissenkungen kommen aber überhaupt nicht bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern an. Was gedenkt die Bundesregierung, vielleicht auch mithilfe der Markttransparenzstelle, hiergegen zu unternehmen? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Lieber Herr Kollege Krischer, zunächst einmal möchte ich an dieser Stelle jedenfalls, Herr Präsident, klarstellen: Es geht nicht nur um eine App, sondern es geht insgesamt um erheblich mehr Transparenz für alle Beteiligten. Zweitens möchte ich darauf hinweisen, dass diese Markttransparenzstelle nicht irgendwie hintendran oder, wie Sie es formuliert haben, im Nachhinein herangeklatscht worden ist, sondern dass sie unter sehr sorgfältiger Vorbereitung von diesem Hohen Hause mit Mehrheit beschlossen worden ist. Das sollten Sie nicht unterminieren. Das ist keine Schnapsidee des Bundeswirtschaftsministeriums, sondern das basiert auf einem Beschluss dieses Hohen Hauses. Drittens, lieber Herr Kollege Krischer, muss ich Ihnen, da Sie von mir immer sehr präzise Antworten erwarten, auf Ihre Frage nach den Aufgaben der Markttransparenzstelle für andere Dinge als Kraftstoffe leider sagen, dass ich Ihnen diese Antwort aktuell nicht geben kann. Das Thema der heutigen Regierungsbefragung – nur das wurde in der gestrigen Kabinettssitzung in diesem Zusammenhang auch tatsächlich thematisiert – ist die Rechtsverordnung zur Markttransparenzstelle für Kraftstoffe. Die Antwort auf die Frage, wie weit die Entwicklungen bei der Markttransparenzstelle in den anderen Bereichen gediehen sind, kann ich Ihnen, wenn Sie mögen, gern schriftlich nachliefern. Aber den Stand der Dinge kann ich Ihnen jetzt auswendig – Sie wollen ja eine präzise Information haben – an dieser Stelle leider nicht referieren. Da bitte ich um Ihr Verständnis. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke!) Vizepräsident Eduard Oswald: Nächster Fragesteller unser Kollege Wolfgang Tiefensee. Wolfgang Tiefensee (SPD): Herr Staatssekretär, wenn wir noch einmal auf die ursprüngliche Diskussion und den Anlass zurückblicken, stellen wir fest, dass es wohl Ziel der Bundesregierung und namentlich des Wirtschaftsministers war – das wurde breit in der Presse veröffentlicht –, keine Strompreis-, sondern eine Kraftstoffpreisbremse einzuführen. Am Ende ist nichts anderes herauskommen, als dass wir offenkundig machen, welcher Preis an welcher Tankstelle genommen wird. So weit die Vorbemerkung. Jetzt die Frage: Frau Enkelmann hat auf die kartellrechtlich relevanten Preisabsprachen hingewiesen. Frau Enkelmann, leider ist es nicht so, dass man davon reden könnte, vielmehr wurde uns von der Bundesnetzagentur der entsprechende Mechanismus beschrieben. Die Tankstellenbetreiber orientieren sich im Laufe des Vormittags an demjenigen, der den Preis erhöht. Sie brauchen also nur den anderen beobachten und nachziehen. Absprachen sind insofern gar nicht nötig. Herr Staatssekretär, mit Blick auf das Ausgangsziel, dem Verbraucher tatsächlich etwas zu bieten, was den Kraftstoffpreis im Rahmen hält, und mit Blick auf diesen Mechanismus frage ich: Wenn sich herausstellt, dass tatsächlich die Preisabsprachen in der beschriebenen Weise, nämlich in Form eines Nachziehens sämtlicher Tankstellenbetreiber bzw. Spritlieferanten bis zum höchsten Preis, laufen, wird die Bundesregierung dann weitere Maßnahmen einleiten, um ihrem ursprünglichen Ziel gerecht zu werden? Oder bleibt es heute bei der Erklärung, dass über eine Markttransparenzstelle hinaus nichts möglich ist? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Lieber Herr Kollege Tiefensee, Sie erinnern sich als Mitglied des Wirtschaftsausschusses des Bundestages, dass wir eine sehr ausführliche und sorgfältige Diskussion darüber geführt haben, mit welchen marktwirtschaftlichen Instrumenten wir eine Preisbremse auf dem Kraftstoffmarkt erzielen können. Die große Mehrheit aller Experten sagte uns: Zumindest der erste Schritt liegt darin, mehr Transparenz zu schaffen. Deswegen will ich an dieser Stelle nochmals betonen: Die Schaffung von Transparenz durch Apps und anderes ist eine ganz wichtige Voraussetzung, dass nicht eintritt, was Sie eben beschrieben haben, dass man nämlich einfach bei anderen Betreibern den Preis abschreibt. Denn dann hätte man keinen Vorteil mehr im Markt. Wir versprechen uns nun Folgendes: Wenn der Verbraucher die Informationen rege nutzt und seine Schlüsse aus der Tatsache zieht, dass an einer Tankstelle der Preis signifikant niedriger ist als an einer anderen, dann werden diese Tankstellen nicht einfach höhere Preise abkupfern, sondern stolz darauf sein, einen niedrigen Preis zu haben; denn dadurch werden sie auch mehr Umsatz machen. Ob dann weitere Maßnahmen, die, Herr Kollege Tiefensee, auch immer marktwirtschaftlich in Ordnung und rechtlich möglich sein müssen, notwendig und sinnvoll sein werden, wird sich zu einem späteren Zeitpunkt herausstellen. Der neu zu wählende Deutsche Bundestag wird evaluieren, ob diese Maßnahme erfolgreich war. Wir gehen davon aus, dass sie erfolgreich sein wird. In der nächsten Legislaturperiode müsste dann darüber diskutiert werden, welche weiteren Maßnahmen überhaupt in Betracht kommen. Wir denken allerdings, dass diese Maßnahme die effektivste ist, weil sie den Verbraucher miteinbezieht und weil sie Wettbewerbsdruck auf die einzelnen Tankstellen ausübt. Deswegen meine ich, dass das ein sehr sinnvoller Schritt ist, der, wie Sie wissen, internationalen Beispielen folgt. Vizepräsident Eduard Oswald: Kollege Stephan Kühn ist der nächste Fragesteller. Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, auch von uns ist ja begrüßt worden, dass mehr Transparenz hergestellt werden soll. Aber wir können das marktwirtschaftliche Prinzip, dass mit steigender Nachfrage nach Kraftstoffen – nicht national, sondern international – die Preise steigen, nicht außer Kraft setzen. Insofern frage ich, ob Sie uns hier darstellen können, welchen Preiseffekt in Cent Sie durch die Markttransparenzstelle, also durch die stärkere Transparenz insbesondere in Form von Apps, erwarten und wie das im Verhältnis zur allgemeinen Preisentwicklung steht. National steigt die Nachfrage zwar nicht, aber gerade in Asien, in verschiedenen Schwellen- und Entwicklungsländern steigen die Motorisierung und damit die Nachfrage nach Kraftstoff. Das wirkt sich natürlich auch auf die Preise hier aus. Wie steht das im Verhältnis zueinander, und wie können für den Verbraucher am Ende tatsächlich geringere Preise erreicht werden? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Lieber Herr Kollege Kühn, der Sinn der Markttransparenzstelle ist natürlich in erster Linie, die von vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern als missbräuchlich oder jedenfalls als sehr problematisch empfundenen heftigen Preisschwankungen zu vermeiden. Das heißt, wir wollen auf einem gegebenen Marktniveau dafür sorgen, dass der Verbraucher in der Lage ist, den in seinem Umfeld günstigsten Kraftstoff zu beziehen. Natürlich ist die Markttransparenzstelle kein Instrument, das die weltweiten Marktkräfte außer Kraft setzen kann. Wenn, wie Sie beschreiben, die Nachfrage nach Benzin weltweit steigt und sich infolgedessen möglicherweise auch die Benzinpreise erhöhen, dann werden Sie mit einer Markttransparenzstelle – und übrigens auch mit anderen Maßnahmen – nicht verhindern können, dass die Preise steigen. Es ist aber gar nicht ausgemacht, ob dieser Effekt eintritt. Sie erinnern sich, dass sich allein durch Fracking in den USA eine erhebliche Verschiebung auf den internationalen Energiemärkten abzeichnet. Der Kohlepreis hat sich allein schon durch die Ankündigung, dass Fracking in den USA betrieben wird, erheblich verändert. Es ist nicht auszuschließen, dass solche Veränderungen zu einer Senkung des Benzinpreises auf den weltweiten Spotmärkten führen. Vizepräsident Eduard Oswald: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sehe, dass es zu diesem Themenbereich keine Fragestellung mehr gibt. Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Hans-Joachim Otto. (Beifall bei der FDP) – Den Beifall kann man mitnehmen. Wir kommen jetzt zu Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung. Hier hat das Wort unser Kollege Volker Beck. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich wollte die Bundesregierung zu einer etwas kostspieligeren Unternehmung als einer App befragen. Wir haben in der sitzungsfreien Zeit gehört bzw. Nachrichten erhalten, dass die bisherigen Berechnungen der Kosten von Stuttgart 21 wohl weit übertroffen werden und sowohl das Fertigstellungsdatum, also der Verlauf des Projekts, als auch der Kostenrahmen des Projekts völlig offen sind. Deshalb möchte ich die Bundesregierung nach ihren jetzigen Überlegungen zu den Kosten befragen. Wie stark wird die Bundeskasse durch Stuttgart 21 zusätzlich belastet werden, oder, wenn die Bundeskasse nicht belastet werden soll, wie viel kostet es die Bahn und damit indirekt den Eigner Bund, wenn an diesem Projekt in der jetzigen Form festgehalten wird? Ich frage dies vor dem Hintergrund, dass die Stadt Stuttgart und das Land Baden-Württemberg erklärt haben, keinen Cent über die bisherigen Zusagen hinaus beizusteuern. Vizepräsident Eduard Oswald: Für die Bundesregierung Herr Parlamentarischer Staatssekretär Enak Ferlemann, bitte. Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Sehr geehrter Herr Kollege, ich beantworte die Frage sehr gerne. Derzeit ist uns als Eigentümer der DB AG nur bekannt, dass die DB AG mit Mehrkosten von 1,1 Milliarden Euro rechnet und bei einer Einschätzung der zusätzlichen Risiken einen Betrag von weiteren 1,2 Milliarden Euro evaluiert hat. Derzeit finden dazu Besprechungen statt. Wir überprüfen die Kosten, und wir hinterfragen. Aber es ist Sache des Aufsichtsrates, hier für Aufklärung zu sorgen und dann gegebenenfalls entsprechende Beschlüsse zu fassen. Vizepräsident Eduard Oswald: Zu einer Nachfrage hat sich zunächst Kollege Stephan Kühn gemeldet. Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herzlichen Dank. – Herr Staatssekretär, können Sie uns sagen, wie die Bundesregierung die Wirtschaftlichkeit dieses Projekts vor dem Hintergrund der Zahlen, die Sie gerade genannt haben, bewertet? Es kursieren ja auch andere Zahlen. So ist für das Gesamtprojekt von Kosten in Höhe von 10 Milliarden Euro die Rede. Wie bewerten Sie das Kosten-Nutzen-Verhältnis dieses Projekts vor dem Hintergrund der neuen Zahlen? Vizepräsident Eduard Oswald: Bitte schön, Parlamentarischer Staatssekretär Enak Ferlemann. Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Herr Kollege, Sie haben die Frage schon selbst beantwortet. Es kursieren viele, viele Zahlen, die nicht korrekt sind. Den Betrag von 10 Milliarden Euro kann ich mitnichten bestätigen. Es ist, wie gesagt, Aufgabe des Aufsichtsrates, hier für Aufklärung zu sorgen und entsprechende Beschlüsse zu fassen. (Stephan Kühn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben doch Zahlen genannt!) Vizepräsident Eduard Oswald: Es gibt eine Wortmeldung des Kollegen Volker Beck. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben gerade zwei Zahlen genannt. Wir als Bundestagsabgeordnete haben letztlich die Haushaltsverantwortung, egal ob die Mehrkosten im Bundeshaushalt als Mindereinnahmen bei der Deutschen Bahn zu Buche schlagen oder ob wir sie aus dem Bundeshaushalt direkt in die DB Netz AG „hineinkübeln“. Das Geld ist fort – und fort ist fort –, und wir müssen das verantworten. Es geht um ein Unternehmen, dessen Eigner zu 100 Prozent der Bund ist. Der Bund ist in allen Organen, im Aufsichtsrat wie im Vorstand, vertreten bzw. hat die Mitglieder ausgewählt und gewählt. Insofern erwarte ich eigentlich, dass Sie uns sagen, wo für den Bund bei diesem Projekt die Grenze der finanziellen Belastbarkeit liegt oder ob man weiter scheibchenweise vorgehen und jedes Jahr 1 oder 2 Milliarden Euro drauflegen will, bis man am Ende des Bauprojektes bei einer bestimmten Endsumme angekommen ist. Ich möchte von Ihnen wissen: Wo ist nach Meinung der Bundesregierung die Belastungsgrenze im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit des Projektes, sodass sie sagt: „Das ist haushaltspolitisch nicht mehr zu verantworten“, oder gibt es dafür keine Obergrenze? Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Parlamentarischer Staatssekretär. Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Herr Kollege, Sie gelten gemeinhin als kluger Jurist. Insofern sollten Sie wissen, dass dies ein Projekt der DB AG ist, das nicht aus dem Bundeshaushalt finanziert wird. Es handelt sich um ein eigenwirtschaftliches Projekt derjenigen, die Stuttgart 21 umsetzen wollen. Direkt fließt aus dem Bundeshaushalt für dieses Projekt kein Geld, mit Ausnahme einer Festfinanzierung von 563 Millionen Euro, die wir allerdings auch dann gebraucht hätten, wenn wir den Bahnhof im Normalzustand hätten sanieren müssen. Es gibt also einen Festzuschuss, dessen Höhe sich aufgrund der Veränderung des Projekts aber nicht verändern wird. Insofern gibt es hier kein Risiko für den Bundeshaushalt. Ob sich die DB AG in Anbetracht der zu ermittelnden Zahlen die Frage nach der Wirtschaftlichkeit stellt, hat der Aufsichtsrat zu entscheiden. Diese Untersuchungen und Ermittlungen laufen zurzeit. Vizepräsident Eduard Oswald: Jetzt folgt zunächst eine Nachfrage des Kollegen Lenkert, dann eine des Kollegen Volker Beck. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Vielen Dank. – Herr Staatssekretär, ich habe eine Nachfrage. Im Rahmen des Volksentscheids zu Stuttgart 21 sind ja bestimmte Angaben gemacht worden, auch solche zu den Kosten. Wie ist es juristisch zu bewerten, dass die Kosten, mit denen gerechnet wird, nicht sehr lange Zeit danach deutlich steigen? Ist davon auszugehen, dass damals Falschangaben gemacht wurden? Wie stehen Sie dazu? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Sehr geehrter Kollege, die Bundesregierung ist für den Volksentscheid nicht verantwortlich. (Lachen bei der LINKEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Kollege Volker Beck. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zunächst einmal eine Vorbemerkung, Herr Präsident, zu meiner Verantwortlichkeit: Ich bin kein Jurist – Vizepräsident Eduard Oswald: Auch nicht ehrenhalber. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): – damit mir meine Befähigung zum Wissenschaftsminister nicht irgendwann entzogen wird, weil ich mir hier im Plenum einen akademischen Titel erschlichen hätte. Zum anderen scheint mir das Thema Verantwortlichkeit die zentrale Frage zu sein. Der Bund ist 100-prozentiger Eigner der DB. Gleichzeitig sagen Sie uns: Was dort an Kosten anfällt, das interessiert uns gar nicht und geht uns nichts an; denn die DB ist ja privatwirtschaftlich organisiert. Ich finde, so können wir mit diesem Thema, das die Steuerzahler und die Bahnkunden betrifft, nicht umgehen. Das ist das Geld des Bundes – egal ob auf dem Konto „DB“ steht oder ob es sich um die Kasse des Bundesfinanzministers handelt –, und wir wissen doch alle: Am Ende des Tages zahlt der Steuerzahler drauf, wenn der Bundesfinanzminister weniger Geld von der DB bekommt oder zusätzliches Geld in die DB investieren muss. Deshalb bitte ich Sie wirklich, zu sagen: Was ist die Position der Bundesregierung als Eigner der DB? Wo ist die finanzielle Belastungsgrenze für Stuttgart 21, bei der Sie sagen: „Vor diesem Hintergrund ist es zum jetzigen Zeitpunkt bei diesen Zahlen nicht mehr verantwortlich, dieses Projekt weiterzubauen“? Ihren Ausführungen bis jetzt entnehme ich, dass es keine Belastungsgrenze gibt, dass Stuttgart 21 kosten darf, was es wolle, weil es sich ja um DB-Geld handelt. Wenn Sie das nicht so sehen, dann sagen Sie uns: Wo liegt bei dem Projekt Stuttgart 21 die Belastungsgrenze der Bundesregierung, der Bundesrepublik Deutschland, als Eigner der DB AG? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Herr Kollege, ich bitte die vorige Mutmaßung zu entschuldigen. Ich habe Sie da für mehr gehalten, als es tatsächlich ist. Das tut mir leid. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich bedanke mich für das Kompliment!) Die Fragestellung, die Sie aufgebracht haben, richtete sich auf die Auswirkungen auf den Bundeshaushalt. Auswirkungen auf den Bundeshaushalt sind zum derzeitigen Zeitpunkt überhaupt nicht erkennbar. Insofern brauchen Sie als Abgeordneter, der den Bundeshaushalt letztlich kontrolliert und mit zu verantworten hat, keine Sorge um den Bundesetat zu haben. Stuttgart 21 ist ein eigenwirtschaftliches Projekt von mehreren Projektbeteiligten. Die Projektbeteiligten müssen untereinander eine Finanzierung finden, wenn sie Mehrbedarf feststellen. Wie hoch der Mehrbedarf im Einzelnen ist, wird zurzeit untersucht und festgestellt. Dann wird es Vertragsverhandlungen mit den Projektbeteiligten geben; diese Verhandlungen sind übrigens schon aufgenommen worden. Daraus wird für die DB AG gegebenenfalls eine Belastung entstehen – die aber keine Rückwirkungen auf den Bundeshaushalt haben muss und dieses Parlament insofern auch nicht betreffen muss. Vizepräsident Eduard Oswald: Ich habe jetzt noch die Wortmeldungen des Kollegen Ralph Lenkert und des Kollegen Stephan Kühn, dann noch Volker Beck, und dann können wir dieses Thema, glaube ich, abschließen. – Ralph Lenkert. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Herr Staatssekretär, es besteht kein Zweifel, dass die Bundesregierung für den Volksentscheid nicht zuständig ist. Nach meinem Kenntnisstand befindet sich die Deutsche Bahn AG aber zu 100 Prozent im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland, und die Aufsichtsfunktion obliegt auch dem Verkehrsministerium. Insofern ist die Bundesregierung in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Deutsche Bahn AG wahrheitsgemäße Angaben macht; andernfalls käme sie ihrer Aufsichtspflicht nicht nach. Deswegen stelle ich Ihnen – sozusagen als Aufsichtsratsvertreter, stellvertretend für das Verkehrsministerium – jetzt die Frage: Inwieweit hat es juristische Konsequenzen, dass die Kosten des Projekts Stuttgart 21 in so kurzer Zeit derart explodiert sind? Meiner Ansicht nach sind Falschaussagen gemacht worden. Oder können Sie beweisen, dass die Kostensteigerungen, die in den letzten Monaten entstanden sind, vorher auf keinen Fall absehbar waren? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Diese Frage beantworte ich Ihnen gerne. Das zu klären, ist eine Aufgabe des Aufsichtsrates. Die Kollegen, die im Aufsichtsrat Sitz und Stimme haben, werden genau diese Fragen, in Ihrem Sinne, kritisch stellen. Vizepräsident Eduard Oswald: Kollege Stephan Kühn. Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt: Es gibt keine Belastungsrisiken für den Bundeshaushalt, und wenn Mehrkosten entstehen, ist das Sache der DB AG. – Nun soll die DB AG ja Dividende an ihren Eigentümer ausschütten. In den Bundeshaushalt sollen mindestens 500 Millionen Euro fließen, jährlich wachsend; ich glaube, das geht dann bis 700 Millionen Euro. Meine Frage: Sehen Sie, sollte dieses Projekt zu einer erheblichen Mehrbelastung für die DB führen, ein Risiko, dass die Dividende an den Bund als Eigentümer in dieser Höhe nicht mehr ausgeschüttet werden kann? Die zweite Frage ist die Frage, die ich vorhin schon einmal gestellt habe. Sie hatten Zahlen zu den Ihnen bekannten Mehrkosten genannt: 1,1 Milliarden Euro mehr plus ein Risiko von 1,2 Milliarden Euro – wenn ich die Zahlen vorhin richtig verstanden habe. Deshalb noch einmal die Frage: Wie bewerten Sie vor dem Hintergrund dieser Ihnen bekannten Zahlen die Wirtschaftlichkeit des Projektes? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Die Bewertung der Wirtschaftlichkeit des Projektes ist Aufgabe des Vorstandes der DB AG, der an den Aufsichtsrat zu berichten hat. Das wird in der Sitzung am 5. März 2013 der Fall sein. Vorher kann sich die Bundesregierung dazu auch gar nicht äußern. Zu der Frage, ob die Dividendenfähigkeit in Gefahr ist: Mitnichten, in keinem Fall. Vizepräsident Eduard Oswald: Die letzte Frage vom Kollegen Volker Beck. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da sagt man immer, aus der Befragung der Bundesregierung lerne man nichts. Offensichtlich ist das wirtschaftliche Ergebnis der DB AG für die Dividende völlig ohne Belang. Das ist interessant. Es ist eine Erkenntnis, die ich als Fachfremder mitnehme, und ich bin dankbar für diese neuen Einsichten in wirtschaftliche Zusammenhänge. Ich möchte trotzdem noch einmal – zum dritten Mal – die gleiche Frage stellen; ich weiß, ich bin da ein bisschen unoriginell. Aber unabhängig davon, wie Sie die Auswirkungen auf den Bundeshaushalt einschätzen, will ich wissen: Was ist die Position der Bundesregierung gegenüber dem Parlament und in den Gremien der DB AG im Hinblick darauf, wo die Grenze für die Finanzierung von Stuttgart 21 erreicht ist, bei der Sie sagen, das Festhalten an diesem Projekt sei bei dieser Finanzdimension nicht mehr zu vertreten? Ich frage Sie als Eigner der DB AG, auch vor dem Hintergrund, dass in deren Aufsichtsrat auch die Position der Bundesregierung vertreten wird. Können Sie die Frage beim dritten Versuch bitte endlich einmal mit einer Zahl beantworten? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Sehr geehrter Herr Kollege, sooft Sie auch fragen: Ich kann Ihnen keine andere Auskunft geben, als es die Rechtslage hergibt. Es ist Aufgabe des Vorstandes, diese Zahlen zu ermitteln und vorzulegen. Der Aufsichtsrat hat die Aufgabe, das zu kontrollieren und dann gegebenenfalls Entscheidungen zu fällen. Es ist nicht eine direkte Aufgabe des Eigentümers, dies zu tun. Insofern kann ich Ihre Frage nur so beantworten, wie ich es schon zweimal getan habe. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich glaube, der Berliner Flughafen wird uns noch als Lappalie erscheinen!) Vizepräsident Eduard Oswald: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich frage vorsichtshalber, ob es noch weitere Fragen an die Bundesregierung gibt, bevor wir zur Fragestunde kommen. – Da dies nicht der Fall ist, beende ich die Befragung. Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 3: Fragestunde – Drucksache 17/12342 – Ich rufe die mündlichen Fragen auf Drucksache 17/12342 in der üblichen Reihenfolge auf. Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes. Zur Beantwortung steht Herr Staats-minister Eckart von Klaeden zur Verfügung. Frage 1 kommt von unserer Kollegin Frau Andrea Wicklein: Wie und bis wann plant die Bundesregierung die im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP für den Bürokratieabbau angestrebte Reduzierung des messbaren Erfüllungsaufwands um 25 Prozent zu erreichen? Bitte schön, Herr Staatsminister. Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Frau Kollegin Wicklein, beim Erfüllungsaufwand ist danach zu unterscheiden, ob es sich um Bürokratiekosten aus Informationspflichten oder um sonstigen Erfüllungsaufwand handelt. Was Erstere betrifft, so hat die Bundesregierung die Informationspflichten der Wirtschaft bis Ende 2011 um mehr als 22 Prozent reduziert. Im Dezember 2011 haben wir darüber hinaus weitere Maßnahmen beschlossen, um das Ziel zu erreichen. Davon sind im letzten Jahr wesentliche Maßnahmen umgesetzt worden. Ich erinnere nur an das E-Government-Gesetz oder die Abschaffung der Praxisgebühr. Zur nachhaltigen Sicherung dieser Abbauerfolge hat die Bundesregierung im letzten Jahr den Bürokratiekostenindex eingeführt. Der Aufwuchs im letzten Jahr war stabil. Wir sind dem Ziel nachgekommen, ihn dauerhaft niedrig zu halten. Es hat lediglich einen Aufwuchs um einen viertel Prozentpunkt gegeben. Was den sonstigen Erfüllungsaufwand angeht, so haben wir verschiedene Lebens- und Rechtsbereiche untersucht, wie dies auch im Koalitionsvertrag vorgesehen ist. Dabei ist bei einigen herausgekommen, dass die Senkung des Erfüllungsaufwandes vor allem Änderungen im materiellen Recht erfordern würde, was ausdrücklich nicht Gegenstand des Programms ist. In anderen Fällen haben wir erhebliche Reduzierungsmöglichkeiten identifiziert. Diese ergeben sich insbesondere durch das Projekt „Verkürzung der steuerlichen Aufbewahrungs- und Prüffristen“, und zwar in einem Umfang von 2,5 Milliarden Euro. Das ist auch Bestandteil des Jahressteuergesetzes 2013 gewesen, das im Bundesrat bedauerlicherweise abgelehnt wurde. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin Wicklein. Andrea Wicklein (SPD): Gibt es definierte Projekte, die die Bundesregierung noch bis zum Ende der Legislaturperiode plant, um ihr Ziel eines Bürokratieabbaus um 25 Prozent zu erreichen? Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Ja, Frau Kollegin, es gibt hier noch eine Reihe von Projekten. Wir sind mittlerweile im untergesetzlichen Bereich angekommen. Dazu gehört unter anderem die Neufassung der sogenannten GoBIT – das sind die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung beim IT--Einsatz –, wodurch die Möglichkeiten, die gesetzlich bereits geschaffen worden sind – die elektronische Rechnungslegung usw.; Sie kennen die Umstände –, für die Unternehmen verfahrenssicher realisiert werden. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre zweite Nachfrage. Andrea Wicklein (SPD): Meine zweite Nachfrage bezieht sich auf die Aktivitäten der Bundesregierung hinsichtlich des Bürokratie-aufwuchses durch EU-Verordnungen und -Richtlinien. Welche konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung in der Richtung getroffen, den bewährten Normen-kontrollrat, den wir hier in Deutschland gemeinsam in-stalliert haben, auch auf der europäischen Ebene durch-zusetzen? Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Dazu haben wir eine ganze Reihe von Maßnahmen ergriffen. Insbesondere im Europäischen Rat setzen wir uns ja immer wieder dafür ein, dass auf europäischer Ebene ein Gremium vergleichbar dem Nationalen -Normenkontrollrat geschaffen wird. Dafür haben wir im Rat bisher bedauerlicherweise keine Mehrheit bekommen, und auch die Kommission ist nicht bereit, ein entsprechendes Gremium zu schaffen, weil sie die Sorge hat, dass durch ein solches Gremium ihre Initiativfunktion eingeschränkt werden könnte. Gleichwohl ist es uns gelungen, dafür zu sorgen, dass das Mandat der Stoiber-Gruppe nicht nur verlängert, sondern auch ausgedehnt wird, und das Europäische -Parlament hat entsprechende Initiativen zur Über-wachung der Bürokratiekosten eingeleitet. Meine persönliche Idealvorstellung ist ein gemeinsames Gremium von Rat, Kommission und Parlament auf europäischer Ebene, das die Bürokratiekosten nicht nur beobachtet, sondern in Bezug auf die Senkung auch initiativ werden kann. Wir haben in der Bundesregierung darüber hinaus ein Programm beschlossen, mit dem wir im Rahmen unserer Entscheidungsprozesse, bevor es also überhaupt zu Richtlinien oder Verordnungen kommt, unsere Ministerien gut darauf vorbereiten können, auch in den Beratungen in Brüssel dafür zu sorgen, dass auf die Bürokratiekosten geachtet wird und dass die Kommission veranlasst wird, bei der Darlegung ihrer Vorschläge auch die Bürokratiekosten und den Erfüllungsaufwand für die einzelnen Branchen und Länder auszuweisen. Darüber hinaus will ich stichwortartig nur die Sonderregelung, die wir für kleinere und mittlere Unternehmen angeregt und durchgesetzt haben, und den Mittelstandsmonitor nennen, der beim Bundeswirtschaftsministerium geführt wird und kleine und mittlere Unternehmen, aber auch die Wirtschaft in Deutschland insgesamt frühzeitig über Regelungsvorhaben auf europäischer Ebene informiert, wodurch wir uns auch einen Rückfluss für unsere Aktivitäten in Brüssel versprechen. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Herr Staatsminister. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Der Parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Otto ist erneut gefordert. Die Frage 2 kommt vom Kollegen Ralph Lenkert: Warum wird die Konzessionsrichtlinie der Europäischen Union, EU, im Trilogverfahren behandelt? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Lieber Herr Kollege Lenkert, zu Ihrer, aber vor allen Dingen zur Information der Zuhörerinnen und Zuhörer will ich ganz kurz darstellen, wie das Verfahren generell läuft: Die Konzessionsrichtlinie wird im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren gemäß Art. 294 AEUV – das ist die Bezeichnung nach dem Lissabon-Vertrag – behandelt. Dieses Gesetzgebungsverfahren stellt den Regelfall dar und erfordert neben der Verabschiedung des Regelungsentwurfs durch den Rat die Zustimmung des Europäischen Parlaments. Es sind drei Lesungen vorgesehen. – Lieber Herr Kollege, bitte leihen Sie mir Ihr geschätztes Ohr, während ich Ihnen antworte. (Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Ich höre genau zu!) Um die Verständigung zwischen den Institutionen zu beschleunigen und auf diese Weise eine rasche, am -aktuellen Handlungsbedarf orientierte Gesetzgebung zu ermöglichen, haben sich bereits seit dem Vertrag von Maastricht sogenannte Triloge etabliert. Diese Triloge sind informelle Gespräche zwischen dem Rat, dem Europäischen Parlament und der Kommission. Sie dienen in der Regel dazu, sich über einen Standpunkt des Europäischen Parlaments zu verständigen, dem der Rat bereits in der ersten Lesung zugestimmt hat. Eine Vielzahl von Rechtsakten kann damit bereits in erster Lesung verabschiedet werden. Ich will Ihnen eine Zahl geben: Im ersten Halbjahr 2012 wurden damals unter der dänischen Ratspräsidentschaft 40 von 46 Rechtssetzungsvorschlägen in der ersten Lesung durch das Trilogverfahren abgeschlossen. Die Einsetzung von Trilogen ist allerdings nicht auf die erste Lesung des Gesetzgebungsverfahrens beschränkt, sondern kann auch später noch im Rahmen der zweiten Lesung sowie vor dem Vermittlungsverfahren oder der dritten Lesung vereinbart werden. Am 10. Dezember 2012 hat sich der EU-Wett-bewerbsfähigkeitsrat – auch mit der Zustimmung Deutschlands; danach werden Sie vielleicht noch fragen – auf ein Verhandlungsmandat für den anstehenden Trilog zum gesamten Legislativpaket zur Modernisierung des Vergaberechtes mit dem Europäischen Parlament und der Kommission geeinigt. Der Binnenmarktausschuss des Europäischen Parlamentes allerdings hat bisher noch kein Mandat für den Trilog erteilt. Deswegen sage ich Ihnen abschließend: Es ist also zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht definitiv entschieden, ob das Trilogverfahren bei dieser Konzessionsrichtlinie überhaupt Anwendung findet. Vizepräsident Eduard Oswald: Da der Kollege Ralph Lenkert genau zugehört hat, seine erste Nachfrage. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Herr Kollege Staatssekretär, ich habe Ihre Ausführungen mit meinen Notizen verglichen. Ich werfe Ihnen, wenn Sie vom Zettel ablesen, auch nicht vor, dass Sie mich nicht ansehen. Das nur als ganz kleine Richtigstellung. Nachdem Sie dem Trilogverfahren zugestimmt haben, ergibt sich für mich die Frage: Wieso versucht man, im Eilverfahren – das ist nämlich ein Trilogverfahren – ein so wichtiges Verfahren durchzupeitschen, bei dem es um nicht mehr und nicht weniger als um die mögliche Privatisierung der Wasserversorgung geht? Wasser ist ein öffentliches Gut. Ich habe den Eindruck, dass die Bundesregierung mit dem Trilogverfahren an dieser Stelle versucht, das Ganze außerhalb der Öffentlichkeit schnell durchzuschieben, um im Prinzip Widersprüche auch aus den eigenen Reihen zu verhindern. Ich stelle deswegen die Frage an Sie: Haben Sie dem vorliegenden Entwurf zur Konzessionsrichtlinie in -seiner jetzigen Fassung zugestimmt, und welches Ministerium war da federführend? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Lieber Herr Kollege, Sie nehmen jetzt praktisch Ihre eigene zweite Frage vorweg. Um der Geschäftsordnung Genüge zu tun, bleibe ich bei Ihrer ersten Frage. Ich kann Ihre Einschätzung nicht teilen, dass das -Trilogverfahren ein Durchpeitschen im Eilverfahren sei. Ich habe Ihnen ganz bewusst geschildert, dass unter der dänischen Ratspräsidentschaft – die Dänen stehen nicht im Ruf, alles durchzupeitschen oder undemokratisch zu sein – im ersten Halbjahr 2012 40 von 46 Rechtssetzungsvorschlägen im sogenannten Trilogverfahren entschieden wurden. Warum? Weil man dieses Verfahren bei aller Transparenz relativ schnell und zügig gestalten kann. Deswegen kann ich den Vorwurf überhaupt nicht verstehen, dass hier ein Ausnahmefall geschaffen würde und die Öffentlichkeit oder das Parlament oder der Rat in irgendeiner Weise nicht angemessen beteiligt würden. Im Gegenteil: Das Trilogverfahren ist der Normalfall. Wenn sich alle drei Beteiligten, Kommission, Parlament und Rat, darauf verständigen, dann wird so verfahren. Die Bundesregierung ist der Meinung, dass dieses -Verfahren – wir kommen zum Inhalt der Konzessionsrichtlinie bei Ihrer zweiten Frage – in der Tat geeignet ist, in diesem Regelverfahren behandelt zu werden. Vizepräsident Eduard Oswald: Jetzt kommt die zweite Nachfrage. Bitte schön. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Noch in der ersten Frage. Vizepräsident Eduard Oswald: Ja, Ihre erste Frage; bei mir ist es die zweite. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Herr Staatssekretär, da das, wie Sie selbst ausführen, trotz allem ein beschleunigtes Verfahren ist: Wie wollen Sie sicherstellen, dass in diesem beschleunigten Verfahren die Meinung sowohl der verschiedenen Ministerien als auch des Bundestages, der ja im Prinzip sozusagen Ihr Weisungsgeber ist, ausreichend berücksichtigt werden kann? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Herr Kollege, das ist genauso wie in den dreistufigen Verfahren. Es ist nicht so, dass durch das Trilogverfahren irgendeine Stufe komplett ausgeschaltet wird, sondern die Bundesregierung hat über den Wettbewerbs-fähigkeitsrat immer Möglichkeiten, einzuwirken. Das Europäische Parlament muss beteiligt werden. Ich habe Ihnen bereits geschildet, dass der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz des Europäischen Parlaments zurzeit noch mit sich ringt, ob er diesem Verfahren zustimmt. Deswegen: Ich meine, es ist kein Nachteil, dass ein Punkt, der über lange Zeit sehr sorgfältig diskutiert worden ist, dann auch in einem demokratischen Verfahren zur Abstimmung kommt. Ich sehe keinen Vorteil darin, Herr Lenkert, dass man jetzt ein unter Umständen jahrelanges Diskussionsverfahren beginnt. Die Dinge liegen auf dem Tisch. Ich werde gleich auch zu Ihrer zweiten Frage, die das Inhaltliche betrifft, Stellung nehmen. Ich denke, die Frage ist sehr übersichtlich. Dabei werden wir beide mutmaßlich unterschiedlicher Auffassung sein; aber die Frage ist entscheidungsreif. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. – Noch zu der Frage? – Bitte schön, Herr Hunko. Andrej Hunko (DIE LINKE): Herr Staatssekretär, ich habe eine Nachfrage, die sich auch auf das Verfahren bezieht. Am 12. und 13. April tagt in Dublin ein informeller EU-Ministerrat für Wirtschaft und Finanzen. Meine Frage ist, ob dort auch über die Konzessionsrichtlinie gesprochen wird und ob Sie auf eine Änderung der Richtlinie oder auch auf eine -Änderung des Zeitplans drängen, die es ermöglichen würde, dass sich der Bundestag damit befassen und seine Meinung einbringen kann. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Lieber Herr Kollege Hunko, nehmen Sie es mir nicht übel, aber ich weiß nicht, ob sich der EU-Ministerrat für Wirtschaft und Finanzen, der Ecofin-Rat, in Dublin -damit beschäftigen kann. Ich gehöre diesem Rat nicht an. Die Entscheidung über das Verfahren liegt jetzt in Händen des Binnenmarktausschusses des Europäischen Parlaments. Wenn der Binnenmarktausschuss des Europäischen Parlaments grünes Licht gibt, gilt: Alle anderen Beteiligten haben diesem ordnungsgemäßen Verfahren zugestimmt, und die Beteiligung des Deutschen Bundestages und des Europäischen Parlaments allzumal ist wie immer gewährleistet. Es ist keineswegs so, dass das Trilogverfahren ein Geheimverfahren hinter geschlossenen Türen wäre; es ist vielmehr ein Verfahren, das im Regelfall angewendet wird und das alle demo-kratischen Mitwirkungsmöglichkeiten der Beteiligten garantiert. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. – Jetzt rufe ich die Frage 3 auf, die gleichzeitig die zweite Frage des Kollegen Ralph Lenkert ist: Werden die Vertreter der Bundesregierung in Rat und Kommission der EU dem vorliegenden Entwurf der Konzes-sionsrichtlinie zustimmen, der eine Privatisierung der kommunalen Wasserwirtschaft in Deutschland ermöglicht? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Diese Frage des Kollegen Lenkert kann ich bejahen. Die Bundesregierung hat im EU-Wettbewerbsfähigkeitsrat am 10. Dezember 2012 dem Verhandlungsmandat für den anstehenden Trilog zum Entwurf der Konzessionsrichtlinie mit dem Europäischen Parlament und der Kommission zugestimmt und damit auch grünes Licht für den Entwurf der Konzessionsrichtlinie gegeben. Aus gegebenem Anlass – weil es auch eine große Diskussion in der europäischen Öffentlichkeit gibt – will ich darauf hinweisen, dass sich aus dem Richtlinienentwurf kein Zwang zur Privatisierung, auch nicht im Bereich der Wasserwirtschaft, ergibt. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Zwang nicht!) Das ist absolut klar und unzweifelhaft: Es gibt keinen Zwang zur Privatisierung der Wasserwirtschaft, auch wenn das in der Öffentlichkeit seit langer Zeit immer wieder anders behauptet wird. Schon heute können Kommunen darüber entscheiden, ob sie die Wasserversorgung selbst erbringen oder sich dafür eines privaten Unternehmens bedienen wollen. Diese Wahlfreiheit der Kommunen, von der viele Kommunen Gebrauch gemacht haben, bleibt nach dem Entwurf der Konzessionsrichtlinie auch künftig gewahrt. Wenn aber, Herr Kollege Lenkert, eine Kommune sich dazu entscheidet, die Wasserversorgung an einen Privaten zu vergeben, dann muss die Kommune dies transparent und diskriminierungsfrei tun. Ich kann mir nicht vorstellen, Herr Kollege Lenkert, dass Sie irgendetwas dagegen haben, dass dann, wenn die Wasserversorgung an einen Privaten vergeben wird, das transparent und diskriminierungsfrei zu erfolgen hat. Nur dies ist in der Konzessionsrichtlinie – auch in Nachzeichnung einer ohnedies seit vielen Jahren bestehenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs – enthalten und nichts davon, dass hier ein irgendwie gearteter Zwang zur Privatisierung ausgeübt wird. Das ist definitiv nicht der Fall. Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Kollege Lenkert, Ihre erste Nachfrage. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Herr Staatssekretär, in dem Fall, dass man die Konzessionsrichtlinie für sich allein betrachtet, könnte ich Ihnen fast zustimmen. Aber es gibt bei uns eine Schuldenbremse und viele Kommunen, die unter der Finanzaufsicht der Länder stehen. In diesem Zusammenhang besteht folgende Situation: Wenn eine Kommune in ihr Wassernetz investieren muss, um es zu modernisieren, und wenn die Finanzaufsicht die dafür notwendigen Kredite nicht genehmigt, dann ist die Kommune durch die Finanzaufsicht gezwungen, dieses Wassernetz öffentlich auszuschreiben. Damit erzeugen Sie doch indirekt einen Zwang zur Privatisierung von Maßnahmen in Bereichen der Daseinsvorsorge. Diesen Zwang üben Sie indirekt aus. Da es aus meiner Sicht gerade im kommunalen Bereich unabhängig von der Parteimitgliedschaft Konsens ist, dass die Wasserversorgung in der Hoheit der öffentlichen Hand bleiben soll, frage ich Sie noch einmal: Werden Sie eine Veränderung der Konzessionsrichtlinie anstreben? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Lieber Herr Kollege, die Logik Ihrer Frage erschließt sich mir nicht. (Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Ich kann verstehen, dass Sie das nicht können!) Wenn sich manche Kommunen aufgrund ihrer schwierigen finanziellen Lage, wie Sie sagen, veranlasst sehen, über eine Privatisierung ihrer Wasserversorgung nachzudenken, dann hat das nichts, aber auch gar nichts mit der Konzessionsrichtlinie zu tun. Schon bisher, ohne diese Konzessionsrichtlinie, waren die Kommunen in der Lage oder, wie Sie sagen, manchmal sogar gezwungen, ihre Wasserversorgung an Private zu vergeben. Ich meine sogar, umgekehrt wird ein Schuh daraus, Herr Kollege Lenkert. Wir sorgen mit der Konzessionsrichtlinie und den nachfolgenden Gesetzen, die dann in Deutschland dazu getroffen werden, dafür, dass eine Kommune die Wasserversorgung nicht unter der Hand an irgendeinen Spezi vergeben kann, sondern das muss in einem transparenten, diskriminierungsfreien Verfahren ablaufen. Das heißt im Klartext: Es ist doch eher ein Hemmnis für eine Kommune, die Wasserversorgung an einen Privaten zu vergeben, da sie gezwungen ist, sie in einem sauberen Verfahren zu vergeben. Alles, was innerhalb von öffentlicher Verwaltung geschieht – dies betrifft auch die Zusammenarbeit von Wasserversorgungsverbänden und -genossenschaften – unterliegt nicht der Konzessionsrichtlinie, muss nicht in dem dort festgelegten Verfahren vergeben werden, sondern kann in freiem Verfahren erfolgen. Nur dann, wenn ein Privater eingeschaltet wird, muss ein sauberes Verfahren her. Ich kann mir wirklich nicht erklären – auch aus Ihrer Sicht nicht, Herr Kollege –, warum Sie gegen den Entwurf dieser Vorschrift inhaltliche Einwände erheben. Vizepräsident Eduard Oswald: Kollege Ralph Lenkert, Ihre zweite Nachfrage. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Herr Staatssekretär, viele Kommunen haben Stadtwerke, die im Querverbund arbeiten. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Ja. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Genau an dieser Stelle setzt Ihre Konzessionsrichtlinie an. Wenn es nämlich in den Stadtwerken auch noch private Beteiligungen gibt, dann ist nach dieser Konzessionsrichtlinie eine Vergabe innerhalb der Stadtwerke im Prinzip ausgeschlossen, dann muss europaweit ausgeschrieben werden. Damit zwingen Sie de facto die Kommunen, die Hoheit aufzugeben. Dies sollte auch Ihnen bekannt sein. Ich behaupte hier, dies ist der eigentliche Grund, weshalb das Wirtschaftsministerium dieser Konzessionsrichtlinie zugestimmt hat. Jetzt bitte ich Sie, mir meine Aussage zu widerlegen. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Das will ich gerne tun. – Lieber Herr Kollege, ganz einfach: Das, was in der Konzessionsrichtlinie steht, ist ohnedies gängige, anerkannte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. (Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Dann brauchen wir sie doch nicht!) – Moment. – Der Europäische Gerichtshof ist seit vielen Jahren der Meinung, dass, wie bei der Vergabe von anderen Leistungen, insbesondere beim Einkauf von Waren und Ähnlichem, ein sauberes Verfahren bei bestimmten Grenzen festgelegt werden muss. Der Europäische Gerichtshof war der Meinung, dass das auch für Dienstleistungskonzessionen gilt. Diese Rechtsprechung besteht. Warum gibt es diese Richtlinie? Um einige rechtliche Zweifelsfragen im Detail zu beseitigen und um für Rechtsklarheit für alle zu sorgen. Lieber Herr Kollege, es ist nicht so – insbesondere in der Wasserversorgung nicht –, dass sich durch diese Richtlinie irgendetwas an der rechtlichen Lage ändern würde; das ist nicht der Fall. Vielmehr wird die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes gesetzlich verankert. Deswegen muss ich Ihnen offen sagen: Die große Aufregung, die inzwischen in der Öffentlichkeit über den Entwurf der Konzessionsrichtlinie herrscht, kann ich, ehrlich gesagt, nicht nachvollziehen. Vizepräsident Eduard Oswald: Wir kommen jetzt zu weiteren Nachfragen zu dieser Frage. Zunächst Kollegin Dagmar Enkelmann. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Herr Staatssekretär, Sie reden von Transparenz und sauberen Verfahren. Wir reden aber über die Privatisierung eines öffentlichen Guts. Erfahrungen, was die Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge betrifft, haben wir in den letzten Jahren zuhauf gemacht. Deswegen lautet meine Frage: Hat die Bundesregierung die Folgen einer möglichen Privatisierung – einschließlich die der Wasserversorgung – tatsächlich geprüft, um schon jetzt sagen zu können, dass sie dieser Konzessionsrichtlinie zustimmt, und wie stehen Sie zu der Europäischen Bürgerinitiative und den mehr als einer Million Menschen – ich hoffe, dass es noch mehr werden –, die sich gegen eine Privatisierung der Wasserversorgung aussprechen? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Liebe Frau Kollegin Enkelmann, schon bevor dieser Richtlinienentwurf auch nur erörtert wurde, seit Jahrzehnten, gibt es in Deutschland private Wasserversorger, die Leistungen mit höchster Qualität und ohne jegliche Bedenken erbringen. Es ist nicht so, dass Leistungen nur dann gut sind, wenn sie von kommunaler bzw. staatlicher Hand erbracht werden. Es gibt viele private Anbieter – auch bei den Wasserversorgern –, die Produkte mit hervorragender Qualität anbieten, ohne dass das jemals – auch von Ihnen nicht – gerügt worden wäre. Allein weil die privaten Unternehmen der Wasserversorgung keinen Anlass zu Bedenken geben, sehen wir überhaupt keinen Grund, die Privatisierung der Wasserversorgung zu verbieten, was Sie offensichtlich wollen. (Zuruf des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]) – Lieber Herr Kollege, lassen Sie mich meine Antwort noch zu Ende ausführen. Wie stehe ich, wie steht die Bundesregierung zu dieser Europäischen Bürgerinitiative? Wir sind der Auffassung, dass diese Bürgerinitiative Behauptungen aufstellt, die so nicht der Wahrheit entsprechen. Wir sind der Auffassung, dass der Vorwurf, dass hier eine Privatisierung der Wasserversorgung erzwungen werde, falsch ist. Ich habe schon versucht, das dem Kollegen Lenkert klarzumachen; ich weiß nicht, ob es mir gelungen ist. Auf jeden Fall werden wir den Bürgerinnen und Bürgern, die diese Bürgerinitiative unterstützen, sagen, dass es nicht berechtigt ist, solche Gefahren heraufzubeschwören, wie es diese Bürgerinitiative tut. Ich möchte Ihnen, liebe Frau Kollegin Enkelmann, nahelegen: Lesen Sie den Konzessionsrichtlinienentwurf, und Sie werden feststellen, dass das, was die Bürgerinitiative behauptet, in dieser Konzessionsrichtlinie mitnichten enthalten ist. (Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wiederum ist Quatsch!) Vizepräsident Eduard Oswald: Kollege Oliver Krischer stellt die nächste Nachfrage. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär Otto, ich interpretiere Ihre Aussagen so, dass all diejenigen, die sich dazu kritisch äußern – die Bürgerinitiative, viele Verbände und kommunale Spitzenverbände –, das Ganze nicht richtig verstanden haben. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Nur der Herr Staatssekretär kennt sich aus!) Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Nein, das habe ich so nicht gesagt. Vizepräsident Eduard Oswald: Das Wort hat der Kollege Oliver Krischer. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich werde gleich eine entsprechende Frage stellen. Dann können Sie mir das noch einmal erläutern. Ich habe eine Debatte im Wirtschaftsausschuss verfolgt, in der sich vier von fünf Fraktionen – das waren nicht nur Oppositionsfraktionen – kritisch bzw. teilweise sehr kritisch zu diesem Richtlinienentwurf geäußert haben. Sie stellen das jetzt so dar, als ob es nach der Richtlinie keinen Zwang zur Ausschreibung gäbe. Das mag für kommunale Unternehmen zutreffen, die allein die Wasserversorgung betreiben. Das ist in Deutschland aber eher der Ausnahmefall; zumindest gibt es sehr viele kommunale Stadtwerke, die die Wasserversorgung im Verbund mit Energieversorgung und anderen Dienstleistungen in privatwirtschaftlicher Rechtsform, etwa der GmbH, betreiben. Das ist das, was die Bürgerinnen und Bürger kennen. Deshalb meine Frage an Sie: Muss die Kommune nach dem vorliegenden Richtlinienentwurf nie ausschreiben, wenn solche Unternehmen dort tätig sind, und würden Sie als Bundesregierung das dann auch weiterhin in Brüssel so unterstützen? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Zunächst einmal möchte ich die Gelegenheit nutzen, klarzustellen, dass ich mitnichten gesagt habe, dass alle, die den Aufruf der Bürgerinitiative unterschrieben haben, keine Ahnung haben. Ich habe nur darauf hingewiesen, dass in dem Aufruf, den ich natürlich gelesen habe, Behauptungen enthalten sind, die der Wirklichkeit nicht entsprechen. Das ist der Punkt, und an dem halte ich auch fest. Herr Kollege Krischer, um auf Ihre Frage zurückzukommen: Es ist definitiv so: Wenn bei einem Unternehmen, das die Wasserversorgung betreiben will, außer der öffentlichen Hand ein Privater beteiligt ist – das kann auch in einer privatwirtschaftlichen Rechtsform sein, etwa GmbH oder AG – und die Beteiligung des Privaten nicht größer ist als 20 Prozent, dann ist die Leistung nicht auszuschreiben. Die Fälle, die Sie genannt haben, bestätige ich. Es ist so, dass viele Stadtwerke nicht nur die Wasserversorgung, sondern auch die Energieversorgung, die Abfall-entsorgung usw. betreiben. Wenn die private Beteiligung nicht über 20 Prozent liegt, ist das nach wie vor, wie bisher, nicht ausschreibungspflichtig. Die Stadtwerke können sich mit einem benachbarten Stadtwerk und auch mit einer GmbH, die in einer benachbarten Kommune in kommunaler Hand ist, zusammentun. In dem Moment, wo eine Kommune sagt: „Wir nehmen einen privaten Investor herein, der mehr als 20 Prozent der Anteile des Unternehmens hat“, besteht doch die Frage: Was ist eigentlich dagegen einzuwenden, dass die Vergabe dann transparent und diskriminierungsfrei erfolgen soll? Wollen Sie es wirklich zulassen, dass unter Umständen irgendein Amigo – ein grüner, schwarzer, blauer oder was auch immer – den Auftrag bekommt und möglicherweise bestimmte Vorteile erlangt? Das wollen Sie sicher nicht. Sie werden doch mit mir gemeinsam dafür kämpfen, dass die Vergabe an einen Privaten diskriminierungsfrei erfolgt. Darüber sind wir uns, Grüne und Bundesregierung, doch völlig einig, hoffe ich. Vizepräsident Eduard Oswald: Ich bitte, jetzt immer auch auf die Zeit zu achten, da wir noch viele weitere Fragen haben. – Als Nächster unser Kollege Wolfgang Tiefensee. Bitte schön. Wolfgang Tiefensee (SPD): Herr Staatssekretär, im Kern geht es bei dieser Konzessionsrichtlinie um folgende Frage: Welche Leistungen der kommunalen Daseinsvorsorge werden jetzt neuerdings in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie einbezogen und demzufolge einer neuen Form von Wettbewerb unterworfen? Es ist nicht so, wie Sie suggerieren, dass es keine Regeln gäbe. Auch momentan müssen diese Leistungen nach strikten Regeln ausgeschrieben werden. Das sind die allgemeinen Regeln, Verfahrensweisen der Europäischen Union; das ist in einem Vertrag mit allgemeinen Grundsätzen geregelt. Jetzt ist die Frage: Nimmt man diese Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge in den Anwendungsbereich der Richtlinie hinein und stellt sie in einen besonderen Wettbewerb? Da frage ich Sie nun: Wieso ist es möglich, Rettungsdienste und kommunale Kreditbeschaffung mehr oder minder mit einem Federstrich aus dem Anwendungsbereich der Konzessionsrichtlinie he-rauszunehmen, die Wasserversorgung aber nicht, obwohl doch Letztere wesentlich mehr zur Daseinsvorsorge beiträgt? Oder würden Sie im Umkehrschluss behaupten, dass beim Rettungswesen die Amigos, egal ob schwarz, braun oder grün, Zugriff haben dürfen? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Herr Kollege Tiefensee, um das noch einmal klarzustellen: Es ist nicht so, dass wir, wie Sie eben formuliert haben, die Wasserversorgung durch die Konzessionsrichtlinie einem zusätzlichen Wettbewerb aussetzen. Es ist vielmehr so, dass wir die Vergabe der Wasserversorgung einem sauberen und transparenten Verfahren unterwerfen wollen, wie das der Regelfall bei allen Dienstleistungskonzessionen ist, die von einer Kommune vergeben werden. Sie sprechen die Ausnahmen beispielsweise für die Rettungsdienste an. Ich habe diese Ausnahme nicht eingeführt; ich persönlich bin der Meinung, dass man durchaus bei allem sauber und transparent verfahren könnte. Bei der Wasserversorgung hat man möglicherweise deshalb keine Ausnahme vorgesehen, weil die wirtschaftlichen Volumina, die bei der Wasserversorgung anfallen, natürlich einen ungleich größeren Umfang haben als diejenigen bei einem Rettungsdienst – so wichtig ein Rettungsdienst auch ist, auch der Rettungsdienst dient der Daseinsvorsorge und ist eine sehr wichtige Einrichtung. (Jens Ackermann [FDP]: Sehr richtig!) Aber wir reden natürlich bei der Wasserversorgung über Werte, über wirtschaftliche Volumina, die um einen Faktor X wesentlich größer sind. Das wird mutmaßlich die Überlegung sein. Herr Kollege Tiefensee, ein Angebot: Wenn Sie der Meinung sind, dass zukünftig für alle Dienstleistungskonzessionen Ausschreibungspflicht gelten soll, können Sie jedenfalls mit mir darüber reden. (Wolfgang Tiefensee [SPD]: Eine grobe Verzerrung! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glaube ich!) Vizepräsident Eduard Oswald: Nächster Fragesteller: unser Kollege Dr. Diether Dehm. Dr. Diether Dehm (DIE LINKE): Herr Kollege und Herr Staatssekretär, Sie sind mir auch persönlich gut bekannt als gebildeter Mensch, der Verständnis dafür hat, dass so viele Kulturschaffende, – Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Jetzt nicht so viel Lob, das macht mir nur Probleme. Dr. Diether Dehm (DIE LINKE): – die Sie kennen, beispielsweise der Kabarettist -Pelzig, die Initiative gegen die Wasserprivatisierung unterstützen. Ich will den Streit einmal beiseitelassen, – Vizepräsident Eduard Oswald: Deshalb wollten Sie fragen. Dr. Diether Dehm (DIE LINKE): – da Sie ja prinzipiell der Meinung sind, dass die Privaten das alles so gut können, wir hingegen immer meinen, dass zivilisierte, öffentlich kontrollierte Regeln auch für die Bürger zu einem höheren Maß an Transparenz und zu nachvollziehbarer Qualitätskontrolle führen. Ich will Sie fragen – das ist eine ganz persönliche Frage, weil ich weiß, dass Sie nicht nur mit der Kultur viel zu tun, sondern auch einen guten Geschmack haben –, ob Sie denn seit der Übernahme der Wasserversorgung in London durch ein privates Unternehmen einmal in London waren. Thames Water, eine frühere Tochter von RWE, hat dort die Wasserversorgung übernommen. Jetzt wird das Themsewasser zu Trinkwasser recycelt. Ich frage Sie, ob Sie nach dieser Übernahme durch ein privates Unternehmen, eine ehemalige Tochter von RWE, einmal in London waren und dort freiwillig aus dem Wasserhahn getrunken haben. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Lieber Kollege Dr. Dehm, eine persönliche Frage, eine persönliche Antwort: Ich war in den letzten anderthalb Jahren nicht in London, und ich würde ohnedies – das kann ich Ihnen sagen – in keinem Fall aus dem Wasserhahn trinken, egal ob das Wasser von RWE oder von einem kommunalen Wasserversorger ist. (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Nicht einmal hier im Bundestag?) – Nein, auch nicht hier im Bundestag. Es gibt hier wunderbare Angebote. Ich will doch, dass die Kantine Umsatz macht. Ein paar Cent sind bei einem Staatssekretär noch übrig, um sich ein Mineralwasser zu kaufen. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Nachfrage – wir sind immer noch bei der Frage 3 –: Kollege Andrej Hunko. Bitte schön, Herr Hunko. Andrej Hunko (DIE LINKE): Herr Kollege, Sie hatten eben in der Antwort auf Kollegen Lenkert der Europäischen Bürgerinitiative „right to water“ unterstellt, dass sie die Konzessionsrichtlinie falsch interpretiert und sozusagen als Schreckensszenario eine Privatisierung an die Wand malt. Ich will nur darauf aufmerksam machen, dass die Konzessionsrichtlinie gar nicht direkter Gegenstand dieser Europäischen Bürgerinitiative ist – dazu würde ich Sie auch gern fragen –; vielmehr geht es darum, dass die Kommission einen neuen Vorschlag macht – ich zitiere –, der „das Menschenrecht auf Wasser und sanitäre Grundversorgung entsprechend der Resolution der Vereinten Nationen durchsetzt und eine funktionierende Wasser- und Abwasserwirtschaft als existenzsichernde öffentliche Dienstleistung für alle Menschen fördert“. Das ist der Vorschlag, zu dem jetzt Unterschriften gesammelt werden. Er bezieht sich aber nicht direkt auf die Konzessionsrichtlinie und ist übrigens schon älter als die ganze Debatte um diese Richtlinie. Vielleicht dazu noch einmal die Frage: Könnten Sie dieses Anliegen unterstützen? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Lieber Herr Kollege Hunko, Sie haben die Frage 6 gestellt, die sich genau auf diesen Sachverhalt bezieht. Ich würde vorschlagen, dass ich an dieser Stelle darauf eingehe. Vizepräsident Eduard Oswald: Nein, das machen wir nicht. Wir gehen nach der ursprünglichen Reihenfolge vor, weil ansonsten diejenigen benachteiligt sind, die Fragen zu den Fragen 4 und 5 haben. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Also gut, Herr Präsident, dann mache ich das sehr gerne so. Lieber Herr Kollege Hunko, es ist in der Tat so, dass die UNO-Vollversammlung den Zugang zu sauberem Wasser als ein elementares Menschenrecht bezeichnet hat. Dieser Auffassung schließt sich die Bundesregierung selbstverständlich an. Wir sind allerdings der Auffassung, dass der Zugang zu sauberem Wasser mitnichten nur durch öffentliche, staatliche Institutionen gewährleistet werden kann. Kollege Tiefensee hat vorhin beispielsweise die Rettungsdienste angesprochen; ich nenne ein anderes Beispiel: die Krankenhäuser. Es gibt ein elementares Menschenrecht auf Gesundheit. Aber deswegen betreiben wir nicht jeden Rettungsdienst und auch nicht jedes Krankenhaus in staatlicher Regie. Niemand zweifelt daran, dass der Zugang zu sauberem Wasser ein elementares Menschenrecht ist. Aber ich bin Ihnen jedenfalls in einem Punkt sehr dankbar: Diese Bürgerinitiative, die in der Öffentlichkeit immer so dargestellt wird, als wende sie sich gegen die Konzessionsrichtlinie, strebt in Wahrheit eine Veränderung des rechtlichen Status an. Ich stelle klar: Durch die Konzessionsrichtlinie erfolgt keine Veränderung des derzeitigen Status; es erfolgt nur eine Klarstellung des bestehenden rechtlichen Zustandes. Wer also eine Veränderung des rechtlichen Zustandes möchte, das sind diejenigen, die diese Bürgerinitiative unterstützen. Dieser Auffassung kann man ja sein; Sie sind es mutmaßlich. Nur, wir von der Bundesregierung sind nicht der Auffassung, dass das Menschenrecht auf Zugang zu sauberem Wasser nur vom Staat und durch öffentliche Stellen gewährleistet werden kann. Vielmehr sind wir der Meinung, dass es viele gute, hoch leistungsfähige, zuverlässige private Wasserversorger in Deutschland und auch in anderen Ländern gibt. Vizepräsident Eduard Oswald: Wir kommen nun zur Frage 4 des Kollegen Oliver Krischer: Wann wird das eigentlich für „Ende Dezember 2012“ (siehe die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/10984) angekündigte Kurzgutachten bei der Prognos AG zur Ermittlung der Daten- und Informationsgrundlagen zur Entwicklung eines Konzepts für die nationale Umsetzung von Art. 7 der EU-Energieeffizienzrichtlinie veröffentlicht, und zu welchen (Zwischen)Ergebnissen ist das Gutachten bisher gekommen? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Lieber Herr Kollege Krischer, Sie fragen danach, wann ein von Ihnen genau bezeichnetes Gutachten der Prognos AG veröffentlicht werde. Da wir uns ja so gut verstehen, kann ich Ihnen die erfreuliche Nachricht geben, dass der Endbericht der Prognos AG zum Kurzgutachten „Endenergieeinsparungsziel gem. Art. 7 EED und Abschätzung der durch politische Maßnahmen erreichbaren Energieeinsparungen“ – das ist der etwas sperrige Titel des Gutachtens – zwischenzeitlich auf den Internetseiten des BMWi veröffentlicht worden ist und von Ihnen und von jedem und jeder anderen abgerufen werde kann. Wir freuen uns darüber, wenn davon rege Gebrauch gemacht wird. Vizepräsident Eduard Oswald: Und trotzdem möchte der Kollege Oliver Krischer nachfragen. – Bitte schön. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Da sieht man, wie erfolgreich eine Frage sein kann: Sie haben das Gutachten gestern pünktlich zur Beantwortung der Frage veröffentlicht. Noch einmal herzlichen Dank dafür, dass das so prompt geklappt hat. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: So bin ich. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist aber auch nicht irgendein Gutachten, sondern das ist das Gutachten, das die Grundlage dafür sein soll – so steht es jedenfalls in einer Beantwortung einer älteren Anfrage der grünen Bundestagsfraktion –, wie die Energieeffizienzrichtlinie in Deutschland umgesetzt werden soll. Deshalb gehe ich davon aus, dass Sie sich mit diesem Gutachten intensiver beschäftigt haben. Mich würde natürlich interessieren, welche Konsequenzen Sie jetzt daraus ziehen. Ganz konkret gefragt: Welche der genannten oder nicht genannten Maßnahmen wird die Bundesregierung denn nun ergreifen, um das von der EU vorgegebene Energieeffizienzziel zu erreichen? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Lieber Herr Kollege Krischer, Sie trauen mir ja viel zu, wenn Sie meinen, dass ich ein Gutachten allein deswegen ins Netz stelle, weil Sie mich hier fragen. Ich kann Sie beruhigen: Diese Einflussmöglichkeiten habe ich nicht. Die Prognos AG hat uns das Gutachten ein bisschen verspätet geliefert, man schaut es sich auch noch an, und dann ist es gestern ins Netz gestellt worden. Ich freue mich jedenfalls darüber, dass ich Ihnen jetzt Vollzug melden kann. Sie werden es sicherlich aber nicht als unziemlich betrachten, dass wir zu einem Gutachten von diesem Umfang und von dieser politischen Bedeutung, worauf Sie zu Recht hingewiesen haben, das wir erst vor wenigen Tagen erhalten haben, noch keine Auswertung fertiggestellt haben, sodass wir Ihnen auch noch keine abschließende Antworten auf all diese Fragen geben können. Ich kann allerdings schon eine erste, vorläufige zusammenfassende Stellungnahme abgeben: Die Bundesregierung fühlt sich durch dieses Gutachten sehr darin bestätigt, da es zu dem Ergebnis kommt, dass wir dann, wenn man all die Instrumente zusammenrechnet, die wir in Deutschland zur Steigerung der Energieeffizienz haben, das von Art. 7 der Energieeffizienzrichtlinie geforderte Einsparziel erreichen. Deswegen fühlen wir uns durch dieses Gutachten – das ist eine vorläufige und zusammenfassende Bewertung – durchaus bestätigt. Ich gehe davon aus, lieber Herr Kollege Krischer, dass wir in den zuständigen Ausschüssen über dieses Gutachten und über die einzelnen Maßnahmen – das ist völlig legitim und richtig – noch ausgiebig diskutieren werden. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre weitere Nachfrage, Herr Kollege Krischer. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herzlichen Dank. – Herr Otto, ich teile Ihre Einschätzung, dass dieses Gutachten – das sagen auch viele Fachleute, die es geschafft haben, dieses seit gestern veröffentlichte Gutachten zu bewerten – zu dem Ergebnis kommt, man müsse über die bisherigen Maßnahmen hinaus fast gar nichts mehr tun, um das Effizienzziel zu erreichen. Das erstaunt alle, die sich mit dem Thema Energieeffizienz auseinandersetzen. Wenn man sich das Gutachten anschaut, sieht man, dass zum Beispiel die Lkw-Maut oder der Ausbau der erneuerbaren Energien, den ich ausdrücklich unterstütze, der aber zunächst einmal nichts mit Energieeffizienz zu tun hat, sondern nur eine andere Form der Energieerzeugung ist, und eine ganze Reihe weiterer Maßnahmen, wie zum Beispiel Netzentgelte, in Anrechnung gebracht werden, um bestimmte Vorgaben der EU rechnerisch zu erfüllen. Meine Frage ist: Sehen Sie das auch so? Finden Sie, dass zum Beispiel der Ausbau der erneuerbaren Energien, die Lkw-Maut usw. ein Teil der Umsetzung der EU-Effizienzrichtlinie sind? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Lieber Herr Kollege Krischer, ich wiederhole: Eine Diskussion darüber wird noch sorgfältig in den Ausschüssen geführt werden müssen. Da die Befragung allein dieses Ressorts schon relativ viel Zeit in Anspruch genommen hat, möchte ich mit Blick auf den Herrn Präsidenten keine lange Antwort geben. Klar ist – das ist das Einzige, was ich dazu sagen will –, dass Maßnahmen, die zur Erhöhung der Energieeffizienz maßgeblich beitragen, egal zu welchem Zeitpunkt sie begonnen wurden, selbstverständlich in zulässiger Weise im Rahmen des Art. 7 der Energieeffizienzrichtlinie berücksichtigt werden können. Welche es dann sind, darüber werden wir noch im Einzelnen diskutieren. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. – Jetzt rufe ich die Frage 5 des Fragestellers Oliver Krischer auf: Wie sieht der weitere Zeitplan für gesetzliche Regelungen bei der Förderung von unkonventionellem Erdgas (Fracking) vor dem Hintergrund aus, dass „noch in dieser Wahlperiode“ klare gesetzliche Regeln vonseiten der Bundesregierung geschaffen werden sollen (siehe den Spiegel, Heft 7/2013), und welche angeforderten konkreten Regelungsvorschläge (bitte einzeln aufschlüsseln) haben die Bundesministerien bisher eingebracht? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Meine Antwort: Eine Arbeitsgruppe der Koalitionsfraktionen hat sich Ende Januar darauf verständigt, dass die zuständigen Ressorts – es sind vier – der Arbeitsgruppe Regelungsvorschläge zum Fracking bis zur Sitzungswoche vom 18. bis zum 22. Februar, also bis zum Ende dieser Woche, vorlegen. Derzeit erarbeiten – genau in diesem Moment; das weiß ich – das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie sowie das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Regelungsvorschläge zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes – das wird vom BMU gemacht – bzw. zur Änderung der UVP-Verordnung Bergbau – das wird vom Bundeswirtschaftsministerium gemacht – aufgrund der konkreten Vorstellungen und Anregungen der Fraktionen. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Dies ist ein sehr engagierter Zeitplan. In der nächsten Woche haben wir wieder eine Sitzungswoche. Dann werden Sie mit Sicherheit wissen, wie diese Vorschläge aussehen. Bis zum Ende dieser Woche muss ich Sie leider um Geduld bitten. Vizepräsident Eduard Oswald: Und trotzdem hat der Kollege Oliver Krischer eine Nachfrage. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Ich habe es befürchtet. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn Sie bei diesem Thema immer so schnell arbeiten würden, wäre es schön. Wir hören seit zweieinhalb Jahren immer wieder, es soll Gesetzesinitiativen bzw. Gesetzesänderungen geben. Das haben wir schon von verschiedenen Ministern gehört, die heute nicht mehr im Amt sind, und am Ende ist nie etwas passiert. Deshalb gestatten Sie mir eine Nachfrage. Ich erlebe jetzt den Kollegen Altmaier, der sich zu diesem Thema sehr intensiv äußert und sogar ein generelles Fracking-Verbot in die Debatte bringt, was ich mit den Koalitionsfraktionen bisher gar nicht so sehr in Verbindung gebracht habe, sondern eher mit anderen Teilen dieses Hauses. Es wird unter anderem auch immer gesagt, Fracking in Trinkwasserschutzgebieten solle verboten werden; dies solle ein Teil der neuen Regelung sein. Nach meiner Kenntnis gibt es in Deutschland drei Trinkwasserschutzzonen: I, II und III. In den Zonen I und II ist Fracking nach gängiger Regelung ohnehin nicht zugelassen. Es bliebe noch die Trinkwasserschutzzone III. Hier ist dies in der Regel auch nicht zulässig oder nur unter bestimmten Einschränkungen. Mich würde einfach interessieren: Was planen Sie im Hinblick auf Trinkwasserschutzgebiete im Detail? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Lieber Herr Kollege Krischer, ich habe das Gefühl, dass Sie bei meiner Antwort auf die erste Frage nicht aufmerksam zugehört haben. Ich habe Ihnen gesagt: Über die Details können wir frühestens in der nächsten Woche reden. – Ich möchte Ihnen auch sagen, dass Herr Bundesumweltminister Altmaier keineswegs einem allgemeinen Verbot von Fracking das Wort geredet hat; er hat nur gesagt: Wenn wir so hohe Anforderungen stellen, wie wir es momentan vorhaben, dann wird es sehr schwer werden, in Deutschland Fracking zu betreiben. – Das will ich so wiedergeben, obwohl ich nicht für Herrn Altmaier verantwortlich bin; das sind andere Kollegen. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie antworten für die Bundesregierung insgesamt!) Aber ich denke, dass man hier nicht stehen lassen kann, dass Herr Altmaier jemals von einem Verbot von Fracking in Deutschland gesprochen hat. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn Sie fracken wollen, macht es natürlich Sinn, dass wir das Leitungswasser nicht mehr trinken sollen!) – Er hatte ja nach London gefragt und nicht nach Deutschland. Vizepräsident Eduard Oswald: Jetzt ist der Kollege Oliver Krischer dran. Jeder kann sich noch melden; ich nehme das gerne auf. – Bitte schön, Kollege Oliver Krischer. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär Otto, da muss ich Ihnen leider widersprechen. Herr Altmaier hat laut einer Reuters-Meldung vom 17. Februar wörtlich gesagt: Wir sollten vor einem generellen Fracking-Verbot nicht zurückschrecken … (Zurufe von der LINKEN: Ah!) Es gibt mehrere entsprechende Aussagen. Das heißt, auch bei Herrn Altmaier spielt das offensichtlich eine Rolle. Nun erleben wir es bei dem Herrn öfter, dass viel angekündigt wird und nachher wenig dabei herumkommt; da kenne ich noch andere Beispiele. Meine Frage ist: Wie steht die Bundesregierung denn grundsätzlich zu der Thematik? Kann ich davon ausgehen, dass die Regelungen, an denen Sie jetzt arbeiten, dazu führen sollen, dass Fracking in Deutschland grundsätzlich möglich ist, oder kann ich davon ausgehen, dass am Ende tatsächlich eher eine Einschränkung vorgenommen wird – wie auch immer man sie vornimmt; man muss nicht von einem generellen Verbot sprechen –, die so weit geht, dass kein Fracking stattfindet? Sie müssten da schon eine Grundtendenz nennen können. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Lieber Herr Kollege Krischer, Sie fragen nicht nach den Details; generell kann ich Ihnen sagen, dass es nach dem Meinungsstand der Arbeitsgruppen, die aktuell tagen, darauf hinausläuft, eine sehr eingeschränkte, verantwortungsbewusste Nutzung von Fracking unter bestimmten Voraussetzungen zuzulassen. Nachdem Sie es schon der Presse entnommen haben, kann ich bestätigen, dass wir darüber nachdenken, bei -allen Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchführen zu lassen, und wir in der Tat prüfen, wie es sich mit Wasserschutzgebieten verhält; Sie haben es eben schon angesprochen. Das sind die beiden zentralen Punkte: Umweltverträglichkeitsprüfung und Verträglichkeit des Frackings mit Wasserschutzgebieten. Ich kann Ihnen – das hatte ich Ihnen schon gesagt – auch beim besten Willen wirklich nicht mehr als das sagen, weil es sich im Moment noch in der Abstimmung befindet. Aber ich glaube, ich kann Ihnen ankündigen, dass wir in der kommenden Sitzungswoche, die auch die kommende Kalenderwoche ist, sprechfähig sein werden. Vizepräsident Eduard Oswald: Zusatzfrage unserer Kollegin Frau Dorothea Steiner. Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär Otto, Ihre Formulierung – Sie streben eine „sehr eingeschränkte, verantwortungsbewusste Nutzung“ an – bringt mich zu der Frage: Wie kann denn bei den Kenntnissen, die wir über Auswirkungen des Frackens und über seine Einwirkung auf den Boden haben, eine eingeschränkte, aber verantwortungsvolle Nutzung möglich sein? Glauben Sie, dass Sie eine solche Form der Nutzung über eine UVP erreichen können? UVP können auch das Ergebnis haben, dass man überhaupt nichts vornehmen darf. Was heißt hier „verantwortungsbewusst“? Das ist eine Grundsatzfrage und keine Detailfrage; es sollte sicherlich möglich sein, darauf eine Antwort zu geben. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Liebe Frau Kollegin Steiner, Ihnen ist sicherlich bekannt, dass in Deutschland bereits jetzt, in diesem Moment, und schon seit Jahrzehnten Fracking betrieben wird. Es ist also nicht so, dass wir jetzt die Möglichkeit eröffnen müssten. Im Gegenteil: Wir wissen um die Gefahren und handeln im Hinblick auf den Schutz des Trinkwassers und der Umwelt verantwortungsbewusst. Wir überlegen uns zusätzliche Regeln hinsichtlich der Frage, unter welchen Bedingungen Fracking stattfinden oder eben nicht stattfinden darf. Es ist nicht so, dass wir das liberalisieren. Im Gegenteil ist es so, dass wir zusätzliche Regelungen schaffen. (Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darf ich noch was fragen?) Vizepräsident Eduard Oswald: Nein, Frau Steiner. Der Kollege Ralph Lenkert hat sich jetzt gemeldet. – Bitte. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Herr Staatssekretär, zunächst möchte ich klar sagen: Die Linke ist gegen jede Form von Fracking in konventionellen Erdgaslagerstätten. Ich möchte Ihnen folgende Frage stellen. Sie sprachen vorhin an, dass das Wirtschaftsministerium plant, das Bergrecht zu verändern. Im aktuellen Bergrecht ist die Möglichkeit vorgesehen, dass per Verordnung ein Fonds eingerichtet wird, der im Falle der Nichtzahlungsfähigkeit des betroffenen Bergbauunternehmens bei größeren Umweltschäden einspringt. Planen Sie im Zusammenhang mit Ihren Überlegungen zum Fracking, endlich einen solchen Fonds einzurichten, damit die Möglichkeit besteht, im Schadensfall die Betroffenen zu entschädigen, falls das Bergbauunternehmen nicht zahlen kann? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Lieber Herr Kollege, ich habe eben schon dem Kol-legen Krischer sehr deutlich gesagt, dass es unverantwortlich wäre, Wasserstandsmeldungen über laufende Abstimmungsgespräche zu übermitteln. Das betrifft Fracking. Ihre Frage zielt allerdings weit darüber hinaus. Ich darf Sie bitten, für die nächste Sitzungswoche eine entsprechende Frage vorzubereiten, dann werden wir Ihnen darauf auch eine Antwort geben. Einfach so, aus der Hüfte geschossen, zu sagen, was wir in den nächsten zehn Jahren vielleicht alles machen, das scheint mir nicht seriös zu sein. Ich möchte Sie anregen: Stellen Sie Ihre Frage in mündlicher oder schriftlicher Form, dann bekommen Sie auch eine seriöse Antwort. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kriegen wir jetzt von der Bundesregierung schon die Fragen vorgeschrieben? Das ist ein Service!) Vizepräsident Eduard Oswald: Frau Kollegin Steiner, bitte. Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär Otto, Sie haben sich zwar gerade etwas unverbindlich und beliebig ausgedrückt, dennoch stelle ich fest, dass Sie zwei Bedingungen genannt haben, die gegeben sein müssen, um Fracking einzuschränken bzw. zu verhindern. Im Umkehrschluss heißt das aber: Alles andere ist erlaubt. Das heißt, Sie wollen Fracking im großen Maßstab zulassen bzw. alles beim derzeitigen Umfang belassen. Aber so viel zugelassenes Fracking, wie Sie das gerade unterstellt haben, gibt es nicht. Es gibt vielerorts Moratorien. Wir wissen, welche Folgen verantwortungsloses Handeln hat und fragen uns daher: Was wird sich ändern, wenn Sie Fracking doch weiterhin zulassen wollen? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Liebe Frau Kollegin, ich überlasse das Ihrem Urteil. Ich schließe mich dem nicht an, dass ich Ihnen unverbindlich und unkonkret geantwortet habe. Vielmehr möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass ich Ihnen sogar erste Antworten und Einschätzungen auf Fragen gebe, die im Moment eigentlich überhaupt noch nicht zu beantworten sind. Ich hätte mich zurückziehen können und sagen: Die Kollegen tagen im Moment, also gibt es überhaupt keine Antwort. Ich meine, dass ich sehr viel konkreter bin, wenn ich Ihnen sage: Wir arbeiten konkret an der Umweltverträglichkeitsprüfung und an der Frage, inwieweit Wasserschutzzonen zu beachten sind. Liebe Frau Kollegin, schon allein deswegen, weil ich den Kollegen Altmaier sehr schätze, wäre ich doch mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn ich Ihnen hier definitiv sagen würde: Es gibt kein Moratorium, es gibt kein Verbot und Ähnliches. Ich kann Ihnen nur sagen, wie der momentane Stand der Dinge ist. Die Fraktionen haben sich in anderer Weise geäußert. Aber warten wir doch alle einmal ab, wie sich die Fachleute, die im Moment darüber beraten, entscheiden werden. Ob ein Moratorium oder ein Verbot herauskommt oder ob es eher, wie Sie es eben beschrieben haben, auf strengere Voraussetzungen hinausläuft, das weiß ich nicht. Ich lege aber Wert darauf, festzuhalten: Wir stellen auf jeden Fall zusätzliche Anforderungen an die Durchführung von Fracking in Deutschland. Von Ihnen wird manchmal der Eindruck erweckt, als ob wir jetzt alles liberalisieren oder freigeben. Wir wissen, dass Fracking eine sehr problematische, nur mit großem Verantwortungsbewusstsein zu betreibende Abbaumethode ist, und dementsprechend werden wir uns auch verhalten. (Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schön, dass wir das jetzt mal nach zwei Jahren hören!) Vizepräsident Eduard Oswald: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir fahren mit unserer Liste fort. Ich rufe die Frage 6 des Kollegen Andrej Hunko auf: Inwiefern hat sich die Bundesregierung auf EU-Ebene dafür eingesetzt, die Privatisierung der Trinkwasserversorgung zu verbieten, und sieht sie die in den Richtlinienvorschlägen der EU-Kommission zur öffentlichen Auftragsvergabe (KOM[2011] 895 endg. und KOM[2011] 896 endg.) vorgesehene Möglichkeit zur Privatisierung der Trinkwasserversorgung in Widerspruch zur Resolution 64/292 der UNO-Vollversammlung vom 28. Juli 2010, die den Zugang zu sauberem Trinkwasser zu einem Menschenrecht erklärt hat (bitte begründen)? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Lieber Herr Präsident, ich hatte vorhin schon auf eine ähnliche Frage des Kollegen Hunko geantwortet: Die Bundesregierung setzt sich auf EU-Ebene, namentlich bei der Konzessionsrichtlinie, dafür ein, dass das kommunale Selbstverwaltungsrecht gestärkt wird. Das heißt, wir legen es in die Hand der einzelnen Kommune, ob sie die Wasserversorgung in eigener Hand, durch Eigenbetriebe, in Form einer GmbH oder Ähnliches betreibt, oder ob sie sich dafür, ganz oder teilweise, privater Unternehmen bedient. Jede Maßnahme, die es verbietet, die Trinkwasserversorgung in private Hände zu legen, wäre eine unter Umständen sogar verfassungsrechtlich fragwürdige Einschränkung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts. Das, lieber Herr Kollege Hunko, mögen Sie bitte auch bedenken. Ihre Frage dazu, dass die Vollversammlung der Vereinten Nationen den Zugang zu sauberem Wasser als ein elementares Menschenrecht bezeichnet hat, habe ich auch schon beantwortet. Ich möchte das hier aber noch einmal klarstellen: Wir teilen als Bundesregierung ohne Wenn und Aber diesen Beschluss; aber wir sind der Meinung, dass wir jedenfalls in Deutschland – so weit können wir das als Bundesregierung beurteilen – einen Zugang zu sauberem Wasser auch dort gewährleisten können, wo private Anbieter entweder zusammen mit einem öffentlichen Anbieter oder allein die Wasserversorgung betreiben. Hier liegt also keine Gefährdung vor. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Zu welchem Preis? Was kostet das?) – Frau Kollegin Enkelmann, ich lege Wert darauf, dass auch nach dem Beschluss der Vereinten Nationen es den einzelnen Vertragsstaaten ausdrücklich überlassen bleibt, wie sie eine funktionierende Wasserinfrastruktur schaffen und wie sie die Versorgung mit sauberem Trinkwasser in der Zukunft vorschreiben. Es ist also nicht so, dass die Vollversammlung der Vereinten Nationen uns dazu zwingt oder auch nur an uns appelliert, dass wir die Wasserversorgung in staatliche bzw. kommunale Hand nehmen. Das ist nicht der Fall. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Es muss auch bezahlbar sein!) Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Kollege Hunko, Sie haben eine Nachfrage. Andrej Hunko (DIE LINKE): Herr Kollege Otto, ich würde gerne noch einmal auf den ersten Teil meiner Frage eingehen. Wir haben darüber eben schon relativ ausführlich diskutiert, aber ich habe doch noch eine Nachfrage dazu. Sie sagten, dass Sie die Wasserversorgung in die Hand der Kommunen – kommunale Selbstverwaltung – legen, dass die Kommunen völlig frei seien in der Entscheidung, ob sie die Wasserversorgung in öffentlicher Hand behalten oder in private Hände geben wollen, wofür dann jedoch eine -europaweite Ausschreibung zwingend vorgeschrieben sei. Mit Blick auf die Schuldenbremse, auf den Fiskalpakt, der die Handlungsfähigkeit der Kommunen in den nächsten Jahren weiter einschränken wird, möchte ich nachfragen: Für wie realistisch halten Sie es angesichts der Finanzsituation der Kommunen – ich komme aus NRW, dort sind sehr viele Kommunen in Finanznot –, dass die Kommunen tatsächlich eine freie Entscheidung treffen können? Ist nicht doch ein ökonomischer Druck, eine Druckkulisse aufgebaut worden, die letztendlich zur Privatisierung führt? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Lieber Kollege Hunko, ich bin außerordentlich überrascht, dass ausgerechnet aus Ihrer Fraktion diese Frage kommt; denn ich kann mich noch sehr genau daran erinnern, dass die Linksfraktion in Hamburg und anderen Städten die Rekommunalisierung von Stromversorgungsnetzen forderte. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ja, -genau!) Das heißt, dass es den Kommunen auch in Zeiten der Schuldenbremse und angesichts ihrer finanziellen Probleme möglich ist – auch Hamburg ist eine Kommune –, das Rad zurückzudrehen, also nicht stärker der privaten Seite zuzuneigen, sondern für Hunderte von Millionen Euro ein Netz zurückzukaufen. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Damit Strom auch zukünftig bezahlbar ist!) Das beweist doch, dass es keinen zwangsläufigen Mechanismus gibt, dass eine Kommune gezwungen wird, die Wasserversorgung zu privatisieren. Es ist im Gegenteil sogar so: Die kommunale Wasserversorgung wird in den allermeisten Fällen von den Kommunen so betrieben, dass dabei ein gewisser Gewinn herausspringt. Wenn eine Kommune die kommunale Wasserversorgung gut organisiert betreibt, besteht also überhaupt kein Grund, sie zu veräußern. Wenn sie das erfolgreich betreiben, dann sollen sie das auch weiter betreiben. Klare Feststellung: Die Bundesregierung zwingt keine Kommune, irgendetwas zu privatisieren. Wir sagen nur: Wenn sie privatisieren, dann müssen sie ein faires, transparentes und diskriminierungsfreies Verfahren anwenden. Vizepräsident Eduard Oswald: Wollen Sie die Möglichkeit der zweiten Nachfrage nutzen? – Bitte schön. Andrej Hunko (DIE LINKE): Vielen Dank. – Herr Staatssekretär Otto, ich will das, was Sie gesagt haben, jetzt nicht kommentieren. Bei der Frage, was als vorwärts- und was als rückwärtsgerichtet angesehen wird, haben wir einfach gegensätzliche Auffassungen. Wir betrachten öffentliches Eigentum gerade im Bereich der Daseinsvorsorge als etwas, was nach vorne gerichtet ist. Darauf will ich jetzt aber nicht näher eingehen. Ich will noch einmal auf die von Ihnen erwähnte UNO-Resolution eingehen und dazu eine Nachfrage stellen. Ich sage an dieser Stelle, dass ich froh bin, dass Deutschland das mit unterstützt hat. Darin heißt es: Die Generalversammlung … – der UNO – erkennt das Recht auf einwandfreies und sauberes Trinkwasser und Sanitärversorgung als ein Menschenrecht an … Später heißt es weiter: Sie fordert die Staaten und internationalen Organisationen auf, insbesondere für die Entwicklungsländer Sorge zu tragen, die Anstrengungen zur Bereitstellung von einwandfreiem, sauberem, zugänglichem und erschwinglichem Trinkwasser und zur Sanitärversorgung für alle zu verstärken. Es gibt Erfahrungen mit privaten Anbietern hier in Berlin, in London – das ist eben erwähnt worden – und in vielen anderen Städten. Nach der Privatisierung sind die Preise schnell gestiegen, wodurch die Erschwinglichkeit des Trinkwassers reduziert wurde. Meine Frage lautet: Sehen Sie nicht die Gefahr, dass diese UNO-Resolution, der Sie zugestimmt haben, durch das, was Sie als „vorwärts“ bezeichnen, verletzt wird? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Nein, Herr Kollege Hunko. Die Bundesregierung verfügt über keinerlei Erkenntnisse, dass eine Wasserversorgung durch private Unternehmen generell teurer oder schlechter als durch kommunale Unternehmen ist. Das entspricht auch der Stellungnahme des Verbandes kommunaler Unternehmen. Man kann auch nach den Erfahrungen, die wir in Deutschland machen, nicht generell sagen: Eine Dienstleistung, die von der öffentlichen Hand erbracht wird, ist automatisch besser und billiger als eine Dienstleistung, die von privater Hand erbracht wird. (Zuruf der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]) Deswegen sehe ich überhaupt keinen Widerspruch zu dieser von der Vollversammlung der Vereinten Nationen beschlossenen Resolution zum Grundrecht auf freien Zugang zu Trinkwasser. Das wird bei uns gewährleistet. Das Wasser ist in Deutschland generell sehr erschwinglich, und die Preise sind in den letzten Jahren auch nicht signifikant angestiegen. Das ist in anderen Bereichen der Daseinsvorsorge völlig anders. Daher besteht kein Anlass, daran zu zweifeln, dass die deutschen Bürgerinnen und Bürger einen Zugang zu sauberem Wasser zu erschwinglichen Preisen haben. Das ist gewährleistet. Vizepräsident Eduard Oswald: Jetzt komme ich zu weiteren Nachfragen zu diesem Themenbereich: zunächst vom Kollegen Ralph Lenkert, dann von der Kollegin Dagmar Enkelmann. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Herr Staatssekretär, die UN-Resolution betrachtet den ungehinderten Zugang zu Trinkwasser als Menschenrecht – so ebenfalls die Sicht der EU und auch unsere Sicht. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gegen die EU! Gegen die NATO! Gegen die UN!) Mich bewegt eine Frage. Sie haben vorhin bei der Antwort auf eine andere Frage geäußert, dass Sie selbst nie Wasser aus der Leitung trinken. Das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz erklärt regelmäßig, dass Trinkwasser aus der Leitung eines der besten und am besten überprüften Lebensmittel in unserem Land ist. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Schön. Ralph Lenkert (DIE LINKE): In Großbritannien und in anderen Ländern ist es mit einem gewissen Risiko verbunden, Leitungswasser zu trinken. (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: In Italien auch!) Das war nicht immer so. Vor der Privatisierung waren die Zustände dort anders. Das heißt: Es gibt durchaus Beispiele auf dieser Welt und auch innerhalb der EU, die nachweisen, dass die Trinkwasserqualität deutlich schlechter geworden ist, nachdem eine Privatisierung stattgefunden hat. Ich frage die Bundesregierung deshalb, wieso sie die Erfahrung aus anderen Ländern einfach ausblendet. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Lieber Herr Kollege, die Bundesregierung wertet die Erfahrungen aus Deutschland aus. In Deutschland haben wir in großem Umfang auch private und gemischte – öffentlich-rechtliche und private – Anbieter. Wir haben ein hervorragendes Niveau. (Patrick Döring [FDP]: Genau!) Ich könnte ja Leitungswasser trinken; ich werde mir aufgrund Ihres Ratschlags überlegen, ob ich nicht doch Leitungswasser trinke, damit die Linken zufrieden sind. (Zurufe von der LINKEN: Bravo!) Aber Spaß beiseite: Wir haben in Deutschland – das ist unstreitig – ein hervorragendes Niveau der Wasserversorgung. Wir haben das erreicht, indem die Kommunen darüber entscheiden, wie sie das organisieren. (Patrick Döring [FDP]: So ist es!) Es gibt überhaupt keine Veranlassung, das kommunale Selbstverwaltungsrecht einzuschränken, die Kommunen zu zwingen, ihre Wasserversorgung in die eigene Hand zu nehmen, obwohl sie vielleicht seit Jahrzehnten mit einem privaten Versorger gut zusammenarbeiten. Sie müssen sich auch unter Demokratiegesichtspunkten einmal die Frage stellen: Ist das denn so demokratisch, wenn man hier in Berlin beschließt, dass alle Kommunen das so und so zu machen haben – egal, wie das vor Ort geregelt ist? Haben Sie doch Vertrauen zu Ihren Kommunalpolitikern. Sie sollen entscheiden, wie sie es am besten machen. Die Bundesregierung sieht keine Veranlassung dazu, hier einzugreifen. Ein Letztes. Die Bundesregierung hat keine Informationen darüber, dass die Übertragung der Wasserversorgung auf einen privaten Versorger zu einem Qualitätsabfall und zu einem Preisanstieg führt. Diese Erkenntnisse gibt es nicht; jedenfalls haben wir diese Erkenntnisse nicht. Wie es in London ist, kann ich hier nicht abschließend beurteilen; aber es gibt sicherlich auch Fälle in anderen europäischen Ländern. (Zurufe von der LINKEN: Braunschweig!) – Braunschweig. Jetzt ruft hier jeder etwas dazwischen. Ich könnte jetzt genauso gut Hinterbasewinkel rufen. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Es gibt ausreichend Beispiele!) – Liebe Kollegen, ganz ruhig. Vizepräsident Eduard Oswald: So, Sie kommen jetzt bitte zum Ende der Beantwortung dieser Frage, Herr Staatssekretär. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Die Bundesregierung hat keine gesicherten oder sonstigen Informationen darüber, dass die Privatisierung der Wasserversorgung zwangsläufig dazu führt, dass das Wasser schlechter und der Preis höher wird. Vizepräsident Eduard Oswald: Jetzt hat Frau Kollegin Dagmar Enkelmann noch eine Nachfrage zu diesem Themenkomplex. Dann geht es weiter. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Herr Staatssekretär, da Sie FDP-Mitglied sind, erklärt sich natürlich für jeden die Wettbewerbshörigkeit, die Sie hier durchschimmern lassen. Aber Sie sind Mitglied der Bundesregierung und antworten hier als Mitglied der Bundesregierung. Vorhin war meine Frage, ob die Bundesregierung die Folgen einer möglichen Privatisierung der Wasserversorgung geprüft hat, die Folgen für die Bürgerinnen und Bürger und insbesondere die Frage der Bezahlbarkeit des öffentlichen Guts Wasser. Ich stelle die Frage noch einmal. Wir reden hier nicht nur über Qualität, sondern auch darüber, dass das öffentliche Gut Wasser auch künftig für alle bezahlbar sein soll. Ist dies von der Bundesregierung ausreichend geprüft worden, und kann sie vor diesem Hintergrund möglicherweise verstehen, weshalb es Rekommunalisierungen von zum Beispiel Stromnetzen gibt, damit das öffentliche Gut Strom bzw. Energie künftig für alle bezahlbar ist? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Liebe Frau Kollegin Enkelmann, damit wir uns richtig verstehen: Ich bin auf jeden Fall nicht mehr wettbewerbshörig, als Sie staatshörig sind. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Oh, das hat mich getroffen!) Zu Ihrer Frage will ich klarstellen: Die Bundesregierung hat keine über den allgemeinen Anlass hinausgehende Veranlassung, über die Folgen der Privatisierung von Trinkwasserversorgung nachzudenken. Denn nach unserer Überzeugung wird durch die Konzessionsrichtlinie kein Zwang zur Privatisierung ausgeübt. Im Gegenteil: Dadurch werden klare und harte Regeln geschaffen. Wenn man an einen Privaten überträgt, muss man ein Vergabeverfahren durchlaufen. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das muss man heute auch!) Bitte denken Sie daran: Das Vergabeverfahren ist eine gewisse Schranke. Es ist sehr viel einfacher, die Versorgung auf einen anderen öffentlich-rechtlichen Träger zu übertragen; da brauche ich kein Vergabeverfahren zu starten. Wenn wir in der innerdeutschen Umsetzung dieser Richtlinie, wenn sie denn kommt, dafür sorgen, dass ein hartes Vergabeverfahren stattfinden muss, dann ist das doch eher eine Schranke als eine Öffnung für Privatisierung. Seien Sie doch offen, Frau Enkelmann, so wie Kollege Hunko. Ihnen geht es nicht um die Konzessionsrichtlinie, sondern allein darum, dass Sie den Kommunen verbieten wollen, die Wasserversorgung zukünftig von privaten Trägern betreiben zu lassen. Das ist Ihr Anliegen. Kollege Hunko hat das sehr offen gesagt. Ich finde, Sie sollten jetzt nicht auf die Konzessionsrichtlinie verweisen. Die Konzessionsrichtlinie ändert nichts daran. Sie basiert auf geltendem Recht. Es ist doch nicht so, dass dort in Deutschland, wo die Wasserversorgung durch private Betreiber erfolgt, der Notstand ausgebrochen ist und die Preise wesentlich höher sind. Das ist nicht der Fall. Ich will mich auch gegenüber der Kritik an den seriösen und erfolgreichen Wasserversorgungsunternehmen in Deutschland verwahren, die zum Teil in privater Hand sind. Sie stellen es hier so dar, als ob dort Kloake aus dem Wasserhahn komme. Das ist doch nicht der Fall. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Darüber habe ich nicht gesprochen! Es geht um die Bezahlbarkeit!) – Doch, Sie haben gesagt, welche Folgen es hat, wenn die Wasserversorgung privatisiert wird. – Wir haben in Deutschland eine zum Teil privatisierte Wasserversorgung, und das hat zu einem hohen Niveau und zu hoher Qualität geführt. Vizepräsident Eduard Oswald: Ich bitte, die Zeit einzuhalten. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Ich bin fertig. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Es geht auch um Bezahlbarkeit!) Vizepräsident Eduard Oswald: Jetzt Kollege Wolfgang Tiefensee mit noch einer Nachfrage zu diesem Fragenkomplex. Wolfgang Tiefensee (SPD): Das ist ein spannendes Thema. Deshalb, Herr Staatssekretär, gestatte ich mir noch einen Hinweis. Ich bemühe mich, dies nicht unbedingt in eine Frage zu kleiden. Meiner Ansicht nach, Herr Otto, sind Sie auf dem falschen Dampfer, und zwar aus folgendem Grund: Mein Thema ist nicht so sehr, ob wir privatisieren oder nicht – denn es gibt in Deutschland eine privatisierte bzw. teilprivatisierte Wasserversorgung –, (Patrick Döring [FDP]: Eben!) sondern das Thema ist, dass durch die Konzessionsrichtlinie ein bewährtes Verfahren verändert wird. Der Wettbewerb, der bisher subsidiär in den Kommunen stattfand und bei dem natürlich alle in Deutschland geltenden Ausschreibungsregelungen beachtet werden mussten, wird jetzt in einen europäischen Kontext gestellt, in den Kontext eines Wettbewerbsrechts, das weit über die Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge hinausgeht. Ich weiß aus meinen früheren Funktionen – Stichwort: Vergabe von Transportleistungen an Busunternehmen –, dass wir in Deutschland ein völlig anderes System der Daseinsvorsorge haben. Mir leuchtet nicht ein, warum wir ein bewährtes System ungefragt und ohne Not aufgeben, nur weil es zufälligerweise in die Konzessionsrichtlinie aufgenommen worden ist. Deshalb meine Frage – um meine Ausführungen in eine Frage zu kleiden, Herr Präsident –: Sehen Sie nicht vielmehr die Notwendigkeit, das bestehende Verfahren und damit die subsidiäre Zuordnung dieser Aufgabe an die Kommunen so zu erhalten, wie es sich in der Vergangenheit bewährt hat? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Lieber Herr Kollege Tiefensee, allein deshalb, weil Sie jetzt in die erste Reihe Ihrer Fraktion aufgerückt sind, sind Sie noch nicht automatisch auf dem richtigen und bin ich nicht automatisch auf dem falschen Dampfer. Darf ich Sie darauf hinweisen – da kenne ich mich aus; ich habe als Anwalt in diesem Bereich gearbeitet –, dass der Europäische Gerichtshof die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen bereits seit vielen, vielen Jahren, seit mehr als zehn Jahren, sowieso per Richterrecht dem Zwang zu einem transparenten, diskriminierungsfreien Verfahren unterwirft? Ich selbst war als Anwalt an einer entsprechenden Entscheidung beteiligt; ich weiß, wovon ich rede. Beim Europäischen Gerichtshof hat es eine Fülle von Verfahren gegeben. Der Wunsch der Kommission ist, hier Rechtsklarheit herbeizuführen. Es ist nicht der Wunsch der Kommission, irgendetwas zu verändern und eine neue Wettbewerbssituation zu schaffen, sondern ihr Wunsch ist, für die durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes seit über zehn Jahren bestehende Situation einen Ordnungsrahmen vorzugeben, damit jeder weiß, woran er ist. Deswegen, lieber Herr Kollege Tiefensee, sage ich Ihnen – auch wenn ich Maritimer Koordinator bin –: Lassen Sie das mit dem Dampfer! Ich möchte alle Kollegen, die gutwillig sind – das unterstelle ich allen –, herzlich einladen: Lesen Sie die Konzessionsrichtlinie und schauen Sie sich an, wie die bisherige Rechtslage war! Dann werden Sie feststellen, dass durch die Konzessionsrichtlinie praktisch nichts geändert wird, dass aber – umgekehrt – einige, die diese Bürgerinitiative unterstützen, den derzeitigen Zustand offensichtlich verändern und das kommunale Selbstverwaltungsrecht einschränken wollen. Ob Sie das wollen, lieber Herr Kollege Tiefensee, mögen Sie selber entscheiden. Dazu, auf welchem Dampfer sich wer von uns befindet, komme ich bei späterer Gelegenheit. (Iris Gleicke [SPD]: Leichtmatrose!) Vizepräsident Eduard Oswald: Jetzt kommen wir zur Frage 7 unserer Kollegin Rita Schwarzelühr-Sutter: Wie möchte das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie die Aussagen aus dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP umsetzen, wonach 2020  1 Million Elektrofahrzeuge auf die Straßen gebracht werden soll und Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität wird, angesichts des aktuellen Bestandes von rund 69 000 Hybrid- und 7 500 reinen Elektroautos bei 43 Millionen Pkw? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Frau Kollegin, das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie arbeitet gemeinsam mit den anderen zuständigen Ressorts – dem Verkehrsministerium, dem Umweltministerium und dem BMBF, also dem Bundesministerium für Bildung und Forschung – mit großer Intensität an der Umsetzung des „Regierungsprogramms Elektromobilität“. Gemäß der Nationalen Plattform Elektromobilität befindet sich Deutschland derzeit in einer Marktvorbereitungsphase. Die deutschen Automobilhersteller werden in der Marktvorbereitungsphase in der Lage sein, über 15 neue elektrifizierte Fahrzeugmodelle für den Verkauf anzubieten; diese Fahrzeuge – die ersten sind ja schon auf dem Markt – werden schrittweise angeboten. Der sich anschließende Markthochlauf ist bis zum Jahre 2017 avisiert, und mit Elektromobilität als Massenmarkt ist dann bis 2020 zu rechnen. Die Bundesregierung liegt bei der Umsetzung des Regierungsprogramms im Zeitplan. Die Bundesregierung setzt die Rahmenbedingungen – nur das ist unsere Aufgabe – so, dass die Elektromobilität eine Chance hat, sich im globalen Wettbewerb zu entwickeln. Die Entwicklung muss aber – da sind wir uns hoffentlich einig – vom Markt getragen werden. Um dies zu erleichtern, wurde die Kraftfahrzeugsteuer zum 1. Januar 2013, also zum Anfang dieses Jahres, reformiert. Die Änderung der Besteuerung von Dienstwagen befindet sich noch im Gesetzgebungsverfahren; sie war Teil des Jahressteuergesetzes 2013. Sie erinnern sich, dass die rot-grün regierten Länder dieses Gesetz gestoppt -haben. Im Mittelpunkt des Regierungsprogramms steht die Forschungsförderung. Die zuständigen Ressorts fördern Elektromobilität im Rahmen des weltweit einzigartigen Programms „Schaufenster Elektromobilität“. Zudem finanziert das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie im Rahmen seiner Ressortforschung mit großer Intensität und großen Volumina eine Vielzahl von Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf dem Gebiet der Elektromobilität. Die Bundesregierung ist zuversichtlich, dass der Standort Deutschland mit der Umsetzung des Maßnahmenbündels einen entscheidenden Schritt dabei vorankommt, Deutschland bis zum Jahr 2020 nicht nur zu einem Leitmarkt, sondern auch zu einem Leitanbieter für Elektromobilität werden zu lassen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die Kollegin hat eine Nachfrage. Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD): Sehr geehrter Herr Staatssekretär, im vergangenen Jahr waren in Deutschland gerade einmal knapp 70 000 Elektrofahrzeuge zugelassen, und die Zahl der Neuzulassungen hat die Zahl 3 000 nicht erreicht. Da ist es schon sehr ambitioniert, zu sagen: Wir sind im Zeitplan. Neue Maßnahmen sind nicht erkennbar. Inwieweit versuchen Sie – auch durch Anreize für Verbraucher –, die Elektromobilität zu fördern? Auf europäischer Ebene wird überlegt, der Automobilindustrie mit Super Credits entgegenzukommen. Wo ist der Zusammenhang mit dem Verbraucher, und wie soll in Zukunft mehr Elektromobilität vorangebracht werden? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Liebe Frau Kollegin Schwarzelühr-Sutter, ich habe gesagt, dass die Bundesregierung mit ihren Maßnahmen im Zeitplan ist. Es ist nicht unsere Aufgabe, den Markt zu manipulieren oder in den Markt einzugreifen. Meine Aussage zum Zeitplan ist also zu trennen von der Frage, wie viele Elektroautos momentan auf den Straßen sind. Ich bitte, das gedanklich zu trennen. Neben den Forschungsvorhaben, dem „Schaufenster Elektromobilität“, den Fördermaßnahmen setzen wir – ich habe das schon gesagt – auch Anreize. Wir haben bereits gehandelt: Seit dem 1. Januar 2013 entfällt die Kraftfahrzeugsteuer für Elektrofahrzeuge für einen -langen Zeitraum. Wenn die von Ihnen geführten Länderregierungen dazu beitrügen, dass das Jahressteuergesetz 2013 doch noch käme, wären wir im Hinblick auf die Dienstwagen auch ein Stück weiter; dann würde ein weiterer Anreiz gesetzt. Wir sind aber skeptisch, ob es sinnvoll wäre, nachdem wir eine Abwrackprämie in Milliardenhöhe gezahlt haben, jetzt auch noch eine Anschaffungsprämie zu zahlen. Das wäre sozial bedenklich. Einige Menschen in Deutschland sind nämlich überhaupt nicht in der Lage, sich ein Auto anzuschaffen. Sie müssten dann aber dazu beitragen, dass sich andere Leute ein schickes Elektroauto kaufen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass eine solche Anschaffungsprämie unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit, aber natürlich auch unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten zurzeit nicht angedacht wird. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die Kollegin hat eine zweite Nachfrage. Bitte schön. Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD): Herr Staatssekretär, Sie haben das Stichwort „soziale Gerechtigkeit“ angesprochen. Ich habe überhaupt nicht an Anreize in Form einer Kaufprämie gedacht. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Doch, doch! Das habe ich Ihren Ausführungen so entnommen. Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD): Es gibt ja auch andere Anreize. Zum Beispiel weiß man, dass das Elektroauto in Mobilitätskonzepte eingebettet sein muss. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Ja! Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD): Was hat die Bundesregierung da in ihrem Instrumentenkasten, und was davon hat sie auf den Weg gebracht bzw. gedenkt sie noch auf den Weg zu bringen? Sie -sagen einerseits: Unser Ziel sind 1 Million Elektroautos bis 2020. – Abgesehen von etwas Forschungsförderung geben Sie aber keine weiteren Anreize. Daher möchte ich doch noch einmal in Richtung Mobilitätskonzepte -inklusive E-Mobilität fragen. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Liebe Frau Kollegin, was die Zahlen angeht, bitte ich, dass Sie sich vor Augen halten, dass wir uns in der Marktvorbereitungsphase befinden. Natürlich haben wir die 1 Million Elektroautos noch nicht erreicht; diese Zahl ist ja bis 2020 terminiert. Zum Zweiten möchte ich sagen: Natürlich denken wir auch über Anreize nichtmonetärer Art nach. Zum Beispiel gibt es in vielen Parkhäusern schon Extraparkplätze und Ladestationen für Elektrofahrzeuge. Zum Beispiel fördern viele Kommunen Carsharing-Projekte, und viele Kommunen haben ihre Fahrzeugflotte teilweise auf Elektrofahrzeuge umgestellt. Wir werden auch, liebe Frau Kollegin Schwarzelühr-Sutter, darüber sprechen können, ob wir eines Tages – auch das sind Modelle, über die man diskutiert – durch Änderungen der Straßenverkehrsordnung möglicherweise gewisse Anreize für Elektrofahrzeuge schaffen. Dies alles sind legitime Überlegungen, über die wir, wenn wir in die Marktsituation hineinkommen – wir sind jetzt noch in der Marktvorbereitungsphase –, miteinander diskutieren können. Da sind wir nicht vernagelt. Wir diskutieren in der Tat ganz praktische Modelle – beim Parken, mit Linien, durch Änderungen in der Straßenverkehrsordnung –, um dort Anreize zu setzen. Das ist legitim, aber in der jetzigen Phase noch nicht angesagt. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Damit sind wir bei Frage 8 des Kollegen Tiefensee: Wie stimmt die Aussage im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP, die KfW Bankengruppe mit ihren Kernaufgaben als Mittelstandsbank zu stärken, mit der angestrebten Gewinnausschüttung überein, wie sie auch im Jahreswirtschaftsbericht thematisiert wird? Herr Staatssekretär. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Lieber Herr Kollege Tiefensee, wie Sie wissen – und was Sie hoffentlich auch unterstützen werden –, ist die Förderung des Mittelstandes eine gesetzlich definierte Kernaufgabe der KfW. Eine sachgemäße Gewinnausschüttung bei Aufrechterhaltung einer ausreichenden Kapitalausstattung schränkt die Fördermöglichkeit der KfW nicht ein, denn der Gewinn ist das, was nach -Abzug der für die Förderung notwendigen Mittel übrigbleibt. Daher weist auch der Jahreswirtschaftsbericht -explizit darauf hin, dass die Unterstützung der Mittelstandsfinanzierung durch eine Gewinnausschüttung keinerlei Einschränkungen erfahren darf. Die KfW ist nach ersten vorläufigen Ergebnissen im Jahre 2012 die bestverdienende Bank Deutschlands. Sie wird voraussichtlich über 2 Milliarden Euro Nettogewinn erzielen. Sie verfügt bereits derzeit über eine sehr komfortable Ausstattung mit Eigenkapital. Vor diesem Hintergrund erscheint das grundsätzliche Anliegen der Anteilseigner der Bank, an den Gewinnen auch einmal zu partizipieren, durchaus nachvollziehbar. Die KfW hat als drittgrößte Bank Deutschlands inzwischen eine Größe und ein Geschäftsvolumen erreicht, die ein weiteres steiles Wachstum nicht als prioritär, sondern ordnungspolitisch möglicherweise sogar als diskussionswürdig erscheinen lassen. Vor diesem Hintergrund ist auch eine dieses Wachstum begleitende -Ausweitung des Eigenkapitals durch weitere Gewinnthesaurierung nicht mehr zwingend geboten. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Tiefensee, Sie haben eine Nachfrage? – Bitte schön. Wolfgang Tiefensee (SPD): Lieber Herr Staatssekretär, wenn ich richtig informiert bin, wird am 20. März 2013 die finanzielle Vorausschau 2014 im Kabinett beschlossen. In dieser Vorausschau taucht der Betrag der Gewinnausschüttung mit 4 Milliarden Euro auf. Wir wissen, dass zur Ausschüttung durch die KfW eine Änderung des KfW-Gesetzes nötig ist, da im jetzigen KfW-Gesetz ein Ausschüttungsverbot verankert ist. Nun lese ich ausweislich der Presse vom 15. Februar 2013 beispielsweise in der FAZ, dass sich die Bundesregierung doch von diesem Vorschlag wegbewegt. Meine Frage ist: Hält die Bundesregierung an der Ausschüttung durch die KfW in Höhe des genannten Volumens fest, oder, wenn sie das nicht tut, geht sie damit auf eine der zentralen Forderungen der Opposition in der Haushaltsdebatte 2013, die im November erfolgt ist – ähnlich sehen das die Banker der KfW –, ein: die KfW nicht mit einer Ausschüttung zu belasten? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Lieber Herr Kollege Tiefensee, diese Presseberichte habe ich ebenfalls gelesen, und ich muss Ihnen sagen, ich halte es für eine sehr intelligente Alternativlösung, wenn die KfW durch einen verstärkten Einsatz dazu beiträgt, dass sich der Bund aus der einen oder anderen Fördermaßnahme, bei der zusätzlich direkte Fördermittel zu vergeben wären, zurückziehen kann und damit indirekt die KfW in diese Rolle kommt. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass dies – jedenfalls für das Haushaltsjahr 2013/2014 – eine sehr nachdenkenswerte Alternative ist, die dann hoffentlich auch auf Ihre Unterstützung stößt. Uns allen ist bekannt – und ich bestätige das –, dass eine Teilausschüttung der Gewinne der KfW selbstverständlich einer Änderung des KfW-Gesetzes bedürfte. Ich persönlich gehe nicht mehr davon aus, dass dies noch in dieser Legislaturperiode passieren wird. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Tiefensee, Sie haben noch eine Nachfrage. Wolfgang Tiefensee (SPD): Vielen Dank. – Lieber Herr Staatssekretär, ich stelle fest, dass die angestrebte Teilausschüttung damit mindestens für 2013/2014 obsolet ist und gegebenenfalls durch zwei Instrumente ersetzt wird, wenn ich das richtig gelesen habe. Das erste Instrument haben Sie angesprochen: Der Bund verzichtet auf die Überweisung -bestimmter Beträge an die KfW. Als zweites Instrument ist daran gedacht, innerhalb der KfW eine Art Fonds zu bilden und den Ministerien einen Zugriff auf diesen Fonds zu erlauben. Meine Fragen richten sich auf diesen Fonds: Erstens. Wie weit sind diese Überlegungen gediehen, wenn sie bestehen? Zweitens. Wenn wiederum ein Betrag in Rede steht: Inwieweit werden Sie das Parlament einbeziehen, wenn es darum geht, diesen Fonds und den Zugriff durch die Bundesregierung auszugestalten? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Lieber Herr Kollege Tiefensee, es gibt in diesen Wochen Gespräche zwischen der Bundesregierung und der Führung der KfW über die Vorschläge, die unterbreitet worden sind. Ich kann deshalb Ihre Annahme, von der Sie eben gesprochen haben, dass nämlich eine Gewinnthesaurierung zwangsläufig für alle Zeiten obsolet geworden ist, nicht bestätigen, sondern wir reden mit der KfW. Ich habe Ihnen gesagt: Realistischerweise wird es – Sie wissen, welche Folgen das hat – in dieser Legislaturperiode zu keiner Änderung des KfW-Gesetzes mehr kommen. Ich glaube, diese Annahme ist sehr realistisch. Ob dann in den Folgejahren an eine teilweise Gewinnausschüttung zu denken ist oder ob man hier die Vorschläge der KfW berücksichtigt, ist im Moment noch Gegenstand von Gesprächen. Es wäre wirklich nicht verantwortbar, wenn man jetzt über den Fonds, den Sie genannt haben, und darüber spekulieren würde, wie der Zugriff der Parlamentarier dann im Einzelnen zu erfolgen hat. Eines ist klar: Wenn es sich um Bundesmittel handelt, die im Bundeshaushalt irgendeine Verwendung finden, dann werden die Abgeordneten dieses Hohen Hauses hier mitzureden haben. Es gibt in der Bundesregierung keine schwarzen Kassen. Es gibt das Haushaltsrecht, das hier zu erfüllen ist. Das ist aber keine Aussage im Detail, weil die Gespräche noch laufen. Ob es überhaupt einen solchen Fonds geben wird, ist im Moment noch gar nicht klar. Ich glaube aber, die Sorge, dass dem Bundeshaushalt hier irgendwie unter dem Tisch irgendwelche Mittel zufließen, kann ich Ihnen komplett nehmen, egal wer die nächste Bundesregierung bilden wird. Das wird keine Bundesregierung in Deutschland tun; denn hier gilt das Haushaltsrecht. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Damit sind wir bei Frage 9 ebenfalls des Kollegen Tiefensee: Wie passt die aktuelle Kürzung der Mittel der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ mit der Aussage im Koalitionsvertrag zusammen, die Förderung auf dem Niveau von 2008 zu belassen? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Herr Kollege Tiefensee, Sie haben den Koalitionsvertrag nicht präzise wiedergegeben, mutmaßlich noch nicht einmal gelesen. Deswegen will ich Ihnen vorlesen, was wir dort geschrieben haben – ich zitiere –: Die Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur … wird auf hohem Niveau und mit bundesweit einheitlichen Maßstäben fortgeführt. Genau das tun wir. Es ist nirgendwo gesagt worden, dass das tabu ist und dort kein Cent gespart werden darf, sondern wir haben in unserem Haushalt 2013 mit der mittelfristigen Finanzplanung klare Prioritäten gesetzt: Wir konsolidieren strukturell – dazu zwingt uns ja auch die Schuldenbremse – und stärken das Wachstum, indem wir uns auf Zukunftsinvestitionen konzentrieren. In diesem Zusammenhang muss dann eben auch die GRW – das ist die Abkürzung für diese Gemeinschaftsaufgabe – einen gewissen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten. Daher wurden die Mittel im Zeitraum bis 2013 gegenüber 2008 minimal reduziert. Mit einem Mittelansatz von jetzt immerhin noch 582,794 Millionen Euro kann aber die GRW auch 2013 eine Förderung auf hohem Niveau – das haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart – gewährleisten. Die GRW wird mit dieser Mittelausstattung auch zukünftig das zentrale Instrument der Regionalpolitik bleiben. Wir denken, dass wir mit den gut 582 Millionen Euro, die durch Ländermittel und kommunale Mittel in vielen Fällen noch aufgestockt werden, ein sehr wirkungsvolles Instrument zur Förderung der Regionen haben. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Tiefensee, eine Nachfrage. Wolfgang Tiefensee (SPD): Ich bekenne, dass ich den Koalitionsvertrag nicht auswendig kenne. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Das ist schlecht, Herr Tiefensee. Das sollten Sie. Wolfgang Tiefensee (SPD): Ich befürchte nur, lieber Herr Staatssekretär, dass nicht einmal die Regierung ihn kennt, geschweige denn umsetzt. Aus diesem Grunde richtet sich die Kritik eher an Sie selbst. Jetzt zum Sachverhalt. Ich habe nach der Höhe der Mittel aus dem Jahre 2008 in Relation zu der Höhe in 2012/2013 gefragt. Sie wissen aber, dass erstens dieser Titel natürlich in den Jahren dazwischen wesentlich höher war und über 600 Millionen Euro betrug und dass zweitens die GRW durch die sogenannte Investitionszulage ergänzt wurde, wodurch mindestens ein Betrag von etwa 600 bis 700 Millionen Euro hinzukam. Manche sprechen von 1 Milliarde Euro, die hier ausgegeben worden ist, um strukturschwache Gebiete zu unterstützen. Jetzt meine Frage. Stimmen Sie mit mir überein, dass der Befund richtig ist, dass es in Deutschland nach wie vor Diskrepanzen in der wirtschaftlichen Entwicklung der Regionen gibt, und dass es darum geht, einen Ausgleich zu schaffen, und zwar unter Berücksichtigung der Einsparungen im Haushalt und dem Einhalten der Schuldenbremse? Wir brauchen sicherlich Incentives. Stimmen Sie mit mir darin überein, dass die GRW ein zentrales Instrument ist und es angesichts der Kürzung europäischer Mittel, wie wir jetzt wissen, und angesichts des Auslaufens der Investitionszulage eigentlich dringend geboten wäre, diese Gelder auf hohem Niveau, und zwar auf dem Niveau des Vorjahres oder sogar auf höherem Niveau, fortzuführen, um eine selbsttragende Wirtschaft zu generieren? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Den ersten Teil Ihrer Frage kann ich klar mit Ja beantworten. Die Bundesregierung ist nach wie vor der Meinung, dass die GRW ein wirksames Instrument ist, um regionale Unterschiede auszugleichen. In diesem Zusammenhang will ich aber klarstellen: Es gibt regionale Unterschiede nicht nur zwischen West und Ost, sondern auch zwischen Nord und Süd und in unterschiedlichen Regionen. Inzwischen gibt es Gott sei Dank auch in den neuen Bundesländern eine zum Teil hervorragende und beispielhafte Infrastruktur, während unter Umständen einige westliche Länder Strukturschwächen aufweisen. Ich glaube, das ist zwischen uns unstreitig. Natürlich ist es so, lieber Herr Kollege Tiefensee, dass wir, wenn wir ein Füllhorn voller Gelder hätten, gerne zusätzliche Mittel in die GRW einstellen würden. Wir sind in der Tat der Auffassung, dass die GRW-Mittel viel Gutes bewirkt haben. Aber wir wissen alle, dass wir in einer Zeit leben, in der wir den Haushalt dringend strukturell konsolidieren müssen. Dazu gehört eben auch: Sie können den Haushalt nicht strukturell konsolidieren, ohne die großen Flaggschiffe – es handelt sich schließlich um 582 Millionen Euro für 2013 und 569 Millionen Euro für 2014; das sind Riesenbeträge – anzugreifen. Ohne gewisse Beiträge werden Sie den Haushalt nicht strukturell konsolidieren können. Ich glaube aber trotzdem, Herr Kollege Tiefensee, dass wir mit diesen weit über 500 Millionen Euro, die wir hier zur Verfügung stellen, mit der Zusatzfinanzierung durch die Länder und durch die Kommunen, weiterhin sehr substanzielle und sehr wirkungsvolle Beiträge leisten können, um die regionalen Unterschiede auszugleichen. Wir werden uns – das wissen Sie, darüber haben wir vor kurzem im Wirtschaftsausschuss diskutiert – auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass die Flexibilität der europäischen Fördermittel größer sein wird, als in einem ersten Vorschlag der Europäischen Kommission vorgegeben. Wir sind uns im Ziel einig: Es gibt regionale Strukturschwächen, zu deren Überwindung Anreize mit staatlichen Mitteln gegeben werden müssen. Darin gibt es zwischen uns überhaupt keinen Dissens. Aber ich denke, dass wir uns mit der Höhe dieser Mittel 23 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung durchaus sehen lassen und Gutes bewirken können: auch in dem Zeitraum bis 2016. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben noch eine Nachfrage, Herr Tiefensee. Bitte. Wolfgang Tiefensee (SPD): Vielen Dank. – Uns ist bewusst, dass die Mittel der GRW nicht nur im Osten eingesetzt werden; es geht dabei um strukturschwache Gebiete. Eine kurze Frage: Sind Sie im Rückblick auf die Entscheidungen der schwarz-gelben Koalition aus dem Jahr 2010 nicht mit mir einer Meinung, dass die Aufstockung der GRW-Mittel und damit die Förderung strukturschwacher Gebiete eine höhere Priorität hätte besitzen müssen als die Unterstützung von Hotels und dass die 1,2 Milliarden Euro dafür besser angelegt gewesen wären? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Ehrlich gesagt, Herr Kollege Tiefensee, finde ich, das ist eine billige Frage. (Wolfgang Tiefensee [SPD]: Mal sehen! Kommt auf die Antwort an!) Ich finde, sie ist Ihrem intellektuellen Niveau nicht angemessen. Die Förderung der Hotels, die im Jahr 2009 beschlossen worden ist und die ich jetzt hier gar nicht mehr zu verteidigen habe, war ja keine Alternative zu den GRW-Mitteln. Sie war vielmehr die Reaktion darauf, dass in den allermeisten europäischen Ländern die Mehrwertsteuer für Hotelbetriebe und zum Teil sogar für Gaststättenbetriebe auf niedrigerem Niveau lag als in Deutschland. Wir haben nur faire Wettbewerbsbedingungen für die deutsche Hotellerie herbeigeführt. Es war aber nicht so wie bei kommunizierenden Röhren; wir haben nicht gesagt: Wir geben etwas an die Hoteliers, und deswegen streichen wir bei den GRW-Mitteln. (Wolfgang Tiefensee [SPD]: Haushalt ist immer kompliziert!) Lieber Herr Kollege Tiefensee – ich weiß gar nicht, ob ich Sie nach dieser Frage noch als „lieb“ anreden sollte –, (Wolfgang Tiefensee [SPD]: Das machen Sie immer!) ich kann Ihnen sagen: Ausgerechnet in dem Jahr, in dem wir die Steuerermäßigung für die Hoteliers eingeführt haben – das war im Haushaltsjahr 2010 –, hatten wir mit der Investitionszulage die höchsten Beiträge zur GRW zu verzeichnen, sodass sich die Logik Ihrer Frage mir nicht erschließt. Wenn Sie uns einreden wollen, dass das Geld für die GRW an die Hotels geflossen ist, dann kann ich Ihnen die Zahl für 2010 nennen: 624 Millionen Euro GRW-Mittel plus 597 Millionen Euro Investitionszulage. Das ist der historisch höchste Stand, justament in dem Jahr, in dem wir die Mehrwertsteuer für das Hotelgewerbe dem europäischen Niveau angepasst haben. (Wolfgang Tiefensee [SPD]: GRW beschlossen von der Großen Koalition 2010!) Ganz ehrlich: Ich schätze Sie viel zu sehr, als dass ich diese Frage für sinnvoll halte. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die Fragen 10 und 11 des Kollegen Ingo Egloff, die Frage 12 des Kollegen Rolf Hempelmann, die Frage 13 des Kollegen Klaus Barthel, die Frage 14 der Kollegin Viola von Cramon-Taubadel und die Frage 15 der Kollegin Katja Keul werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Die Frage 16 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl und die Fragen 17 und 18 des Kollegen Rolf Mützenich werden schriftlich beantwortet. Der Kollege Gloser, der die Frage 19 gestellt hat, ist nicht anwesend. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Die Frage 20 des Kollegen Niema Movassat wird schriftlich beantwortet. Der Kollege Schwanholz, der die Frage 21 gestellt hat, ist nicht anwesend. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Die Fragen 22 und 23 der Abgeordneten Lisa Paus werden schriftlich beantwortet. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Staatssekretär Dr. Bergner bereit. Der Abgeordnete Siegmund Ehrmann, der die Fragen 24 und 25 gestellt hat, ist nicht anwesend. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Wir kommen zur Frage 26 des Kollegen Martin Dörmann: Welche Maßnahmen oder Initiativen wird der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien – vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Bundesregierung offensichtlich zu der Rechtsauffassung gelangt ist, dass Bundesbehörden weder auf der Grundlage der Landespressegesetze noch aus Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes zur Erteilung von -Auskünften verpflichtet werden können; entsprechend der Stellungnahme des Vertreters des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht – ergreifen, um den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 20, 162 – Spiegel) Rechnung zu tragen, denen zufolge das Institut der freien Presse den Staat verpflichtet, in seiner Rechtsordnung dem Postulat der Pressefreiheit Rechnung zu tragen und Auskunftspflichten der öffentlichen Behörden als prinzipielle Folgerungen aus Art. 5 Abs. 1 GG zu schaffen, und inwieweit war der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien an der Abstimmung dieser offensichtlich neuen Rechtsauffassung beteiligt? Bitte, Herr Staatssekretär. Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Präsidentin, ich würde gerne die Fragen 26 und 27 des Kollegen Dörmann gemeinsam beantworten. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Dann rufe ich auch die Frage 27 auf: Wann sind der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien und die Bundesregierung zu der Rechtsauffassung gelangt, dass Journalisten rechtliche Ansprüche auf Auskunft nur nach dem Informationsfreiheitsgesetz vom 1. Januar 2006 zustehen (vergleiche die Antworten der Bundesregierung auf die schriftlichen Fragen 29 bis 32 des Abgeordneten Lars Klingbeil auf Bundestagsdrucksache 17/12304), und wann will die Bundesregierung Maßnahmen ergreifen, um die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 20, 162 – Spiegel) zu erfüllen, wonach Auskunftspflichten der öffentlichen Behörden als prinzipielle Folgerungen aus Art. 5 Abs. 1 GG gesetzlich zu schaffen sind? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Dörmann, ich antworte wie folgt: Die Frage, ob Bundesbehörden auf Grundlage der Landespressegesetze zur Erteilung von Auskünften verpflichtet werden können, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich bewertet. Das Bundesverwaltungsgericht wird in einem Verfahren zur presserechtlichen Auskunftspflicht, das heute mündlich verhandelt wird, eine Entscheidung treffen. Um ehrlich zu sein: Ich erwartete die Entscheidung vor meiner Beantwortung der Frage. Das Urteil muss jetzt in Leipzig fast zeitgleich ergehen. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in dieser Frage bleibt also auch jetzt noch abzuwarten. Unabhängig von einer Verpflichtung nach Landespresserecht ist nicht zu erwarten, dass sich die Praxis von Bundesbehörden zu Presseanfragen ändert. Denn auch bisher werden Presseanfragen von Bundesbehörden beantwortet, wenn das Pressegesetz eines Landes – wie es zum Beispiel in Bremen der Fall ist – nur Landesbehörden verpflichtet. Die Stellungnahme des Vertreters des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht, der gemäß § 35 Verwaltungsgerichtsordnung eine eigenständige Behörde ist – eigenständig beim Bundesinnenminister –, die aus gesamtstaatlicher Perspektive das Bundesinte-resse im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht vermittelt, zielt dementsprechend nicht darauf ab, die Pressefreiheit einzuschränken, wie teilweise in den Medien berichtet wurde. Die Stellungnahme behandelt im Wesentlichen nur die Rechtsfrage zur Abgrenzung der Kompetenzen zwischen Land und Bund. Auf der Grundlage von Art. 5 des Grundgesetzes sind in gewissem Umfang auch Auskunftspflichten der Behörden gegenüber der Presse anerkannt – dazu gibt es eine einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts –, die allerdings nur im Sinne einer allgemeinen Unterrichtungspflicht zu verstehen sind, über deren Umfang und Modalitäten die staatlichen Stellen eigenverantwortlich bestimmen können – auch hier weise ich auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hin –, und nicht als durchsetzbarer Auskunftsanspruch im konkreten Einzelfall. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts überlässt das Grundgesetz es dem Gesetzgeber von Bund und Ländern, in Abwägung des betroffenen privaten und öffentlichen Interesses zu regeln, ob und unter welchen Voraussetzungen derartige Ansprüche entstehen. Auch hier gilt der Hinweis auf das entsprechende Bundesverwaltungsgerichtsurteil. Weder die Pressefreiheit noch die Informationsfreiheit geben einen Anspruch auf Eröffnung einer Informationsquelle. Hier verweise ich auf das Bundesverfassungsgerichtsurteil zur Rundfunkfreiheit. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Dörmann, haben Sie eine Nachfrage? Martin Dörmann (SPD): Ja. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Bitte schön. Martin Dörmann (SPD): Herr Kollege Bergner, wenn ich das richtig verstehe, haben Sie sich gerade nicht von der Rechtsauffassung des Vertreters des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht distanziert. Jetzt hoffen jedenfalls meine Fraktion und ich, dass das Bundesverwaltungsgericht eine pressefreundliche Interpretation der Rechtslage vornimmt, die von dem abweicht, was der Vertreter des Bundes dort vorgetragen hat. Aber wenn ich das richtig verstehe, sagen Sie – etwas vereinfacht ausgedrückt –: Na ja, an der Praxis wird sich nicht viel ändern, man wird dann mehr oder weniger freiwillig das befolgen, was in den Landespressegesetzen steht. Aber der Rechtsstreit geht ja gerade darum, dass sich hier eben in einem Fall nicht daran gehalten, sondern gesagt wird, dass mache alles zu viel Aufwand. In der juristischen Begründung der Verweigerung der Auskünfte an die Presse wird vom Vertreter des Bundesinteresses die juristische Argumentation, die Sie nur angedeutet haben, dargelegt. Im Umkehrschluss: Mal unterstellt, das Bundesverwaltungsgericht würde diese Rechtsauffassung teilen, die der Vertreter des Bundesinteresses vorgetragen hat, sehen Sie dann nicht, um Rechtssicherheit zu schaffen, die Notwendigkeit, entsprechende Bundesregelungen herbeizuführen, die nicht nur sozusagen eine freiwillige Erfüllung der in den Landespressegesetzen enthaltenen Bestimmungen von den Bundesbehörden sicherstellt, sondern eben auch eine Rechtssicherheit für die Journalistinnen und Journalisten, die aufgrund der Pressefreiheit besondere Informationsbedürfnisse haben? Sehen Sie da nicht einen Handlungsbedarf, sollte das Bundesverwaltungsgericht diese Rechtsauffassung teilen? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Dörmann, zunächst einmal: Ich habe darauf hingewiesen, dass wir ein offenes Gerichtsverfahren haben und dass wir auch aus Respekt vor dem Bundesverwaltungsgericht gehalten sind, das Urteil abzuwarten, ehe wir uns abschließend positionieren. Ich habe zum Zweiten gesagt, dass nach bisheriger Praxis, die von den unmittelbaren Auskunftsrechten nach Art. 5 des Grundgesetzes gespeist wird, im pflichtgemäßen Ermessen durch die Bundesbehörden den Journalistenanfragen Auskunft gegeben wird. Die Frage, ob es, wenn durch das Bundesverwaltungsgericht eine entsprechende ausschließliche Gültigkeit für Landesbehörden festgestellt wird, hierzu noch einer Bundesgesetzgebung bedürfe – so habe ich Ihre Frage verstanden –, ist eine Frage, die sich gewissermaßen erst im Lichte eines entsprechenden Urteils diskutieren lässt; denn nach der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern liegt die Gesetzgebungskompetenz in diesen Fragen bei den Ländern. Das heißt, wir kommen rechtlich gesehen in eine Situation, die sehr sorgfältig abgewogen werden muss. Ich sage noch einmal: Aus unserer Sicht besteht überhaupt kein Anlass, von einer Einschränkung der Pressefreiheit zu sprechen. Der in Rede stehende Streitfall – ich kenne ihn im Einzelnen nicht; ich weiß nicht, um welches Auskunftsrecht es sich hier handelt – hat dazu geführt, dass Rechtsklarheit bezüglich der Verbindlichkeit der Landespressegesetze für die Auskunftspflicht von Bundesbehörden besteht. Aber völlig unabhängig davon haben sich die Bundesbehörden und die Bundesregierung immer in der Pflicht gesehen, im pflichtgemäßen Ermessen Auskunft auf Presseanfragen zu geben. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben eine zweite Nachfrage, bitte schön. Martin Dörmann (SPD): Herr Kollege Bergner, Sie haben nicht wirklich zur Klarheit beigetragen, um das offen zu sagen; denn es gibt nur zwei unterschiedliche Möglichkeiten. Die eine ist: Die Landespressegesetze binden auch die Bundesbehörden. Ich hoffe, dass das Bundesverwaltungsgericht entsprechend entscheidet. Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Das wissen wir beide zur Stunde nicht. Martin Dörmann (SPD): Nein, das wissen wir nicht. Das ist schade. Wir lassen uns fortlaufend elektronisch informieren und wissen daher, dass das Gericht gerade berät. Jeden Augenblick kann eine Entscheidung verkündet werden. Wenn es so sein sollte, dass Landespressegesetze auch Bundesbehörden binden, dann ergibt sich daraus der Anspruch der Presse bzw. von Journalisten, Informationen von Bundesbehörden abzurufen. Sollte das nicht so sein, dann wird zum Teil die Ansicht vertreten, dass sich das aus Art. 5 des Grundgesetzes ergeben könnte, aus dem Grundrecht der Freiheit der Presse. Das Bundesverfassungsgericht hat geurteilt, dass daraus auch Auskunftspflichten des Staates und damit der staatlichen Behörden resultieren. Der Bundesvertreter vertritt aber die Rechtsauffassung, dass aus Art. 5 kein unmittelbares Auskunftsrecht resultiert, sondern dass es dazu einer spezialgesetzlichen Regelung bedarf. Meine Frage ist eindeutig: Wenn die Landespressegesetze die Bundesbehörden nicht verpflichten, Auskunft zu geben – und zwar nicht nur im Rahmen eines Ermessensspielraums, den die Bundesbehörden selber definieren –, dann muss darüber nachgedacht werden, ob nicht der Bundesgesetzgeber gefordert ist, sodass die staatlichen Behörden nicht allein aufgrund von Ermessensentscheidungen Auskünfte erteilen, sondern anhand ganz klarer Grundsätze. Wie Sie wissen, sehen die Landespressegesetze nicht unbeschränkte Auskunftspflichten vor. Vielmehr wird dort eine Abwägung nach bestimmten Kriterien vorgenommen. Zum Beispiel kann Geheimhaltung ein Grund sein, warum eine Information nicht gegeben wird. Eine entsprechende Regelung wäre sinnvoll, um in jedem Fall Rechtssicherheit zu schaffen. Da wir beide auf das Urteil warten, ist es bedauerlich, dass Sie – wenn ich Sie richtig verstanden habe – den dahinterliegenden Sachverhalt nicht so genau kennen. Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich kenne den Sachverhalt, der zu dieser rechtlichen Konfliktlage geführt hat, im Einzelnen nicht. Ich habe nur zu vertreten, weshalb wir in Respekt vor der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abwarten wollen. Herr Kollege, ich klassifiziere aus Sicht der Bundesregierung Ihre Frage, ob es für die Anwendung des Art. 5 des Grundgesetzes in Bezug auf Presseauskünfte einer spezialgesetzlichen Regelung auf Bundesebene bedürfe, als durchaus interessant. Nur, haben Sie Verständnis dafür, dass ich es für seriöser halte, wenn wir das Urteil und die Begründung des Bundesverwaltungsgerichts abwarten und analysieren, bevor wir der Frage nachgehen, ob Gesetzgebungsbedarf besteht. Dies gilt umso mehr, als wir der Auffassung sind, dass die Bundesregierung und die Bundesbehörden den Auskunftsersuchen der Presse auf der Rechtsgrundlage des Art. 5 und der entsprechenden verfassungsgerichtlichen Auslegung nachgekommen sind. Ich weise jedenfalls das Ansinnen zurück, der Bundesregierung im Rahmen dieses durchaus interessanten Kompetenzrechtsstreits vorzuwerfen, sie respektiere die Pressefreiheit nicht hinreichend. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Ich weise jetzt darauf hin, dass wir in etwa fünf Minuten mit der Aktuellen Stunde beginnen. – Möchten Sie von Ihrem Recht Gebrauch machen, Herr Dörmann, auch zu Ihrer zweiten Frage noch Nachfragen zu stellen? Das soll Ihnen dann gern gewährt sein. (Martin Dörmann [SPD]: Selbstverständlich! Wir wollen die Zeit ja sinnvoll nutzen!) – Bitte schön. Martin Dörmann (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege Bergner, ich versuche es jetzt einmal andersherum: Teilen Sie meine Auffassung, dass das von Ihnen aus Art. 5 des Grundgesetzes hergeleitete besondere Recht der freien Presse auf Auskünfte auch von Behörden nicht allein erfüllt werden kann und sollte, indem man auf die Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes verweist? Der Verweis auf das Informationsfreiheitsgesetz ist genau die Rechtsauffassung, die der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht vorgetragen hat. Da gelten aber Einschränkungen, sowohl was den Anwendungsbereich angeht als auch was Fristen angeht – das können bis zu drei Monate sein –; im Einzelnen ist das relativ kompliziert. Sie wissen ganz genau, dass die Presse auf möglichst schnelle Information angewiesen ist. Teilen Sie also meine Auffassung, dass nicht allein mit Verweis auf das Informationsfreiheitsgesetz die aus Art. 5 des Grundgesetzes hergeleiteten Rechte der Presse sichergestellt werden können? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Dörmann, ich bin vermutlich wie Sie der Auffassung, dass das Informationsfreiheitsgesetz – ich sage es jetzt einmal so – ein Jedermannsrecht schafft, das im konkreten Fall natürlich auch von Journalisten genutzt werden kann. Mir ist bekannt, dass es von Journalisten genutzt wird, dass es von ihnen allerdings nicht in ihrer beruflichen Rolle wahrgenommen wird, sondern so wie von jedem anderen Bürger auch, der Erkenntnisse über die Arbeit einer Verwaltung oder einer Behörde erlangen will. Insofern – das will ich Ihnen auch zugestehen – sind die Regeln des Informationsfreiheitsgesetzes gewissermaßen an die Voraussetzungen eines Jedermannsrechts angepasst. Demgegenüber dienen Auskünfte, die man explizit der Presse gegenüber erteilt, im Grunde der Re-alisierung der Pressefreiheit. Ich glaube, dass diese Unterscheidung bei den bisherigen Presseauskünften durch die Bundesregierung, durch die Behörden des Bundes jeweils beachtet wurde. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Möchten Sie eine weitere Nachfrage stellen? Martin Dörmann (SPD): Ja. Ich glaube, dann sind die zwei Minuten, die wir in der Fragestunde jetzt noch haben, sinnvoll genutzt. Noch einmal andersherum: Herr Kollege Bergner, teilt die Bundesregierung die von dem Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht vorgetragene Rechtsauffassung bzw. ist diese Rechtsauffassung mit den einzelnen beteiligten Ministerien abgestimmt? Gibt es da eine einheitliche Meinung der Bundesregierung? Ist es eine Meinung, die insbesondere das Bundesinnenministerium teilt? Ist der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien einbezogen worden? Also: Ist die Rechtsauffassung, die der Vertreter des Bundesinteresses dort zum Ausdruck gebracht hat, die einheitliche Rechtsauffassung der Bundesregierung? Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege, Sie wissen, dass in § 35 der Verwaltungsgerichtsordnung der Vertreter des Bundesinteresses – so ist es dargestellt – eine eigenständige Größe ist, die nicht an Weisungen irgendeines Ressorts gebunden ist. Dieser Vertreter bezieht dort in Würdigung des Sachverhalts die entsprechenden Rechtspositionen. Insofern können Sie davon ausgehen, dass der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht seine Position nicht gewissermaßen auf Weisung oder in spezifischer Interessenwahrnehmung irgendeines der Ressorts zum Ausdruck gebracht hat, sondern dass es ihm um die Rechtssituation, um die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern im Presserecht, ging und dass dies der Kern der Einlassung des Vertreters des Bundesinteresses war. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Damit beende ich die Fragestunde. Ich rufe jetzt den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD Haltung der Bundesregierung zum Missbrauch von Leiharbeit im Lichte der Berichte über Vorfälle bei Amazon Als erste Rednerin rufe ich die Kollegin Anette Kramme für die SPD-Fraktion auf. (Beifall bei der SPD) Anette Kramme (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mir vorhin noch einmal diesen Beitrag der ARD angeschaut; Ausgeliefert heißt er. Es ist tatsächlich ein Ausgeliefertsein von Leiharbeitnehmern, die für die Firma Amazon tätig waren. Da sind unglaubliche Vorgänge passiert. Bei der Anwerbung sind die Menschen davon ausgegangen, dass sie einen anderen Vertragspartner haben, als es dann tatsächlich der Fall war: Statt Amazon war es eine Leiharbeitsfirma. Die Löhne haben sich als niedriger als erwartet herausgestellt: Statt 9,68 Euro immerhin 12 Prozent weniger, 8,52 Euro. Tagelang wurde bei einzelnen Leiharbeitnehmern der Arbeitsantritt hinausgezögert, um entsprechend dem Arbeitsanfall bei Amazon agieren zu können. Überhaupt war ganz viel Warten bei den Leiharbeitnehmern angesagt: Warten auf den Bus, der sie zur Firma gebracht hat bzw. wieder zurück zur Unterkunft; Warten, wenn keine Arbeit da war. Die Unterkünfte waren überfüllt, teilweise wohl auch in einem verheerenden Zustand. Es gibt einen Aspekt, der dem Ganzen die Krone aufgesetzt hat: eine Sicherheitsfirma, deren Mitarbeiter -paramilitärisch aufgetreten sind und die möglicherweise der rechten Szene zuzuordnen ist. Ich denke, es hat sehr einschüchternd auf diese Menschen gewirkt, wenn einerseits Taschen kontrolliert worden sind, aber andererseits wohl auch die Unterkunftsräume. Wir haben den Verdacht, dass Sozialversicherungsabgaben auf die Kosten der Unterkunft, auf die Kosten für Logis nicht abgeführt worden sind, die wohl durch die Leiharbeitsfirma übernommen worden sind. Meines Erachtens kann man das Ganze mit folgendem Begriff zusammenfassen: Da hat Menschenschinderei stattgefunden. Es ist eine barbarische Ausbeutung, die wir bei der Firma Amazon zu beobachten haben. Aber der Skandal bei Amazon bezieht sich nicht nur auf die Leiharbeitnehmer. Beispielsweise war es am Standort Koblenz in der Weihnachtszeit so, dass von 3 300 Beschäftigten tatsächlich nur 200 über eine Festanstellung verfügten. Am Standort Augsburg ist es so, dass auch nur knapp 20 Prozent der bei Amazon tätigen Menschen unbefristete Arbeitsverträge haben. So stellt sich natürlich folgende Frage: Was macht Politik? Die Politik droht mit dem Entzug der Verleih-erlaubnis für eine einzelne Leiharbeitsfirma. Ich sage: Damit ist Politik oder, um es konkret an Namen festzumachen, die Bundesministerin von der Leyen nicht besser als ihre Kollegin Aigner. Man kündigt lautstark wirkungslose Maßnahmen an, ohne tatsächlich zum Handeln bereit zu sein. (Beifall bei der SPD – Gitta Connemann [CDU/CSU]: Das ist doch Quatsch!) Bundesministerin von der Leyen hechelt von Schlecker zu Amazon. Es gibt keinerlei Bereitschaft, anzuerkennen, dass hinter all den Praktiken dieser Firmen Methoden und Prinzipien stehen, die den gesamten Arbeitsmarkt in Deutschland insbesondere im Niedriglohnsektor immer wieder beeinträchtigen. Hier stellt sich die Frage an die Regierungskoalition, was mit dem Vorhaben Mindestlohn ist. Wenn ich mir die Vorschläge von der Leyens anschaue, stelle ich fest, dass sie auch nicht sonderlich schön sind. Zu sagen, dass ein Mindestlohn immer dann keine Anwendung findet, wenn ein Tarifvertrag existiert oder auf einen solchen Bezug genommen wird, ist nichts anderes als Heuchelei. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es Hunderte von Tarifverträgen, die Löhne von unter 6,50 Euro pro Stunde vorsehen. Was ist mit Ihren Vorhaben zur Leiharbeit? Es gab großartige Ankündigungen der Ministerin. Und was macht man? (Gitta Connemann [CDU/CSU]: Alles umgesetzt! Anders als bei Olaf Scholz!) Man schließt eine winzige Regelungslücke. Man nimmt dem sogenannten Drehtüreffekt die Wirkung; aber man ist nicht einmal bereit, die europäische Leiharbeitsrichtlinie europarechtskonform umzusetzen, geschweige denn, konsequent Equal Pay und Equal Treatment einzuführen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]) Was machen Sie gegen Befristungen in dieser Republik, Herr Fuchtel? Wir wissen, dass je nach Konjunkturlage 40 bis 50 Prozent aller Neueinstellungen befristet sind. Auch hiergegen kein Vorgehen, auch wenn es so einfach wäre, zumindest die sachgrundlose Befristung zu streichen. Was ist mit der Ausstattung von Kontrollbehörden? Man kann es mit einem Satz zusammenfassen: Diese Bundesregierung ist nicht bereit, Recht und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt zu realisieren. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Sie leben auf dem Mond!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Jetzt hat der erfreulicherweise eingetroffene Kollege Karl Schiewerling für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Karl Schiewerling (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle waren, denke ich, überrascht und geschockt, als wir diese Berichterstattung über die Situation von Beschäftigten, die für die Firma Amazon arbeiten, im Fernsehen gesehen haben. Ich bin der Bundesarbeitsministerin außerordentlich dankbar, dass sie sofort die Bundesagentur für Arbeit und den deutschen Zoll in Bewegung gesetzt hat, um sich genau anzusehen, was sich dort abspielt. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich will der Mär entgegentreten, Frau von der Leyen habe nichts getan. Das Gegenteil ist richtig. Ohne diese Informationen und ohne die Aufklärungsarbeit, die sofort begonnen hat, wären wir nicht so weit. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?) Ergebnisse liegen mit Ausnahme eines Ergebnisses bis zur Stunde noch nicht vor: dass bei der Zeitarbeitsfirma, die für die Firma Amazon gearbeitet hat, offensichtlich – so hat die Bundesagentur für Arbeit gerade mitgeteilt – Unregelmäßigkeiten festgestellt worden sind. (Anette Kramme [SPD]: Wie erstaunlich!) Ich kann zur Stunde nicht bewerten, in welcher Form, in welchem Umfang und in welchem Stil Unregelmäßigkeiten geschehen sind. Dies Ergebnis aber zeigt vor allen Dingen eines, Frau Kramme, meine Damen und Herren: Die Kontrolle funktioniert. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Christian Lange [Backnang) [SPD]: Wollen Sie damit sagen, alles ist bestens? – Anette Kramme [SPD]: Wie viele Kontrollen machen Sie denn bundesweit? Wie stark haben Sie die Aufgaben ausgeweitet? – Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU], an die SPD gewandt: Anders als bei euch!) Ich bin dankbar, dass die Instrumentarien greifen. Ich will es Ihnen auch sehr deutlich sagen: Die Kontrolle funktioniert auch deswegen (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Medien haben funktioniert, nicht Ihre Kontrolle! Das ist der Witz des Jahrhunderts!) – daher rate ich, die Situation bei der Firma Amazon nicht dafür auszunutzen, jetzt eine Generaldebatte zu führen –, weil die Mittel der Bundesagentur für Arbeit aufgestockt wurden und es in diesem Bereich mehr Mitarbeiter gibt. Von 2009 bis heute haben wir wesentlich mehr Kontrollen durchgeführt als im Zeitraum von 2005 bis 2009. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nichts gemerkt!) Auch dies ist ein Verdienst der Bundesarbeitsministerin. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo hat man das denn aufgeschrieben, was Sie hier verlesen?) Allerdings will ich auch deutlich sagen, dass wir die Prüfergebnisse des Zolls abzuwarten haben. Der Zoll besucht einen Betrieb, sammelt Daten und wertet diese anschließend in seinen Diensträumen aus. Sobald diese Auswertungen vorliegen, werden wir ebenso entsprechend informiert werden. (Anette Kramme [SPD]: Wären sie mal präventiv kontrolliert worden!) Es gibt einen Mindestlohn in der Zeitarbeit. Seit 2010 hat diese Koalition im Deutschen Bundestag die Zeit-arbeitsbranche reguliert. Dies fing damit an, dass der Kollege Heinz Kolb und ich gemeinsam aufgrund des Schlecker-Vorgangs die Drehtürklausel durchgesetzt haben. Wir haben durchgesetzt, dass es einen Mindestlohn in der Zeitarbeit gibt. (Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Gleiches Geld für gleiche Arbeit sieht anders aus!) Wir haben durchgesetzt, dass sich die Arbeitgeberseite in diesem Bereich neu strukturiert hat. Ich will akzeptieren, dass durch die berechtigte Klage gegen eine Gewerkschaft Klarheit entstanden ist, was ein Tarifpartner und was kein Tarifpartner ist. Ich wünsche, dass alle Unternehmen, die noch zur Überprüfung anstehen, diese Prüfung ordentlich bestehen. Meine Damen und Herren, ich will Ihnen deutlich sagen, was mich bei diesem Thema umtreibt. Das sind nicht die Fragen, die im Augenblick brandaktuell diskutiert werden. Mich treibt um, dass Kunden – so meinen das ja einige – durch ihr Verhalten Firmen in Deutschland, wie die Firma Amazon, an ihre ethische Verantwortung erinnern sollten. (Sabine Stüber [DIE LINKE]: Oh ja!) Wenn ein Unternehmen durch Kunden darauf aufmerksam gemacht werden muss, was unternehmerisch verantwortliches Handeln ist, dann stimmt etwas in diesem Unternehmen nicht. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Unternehmen, die sich diesen ethischen Herausforderungen nicht stellen, werden sich am Markt auf Dauer nicht durchsetzen. Es gibt viele Beispiele. Wer glaubt, er könnte in Goldgräberstimmung oder nach Wildwestmanier ohne Rücksicht auf ein Menschenbild, ohne Rücksicht auf bestehende Strukturen und ohne Rücksicht auf Gesetze operieren, wird feststellen, dass er scheitert. Zeitarbeit ist im wesentlichen Maße reguliert. Ich wehre mich dagegen, dass durch diesen Vorgang bei Amazon per se alle Zeitarbeitsfirmen vorgeführt werden. Am Dienstag hat mir der Chef der IG Metall, Berthold Huber, in einem Gespräch ausdrücklich bestätigt, dass die IG Metall mit den beiden großen Zeitarbeitsverbänden bei den Verhandlungen über die Tarife ausgesprochen gute Erfahrungen gesammelt hat. Dort geht man gut und fair miteinander um. Deswegen rate ich dazu, die Situation bei Amazon nicht zum Anlass zu nehmen, alles in Bausch und Bogen zu verdammen. Ich rate in aller Klarheit dazu, darauf aufmerksam zu machen, was unternehmerische Ethik, unternehmerische Verantwortung ist, und kriminelles Fehlverhalten mit dem Ziel von Gewinnmaximierung anzuprangern bzw. abzustellen. Dafür haben wir die Kontrollen. Ich bin froh, dass das Kontrollsystem in Deutschland funktioniert. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Jetzt hat Jutta Krellmann das Wort für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Jutta Krellmann (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Damen und Herren! Für mich ist Amazon ein Beispiel dafür, dass es nicht funktioniert. Ich habe eine völlig andere Position dazu. Im Dezember letzten Jahres haben sich zahlreiche Spanierinnen und Spanier darüber gefreut, dass sie einen Arbeitsplatz in Deutschland bekommen können. Sie haben ihn in Bad Hersfeld in Hessen gefunden. Zwei Tage bevor es losgehen sollte – die Koffer sind schon gepackt –, bekommen sie die Information: Ach nee, es ist doch nicht die Firma Amazon. Es ist die Leiharbeitsfirma Trenkwalder. Frau Kramme hat gesagt, dass der Lohn der Leiharbeiter, der von der Leiharbeitsfirma gezahlt wurde, entsprechend gering war. Er entsprach zwar den Tarifen der Leiharbeit, aber nicht dem Grundsatz „Gleiches Geld für gleiche Arbeit“. Und es war auch nicht das, was man den spanischen Kolleginnen und Kollegen ursprünglich versprochen hat. Die Koffer sind gepackt, die Erwartungen sind groß. Und jetzt? Trotzdem fahren, obwohl es kein Arbeitsplatz bei Amazon ist? In Hessen angekommen, werden sie in einer Ferienanlage kaserniert und bewacht durch eine Sicherheitsfirma mit dem Namen H.E.S.S. Trenkwalder selbst – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – ist seit Anfang an bei dem Leiharbeitsboom dabei. Sie war eine der ersten Leiharbeitsfirmen, die die mittlerweile für rechtswidrig erklärten Tarife mit den christlichen Gewerkschaften abgeschlossen hat. Der ehemalige Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt war zwischen 2007 und 2009 Aufsichtsratsvorsitzender dieser Leiharbeitsfirma. Ich finde, dass hier unglaubliche Seilschaften zutage kommen. Die wirtschaftlich schwierige Situation der spanischen -Beschäftigten wurde gnadenlos ausgenutzt. Der Fall Amazon wirft ein Licht auf die schäbige Ausbeutung, die in Deutschland durch Leiharbeit mittlerweile möglich geworden ist. Ähnlich wie bei Schlecker und plötzlich, wie aus dem Dornröschenschlaf erwacht, kündigt die Ministerin an, im Fall Amazon zu handeln. Frau Ministerin von der Leyen ist hier; vielleicht kann sie etwas dazu sagen, wie der Stand ist; wir haben gerade von Herrn Schiewerling etwas dazu gehört. Sie wollen der Leiharbeitsfirma die Lizenz entziehen. Aber Amazon kommt ohne Konsequenzen davon; die sind unschuldig. Dabei hat Amazon nachweislich von den schikanierenden Kontrollen durch die Sicherheitsfirma H.E.S.S. gewusst. Amazon hat das Lohndumping der Leiharbeitsfirma billigend in Kauf genommen. -Amazon hat Konsequenzen verdient; aber da ist bisher Fehlanzeige. Firmen wie Amazon nutzen nur die gesetzlichen Möglichkeiten, die ihnen die Politik gegeben hat. Dass sie damit oftmals am Rande der Legalität arbeiten, wird bewusst in Kauf genommen. (Beifall der Abg. Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE]) Wirkungsvolle Kontrollen scheitern am mangelnden Personal und an unzureichenden Vorgaben. Wenn wir die Kontrollen bei Leiharbeitsfirmen mit den Kontrollen bei HartzIV-Empfängern vergleichen, dann wird klar: Irgendwie wird hier mit unterschiedlichem Maß gemessen. (Beifall bei der LINKEN) Eine Leiharbeitsfirma kann sich in Deutschland nahezu alles erlauben und muss kaum Kontrollen und Sanktionen befürchten. Ein Hartz-IV-Empfänger oder eine Hartz-IV-Empfängerin muss dagegen strikte Vorgaben einhalten, und jeder Verstoß wird gnadenlos bestraft. Das ist Realität am deutschen Arbeitsmarkt. Wenn wir den Missbrauch in der Leiharbeit wirklich beenden wollen, dann müssen wir die Leiharbeit abschaffen. (Beifall bei der LINKEN) Die Deregulierung am deutschen Arbeitsmarkt jährt sich am 14. März dieses Jahres. Die Agenda 2010 hat zur massiven Ausweitung prekärer Beschäftigungsformen wie Leiharbeit, Teilzeitarbeit, Werkverträge, Scheinselbstständigkeit usw. geführt. Aktuell können 1,4 Millionen Menschen von ihrem Lohn nicht leben und müssen zusätzlich aufstocken; oftmals sind es Leiharbeitsbeschäftigte. Unternehmen wie Amazon gehen dabei nur durch die Türe, die ihnen von Rot-Grün geöffnet worden ist. Die Missstände abzuschaffen, bedeutet, die unsozialen Hartz-IV-Gesetze abzuschaffen. (Beifall bei der LINKEN) Nur die Linke steht für eine konsequente Reform des Arbeitsmarktes zum Schutz der Beschäftigten. Die Linke will das Verbot der Leiharbeit, eine strikte Regulierung von Werkverträgen und eine konsequente Rücknahme der Hartz-Gesetze, (Beifall bei der LINKEN) nicht nur von Hartz IV, sondern insbesondere auch von Hartz I. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hartz III auch?) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Das Wort hat der Kollege Dr. Heinrich Kolb für die FDP-Fraktion. Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will zunächst sagen, dass ich durchaus dankbar dafür bin, dass wir heute Gelegenheit haben, hier im Deutschen Bundestag über den Beitrag vom 13. Februar zu debattieren, und will vorab feststellen, dass ich die Vorgänge und Entwicklungen, über die berichtet wird, nicht nur mit großer Aufmerksamkeit, sondern auch mit einer gewissen Sorge verfolge. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, das Ganze vielleicht etwas differenzierter darzustellen. Frau Kollegin Krellmann hat hier – wenn auch in erzählerischer Form – (Paul Lehrieder [CDU/CSU]: In verfälschender Form!) die Vorwürfe vorgetragen, die erhoben werden: Arbeitsverträge seien kurzfristig zuungunsten der Mitarbeiter verändert worden. Die Anstellungen erfolgten, anders als erwartet, nicht bei Amazon, sondern bei der Zeitarbeitsfirma T. Sie haben den Namen genannt, Trenkwalder; dann kann ich es auch sagen. Die Unterbringung der angeworbenen Mitarbeiter sei in unzumutbaren Sammelunterkünften erfolgt. Es habe einen unorganisierten Transport zur Arbeitsstätte und zurück in überladenen Bussen gegeben; bei transportbedingten Ausfallzeiten habe es keine Entlohnung gegeben. Vor allen Dingen sei eine Überwachung und möglicherweise eine Nötigung durch Mitarbeiter der Sicherheitsfirma erfolgt, die da zum Einsatz kam. Es gibt Vorwürfe, dass die Angestellten der Sicherheitsfirma aus dem rechtsradikalen Milieu kämen. Zudem gebe es mögliche Meldeversäumnisse im Zusammenhang mit geldwerten Vorteilen bei Kost und Logis gegenüber den Sozialversicherungen. – Das sind die Vorwürfe, die erhoben werden. Bevor wir es abschichten, möchte ich zunächst einmal feststellen, dass sich die Vorwürfe – auch wenn das Thema der heutigen Aktuellen Stunde dies nicht hergibt – zunächst nicht gegen Amazon richten. Ich will so viel sagen: Amazon muss sich sicherlich fragen lassen, ob man bei der Auswahl des Zeitarbeitsunternehmens die nötige Sorgfalt hat walten lassen. Das kann man beurteilen, wenn die Berichte von der BA und von der FKS, der Finanzkontrolle Schwarzarbeit, die ergänzend tätig geworden ist, vorliegen. Die Vorwürfe, die im Übrigen erhoben werden, richten sich aber zunächst an die Adresse der Zeitarbeitsfirma und lassen sich in drei Komplexe unterteilen. Was den arbeitsrechtlichen Teil anbetrifft: Die Arbeitskräfte wurden unter Vorspiegelung falscher Tatsachen angeworben. Das wird man prüfen müssen, auch die finanziellen Konditionen. Was den sozialversicherungsrechtlichen Teil betrifft, ist zu klären, ob Kost und Logis möglicherweise nicht als geldwerter Vorteil aufgeführt und abgerechnet wurden. Besonders gravierend ist aus meiner Sicht der strafrechtliche Sachverhalt. Hier geht es darum, zu prüfen, ob die Zeitarbeiter tatsächlich durch Mitarbeiter der Sicherheitsfirma genötigt worden sind. Dem müsste gegebenenfalls durch die örtlichen Strafverfolgungsbehörden nachgegangen werden. Falls sich he-rausstellen sollte, dass die Anschuldigungen zutreffen, müssen die Vorgänge strafrechtlich geahndet werden. – Das alles muss man sich sachlich vor Augen führen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass mit den Prüfungen durch die Bundesagentur zeitnah begonnen worden ist. Soweit ich gehört habe, sind die Prüfungen abgeschlossen. Erste Ergebnisse liegen vor. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Es gibt keine Ergebnisse!) – Da wissen Sie weniger als ich, Frau Kollegin Künast. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr Kollege von der CDU hat gesagt: Es gibt keine Ergebnisse!) – Es liegen durchaus Ergebnisse vor, die im gesetzlich bestehenden Verfahren ausgewertet werden müssen. Im Extremfall könnte dem Zeitarbeitsunternehmen die Lizenz entzogen werden. Es könnte aber auch sein, dass dieses Zeitarbeitsunternehmen künftig bestimmte Auflagen erfüllen muss. All das bewegt sich in einem geordneten Rahmen, innerhalb dessen die ausführende Behörde die bestehenden Gesetze und ergänzenden Verordnungen bzw. Richtlinien und Weisungen anwenden kann. Sie wollten dieses Thema heute skandalisieren und zu einem Generalangriff auf die Zeitarbeit nutzen. Doch dazu taugen diese Vorgänge nicht. Da bin ich ausdrücklich bei meinem Kollegen Karl Schiewerling. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Anette Kramme [SPD]: Sie sollten sich schämen!) Ich unterstütze ausdrücklich, was er gesagt hat – ich will es von meiner Seite wiederholen –: Wir werden, wie damals bei Schlecker, sofort reagieren, wenn es Hinweise gibt, dass es hier flächendeckenden Missbrauch gegeben hat; aber das ist nach derzeitigem Stand der Erkenntnisse nicht zu erwarten. Ich rate dazu, die Erwartungen etwas tiefer zu hängen. Ich weiß, die Opposition ist derzeit dabei, alles zu verteufeln, was diese Regierung macht: von der Zeitarbeit bis zum Mindestlohn. Aber dieser Schuss geht nach hinten los. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sollen wir denn bei Ihnen schlechtmachen?) Politischer Handlungsbedarf – das will ich hier festhalten – besteht nach jetzigem Erkenntnisstand nicht. Mit den bestehenden Gesetzen sind wir durchaus in der Lage, angemessen und, wenn nötig, auch mit harten Maßnahmen auf die erhobenen Vorwürfe zu antworten. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie auch noch etwas zur Sache?) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Für Bündnis 90/Die Grünen hat Beate Müller--Gemmeke das Wort. Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Skandal „Amazon“ zeigt wieder einmal deutlich: In Deutschland läuft etwas gewaltig schief. (Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Die Grünen laufen schief!) Die Arbeitswelt wird immer rauer und ungerechter, das Gefühl für Anstand geht verloren. Empörung reicht hier nicht aus; wir brauchen endlich wieder soziale Leitplanken auf dem Arbeitsmarkt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Die Arbeitsbedingungen bei Amazon können nur als menschenunwürdig bezeichnet werden. Die Leiharbeitskräfte wurden schamlos ausgebeutet. Sie mussten zu lange arbeiten und haben zu wenig Geld verdient. Sie waren schlecht untergebracht und falsch informiert. Besonders skandalös ist, dass die Beschäftigten auf Schritt und Tritt bespitzelt wurden, auch in ihrem Privatbereich nach der Arbeit. Dieser Vorfall führt zu großer Aufregung, zu Unverständnis und Wut bei den Menschen, und das zu Recht. Ich hoffe, dass entsprechende Konsequenzen gezogen werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Wenn Amazon Menschen offensichtlich wie Waren behandelt, dann erfordert das politische Reaktionen. Das weiß auch Frau von der Leyen, die jetzt wieder hektisch Aufklärung fordert und Konsequenzen androht. Ankündigungen reichen aber nicht. Notwendig sind lückenlose und umfassende Prüfungen, und zwar erstens bei der Leiharbeitsfirma. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das findet statt!) Hier muss die Bundesagentur für Arbeit penibel überprüfen, ob korrekt, in voller Höhe und durchgängig, bezahlt wurde. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das tut sie!) Wenn die aktuell bestätigten Verstöße relevant sind – und das ist das Entscheidende –, darf Frau von der Leyen die Karte „Lizenzentzug“ nicht nur ankündigen, sondern muss sie auch spielen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das macht die Bundesagentur schon von sich aus! Das ist auch gut so!) Zweitens muss konsequent geprüft werden, ob gegen die Sicherheitsfirma wegen Nötigung ermittelt werden kann. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Vollkommen klar! – Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Das macht aber der Staatsanwalt und nicht die Frau Ministerin!) Drittens – das ist mir ganz besonders wichtig – muss Amazon selbst bezüglich Arbeitsbedingungen, Datenschutz und Steuertricks auf den Prüfstand. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Es reicht nicht aus, wenn der Konzern hektisch seiner Sicherheits- und seiner Leiharbeitsfirma kündigt. So einfach kann sich Amazon nicht seiner unternehmerischen Verantwortung entziehen. (Beifall der Abg. Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Verantwortung ist ein gutes Stichwort, um auf die politische Verantwortung hinzuweisen: Heute geht es nicht nur um diesen Skandal. „Arbeit muss sich wieder lohnen!“ – das ist das Motto von Schwarz-Gelb. Inzwischen arbeiten aber fast 25 Prozent der Beschäftigten unter prekären Arbeitsbedingungen. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Den Niedriglohnsektor hat Rot-Grün eingeführt!) Niedrige Löhne, Minijobs, Befristungen, Leiharbeit, Werkverträge, Scheinselbstständigkeit – das ist die Re-alität. Amazon nutzt diese Fehlentwicklungen auf dem Arbeitsmarkt und hat sein Geschäftsmodell perfektioniert. Aber auch viele andere Beschäftigte leiden unter schlechten Arbeitsbedingungen, niedrigen Löhnen und Unsicherheit. Sie sind ungeschützt aufgrund von Tarifflucht und fehlenden Betriebsräten. Sie, die Regierungsfraktionen, ignorieren diese Fehlentwicklungen und zeigen keinerlei Empathie für die Verliererinnen und Verlierer auf unserem Arbeitsmarkt. Das ist nicht akzeptabel. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Anton Schaaf [SPD]) Als Reaktion auf diesen Skandal brauchen wir keine schönen Worte und inhaltslosen Ankündigungen. Notwendig sind Anerkennung und Wertschätzung von Arbeit. Die unsäglichen Arbeitsbedingungen bei Amazon sind nicht allein durch die Leiharbeit entstanden – Herr Kolb, da haben Sie recht –, aber natürlich müssen die Lücken bei der Leiharbeit geschlossen werden. Wir Grüne fordern schon lange vehement Equal Pay, Mitbestimmungsrechte und vor allem effektive Kontrollen, die in dem vorliegenden Fall nicht funktioniert haben. Das allein reicht aber nicht. Die Lohndrückerei geht mit zweifelhaften Werkvertragskonstruktionen weiter. Auch hier brauchen wir klare Regelungen. Vor allem aber muss der Trend zu immer mehr Befristungen gestoppt werden. Amazon ist auch hierfür ein extremes Beispiel; denn im neuen Lager in Koblenz sind von den 3 300 Beschäftigten gerade einmal 200 unbefristet angestellt. 3 100 sind befristet angestellt. Auch das ist ein Skandal. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Fakten sind schon lange bekannt. Diese Regierung kümmert sich aber nicht um die Sorgen der Beschäftigten. Sie unternimmt nichts gegen die Tarifflucht. Sie bringt keinen Mindestlohn zustande. Stattdessen streitet sie über eine Mogelpackung. Sie verweigert jegliche Regulierung auf dem Arbeitsmarkt. Die Hinweise auf soziale Verwerfungen hingegen streicht sie aus ihrem eigenen Armuts- und Reichtumsbericht. Mit dieser Politik muss endlich Schluss sein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Anton Schaaf [SPD]) Wir brauchen soziale Leitplanken auf dem Arbeitsmarkt. Ich habe es schon gesagt: Der Wert von Arbeit muss endlich wieder im Mittelpunkt stehen. Es geht um die Würde des Menschen, auch in der Arbeitswelt. Wenn hier nicht schnell ein Umdenken stattfindet, wird es bald wieder einen neuen Fall wie Schlecker oder Amazon geben. Deswegen empfehle ich der Bundesregierung, sich die Krokodilstränen wegen Amazon zu sparen und mit der Arbeit zu beginnen – in der Zeit, die ihr noch bleibt. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Jetzt hat Gitta Connemann das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Gitta Connemann (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Weltweit hat der Bericht Ausgeliefert! der ARD für Entsetzen gesorgt. Das sind, wie ich finde, gespenstische Bilder. Eines liegt auf der Hand: Die Vorwürfe müssen überprüft werden. Wenn diese Vorwürfe nur zu einem Teil stimmen, dann sind wir alle Augenzeugen eines Skandals. Im Namen der CDU/CSU-Fraktion sage ich an dieser Stelle: Das ist ein Verhalten, das abstoßend ist, das menschenunwürdig ist und gegen das wir uns mit aller Kraft stemmen und wehren werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Alle Fakten müssen jetzt so schnell wie möglich auf den Tisch. Deshalb bin ich Ihnen, liebe Frau Ministerin Dr. von der Leyen, sehr dankbar; denn nach Bekanntwerden der Vorwürfe haben Sie tatsächlich sofort gehandelt. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh! – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch eine Selbstverständlichkeit!) Frau Kollegin Müller-Gemmeke, Sie sagten, das sei Aktionismus. Für mich ist das kein Aktionismus. Ich erhoffe, erwarte und erbitte mir von einer Ministerin, dass sie ihre Aufgaben erledigt. Das hat diese Ministerin in bester Weise gemacht, weil ihr an der Hilfe für Menschen gelegen ist – offensichtlich anders als Ihnen; (Beifall bei der CDU/CSU) denn ich stelle in dieser Debatte fest, dass Sie ein Gefecht gegen die Zeitarbeit austragen. Die Frage ist aber: Liegt das Problem tatsächlich bei der Zeitarbeit? Schon jetzt steht nach den Prüfungen fest, (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt noch gar keine Ergebnisse!) dass das System von Amazon komplex ist. Es geht eben nicht nur um Zeitarbeit. Da gab es Transportunternehmen, Sicherheitsdienste und Beherbergungsbetriebe. Davon sind die Zeitarbeitsunternehmen zu unterscheiden, deren Mitarbeiter Auftragsspitzen abdeckten. Die Ministerin hat strenge Konsequenzen angekündigt. Sollte die Sonderprüfung ergeben, dass Regelungen nicht eingehalten worden sind, werden diese Firmen mit dem Verlust ihrer Lizenz rechnen müssen. Das ist übrigens kein Sonderfall; denn es ist dieser Ministerin zu verdanken, dass die Anzahl der Prüfungen nach Vorfällen im AÜG in den letzten drei Jahren um 93 Prozent erhöht worden ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der SPD: Noch ein Kniefall!) Das ist übrigens anders als zur Zeit des Arbeitsministers Olaf Scholz. Auch darauf möchte hinweisen. (Michael Roth [Heringen] [SPD]: Ach? Der ist schuld?) Das zeigt nicht nur, dass der Kollege Schiewerling recht hat, dass die Kontrolle stimmt, sondern auch, dass das Gesetz funktioniert. (Anette Kramme [SPD]: Und warum hat das nicht präventiv funktioniert? Die Vorwürfe sind seit Jahren bekannt!) Zeitarbeit ist nicht das eigentliche Problem; das wissen Sie übrigens auch, liebe Frau Kollegin Kramme. Ich darf aus einem Antrag der SPD zitieren, den wir morgen debattieren werden. Darin steht sehr deutlich: Die Leiharbeit ist für Unternehmen unattraktiver geworden, seitdem eine Reihe von zwingenden Vorgaben … ins deutsche Recht übernommen werden musste. Für die Leiharbeit existiert mittlerweile ein Mindestlohn. Genau so ist es – aber nur dank des Einsatzes der christlich-liberalen Koalition. Sie sind daran jahrelang gescheitert. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Christian Lange [Backnang] [SPD]: „Danke, SPD“, heißt das! – Weiterer Zuruf von der SPD: Dank der SPD in der Vermittlungsrun-de! – Gegenrufe von der CDU/CSU) Lassen Sie Ihren heiligen Zorn gegen eine Branche, die der Turbo am Arbeitsmarkt gewesen ist und die immer für die Schwächsten am Arbeitsmarkt eine Brücke in Beschäftigung gewesen ist! Damit begegnen Sie an dieser Stelle übrigens auch nicht dem Problem; denn die Hauptfrage in einer solchen Debatte müsste doch sein: Welche Verantwortung trägt ein Unternehmen wie Amazon? (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!) Die Verantwortlichen dort waschen ihre Hände in Unschuld. Schuld sind immer die anderen, sagt Amazon, nach dem Motto: Mein Name ist Hase; ich weiß von nichts. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und werden sie geprüft?) Aber ist es damit getan, zu sagen, die Sicherheit der Mitarbeiter werde sehr ernst genommen, während Arbeitnehmer von einem Sicherheitsdienst schikaniert werden, und zu erklären, man sei um das Wohlergehen der Mitarbeiter besorgt, während diese in einer Ferienanlage zusammengepfercht wurden? Unsere Antwort lautet: Nein, das reicht nicht. Es gehört zur Verantwortung eines Konzerns, nicht nur über Sozialstandards zu reden, sondern auch für ihre Einhaltung zu sorgen, und zwar an jeder Stelle der Kette. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Zwar ist inzwischen der Sicherheitsdienst geschasst worden, ebenso wie das Unternehmen, das für die Unterbringung zuständig war. Aber die Frage lautet: Wäre das auch ohne öffentlichen Druck passiert? (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielleicht durch Kontrollen?) Ich persönlich befürchte, dass das nicht der Fall gewesen wäre. Vielmehr entsteht der Eindruck, als ob Arbeits- und Lebensbedingungen sowie Fragen der Ethik für einen Konzern wie Amazon erst dann eine Rolle spielen, wenn sich die Kunden abwenden. Das hat für mich persönlich sowie für unsere Fraktion mit sozialer Unternehmensverantwortung nichts mehr zu tun. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Grundsätzlich nicht vorzuwerfen ist einem Unternehmen wie Amazon, dass es Zeitarbeitnehmer beschäftigt. Dass das Geschäftsmodell von Versandhändlern ohne diese in einer Hochsaison wie Weihnachten nicht funktioniert, muss jedem bekannt sein. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da gibt es andere Möglichkeiten! Arbeitszeitkonten zum Beispiel!) Es handelt sich um eine saisonale Spitze und damit um eine klassische Situation für Zeitarbeit. Nur so kann übrigens Auslieferung 24 Stunden am Tag klappen. Die Kunden wollten das bislang auch so. Etwa jedes fünfte Buch in Deutschland wird inzwischen über Amazon verkauft. Der Buchhandel vor Ort liegt übrigens an vielen Stellen am Boden; denn es ist so einfach: ein paar Klicks, und dann kommen die Pakete ins Haus. Aber ich sage auch: Jeder Klick bewirkt etwas. Vielleicht wäre es für uns alle besser, beim nächsten Geschenkeeinkauf doch mal wieder um die Ecke zu gehen. Ich bin davon überzeugt, dass erst dann, wenn viele Verbraucher bewusst kaufen, die Amazons, aber auch die Zalandos der Welt merken, dass sie nicht alles machen können, um ihren Profit zu steigern – und das wäre gut. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Jetzt hat Michael Roth das Wort für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Michael Roth (Heringen) (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit 1998 darf ich den nordhessischen Wahlkreis Werra-Meißner – Hersfeld-Rotenburg hier im Bundestag vertreten, eine Region, die seit 1989 aus der Randlage in die Mitte Deutschlands und Europas gerückt ist. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist es!) Die Region Bad Hersfeld ist eine der bedeutenden Mobilitäts- und Logistikdrehscheiben in Deutschland und Europa. Tausende von neuen Arbeitsplätzen sind in den vergangenen Jahren in unserer Region geschaffen worden, (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Über jeden Arbeitsplatz haben wir uns gefreut!) bei Logistikern, Distributionszentren, Buchgrossisten und eben auch Internetkaufhäusern wie Amazon. Amazon ist mit rund 4 000 Beschäftigten der größte Arbeitgeber. Das ist kein Zufall. Das ist auch nicht vom Himmel gefallen. Das ist vor allem das Ergebnis guter kommunalpolitischer Entscheidungen; (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Und landespolitischer Entscheidungen!) die Kommunen haben sehr viel Geld in die Hand genommen und Engagement gezeigt. Es ist das Verdienst unserer zentralen Lage und einer guten Infrastruktur im Bereich Verkehr, es ist vor allem aber auch das Verdienst ganz tüchtiger, engagierter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die zu keinem großen Lohn eine hervorragende Arbeit leisten und damit dazu beigetragen haben, dass aus einer Region in einer Randlage eine boomende Region geworden ist. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die Rede von Frau Kramme hörte sich anders an!) Wir profitieren von der Logistikbranche. Wir haben eine relativ niedrige Arbeitslosigkeit. Die Standortkommunen haben hohe Steuereinnahmen. Neue Qualifizierungsangebote haben sich entwickelt, beispielsweise ein duales Studium in der Logistikwirtschaft. Aber wo Licht ist, ist eben auch Schatten. Im Falle von Amazon ist sehr viel Schatten. Dort gibt es eine hohe Zahl von befristeten Arbeitsverträgen; circa 50 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Amazon sind nur befristet beschäftigt. Wir haben eine hohe Zahl von Menschen, die darauf angewiesen sind, zum Landkreis zu gehen, um ihre niedrigen Löhne aufzustocken, und leider – das erlebe ich immer wieder in meinen Sprechstunden, in denen nicht wenige Beschäftigte von Amazon und anderen Logistikunternehmen um Rat suchen – ist die Motivation relativ gering, weil die Jobs oft ein schlechtes Image haben. Daran ist Amazon maßgeblich selbst schuld, da das Unternehmen eine beispiellose Geheimniskrämerei betrieben hat. Transparente Unternehmensführung, Dialog mit der Öffentlichkeit sowie Dialog und Austausch mit den Medien sehen anders aus. Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU und FDP, das hat nichts mit Kontrollen zu tun. Wir wurden nicht durch Kontrollen, sondern durch die Medien auf diesen Skandal aufmerksam gemacht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es ist meiner Fraktion im Oktober vergangenen Jahres erstmals gelungen, einen hohen Verantwortlichen von Amazon zu einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung über die Arbeitsbedingungen zu bewegen. Ich erinnere an GLS. Auch dieses Unternehmen hat seinen Hauptsitz in meinem Wahlkreis, in Neuenstein. Günter Wallraff hat dort im vergangenen Jahr eine Reportage über die Arbeitsbedingungen gemacht. Bis heute verweigert dieses Unternehmen ein Gespräch mit einem Bundestagsabgeordneten, weil man die Öffentlichkeit und offensichtlich auch die Kritik scheut. Insofern kann ich nur hoffen, dass die Reaktionen für diese Unternehmen ein heilsamer Schock sind. Jetzt muss aufgeklärt werden, jetzt müssen Missbräuche abgestellt werden; denn es gibt Gründe dafür, dass diese Branche über ein so schlechtes Image verfügt. Ich kann mich den Vorrednerinnen und Vorrednern in dieser Hinsicht nur anschließen. Wir brauchen eine Wiederbelebung der Kultur der sozialen Verantwortung. Unternehmen, die rein profitorientiert an den Interessen der Beschäftigten vorbeiarbeiten, können nicht im Sinne der sozialen Marktwirtschaft sein. Insofern ist diese Debatte, die wir heute führen, gut; aber konkrete Taten, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, sind besser. Die Politik ist es den Beschäftigten, aber auch den verantwortungsbewussten Unternehmen und der Kommunalpolitik schuldig, endlich tätig zu werden. Wir als Gesetzgeber sind für den Rahmen unternehmerischen Handelns verantwortlich. Es liegt in unserer Hand, ob Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihren Glauben an die soziale Marktwirtschaft wiedererlangen. Wenn uns das nicht gelingt, dann geht in unserem Land mehr kaputt als die Reputation eines großen Internetkaufhauses. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sehr staatstragend!) Meine Fraktion redet nicht nur und stellt nicht nur den Antrag, hier und heute diese Aktuelle Stunde durchzuführen, sondern wir streiten – und das schon seit Jahren – für das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“. Wir wollen den Niedriglohnsektor austrocknen. (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Und wir haben es gemacht!) Wir kämpfen für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. Wir müssen die Leiharbeit begrenzen. Wir müssen die Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausbauen. Diese Regierung hat außer wohlmeinenden Worten nichts zustande gebracht. (Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Mindestlohn, Herr Kollege! – Gitta Connemann [CDU/CSU]: Mindestlohn in der Zeitarbeit! Gucken Sie sich mal Ihre eigenen Anträge an!) Voraussetzung für einen Politikwechsel hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit ist die Abwahl von Schwarz-Gelb. (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Ich hoffe, dass das den Wählerinnen und Wählern klar ist. Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD – Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Eine seltsame Betrachtung der Realität, Herr Kollege!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Johannes Vogel hat jetzt das Wort für die FDP-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU) Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir alle sind uns einig – das ist heute auch aus den Wortbeiträgen hervorgegangen –, dass die Zustände, die in der Fernsehsendung kritisiert wurden, wenn die Vorwürfe zutreffen, inakzeptabel sind. Aber, lieber Kollege Roth: Sie von der Opposition, gerade Sie von der SPD-Fraktion, versuchen, daraus Ihr politisches Süppchen zu kochen und dieser Koalition einen Vorwurf zu machen. (Michael Roth [Heringen] [SPD]: Ja, natürlich! Was denn sonst? – Gegenruf des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Er ist wenigstens ehrlich!) Man muss sich einmal die Frage stellen: Welche Vorwürfe wurden in der Sendung erhoben? Ich denke, wir alle haben die Sendung gesehen. Ich würde die Vorwürfe folgendermaßen zusammenfassen: Amazon hat den Mitarbeitern, wenn das alles zutrifft, falsche Versprechungen gemacht. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Wie die FDP!) Amazon hat eine skandalöse Sicherheitsfirma engagiert. Amazon hat ein fragwürdiges Transportunternehmen engagiert. Es wurden nicht nur Arbeitnehmerrechte, also Rechte des Arbeitnehmers gegenüber dem Unternehmen, sondern auch ganz grundlegende Menschenrechte missachtet, zum Beispiel durch den Sicherheitsdienst die Unverletzlichkeit der Wohnung. Ich will eines ganz klar sagen – das gilt für meine Fraktion, aber, wie ich weiß, auch für die gesamte Koalition –: Das ist vollkommen inakzeptabel. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Gabriele Lösekrug-Möller [SPD]: Und was schließen Sie daraus?) Das ist inakzeptabel, weil Grundrechte und Arbeitnehmerrechte missachtet werden. Das ist aber auch deshalb inakzeptabel, weil es hier insbesondere um Arbeitnehmer geht, die aus dem Ausland angeworben wurden; das unterminiert also auch den Ruf Deutschlands als Einwanderungsland. Politisch könnten Sie dieser Koalition einen Vorwurf machen, wenn nicht gehandelt worden wäre. Das ist aber nicht zutreffend. Ich will festhalten: Hier ist nicht der rechtliche Rahmen das Problem, sondern hier wurde, wenn die Vorwürfe zutreffen, gegen Gesetze verstoßen. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist das!) Die Aufgabe besteht natürlich darin, Kontrolle auszuüben, gegebenenfalls Sanktionen zu verhängen und zu handeln. (Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Ganz genau!) Da kann ich wirklich nur sagen: Das hat die Regierung getan. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Am Donnerstag letzter Woche wurden die Vorwürfe publik; es wurde medial über sie diskutiert. Am Montag darauf, also am übernächsten Werktag, fand eine Prüfung statt, waren BA und Zoll im Haus. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch eine Selbstverständlichkeit! – Zuruf von der SPD: Was? So schnell?) Wiederum zwei Tage später, am übernächsten Werktag, nämlich heute, ist die Prüfung abgeschlossen. Nun wird ausgewertet. Eine mögliche Strafe für das Zeitarbeitsunternehmen kann, wie die Kollegen schon gesagt haben, bis hin zum Lizenzentzug gehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, bei aller Liebe: Politisches Nichthandeln sieht anders aus. Das können Sie uns schlicht nicht vorwerfen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Diesen Vorwurf können Sie uns auch nicht generell machen. Es wurde schon darauf hingewiesen: Unter dieser Arbeits- und Sozialministerin finden im Bereich der Zeitarbeit doppelt so viele Kontrollen statt wie noch unter Sozial- und Arbeitsminister Scholz von der SPD. (Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Hört! Hört!) Auch hier gilt für diese Koalition: Politisches Nichthandeln, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, sieht anders aus. Dieser Pfeil fliegt auf Sie zurück. Ich finde bemerkenswert, was Sie hier versuchen. Sie versuchen nämlich, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Sie sagen nicht: „Hier hat es möglicherweise skandalöse Rechtsverstöße eines Unternehmens gegeben“, sondern Sie sagen: „Bei der Zeitarbeit stimmt es insgesamt nicht.“ – Man sollte sich, glaube ich, einmal vergegenwärtigen, was die Zeitarbeit in Deutschland leistet. Sie sorgt nicht nur für Flexibilität, sondern bietet Menschen auch Einstiegschancen. Zwei Drittel der Zeitarbeitnehmer kommen aus der Arbeitslosigkeit. 40 Prozent von ihnen haben gar keine berufliche Qualifikation. Das ist ein Wert, den man nicht wegwerfen sollte. (Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Ständiges Wiederholen macht es doch nicht besser! Das stimmt nicht!) Bedenken Sie auch, was diese Koalition gemacht hat. Wir haben den Mindestlohn in der Zeitarbeit eingeführt. (Anette Kramme [SPD]: Das war Ergebnis des Vermittlungsausschusses und geschah unter Verweigerung der FDP!) Wir haben dafür gesorgt, dass die Tarifpartner jetzt eine schrittweise Angleichung an Equal Pay vornehmen. Diese Koalition hat dem Missbrauch schon durch die sogenannte Anti-Schlecker-Klausel einen Riegel vorgeschoben. Man kann also festhalten: Diese Koalition hat die Zeitarbeit so reguliert, dass Missbrauch gesetzlich verhindert wird, aber ihre Vorteile für die Menschen erhalten werden. Wenn einzelne schwarze Schafe immer noch gegen Gesetze verstoßen, dann ist es richtig, dass die Behörden reagieren. Das tun sie, wie ich eben ausgeführt habe, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn mit den Befristungen?) Ich will zum Abschluss noch etwas sagen. Liebe Frau Kollegin Müller-Gemmeke und liebe Frau Kollegin Kramme, Sie haben auch in einer anderen Hinsicht versucht, Äpfel mit Birnen zu vergleichen, und damit das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Sie nehmen diesen Fall als Beleg dafür, dass am Arbeitsmarkt alles schlecht sei. Ich habe in der Debatte zwei Begründungen gehört: Erstens: Es sei alles schlecht, und wir bräuchten den gesetzlichen Mindestlohn, den Sie fordern. Es ist wirklich bemerkenswert, dass Sie diesen Fall als Beleg für die Notwendigkeit eines gesetzlichen Mindestlohns nehmen. (Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Er eignet sich dafür überhaupt nicht!) Denn zum einen gibt es in der Zeitarbeit einen tariflichen Mindestlohn, den diese Koalition ermöglicht hat, (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht doch um die gesamten Rahmenbedingungen!) und zum anderen liegt der Lohn, der den Zeitarbeitnehmern im konkreten Fall gezahlt wurde, über dem, was Sie als gesetzlichen Mindestlohn fordern. Worauf wollen Sie also hinaus, liebe Kolleginnen und Kollegen? Doch ganz sicher nicht auf die angebliche Notwendigkeit eines gesetzlichen Mindestlohns, die Sie immer wieder behaupten. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie wollten auch einmal etwas gesagt haben!) Zweitens kritisieren Sie die Befristung. Liebe Frau Kollegin Müller-Gemmeke, Sie sind uns schuldig geblieben, zu erklären, was die Beschäftigung von Zeitarbeitnehmern im konkreten Fall mit Befristung zu tun haben soll. Wenn es um Befristung geht, sollten wir, glaube ich, nicht die Unwahrheit erzählen. Sie wissen so gut wie wir, dass Befristung in Deutschland nicht zunimmt; das sagt uns das Statistische Bundesamt. Außerdem hat die große Mehrheit der Menschen, die in Deutschland befristet eingestellt werden, fünf Jahre danach einen unbefristeten Vertrag, die Hälfte beim selben Arbeitgeber. Befristung als Beleg für eine Verrohung am Arbeitsmarkt zu klassifizieren und nicht als das, was sie in Wahrheit ist, nämlich eine Einstiegschance für die Menschen, ist unredlich. In diesem Sinne: Wir alle sind geschockt über das, was dort vorgefallen ist. Gut, dass jetzt kontrolliert wird. Wir werden sehen, was dabei herauskommt. Als Beleg für die angebliche Untätigkeit dieser Koalition am Arbeitsmarkt eignen sich diese Vorfälle bei aller Liebe nicht. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Jetzt hat Gabriele Lösekrug-Möller für die SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD) Gabriele Lösekrug-Möller (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was wäre eigentlich gewesen, wenn diese Reportage nicht ausgestrahlt worden wäre? Wäre die Wahnsinnskontrolle, auf die Sie so stolz sind, dann wahrscheinlich schon vor Weihnachten in Gang gesetzt worden? Wären dann die Hunderte und Tausende, die da gelitten haben, erkannt worden, und die Bundesregierung hätte diesem Missbrauch abgeholfen? Wäre das wirklich so gewesen? (Beifall der Abg. Anette Kramme [SPD]) Kann man stolz sein auf eine Kontrolle, die offenkundig gar nicht stattgefunden hat? Denn es hat sie nicht gegeben im Weihnachtsgeschäft bei Amazon. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) „Vorsicht, wenn man sich so selbst lobt!“, würde ich da sagen. Ich denke, wir müssen den Medien dankbar sein. Die Bundesregierung müsste entsprechende Schreiben schon in Serie ausgefertigt haben; denn es bedarf offenkundig des medialen Drucks, bevor Kontrolle in Gang gesetzt wird. Das ist doch die Wirklichkeit, über die wir hier reden müssen. (Beifall bei der SPD) Ich finde, was wir bisher gehört haben, war kein Ruhmesblatt für die Regierung. (Johannes Vogel [Lüdenscheid] [FDP]: Welchen Überwachungsstaat wünschen Sie sich eigentlich? Dass ohne Hinweise kontrolliert wird?) Ich würde sagen, es ist wieder so weit. Die Ministerin für Arbeit und Soziales schleckert durch das Land; denn es ist ganz so, wie wir es bei Schlecker erlebt haben: Zuerst sehen wir größtmögliche Empörung – zu Recht –, weil Missstände da sind. Als nächster Akt werden die Vorfälle als Einzelfall deklariert; dann ist der Gesetzgeber aus dem Schneider, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, die vielen zugutekommen. Dann folgt eine kleine Lösung, und wenn die mediale Aufmerksamkeit sich wieder anderen Themen zuwendet, sinkt das Engagement. – So erleben wir unsere Regierung, (Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Nein, nein! Das ist völlig falsch!) und damit sind wir als Sozialdemokraten absolut nicht einverstanden. (Beifall bei der SPD) Es gibt einen ganz großen blinden Fleck. Sie meinen immer, das sei kein strukturelles Problem. Ich sage Ihnen aber: Das ist ein strukturelles Problem. (Beifall bei der SPD) Wer diese Vorfälle auf einen bedauerlichen Einzelfall reduziert, kann in der Lösung schon nicht mehr überzeugen. Wir kennen verbale Kraftmeierei seitens der Bundesregierung hinlänglich. Ich zitiere, was Thomas Öchsner dieser Tage in der Süddeutschen Zeitung geschrieben hat: Das Vermieten von Arbeitnehmern ist mittlerweile zu einem Symbol für Exzesse im Land des Jobwunders geworden. Er titelt seinen Kommentar „Ausbeutung als Teil des Geschäftserfolgs“, und leider, leider hat er recht, (Beifall bei der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sehen Sie auch, was er weiter unten geschrieben hat?) weil er die Dimension des Problems erkannt hat. Im Übrigen haben wir auch hier – denn, Herr Kolb, wir haben einen Antrag zur Leiharbeit vorgelegt, und dem konnten Sie sich ja nicht anschließen – rechtzeitig auf die Lücken hingewiesen, die bestehen. Sie leugnen das und empören sich dann, wenn so etwas wie bei Amazon stattfindet. Ich sage Ihnen: Die vielen Kontrollen, auf die Sie stolz sind, reichen nicht aus. Setzen Sie das doch bitte einmal ins Verhältnis zur wachsenden Zahl der Leiharbeit, dann ist auch die Erhöhung der Kontrollen überhaupt kein Ruhmesblatt mehr. Ich möchte Ihnen allerdings auch eine andere Seite nicht vorenthalten, denn es gibt eine andere Seite des Skandals. Das sind die Rolle und die Verantwortung der Kunden und Verbraucher. Wenn wir in einer Aktuellen Stunde darüber reden, dann muss auch diese Seite beleuchtet werden, und ich nehme kein Jota von meiner Kritik an der Bundesregierung zurück; verstehen Sie mich da nicht falsch. Aber wenn wir uns die Rolle der Verbraucherinnen und Verbraucher anschauen, dann frage ich mich: Die Kabinettsmitglieder haben bestimmt keinen Amazon-Account? Ich glaube, niemand aus Ihrer Fraktion hat jemals den Onlineshop genutzt, um schnell an ein Produkt zu kommen! Denn das ist das Problem: Wir leben inzwischen in einer Gesellschaft, in der wir glauben, wir müssen jedes Produkt innerhalb von 24 Stunden haben. Wir wollen es haben, ohne Lieferkosten zu bezahlen. Wir wollen es zu einem niedrigen Preis haben, und dann glauben wir noch, wir müssten nicht dahinterschauen, wie die Arbeits- und Lohnbedingungen der Beschäftigten sind, die diesen ganzen Service leisten. Ich finde, so viel Selbstkritik muss sein, wenn man glaubwürdige Politik machen will. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich möchte Ihnen noch ein Letztes mit auf den Weg geben; die paar Sekunden Redezeit reichen noch aus. Nach der Reportage in der ARD, der Berichterstattung in den Medien und unserer Debatte kann niemand mehr sagen: „Das habe ich aber nicht gewusst.“ Wir können uns dazu verhalten. Ich erwarte von einer Bundesregierung, die die Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinneninteressen im Blick hat, mehr als eine Einzelfallprüfung, und schon gar nicht erwarte ich, dass eine verspätete Kontrolle Anlass zu Selbstlob ist. Das stinkt. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege Dr. Matthias Zimmer hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Darüber, dass das ein Skandal ist, sind wir uns, denke ich, alle einig. Was da aufgedeckt worden ist, hat mit Respekt und Würde der Arbeit überhaupt nichts zu tun. Nun hat Amazon relativ schnell reagiert und die Zusammenarbeit mit den Firmen, die für die Unterbringung und den Transport zuständig waren, ebenso gekündigt wie der Sicherheitsfirma. Die Bundesagentur hat -Amazon aufgefordert, die Vorwürfe zu klären. Ich habe eben noch einmal auf die Webpage von Amazon geschaut. Die Presseerklärung, die dort zu lesen war, fand ich, ehrlich gesagt, ein wenig dünn. Da ist in der Tat von unternehmerischer Verantwortung für gute Arbeit relativ wenig zu spüren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Tatsächlich hat aber die Ministerin die Prüfung der Zeitarbeitsfirma veranlasst, und die Bundesagentur hat soeben gemeldet, sie habe Verstöße gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz festgestellt und werde in einem Verwaltungsverfahren über Konsequenzen entscheiden. Dies kann bis zum Verlust der Lizenz gehen. Und – ich denke, für Amazon beinahe noch dramatischer – die Kunden haben reagiert, haben ihrer Wut in Inter-netforen Luft gemacht oder schlicht ihre Konten bei Amazon löschen lassen; ein veritabler Ansehensverlust für die Firma. War es das wert? Nun könnte man sagen, ein Missbrauch ist aufgedeckt worden, Politik und Öffentlichkeit haben schnell reagiert, eine juristische Bewertung steht noch aus. Aber das ist nicht der Hintergrund dieser Aktuellen Stunde. Hintergrund ist der Versuch, über die Vorgänge bei -Amazon die Zeitarbeit generell in ein schlechtes Licht zu rücken. (Klaus Barthel [SPD]: Keine Runde Mitleid!) Anders kann ich mir die Erregungs- und Empörungsspitzen, die hier aufgetreten sind, auch nicht vorstellen. Es geht Ihnen gar nicht um die Hilfe für die Menschen, meine Damen und Herren von der Opposition, es geht Ihnen darum, die Bundesregierung und die Zeitarbeit zu diskreditieren, und das ist falsch. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich verstehe, dass manche Firmen zur Abfederung von Auftragsspitzen Zeitarbeitnehmer beschäftigen. Das ist auch bei Amazon der Fall. An den beiden Standorten in Bad Hersfeld – der Kollege Roth hat es erwähnt – sind insgesamt 2 800 Mitarbeiter dauerhaft beschäftigt, doch es gibt Auftragsspitzen, die nur mit vorübergehend tätigen Mitarbeitern abgearbeitet werden können. Das betrifft vor allen Dingen das Weihnachtsgeschäft. Hierfür hat Amazon in den vergangenen Jahren auch mithilfe der Bundesagentur Arbeitnehmer aus dem Ausland angeworben, ohne dass es zu Problemen kam. Im letzten Jahr ist eine Zeitarbeitsfirma zwischengeschaltet worden. Über die Praktiken dieser Firma, des Sicherheitsdienstes und der Firma, die für die Unterbringung und den Transport zuständig war, sprechen wir heute im Wesentlichen, aber nicht über die Arbeitsbedingungen bei Amazon generell. Ich will an dieser Stelle auch sagen: Für die Region um Bad Hersfeld war die Ansiedlung von Amazon ein Glücksfall, eben weil hier auch in hoher Zahl dauerhafte Arbeitsstellen geschaffen worden sind. Das muss man bei aller Aufregung auch einmal hervorheben dürfen. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So viele waren es ja wohl nicht! Außer die Hersfelder wohnen in Spanien!) – 2 800 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, verehrte Frau Künast, finde ich schon eine ganz beachtliche Leistung. Gerade für das Segment „ungelernte Arbeitskräfte“ ist Amazon ein guter Arbeitgeber. Immer wieder werden befristete Stellen in unbefristete umgewandelt. Die Re-gionalagentur der Bundesagentur ist mit Amazon in Gesprächen darüber, wie der Bedarf an Arbeitskräften künftig gedeckt werden kann. Worüber ich mich aber immer wieder ärgere, ist, dass das sinnvolle Instrument der Zeitarbeit durch wenige schwarze Schafe diskreditiert wird. In Deutschland sind zurzeit etwa 800 000 Menschen in der Zeitarbeit tätig. Davon sind zwei Drittel zuvor nicht beschäftigt gewesen. Für sie ist die Zeitarbeit also der Weg in den Arbeitsmarkt und vielleicht auch in eine dauerhafte Beschäftigung. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt aber nicht die ollen Kamellen! 10 Prozent sind langzeitarbeitslos gewesen!) Die Zeitarbeit unterliegt dem Arbeitsrecht und den gesetzlichen Schutzansprüchen. Wir haben in dieser Legislaturperiode einmal eine missbräuchliche Nutzung von Zeitarbeit verboten, Stichwort Schlecker; der Kollege Kolb hat darauf hingewiesen. Wir haben mittlerweile einen Mindestlohn in der Zeitarbeitsbranche, und auch hinsichtlich der Entlohnungsangleichung hat es deutliche Fortschritte gegeben. Wir haben also deutliche Verbesserungen der Rahmenbedingungen für die Zeitarbeit erreicht. Der Gesetzgeber alleine kann es aber nicht richten, auch nicht die Kontrollinstanzen bei der Bundesagentur für Arbeit und der Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Ich denke, dass dieser Fall eines deutlich macht, dass nämlich ein solcher Missbrauch auch zu einem PR-Problem der Firma wird, die mit Fremdfirmen zusammen-arbeitet. Ich hoffe sehr, dass andere Firmen hieraus lernen, dass sie mit für das verantwortlich sind, was die von ihnen beauftragten Dritten tun, und dass sie schon im eigenen Interesse darauf pochen, dass sich solche Vorkommnisse wie bei Amazon nicht mehr wiederholen. Einen guten Ruf kann man nicht kaufen, aber man kann ihn schnell verlieren. Damit mag sich dann nach einem alten Sprichwort zwar ungeniert leben, aber nicht mehr erfolgreich wirtschaften lassen. Danke schön. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Jetzt hat Klaus Barthel das Wort für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Klaus Barthel (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich muss mich schon sehr wundern. Hier wird uns von einem angeblichen Einzelfall berichtet. Im Unterschied dazu stellen wir in der Realität doch fest: Amazon ist fast überall. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Na, na!) Schauen wir uns den Versandhandel an. Das ist eine der typischen neuen Dienstleistungsbranchen, in der viele Arbeitsplätze entstehen; das ist ein neuer Boom. In diesen neuen Dienstleistungsbranchen gibt es bisher aber eben kaum gewerkschaftliche Traditionen und Organisationen. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wenn sie neu sind, dann können sie keine Traditionen haben!) Wer sich damit beschäftigt, der weiß: Bei Amazon wird seit Jahren darum gekämpft, dass es in Betrieben mit vierstelliger Beschäftigtenzahl einen Betriebsrat gibt, dass dort ein Tarifvertrag angewandt wird und dass dort einfach normales Recht umgesetzt wird. Kein Mensch hat sich bis jetzt dafür interessiert. Das ist nicht nur bei Amazon so, sondern in vielen Teilen dieser neuen Dienstleistungsbranche. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Es ist nicht die Aufgabe der Bundesregierung, Betriebsratswahlen zu organisieren!) Wir haben es in diesem Bereich mit einer Umwälzung zu tun, die zum Beispiel auch dazu führt, dass im Einzelhandel insgesamt inzwischen ein nahezu tarifloser Zustand herrscht und dass es im Moment gar keinen Weg mehr zu geben scheint, dort wieder zu einem Tarifvertrag zu kommen. Reden wir einmal von Amazon, weil hier immer behauptet wird, wir brauchen die ganzen flexiblen Beschäftigungsformen für kleinere und mittlere Unternehmen. Amazon ist eben nicht der Tante-Emma-Laden um die Ecke, der sich mal durch Leiharbeiter oder Minijobber aushelfen lassen muss, sondern Amazon ist ein globaler, riesiger Konzern mit erheblicher Marktmacht, 8 000 Beschäftigten in Deutschland und einer Gewinnmarge von 20 Prozent, der jetzt sogar das Bundeskartellamt am Hals hat. Da fragt man sich schon: Haben die das wirklich nötig? (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Es gibt also keinen ökonomischen Grund für die Schweinereien, die da passieren. Es gibt keinen ökonomischen Grund dafür, dass zwei Drittel der Beschäftigten bei Amazon – damit kommen wir hier langsam zur Rechtslage – befristet beschäftigt sind, dass sie 10 bis 20 Prozent unter dem Tarifvertrag bezahlt werden, dass in vielen Betrieben kein Betriebsrat vorhanden ist und dass dort die Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter nicht nur wie Sklaven behandelt werden, sondern auch noch schlechter als die Festangestellten bezahlt werden. Da sind Sie dann alle überrascht. Das ist doch kein Einzelfall. Das ist die Spitze des Eisbergs der Prekarisierung auf dem Arbeitsmarkt. Das ist die Spitze dessen, dass inzwischen 50 Prozent aller neuen Arbeitsverhältnisse befristet sind. Das ist die Spitze dessen, dass sich der Anteil der Leiharbeit in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt hat, dass die Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter im Durchschnitt 40 Prozent weniger Lohn -bekommen als die Festangestellten, dass es einen Niedriglohnsektor von 23 Prozent gibt und dass es einen Missbrauch der Freizügigkeit für Arbeitnehmer in der Europäischen Union in großem Stil gibt. Da reden Sie hier von kriminellen Einzelfällen! Das ist inzwischen die Realität auf einem großen Teil des deutschen Arbeitsmarkts. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dann haben wir die Debatte, die ich gerne weiterführen möchte, aber aus Zeitgründen abkürzen muss, ob man jetzt die Schuld wirklich bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern suchen kann. Da will ich einmal den Gedanken von Frau Lösekrug-Möller fortführen. Ich glaube, in einem sozialen Rechtsstaat, in einer sozialen Marktwirtschaft muss sich der Verbraucher darauf verlassen können, dass Rind Rind ist und dass Pferd Pferd ist. Der Verbraucher muss auch nicht fragen, ob es bei dem Kauf eines Buches, das er sich zuschicken lässt, nach Recht und Gesetz zugeht. Vielmehr hat ein sozialer Rechtsstaat dafür zu sorgen, dass sich der Verbraucher darauf verlassen kann. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Hier wurden auch höhere Preise und die „Geiz ist geil“-Mentalität angesprochen. Höhere Preise garantieren doch keine guten Arbeitsbedingungen. Auch das ist Realität. Das haben wir bei Adidas gesehen. Das haben wir bei Apple in China gesehen. Das haben wir im Luxushotel „Bayerischer Hof“ in München gesehen und wo auch immer wir hinschauen: Teuer, teuer, teuer, aber auch schlechte Arbeitsbedingungen. Frau von der Leyen – erst einmal großen Respekt dafür, dass Sie sich diese Debatte hier anhören –, (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Keine Sternstunde ist das!) wir müssen doch hier feststellen, dass seit Monaten kein Tag mehr vergeht, wo nicht Schwarz-Gelb irgendwelche sozialen Gewissensfragen stellt. Aber Sie haben eben den Missbrauch bei der Leiharbeit nicht gestoppt, (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Natürlich haben wir ihn gestoppt! Das haben wir doch alles gemacht!) sondern Sie können ihn nur dann stoppen, wenn Sie rechtlich etwas verändern: Equal Pay vom ersten Tag an, damit auch die 50 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die weniger als drei Monate im Entleihbetrieb beschäftigt sind, etwas davon haben, (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Diese Ausnahmen im Gesetz haben Sie geschaffen!) Begrenzung der Einsatzdauer bei Leiharbeit, Kündigungsschutz und vor allen Dingen – das ist hier bei Amazon besonders wichtig –: (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Sie wollten das doch so! Sie haben es doch eingeführt! – Manfred Grund [CDU/CSU]: Wer hat es denn gemacht?) Sorgen Sie dafür, dass Betriebsräte – Frau Präsidentin, sorgen Sie bitte einmal für Ruhe, man kann ja hier nicht reden – (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Das -können Sie sowieso nicht!) im Entleihbetrieb für die Arbeitsbedingungen im Betrieb, wo die Leiharbeiter arbeiten, zuständig sind. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Es ist auch so, dass Ihre Redezeit zu Ende ist, Herr Kollege. Klaus Barthel (SPD): Solange Sie das nicht tun, wird man auch solche Praktiken wie bei Amazon kaum aufdecken können. Deswegen müssen Sie auch bei der Mitbestimmung in der Betriebsverfassung etwas ändern. Wir müssen auch dabei etwas ändern, dass die Bundesagentur für Arbeit im Grunde auch noch Beihilfe zu solchen Praktiken liefert. Das heißt: Hören Sie auf, so zu tun, als würden Sie etwas tun, sondern tun Sie etwas: Abschaffung der sachgrundlosen Befristung, Einführung von Mindestlöhnen, Regulierung der Leiharbeit. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege. Klaus Barthel (SPD): Dann können wir hier weiterkommen. Dann können Sie hier weiter „Skandal, Skandal“ schreien. (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Das haben Sie doch geschrien!) Aber bevor Sie nicht die rechtlichen Grundlagen auf dem Arbeitsmarkt verändern, brauchen wir uns hier nicht weiter zu echauffieren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Jetzt hat Paul Lehrieder das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Paul Lehrieder (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Frau Kollegin Beate Müller-Gemmeke, man kann es Ihnen nicht recht machen. Hätte unsere Arbeitsministerin auch nur drei, vier Tage zugewartet, um dann eine Prüfung durch die Bundesagentur für Arbeit anzuregen, hätten Sie gesagt: Sie schläft; sie ist eine Ministerin der -ruhigen Hand. – Jetzt hat sie unverzüglich ohne schuldhaftes Zögern am ersten Werktag nach Bekanntwerden der Vorkommnisse direkt die Bundesagentur eingeschaltet, um die Prüfung vorzunehmen, und Sie schwadronieren irgendetwas von einer hektischen Arbeitsministerin. (Gabriele Lösekrug-Möller [SPD]: Ich habe nicht die Prüfung der Leiharbeitsfirma angesprochen! Was ist mit Amazon? ) Ich bin froh, dass wir diese dynamische Arbeitsministerin haben, die unverzüglich die Prüfung eingeleitet hat, um die Missstände aufzuklären. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Anette Kramme [SPD]: Fleißkarten sammeln!) Auch die liebe Frau Kollegin Krellmann: Sie haben eben in Ihrem Sammelsurium von Forderungen natürlich wieder dargetan, dass in den letzten Jahren ausschließlich im prekären Bereich Arbeitsverhältnisse entstanden sein sollen. Das wird auch durch Wiederholung nicht wahrer. Wir haben dank der christlich-liberalen Koalition eine Arbeitslosenquote von 7,4 Prozent. Vor drei Jahren waren es 8,3 Prozent. Wir haben aber derzeit nicht nur 342 000 Arbeitslose weniger in Deutschland zu verzeichnen, sondern wir haben auch 1,5 Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse mehr. Davon sind nur 350 000 geringfügig Beschäftigte. Auch das gehört zur Wahrheit. (Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Keine Vollzeitbeschäftigungsverhältnisse, die sind gesunken!) – Ich habe gesagt: 350 000 geringfügige Beschäftigte. – Wir haben dreimal so viel Vollzeitbeschäftigte wie geringfügig Beschäftigte. Liebe Frau Kollegin Krellmann, darauf muss noch einmal hingewiesen werden, wenn Sie am Mikrofon abermals eine Legendenbildung betreiben. Meine Damen und Herren, der Internetversandhändler Amazon – es wurde bereits mehrmals darauf hingewiesen – ist der größte Onlinehändler der Welt. Allein in Deutschland hat Amazon im vergangenen Jahr in seinen sieben Logistikzentren 6,5 Milliarden Euro umgesetzt. In diesem Lichte wiegen die in der aktuellen Bericht-erstattung geschilderten Vorwürfe über die Lebens- und Arbeitsbedingungen der eingesetzten Zeitarbeiter in der deutschen Niederlassung von Amazon schwer. Ausländische Zeitarbeiter sollen in überbelegten Ferienwohnungen untergebracht und schlechter bezahlt worden sein als versprochen. Die fälligen Sozialbeiträge für die Beschäftigten sollen nicht korrekt abgeführt worden sein. Des Weiteren sollen sie von Sicherheitsunternehmen auf Schritt und Tritt kontrolliert und schikaniert worden sein. Herr Kollege Vogel hat zu Recht darauf hingewiesen, dass dies ein Verstoß gegen das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung in Art. 13 des Grundgesetzes ist. Wir alle haben die Berichte über die spanisch sprechende Dame gesehen, die gesagt hat: Sie waren bei uns in der Dusche und im Schlafzimmer; wir wurden überall überwacht. – So kann es natürlich nicht gehen. Sollten sich die Vorwürfe im vorliegenden Fall erhärten und hierzulande Leiharbeiter unter Verstoß gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz und unter menschenunwürdigen Bedingungen beschäftigt worden sein, müssen ganz ohne Frage Konsequenzen gezogen werden. Dass es uns um die Menschen geht, zeigen die jetzt durchgeführten Prüfungen. Wir wollen diese Auswüchse und Missbräuche des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, welche – auch darauf muss hingewiesen werden – seinerzeit unter Rot-Grün erleichtert worden sind, unterbinden. Uns geht es um die Menschen. Uns geht es nicht darum, lieber Herr Kollege Roth, nach dem Motto „Schwarz-Gelb muss weg“ eine Regierung wegzubekommen, wie Sie im letzten Satz Ihrer Rede ausgeführt haben. (Michael Roth [Heringen] [SPD]: Das wundert mich jetzt, dass Sie das anders sehen!) Uns geht es vielmehr darum, den Menschen zu helfen. Das ist es, was uns von Ihnen unterscheidet. (Beifall bei der CDU/CSU) Hierzu bedarf es jedoch zunächst einer genauen Untersuchung, um Klarheit über die Arbeitsbedingungen von Saisonkräften bei Amazon zu erhalten. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales lässt derzeit durch die Bundesagentur die Arbeit der betroffenen Zeitarbeitsfirma, die mit der deutschen Niederlassung des Internetversandhändlers Amazon zusammenarbeitet, auf mögliche Verstöße gegen die rechtmäßige Durchführung des AÜG überprüfen. Erste Ergebnisse werden in Kürze erwartet. (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Sind heute heraus!) – Ja, sie sind heute herausgekommen. Mittlerweile wehrt sich das Unternehmen schon gegen die Begründetheit der teilweise festgestellten Vorwürfe. – Gegenstand der Prüfung ist unter anderem, ob die derzeit gültige Lohnuntergrenze von 7,50 Euro bzw. 8,19 Euro pro Stunde vorliegend eingehalten wurde oder ob es beispielsweise für Kost und Logis unzulässige Lohnabzüge gab. Wenn die Opposition hier reflexartig abermals die Forderung nach einem einheitlichen gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn von 7,50 Euro erhebt: (Zuruf von der SPD: 8,50 Euro!) Wir sind schon viel weiter als ihr. Kommen Sie doch zu uns! Wir haben mit der FDP zusammen in der Leiharbeit einen Mindestlohn eingeführt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Wir haben im Übrigen im Sommer mit den Gewerkschaften auch eine Verbesserung beim Equal Pay auf den Weg gebracht. Wir haben erst gestern mit IG-Metall-Chef Berthold Huber ein Gespräch darüber geführt, wie die zeitlich befristete sukzessive Angleichung der Löhne bei Leiharbeitsfirmen in Stammunternehmen wirkt. Er hat gesagt, das funktioniere hervorragend. Die Gewerkschaften, denen wir mehr zutrauen als die Linken oder die SPD, haben einen guten Weg vorgegeben, wie wir Equal Pay sukzessive erreichen können und die Ausbeutung von Leiharbeitern in Stammunternehmen verhindert werden kann. Meine Damen und Herren, sollte sich der Verdacht bestätigen und für Amazon tätige Zeitarbeitsunternehmen gegen das Gesetz verstoßen haben, so stehen ausreichend gesetzliche Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Die betroffenen Zeitarbeitsfirmen, denen ein Missbrauch nachgewiesen werden kann und die beispielsweise nicht nachweisen können, dass der Mindestlohn gezahlt oder die Sozialbeiträge ordnungsgemäß abgeführt worden sind, haben mit erlaubnisrechtlichen Konsequenzen zu rechnen. Auch dabei bin ich unserer Arbeitsministerin sehr dankbar, die deutlich mit dem Entzug der Erlaubnis für die Zeitarbeitsunternehmen gewunken hat und das auch konsequent umsetzen wird. Meine Damen und Herren, wenn Frau Kollegin Lösekrug-Möller eine flächendeckende Überwachung aller Unternehmen fordert, die sich im Bereich der Zeitarbeit betätigen, bin ich ein bisschen skeptisch. Wir kommen wieder sehr schnell in einen sehr reglementierten Überwachungsstaat. Wir sind froh und dankbar, dass bei Anhaltspunkten die Kontrolle funktioniert hat. Wir werden uns allerdings Gedanken darüber machen müssen, warum sich im Fall von Amazon beispielsweise die aus Spanien, aus Polen kommenden – Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege. Paul Lehrieder (CDU/CSU): – sofort, Frau Kollegin – (Heiterkeit) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht eher getraut haben, diese Vorgänge publik zu machen, warum hier überhaupt erst ein Fernsehteam darauf hinweisen musste. Wir werden uns weiter Gedanken darüber machen müssen, wie wir es erreichen können, dass sich mit unseren Sozialgesetzen vielleicht noch nicht so bewanderte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Missständen entsprechend an uns wenden können. Frau Präsidentin, ich bedanke mich sehr herzlich für Ihr freundliches Räuspern hinter mir und für die Geduld mit mir. Sie können davon ausgehen, dass wir als christlich-liberale Koalition das Problem einem ordnungsgemäßen, vernünftigen Ende zuführen werden. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Dann beeilt euch mal! – Michael Roth [Heringen] [SPD]: Viel Zeit habt ihr nicht mehr!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Damit ist die Aktuelle Stunde beendet. Ich rufe auf die Zusatzpunkte 2 a und b: a) Beratung des Antrags der Bundesregierung Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Beteiligung an der EU-geführten militärischen Ausbildungsmission EUTM Mali auf Grundlage des Ersuchens der Regierung von Mali sowie der Beschlüsse 2013/34/GASP des Rates der Europäischen Union (EU) vom 17. Januar 2013 und vom 18. Februar 2013 in Verbindung mit den Resolutionen 2071 (2012) und 2085 (2012) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen – Drucksache 17/12367 – Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss (f) Rechtsausschuss Verteidigungsausschuss Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO b) Beratung des Antrags der Bundesregierung Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Unterstützung der Internationalen Unterstützungsmission in Mali unter afrikanischer Führung (AFISMA) auf Grundlage der Resolution 2085 (2012) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen – Drucksache 17/12368 – Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss (f) Rechtsausschuss Verteidigungsausschuss Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO Hierzu ist verabredet, eine Stunde lang zu debattie-ren. – Dazu sehe und höre ich keinen Widerspruch. Dann haben wir das so beschlossen. Als Erstem gebe ich das Wort dem Bundesminister der Verteidigung, Dr. Thomas de Maizière. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister der Verteidigung: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute das weitere Vorgehen in Mali, und das – wenn ich mir den Hinweis erlauben darf – auch zu einer guten Tageszeit. Zunächst: Es war richtig und wichtig, dass Frankreich zügig gegen den Vormarsch der islamistischen Kämpfer in den Süden Malis vorgegangen ist. Für die schnelle Entschlusskraft Frankreichs habe ich persönlich großen Respekt. Frankreich hat zwei Soldaten verloren, erst gestern den zweiten. Unser Beileid gilt den Angehörigen und Frankreich. Es war auch richtig, dass wir, wir Deutschen, schnell auf der Ebene unterhalb der Einsatzschwelle mit Transportkapazität denjenigen geholfen haben, die überhaupt keine Transportkapazität hatten, nämlich den afrikanischen Staaten. Aber auf dem Weg zur nachhaltigen Beilegung des Konflikts in Mali war die militärische Intervention erst der Beginn eines Weges, eines militärischen, eines politischen, eines ökonomischen, vielleicht auch eines religiösen Weges. Mein Kollege Westerwelle wird zu den politischen Aspekten natürlich gleich noch vortragen. Mali selbst muss seinen Bürgerinnen und Bürgern Frieden und Stabilität gewährleisten können. Aber bis malische Streitkräfte und Sicherheitskräfte diese Stabilisierungsaufgabe allein erfüllen können, brauchen sie Ausbildung und Hilfe. Mit der europäischen Ausbildungsmission wollen wir unsere afrikanischen Partner so stärken, dass es künftig nicht mehr zu einem Machtvakuum kommen kann und sie selbst in der Lage sind, solche Krisen möglichst eigenständig zu meistern. Dabei gilt es, den malischen Streitkräften – ehrlich gesagt – ziemlich grundlegende Fähigkeiten zu vermitteln und zunächst einmal vier malische Gefechtsverbände auszubilden und ihnen das beizubringen, was rechtsstaatlich geführte Streitkräfte können müssen. Die europäische Ausbildungsmission wird ihre Arbeit zunächst in Bamako und am Ausbildungsort Koulikoro aufnehmen. Neben insbesondere der Pionierausbildung stellen wir die sanitätsdienstliche Versorgung sicher und unterstützen auch im Bereich der Sanitätsausbildung. Es werden auch einige Offiziere im Hauptquartier sein. Es kommt ein Unterstützungselement hinzu, dessen Größenordnung wir noch nicht genau kennen, weil es erst nach Abschluss der näheren Erkundungen festgelegt werden kann. Insgesamt bitten wir um die Zustimmung zu einer Höchstgrenze von bis zu 180 deutschen Soldatinnen und Soldaten bei EUTM. Die Dauer des Einsatzes wird zunächst auf ein Jahr befristet sein. Ich sage ausdrücklich „zunächst“, denn die Erfahrung zeigt, der Aufbau von nachhaltig friedenserhaltenden Strukturen, gerade auch der Aufbau von Sicherheitsstrukturen ist hochkomplex und dauert meist länger, als man sich das vorher in seinen Planungen überlegt und zurechtgelegt hat. Wir brauchen wohl Geduld und Ausdauer. Meine Damen und Herren, der Sicherheitsrat hat mit der Resolution 2085 die internationale Unterstützungsmission in Mali unter afrikanischer Führung, AFISMA, mandatiert. Die Mitgliedstaaten wurden aufgefordert, das zu unterstützen. Ziel von AFISMA ist es, die malische Übergangsregierung bei der Wiederherstellung ihrer Autorität sowie beim Schutz der Bevölkerung zu unterstützen. Wir wollen mit dem zweiten Mandat, das wir Ihnen heute vorlegen, die deutschen Unterstützungsleistungen zusammenfassen. Alle deutschen Unterstützungsleistungen für AFISMA und damit auch für Frankreich erfolgen auf der Grundlage der Resolution 2085 des Sicherheitsrates. Bestehende Einsatzbeschränkungen werden aufgehoben. Die Bundeswehr leistet logistische Unterstützung durch Lufttransport und Luftbetankung. Die bisher unterhalb der Einsatzschwelle eingesetzten Lufttransportfähigkeiten werden in das Mandat einbezogen. Transportunterstützung erfolgt durch die ECOWAS- und Anrainerstaaten nach Mali und innerhalb Malis. Die Personalobergrenze für diese Mission liegt bei 150 Soldatinnen und Soldaten. Damit kommen wir auch der Bitte Frankreichs nach, Luftbetankung für französische Flugzeuge bereitzustellen, die AFISMA unterstützen. So können die französischen Flugzeuge bei ihren Unterstützungsflügen für AFISMA in der Luft betankt werden. Die Zertifizierung ist seit einigen Tagen abgeschlossen. Die Entscheidung der Bundesregierung, um deren Zustimmung wir Sie in den Beratungen auch in der nächsten Woche bitten, ist gut überlegt. Sie ist eindeutig. Sie ist international abgestimmt, und sie ist verantwortbar. Ich füge hinzu: Wenn wir Soldaten in einen Einsatz schicken, dann ist das eine ernste Angelegenheit. EUTM ist ein Ausbildungseinsatz. AFISMA ist ein logistischer Unterstützungseinsatz, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Jeder Einsatz kann für unsere Soldaten vor Ort gefährlich werden. Asymmetrischen Bedrohungen müssen wir begegnen und uns gegen sie wappnen. Ich will darüber keinerlei Illusionen verbreiten. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Minister, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ströbele? Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister der Verteidigung: Ich erlaube Ihnen gerne, Herr Ströbele, eine Zwischenfrage zu stellen. Das vermeidet eine Kurzintervention. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Ströbele, bitte schön. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Herr Minister, dass Sie Ihren Redefluss etwas unterbrochen haben. – Sie sagen, dieser Einsatz ist gut überlegt. Nun hat Deutschland bis vor ungefähr einem Jahr dieselbe Armee in Mali ausgebildet. Diese Ausbildung wurde dann beendet, weil diese Armee die Regierung weggeputscht hat. Nun sagen Sie ein Jahr später, dass wir diese Armee, die geputscht hat und die wir nicht mehr ausbilden wollten, weil sie geputscht hat, unterstützen wollen, obwohl damals nicht nur die Ausbildung zurückgeführt wurde, sondern auch die sonstige Unterstützung der Regierung in Mali beendet bzw. reduziert wurde. Können Sie mir erklären, warum eine Armee, deren Angehörige zwischenzeitlich zu Tausenden zu den Islamisten übergelaufen sind und sich noch vor ein paar Tagen in einem Armeestützpunkt nahe Bamako gegenseitig beschossen haben, ausgebildet und ihr beigebracht werden soll, was rechtsstaatlich geführte Streitkräfte – so habe ich mir Ihre Aussage notiert – leisten können? Warum ist dieser Armee nicht zuvor beigebracht worden, was rechtsstaatlich geführte Streitkräfte leisten können? Wieso gehen Sie nun davon aus, dass diese Truppe durch die Ausbildung der Bundeswehr besser wird? Das will mir nicht in den Kopf. Verlassen Sie sich allein darauf, dass die dortigen Streitkräfte sagen: „Wir wollen jetzt immer lieb sein“? Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister der Verteidigung: Nein, Herr Abgeordneter Ströbele, Sie haben die Erklärung eigentlich selbst gegeben: Die malischen Streitkräfte sind in keinem guten Zustand. Wir waren mit vier, fünf, sechs Soldaten dabei und haben Pioniere ausgebildet. Ehrlich bzw. etwas arrogant gesagt: Die, die wir ausgebildet haben – wir haben zu ihnen noch ein bisschen Kontakt –, gehören sicherlich zu den Besseren der malischen Streitkräfte, (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche sind die Besseren? – Gegenruf des Abg. Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Die von uns ausgebildet worden sind! – Weiterer Gegenruf des Abg. Florian Hahn [CDU/CSU]: Hören Sie einmal zu!) aber es waren eben nur wenige. Herr Ströbele, ob es überhaupt die Armee ist, die ausgebildet wird, oder ob es malische Staatsbürger sind, die wir erst zu Soldaten machen und zu einer Streitkraft zusammenführen, das wird man vor Ort sehen. Der Zustand ist so, dass dieses Land endlich demokratisch und rechtsstaatlich geführte Streitkräfte braucht. Solche hat es bisher nicht, und diese kann das Land nicht aus eigener Kraft schaffen – aus den Gründen, die Sie geschildert haben: Die Soldaten haben sich untereinander beschossen. Der Hauptmann Sanogo weiß nicht, wem seine Loyalität gehört. Die Regierung ist zu schwach, um die Streitkräfte zu führen. Deswegen ist es richtig, dass die Europäische Union mit rund 200 Ausbildern konsequent, konsolidiert und rechtsstaatlich die malischen Streitkräfte nun einer Entwicklung zuführt, die das verhindert, was zu dem geführt hat, was es jetzt gibt. Das ist genau der Auftrag. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Meine Damen und Herren, zu einer offenen und ehrlichen Debatte um Mali gehört auch die Erkenntnis, dass wir dort – ich sagte es zu Beginn – sicher erst am Anfang eines langen Weges stehen. Streitkräfte können und müssen jetzt einen unverzichtbaren Beitrag leisten, aber es bleibt nur ein Beitrag. Und ich ergänze: Auf die längerfristige Entwicklung in Mali werden wir Europäer wohl eher nur einen begrenzten Einfluss haben. Den Einfluss, den wir haben, sollten wir aber nutzen, um die Menschen in Mali nach besten Kräften beim Wiederaufbau ihres eigenen Staates zu unterstützen. Unsere Soldaten brauchen unsere Unterstützung. Unsere guten Wünsche begleiten sie auf ihrem Weg. Ich bitte Sie alle um breite Zustimmung zu den beiden Mandaten – so wie es sich ja abzeichnet – auf dem Weg zu einem besseren Mali. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Rainer Arnold hat das Wort für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Rainer Arnold (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es ist in der Tat ein gemeinsames europäisches Interesse, dass im nördlichen Afrika die Stabilität nicht weiter zerbricht. Staatszerfall mit Rückzugsräumen für internationale Terroristen, für Gotteskrieger, die dort Ausbildung betreiben, betrifft uns im Augenblick mittelbar – mit Flüchtlingsströmen, mit schwerster Kriminalität, mit Entführungen in dieser Region –, würde uns aber sehr bald auch sehr direkt betreffen, weil die Agenda der sogenannten Gotteskrieger im Sahel eine globale ist. Sie bekämpfen unsere offenen demokratischen Gesellschaften, unsere Art, zu leben. Dies ist kein Problem für Frankreich alleine; es ist in der Tat ein gemeinsames europäisches Problem. Richtig ist aber schon: Die französischen Partner haben aufgrund ihrer Geschichte, ihrer manchmal auch besonderen Interessenlage in dieser Region besondere Verantwortung. Sie haben aber auch besondere Expertise und Erfahrung sowie besondere militärische Fähigkeiten. Deshalb war es richtig und gut – das muss man hier ausdrücklich sagen –, dass die französischen Partner entschlossen reagiert und eben nicht zugewartet haben, bis das ganze Land Mali in die Hände derer fällt, die mit ihren Waffen die Menschen am brutalsten unterdrücken. Richtig ist auch: Würde Europa, würde Deutschland Frankreich allzu sehr alleinlassen, würde damit auch eine wichtige Idee, nämlich die Idee einer vertieften europäischen Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, die dringend notwendig ist, massiv beschädigt. (Zurufe von der LINKEN sowie des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) An dieser Stelle, wo es um die Entwicklung hin zu einer vertieften europäischen Sicherheitspolitik geht, würde ich mir durchaus ein bisschen größere Ambitionen der Bundesregierung wünschen. Ich sage: Für uns Sozialdemokraten ist dieses Argument auch ein Argument dafür, dass wir am Ende diese Mandate mit möglichst breiter Mehrheit verabschieden. (Beifall bei der SPD) Wir wollen bei der Debatte nicht nur zurückschauen. Ich habe auch nicht diesen Oppositionsreflex, dass man immer dagegen sein muss, wenn die Regierung etwas vorschlägt. In der Sicherheitspolitik sehen wir eine gemeinsame Verantwortung. Aber wir müssen schon an -etwas erinnern, vor allen Dingen den Herrn Außen-minister: Der Start dieser Debatte war bei der Bundesregierung äußerst – äußerst! – holprig. Was Sie ursprünglich mit den beiden Fliegern geplant hatten, war in keiner Weise ausreichend. Wir haben Ihnen vorausgesagt, dass die zwei Transall nicht reichen werden, weil es den deutschen Interessen und der deutschen Verantwortung nicht gerecht wird. Die Bundesrepublik hat bei den Vereinten Nationen beiden Resolutionen zugestimmt, und nun muss man auch konsequent sein. (Florian Hahn [CDU/CSU]: Die SPD war doch gar nicht dabei!) Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass Deutschland Frankreich ein bisschen unterstützt, aber es im Grunde genommen den Franzosen überlässt, ambitioniert dafür sorgen, dass es am Ende gelingt und erfolgreich wird. Ich wünsche mir schon, dass sichtbar wird: Wir haben ein gemeinsames Interesse, eine gemeinsame Aufgabe, dass Mali wieder zurück auf den stabilen Weg geführt wird, auf dem das Land übrigens in den letzten 15 Jahren vor dem Hintergrund der Fragilität in dieser Region durchaus war. Der Minister der Verteidigung hat dieses Mandat heute vorgestellt; dazu brauche ich gar nicht mehr viel zu sagen. Ich bin durchaus der Auffassung, dass der Umfang und auch die Definition des Auftrages, dass die Ausweitung, auch Sanitätssoldaten dorthin zu schicken, richtig sind und dass es auch notwendig ist, die bisherigen Kapazitäten im Lufttransport endlich in ein korrektes Mandat, das vom Deutschen Bundestag abgesegnet wird, zu bringen. Das haben wir Ihnen zu Beginn auch gesagt. Wenn Sie es jetzt nachgelagert heilen, ist dies sicherlich richtig. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ja, wir brauchen dann nicht zu klagen!) Für die Debatte um Mali gilt für uns alle aber auch, ganz bewusst die Lehren aus Afghanistan zu ziehen. Die erste ist, nicht zuzuwarten, bis ein Land in die Hände von fundamentalistischen Islamisten fällt, die uns dann bedrohen, indem sie Rückzugsräume für Terroristen zur Verfügung stellen. Die zweite Lehre ist, nicht zu glauben, dass man einfach von außen mit 130 000 Soldaten kommen und ein Land stabilisieren kann. Es ist ganz klar: Es war in Afghanistan und es ist jetzt von vornherein in Mali der richtige Weg, örtliche Sicherheitskräfte zu qualifizieren und sie, wo es sein muss, auch auszustatten sowie regionale Sicherheitsarchitekturen in jeder Hinsicht zu stärken. Die dritte Lehre ist: Wir haben in Afghanistan deutlich gemerkt, dass Militär zwar Zeitfenster offenhalten kann, damit andere Akteure – Diplomaten, Zivilgesellschaft, Teilhaber an wirtschaftlichen Beziehungen – die Prozesse voranbringen können; aber Militär kann letztlich die Probleme nicht lösen. Deshalb sind die politischen Prozesse vom ersten Tag an entscheidend. Der deutsche Außenminister hat zu Beginn der Mali-Debatte im Grunde genommen dreimal am Tag gesagt: Es bedarf politischer Prozesse. – Das ist nicht falsch. Sie haben ja nachher Gelegenheit zu reden, Herr Minister. Wir wünschten uns schon, dass Sie dann auch einmal ein bisschen liefern und erklären, was die Deutschen tun, um diese politischen Prozesse in Mali voranzubringen. Was ist mit der Roadmap, die beschlossen worden ist? Ist es richtig, bereits im Juni Wahlen abzuhalten, oder muss man sich nicht die Zeit nehmen, damit die Registrierung zur Wahl möglich wird und die Seriosität und die demokratischen Prinzipien der Wahl von den Menschen eingesehen und akzeptiert werden können? Wie gehen wir mit der komplizierten Situation um, dass die MNLA, die Tuareg-Aufständischen jetzt wieder in die Prozesse eingebunden werden, wir aber doch gleichzeitig hören, dass sie im Land in der Breite eben keine Akzeptanz in der Gesellschaft haben? Ich weiß, es gibt keine einfachen Antworten. Aber dazu müssten Sie sich schon einmal äußern. Wir würden auch gern einmal hören, was die deutsche Entwicklungszusammenarbeit tut bzw. wie sie sich verstärkt engagiert, um den Malis und den Nachbarstaaten zu helfen, mit den unglaublichen Flüchtlingsströmen umzugehen. Natürlich erwarten wir auch, dass Sie sich zu der UN-Mission – es wäre ja richtig, wenn sie im März beschlossen würde – entsprechend äußern. Viele haben gesagt – die Linken tun es auch heute wieder –: Verhandeln ist das Maß der Dinge. – Natürlich ist Verhandeln immer besser, als Militär einzusetzen. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ja!) – Das ist eine Binsenweisheit, Herr Kollege. – Aber ich frage mich schon: Wann merken die Linken – vielleicht irgendwann doch –, dass Verhandeln zwar besser ist, dass man aber Partner auf der anderen Seite braucht, mit denen man noch verhandeln kann, die überhaupt noch die Freiheit haben, zu verhandeln? Hätte Frankreich, wie Sie forderten, in Mali zugeschaut und nicht verhindert, dass das ganze Land unter die Fittiche von fundamentalistischen Gotteskriegern gerät, dann hätten Sie auch niemanden zum Verhandeln gehabt. (Zuruf von der LINKEN) Es ist doch klar: Mit manchen Tuareg-Gruppen und über deren durchaus akzeptable Interessen kann und muss man in Mali reden. Aber glauben Sie wirklich, dass Sie mit islamistischen Fundamentalisten, die nichts anderes vorhaben, als die Region zu destabilisieren und unsere Art zu leben zu bekämpfen, (Zuruf von der LINKEN: Aber auch in Syrien!) über irgendetwas verhandeln können? Will Gregor Gysi jetzt auch einmal nach Mali fahren, um diese Probleme zu lösen? (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP) Nein, ich wünsche mir, dass die Linken der Wirklichkeit ein bisschen mehr ins Auge schauen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege! Rainer Arnold (SPD): Wir in den anderen Fraktionen sehen die gemeinsame Verantwortung. Meine Fraktion wird nächste Woche darüber beraten. Ich bin sehr zuversichtlich, dass es am Ende eine breite Akzeptanz für die Wahrnehmung dieser Aufgabe geben wird. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege! Rainer Arnold (SPD): Ich komme zum Ende. – Ich bin auch sehr zuversichtlich, dass wir die Bundesregierung kritisch, aber kon-struktiv ermuntern, den politischen Prozess in Mali aktiver zu gestalten. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Bundesminister Dr. Guido Westerwelle hat das Wort. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen: Frau Präsidentin! Herr Kollege Arnold, zunächst eine Bemerkung vorab: Dass Sie angekündigt haben, dass Sie die Mandate, die die Bundesregierung in Person des Verteidigungsministers eben hier eingebracht hat, mutmaßlich unterstützen werden, begrüße ich natürlich. Ich verstehe auch, dass Sie das eine oder andere Wort nach innen an Ihre eigene Partei richten müssen und Fragen aufwerfen, die keine deutsche Bundesregierung beantworten kann. Wären wir als Bundesregierung in der Lage, Ihnen ein Patentrezept mit entsprechenden Fahrplänen vorzulegen, (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wenigstens ein Rezept!) wie die Stabilität und der Frieden in der gesamten Sahelregion wiederhergestellt werden könnten, würden wir keinen Augenblick zögern. Wir wollen auch nicht so tun, als sei dies eine Angelegenheit, die allein von Europa aus beeinflusst oder gestaltet werden könnte. Letzten Endes geht es auch bei diesem Mandat darum, dass wir Europäer erkennen müssen, dass das hier, wie es auch die Vereinten Nationen beschlossen haben, zuallererst in afrikanischer Verantwortung liegt. Wir sind betroffen; aber es ist in afrikanischer Verantwortung. Deswegen trainieren und bilden wir die Afrikaner so aus, dass sie ihren eigenen Beitrag zur Stabilisierung im Norden Malis wahrnehmen können. Aber wir können nicht alles leisten, und wir dürfen gegenüber unseren Bürgerinnen und Bürgern auch nicht die Illusion erwecken, als sei der Deutsche Bundestag in der Lage, allein die Mali-Krise zu lösen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Das sind wir nicht. Wir leisten einen Beitrag, und alles andere ist für das eigene heimische Parteipublikum, aber dieser Debatte nicht angemessen. Drei Ursachen haben uns in diese Lage gebracht. Wenn ich „uns“ sage, dann unterstütze ich ausdrücklich auch das, was Sie, Herr Kollege Arnold, und auch der Verteidigungsminister Thomas de Maizière gesagt haben. Erstens. Wir als Europäer sind betroffen, weil der Norden Malis eine Staatsgrenze vom Mittelmeer entfernt ist. Wir können nicht zusehen, wie im Norden Malis ein sicherer Hafen für den Terrorismus gebaut wird, der dann wiederum auch für uns eine Bedrohung in unserem eigenen Land in Mitteleuropa bedeutete. Dies ist der eigentliche Grund für das Mandat, und das müssen wir auch unseren Bürgerinnen und Bürgern sagen. Wir helfen also nicht nur altruistisch Menschen vor Ort – das tun wir auch –, sondern in einer zusammenwachsenden Welt geht es auch darum – vor allen Dingen das müssen wir unseren eigenen Bürgerinnen und Bürgern sagen –, unsere Freiheit, unsere offene Gesellschaft und die Art, wie wir in Europa leben, zu verteidigen. (Zuruf von der LINKEN: Am Hindukusch!) Dies beschreibt die Aufgabe, die jetzt im Norden Malis wahrgenommen wird. Die Schwierigkeiten sind kurzfristig durch den Putsch im März letzten Jahres entstanden. Dies hat dazu geführt, dass eine massive Auseinandersetzung stattgefunden hat, in der die ohnehin sehr schwachen staatsorganisatorischen Kräfte noch einmal geschwächt worden sind. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt unterstützen wir wen?) Es hat – darauf haben Sie, Herr Kollege Ströbele, auch keine Antwort – innerhalb der malischen Armee also erhebliche Kämpfe und Auseinandersetzungen gegeben. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wen bilden wir jetzt aus? Welche Seite?) – Ich komme darauf. – Dies einfach zu sagen und dann nichts zu tun, ist die falsche Schlussfolgerung. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht besser!) – Herr Kollege Ströbele, wirklich! Nur weil man einen Panorama-Bericht gesehen hat, hat man sich mit diesem Thema noch nicht richtig befasst. Das muss ich Ihnen wirklich einmal sagen. Das, was Sie hier einbringen, ist sehr oberflächlich. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Zweitens. Das, was in Libyen stattgefunden hat, hat enormes Potenzial an Kraft und Gewalt und leider auch an Waffen und an Geld in Umlauf gesetzt. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo kamen die Waffen her?) Dies hat zusammen mit dem Putsch, der im März stattfand, den Konflikt natürlich noch einmal zugespitzt. Jetzt kommen wir zu dem, worüber ich hier eigentlich sprechen möchte, nachdem der Verteidigungsminister das Mandat, wie ich finde, richtigerweise umfassend begründet und eingebracht hat: Die eigentliche Ursache, die Hauptursache, auf die wir uns im politischen Prozess konzentrieren müssen, liegt darin, dass die Benachteiligung des Nordens als eine gesamtstaatliche Aufgabe angegangen werden muss. Das heißt, die Situation Malis nördlich des Nigerbogens zeigt nicht erst neuerdings, sondern mindestens seit dem Tuareg-Aufstand in den 90er-Jahren, dass die Bevölkerung dort berechtigterweise das Gefühl hat, dass sie -unterprivilegiert ist, dass sie vom Kernland Mali nicht ausreichend berücksichtigt wird und dass sie an der besseren wirtschaftlichen Entwicklung im Kernland Malis nicht teilhat. Das hängt auch sehr stark mit den Grenzen, die gezogen worden sind, zusammen. Wir wissen natürlich alle, was dies mit der europäischen Geschichte zu tun hat. Das wollen wir nicht verschweigen. Die Menschen, die dort leben, haben nicht die soziale und die wirtschaftliche Teilhabe. Ich war dort und habe Gespräche geführt. Ich habe auch mit den Repräsentanten der Tuareg gesprochen. Sie sagten: Verwechseln Sie nicht diejenigen, die jetzt kämpfen, mit uns und unseren berechtigten Interessen. Wir haben mit diesen Terroristen nichts zu tun. Es sind in weiten Teilen Terroristen aus dem Ausland, die in das Land hineingebracht worden sind (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) und die uns jetzt quälen und unterdrücken. – Das ist die eigentliche Ursache. Darauf konzentriert sich auch der politische Prozess. Herr Kollege Arnold, natürlich ist die Frage bezüglich der Roadmap, die Sie aufwerfen, berechtigt. Die Roadmap ist übrigens mit europäischer und deutscher Unterstützung verabschiedet worden. Wir haben über die Roadmap gesprochen. Wir haben mit den Betroffenen verhandelt. Diese Roadmap sieht vor, dass man zur verfassungsmäßigen Ordnung zurückkehrt. Das beantwortet übrigens auch Ihre Frage, Herr Kollege Ströbele. Nur die Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung wird auch staatliche Ordnungskraft wiederherstellen und dafür sorgen, dass ein Primat der Politik in der Lage sein wird, zum Beispiel Streitkräfte einzusetzen und nach innen wie nach außen zu kontrollieren. So ist es. Es ist richtig, die Frage zu stellen: Sind Wahlen im Sommer möglich? Nach den Gesprächen, die ich mit François Hollande und vor allem mit dem Außenminister Laurent Fabius am Montag geführt habe, ist mein Eindruck, dass die Franzosen und die afrikanischen Partner die Herausforderung, ob ein solcher Wahlprozess zum avisierten Zeitpunkt möglich ist, sehr genau sehen. Was ist aber die Alternative? Die Wahlen abzusagen und in eine Jahreszeit zu verschieben, in der man über -Monate nicht mehr wählen kann? Das funktioniert nicht. Deswegen wäre es falsch, wenn wir die Roadmap, die gerade in Mali beschlossen worden ist, von Europa aus infrage stellen würden, weil wir Zweifel haben. Das Wichtigste ist, dass der politische Prozess in Gang gekommen ist. Dazu zählt die Roadmap. Die Bundesregierung unterstützt diesen politischen Prozess und auch diese Roadmap und stellt sie nicht infrage. Es ist nämlich wirklich der Hoffnungsschimmer in einer ohnehin sehr schweren Lage, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Wir werden natürlich bei der Umsetzung der Roadmap helfen. Das haben wir angeboten. Das ist nichts Neues. Das haben auch die Regierungen vor uns getan. In den 90er-Jahren hat Deutschland eine wichtige Rolle gespielt, zum Beispiel beim politischen Vermittlungsprozess. Diese werden wir wieder einnehmen. Die europäische Entwicklungszusammenarbeit hat den Kontakt mit Mali wieder aufgenommen. Das heißt, dort, wo die Roadmap sichtbar ist, also der politische Prozess begonnen hat, den wir bei früheren Debatten im Deutschen Bundestag zu diesem Thema verlangt haben, sind wir umgekehrt bereit, die Entwicklungszusammenarbeit wieder aufzunehmen und zu forcieren. Das ist auch für die Menschen wichtig, weil im Norden oftmals schon wenig eine ganze Menge ist, um soziale, politische und wirtschaftliche Partizipation voranzubringen. Auf die beiden Mandate muss ich nicht mehr eingehen, weil sie umfassend begründet worden sind. Im -Zusammenhang mit dem politischen Prozess muss man sich schon mit etwas Hintergrund und Tiefgang mit diesen Themen befassen. Ich möchte Ihnen nur mitteilen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, dass derzeit in New York bei den Vereinten Nationen diskutiert und erörtert wird, ob das zweite Mandat, also nicht das europäische Ausbildungsmandat, das von europäischer Ebene auf 15 Monate angelegt worden ist – wir legen es auf 12 Monate an, weil das die Regelung zwischen Bundestag und Bundesregierung ist –, sondern das unmittelbare logistische Unterstützungsmandat – so nenne ich es einmal –, in eine Blauhelmmission überführt werden kann. Ich kündige das hier nicht an – das habe ich den Obleuten in unserem Gespräch am Dienstag auch gesagt –, will Sie aber nicht im Unklaren darüber lassen. Herr Gehrcke, Sie wissen das: Ich habe da nie etwas im Unklaren gelassen. Wir beraten derzeit darüber, ob es ein solches Blauhelmmandat der Vereinten Nationen geben wird. Das wäre aber frühestens ab Mai möglich, und bis dahin können wir weder die Afrikaner noch die Franzosen im Stich lassen. Deswegen ist es richtig, dass wir so handeln, wie vorgesehen, und die Afrikaner befähigen. Ich glaube, es ist auch für die Franzosen die beste Form der Unterstützung, jetzt die Afrikaner zu befähigen, ihrer eigenen Verantwortung in Mali nachzukommen. Das tun wir im Rahmen eines sehr gut überlegten politischen Prozesses. Hier stellen sich viele Fragen, die weder die deutsche Regierung noch, wie ich glaube, irgendeine Regierung der Welt derzeit beantworten kann. Dennoch ist es richtig, dass wir so handeln. Es versteht sich von selbst, dass wir jederzeit bereit sind, mit dem Bundestag zu reden – vielleicht auch über ein neues Mandat –, wenn sich Dinge, zum Beispiel in New York, verändern. Sie sehen: Es handelt sich eben nicht um eine Politik, die sich ausschließlich auf das Mandat konzentriert. Vielmehr ist und bleibt der politische Prozess im Vordergrund unserer Bemühungen. Er birgt die einzige Möglichkeit, langfristig für einen Ausgleich und für eine Stabilisierung in Mali zu sorgen. Damit wir uns hier nicht missverstehen, sage ich Ihnen nur eines: Es verhält sich genau so, wie es der Bundesverteidigungsminister gesagt hat. Das Mandat ist ernst. Auch die Lage in Mali ist ernst. Ich fürchte, wir werden in den nächsten Monaten und Jahren über islamistischen Terror und über den Aufbau neuer Terrorzellen, und zwar an Stellen, die wir heute gar nicht auf dem Radarschirm haben, reden müssen. Dennoch ist es richtig und auch geboten, dass wir jetzt so handeln, damit wir unseren Beitrag dazu leisten, dass vor unserer Haustür keine Bedrohung für uns, unsere eigene Sicherheit und unsere offene Gesellschaft entsteht. Diese Menschen werden nicht von uns angegriffen, sondern sie wollen unsere offene Art zu leben bekämpfen. Da müssen wir eine wehrhafte Demokratie sein, nach innen wie nach außen. Danke schön. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Wolfgang Gehrcke hat das Wort für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann vieles von dem teilen, was hier von der Analyse her gesagt worden ist – darauf werde ich zurückkom-men –, aber komme zu anderen Schlussfolgerungen. Die Linke wird den beiden Anträgen, die bedeuten, dass bis zu 330 Bundeswehrsoldaten – das ist die Obergrenze – in den Einsatz in Mali geschickt werden, nicht zustimmen; wir werden sie ablehnen. Für uns bleibt es dabei: Es werden in der Politik falsche Schwerpunkte gesetzt. Dazu möchte ich ein bisschen argumentieren. Erstens. Der Außenminister war hier gefordert, zur Politik zu reden. Es ist eine interessante Arbeitsteilung, Herr Westerwelle, die Sie hier akzeptieren: Der Verteidigungsminister ist für das Militär zuständig; dazu äußern Sie sich nicht. Und während der Verteidigungsminister wenig zur Politik sagt, äußern Sie sich dazu. Ich hätte mehr erwartet. Meine Fraktion möchte, dass die Bundesregierung andere Schwerpunkte setzt. Ich möchte, dass die Bundesregierung hier deutlicher macht, welche diplomatischen Initiativen tatsächlich unternommen werden. Ich möchte, dass es mehr gibt als nur eine Reise des Außenministers. Dazu, wie es zu einer Aussöhnung und zu -einer Verbesserung der Situation in Mali kommen soll, haben Sie überhaupt nichts gesagt. (Beifall bei der LINKEN) Wer sich etwas mit der Situation in Mali beschäftigt hat und mehr als eine Panorama-Sendung gesehen hat – Sie haben sie offensichtlich auch gesehen –, konnte seit langem mitbekommen, dass sich in Mali etwas zusammenbraut; und es gab keine politische Reaktion darauf. Ich stelle mir angesichts dessen selbst die Frage und möchte sie auch Ihnen stellen: Brauchen wir nicht eine ganz andere Friedens- und Konfliktforschung, um solch einer Entwicklung längerfristig vorzubeugen oder sie zu bekämpfen? Ist das nicht eine Frage, die hier erörtert werden muss? Brauchen wir nicht eine andere Entwicklungsarbeit, die zu einer gerechteren Verteilung des Reichtums auch in solchen Ländern beitragen kann? Das muss zumindest thematisiert werden. (Beifall bei der LINKEN) Auch nachdem ich hier die Reden der beiden Minister gehört habe, habe ich den Eindruck, dass leider auch für die Bundesregierung gilt: Soldaten vor Diplomaten. Für uns gilt umgekehrt: Diplomaten vor Soldaten. Das erachten wir für politisch notwendig. (Beifall bei der LINKEN) Meine zweite Überlegung. Ich möchte ja, dass in Mali geholfen wird. Ich habe von der Bundesregierung erwartet, dass sie etwas mehr zu dem sagt, was sie den Vereinten Nationen vorschlägt. Ich will nur einige Fakten nennen: Mali leidet darunter, dass es wie die ganze Sahara-Region über einen großen Reichtum an Ressourcen, über Naturreichtümer verfügt. Da wird der Reichtum – Uran, Gold, Phosphate, Bauxit – zum Fluch. Man muss sich dann vor Augen führen, dass in Mali 500 000 Hektar Land an internationale Konzerne zum Anbau von Erdnüssen und nachwachsenden Rohstoffen verkauft worden sind. Der Verkauf weiterer 400 000 Hektar steht jetzt an. Auch diese ökonomischen Probleme führen dazu, dass es zu solchen politischen Auseinandersetzungen kommt. Die alte Kolonialmacht Frankreich – das sage ich ganz offen – ist für diese Zustände mitverantwortlich. Sie ist daher nicht geeignet, diese zu beheben. (Beifall bei der LINKEN) In dieser Situation müssen die Vereinten Nationen eine Rolle einnehmen; und das muss auch von der Bundesregierung gefordert werden. Drittens gibt es natürlich auch eine innenpolitische Auseinandersetzung; das verhehle ich überhaupt nicht. Ich bin dagegen, dass immer mehr Soldaten in Auslandseinsätze geschickt werden. Herr Westerwelle, ich stehe wieder vor dem Problem, dass ich Sie verteidigen muss. Das tut mir furchtbar leid, das wird auch Ihnen unangenehm sein. Ich habe im Spiegel gelesen, dass der Parteivorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, im Gespräch mit einem US-Vertreter bei der Münchner Sicherheitskonferenz gesagt hat: „Der pazifistische Westerwelle“, der sich bei internationalen Konflikten gern heraushalte … Das hat Cem Özdemir gesagt, das ist nicht dementiert worden. Wenn Sie Pazifist wären, dann würde ich gerne sagen: Willkommen im Klub! (Beifall bei der LINKEN – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Da könnten wir uns gut treffen. (Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Aber Herr Gehrcke, Sie sind doch kein Pazifist! Seit wann sind Sie denn Pazifist?) Aber ich glaube es ja nicht. Ich fand es nur ganz interessant, dass Özdemir dazu gesagt hat: Ein grüner Außenminister hätte sich bei der militärischen Hilfe nicht so bescheiden gegeben. Ich glaube, es gibt hier eine gewisse Umkehrung. Es war richtig, dass sich die Bundesregierung in der -Libyen-Frage enthalten hat. Das werde ich immer wieder verteidigen, auch wenn ich gerne ein Nein gehört hätte. Ich möchte nicht, dass die Situation in Mali unter außerordentlich lautem Geschrei dazu missbraucht wird, noch mehr Militär zu schicken. Das ist die innenpolitische Auseinandersetzung. Wenn Sie also zum Pazifismus überlaufen: Herzlich willkommen! Dann können wir uns freundlich verständigen. (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Sie müssen aber noch eine weitere Frage beantworten. In den Mali-Mandaten ist der Einsatz von Transall-Maschinen vorgesehen. Sie haben jetzt beantragt, den Einsatz der Transall zu mandatieren. Sie hatten mich hier früher einmal aufgefordert: Wenn ich der Auffassung sei, dass der Einsatz der Transall rechtswidrig gewesen sei, dann sollte ich klagen. Wäre es nicht anständig -gewesen, wenn Sie jetzt gesagt hätten: „Sie haben recht gehabt, es war rechtswidrig, wir haben das jetzt korrigiert!“? (Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister: Ach! – Dr. Rainer Stinner [FDP]: Nein!) Ich habe mit Vergnügen gesehen, dass Sie es korrigiert haben und jetzt ein Mandat beantragen; denn das Verfassungsgericht und andere sagen: Der Parlamentsvorbehalt soll pro Parlament und nicht kontra Parlament ausgelegt werden. Ich will Ihnen ein letztes Problem vortragen. In der Schilderung fängt alles so harmlos an. Ich habe überall gelesen, dass Sie sagen: Es handelt sich nicht um einen Kampfeinsatz. Ich sage Ihnen: Wer Soldaten einer gespaltenen Armee für einen Einsatz ausbildet, ist Teil des Kampfes. Erzählen Sie der Bevölkerung doch keinen Unsinn. (Beifall bei der LINKEN) Wer Flugzeuge zur Verfügung stellt, um militärische Güter und Soldaten zu transportieren, ist Teil des Kampfes in Mali. Das ist ein Kampfeinsatz, und das sollten Sie der Bevölkerung ehrlichkeitshalber auch sagen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Ich nehme sehr ernst, was Sie zum Terrorismus und zu den islamistischen Banditen gesagt haben. Sie müssen mir aber die Frage beantworten, warum Sie in Syrien genau jene islamistischen Banditen mitfinanzieren und unterstützen, die in Mali bekämpft werden. Das ist wieder diese Doppelbödigkeit. Dahinter ist keine Botschaft zu erkennen. (Beifall bei der LINKEN) Sie müssen mir auch beantworten, wieso man mit Saudi-Arabien, mit Katar und anderen Staaten weiterhin so gut zusammenarbeitet, wo doch jeder weiß, dass Gelder aus Saudi-Arabien, Katar und anderen Staaten in diese Gruppen fließen. Wenn man hier keinen Strich zieht und sagt: „Terrorismus muss politisch bekämpft werden“, dann werden wir diese Probleme immer wieder haben. Ich möchte gern, dass der Kampf gegen den Terrorismus ein Kampf gegen den Hunger ist. Das wäre ein sinnvoller Kampf. (Beifall bei der LINKEN) Ich möchte gerne, dass der Kampf gegen den Terrorismus ein Kampf für soziale Gerechtigkeit ist. Ich möchte gerne, dass man, wenn man gegen Terrorismus kämpft, zugleich für kulturelle Vielfalt kämpft. Auch das hat eine erhebliche Bedeutung. Der Kampf gegen den Terrorismus kann gewonnen werden. Den Krieg gegen den Terrorismus, den Sie seit Jahren führen – vieles erinnert mich an Afghanistan –, werden Sie nicht gewinnen. Deswegen ist die politische Richtung, die Sie eingeschlagen haben, falsch. Das wollte ich Ihnen vortragen. Das hat meine Fraktion überzeugt. Deswegen werden wir dagegen stimmen. Ich glaube nicht, dass ich Sie überzeugt habe, aber man soll die Hoffnung ja nicht aufgeben. Danke sehr. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Omid Nouripour hat jetzt das Wort für Bündnis 90/Die Grünen. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute über zwei Mandate für Einsätze der Bundeswehr in Mali: Zum einen geht es um eine Ausbildungsmission und zum anderen um die Unterstützung von ECOWAS und der französischen Streitkräfte in Mali. Beide Mandate, beide Einsätze haben im Grunde ein und denselben Hintergrund: die Schwäche des malischen Staates. Es gab den sogenannten Operettenputsch der Hauptmänner, der es ermöglicht hat, dass die Rebellen im Norden des Landes die Unabhängigkeit ausrufen konnten. Es herrscht eine explosive Gemengelage in dem Land, die wir wirklich lange ignoriert haben. Wir haben sehr lange – viel zu lange – erklärt, Mali sei eine lupenreine Demokratie. Wir haben dabei die Versorgungsprobleme, die Drogenrouten, die Probleme im Bereich der Staatlichkeit und die Folgen des Libyen-Krieges ignoriert. Das war ein riesengroßer Fehler, für den wir jetzt einen militärischen Preis zahlen müssen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Christoph Strässer [SPD]) Wir wissen alle, wie viele Waffen aus Libyen in den Norden Malis gekommen sind. Es gibt noch etwas. Herr Außenminister, ehrlich gesagt, platzt mir fast der Kragen, wenn Sie sagen, dass immer wieder neue islamistische Zellen entstehen würden, über die man sich unterhalten müsse. Ich bin absolut einverstanden, wenn Sie sagen, dass es sehr viele Dschihadisten gibt, mit denen man keine Gespräche führen kann, weil sie keine Verhandlungen wollen. Wenn wir heute aber darüber diskutieren, Bundeswehrangehörige in eine Gefahrenzone zu schicken – sie können dort tatsächlich in eine Gefechtssituation, in eine Gefahrensituation geraten und von Dschihadisten beschossen werden; ich selbst habe in Bamako mit Augenzeugen gesprochen, die mir berichtet haben, wie die Versorgung dieser Dschihadisten von Katar aus funktioniert –, dann müssen Sie nebenbei auch erklären, warum Sie Katar 400 Panzer geben. Das geht auf keine Kuhhaut. Das hat mit Sicherheitspolitik überhaupt nichts mehr zu tun. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Auf die militärische Frage kann es eigentlich nur eine zivile Antwort geben. Was die Franzosen gemacht haben, war eine Notoperation, die ein Zeitfenster eröffnet hat. Die Chance, die dieses Zeitfenster bietet, muss aber mit zivilen und politischen Mitteln genutzt werden. Ja, Mali braucht eine funktionierende Armee, eine, die die territoriale Integrität des Landes herstellen kann. Wir reden aber über eine Armee, die gespalten ist, die zerrüttet ist, die verunsichert ist. Deshalb sind die Fragen berechtigt: Welche Soldaten wollen wir ausbilden? Was wollen wir ihnen vermitteln? Was sind wir bereit dafür einzusetzen? Wie soll das vorangehen, und wann verlassen wir das Land wieder? Das sind völlig berechtigte Fragen. In diesem Zusammenhang reicht der Hinweis, dass es dazu eine Panorama-Sendung gegeben hat, einfach nicht aus, Herr Außenminister. (Beifall der Abg. Ute Koczy [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir schon vorher gewusst!) Die Armee kann nur funktionieren, wenn sie demokratisch und rechtsstaatlich verankert ist und es einen funktionierenden Staat gibt. Ja, die Armee muss die territo-riale Einheit gewährleisten können; aber es muss auch eine Armee sein, vor der die Bürger Malis, egal welche Hautfarbe sie haben, keine Angst haben müssen . Derzeit gibt es Berichte über beängstigende Tendenzen. Deshalb ist es wichtig, dass jetzt Beobachter ins Land kommen, die valide Berichte darüber abgeben. Wir erleben, dass es im Süden des Landes eine Radikalisierung gegenüber den Tuaregs gibt. Immer wieder kam es zu Situationen, in denen Selbstjustiz geübt wurde. Das kann nicht sein. Davor müssen wir gefeit sein. Das gilt natürlich auch für den Einsatz im Norden. Diesen Einsatz hat Herr Brüderle, wenn ich das richtig gelesen habe, mit ironischem Unterton „weltbewegend“ genannt. Es ist gut und richtig, dass wir jetzt darüber diskutieren, dass der Einsatz von ECOWAS und die Operation Serval in eine Mission der UN-Blauhelme überführt werden. Das ist alles andere als falsch. Im Übrigen: Lieber Wolfgang Gehrcke, ich habe dich gerade so verstanden, dass deine Fraktion zustimmen würde, wenn das kommt. Ich bin sehr gespannt. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das wirst du nicht erleben! – Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Was ist das für eine Kumpanei zwischen Linksextremen und Grünen?) Noch einmal: Die politischen Instrumente sind von zentraler Bedeutung. Wir spielen eine militärische Nebenrolle. Aber die Bundesrepublik hat einen hervorragenden Ruf in Mali. Deshalb sind wir nahezu verpflichtet, im Zivilen eine Hauptrolle zu spielen. Es gibt so vieles, was man tun kann. In der Übergangsregierung gibt es Minister, die früher mit der GIZ zusammengearbeitet haben. Dabei ist es relativ offensichtlich: Gerade die Bundesrepublik Deutschland, die bei der Geberkonferenz den Vorsitz hatte, muss darauf drängen, dass die Zahlungsfähigkeit des Landes wieder hergestellt wird. Gerade die Bundesrepublik Deutschland mit langer Erfahrung bei der Dezentralisierung muss mit dem Projekt Mali-Nord, das von dieser Bundesregierung eingestellt worden ist, dafür sorgen, dass die Entwicklungszusammenarbeit wieder anläuft. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Gerade die Bundesrepublik muss jetzt die Netzwerke nutzen, damit es zu einer Aussöhnung kommen kann. Es wird nicht gelingen, ein Gelände – so groß wie Frankreich und Spanien mit seiner besonderen Topografie – militärisch zu erobern und zu halten. Das ist komplett illusionistisch. Deshalb muss man alles für eine Aussöhnung tun. Dazu kann die Bundesrepublik einiges beitragen. Wir müssen natürlich ferner helfen, dass das Land mit der Situation der Flüchtlinge klarkommt. Das ist eine zentrale Stabilisierungsmaßnahme – abgesehen davon, dass es selbstverständlich notwendig ist, dort jetzt humanitär zu helfen. Die Regierung in Mali hat ein Legitimitätsproblem. Das ist nicht schönzureden. Wir haben es zwar nicht mit einer Putschistenarmee zu tun; aber es ist gut, dass es eine Roadmap für Wahlen gibt. Ob die Zeiträume realistisch sind und eingehalten werden können, ist fragwürdig. Ich finde, dass es besser und wichtiger ist, eine Wahl gut zu organisieren, als eine Scheinwahl durchzuführen, damit es den Europäern gefällt. Auch dabei stellt sich natürlich die Frage, wie man helfen kann. Alles, was noch erreicht werden kann, ist nur dann nachhaltig, wenn wir eine politische Stabilität im Land erreichen. Dafür können wir sehr viel tun. Aber all das kann nicht militärisch erreicht werden; das funktioniert nur mit politischen und zivilen Mitteln. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister: Stimmen Sie dem zu oder nicht?) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Jetzt hat Philipp Mißfelder das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Philipp Mißfelder (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Aus den Bemerkungen meines Vorredners bin ich nicht ganz schlau geworden. Herr Nouripour, ich frage mich, ob Sie für Ihre Fraktion eine Zustimmung zum Mandat signalisiert haben oder nicht. (Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister: Gute Frage!) Gerade nach den letzten Worten, die Sie gesagt haben, würde ich Ihnen empfehlen, zuzustimmen. Denn das haben uns auch beide Minister deutlich gemacht. Insofern weise ich das, was Herr Gehrcke gesagt hat, zurück. Ich wiederhole mich: Auch im Vergleich zu dem, was in der Aktuellen Stunde von unserer Fraktion und der Koalition geschlossen vertreten worden ist, stelle ich fest, dass von uns niemand jemals gesagt hat, dass wir der Meinung seien, man könne den Konflikt in Mali oder irgendeinen anderen Konflikt auf der Welt mit militärischen Maßnahmen lösen. Das hat nie jemand gesagt. (Zustimmung bei der FDP) Vielmehr verfolgen wir bei allem, was wir tun, einen ganzheitlichen und umfangreichen Ansatz der vernetzten Sicherheit. Das wird gerade an diesem Mandat sehr deutlich. Es gab auch Stimmen aus der Fraktion der Grünen, die anfangs viel schneller einen Militäreinsatz erwogen haben, als es die Koalition getan hat, die von Anfang an Zurückhaltung geübt hat. Vor dem Hintergrund möchte ich deutlich machen, dass wir neben den militärischen Maßnahmen alles tun, was diplomatisch und entwicklungspolitisch notwendig ist, um Mali zu stabilisieren und den Menschen vor Ort zu helfen. Bei den radikalpazifistischen Bemerkungen von Herrn Gehrcke fehlt mir der traditionelle Anknüpfungspunkt der Linkspartei. Denn Ihre Haltung in den Debatten um die Mandate steht im Gegensatz zu dem, was die Linkspartei jahrzehntelang vertreten hat, als sie noch anders hieß. Zu dem, was Sie gesagt haben, möchte ich Folgendes klarstellen: Eine solche Mandatierung fällt uns in keinem Fall leicht. Der Bundesminister der Verteidigung hat es ja zu Beginn dieser Sitzungswoche sehr deutlich gesagt: Kein Mandat ist einfach, kein Mandat ist ungefährlich. Auch wenn es sich hier um eine Ausbildungsmission handelt, auch wenn es sich um logistische Unterstützung, auch wenn es sich um Sanitäter handelt: Die Soldaten sind immer Gefahren ausgesetzt. Deshalb fällt es uns ja auch nicht leicht, diese Mandatierung vorzunehmen. Aber, Herr Gehrcke, wir erhoffen uns davon – gerade auch vom französischen Eingreifen –, dass man Zeit gewinnt, um in Mali überhaupt wieder politikfähig zu werden. Deshalb schließen wir militärische Maßnahmen nicht aus. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das ist der Unterschied!) Das ist der Unterschied. Ich unterstelle Ihnen nicht, dass Sie nicht dieselben Ziele haben wie wir, nämlich den Menschen in Mali zu helfen – alles andere wäre grotesk –; aber ich finde, dass Sie mit Ihrer Radikalablehnung jeglicher Auslandseinsätze der Bundeswehr falsch liegen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Sie unterstellen uns ja allzu häufig – Stichwort „Verschwörungstheorien“ –, dass irgendwelche anderen Beweggründe dahinterstecken. Es ist in diesem Falle wirklich so, dass wir sehr genau abwägen und uns fragen, was dieses militärische Eingreifen letztendlich bewirken soll. Deshalb hat hier auch niemand Hurra gerufen, als es um ein weiteres Mandat ging. Wir haben vielmehr gesagt: Wir beteiligen uns an keinem Abenteuer; wir unterstützen aber natürlich diejenigen innerhalb unseres Bündnisses, die bereit sind, dieses Risiko auf sich zu nehmen. Das sind die Staaten von ECOWAS und natürlich auch unsere französischen Freunde, die allesamt ein hohes Risiko eingehen. Ich glaube, sie sind sich dessen auch bewusst. Die zentrale Aufgabe, die wir haben, geht weit über dieses Mandat hinaus. Daran beteiligen sich auch das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Unsere Soldaten sind auch dafür bekannt, dass sie in diese Richtung denken und mit ihrer Präsenz überall auf der Welt in diese Richtung wirken. Wenn wir irgendwo militärisch tätig werden, sei es in einem geringeren Umfang oder in einem größeren Umfang, verfolgen wir immer eine politische Zielrichtung. Die politische Zielrichtung geht weit über das Mandat hinaus. Sie geht auch weit über eine kurzfristige Befriedung der Situation hinaus. Wir befürchten, dass aus Befreiern irgendwann Besatzer werden, wenn wir uns politisch nicht mindestens genauso sehr bemühen, wie sich jetzt die Franzosen militärisch bemühen. Das nehmen wir sehr ernst. Vor diesem Hintergrund tun wir alles, was in unserer Kraft steht, um dieses Mandat politisch auszugestalten. Ich glaube, dass Deutschland an vorderster Stelle gefordert ist, in Europa dafür zu werben, dies auch nach der Zeit, in der der Militäreinsatz im Fokus der Öffentlichkeit steht, konsequent zu verfolgen. Wie oft haben wir hier in Debatten, in denen es um Afrika ging, bemängelt, dass sich die Öffentlichkeit sehr wenig dafür interessiert? Das darf uns bei Mali nicht passieren. In der Tagesschau und in den Regionalzeitungen, überall wird jetzt unseren Bürgern erklärt, wo Mali überhaupt liegt und welches Konfliktpotenzial es dort gibt. Aber wenn der Militäreinsatz vorläufig erfolgreich beendet sein wird, wird Mali aus den Schlagzeilen wieder verschwinden. Dann geht unsere politische Arbeit unvermindert weiter. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Deshalb möchte ich an dieser Stelle für die Koalition noch einmal deutlich machen: Wir verfolgen bei diesem Mandat einen politischen Ansatz der Entwicklungszusammenarbeit, und wir wollen unseren Beitrag für eine politisch stabile Zukunft Malis leisten. Das ist weit mehr als der militärische Beitrag bzw. die militärische Komponente. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Jetzt hat Christoph Strässer das Wort für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Christoph Strässer (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dies ist ja anscheinend eine Stunde, in der Bekenntnisse abgegeben werden. Ich sage zu Beginn: Ich bin – der Kollege Gehrcke weiß das, weil wir uns schon seit 30, 40 Jahren kennen – kein Pazifist. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Warst du nie!) Ich bitte in der Diskussion um Respekt und darum, dass diejenigen, die den Pazifismus als Überzeugung vor sich hertragen, den anderen nicht vorwerfen, sie seien Kriegstreiber. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich finde, es gehört in der Diskussion dazu, dass all diejenigen, die sich zu einer anderen Äußerung bekennen, sich auch darüber Gedanken machen, was richtig und was falsch ist. Aus dieser Überzeugung heraus sind einige Überlegungen sehr richtig. Ich habe heute in der Neuen Zürcher Zeitung, die ich ab und zu lese, eine interessante Überschrift gefunden. In dem Artikel geht es um die Mandate, über die wir heute reden. Die Überschrift lautet: „Kooperatives Abseitsstehen“. Ich finde, das ist eine sehr charmante Bezeichnung für das, über das wir hier im Zusammenhang mit den Mandaten zu diskutieren und zu entscheiden haben. Aber ich glaube, das betrifft nicht nur die Mandate. Ich stimme dem Kollegen Mißfelder an dieser Stelle ausdrücklich zu. Das kooperative Abseitsstehen sollte sich auch auf unser politisches Verhältnis zu dem afrikanischen Nachbarkontinent beziehen. Ich habe mir, als ich mich auf meine Rede vorbereitet habe, das „wunderbare“ Afrika-Konzept der Bundes-regierung angeschaut, in dem viel Gutes steht und in dem viele schöne und bunte Bilder zu sehen sind. Ich erkenne aber nicht, dass es dazu geführt hat, dass Afrika einen politisch-konzeptionellen Schwerpunkt der Politik der Bundesregierung – ich füge selbstkritisch hinzu: und des Deutschen Bundestages – darstellt. Darüber müssen wir nachdenken, und darüber müssen wir reden. Ich denke, das muss die Konsequenz einer solchen Diskussion, wie wir sie heute führen, sein. Man muss sich die Frage stellen, welche Alternativen es gibt. Was Sie gesagt haben, ist überwiegend richtig – auch Kollege Nouripour hat darauf hingewiesen –: Viele, viele Jahre haben wir nur zugeschaut. Es war die „Chronik einer angekündigten Auseinandersetzung“, schon seit den 90er-Jahren, gerade in Nordmali. Die -Tuareg waren ja ein Nomadenvolk und kein kriegerisches Volk. Allerdings sind sie marginalisiert worden und haben nach Lebensperspektiven gesucht. Das haben wir offensichtlich nicht ernst genug genommen. Nun sind die Islamisten auf dem Vormarsch. Die Islamisten würde ich übrigens nicht mit den Tuareg gleichsetzen. Auch da muss man, finde ich, sehr vorsichtig sein und sehr genau hinschauen, was sich im Norden Malis tut. Nachdem wir zehn Jahre lang nicht genau genug hingesehen haben, nun den Schluss zu ziehen, auch heute zu schweigen und nichts zu tun, halte ich für falsch und ein Stück weit zynisch. Wir müssen die Entwicklungen in Mali stoppen. Ich glaube nicht – ich sage das jetzt etwas überspitzt –, dass man Gruppen wie Ansar Dine und Mujao in der jetzigen Situation mit einer weißen Fahne und einer Mediation stoppen könnte. Deshalb finde ich es richtig, dass sich die Bundesrepublik, die internationale Gemeinschaft und die EU entschlossen haben, diesem Konflikt mit den Mitteln zu begegnen, die aus meiner Sicht im Moment als einzige helfen. Das sollte die Grundlage der Diskussion über diese Mandate sein. Ich finde es richtig, den Mandaten zuzustimmen. (Beifall bei der SPD) Niemand weiß – auch das ist ein Teil der Wahrheit –, wie die militärische Auseinandersetzung ausgeht. Die Erfolge der Franzosen sind offenbar nur von kurzer Dauer und nicht so stabil, dass man sagen könnte: Die militärische Auseinandersetzung ist beendet. – Die derzeitige Situation gibt uns die Chance, diese Diskussion auf andere Beine zu stellen. Dabei geht es um Fragen der humanitären Entwicklung, der Entwicklungszusammenarbeit und des Aufbaus von Strukturen. Herr Kollege Ströbele, meiner Meinung nach gibt es keinen anderen Akteur als die Malier selbst, der in der Lage wäre, langfristig für geeignete Strukturen, die Sicherheit gewährleisten, zu sorgen. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber doch nicht diese Armee!) Ich würde mich freuen, wenn Sie mir sagen könnten, wer außer der malischen Armee in diesem Land für Stabilität sorgen soll. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die können doch selber ausbilden!) Ich bin sehr gespannt, auch zu erfahren, ob wir dann wieder über eine Intervention mit anderen Mitteln als denen, die jetzt zur Diskussion stehen, reden würden. Ich finde es richtig – ich sage das ganz deutlich –, zu sagen: Am Ende einer solchen Entwicklung muss eine malische Ownership stehen. Alles andere wäre fatal. Es darf und wird mit unserer Unterstützung keine dauerhafte Besatzung dieses Landes geben. Wir müssen allerdings dafür sorgen – das ist nicht nur eine Aufgabe des Militärs und der Polizei; es müssen auch rechtsstaatliche Strukturen geschaffen werden, die im Norden des Landes komplett fehlen –, dass Unterstützung geleistet und beim Aufbau geholfen wird, sodass sich eine Intervention mit militärischen Mitteln auf mittlere Sicht erübrigt. Meine persönliche Überzeugung ist: Ohne das, was jetzt beschlossen worden ist – der Beitrag der Bundes-regierung ist ja gering genug –, wäre eine auch nur ansatzweise humane Entwicklung im Norden Malis nicht mehr möglich gewesen. Deshalb finde ich es völlig richtig, dass wir uns dort engagieren und das tun, was in den Mandaten steht. Zumindest in der Begründung heißt es ja – das macht mich ein bisschen hoffnungsfroh –, dass es in der Sahelregion einen politischen Prozess geben muss und wir dafür sorgen müssen bzw. einen Beitrag dazu leisten können und müssen, dass sich die humanitäre Situation verbessert. Wir haben heute noch gar nicht oder nur ansatzweise über das Thema Flüchtlinge gesprochen. Über eine Wiederaufnahme der Entwicklungszusammenarbeit möchte ich an dieser Stelle gar nicht sprechen. Aber wir wissen – diese Botschaft richtet sich an die Bundesregierung –, dass es Flüchtlingsbewegungen gibt. Das World Food Programme geht davon aus, dass die Hungersnot in der Region zunehmen wird. Der UNHCR rechnet im Moment mit 400 000 Flüchtlingen. Die finanziellen Mittel, die erforderlich sind, um die größte Not zu lindern, sind noch nicht einmal zur Hälfte vorhanden. Ich denke, wir müssten viel mehr darüber nachdenken, wie wir zivile Strukturen aufbauen können. Wir -haben heute im AwZ über die Arbeit des Zivilen Friedensdienstes diskutiert. Die Mittel für den Zivilen Friedensdienst konnten seit Jahren keinen Aufwuchs mehr verzeichnen. Ich finde, an diesen Stellen müssen wir einfach besser werden. Wir brauchen diese zivilen Organisationen, und wir brauchen den Dialog mit der malischen Zivilgesellschaft. Da gibt es Strukturen, da gibt es Ansprechpartner. Da dürfen wir in den nächsten Jahren nicht wegschauen, wenn wir nicht wieder in eine solche Situation kommen wollen wie heute. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Florian Hahn hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Florian Hahn (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns noch einmal ganz kurz zurückblicken: 2012 haben islamistische Gruppen den nördlichen Teil Malis – 50 Prozent des gesamten Landes – unter ihre Kontrolle gebracht, eine Region zweimal so groß wie die Bundesrepublik Deutschland. Sie haben die Scharia eingeführt, sie haben Angst und Schrecken verbreitet. Die Menschen haben sich nicht mehr getraut, ihre Häuser zu verlassen. Felder wurden nicht mehr bestellt. 350 000 Menschen sind geflüchtet. Ausbildungslager für militante Islamisten sind entstanden – eine Gefahr für die gesamte Sahelzone, eine Gefahr vor den Toren Europas. Darüber waren wir im Parlament alle gut informiert. An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich dem BND danken, der offensichtlich eine neue, transparentere Kultur der Informationspolitik gegenüber dem Parlament lebt und pflegt. Das kann so weitergehen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Vor dem Hintergrund der beschriebenen Ereignisse hat Bundeskanzlerin Merkel sehr früh, im Oktober 2012, signalisiert, dass Deutschland bereit ist, bei einer koordinierten europäischen Mission zur Stabilisierung Malis Unterstützung zu leisten. Anfang dieses Jahres starteten die Dschihadisten einen Vormarsch Richtung Süden. Malische Streitkräfte – soweit überhaupt existent – waren nicht in der Lage, sich dem entgegenzustellen. Damit stand die Tür nach Bamako – einer Stadt, in der unter anderem 6 000 Franzosen leben – sperrangelweit offen. Das war für Frankreich der Moment, zu intervenieren. Deutschland hat bereits wenige Tage später begonnen, logistisch und finanziell Hilfe zu leisten. Man kann mit Fug und Recht sagen: Ohne Frankreich gäbe es Mali heute nicht mehr. Inzwischen konnte Frankreich zusammen mit malischen und anderen afrikanischen Kräften die Städte im Norden befreien und die Islamisten verdrängen. Jetzt gilt es, das Land langfristig zu stabilisieren und zu verhindern, dass vor den Toren Europas ein Rückzugsort für den internationalen Terrorismus entsteht, der die Stabilität einer ganzen Region Afrikas gefährdet. Hierzu wollen wir heute zwei Mandate verabschieden und auf den Weg bringen. Zum einen wollen wir die logistische Unterstützung in Form von Transportleistungen und Luftbetankungen deutlich verstärken. Damit lassen sich zurückgewonnene Sicherheit und Stabilität in Nordmali halten und ausbauen. Zum anderen wollen wir einen sehr großen Beitrag bei der Ausbildung der malischen Streitkräfte leisten, damit diese in Zukunft die Verantwortung für die Sicherheit in Mali voll übernehmen können. Inklusive der bereits stationierten Einheiten werden maximal 330 deutsche Soldaten entsendet werden. Damit gehört Deutschland nach dem Haupttruppensteller Frankreich zu den größten Truppenstellern. Dauerhafter innerer Frieden wird nur mit Geduld und Nachhaltigkeit hergestellt werden können. Klar ist, dass die beste Phase des militärischen Einsatzes vorbei ist. Erste Selbstmordanschläge wie in Gao vor wenigen Tagen zeigen uns, dass die Aufständischen auf asymmetrische Strategie umstellen. Deswegen müssen wir nachhaltige und menschenwürdige Strukturen aufbauen. Die Roadmap, die als ein Ziel freie Wahlen beinhaltet, muss weiter verfolgt werden. Ethnische Rahmenbedingungen müssen viel stärker als bisher berücksichtigt werden. Der Norden kann nicht zentral, vom Süden her, gesteuert werden – hier sind föderale Ansätze vonnöten. Es ist gut, dass dieser Einsatz von Anfang an kein rein europäischer war, sondern in enger Absprache und unter Beteiligung und Führung der Afrikaner stattfindet. Allerdings müssen wir auch feststellen und erkennen, dass es ohne uns nicht geht. Dazu müssen wir uns beispielsweise nur Finanzierung, Ausrüstung, Vertragstreue und Führungsfähigkeit der ECOWAS genauer ansehen. Lassen Sie mich noch kurz auf die deutsche Luftwaffe zu sprechen kommen, die diesen Einsatz in der Hauptsache stemmen wird. Beim Thema Luftbetankung konnten anfängliche Zertifizierungsprobleme schnell gelöst werden. Hier zeigt sich, wie wichtig die Luftbetankungsfähigkeit für Europa ist. Die Luftwaffe konnte schnell und unproblematisch Lufttransportkapazitäten bereitstellen. Damit unterstreicht sie Flexibilität und Handlungsfähigkeit. Die Ressourcen der Luftwaffe sind aber endlich. Uns muss klar sein, dass wir nun zehn Transall-Maschinen in Afghanistan und Mali im Einsatz haben – übrigens ist die Transall vor 50 Jahren zum ersten Testflug aufgebrochen –, und wir wissen, dass wir nicht mehr Maschinen mit entsprechender Einsatzausrüstung zur Verfügung haben. Die Bundeswehr ist weiterhin am Horn von Afrika, in Afghanistan und im Kosovo mit vielen Soldaten und Soldatinnen im Einsatz. In der Türkei sind zwei Patriot-Systeme zum Schutz unseres Bündnispartners installiert worden. Damit zeigt Deutschland deutlich, dass es seiner Verantwortung als Bündnispartner und als wohlhabende Nation gerecht wird. Abschließend wünsche ich unseren Soldatinnen und Soldaten hier und in den Einsätzen alles Gute und Gottes Segen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Jetzt hat noch Hartwig Fischer das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein ernstes Thema; aber es gibt eben auch Politikerinnen und Politiker, die sich mit diesem Thema nicht ausreichend befassen, es jedoch zur Selbstdarstellung nutzen. Twitter heute, am 20. Februar, um 17.37 Uhr: Christian Ströbele – der für die Grünen hier schon nicht mehr reden darf –: Minister will Armee in Mali beibringen, was rechtsstaatlich geführte Kräfte leisten. Das klappt doch nicht. – (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich doch gesagt!) Herr Ströbele, das haben Sie richtig getwittert, natürlich; aber dann muss die Öffentlichkeit auch wissen, dass zum Beispiel bei unseren Bundeswehrsoldaten, die im Kofi Annan International Peacekeeping Training Centre unterrichten, das Thema Humanitäres Völkerrecht – früher Kriegsvölkerrecht – zu den Lehrplänen gehört und die Soldaten in den Beratergruppen in Afrika über diese Grundfragen diskutieren. Dort wird über innere Führung gesprochen. Es wird nicht nur militärisch ausgebildet, sondern es wird so diskutiert, wie bei uns in einer demokratischen Armee und in einem demokratischen Parlament über legitimierte Einsätze gesprochen wird. Wenn Sie eine solche Twitter-Meldung absetzen oder sagen, dass Soldaten Mörder sind und Ähnliches, dann haben Sie eine Diskussion zu verantworten, die wir in diesem Fall nicht gebrauchen können. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wünschte mir, es würden viel mehr Kollegen in Delegationen nach Afrika fahren und sich informieren. Ich bin mehrfach in Mali gewesen. Das letzte Mal war ich im Oktober 2012 mit einer Gruppe des AwZ in Mali, darunter auch der Kollege Binding und der Kollege Movassat. Damals konnte man die Entwicklungen schon absehen. Die ethnischen Konflikte im Norden Malis gibt es seit Jahrzehnten; aber sie sind dann durch ausländische Gruppen oder Tuareg und andere, die nach Libyen gegangen sind, mit Waffen wieder ins Land hineingetragen worden. Wenn man hier von einem Putsch spricht – den jeder von uns verurteilt –, dann muss man auch einmal über die Ursachen dieses Putsches sprechen. Die Armee war, verheerend ausgebildet, in den Norden geschickt worden, mit einem einzigen Bataillon, und dieses ist von den einströmenden Kräften aus Libyen abgeschlachtet worden. Das war der Hauptgrund, warum es dann plötzlich einen Putsch gab, nämlich weil man gesagt hat: Unsere Soldatinnen und Soldaten sind vernachlässigt worden. – Auch das gehört zu der Geschichte, ohne dass man den Putsch in irgendeiner Form heroisieren würde. (Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage) – Nein, Herr Ströbele, Sie müssen erst einmal Redezeit von Ihrer Fraktion bekommen. Sie können ja nachher eine Kurzintervention machen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Ich sage heute ganz bewusst nichts mehr zu den Militäreinsätzen; dazu ist alles gesagt worden. Ich spreche über die Situation in Mali, weil diese Debatte übertragen wird und die Menschen draußen mehr darüber erfahren sollen. Ich nenne nur einmal die Region Timbuktu. Sie hat 408 000 Quadratkilometer. Damit ist sie weit größer als die Bundesrepublik Deutschland. In dieser Region muss Sicherheit hergestellt werden. Das haben die Franzosen in einem Teilbereich geschafft. Ein Teil der terroristischen Kräfte ist ausgewandert, hat sich vertreiben lassen und beginnt nun, sein Unwesen in Niger und Burkina Faso zu treiben. Deshalb sollten wir in der Phase danach auch mit diesen Staaten in ständigem Gespräch und Dialog bleiben, um zu erfahren, wie wir sie unterstützen können. Das Ganze ist im Augenblick nicht nur ein Problem des Nordens Malis. Wir müssen gemeinsam das tun, was der Verteidigungsminister und der Außenminister deutlich gemacht haben, nämlich vor allen Dingen in den Kommunen des Nordens in den nächsten Monaten für Stabilität sorgen. Daneben müssen wir gemeinsam mit unserem Entwicklungsminister überzeugende Konzepte anbieten, der – das ist vorhin nicht deutlich geworden – die Entwicklungshilfe nicht komplett eingestellt hat, sondern der den verschiedenen Organisationen gemeinsam mit dem Außenministerium zunächst für den Bereich der humanitären Hilfe Mittel zur Verfügung gestellt hat. Man kann immer sagen: Das ist nicht ausreichend. – Ich glaube auch, dass das nicht ausreichend ist; das ist bei keinem Konflikt ausreichend. Aber wir haben sehr viel getan, und das wird auch von den Organisationen gewürdigt, die uns aus Gao, Kidal, Mopti und anderen Regionen berichten, wo ja auch Minenfelder beseitigt werden müssen. Das heißt, hier beginnen wir nicht nur mit der humanitären Hilfe, sondern wir arbeiten auch an der Entwicklungszusammenarbeit. Wir haben dort in der Vergangenheit intelligente Bewässerungssysteme und Ähnliches bereitgestellt. Das müssen wir auch in Zukunft tun. Ich will noch einmal zur Ausbildung des Militärs kommen. Eigentlich haben in der Vergangenheit alle Bundesregierungen gesagt: Es ist nicht in erster Linie unsere Aufgabe, dass wir unser Militär in die afrikanischen Länder schicken, sondern unsere Daueraufgabe ist die Ertüchtigung der Armeen in den betroffenen Ländern auch nach unseren Grundsätzen. Das tun wir in Teilbereichen. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Marodierende Armee!) – Herr Ströbele, ich warte darauf, dass Sie im Verteidigungsausschuss einen Antrag stellen, die Mittel dafür zu erhöhen, damit wir in Afrika stärker in die Ausbildung einsteigen können. (Florian Hahn [CDU/CSU]: Gott sei Dank ist er da nicht drin!) Ich hatte bisher den Eindruck, dass Sie in diesen Bereichen eher kürzen wollen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir brauchen in den nächsten Wochen und Monaten noch mehr Diplomatie und Dialog. Deshalb finde ich es gut, dass man die Supportgruppe gemeinsam gegründet hat. Herr Außenminister, ich habe eine große Bitte an Sie, der Sie ja federführend die Gespräche für die nachfolgenden Schritte führen – auch international. Ich bin mit Ihnen der Auffassung, dass es eine große Hoffnung ist, dass Traoré auf der Konferenz in Addis Abeba eine Roadmap vorgelegt und dort auch angekündigt hat, im Juli Wahlen durchzuführen. Ich sage uns allen aber: Diese Wahlen müssen dann auch im Norden Malis sauber durchgeführt werden können. Ich habe die Sorge, dass das nicht sichergestellt wird. Wenn das sichergestellt wird, dann ist das, glaube ich, eine Riesenchance. Wenn es uns aber gemeinsam nicht gelingt, dass die Registrierung und alles Weitere umgesetzt wird, dann schaffen wir ein neues Konfliktfeld, weil sich der Norden Malis schon immer vernachlässigt fühlt. Sechs Minuten Redezeit sind immer viel zu wenig, vor allen Dingen, da ich am Anfang noch auf Herrn Ströbele eingehen musste. Ich könnte noch viel dazu sagen. Ich wünsche mir auch, dass es uns in einem langfristigen Aufbauprozess gelingt, Mali als Land insgesamt wieder zu einen. Wir in unserer Delegation haben mit vielen Tuareg gesprochen, auch mit solchen, die im Parlament waren. Sie sind gemäßigt, und es sind einzig die Fundamentalisten, die die Situation ausgenutzt haben. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Rolf Mützenich [SPD]) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 17/12367 und 17/12368 an die Ausschüsse vorgeschlagen, die Sie in der Tagesordnung finden. Damit sind Sie einverstanden? – Dann ist das so beschlossen. Damit sind wir am Schluss der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 21. Februar 2013, 9 Uhr, ein. Genießen Sie den Abend und die gewonnenen Einsichten. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 18.03 Uhr) Berichtigung 219. Sitzung, Seite 27184 D, der zweite Absatz ist wie folgt zu lesen: „Im Jahr 2004 waren es 560 Millionen Euro, und letztes Jahr waren es 785 Millionen Euro, weil wir wissen, wie wichtig der internationale Austausch zum Beispiel auch für die Konfliktprävention und die Konfliktbewältigung ist, schlicht: weil Menschen, die gute Erfahrungen im Betreiben von Sport gemacht haben, einander weniger bekämpfen.“ Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 20.02.2013 Dobrindt, Alexander CDU/CSU 20.02.2013 Freitag, Dagmar SPD 20.02.2013 Gabriel, Sigmar SPD 20.02.2013 Gottschalck, Ulrike SPD 20.02.2013 Hempelmann, Rolf SPD 20.02.2013 Höhn, Bärbel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20.02.2013 Keul, Katja BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20.02.2013 Kilic, Memet BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20.02.2013 Dr. Kofler, Bärbel SPD 20.02.2013 Kolbe, Daniela SPD 20.02.2013 Krumwiede, Agnes BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20.02.2013 Lay, Caren DIE LINKE 20.02.2013 Meinhardt, Patrick FDP 20.02.2013 Möhring, Cornelia DIE LINKE 20.02.2013 Möller, Kornelia DIE LINKE 20.02.2013 Nahles, Andrea SPD 20.02.2013 Pawelski, Rita CDU/CSU 20.02.2013 Remmers, Ingrid DIE LINKE 20.02.2013 Roth (Augsburg), Claudia BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20.02.2013 Sarrazin, Manuel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20.02.2013 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 20.02.2013 Dr. Schockenhoff, Andreas CDU/CSU 20.02.2013 Schreiner, Ottmar SPD 20.02.2013 Süßmair, Alexander DIE LINKE 20.02.2013 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20.02.2013 Zimmermann, Sabine DIE LINKE 20.02.2013 Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage des Abgeordneten Ingo Egloff (SPD) (Druck-sache 17/12342, Frage 10): Welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung angesichts der aktuellen Probleme der Schiffsfinanzierung, Werftenauslastung und Entwicklung der Offshoreindustrie in Deutschland vor dem Hintergrund der Aussage im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP, die Wettbewerbsfähigkeit der maritimen Wirtschaft in Deutschland stärken zu wollen? Die Bundesregierung hat in der laufenden Legislaturperiode die Rahmenbedingungen für die deutsche -maritime Wirtschaft weiter gestärkt. Den deutschen Werften ist es daher trotz des schwierigen Marktumfelds gelungen, sich auf die veränderten Anforderungen des Marktes einzustellen: a) Schiffsfinanzierung . Mit den bestehenden staatlichen Finanzierungsinstrumenten von Bund und Küstenländern steht dem deutschen Schiffbau ein sehr guter und wirkungsvoller Förderrahmen zur Verfügung. Die Bundesregierung setzt diese Finanzierungsinstrumente im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten flexibel ein. Dies hat sie in vielen Einzelfällen bewiesen. Die Bundesregierung hat allein im Jahr 2012 Exportkreditgarantien – Hermesdeckungen – in Höhe von 1,9 Milliarden Euro für zivile Schiffbauprojekte vergeben. Darüber hinaus unterstützt die Bundesregierung durch sogenannte CIRR-Zinsausgleichsgarantien die deutschen Werften im globalen Wettbewerb. Seit Einführung des neuen Schiffbau-CIRR-Systems Mitte 2007 wurden Zinsausgleichsgarantien für 74 Schiffsneubauten mit einem Auftragsvolumen in Höhe von rund 11,3 Milliarden Euro zugesagt. Darüber hinaus werden die Werften durch die Schiffbaubürgschaften der Länder wirkungsvoll unterstützt. Im Rahmen des inzwischen ausgelaufenen Wirtschaftsfonds Deutschland hat sich der Bund umfangreich an Bürgschaften für Werften beteiligt und damit einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung des Werftenstandorts Deutschland geleistet. Die Lage in der deutschen Seewirtschaft ist weiterhin sehr schwierig. Dies führt zu erheblichen Finanzierungsproblemen für die Reeder. Staatliche Finanzierungsprogramme zur Überwindung von zyklischen und strukturellen Problemen einer Branche wären aber keine geeignete Lösung und könnten unausweichliche Anpassungsprozesse nur verzögern. Die Bundesregierung trägt aber im Maritimen Bündnis erheblich dazu bei, den Schifffahrtsstandort Deutschland zu sichern. Dies erfolgt zum Beispiel über die Tonnagesteuer, aber auch durch die Förderung von Ausbildung und Beschäftigung in der Seeschifffahrt. Um die deutsche Flagge zu stärken, -werden derzeit zudem Möglichkeiten zur Modernisierung der Flaggenstaatverwaltung geprüft . b) Werftenauslastung. Die Umsätze deutscher -Werften haben sich zuletzt stabilisiert, und es konnten wichtige neue Aufträge, unter anderem im Offshoresektor, akquiriert werden. Die Schiffbauproduktion lag in den ersten neun Monaten des Jahres 2012 bei rund 2 Milliarden Euro und der Auftragsbestand bei 7,2 Milliarden Euro. Es liegt in erster Linie in der Verantwortung der Werften, den notwendigen strukturellen Wandel zu bewerkstelligen und sich im internationalen Wettbewerb zu behaupten. Den deutschen Werften ist inzwischen die Umstellung auf den Spezialschiffbau gelungen. Deutsche Werften setzen sich durch innovative, hochqualitative und auf den einzelnen Kunden zugeschnittene -Produkte am Markt durch. Hierbei werden sie durch die genannten staatlichen Finanzierungsinstrumente erfolgreich begleitet. Innovationen werden durch das Förderprogramm „Innovativer Schiffbau sichert wettbewerbsfähige Arbeitsplätze“ unterstützt. Die Bundesregierung stellt hierfür 13 Millionen Euro im Jahr 2013 zur -Verfügung. Die Bundesländer beteiligen sich an dem Programm mit zusätzlich bis zu 13 Millionen Euro. c) Offshoreindustrie. Die Bundesregierung legt Priorität auf die Umsetzung der Energiewende. Sie unternimmt daher auch zentrale Aktivitäten, um den Ausbau der Offshorewindenergie voranzutreiben. Davon profitiert auch die maritime Wirtschaft. Wichtige Maßnahmen wurden bereits umgesetzt. Dazu zählen unter anderem die Übernahme der Netzanbindung durch die Übertragungsnetzbetreiber, die Einführung eines sogenannten Stauchungsmodells für die Vergütung des aus Offshorewindenergieanlagen erzeugten Stroms im Rahmen der EEG-Novelle 2012, die Auflage des KfW-Sonderkreditprogramms „Offshorewindenergie“ mit einem Gesamtvolumen von maximal 5 Milliarden Euro zur Finanzierung der Errichtung von bis zu zehn Offshorewindparks, die Regelung der bis dahin unklaren Haftungsfragen bei Netzverzögerungen und -unterbrechungen sowie die Einführung des Offshorenetzentwicklungsplans. Eine enge Vernetzung der maritimen Wirtschaft mit der Branche der Offshorewindenergie ist ein wichtiges Thema. Dieses wird in einem von der Stiftung Offshorewindenergie moderierten und von der Bundesregierung begleiteten Arbeitskreis seit einigen Jahren vorangebracht. Zuletzt hat die Bundesregierung zusammen mit dem Arbeitskreis die zweite Konferenz „Maritime Wirtschaft – Partner der Energiewende“ veranstaltet. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage des Abgeordneten Ingo Egloff (SPD) (Druck-sache 17/12342, Frage 11): Was tut die Bundesregierung, um ihrer Aussage im Koalitionsvertrag gerecht zu werden, eine flächendeckende Breitbandversorgung zu erreichen, und welche Bandbreite wird derzeit für jeden Haushalt mindestens erreicht? In Deutschland ist eine weitgehende flächendeckende Grundversorgung inzwischen gewährleistet. Mitte 2012 konnten 99,5 Prozent aller Haushalte Bandbreiten mit -einer Downloadrate von mindestens 1 Megabit pro Sekunde nutzen. Insbesondere durch die im europäischen Vergleich frühzeitige Bereitstellung von Frequenzen der digitalen Dividende für hochleistungsfähige Mobilfunknetze konnte eine Vielzahl von Versorgungslücken geschlossen werden. Per Satellit können jederzeit im Bedarfsfall die Leistungsraten rasch deutlich gesteigert werden. Zudem können mit Mitteln aus den Gemeinschaftsaufgaben „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“, GAK, sowie „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, GRW, in Gebieten, die mit Bandbreiten von weniger als 2 Megabit pro Sekunde versorgt sind, Maßnahmen zur Verbesserung der Breitbandversorgung gefördert werden. Die Breitbandstrategie der Bundesregierung wird kontinuierlich weiterentwickelt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Rahmenbedingungen, die den Ausbau von Hochgeschwindigkeitsnetzen über den Markt fördern. Mit der Änderung des Telekommunikationsgesetzes wurden im Bereich Regulierung und durch Vorgaben zur Mitnutzung vorhandener Infrastrukturelemente wesentliche Voraussetzungen für mehr Investitionen geschaffen. Weiterhin wurden bestehende Finanzierungsprogramme der Kreditanstalt für Wiederaufbau, KfW, und der Landwirtschaftlichen Rentenbank, LR, für den Breitbandausbau nutzbar gemacht, mit dem Breitbandbüro ein -kompetenter Ansprechpartner etabliert und die Koordinierung der Maßnahmen von Bund, Ländern, Kommunen und Wirtschaft intensiviert. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage des Abgeordneten Rolf Hempelmann (SPD) (Drucksache 17/12342, Frage 12): Was unternimmt die Bundesregierung aktuell, um ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einzuhalten, die Doha-Welthandelsrunde zügig abzuschließen? Die Verhandlungen in Genf konzentrieren sich schon seit längerem darauf, eine Verständigung zu Teilfragen des Doha-Mandates bei der 9. WTO-Ministerkonferenz im Dezember 2013 zu erreichen. Die Bundesregierung unterstützt die EU-Kommission in dem Bemühen, konsensfähige Lösungen insbesondere für einen Abschluss der Verhandlungen über Handelserleichterungen zu erarbeiten. Sie ist dazu auf allen Ebenen in regelmäßigem und engem Kontakt mit Kommission, EU-Mitgliedstaaten sowie Vertretern von Drittstaaten. Bundesminister Rösler hat dazu am 18. Februar mit seiner französischen Kollegin gesprochen, Staatssekretärin Herkes war Anfang Februar in Genf zu Gesprächen mit WTO-Generaldirektor Lamy und den Botschaftern wichtiger WTO-Mitglieder. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage des Abgeordneten Klaus Barthel (SPD) (Drucksache 17/12342, Frage 13): Wie passt die im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP festgeschriebene Aussage einer „verantwortungsbewussten Genehmigungspolitik für die Ausfuhr von Rüstungsgütern“ zu Berichten über die Lieferung von Leopard-2-Panzern in kritische Regionen oder aktuell von Patrouillenbooten nach Saudi-Arabien? Der Bundesregierung sind die Medienberichte bekannt. Sie sind spekulativ, und die Bundesregierung wird diese nicht kommentieren. Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, hält die Bundesregierung an den derzeit geltenden Rüstungsexportbestimmungen fest. Genehmigungsentscheidungen über den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern richten sich nach den „Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ aus dem Jahr 2000 und dem „Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP des Rates der Europäischen Union vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern“. Bei jedem Antrag prüft die Bundesregierung sehr gründlich vor dem Hintergrund der Lage in der Region und dem betroffenen Land unter anderem die Bedeutung der beantragten Ausfuhr für die Aufrechterhaltung von Frieden, Sicherheit und Stabilität in der Region – Kriterium 4 des Gemeinsamen Standpunkts der EU. Auch der Achtung der Menschenrechte – Kriterium 2 des Gemeinsamen Standpunkts – sowie den Einsatzmöglichkeiten der zu liefernden Rüstungsgüter kommt bei der Prüfung besondere Bedeutung zu. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12342, Frage 14): Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über jüngst bekannt gewordene Planungen Großbritanniens (vergleiche The Times vom 8. Februar 2013), im Rahmen des ISAF-Abzugs aus Afghanistan und als Gegenleistung für die Bereitstellung von Transitmöglichkeiten Rüstungsgüter an Usbekistan zu verkaufen, und werden Fragen von Verkauf oder Überlassung von Rüstungsgütern im Rahmen des ISAF-Abzugs unter den NATO-Staaten bzw. den EU-Mitgliedstaaten, die an den Gemeinsamen Standpunkt der EU zu Rüstungsexporten gebunden sind, besprochen? Der Bundesregierung liegen zu jüngst bekannt gewordenen Planungen Großbritanniens, im Rahmen des ISAF-Abzugs aus Afghanistan und als Gegenleistung für die Bereitstellung von Transitmöglichkeiten Rüstungsgüter an Usbekistan zu verkaufen, keine eigenen Erkenntnisse vor. Fragen über Verkauf oder Überlassung von Rüstungsgütern im Rahmen des ISAF-Abzugs wurden innerhalb der NATO bisher nicht erörtert. Im Rahmen der NATO finden regelmäßig gegenseitige Unterrichtungen über Stand der Planungen und Verlauf der Rückver-legung der ISAF-Truppenstellerstaaten statt. Die Überlassung von Rüstungsgütern an Transitstaaten ist nicht Gegenstand dieser Unterrichtungen. Unter den EU-Mitgliedstaaten, die an den Gemeinsamen Standpunkt der Europäischen Union zu Rüstungsexporten gebunden sind, fand in der zuständigen Rats-arbeitsgruppe COARM bisher keine entsprechende Erörterung statt. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12342, Frage 15): Wie viele und welche Arten von Schusswaffen, die in den USA von Privatpersonen erworben werden können, sind in den vergangenen zehn Jahren von Deutschland aus in die USA exportiert worden? Welche Schusswaffen in den USA von Privatpersonen erworben werden können, kann nicht beantwortet werden. Dies hängt unter anderem von den Waffengesetzen der einzelnen US-Bundesstaaten ab, die unterschiedlich ausgestaltet sind. Für Lieferungen aus Deutschland gilt einschränkend, dass Ausfuhrgenehmigungen für Kriegswaffen nur zugunsten staatlicher Stellen, nicht aber zugunsten von Privatpersonen erteilt werden können. Zur Frage, wie viele Schusswaffen in den USA erworben wurden, sind lediglich Zahlen verfügbar, die sich auf sämtliche Endverwender in den USA und nicht ausschließlich auf Privatpersonen beziehen. Im Zeitraum 2003 bis 2012 wurden Genehmigungen zur endgültigen Ausfuhr von Schusswaffen (nur komplette Waffen) der Ausfuhrlistenpositionen A0001A, A0001B und A0001C in einer Gesamtzahl von 2 539 751 Stück erteilt. Die Anzahl verteilte sich auf Kriegswaffen (33 583 Stück), Jagd- und Sportwaffen (29 042 Stück), sonstige Gewehre, Flinten und Büchsen (425 639 Stück) und Faustfeuerwaffen (2 051 487 Stück). Anlage 8 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12342, Frage 16): In welcher aktuellen Phase/welchem Verfahrensstand befinden sich nach Kenntnis der Bundesregierung die in Europa laufenden Programme, Strategien und Neubauvorhaben, die Atomkraft betreffen – wie beispielsweise das polnische Atomprogramm, die belgische und tschechische Energiestrategie und die Vorhaben Hinkley Point und Temelin 3 und 4; der Vollständigkeit halber wird gebeten, nicht auf andere Bundestagsdrucksachen zu verweisen –, und für wann erwartet die Bundesregierung jeweils den Abschluss dieser aktuellen Phasen/Verfahrensabschnitte (falls unklar, bitte geschätzte oder umschreibende Angabe machen)? 18 Staaten in Europa betreiben Kernkraftwerke, KKW, drei davon haben politisch verbindlich beschlossen, dies zu beenden: Deutschland, Belgien und die Schweiz. In sechs europäischen Staaten gibt es Pläne, in die Kernkraftnutzung einzusteigen: die drei baltischen Staaten gemeinsam mit dem geplanten KKW Visaginas in Litauen sowie Polen, Belarus und die Türkei. 19 Staaten in Europa verzichten aus verschiedenen Gründen auf nukleare Energiegewinnung. Großbritannien möchte seinen alternden KKW-Bestand modernisieren und plant Neubauten. Die französische Électricité de France, EdF, die in Großbritannien acht KKW betreibt, will zwei Blöcke in Hinkley Point/Somerset und zwei in Sizewell/Suffolk errichten. Für Hinkley Point hat sie am 26. November 2012 die sogenannte nukleare Standortbewilligung erhalten. Die Baugenehmigung steht jedoch noch aus. Geplant ist dort laut EdF ein moderner europäischer Druckwasserreaktor des Typs EPR, European Pressurized Water Reactor, von Areva. Die französische Regierung hat angekündigt, den Anteil der Stromerzeugung aus KKW langfristig von 75 auf 50 Prozent zu reduzieren. Die dafür erforderliche Energiestrategie soll unter anderem den Ausbau erneuerbarer Energieträger umfassen und wird derzeit national erörtert. Präsident François Hollande hat zugesichert, dass das KKW Fessenheim im Laufe seiner Amtszeit abgeschaltet und der moderne europäische Druckwasserreaktor EPR in Flamanville weitergebaut werden wird. Die belgische Regierung hat im Juli 2012 den schrittweisen Ausstieg des Landes aus der Kernenergie zwischen 2015 und 2025 sowie das Neubauverbot für KKW bekräftigt. Sie hat zudem die Laufzeit bestehender Blöcke auf 40 Jahre begrenzt. Noch ungeklärt ist jedoch die energiepolitische Strategie, vor allem, welche Quellen der Stromerzeugung den Nuklearstrom (gegenwärtig 54 Prozent) ersetzen sollen. Das tschechische Umweltministerium hat am 18. Januar 2013 dem Neubau von zwei Reaktoren in Temelin zugestimmt, nachdem die Umweltverträglichkeitsprüfung, UVP, abgeschlossen wurde. Eine Entscheidung über den Lieferanten soll bis Jahresende fallen, beabsichtigt sind Druckwasserreaktoren der sogenannten III. Generation mit einer Leistung von je 1 700 Megawatt. Das tschechische Energiekonzept – vom Kabinett am 8. November 2012 indossiert – sieht in den nächsten zwei bis drei Jahrzehnten einen Anstieg des Nuklear-stromanteils von 30 auf 50 bis 60 Prozent vor. In Polen hat die Standortsuche für ein erstes KKW begonnen. Nach Angaben der Regierung in Warschau soll 2013 oder 2014 das Verfahren zur UVP für das Bauvorhaben an einem vom Betreiber zu benennenden und der Atomaufsicht zu genehmigenden Standort beginnen. Das erste KKW soll nach polnischer Planung im Jahr 2025, ein zweites im Jahr 2030 ans Netz gehen. Allerdings sind in Polen auch kritische Fragen zur Wirtschaftlichkeit dieses Schrittes zu vernehmen. In Belarus will im Sommer 2013 die russische Firma Atomstroyexport mit dem Bau eines KKW mit zwei Blöcken, Druckwasserreaktoren der III. Generation mit insgesamt 2 400 Megawatt, in Ostrowez nahe der litauischen Grenze beginnen. Das KKW soll circa 30 Prozent des nationalen Strombedarfs decken und frühestens 2018 in Betrieb gehen. Im Kaliningrader Gebiet baut Russland das KKW Baltiskaya. Mit dem Bau des nuklearen Teils von Block 1 wurde im Februar 2012 begonnen, Ende 2012 wurde die Kernauffangeinrichtung – „Core Catcher“ – montiert. Für den Block 2 wurde mit dem Baugrubenaushub im Juni 2012 begonnen. Die beiden Blöcke sollen 2017 bzw. 2018 in Betrieb gehen. Die Türkei will bis 2023 ihren Strombedarf vorwiegend aus heimischen Energiequellen erzeugen (Wasserkraft, Braunkohle, Wind, Sonne, Geothermie) und die Energieeffizienz erheblich steigern. Gleichzeitig plant die Regierung den Bau von KKW an drei Standorten – Akkuyu am Mittelmeer, Sinop und Tekirdag am Schwarzen Meer – mit insgesamt 15 Gigawatt Leistung, die ab 2023 etwa 13 Prozent zur nationalen Stromproduktion beitragen sollen. Zum KKW in Akkuyu läuft derzeit die Umweltverträglichkeitsprüfung, es soll 2018 bis 2021 ans Netz gehen. Anlage 9 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Dr. Rolf Mützenich (SPD) (Drucksache 17/12342, Frage 17): Wie schätzt die Bundesregierung die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien ein, und welche Rolle spielt nach Kenntnis der Bundesregierung Saudi-Arabien bei der materiellen Unterstützung von gewaltbereiten (oder extremistischen) islamischen Gruppierungen? Staat und Gesellschaft im Königreich Saudi-Arabien sind von einer konservativen Tradition des Islam geprägt. König Abdullah hat sich einer schrittweisen Modernisierung des Landes verschrieben, was die Bundesregierung unterstützt. Es bestehen aber – wie im aktuellen Menschenrechtsbericht der Bundesregierung ausgeführt – in Saudi-Arabien weiterhin Defizite im Bereich des Menschenrechtsschutzes. Die Bundesregierung bringt dies bei ihren bilateralen Kontakten regelmäßig zur Sprache. Dies hat auch der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle, bei seinen Gesprächen im März 2012 in Riad getan. Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Die saudi-arabische Regierung hat öffentlich immer wieder unterstrichen, dass sie keine extremistischen Gruppen im Ausland unterstütze. Es gebe allenfalls finanzielle Hilfen von privaten Akteuren, die sich von der Regierung nicht in vollem Umfang kontrollieren ließen. Anlage 10 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Dr. Rolf Mützenich (SPD) (Drucksache 17/12342, Frage 18): Entspricht es der Haltung der Bundesregierung, dass „die Frage einer Flugverbotszone“ (in Syrien) „sich zum jetzigen Zeitpunkt“ nicht stellt, oder steht die Bundesregierung zu -ihrer gegenüber dem Deutschen Bundestag ausdrücklich -gemachten Zusicherung, dass der Patriot-Einsatz „nicht der Einrichtung oder Überwachung einer Flugverbotszone über syrischem Territorium“ dient? Die Verlegung deutscher Luftabwehrsysteme des Typs Patriot zur Verstärkung der integrierten NATO-Luftverteidigung in der Türkei ist eine rein defensive Maßnahme. Sie dient ausschließlich dem Schutz der -türkischen Bevölkerung. Die Patriot-Batterien sind in der Türkei so stationiert, dass sie nicht in den syrischen Luftraum hineinwirken können. Bereits in der offiziellen Anfrage der Türkei an den NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen vom 21. November 2012 wird klargestellt, dass die angefragten Luftverteidigungssysteme ausdrücklich nicht zur Einrichtung oder Unterstützung einer Flugverbotszone eingesetzt werden. Insofern stellt sich die Frage der Einrichtung einer Flugverbotszone in syrischem Luftraum aus Sicht der Bundesregierung in der Tat nicht. Anlage 11 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Niema Movassat (DIE LINKE) (Drucksache 17/12342, Frage 20): Hat der deutsche Botschafter in Namibia, Onno Hückmann, seine in der namibischen Politik und Öffentlichkeit viel kritisierten öffentlichen Worte gegenüber dem Premierminister Hage Geingob, dass „die ständige Erwähnung von Reparationen die florierenden bilateralen Beziehungen zwischen beiden Ländern trüben“ könnte (siehe Windhoek Observer, 8. Februar 2013, sowie The Namibian und Allgemeine Zeitung, 12. Februar 2013), in Absprache mit der Bundesregierung ausgesprochen, und wie steht die Bundesregierung zu der Kritik, dass derartige Äußerungen gegenüber dem Premierminister Namibias sehr unsensibel und den Beziehungen zwischen Deutschland und Namibia höchst abträglich sind und als ein koloniales Verhalten der Einmischung in Angelegenheiten eines souveränen Staates empfunden werden, in dem erfreulicherweise Meinungsfreiheit herrscht? Der am 4. Dezember 2012 neu ernannte namibische Premierminister, Hage Geingob, empfing den deutschen Botschafter Onno Hückmann am 5. Februar 2013 zu einem Antrittsbesuch. Dabei wurde das gesamte Spektrum der bilateralen Beziehungen erörtert. Die Frage von Reparationen wurde dabei nur am Rande berührt. Das in der Fragestellung angeführte Zitat aus dem Windhoek Observer vom 8. Februar 2013 gibt die Worte des Botschafters in diesem Zusammenhang nicht zutreffend wieder. Botschafter Hückmann brachte vielmehr in Übereinstimmung mit der Position der Bundesregierung zum Ausdruck, dass sich Deutschland unverändert zu seiner historischen Verantwortung bekennt, an einer umfassenden Partnerschaft mit Namibia interessiert bleibt, die deutsch-namibischen Beziehungen aber nicht auf eine Diskussion über Reparationen reduziert werden sollten und eine noch stärkere Orientierung auf Zukunftsfragen geboten sei. Das Gespräch zwischen dem namibischen Premier-minister und dem deutschen Botschafter war auf Wunsch der namibischen Seite presseöffentlich. Die Bundes-regierung hält die in einigen „Kommentaren“ in der namibischen Presse zum Ausdruck gekommene Kritik an den Äußerungen von Botschafter Hückmann in der Sache für unberechtigt. Die Bundesregierung weist auch die in der Frage enthaltene Unterstellung zurück, Botschafter Hückmann habe sich gegenüber dem namibischen Premierminister unsensibel verhalten und sich in einer Weise geäußert, die den Beziehungen zwischen Deutschland und Namibia abträglich wäre. Anlage 12 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12342, Frage 22): Stimmt die Bundesregierung zu, dass sie das am 21. Juni 2012 mit den Oppositionsfraktionen SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen vereinbarte Ziel, den mehrjährigen Finanzrahmen 2014 bis 2020 dafür einzusetzen, dass der EU-Haushalt auf wachstums- und beschäftigungsfördernde Investitionen ausgerichtet wird und es nicht zu Kürzungen zulasten von Investitionen in den Struktur- und Kohäsionsfonds kommt, beim Kompromiss des Europäischen Rates vom 8. Februar 2013 verfehlt hat? Das Ziel einer deutlichen Neugewichtung zugunsten von wachstums- und beschäftigungsfördernden Investitionen hat die Bundesregierung klar erreicht: Die Rubrik 1 a „Wettbewerbsfähigkeit für Wachstum und Beschäftigung“ wird im Vergleich zu 2007 bis 2013 um 34 Milliarden Euro, das heißt um 37 Prozent aufgestockt, inklusive der geplanten Inflationsanpassung sogar um 52 Milliarden Euro, das heißt 58 Prozent. Damit erhöht sich der Anteil der Rubrik 1 a am Mehrjährigen Finanzrahmen von 9 auf 13 Prozent. Der Umfang der Connecting-Europe-Fazilität ist etwa doppelt so groß wie bei den entsprechenden Vorgängerprogrammen. In der Strukturpolitik wurden durch das von Deutschland durchgesetzte Better-Spending-Konzept eine verbesserte Ausgabenqualität und eine stärkere Konzentration auf Wachstum und Beschäftigung erreicht. Innerhalb der Strukturpolitik werden 6 Milliarden Euro zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit zweckgebunden. Durch eine Überprüfungsklausel können Mitgliedstaaten in besonders schwieriger Lage in der zweiten Hälfte des Finanzrahmens zusammengenommen bis zu 4 Milliarden Euro zusätzliche Strukturfördermittel erhalten. Anlage 13 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12342, Frage 23): Wird Griechenland auf der Grundlage des Kompromisses des Europäischen Rates vom 8. Februar 2013 voraussichtlich mehr als in den Jahren 2014 bis 2020 in den EU-Haushalt einzahlen müssen (eventuell durch neue Rabatte für andere Mitgliedstaaten)? Der Beitrag eines Mitgliedstaates zum EU-Haushalt ist stark abhängig von der tatsächlichen Höhe der Ausgaben. Diese kann auch unterhalb der vereinbarten Obergrenze liegen. Zudem ist der konkrete Beitrag auch von der Entwicklung des Bruttonationaleinkommens des betreffenden Mitgliedstaates abhängig. Soweit die Bundesregierung dies heute absehen kann, wird es ab 2014 keinen Anstieg der Beiträge der Hellenischen Republik zum EU-Haushalt geben. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) (Drucksache 17/12342, Frage 28): Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu Kontakten zwischen der rechtsnationalistischen ukrainischen Partei Swoboda und rechtsextremistischen Gruppierungen in Deutschland und anderen Ländern der Europäischen Union, und inwiefern hat nach Kenntnis der Bundesregierung die Swoboda-Fraktion im neugewählten ukrainischen Parlament bereits rechtsextremistische Tendenzen erkennen lassen? Der Bundesregierung sind keine Kontakte der -Swoboda-Fraktion im neugewählten ukrainischen Par-lament mit rechtsextremistischen Gruppierungen in Deutschland bekannt geworden. Laut Eigenangaben im Internet unterhält die Swoboda „Auslandsrepräsentanzen“ unter anderem in den USA, Kanada, Tschechien, Österreich, Italien, Frankreich und Großbritannien. Zudem habe die entsprechende Repräsentanz in Österreich Anfang 2009 Gespräche mit Vertretern der dortigen Freiheitlichen Partei Österreichs, FPÖ, geführt. Die Fraktion der Partei Swoboda hat nach Kenntnis der Bundesregierung im neugewählten ukrainischen Parlament bisher keine rechtsextremistischen Tendenzen erkennen lassen. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/12342, Frage 29): Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Ergebnis der EU-Studie zum Europäischen Kriminal-aktennachweissystem, EPRIS, die die Umsetzung eines Fundstellennachweises bestimmter polizeilicher Daten zum -beschleunigten Datenaustausch unter Polizeien der EU-Mitgliedstaaten unter anderem zu politischem Aktivismus anlässlich von Gipfelprotesten, dessen Notwendigkeit auf EU-Ebene die Bundesregierung besonders stark betont hatte (vergleiche die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine -Anfrage der Fraktion Die Linke zu Frage 9 auf Bundestagsdrucksache 17/5136), untersuchte, und für welche anderen Lösungen zur Bereitstellung der angemahnten Funktionalität, etwa unter Nutzung bestehender Systeme (Art. 99 des Schengener Durchführungsübereinkommens im Schengener Informationssystem, Europol Informationssystem, Prümer Beschlüsse), will sich die Bundesregierung einsetzen, bzw. welche hält sie überhaupt für geeignet? Die EU-Machbarkeitsstudie zu einem European Police Records Index System, EPRIS, kommt zu der Schlussfolgerung, dass für die Umsetzung von EPRIS kein neues System oder Instrument geschaffen werden sollte. Diese Schlussfolgerung kann von der Bundesregierung grundsätzlich nachvollzogen werden. Auch wird von der Bundesregierung die in der Studie dargelegte Einschätzung geteilt, dass gegenwärtig keines der verschiedenen für den polizeilichen Informationsaustausch nutzbaren Systeme und Verfahren in der EU den Bedarf nach einer EPRIS-Funktionalität vollständig deckt. Daher wird begrüßt, dass zu diesem Zweck weitere Untersuchungen durchgeführt werden sollen, wie diese Lücke im Rahmen der bestehenden Rechtsinstrumente und Systeme geschlossen werden könnte, um die EPRIS-Funktionalität abzubilden. Hierzu hielte die Bundesregierung ein entsprechendes Rechtsgutachten der Europäischen Kommission für hilfreich. Bei den in Rede stehenden, bereits existierenden Instrumenten handelt es sich um das Schengener Informationssystem, SIS, das Europol Informationssystem, EIS, und das Prümer Verfahren, Prümer Beschlüsse. Die Bundesregierung hat hinsichtlich der etwaigen Nutzung eines dieser Instrumente/Verfahren zur Abbildung der EPRIS-Funktionalität bisher keine Präferenz und wartet für eine weitere Bewertung die Ergebnisse der Studien/Gutachten ab. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Brigitte Zypries (SPD) (Drucksache 17/12342, Frage 30): Wie bewertet der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, BKM, die Einschätzung des Bundesministeriums der Justiz, derzufolge der Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken mit den Änderungswünschen des Beauftragten für Kultur und Medien „die Abmahnanwälte so kaum noch schrecken“ werde, und teilt er die Einschätzung, dass – sollten diese Änderungsvorschläge aufgenommen werden – das Gesetz keinen wirksamen Beitrag gegen unseriöse Geschäftspraktiken und gegen den Abmahnmissbrauch leisten kann? Die Bundesregierung ist sich einig, dass Abmahnmissbrauch einzudämmen ist. Damit soll eine Verbesserung der Lage der Verbraucherinnen und Verbraucher -erreicht werden. Zugleich muss ein angemessener Inte-ressenausgleich mit den Interessen der Rechteinhaber -gefunden werden. Die noch offenen Fragen zu dem Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken sind inzwischen mit dem BKM geklärt, und der Entwurf ist an Länder und Verbände versandt worden. Ich halte es daher derzeit nicht für zielführend, angebliche Äußerungen des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien oder des Bundesjustizministeriums zu kommentieren, die inzwischen ohnehin überholt sind. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Brigitte Zypries (SPD) (Drucksache 17/12342, Frage 31): Teilt der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, BKM, die Position, die von der Allianz Deutscher Produzenten – Film & Fernsehen, dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels, dem BIU, dem Bundesverband Musikindustrie, der SPIO, dem VPRT und dem VUT vertreten wird (vergleiche hierzu http://m.heise.de/newsticker/meldung/ Abmahnunwesen-Kulturindustrie-gegen-gelb-schwarzen-Kom promiss-1802478.html?from-classic=1), dass der Vorschlag der Koalitionsfraktionen zu einer weiteren Bagatellisierung von Rechtsverletzungen im Internet führen würde, und vertritt der BKM auch die Auffassung, dass hierzu das von den Verbänden geforderte Warnhinweismodell, welches das Bundesjustizministerium kategorisch abgeblockt habe, eine sinnvolle und rechtlich vertretbare Alternative wäre? In der Diskussion um Urheberrechtsverletzungen im Internet begegnet man vielen Aussagen zu Bagatellisierungen. Im Regierungsentwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken kommt es darauf an, einen angemessenen Interessenausgleich zu finden. Die Ansichten zu sogenannten Warnhinweismodellen gehen innerhalb der Bundesregierung auseinander. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Fragen des Abgeordneten Gerold Reichenbach (SPD) (Drucksache 17/12342, Fragen 32 und 33): Ist der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, BKM, der Auffassung, dass er hinreichend an der Ressortabstimmung des Gesetzentwurfs gegen unseriöse Geschäftspraktiken beteiligt wurde und dass seine Bedenken und Änderungswünsche im Rahmen der Ressortabstimmung hinreichend berücksichtigt worden sind? Warum hat der BKM erst einen Tag vor der Kabinettsbefassung auf die Absetzung von der Tagesordnung gedrängt, und wie will der BKM sicherstellen, dass der vorgesehene Abmahndeckel nur in den Fällen greift, in denen der Abgemahnte zum ersten Mal auf Unterlassung verpflichtet werden soll? Zu Frage 32: Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, BKM, hat sich wie alle anderen betroffenen Ressorts in diese Ressortabstimmung eingebracht. Die noch offenen Fragen sind inzwischen mit dem BKM geklärt, und der Entwurf ist an Länder und Verbände versandt worden. Zu Frage 33: Ein Gesetzentwurf kann den allgemeinen Üblichkeiten entsprechend erst im Kabinett behandelt werden, wenn die Ressortabstimmung abgeschlossen ist. Jegliche Planung ist bis dahin vorläufig. Die noch offenen Fragen sind inzwischen mit dem BKM geklärt und der Entwurf ist an Länder und Verbände versandt worden. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Fragen der Abgeordneten Kerstin Tack (SPD) (Drucksache 17/12342, Fragen 34 und 35): Teilt der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien die – laut Medienberichten – vonseiten der Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und FDP geäußerte Sorge, dass mit der zeitlichen Verzögerung beim Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken das erklärte Ziel der Bundesregierung, die missbräuchlichen Abmahnungen wirksam zu begrenzen, nicht mehr erreicht werden kann und dass er damit den Verbraucherinnen und Verbrauchern, die zu Unrecht abgemahnt und mit überhöhten Gebühren überzogen werden, einen Bärendienst erwiesen hat? Teilt der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien die Einschätzung, dass er ohne Not einen Kompromiss zwischen den Koalitionsfraktionen „ausgehebelt“ hat, der zwar insgesamt als nicht weitgehend genug anzusehen ist, um dem Abmahnmissbrauch wirksam zu begegnen, der aber als ein wichtiger erster Schritt zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher angesehen werden kann, und wie erklärt er diesen, dass die Bundesregierung – wie in allen anderen Fragen bei der Modernisierung des Urheberrechtes – weiterhin untätig bleibt? Zu Frage 34: Die Bundesregierung ist sich einig, dass Abmahnmissbrauch einzudämmen ist. Damit soll eine Verbesserung der Lage der Verbraucherinnen und Verbraucher erreicht werden. Zugleich muss ein angemessener Interessenausgleich mit den Rechteinhabern gefunden werden. Die noch offenen Fragen zu dem Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken sind inzwischen mit dem BKM geklärt und der Entwurf ist an Länder und Verbände versandt worden. Ich halte es daher derzeit nicht für zielführend, angebliche Äußerungen des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien oder des Bundesjustizministeriums zu kommentieren, die inzwischen ohnehin überholt sind. Im Übrigen steht noch ausreichend Zeit zur Verfügung, um das Gesetzgebungsverfahren abzuschließen. Zu Frage 35: Ein Gesetzentwurf kann den allgemeinen Üblichkeiten entsprechend erst im Kabinett behandelt werden, wenn die Ressortabstimmung abgeschlossen ist. Jegliche Planung ist bis dahin vorläufig. Die noch offenen Fragen sind inzwischen mit dem BKM geklärt und der Entwurf ist an Länder und Verbände versandt worden. Im Übrigen ist die Bundesregierung bei der Modernisierung des Urheberrechts nicht untätig. So hat sie den Entwurf für ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger vorgelegt. Auch wird das Bundesministerium der Justiz in Kürze einen Referentenentwurf zu verwaisten Werken versenden. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12342, Frage 36): Warum wurden die mietrechtlichen Forderungen, die -Modernisierungsumlage nach § 559 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, BGB, zeitlich zu begrenzen sowie den Zeitraum zur Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB auf zehn Jahre zu verlängern, nicht bei der abgeschlossenen Mietrechtsnovelle berücksichtigt bzw. eingebracht? Ihre Frage betrifft zwei unterschiedliche Sachverhalte, nämlich zum einen die Mieterhöhung nach Modernisierung in Bestandsmietverträgen nach § 559 BGB und zum anderen die Frage, wie die ortsübliche Vergleichsmiete in Bestandsmietverträgen nach § 558 Abs. 2 BGB zu bestimmen ist. Richtig ist, dass diese beiden Sachverhalte nicht -Gegenstand des von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurfs waren. Denn bei diesem Gesetz ging es nicht um die Neuordnung des Miethöherechts, sondern im Schwerpunkt um die energetische Modernisierung von Wohnraum und um die Bekämpfung des „Miet-nomadentums“. Initiativen, in diesem Gesetzgebungsvorhaben auch grundlegende Änderungen des Miethöherechts vorzu-sehen, haben zu Recht keine Mehrheit gefunden: Eine Befristung der Mieterhöhung nach Modernisierung könnte die Anreize mindern, den vermieteten Wohnungsbestand zu modernisieren. Dies wäre gerade in Zeiten der Energiewende kontraproduktiv. Deshalb bleibt die Regelung des § 559 BGB strukturell unverändert bestehen. Auch bleibt es dabei, die ortsübliche -Vergleichsmiete auf Grundlage der vereinbarten oder geänderten Mieten der letzten vier Jahre zu bestimmen und nicht der letzten zehn Jahre. Das Recht des Vermieters, die ortsübliche Vergleichsmiete zu fordern, dient dem Interessenausgleich, weil er wegen des sozialen Kündigungsschutzes gehindert ist, im Wege der Änderungskündigung eine aktuell vielleicht deutlich höhere Marktmiete zu erzielen. Vor diesem Hintergrund muss das Mietrecht aber – auch aus Gründen des verfassungsrechtlich gebotenen Eigentumsschutzes des Vermieters – einen Mechanismus bereithalten, um eine angemessene Anpassung der Miete in einem bestehenden Mietverhältnis zu ermöglichen. Deshalb sollte sich die ortsübliche Vergleichsmiete durch Einbeziehung auch älterer Bestandsverträge nicht noch weiter von der aktuellen Marktmiete entfernen. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12342, Frage 37): Gehört zu den Schlussfolgerungen der Bundesregierung aus der Verurteilung der ehemaligen Führungsmitglieder der deutschen Sektensiedlung Colonia Dignidad Gerhard Mücke, Gunter Schaffrik, Gerd Seewald, Dennys Alvear, Kurt Schnellenkamp durch den Obersten Gerichtshof von Chile am 25. Januar 2013 zu langjährigen Haftstrafen wegen systematischen sexuellen Missbrauchs in der Colonia Dignidad, ins-besondere aus der Verurteilung des ehemaligen Arztes der -Colonia Dignidad, Hartmut Hopp, gegen den in Abwesenheit eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren verhängt wurde, der aber bereits 2011 vor der chilenischen Justiz nach Deutschland geflohen war, das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Krefeld gegen Hartmut Hopp zu unterstützen, etwa durch di-plomatische Bemühungen rasch die Akten aus Chile zu er-halten, und gehört zu diesen Schlussfolgerungen auch, den Opfern der Straftaten eine angemessene Entschädigung zu leisten? Die Bundesregierung kann zum Stand eines laufenden Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Krefeld keine Stellung nehmen. Hierfür bitte ich um Verständnis. Die Bundesregierung wird jedoch im Bereich der justi-ziellen Rechtshilfe in Strafsachen im Rahmen ihrer Zuständigkeit – zum Beispiel bei der Übermittlung eines Rechtshilfeersuchens und einer entsprechenden Anfrage der zuständigen Staatsanwaltschaft – Unterstützung leisten. Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz, OEG, kommen leider nicht in Betracht, da dieses Gesetz Entschädigungen für Gewalttaten im Ausland nur dann vorsieht, wenn diese Gewalttaten nach dem 1. Juli 2009 stattgefunden haben. Zudem könnten solche Ansprüche auch nur Deutsche und in Deutschland lebende Ausländer geltend machen, nicht aber Ausländer, die ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt im Ausland haben. Auch andere Entschädigungsmöglichkeiten stehen der Bundesregierung leider nicht zur Verfügung. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Andrea Wicklein (SPD) (Druck-sache 17/12342, Frage 38): Plant die Bundesregierung die Einführung der im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP angekündigten steuerlichen Forschungsförderung noch in dieser Legislatur? Im Bundeshaushalt 2013 und im geltenden Finanzplan ist eine steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung nicht berücksichtigt. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) (Drucksache 17/12342, Frage 39): Wie ist die erfolgte unecht rückwirkende Anhebung des Grundfreibetrags im Rahmen von bereits festgesetzten -Einkommensteuervorauszahlungen zu berücksichtigen, und besteht hinsichtlich der Reduzierung von bisher festgesetzten Einkommensteuervorauszahlungen infolge der Tarifänderung ein Ermessensspielraum seitens der Finanzbehörden? Die Einkommensteuervorauszahlungen bemessen sich nach § 37 Abs. 3 Satz 2 EStG grundsätzlich nach der Einkommensteuer der letzten Veranlagung. Eine -Anpassung an die tatsächlich zu erwartende Einkommensteuerschuld ist dennoch auf Antrag möglich. Sie kann erfolgen, wenn der Steuerpflichtige eine Änderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse gegenüber der -letzten Festsetzung glaubhaft macht. Die Anpassung der Vorauszahlungen nach der sich für den Veranlagungszeitraum voraussichtlich ergebenen Einkommensteuer kann der Steuerpflichtige dann formlos beim Finanzamt beantragen. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Fragen der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) (Drucksache 17/12342, Frage 40): Mit welchen zusätzlichen jährlichen Bürokratiekosten für die Verwaltung bzw. Wirtschaft rechnet die Bundesregierung bei Anwendung von R 6.3 Abs. 1 der Einkommensteuer-Änderungsrichtlinien, EStÄR 2012, wonach angemessene Kosten der allgemeinen Verwaltung, angemessene Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für freiwillige soziale Leistungen und für die betriebliche Altersversorgung zwingend in die steuerlichen Herstellungskosten einzufließen haben, und welche Haltung vertritt die Bundesregierung gegenüber dem Änderungsvorschlag des Bundesrates gemäß dem Beschluss 681/12 hinsichtlich R 5.7 Abs. 1 EStÄR 2012 in Bezug auf die steuerliche Bewertung nach Rückstellungen? Der Nationale Normenkontrollrat hat in seiner Stellungnahme zu den Einkommensteuer-Änderungsrichtlinien 2012 eine Abschätzung des Erfüllungsaufwandes der Regelung 6.3 angeregt. Dieses Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Die Bundesregierung unterstützt die Streichung des Satzes 3 in R 5.7 Abs. 1 EStÄR 2012 und die Übernahme des Regelungsgehaltes in R 6.11 Abs. 3 EStÄR 2012. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Dr. Axel Troost (DIE LINKE) (Drucksache 17/12342, Frage 41): Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zu der Absichtserklärung einiger Bundesländer, gegen das aktuelle System des Länderfinanzausgleichs zu klagen, und sieht die Bundesregierung negative Leistungsanreize in dem aktuellen System des Länderfinanzausgleichs? Es ist das gute Recht jedes Landes, gegen die bundesgesetzlichen Regelungen zum Länderfinanzausgleich zu klagen. Dem Vernehmen nach soll die Klage von Bayern und Hessen Ende Februar 2013 eingereicht werden. Die Bundesregierung wird ihre Haltung zu den von Bayern und Hessen vorgebrachten Kritikpunkten auf der Grundlage der Ausführungen in der Klageschrift festlegen. Die Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs ab dem Jahr 2020 wird ein politischer Schwerpunkt der nächsten Legislaturperiode sein. Dabei muss die Bundesregierung grundsätzlich die Interessen aller Bundesländer und damit ganz Deutschlands im Blick haben. Jedem konkreten Finanzausgleichssystem liegt die Abwägung zwischen den finanziellen Ausgleichserfordernissen und den mit dem Ausgleich verbundenen negativen Anreizwirkungen zugrunde. Dies gilt auch für die bestehenden Regelungen, die im Jahr 2001 einvernehmlich von Bund und allen Ländern festgelegt worden waren. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Dr. Axel Troost (DIE LINKE) (Drucksache 17/12342, Frage 42): Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Drittländer, die die Mindeststandards für verantwortungsvolles Handeln im Steuerbereich gemäß dem OECD-Standard nicht einhalten, und welche konkreten Mindestanforderungen sind dies? Die Grundsätze der OECD zu Transparenz und effektivem Informationsaustausch für Besteuerungszwecke, die mittlerweile international – auch durch Übernahme in dem UN-Muster für Doppelbesteuerungsabkommen – als OECD-Standard anerkannt sind, besagen im Kern: Der Zugang der Steuerbehörden zu besteuerungsrelevanten Informationen muss gewährleistet sein. Dies schließt die Möglichkeit ein, dass diese Informationen auf Ersuchen an ausländische Steuerbehörden für Zwecke der Sachverhaltsaufklärung weitergegeben werden können, zum Beispiel aufgrund zwei- oder mehrseitiger Vereinbarungen. Zu den Informationen, die zugänglich sein müssen, gehören neben Bankinformationen auch Informationen über die Eigentumsverhältnisse an Gesellschaften. Bis heute hat es kein wichtiges Finanzzentrum nach Aufforderung abgelehnt, mit Deutschland den OECD-Standard zu vereinbaren. Damit hat das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz – ebenso wie Maßnahmen vergleichbarer Art anderer Staaten – sein Ziel erreicht, und kein Staat oder Gebiet ist als „unkooperativ“ im Sinne des Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetzes anzusehen. Anlage 27 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage der Abgeordneten Veronika Bellmann (CDU/CSU) (Drucksache 17/12342, Frage 43): Inwiefern sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, den Selbstbehalt anzupassen, wenn ein Empfänger von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch eine drei-jährige schulische Ausbildung absolviert, bei der das dritte Ausbildungsjahr selbst finanziert werden muss, da der Bildungsgutschein nur für zwei Jahre ausgelegt ist? Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Fragestellung auf mögliche Veränderungen beim Freibetrag nach § 11 b Abs. 3 Zweites Buch Sozialgesetzbuch, SGB II, abzielt, die erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die an Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen, in die Lage versetzen sollen, Weiterbildungskosten selbst zu -finanzieren. Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung nach den §§ 81 und 82 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch, SGB III, bedürfen der Zulassung durch eine fachkundige Stelle, §§ 176 f. SGB III. Dies gilt auch in den Fällen, in denen Jobcenter Eingliederungsleistungen nach § 16 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB II in Verbindung mit §§ 81 ff. SGB III erbringen. Zu den Anforderungen für die Zulassung gehört unter anderem, dass die Finanzierung der Maßnahme in Gänze gesichert sein muss – gegebenenfalls für das letzte Maßnahmedrittel auf der Grundlage bundes- oder landesrechtlicher Regelungen, siehe § 180 Abs. 4 Satz 2 SGB III. Finanzierungsdefizite, wie in der Frage unterstellt, sind deshalb nach dieser Gesetzeslage regelmäßig ausgeschlossen. Im Ergebnis erwägt die Bundesregierung deshalb auch nicht die Möglichkeit, die Freibeträge für Maßnahmeteilnehmer zu modifizieren. Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Frage der Abgeordneten Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12342, Frage 44): Wie soll die im Rahmen der Eiweißpflanzenstrategie geplante Forschung zur Verringerung der Wettbewerbsnachteile heimischer Eiweißpflanzen finanziert werden, ohne dabei Vorhaben im Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen der nachhaltigen Landwirtschaft, zum Beispiel Forschungs- und Entwicklungsvorhaben im Bereich Tierwohl, Stärkung der Innovationskraft der Akteure im Ökolandbau, Qualifizierungsmaßnahmen für Ernährungshandwerk und -wirtschaft, zu beschneiden, und welcher zeitliche Rahmen ist für die Ausgaben der Eiweißpflanzenstrategie vorgesehen? Die Eiweißpflanzenstrategie, EPS, ist auf eine mittel- und langfristige Verbesserung der Eiweißversorgung aus heimischen Eiweißpflanzen ausgerichtet. Sie kommt gleichermaßen dem ökologischen Landbau sowie der konventionellen Landwirtschaft zugute. Die im Rahmen der Strategie geplanten Projekte werden über das Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft, BÖLN (Kap. 1005 686 02), finanziert. Für diesen Titel stehen derzeit 17 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung. Um eine Finanzierung der Projekte der EPS zu ermöglichen, soll der BÖLN-Titel um 2 Millionen Euro mit Mitteln aus dem Programm zur Innovationsförderung des BMELV verstärkt werden. Es werden auch weiterhin diverse Maßnahmen und Projekte zum ökologischen Landbau und zu anderen nachhaltigen Formen der Landwirtschaft gefördert wie zum Beispiel zur Regionalvermarktung, zur Klimawirkung und zum integrierten Pflanzenschutz. Der bisherige Planungshorizont für die EPS reicht bis in das Jahr 2017. Dabei sind Praxisnetzwerke in den Bereichen Soja und Lupine – 2013 bis 2016 – sowie Ackerbohne und Erbse – 2014 bis 2017 – mit entsprechenden Forschungsaktivitäten geplant. Anlage 29 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Fragen der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12342, Fragen 45 und 46): Plant die Bundesregierung als Konsequenz aus dem aktuellen Pferdefleischskandal weitergehende Deklarationspflichten für Zutaten in Fertigprodukten und, wenn nein, warum nicht? In welchem Umfang wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im aktuellen Lebensmittelskandal Produkte vernichtet, und wie groß ist der entstandene wirtschaftliche Schaden? Zu Frage 45: Die Herkunft von Zutaten muss derzeit auf verarbeiteten Lebensmitteln nicht angegeben werden. Um die Information der Verbraucherinnen und Verbraucher weiter zu verbessern und die Transparenz zu erhöhen, setzt sich die Bundesregierung bei der Europäischen Kommission in Brüssel für eine Erweiterung der Herkunftskennzeichnung von Zutaten im Rahmen der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 (sogenannte Lebensmittel-Informationsverordnung) ein. Dies ist Teil des am 18. Februar 2013 zwischen den Verbraucherschutzministerinnen und -ministern der Länder und des Bundes vereinbarten Aktionsplanes „Aufklärung – Transparenz – Information – Re-gionalität“. Die EU-Verordnung enthält einen weitreichendenden Prüfauftrag an die Europäische Kommission zur Herkunftskennzeichnung und deren Zutaten. So muss die Europäische Kommission unter anderem bis 13. Dezember 2013 einen Bericht vorlegen, ob eine Herkunftskennzeichnung auch für Lebensmittel mit der Zutat Fleisch sinnvoll und machbar ist. Die Bundesregierung begrüßt die Ankündigung der Europäischen Kommission, diesen Bericht aufgrund der aktuellen Ereignisse früher als geplant vorzulegen. Eine Erweiterung der Herkunftskennzeichnung ist ein wichtiger Beitrag zur Rückgewinnung des verloren -gegangenen Verbrauchervertrauens in die Lebensmittelproduktion. Zu Frage 46: Wie der fortlaufende Informationsfluss aus dem EU-Schnellwarnsystem zeigt, ist die tatsächliche Dimension des Geschehens noch nicht bekannt. Daher gibt es auch noch keine belastbaren Zahlen zum Umfang der vernichteten Lebensmittel. Auch der entstandene wirtschaftliche Schaden lässt sich somit momentan noch nicht beziffern. In jedem Falle muss das Geschehen vollständig aufgeklärt und müssen die Ursachen beseitigt werden. Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12342, Fra-ge 47): Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus Medienberichten (The New York Times, 13. Januar 2013, und andere), wonach drei der vier bis 2012 von den USA ausgebildeten malischen Kampfeinheiten im Norden Malis 2012 mit Waffen, Fahrzeugen nebst 1 600 weiteren Soldaten zu den Islamisten desertierten, sowie aus der langjährigen offenbar fehlgeleiteten US-Militärausbildung des malischen Putschistenführers Amadou Sanogo (taz, 5. April 2012) hinsichtlich der Erfolgsaussichten eigener Pläne, Bundeswehr und andere EU-Staaten sollten nun malische Soldaten erfolgreich ausbilden, und welche Konsequenzen für die Auswahl der auszu-bildenden malischen Regierungssoldaten aus Meldungen (FAZ, 9., 12. Februar 2013, Süddeutsche Zeitung, 11. Februar 2013), wonach derzeit unter anderem in einem Militärlager der Regierungsarmee nahe der Hauptstadt Bamako Anhänger des gestürzten Präsidenten in der Armee andere Regierungssoldaten beschießen, die gemeutert, die frühere Regierung gestürzt und die jetzige Regierung an die Macht geputscht hatten? Nachdem die Tuareg 2012 ihren Kampf für einen unabhängigen Staat begannen, kam es in der malischen Armee zur Desertion vieler tuaregstämmiger Soldaten. Konkrete Angaben über Anzahl, Ausbildung oder Bewaffnung liegen der Bundesregierung nicht vor. Die Ausbildung der malischen Streitkräfte im Rahmen der europäischen Trainingsmission soll diese befähigen, erfolgreich die staatliche Integrität Malis im Kampf gegen den Terrorismus zu gewährleisten. Sie ist im Rahmen des nationalen Dialogs und der Aussöhnung zwischen dem Süden und dem Norden Malis in die Umsetzung des politischen Fahrplans eingebettet. Konkrete Ausbildungspläne werden derzeit zwischen der Europäischen Trainingsmission in Mali und den malischen Streitkräften abgestimmt. Die Auseinandersetzung zwischen unterschiedlichen Einheiten der malischen Streitkräfte wurde durch Staatspräsident Traoré als Oberbefehlshaber der malischen Streitkräfte vorerst beendet. Dies ist ein ermutigendes Zeichen dafür, dass die politischen Institutionen die Kontrolle über die Streitkräfte gewinnen. Seit Beginn der Operation SERVAL im Januar 2013 haben die Ex-Putschisten innerhalb der malischen Armee an Einfluss verloren. Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12342, Frage 48): Ab wann werden die afghanischen Streitkräfte nach Einschätzung der Bundesregierung über eine funktionsfähige Luftwaffe verfügen, und wie lange werden die afghanischen Streitkräfte in diesem Bereich noch auf die Unterstützung dritter Staaten angewiesen sein? Der Aufbau der afghanischen Luftstreitkräfte ist konzeptionell so ausgeplant, dass im Jahr 2016 die volle Einsatzbereitschaft angestrebt wird. Bis dahin werden im Schwerpunkt der Ausbau taktischer Lufttransport-kapazitäten und der Aufbau eines nachhaltigen Aus-bildungsprogramms vorangetrieben. Weiterhin gilt es, durchhaltefähige Logistikstrukturen aufzubauen und die erforderliche Infrastruktur zu schaffen. Aufgrund des langsamen Voranschreitens, insbesondere im Bereich der Ausbildung, Ersatzteilversorgung und Modernisierung des Luftfahrzeugbestands, erscheint das Ziel von eigenständig operierenden afghanischen Luftstreitkräften in 2016 sehr ambitioniert. Nach derzeitiger Einschätzung wird eine Unterstützung durch dritte Staaten bis über das Jahr 2016 hinaus erforderlich sein. Anlage 32 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ulrike Flach auf die Frage der Abgeordneten Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) (Drucksache 17/12342, Frage 49): Ist der Bundesregierung der Zwischenbericht „Prozessevaluation und vorläufige Resultate“ der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften bekannt, in dem ein Modellprojekt der Krankenkasse BIG untersucht wurde, bei dem es Physiotherapeuten erlaubt wurde, von der Verordnung des behandelnden Arztes abzuweichen, was nach der Untersuchung zu einer Verbesserung der Versorgung geführt hat, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus? Die Bundesregierung hat Kenntnis von dem Zwischenbericht. Es handelt sich um eine erste Teilauswertung des Projekts auf der Grundlage von 59 Endbefunden. Der Zwischenbericht lässt allenfalls gewisse Tendenzen erkennen, erlaubt aber keine darüber hinausgehenden Schlussfolgerungen. Anlage 33 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ulrike Flach auf die Frage der Abgeordneten Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) (Drucksache 17/12342, Frage 50): Welche wissenschaftliche Evidenz belegt, dass es für Patientinnen und Patienten sinnvoll ist, dass die Verschreibung von Heilmitteln sowohl bezüglich der Menge als auch bezüglich der durchzuführenden Maßnahmen durch den Arzt statt durch den Heilmittelerbringer erfolgt, und warum wird daran festgehalten, falls dafür keine Evidenz vorliegen sollte? Es gehört zu den Kernaufgaben von Ärztinnen und Ärzten, die für die Behandlung der Patientinnen und Patienten notwendigen Maßnahmen festzulegen. Hierzu zählt auch die Entscheidung über die medizinisch notwendigen Heilmittelbehandlungen. Modellvorhaben in der vertragsärztlichen Versorgung (vergleiche § 63 Abs. 3 b Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – SGB V) können vorsehen, dass Physiotherapeutinnen und -therapeuten im Rahmen der ärztlich veranlassten Heilmittelbehandlung ein höheres Maß an Verantwortung übernehmen und Auswahl und Dauer der physikalischen Therapie sowie die Frequenz der Behandlungseinheiten selbst bestimmen. Welche Auswirkungen dies für die Behandlung der Patientinnen und Patienten hat, muss in den Modellvorhaben gezeigt werden. Insoweit ist Evidenz zu fordern. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Fragen des Abgeordneten Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12342, Fragen 51 und 52): Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel aus der Kostenexplosion des Bahnhofsprojekts Stuttgart 21 in Milliardenhöhe und den darin deutlich werdenden Planungsmängeln des Projekts, nachdem sie in ihrer Rede am 15. September 2010 in der Debatte zum Bundeshaushalt 2011 in diesem Bauvorhaben noch einen Beweis für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands gesehen hat, und sieht die Bundeskanzlerin dieses Projekt mit dem heutigen Kenntnisstand noch immer als wirtschaftlich und notwendig an? Wird die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel in Wahrnehmung ihrer Richtlinienkompetenz das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 und die bekannt gewordene Kostenexplosion zur Chefinsache machen und die zuständigen Bundesminister Dr. Peter Ramsauer und Dr. Wolfgang Schäuble anweisen, für maximale Transparenz zu sorgen und eine unabhängige Prüfung des Zahlenwerks vornehmen zu lassen? Die Bundeskanzlerin hält das Projekt Stuttgart 21 unverändert für sinnvoll. Die verkehrlichen und städtebaulichen Argumente, die für dieses Verkehrsvorhaben sprechen, haben sich nicht geändert. Die Bundeskanzlerin will, dass die Vertreter des Bundes im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG gewissenhaft ihrer Kontrollaufgabe nachkommen. In diesem Rahmen haben die Aufsichtsräte eine Reihe von Fragen zu den möglichen Kostenrisiken an den Vorstand der Deutschen Bahn AG gerichtet. Der Prüfprozess des Aufsichtsrates ist noch nicht abgeschlossen. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12342, Frage 53): Inwiefern nutzt der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, Dossiers bzw. Sprechzettel der untersten Ebene seines Hauses für seine Arbeit, wie sie der Bundesminister in einem Interview mit dem ZDF am 5. Februar 2013 im Zusammenhang mit dem Projekt Stuttgart 21 und einer Stellungnahme der Bundesministeriums-abteilung LA 17 erwähnt, und aus welchen Gründen hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung bisher keine Sonderkommission Stuttgart 21 analog zur -Sonderkommission BER zum neuen Berliner Flughafen eingerichtet? Sogenannte Sprechzettel sind fachliche Unterlagen zur Vorbereitung von Gesprächsterminen, an denen -Vertreter des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung teilnehmen. Sie werden von den -einzelnen Referaten themenspezifisch und unabhängig davon verfasst, auf welcher Arbeitsebene das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung im jeweiligen Gespräch vertreten wird. Sprechzettel stellen insofern eine jeweils aktuelle Zusammenstellung der gefragten fachlichen Inhalte dar und können auch Empfehlungen für eine bestimmte Gesprächsführung enthalten. Sie sind dagegen nicht Ausdruck einer abgestimmten Meinung der Hausleitung. In diesem Fall handelte sich um die Vorbereitung für einen Staatssekretär zur Teilnahme an einem Workshop zu Stuttgart 21. Stuttgart 21 ist kein Bedarfsplanvorhaben des Bundes, sondern ein eigenwirtschaftliches Projekt der Deutschen Bahn AG mit ihren regionalen Projektpartnern in Baden-Württemberg. Der Bund ist kein Projektpartner, sondern nimmt mit drei Vertretern im Rahmen des Ak-tienrechts im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG seine Verantwortung als hundertprozentiger Eigentümer wahr. Die Einrichtung einer Sonderkommission im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ist somit nicht erforderlich. Anlage 36 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12342, Frage 54): Aus welchen Gründen sind bisher im Jahr 2013 keine Zuwendungen für Projekte im Rahmen der Schaufenster Elektromobilität erteilt worden, und wann werden die Mittel ihre Wirkung entfalten können? Sobald das Bundesministerium der Finanzen die erforderlichen Haushaltsmittel und Verpflichtungsermächtigungen per Bewirtschaftungsrundschreiben zum Energie- und Klimafonds bereitstellt, werden diese in den Jahren 2013 bis 2016 abfließen. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/12342, Fragen 55 und 56): Wie viele Fernbuslinien gibt es mit Stand 1. Februar 2013 in Deutschland, und welche dieser Fernbuslinien bieten auch Rollstuhlfahrern die Möglichkeit der Mitreise an (bitte Anbieter und Strecke nennen)? In welcher Weise begleitet und unterstützt die Bundesregierung die Schaffung von Barrierefreiheit im nationalen sowie im grenzüberschreitenden Fernbuslinienverkehr? Zu Frage 55: Die Anzahl der Fernbuslinien ist nicht bekannt. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung hat eine Umfrage bei den Ländern zur Anzahl der nationalen Fernbuslinien gestartet und wird voraussichtlich Mitte März über die Ergebnisse verfügen. Gegenstand dieser Umfrage ist nicht die Möglichkeit der Mitreise von Rollstuhlfahrern. Diese Auskunft kann zurzeit nur direkt von den Anbietern erteilt werden. Zu Frage 56: Nach § 42 b in Verbindung mit § 62 Abs. 3 Personenbeförderungsgesetz müssen neue Omnibusse ab dem 1. Januar 2016 mit mindestens zwei Stellplätzen für Rollstuhlnutzer ausgerüstet sein. Ab dem 1. Januar 2020 gilt dies für alle Omnibusse, die im Fernbuslinienverkehr eingesetzt werden. Diese Vorschrift gilt nicht für den grenzüberschreitenden Linienverkehr innerhalb der Europäischen Union. Die Bundesregierung wird auf der Grundlage eines vom Deutschen Bundestag in seiner 195. Sitzung am 27. September 2012 verabschiedeten Entschließungsantrags und nach dessen Maßgaben prüfen, ob auf EU-Ebene Regelungen geschaffen oder verbessert werden sollen, die einen europaweit einheitlichen barrierefreien Fernbuslinienverkehr gewährleisten. Je nach Ergebnis der Prüfung wird die Bundesregierung gegebenenfalls die Initiative für eine Änderung der betreffenden Regelungen ergreifen, vergleiche dazu Entschließungsantrag der Fraktionen, CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung – Bundestagsdrucksachen 17/8233, 17/10857 –, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung personenbeför-derungsrechtlicher Vorschriften, Bundestagsdrucksache 17/10859). Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12342, Frage 57): Welche Rolle spielt für die Bundesregierung die Festsetzung von Standards zu Barrierefreiheit für die Verkehrsinfrastruktur des Bundes, und warum findet die Barrierefreiheit im Grundkonzept für den BVWP 2015 keine Erwähnung? Die Barrierefreiheit für die Verkehrsinfrastruktur des Bundes betrifft den Eisenbahnbereich. Die Zielbestimmung zur Barrierefreiheit für den Eisenbahnbereich ist durch Art. 52 des Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze konkretisiert worden. Der dementsprechend geänderte § 2 Abs. 3 Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung, EBO, verpflichtet die Eisenbahnen, Programme für die Gestaltung von Bahnanlagen und Fahrzeugen zu erstellen, mit dem Ziel, eine möglichst weitreichende Barrierefreiheit für deren Nutzung zu erreichen. Die im Wettbewerb am Verkehrsmarkt operierenden Eisenbahnunternehmen haben die Bedingungen für die Herstellung der Barrierefreiheit im Einzelnen in eigener unternehmerischer Verantwortung zu regeln und darüber zu entscheiden, welche Art Maßnahmen zur Herstellung der Barrierefreiheit ergriffen und zu welchen Zeitpunkten Investitionen von ihnen aufzubringen sind. Die Barrierefreiheit ist in der Grundkonzeption für den Bundesverkehrswegeplan 2015 nicht gesondert erwähnt, da sie schon, wie oben ausgeführt, ihrer Bedeutung entsprechend gesetzlich geregelt ist. Anlage 39 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12342, Frage58): Von welchen Ländern bzw. Institutionen liegen der Bundesregierung bereits Projektanmeldungen für den Bundesverkehrswegeplan, BVWP, 2015 in welchem Umfang vor? Für die Bundeswasserstraßen sind von insgesamt 33 Ländern bzw. Institutionen 139 sich teilweise deckende Anmeldungen eingegangen. Für die Bundesschienenwege und die Bundesfernstraßen laufen noch die Fristen zur Anmeldung von Projekten (Juni bzw. September 2013). Wie im „Konzept zur Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen der Erarbeitung des Bundesverkehrswegeplanes 2015“ angekündigt, werden die vorgeschlagenen Projekte nach Ablauf der Fristen und Aufbereitung der Projektanmeldungen im Internet veröffentlicht. Dies wird voraussichtlich Ende des Jahres 2013 der Fall sein. Anlage 40 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12342, Frage 59): Wann genau wurde die Bundesregierung über die aktuell in Europa laufenden die Atomkraft betreffenden Programme, Strategien und Neubauvorhaben – solche wie in Frage 16 genannt – erstmals notifiziert, und bei welchen nimmt sie selbst keinen aktiven Part im Rahmen grenzüberschreitender Verfahrensbeteiligung wahr – unter aktivem Part wird einer wie der der Bundesregierung beim polnischen Atomprogramm verstanden? Bei der Unterrichtung im zwischenstaatlichen Verhältnis über geplante Projekte sowie über Pläne und Programme im Bereich der Kernenergie kommen unterschiedliche völkerrechtliche und EU-rechtliche Vorschriften zur Anwendung. Nach den Bestimmungen der Espoo-Konvention vom 25. Februar 1991 sowie der Richtlinie 2011/92/EU, UVP-Richtlinie, sind die Vertragsstaaten der Konvention und die Mitgliedstaaten der Europäischen Union verpflichtet, sich über geplante UVP-pflichtige Projekte zu unterrichten, die erhebliche nachteilige Auswirkungen auf das Gebiet des anderen Vertrags- oder Mitgliedstaats haben können. Eine entsprechende Notifikation der Bundesrepublik Deutschland fand in den letzten Jahren für folgende Kernkraftwerksvorhaben statt: Errichtung einer neuen Kernkraftanlage am Standort Temelin/Tschechische Republik einschließlich Fortleitung der Leistung in das Umspannwerk Kocin – Unterrichtung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BMU, durch Schreiben des Ministeriums für Umwelt der Tschechischen Republik vom 6. August 2008; Errichtung neuer Kernkraftwerksblöcke am Standort Paks/Ungarn – Unterrichtung des BMU durch Schreiben des Ministeriums für nationale Entwicklung der Republik Ungarn vom 12. Februar 2013. Zur geplanten Errichtung eines Kernkraftwerkes am Standort Hinkley Point in Großbritannien hat die Bundesregierung keine Notifizierung erhalten. Zu notifizieren sind nach den Bestimmungen des -Protokolls vom 21. Mai 2003 über die strategische -Umweltprüfung zum Übereinkommen über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen – sogenanntes SEA-Protokoll – sowie nach der Richtlinie 2001/42/EG, SUP-Richtlinie, auch Pläne und Programme der Vertrags- oder Mitgliedstaaten, die einer Strategischen Umweltprüfung bedürfen und deren Durchführung erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen auf das Gebiet eines anderen Vertrags- oder -Mitgliedstaats haben kann. Auf der Grundlage dieser Vorschriften hat die Republik Polen die Bundesregierung mit Schreiben des polnischen Ministeriums für Wirtschaft vom 18. Juli 2011 und elektronischer Nachricht vom 20. Juli 2011 über die Durchführung eines Verfahrens zur Aufstellung eines Nuklearprogramms unterrichtet. Zu etwaigen Energieprogrammen der Tschechischen Republik oder Sloweniens ist der Bundesregierung keine Notifikation zugegangen. Bei Notifizierungen, die Projekte, Pläne oder Programme im Bereich der Kernenergie betreffen, veranlasst das Bundesumweltministerium im Regelfall gemäß § 9 b des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, UVPG, in Verbindung mit § 24 Atomgesetz, AtG, eine Weiterleitung an die Behörde, die für ein entsprechendes Vorhaben in Deutschland zuständig wäre. Dabei wird es sich meist um eine oder mehrere Landesbehörden handeln. Je nach Vorhabenart kann aber auch eine Bundesbehörde zuständig sein, so zum Beispiel wenn es sich um ein UVP-pflichtiges Vorhaben handelt, für dessen Durchführung in Deutschland nach § 23 AtG das Bundesamt für Strahlenschutz zuständig wäre. Auch im Rahmen des grenzüberschreitenden SUP-Verfahrens zum Entwurf des Kernenergieprogramms der Republik Polen hat die Bundesregierung im Rahmen der grenzüberschreitenden SUP eine eigene Stellungnahme ab-gegeben, da das Programm das gesamte polnische Staatsgebiet betraf und entsprechende Planungszuständigkeiten in Deutschland auf Landesebene nicht bestehen. Anlage 41 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Fragen des Abgeordneten Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12342, Fragen 60 und 61): Kann die Bundesregierung ausschließen, dass in Zukunft Brennelemente des Kernkraftwerks Baltijskaja per Schiff durch das Kattegat transportiert werden, und kann die Bundesregierung ausschließen, dass Brennelemente des Kernkraftwerks Baltijskaja in Zukunft zur Wiederaufbereitung per Schiff ins englische Sellafield transportiert werden? Kann die Bundesregierung ausschließen, dass in Zukunft Brennelemente des Kernkraftwerks Baltijskaja per Schiff über deutsche Häfen transportiert werden, und kann die Bundes-regierung ausschließen, dass Transporte per Schiff durch den Nord-Ostsee-Kanal stattfinden? Vorauszuschicken ist, dass die Entscheidung für oder gegen die Nutzung der Kernenergie das souveräne Recht eines jeden Staates ist. Jeder Staat ist dabei auch für die Sicherheit seiner nuklearen Anlagen und die mit der Nutzung der Kernenergie verbundenen Transporte verantwortlich. Dies gilt auch für die Russische Föderation. In der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen zu Frage 23 vom 22. Januar 2013 (Bundestagsdrucksache 17/12178) hat die Bundesregierung berichtet, dass bei bilateralen Gesprächen die russische Seite informierte, dass der An- bzw. Abtransport der Brennelemente per Bahn und Schiff von bzw. nach Sankt Petersburg in Einklang mit den russischen und internationalen Anforderungen erfolgen wird. In meiner Antwort vom 12. Februar 2013 auf Ihre schriftliche Frage (Arbeitsnummer 2/58) wurde der gleiche Sachverhalt nochmals vertieft dargelegt. Schon aus geografischen Gründen ist bei Transporten von Brennelementen oder radioaktiven Abfällen aus dem – zukünftigen – Betrieb des Kernkraftwerkes Baltijskaja bei Kaliningrad nach Sankt Petersburg eine Passage durch das Kattegatt über deutsche Häfen oder den Nord-Ostsee-Kanal nicht erforderlich. Anlage 42 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12342, Frage 62): Inwieweit wird auf den Eisenockereintrag aus den Alttagebaukippen und den durch den Grundwasseranstieg wieder durchströmten Mooren in die Gewässer im Flusssystem der Spree und der Dahme mit einem veränderten Wassermanagement reagiert, und welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang das Wehr Große Tränke? Die Gewässer Spree und Dahme sind Gewässer erster Ordnung, deren Bewirtschaftung in die Zuständigkeit des Landes Brandenburg fallen. Dies gilt auch für die Steuerung des Wasserhaushaltes. Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Anlage 43 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12342, Fra-gen 63 und 64): Gibt es inzwischen eine abgestimmte Position der Bundesregierung zu den Vorschlägen der Europäischen Kommission zur Stützung des europäischen Emissionshandels, wie zum Beispiel dem „Backloading“-Vorschlag, und wie genau sieht diese Position aus? Welche Schlussfolgerungen oder Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Appell von namhaften Unternehmen zur Stützung des europäischen Emissionshandels, der am 7. Februar 2013 unter dem Titel „Investitionssicherheit für ambitionierte EU-Klimaziele: den Emissionshandel reparieren“ (http://germanwatch.org/de/6271) vorgestellt wurde und in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, „Klimaschutz und Investitionssicherheit gemeinsam voranzubringen“, und wird sich der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie für das genannte Anliegen der Unternehmen einsetzen? Zu Frage 63: Die Bundesregierung hat bisher keine gemeinsame Haltung zu den Vorschlägen der Europäischen Kommission zur Stützung des europäischen Emissionshandels. Zu Frage 64: Die Bundesregierung wird den Appell der Unternehmen bei ihrer Meinungsbildung berücksichtigen. Anlage 44 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Frage des Abgeordneten Niema Movassat (DIE LINKE) (Drucksache 17/12342, Frage 65): Welche neuen Erkenntnisse und Ergebnisse der jüngsten Gespräche mit der ruandischen Außenministerin Louise -Mushikiwabo haben die Bundesregierung veranlasst, die seit Sommer 2012 eingefrorenen Mittel der Entwicklungszusammenarbeit mit Ruanda in Höhe von 7 Millionen Euro für die Haushaltsjahre 2012 und 2013 wieder freizugeben, und heißt dieser Schritt, dass die Bundesregierung die UN-Berichte, die eine offene Beteiligung Ruandas am Konflikt im Osten der Demokratischen Republik Kongo anklagen und genau beschreiben, nun als fehlerhaft oder unglaubwürdig einstuft? Die Entscheidung, 7 Millionen Euro allgemeine Budgethilfe in den Schwerpunkt „Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung“, insbesondere „Berufliche Bildung“, zu -reprogrammieren, fiel vor dem Hintergrund der seit November 2012 wahrgenommenen zunehmend positiven Rolle der ruandischen Regierung im Konflikt im Osten der Demokratische Republik Kongo sowie der gravierenden Auswirkungen der Budgethilfeentscheidungen auf den ruandischen Haushalt und die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Positiv bewertet wurden in diesem Zusammenhang die Verurteilung der Gewalt durch die RWA-Regierung, ihre Aufforderung an die Gruppe M23, die Waffen niederzulegen, die Förderung der Verhandlungen in Kampala zwischen der Regierung der Demokratische Republik Kongo und M 23 sowie die aktive Teilnahme am regionalen Prozess unter dem Dach der ICGLR. Darüber hinaus war und ist Ruanda bereit, das vom VN-GS initiierte VN-Rahmenabkommen zum Ostkongo zu unterzeichnen. Die Bundesregierung hat mit der Entscheidung die Erwartung an die RWA-Regierung geknüpft, auch weiter im politischen Prozess engagiert zu bleiben und diesen aktiv zu unterstützen. Die Würdigung der positiven Schritte Ruandas beinhaltet keine Neubewertung der Berichte der VN-Expertengruppe. 27474 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 221. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 20. Februar 2013 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 221. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 20. Februar 2013 27473 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung – 4. April 2003 4 27490 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 221. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 20. Februar 2013 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 221. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 20. Februar 2013 27491